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Opitz, Martin: Schäfferey Von der Nimfen Hercinie. Breslau, 1630.

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daß jhr solche höffligkeit mehr der ergetzung/ als liebe wegen er-
zeigt werde. Darumb wie sie durch jhr tägliches auffnemen vndt
tägliches verstoßen andere schertzet/ also wirdt sie von andern wie-
der geschertzt. Ein mal ist es gewiß/ daß eine solche liebe gemeinig-
lich eine arbeit des müßigganges/ eine hoffnung der vnbedachtsam-
keit/ vndt darumb eine beherrscherinn eines knechtischen hertzens
ist/ weil diese flüchtige schönheit mehrmals mitt so vielem auffwar-
ten/ flehen/ weinen vndt fußfallen/ dergleichen zue thun ein edeles
gemüte in reiffes bedencken nimpt/ wil bedienet werden. Soll a-
ber je die liebe recht antreffen/ so muß sie die vernunfft zum gefehr-
ten haben/ muß den eußerlichen sinnen/ sonderlich aber den augen/
welche als zwey vnachtsame thürhüter zum offtern allerhandt fal-
sche meinungen zue dem gemüte einlaßen/ den muth brechen/ vndt
durch vrtheil vndt verstandt von der außwendigen schönheit zue
der inwendigen/ welche durch diese angenemer gemacht wirdt/
dringen können. Wie die blumen so an sich selber schöne sindt/
dennoch anmutiger zue sein scheinen/ wann sie vnter einem klaren
waßer herfür leuchten: also ist die blüte des gemütes/ wann sie mitt
einem schönen leibe vmbhüllet ist. So soll nun die schönheit des
leibes nichts anders sein als ein furfechter der blüte der tugendt/
vndt als ein heroldt einer größeren schönheit weder sie nicht ist: als
wie der glantz/ welcher sich diesen morgen von hiesigem gefilde
blicken ließ/ ein vorbote der güldenen Sonnen war. Wie ferner
Pythagoras die Sonne für einen gott/ Anaxagoras für einen
stein ansahe; also wirdt die schönheit anders von den begierden/
anders von der vernunfft angesehen/ welche auch von dieser jnner-
lichen schönheit allgemach zue der jenigen steigen lernet/ die dem
was allenthalben ist seine schönheit verliehen hatt. Alß dann wie-
derfehret vns wie etwan menschen/ welche jhre gantze lebenszeit in

einer

daß jhr ſolche hoͤffligkeit mehr der ergetzung/ als liebe wegen er-
zeigt werde. Darumb wie ſie durch jhr taͤgliches auffnemen vndt
taͤgliches verſtoßen andere ſchertzet/ alſo wirdt ſie von andern wie-
der geſchertzt. Ein mal iſt es gewiß/ daß eine ſolche liebe gemeinig-
lich eine arbeit des muͤßigganges/ eine hoffnung der vnbedachtſam-
keit/ vndt darumb eine beherrſcherinn eines knechtiſchen hertzens
iſt/ weil dieſe fluͤchtige ſchoͤnheit mehrmals mitt ſo vielem auffwar-
ten/ flehen/ weinen vndt fußfallen/ dergleichen zue thun ein edeles
gemuͤte in reiffes bedencken nimpt/ wil bedienet werden. Soll a-
ber je die liebe recht antreffen/ ſo muß ſie die vernunfft zum gefehr-
ten haben/ muß den eußerlichen ſinnen/ ſonderlich aber den augen/
welche als zwey vnachtſame thuͤrhuͤter zum offtern allerhandt fal-
ſche meinungen zue dem gemuͤte einlaßen/ den muth brechen/ vndt
durch vrtheil vndt verſtandt von der außwendigen ſchoͤnheit zue
der inwendigen/ welche durch dieſe angenemer gemacht wirdt/
dringen koͤnnen. Wie die blumen ſo an ſich ſelber ſchoͤne ſindt/
dennoch anmutiger zue ſein ſcheinen/ wann ſie vnter einem klaren
waßer herfuͤr leuchten: alſo iſt die bluͤte des gemuͤtes/ wann ſie mitt
einem ſchoͤnen leibe vmbhuͤllet iſt. So ſoll nun die ſchoͤnheit des
leibes nichts anders ſein als ein fůrfechter der bluͤte der tugendt/
vndt als ein heroldt einer groͤßeren ſchoͤnheit weder ſie nicht iſt: als
wie der glantz/ welcher ſich dieſen morgen von hieſigem gefilde
blicken ließ/ ein vorbote der guͤldenen Sonnen war. Wie ferner
Pythagoras die Sonne fuͤr einen gott/ Anaxagoras fuͤr einen
ſtein anſahe; alſo wirdt die ſchoͤnheit anders von den begierden/
anders von der vernunfft angeſehen/ welche auch von dieſer jnner-
lichen ſchoͤnheit allgemach zue der jenigen ſteigen lernet/ die dem
was allenthalben iſt ſeine ſchoͤnheit verliehen hatt. Alß dann wie-
derfehret vns wie etwan menſchen/ welche jhre gantze lebenszeit in

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[16/0016] daß jhr ſolche hoͤffligkeit mehr der ergetzung/ als liebe wegen er- zeigt werde. Darumb wie ſie durch jhr taͤgliches auffnemen vndt taͤgliches verſtoßen andere ſchertzet/ alſo wirdt ſie von andern wie- der geſchertzt. Ein mal iſt es gewiß/ daß eine ſolche liebe gemeinig- lich eine arbeit des muͤßigganges/ eine hoffnung der vnbedachtſam- keit/ vndt darumb eine beherrſcherinn eines knechtiſchen hertzens iſt/ weil dieſe fluͤchtige ſchoͤnheit mehrmals mitt ſo vielem auffwar- ten/ flehen/ weinen vndt fußfallen/ dergleichen zue thun ein edeles gemuͤte in reiffes bedencken nimpt/ wil bedienet werden. Soll a- ber je die liebe recht antreffen/ ſo muß ſie die vernunfft zum gefehr- ten haben/ muß den eußerlichen ſinnen/ ſonderlich aber den augen/ welche als zwey vnachtſame thuͤrhuͤter zum offtern allerhandt fal- ſche meinungen zue dem gemuͤte einlaßen/ den muth brechen/ vndt durch vrtheil vndt verſtandt von der außwendigen ſchoͤnheit zue der inwendigen/ welche durch dieſe angenemer gemacht wirdt/ dringen koͤnnen. Wie die blumen ſo an ſich ſelber ſchoͤne ſindt/ dennoch anmutiger zue ſein ſcheinen/ wann ſie vnter einem klaren waßer herfuͤr leuchten: alſo iſt die bluͤte des gemuͤtes/ wann ſie mitt einem ſchoͤnen leibe vmbhuͤllet iſt. So ſoll nun die ſchoͤnheit des leibes nichts anders ſein als ein fůrfechter der bluͤte der tugendt/ vndt als ein heroldt einer groͤßeren ſchoͤnheit weder ſie nicht iſt: als wie der glantz/ welcher ſich dieſen morgen von hieſigem gefilde blicken ließ/ ein vorbote der guͤldenen Sonnen war. Wie ferner Pythagoras die Sonne fuͤr einen gott/ Anaxagoras fuͤr einen ſtein anſahe; alſo wirdt die ſchoͤnheit anders von den begierden/ anders von der vernunfft angeſehen/ welche auch von dieſer jnner- lichen ſchoͤnheit allgemach zue der jenigen ſteigen lernet/ die dem was allenthalben iſt ſeine ſchoͤnheit verliehen hatt. Alß dann wie- derfehret vns wie etwan menſchen/ welche jhre gantze lebenszeit in einer

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Zitationshilfe: Opitz, Martin: Schäfferey Von der Nimfen Hercinie. Breslau, 1630, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/opitz_schaefferey_1630/16>, abgerufen am 29.03.2024.