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Opitz, Martin: Buch von der Deutschen Poeterey. Breslau u. a., 1624.

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[fremdsprachliches Material - 13 Zeichen fehlen], Das Wasser ist das beste das man
findt.
Mit welchem es Alceus/ Aristophanes/ Alcman/
Ennius vnd andere nicht gehalten hetten; auch Eschilus nicht/
dem Sophocles vorgeworffen/ der wein hette seine Tragedien
gemacht/ nicht er. Vnd zum theile thut auch zue dem etwas
nachleßigen wandel mancher Poeten nicht wenig die gemein-
schafft etlicher alten/ die jhre reine sprache mit garstigen epicu-
rischen schrifften besudelt/ vnd sich an jhrer eigenen schande er-
lustiget haben. Mit denen wir aber vmbgehen mußen wie die
bienen/ welche ihr honig auß den gesunden blumen saugen/
vnd die gifftigen Kräuter stehen lassen. Doch wie ehrliche/
auffrichtige/ keusche gemüter (welche von den auch keuschen
Musen erfodert werden) derer die jhre geschickligkeit mit vblen
sitten vertunckeln nicht entgelten können/ so sind auch nicht alle
Poeten die von Liebessachen schreiben zue meiden; denn viel
vnter jhnen so züchtig reden/ das sie ein jegliches ehrbares fraw-
enzimmer vngeschewet lesen möchte. Man kan jhnen auch
deßentwegen wol jhre einbildungen lassen/ vnd ein wenig vber-
sehen/ weil die liebe gleichsam der wetzstein ist an dem sie jhren
subtilen Verstand scherffen/ vnd niemals mehr sinnreiche ge-
dancken vnd einfälle haben/ als wann sie von jhrer Buhlschaff-
ten Himlischen schöne/ jugend/ freundligkeit/ haß vnnd gunst
reden. Wie dann hiervon der Frantzösischen Pocten Adler
Peter Ronsardt ein artiges Sonnet geschrieben/ welches ich
nebenst meiner vbersetzung (wiewol dieselbe dem terte nicht ge-
nawe zuesaget) hierbey an zue ziehen nicht vnterlassen kan:

Ah belle liberte, qui me seruois d, escorte,
Quand le pied me portoit ou libre ic voulois!
Ah! que ie te regrette! helas, combien de fois
Ay-ic rompu le ioug, que maulgre moy ie porte!
Puis ie l, ay rattache, estant nay de la sorte,
Que
C

[fremdsprachliches Material – 13 Zeichen fehlen], Das Waſſer iſt das beſte das man
findt.
Mit welchem es Alceus/ Ariſtophanes/ Alcman/
Ennius vnd andere nicht gehalten hetten; auch Eſchilus nicht/
dem Sophocles vorgeworffen/ der wein hette ſeine Tragedien
gemacht/ nicht er. Vnd zum theile thut auch zue dem etwas
nachleßigen wandel mancher Poeten nicht wenig die gemein-
ſchafft etlicher alten/ die jhre reine ſprache mit garſtigen epicu-
riſchen ſchrifften beſudelt/ vnd ſich an jhrer eigenen ſchande er-
luſtiget haben. Mit denen wir aber vmbgehen mußen wie die
bienen/ welche ihr honig auß den geſunden blumen ſaugen/
vnd die gifftigen Kraͤuter ſtehen laſſen. Doch wie ehrliche/
auffrichtige/ keuſche gemuͤter (welche von den auch keuſchen
Muſen erfodert werden) derer die jhre geſchickligkeit mit vblen
ſitten vertunckeln nicht entgelten koͤnnen/ ſo ſind auch nicht alle
Poeten die von Liebesſachen ſchreiben zue meiden; denn viel
vnter jhnen ſo zuͤchtig reden/ das ſie ein jegliches ehrbares fraw-
enzimmer vngeſchewet leſen moͤchte. Man kan jhnen auch
deßentwegen wol jhre einbildungen laſſen/ vnd ein wenig vber-
ſehen/ weil die liebe gleichſam der wetzſtein iſt an dem ſie jhren
ſubtilen Verſtand ſcherffen/ vnd niemals mehr ſinnreiche ge-
dancken vnd einfaͤlle haben/ als wann ſie von jhrer Buhlſchaff-
ten Himliſchen ſchoͤne/ jugend/ freundligkeit/ haß vnnd gunſt
reden. Wie dann hiervon der Frantzoͤſiſchen Pocten Adler
Peter Ronſardt ein artiges Sonnet geſchrieben/ welches ich
nebenſt meiner vberſetzung (wiewol dieſelbe dem terte nicht ge-
nawe zueſaget) hierbey an zue ziehen nicht vnterlaſſen kan:

Ah belle liberté, qui me ſeruois d, eſcorte,
Quand le pied me portoit où libre ic voulois!
Ah! que ie te regrette! helas, combien de fois
Ay-ic rompu le ioug, que maulgré moy ie porte!
Puis ie l, ay rattaché, eſtant nay de la ſorte,
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Zitationshilfe: Opitz, Martin: Buch von der Deutschen Poeterey. Breslau u. a., 1624, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/opitz_buch_1624/23>, abgerufen am 28.03.2024.