Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Opitz, Martin: Buch von der Deutschen Poeterey. Breslau u. a., 1624.

Bild:
<< vorherige Seite

O Rom/ des Martis kind/ sey sehr gegrüßt von
mir
den im fall ich spreche/ O Rom/ du kind des Mars/
möchte es vielen zue anfange seltzam vorkommen.

Die diphthongi oder deppeltlautenden Buchstaben/ weil
sie bey vns nicht vblich/ dürffen nur mit demselblautenden buch-
staben geschrieben werden/ dessen thon sie haben; als
Eneas/ Eschylus/ Mecenas etc.

Newe wörter/ welches gemeiniglich epitheta, derer wir
bald gedencken werden/ vnd von andern wörtern zuesammen ge-
setzt sindt/ zue erdencken/ ist Poeten nicht allein erlaubet/ sondern
macht auch den getichten/ wenn es mässig geschiehet/ eine son-
derliche anmutigkeit. Als wenn ich die nacht oder die Music ei-
ne arbeittrösterinn/ eine kummerwenderinn/ die Bellona mit
einem dreyfachen worte kriegs-blut-dürstig/ vnd so fertan nen-
ne. Jtem den Nortwind einen wolckentreiber/ einen felssen stür-
mer vnd meerauffreitzer: wie jhn Ronsardt (denn die Frantzo-
sen echst den Griechen hierinnen meister sindt) im 202. Son-
net seines andern buches der Buhlersachen heisset:

Fier Aquilon horreur de la Scythie,
Lechasse-nue, & l'esbransle-rocher,
L'irrite-mer.

Welches auß dem Ouidio genommen ist.

Apta mihi vis est, hac tristia nubila pello,
Hac freta concutio, nodosaque robora verto.

Solches stehet auch an seinem orte bey den Lateinern nicht
vbel; als da Catullus saget in seinem vberauß schönen getichte
vom Atys:

Vbi cerua syluicultrix, vbi aper nemoriuagus Vnd P[u]-
blius Syrus von dem storche:

Pietaticultrix, gracilipes, crotalistria,
Auis exulhiemis.

Jn

O Rom/ des Martis kind/ ſey ſehr gegruͤßt von
mir
den im fall ich ſpreche/ O Rom/ du kind des Mars/
moͤchte es vielen zue anfange ſeltzam vorkommen.

Die diphthongi oder deppeltlautenden Buchſtaben/ weil
ſie bey vns nicht vblich/ duͤrffen nur mit demſelblautenden buch-
ſtaben geſchrieben werden/ deſſen thon ſie haben; als
Enéas/ Eſchylus/ Mecenas ꝛc.

Newe woͤrter/ welches gemeiniglich epitheta, derer wir
bald gedencken werden/ vnd von andern woͤrtern zueſammen ge-
ſetzt ſindt/ zue erdencken/ iſt Poeten nicht allein erlaubet/ ſondern
macht auch den getichten/ wenn es maͤſſig geſchiehet/ eine ſon-
derliche anmutigkeit. Als wenn ich die nacht oder die Muſic ei-
ne arbeittroͤſterinn/ eine kummerwenderinn/ die Bellona mit
einem dreyfachen worte kriegs-blut-duͤrſtig/ vnd ſo fertan nen-
ne. Jtem den Nortwind einen wolckentreiber/ einen felſſen ſtuͤr-
mer vnd meerauffreitzer: wie jhn Ronſardt (denn die Frantzo-
ſen echſt den Griechen hierinnen meiſter ſindt) im 202. Son-
net ſeines andern buches der Buhlerſachen heiſſet:

Fier Aquilon horreur de la Scythie,
Lechaſſe-nue, & l’eſbranſle-rocher,
L’irrite-mer.

Welches auß dem Ouidio genommen iſt.

Apta mihi vis eſt, hac triſtia nubila pello,
Hac freta concutio, nodoſaque robora verto.

Solches ſtehet auch an ſeinem orte bey den Lateinern nicht
vbel; als da Catullus ſaget in ſeinem vberauß ſchoͤnen getichte
vom Atys:

Vbi cerua ſyluicultrix, vbi aper nemoriuagus Vnd P[u]-
blius Syrus von dem ſtorche:

Pietaticultrix, gracilipes, crotaliſtria,
Auis exulhiemis.

Jn
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0041"/>
        <p><hi rendition="#fr">O Rom/ des Martis kind/ &#x017F;ey &#x017F;ehr gegru&#x0364;ßt von<lb/>
mir</hi> den im fall ich &#x017F;preche/ <hi rendition="#fr">O Rom/ du kind des Mars/</hi><lb/>
mo&#x0364;chte es vielen zue anfange &#x017F;eltzam vorkommen.</p><lb/>
        <p>Die <hi rendition="#aq">diphthongi</hi> oder deppeltlautenden Buch&#x017F;taben/ weil<lb/>
&#x017F;ie bey vns nicht vblich/ du&#x0364;rffen nur mit dem&#x017F;elblautenden buch-<lb/>
&#x017F;taben ge&#x017F;chrieben werden/ de&#x017F;&#x017F;en thon &#x017F;ie haben; als<lb/><hi rendition="#fr">En<hi rendition="#aq">é</hi>as/ E&#x017F;chylus/ Mecenas &#xA75B;c.</hi></p><lb/>
        <p>Newe wo&#x0364;rter/ welches gemeiniglich <hi rendition="#aq">epitheta,</hi> derer wir<lb/>
bald gedencken werden/ vnd von andern wo&#x0364;rtern zue&#x017F;ammen ge-<lb/>
&#x017F;etzt &#x017F;indt/ zue erdencken/ i&#x017F;t Poeten nicht allein erlaubet/ &#x017F;ondern<lb/>
macht auch den getichten/ wenn es ma&#x0364;&#x017F;&#x017F;ig ge&#x017F;chiehet/ eine &#x017F;on-<lb/>
derliche anmutigkeit. Als wenn ich die nacht oder die Mu&#x017F;ic ei-<lb/>
ne arbeittro&#x0364;&#x017F;terinn/ eine kummerwenderinn/ die Bellona mit<lb/>
einem dreyfachen worte kriegs-blut-du&#x0364;r&#x017F;tig/ vnd &#x017F;o fertan nen-<lb/>
ne. Jtem den Nortwind einen wolckentreiber/ einen fel&#x017F;&#x017F;en &#x017F;tu&#x0364;r-<lb/>
mer vnd meerauffreitzer: wie jhn Ron&#x017F;ardt (denn die Frantzo-<lb/>
&#x017F;en ech&#x017F;t den Griechen hierinnen mei&#x017F;ter &#x017F;indt) im 202. Son-<lb/>
net &#x017F;eines andern buches der Buhler&#x017F;achen hei&#x017F;&#x017F;et:</p><lb/>
        <cit>
          <quote>
            <lg type="poem">
              <l> <hi rendition="#aq">Fier Aquilon horreur de la Scythie,</hi> </l><lb/>
              <l> <hi rendition="#aq">Lecha&#x017F;&#x017F;e-nue, &amp; l&#x2019;e&#x017F;bran&#x017F;le-rocher,</hi> </l><lb/>
              <l> <hi rendition="#aq">L&#x2019;irrite-mer.</hi> </l>
            </lg>
          </quote>
        </cit><lb/>
        <p>Welches auß dem <hi rendition="#aq">Ouidio</hi> genommen i&#x017F;t.</p><lb/>
        <cit>
          <quote>
            <lg type="poem">
              <l> <hi rendition="#aq">Apta mihi vis e&#x017F;t, hac tri&#x017F;tia nubila pello,</hi> </l><lb/>
              <l> <hi rendition="#aq">Hac freta concutio, nodo&#x017F;aque robora verto.</hi> </l>
            </lg>
          </quote>
        </cit><lb/>
        <p>Solches &#x017F;tehet auch an &#x017F;einem orte bey den Lateinern nicht<lb/>
vbel; als da Catullus &#x017F;aget in &#x017F;einem vberauß &#x017F;cho&#x0364;nen getichte<lb/>
vom Atys:</p><lb/>
        <p><hi rendition="#aq">Vbi cerua &#x017F;yluicultrix, vbi aper nemoriuagus</hi> Vnd P<supplied>u</supplied>-<lb/>
blius Syrus von dem &#x017F;torche:</p><lb/>
        <cit>
          <quote>
            <lg type="poem">
              <l> <hi rendition="#aq">Pietaticultrix, gracilipes, crotali&#x017F;tria,</hi> </l><lb/>
              <l> <hi rendition="#aq">Auis exulhiemis.</hi> </l>
            </lg>
          </quote>
        </cit><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">Jn</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0041] O Rom/ des Martis kind/ ſey ſehr gegruͤßt von mir den im fall ich ſpreche/ O Rom/ du kind des Mars/ moͤchte es vielen zue anfange ſeltzam vorkommen. Die diphthongi oder deppeltlautenden Buchſtaben/ weil ſie bey vns nicht vblich/ duͤrffen nur mit demſelblautenden buch- ſtaben geſchrieben werden/ deſſen thon ſie haben; als Enéas/ Eſchylus/ Mecenas ꝛc. Newe woͤrter/ welches gemeiniglich epitheta, derer wir bald gedencken werden/ vnd von andern woͤrtern zueſammen ge- ſetzt ſindt/ zue erdencken/ iſt Poeten nicht allein erlaubet/ ſondern macht auch den getichten/ wenn es maͤſſig geſchiehet/ eine ſon- derliche anmutigkeit. Als wenn ich die nacht oder die Muſic ei- ne arbeittroͤſterinn/ eine kummerwenderinn/ die Bellona mit einem dreyfachen worte kriegs-blut-duͤrſtig/ vnd ſo fertan nen- ne. Jtem den Nortwind einen wolckentreiber/ einen felſſen ſtuͤr- mer vnd meerauffreitzer: wie jhn Ronſardt (denn die Frantzo- ſen echſt den Griechen hierinnen meiſter ſindt) im 202. Son- net ſeines andern buches der Buhlerſachen heiſſet: Fier Aquilon horreur de la Scythie, Lechaſſe-nue, & l’eſbranſle-rocher, L’irrite-mer. Welches auß dem Ouidio genommen iſt. Apta mihi vis eſt, hac triſtia nubila pello, Hac freta concutio, nodoſaque robora verto. Solches ſtehet auch an ſeinem orte bey den Lateinern nicht vbel; als da Catullus ſaget in ſeinem vberauß ſchoͤnen getichte vom Atys: Vbi cerua ſyluicultrix, vbi aper nemoriuagus Vnd Pu- blius Syrus von dem ſtorche: Pietaticultrix, gracilipes, crotaliſtria, Auis exulhiemis. Jn

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/opitz_buch_1624
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/opitz_buch_1624/41
Zitationshilfe: Opitz, Martin: Buch von der Deutschen Poeterey. Breslau u. a., 1624, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/opitz_buch_1624/41>, abgerufen am 24.04.2024.