Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Opitz, Martin: Buch von der Deutschen Poeterey. Breslau u. a., 1624.

Bild:
<< vorherige Seite

Denn solches bloß zue außfüllung des verses dienet.

Dieses sey nun von der allgemeinen zuegehör der Poetischen re-
de: weil aber die dinge von denen wir schreiben vnter schieden
sind/ als gehöret sich auch zue einem jeglichen ein eigener vnnd
von den andern vnterschiedener Character oder merckzeichen
der worte. Denn wie ein anderer habit einem könige/ ein an-
derer einer priuatperson gebühret/ vnd ein Kriegesman so/ ein
Bawer anders/ ein Kauffmann wieder anders hergehen soll:
so muß man auch nicht von allen dingen auff einerley weise re-
den; sondern zue niedrigen sachen schlechte/ zue hohen ansehli-
che/ zue mittelmässigen auch mässige vnd weder zue grosse noch
zue gemeine worte brauchen.

Jn den niedrigen Poetischen sachen werden schlechte vnnd
gemeine leute eingeführet; wie in Comedien vnd Hirtengespre-
chen Darumb tichtet man jhnen auch einfaltige vnnd schlechte
reden an/ die jhnen gemässe sein: So Tityrus bey dem Poe-
ten/ wenn er seines Gottes erwehnet/ redet er nicht von seinem
plitze vnd donner/ sondern

Ille meas, sagter/ errare boues, vt cernis, & ipsun
Ludere quae vellem calamo permisit agresti.


Du siehst/ er leßt mein Vieh herumb gehn oh-
ne ziehl/

Vnd mich auff meiner flöt' auch spielen was ich wil

Wie Theocritus sonsten inn dem paß wol jederman vberle-
gen/ so weiß ich doch nicht wie sein Aites mir sonderlich beha-
get: inmassen ich denn auch halte/ das Heinsius gleichfals gros-
sen gefallen daran treget/ der dieses Jdyllion Lateinisch vnnd
Hollendisch gegeben. Weil ich jhm aber im deutschen nachge-
folget/ vnd den niedrigen Character/ von dem wir jetzo reden/
nicht besser vorzuestellen weiß/ wil ich meine übersetzung hierne-
ben fügen.

Theo-
F

Denn ſolches bloß zue außfuͤllung des verſes dienet.

Dieſes ſey nun von der allgemeinen zuegehoͤr der Poetiſchen re-
de: weil aber die dinge von denen wir ſchreiben vnter ſchieden
ſind/ als gehoͤret ſich auch zue einem jeglichen ein eigener vnnd
von den andern vnterſchiedener Character oder merckzeichen
der worte. Denn wie ein anderer habit einem koͤnige/ ein an-
derer einer priuatperſon gebuͤhret/ vnd ein Kriegesman ſo/ ein
Bawer anders/ ein Kauffmann wieder anders hergehen ſoll:
ſo muß man auch nicht von allen dingen auff einerley weiſe re-
den; ſondern zue niedrigen ſachen ſchlechte/ zue hohen anſehli-
che/ zue mittelmaͤſſigen auch maͤſſige vnd weder zue groſſe noch
zue gemeine worte brauchen.

Jn den niedrigen Poetiſchen ſachen werden ſchlechte vnnd
gemeine leute eingefuͤhret; wie in Comedien vnd Hirtengeſpre-
chen Darumb tichtet man jhnen auch einfaltige vnnd ſchlechte
reden an/ die jhnen gemaͤſſe ſein: So Tityrus bey dem Poe-
ten/ wenn er ſeines Gottes erwehnet/ redet er nicht von ſeinem
plitze vnd donner/ ſondern

Ille meas, ſagter/ errare boues, vt cernis, & ipſũ
Ludere quæ vellem calamo permiſit agreſti.


Du ſiehſt/ er leßt mein Vieh herumb gehn oh-
ne ziehl/

Vñ mich auff meiner floͤt’ auch ſpielen was ich wil

Wie Theocritus ſonſten inn dem paß wol jederman vberle-
gen/ ſo weiß ich doch nicht wie ſein Aites mir ſonderlich beha-
get: inmaſſen ich denn auch halte/ das Heinſius gleichfals groſ-
ſen gefallen daran treget/ der dieſes Jdyllion Lateiniſch vnnd
Hollendiſch gegeben. Weil ich jhm aber im deutſchen nachge-
folget/ vnd den niedrigen Character/ von dem wir jetzo reden/
nicht beſſer vorzueſtellen weiß/ wil ich meine uͤberſetzung hierne-
ben fuͤgen.

Theo-
F
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0047"/>
        <p>Denn &#x017F;olches bloß zue außfu&#x0364;llung des ver&#x017F;es dienet.</p><lb/>
        <p>Die&#x017F;es &#x017F;ey nun von der allgemeinen zuegeho&#x0364;r der Poeti&#x017F;chen re-<lb/>
de: weil aber die dinge von denen wir &#x017F;chreiben vnter &#x017F;chieden<lb/>
&#x017F;ind/ als geho&#x0364;ret &#x017F;ich auch zue einem jeglichen ein eigener vnnd<lb/>
von den andern vnter&#x017F;chiedener Character oder merckzeichen<lb/>
der worte. Denn wie ein anderer habit einem ko&#x0364;nige/ ein an-<lb/>
derer einer priuatper&#x017F;on gebu&#x0364;hret/ vnd ein Kriegesman &#x017F;o/ ein<lb/>
Bawer anders/ ein Kauffmann wieder anders hergehen &#x017F;oll:<lb/>
&#x017F;o muß man auch nicht von allen dingen auff einerley wei&#x017F;e re-<lb/>
den; &#x017F;ondern zue niedrigen &#x017F;achen &#x017F;chlechte/ zue hohen an&#x017F;ehli-<lb/>
che/ zue mittelma&#x0364;&#x017F;&#x017F;igen auch ma&#x0364;&#x017F;&#x017F;ige vnd weder zue gro&#x017F;&#x017F;e noch<lb/>
zue gemeine worte brauchen.</p><lb/>
        <p>Jn den niedrigen Poeti&#x017F;chen &#x017F;achen werden &#x017F;chlechte vnnd<lb/>
gemeine leute eingefu&#x0364;hret; wie in Comedien vnd Hirtenge&#x017F;pre-<lb/>
chen Darumb tichtet man jhnen auch einfaltige vnnd &#x017F;chlechte<lb/>
reden an/ die jhnen gema&#x0364;&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ein: So Tityrus bey dem Poe-<lb/>
ten/ wenn er &#x017F;eines Gottes erwehnet/ redet er nicht von &#x017F;einem<lb/>
plitze vnd donner/ &#x017F;ondern</p><lb/>
        <cit>
          <quote> <hi rendition="#aq">Ille meas,</hi> <hi rendition="#fr">&#x017F;agter/</hi> <hi rendition="#aq">errare boues, vt cernis, &amp; ip&#x017F;u&#x0303;<lb/>
Ludere quæ vellem calamo permi&#x017F;it agre&#x017F;ti.</hi> </quote>
        </cit><lb/>
        <lg type="poem"><lb/>
          <l> <hi rendition="#fr">Du &#x017F;ieh&#x017F;t/ er leßt mein Vieh herumb gehn oh-<lb/><hi rendition="#et">ne ziehl/</hi></hi> </l><lb/>
          <l> <hi rendition="#fr">Vn&#x0303; mich auff meiner flo&#x0364;t&#x2019; auch &#x017F;pielen was ich wil</hi> </l>
        </lg><lb/>
        <p>Wie Theocritus &#x017F;on&#x017F;ten inn dem paß wol jederman vberle-<lb/>
gen/ &#x017F;o weiß ich doch nicht wie &#x017F;ein Aites mir &#x017F;onderlich beha-<lb/>
get: inma&#x017F;&#x017F;en ich denn auch halte/ das Hein&#x017F;ius gleichfals gro&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en gefallen daran treget/ der die&#x017F;es Jdyllion Lateini&#x017F;ch vnnd<lb/>
Hollendi&#x017F;ch gegeben. Weil ich jhm aber im deut&#x017F;chen nachge-<lb/>
folget/ vnd den niedrigen Character/ von dem wir jetzo reden/<lb/>
nicht be&#x017F;&#x017F;er vorzue&#x017F;tellen weiß/ wil ich meine u&#x0364;ber&#x017F;etzung hierne-<lb/>
ben fu&#x0364;gen.</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">F</fw>
        <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#aq">Theo-</hi> </fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0047] Denn ſolches bloß zue außfuͤllung des verſes dienet. Dieſes ſey nun von der allgemeinen zuegehoͤr der Poetiſchen re- de: weil aber die dinge von denen wir ſchreiben vnter ſchieden ſind/ als gehoͤret ſich auch zue einem jeglichen ein eigener vnnd von den andern vnterſchiedener Character oder merckzeichen der worte. Denn wie ein anderer habit einem koͤnige/ ein an- derer einer priuatperſon gebuͤhret/ vnd ein Kriegesman ſo/ ein Bawer anders/ ein Kauffmann wieder anders hergehen ſoll: ſo muß man auch nicht von allen dingen auff einerley weiſe re- den; ſondern zue niedrigen ſachen ſchlechte/ zue hohen anſehli- che/ zue mittelmaͤſſigen auch maͤſſige vnd weder zue groſſe noch zue gemeine worte brauchen. Jn den niedrigen Poetiſchen ſachen werden ſchlechte vnnd gemeine leute eingefuͤhret; wie in Comedien vnd Hirtengeſpre- chen Darumb tichtet man jhnen auch einfaltige vnnd ſchlechte reden an/ die jhnen gemaͤſſe ſein: So Tityrus bey dem Poe- ten/ wenn er ſeines Gottes erwehnet/ redet er nicht von ſeinem plitze vnd donner/ ſondern Ille meas, ſagter/ errare boues, vt cernis, & ipſũ Ludere quæ vellem calamo permiſit agreſti. Du ſiehſt/ er leßt mein Vieh herumb gehn oh- ne ziehl/ Vñ mich auff meiner floͤt’ auch ſpielen was ich wil Wie Theocritus ſonſten inn dem paß wol jederman vberle- gen/ ſo weiß ich doch nicht wie ſein Aites mir ſonderlich beha- get: inmaſſen ich denn auch halte/ das Heinſius gleichfals groſ- ſen gefallen daran treget/ der dieſes Jdyllion Lateiniſch vnnd Hollendiſch gegeben. Weil ich jhm aber im deutſchen nachge- folget/ vnd den niedrigen Character/ von dem wir jetzo reden/ nicht beſſer vorzueſtellen weiß/ wil ich meine uͤberſetzung hierne- ben fuͤgen. Theo- F

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/opitz_buch_1624
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/opitz_buch_1624/47
Zitationshilfe: Opitz, Martin: Buch von der Deutschen Poeterey. Breslau u. a., 1624, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/opitz_buch_1624/47>, abgerufen am 19.04.2024.