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Oest, Johann Friedrich: Nöthige Belehrung und Warnung für Jüngling und solche Knaben. In: Allgemeine Revision des gesammten Schul- und Erziehungswesens: von einer Gesellschaft practischer Erzieher, Bd. 6. Wolfenbüttel, 1787. S. 293-434

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der Körper die Seele. Jn diesem Zustande konnte er auch von seinem gänzlichen Untergange nicht mehr weit seyn.

Als man auf alle seine Schritte und Tritte Acht gab, konnte er seine Sünde nirgends, als im Bette ausüben. Hier lag der Elende und schändete sich von Menschen ungesehen; aber das allsehende Auge des Richters aller Menschen sah ihn. Seine Sünde konnte auch nun durch nichts mehr entschuldigt werden. Er hatte sie erkannt und bereuet. Er wuste, was er that und er that es doch. Daher fühlte er auch oft Unruhe in seinem Gewissen. Manchmal sah er sehr ängstlich aus; ja er fuhr sogar oft, wenn er schlief, in schreckhaften Träumen auf und schrie um Hülfe. Es dünkte ihn dann, als wollte ihn jemand umbringen. Nun verlor er endlich nach und nach ganz den kleinen Ueberrest seines Verstandes. Er beging allerlei Handlungen, die einen völlig wahnsinnigen Menschen verriethen. So nahm er zum Beispiel einmal seine Kleider, trug sie in den Obstgarten, wo ein abgesägter Ast lag und zerhackte sie auf diesem mit einem Beil. Sobald es anfieng dunkel zu werden, so verkroch er sich. Konnte er das nicht, so ward ihm so bange, daß er sich nicht

der Körper die Seele. Jn diesem Zustande konnte er auch von seinem gänzlichen Untergange nicht mehr weit seyn.

Als man auf alle seine Schritte und Tritte Acht gab, konnte er seine Sünde nirgends, als im Bette ausüben. Hier lag der Elende und schändete sich von Menschen ungesehen; aber das allsehende Auge des Richters aller Menschen sah ihn. Seine Sünde konnte auch nun durch nichts mehr entschuldigt werden. Er hatte sie erkannt und bereuet. Er wuste, was er that und er that es doch. Daher fühlte er auch oft Unruhe in seinem Gewissen. Manchmal sah er sehr ängstlich aus; ja er fuhr sogar oft, wenn er schlief, in schreckhaften Träumen auf und schrie um Hülfe. Es dünkte ihn dann, als wollte ihn jemand umbringen. Nun verlor er endlich nach und nach ganz den kleinen Ueberrest seines Verstandes. Er beging allerlei Handlungen, die einen völlig wahnsinnigen Menschen verriethen. So nahm er zum Beispiel einmal seine Kleider, trug sie in den Obstgarten, wo ein abgesägter Ast lag und zerhackte sie auf diesem mit einem Beil. Sobald es anfieng dunkel zu werden, so verkroch er sich. Konnte er das nicht, so ward ihm so bange, daß er sich nicht

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[312/0020] der Körper die Seele. Jn diesem Zustande konnte er auch von seinem gänzlichen Untergange nicht mehr weit seyn. Als man auf alle seine Schritte und Tritte Acht gab, konnte er seine Sünde nirgends, als im Bette ausüben. Hier lag der Elende und schändete sich von Menschen ungesehen; aber das allsehende Auge des Richters aller Menschen sah ihn. Seine Sünde konnte auch nun durch nichts mehr entschuldigt werden. Er hatte sie erkannt und bereuet. Er wuste, was er that und er that es doch. Daher fühlte er auch oft Unruhe in seinem Gewissen. Manchmal sah er sehr ängstlich aus; ja er fuhr sogar oft, wenn er schlief, in schreckhaften Träumen auf und schrie um Hülfe. Es dünkte ihn dann, als wollte ihn jemand umbringen. Nun verlor er endlich nach und nach ganz den kleinen Ueberrest seines Verstandes. Er beging allerlei Handlungen, die einen völlig wahnsinnigen Menschen verriethen. So nahm er zum Beispiel einmal seine Kleider, trug sie in den Obstgarten, wo ein abgesägter Ast lag und zerhackte sie auf diesem mit einem Beil. Sobald es anfieng dunkel zu werden, so verkroch er sich. Konnte er das nicht, so ward ihm so bange, daß er sich nicht

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Zitationshilfe: Oest, Johann Friedrich: Nöthige Belehrung und Warnung für Jüngling und solche Knaben. In: Allgemeine Revision des gesammten Schul- und Erziehungswesens: von einer Gesellschaft practischer Erzieher, Bd. 6. Wolfenbüttel, 1787. S. 293-434, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/oest_knaben_1787/20>, abgerufen am 28.03.2024.