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Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802.

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weitläuftiges Gespräch; er erzählte mir viel
von alten Zeiten, von Mahlern, Bild¬
hauern und Dichtern. Noch nie hatte ich so
davon reden hören. Es war mir, als sey
ich in einer neuen Welt ans Land gestiegen.
Er wies mir Siegelsteine und andre alte
Kunstarbeiten; dann las er mir mit lebendi¬
gem Feuer herrliche Gedichte vor, und so
vergieng die Zeit, wie ein Augenblick. Noch
jetzt heitert mein Herz sich auf, wenn ich
mich des bunten Gewühls der wunderlichen
Gedanken und Empfindungen erinnere,
die mich in dieser Nacht erfüllten. In den
heidnischen Zeiten war er, wie zu Hause,
und sehnte sich mit unglaublicher Inbrunst
in dies graue Alterthum zurück. Endlich
wies er mir eine Kammer an, wo ich den
Rest der Nacht zubringen könnte, weil es
schon zu spät sey, um noch zurückzukehren.
Ich schlief bald, und da dünkte michs ich sey

weitläuftiges Geſpräch; er erzählte mir viel
von alten Zeiten, von Mahlern, Bild¬
hauern und Dichtern. Noch nie hatte ich ſo
davon reden hören. Es war mir, als ſey
ich in einer neuen Welt ans Land geſtiegen.
Er wies mir Siegelſteine und andre alte
Kunſtarbeiten; dann las er mir mit lebendi¬
gem Feuer herrliche Gedichte vor, und ſo
vergieng die Zeit, wie ein Augenblick. Noch
jetzt heitert mein Herz ſich auf, wenn ich
mich des bunten Gewühls der wunderlichen
Gedanken und Empfindungen erinnere,
die mich in dieſer Nacht erfüllten. In den
heidniſchen Zeiten war er, wie zu Hauſe,
und ſehnte ſich mit unglaublicher Inbrunſt
in dies graue Alterthum zurück. Endlich
wies er mir eine Kammer an, wo ich den
Reſt der Nacht zubringen könnte, weil es
ſchon zu ſpät ſey, um noch zurückzukehren.
Ich ſchlief bald, und da dünkte michs ich ſey

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[23/0031] weitläuftiges Geſpräch; er erzählte mir viel von alten Zeiten, von Mahlern, Bild¬ hauern und Dichtern. Noch nie hatte ich ſo davon reden hören. Es war mir, als ſey ich in einer neuen Welt ans Land geſtiegen. Er wies mir Siegelſteine und andre alte Kunſtarbeiten; dann las er mir mit lebendi¬ gem Feuer herrliche Gedichte vor, und ſo vergieng die Zeit, wie ein Augenblick. Noch jetzt heitert mein Herz ſich auf, wenn ich mich des bunten Gewühls der wunderlichen Gedanken und Empfindungen erinnere, die mich in dieſer Nacht erfüllten. In den heidniſchen Zeiten war er, wie zu Hauſe, und ſehnte ſich mit unglaublicher Inbrunſt in dies graue Alterthum zurück. Endlich wies er mir eine Kammer an, wo ich den Reſt der Nacht zubringen könnte, weil es ſchon zu ſpät ſey, um noch zurückzukehren. Ich ſchlief bald, und da dünkte michs ich ſey

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Zitationshilfe: Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802/31>, abgerufen am 28.03.2024.