Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Euler, Karl (Hrsg.): Jahrbücher der deutschen Turnkunst. Bd. 1. Danzig, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

Uebungen seitens des Mädchens und ihrer Angehöri-
gen mit höchst erfreulichem Erfolge gekrönt.

Ein so wirksames Heilmittel gymnastische Uebun-
gen für schwache, kränkliche, und mit Verbildungen be-
haftete Kinder sind, ebenso entschieden wohlthätig
bleiben sie für alle Uebrigen sowohl zur Uebung, Stär-
kung und Ausbildung des Leibes, als zur Abwehr der
nachtheiligen zahllosen Einflüsse, welche die Erziehung
der jetzigen Zeit für die erste Jugend in ihrem Ge-
folge hat. Von Werth bleibt auch jetzt, nachdem der
Kreis für die Wirksamkeit der gymnastischen Uebungen
in krankhaften Zuständen sich erweitert, die allgemeine
Darstellung des Einflusses der gymnastischen Uebungen
von Koch, welche er in somatischer wie psychologischer
Hinsicht, unterstützt durch genaueste Sachkenntniß aus
eigener Erfahrung, genügend nachweist.

Jn Betreff des Antheils der Gymnastik für die
weibliche Erziehung, welche in der Art, wie sie we-
nigstens in größern Städten allgemein ist, kräftige
Bildungen fast nur noch als Ausnahmen sehen läßt,
liegt noch ein großer Stein des Anstoßes in der
herrschenden Ansicht, daß eben diese Uebungen für das
zweite und zarte Geschlecht unangemessen und selbst
zweckwidrig wären. Gegen diese Meinung oder dieses
Vorurtheil, dessen Bekämpfung nur schwer denen ge-
lang, die ihre Mädchen auf die Turnsäle schickten,
will ich nicht kämpfen mit Anführung von Citaten
über die weibliche Gymnastik der Griechen, vielmehr
in der Angabe derjenigen Umstände, welche diese Mei-
nung im Volke begründeten, und ohnerachtet des Auf-
schwunges der Turnkunst für Knaben die Theilnahme
der Mädchen annoch niederhalten, die Möglichkeit
ihrer Beseitigung darthun.

Zuvörderst trägt das Wesen des Turnens, wie
es sich einige Jahre nach den Freiheitskriegen kund gab,
eine wesentliche Schuld, und der jetzigen Generation
ist es noch nicht in Vergessenheit gekommen, wie durch
die Auswüchse, welche die Turnkunst damals trieb,

Uebungen ſeitens des Mädchens und ihrer Angehöri-
gen mit höchſt erfreulichem Erfolge gekrönt.

Ein ſo wirkſames Heilmittel gymnaſtiſche Uebun-
gen für ſchwache, kränkliche, und mit Verbildungen be-
haftete Kinder ſind, ebenſo entſchieden wohlthätig
bleiben ſie für alle Uebrigen ſowohl zur Uebung, Stär-
kung und Ausbildung des Leibes, als zur Abwehr der
nachtheiligen zahlloſen Einflüſſe, welche die Erziehung
der jetzigen Zeit für die erſte Jugend in ihrem Ge-
folge hat. Von Werth bleibt auch jetzt, nachdem der
Kreis für die Wirkſamkeit der gymnaſtiſchen Uebungen
in krankhaften Zuſtänden ſich erweitert, die allgemeine
Darſtellung des Einfluſſes der gymnaſtiſchen Uebungen
von Koch, welche er in ſomatiſcher wie pſychologiſcher
Hinſicht, unterſtützt durch genaueſte Sachkenntniß aus
eigener Erfahrung, genügend nachweiſt.

Jn Betreff des Antheils der Gymnaſtik für die
weibliche Erziehung, welche in der Art, wie ſie we-
nigſtens in größern Städten allgemein iſt, kräftige
Bildungen faſt nur noch als Ausnahmen ſehen läßt,
liegt noch ein großer Stein des Anſtoßes in der
herrſchenden Anſicht, daß eben dieſe Uebungen für das
zweite und zarte Geſchlecht unangemeſſen und ſelbſt
zweckwidrig wären. Gegen dieſe Meinung oder dieſes
Vorurtheil, deſſen Bekämpfung nur ſchwer denen ge-
lang, die ihre Mädchen auf die Turnſäle ſchickten,
will ich nicht kämpfen mit Anführung von Citaten
über die weibliche Gymnaſtik der Griechen, vielmehr
in der Angabe derjenigen Umſtände, welche dieſe Mei-
nung im Volke begründeten, und ohnerachtet des Auf-
ſchwunges der Turnkunſt für Knaben die Theilnahme
der Mädchen annoch niederhalten, die Möglichkeit
ihrer Beſeitigung darthun.

Zuvörderſt trägt das Weſen des Turnens, wie
es ſich einige Jahre nach den Freiheitskriegen kund gab,
eine weſentliche Schuld, und der jetzigen Generation
iſt es noch nicht in Vergeſſenheit gekommen, wie durch
die Auswüchſe, welche die Turnkunſt damals trieb,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0020" n="16"/>
Uebungen &#x017F;eitens des Mädchens und ihrer Angehöri-<lb/>
gen mit höch&#x017F;t erfreulichem Erfolge gekrönt.</p><lb/>
        <p>Ein &#x017F;o wirk&#x017F;ames Heilmittel gymna&#x017F;ti&#x017F;che Uebun-<lb/>
gen für &#x017F;chwache, kränkliche, und mit Verbildungen be-<lb/>
haftete Kinder &#x017F;ind, eben&#x017F;o ent&#x017F;chieden wohlthätig<lb/>
bleiben &#x017F;ie für alle Uebrigen &#x017F;owohl zur Uebung, Stär-<lb/>
kung und Ausbildung des Leibes, als zur Abwehr der<lb/>
nachtheiligen zahllo&#x017F;en Einflü&#x017F;&#x017F;e, welche die Erziehung<lb/>
der jetzigen Zeit für die er&#x017F;te Jugend in ihrem Ge-<lb/>
folge hat. Von Werth bleibt auch jetzt, nachdem der<lb/>
Kreis für die Wirk&#x017F;amkeit der gymna&#x017F;ti&#x017F;chen Uebungen<lb/>
in krankhaften Zu&#x017F;tänden &#x017F;ich erweitert, die allgemeine<lb/>
Dar&#x017F;tellung des Einflu&#x017F;&#x017F;es der gymna&#x017F;ti&#x017F;chen Uebungen<lb/>
von Koch, welche er in &#x017F;omati&#x017F;cher wie p&#x017F;ychologi&#x017F;cher<lb/>
Hin&#x017F;icht, unter&#x017F;tützt durch genaue&#x017F;te Sachkenntniß aus<lb/>
eigener Erfahrung, genügend nachwei&#x017F;t.</p><lb/>
        <p>Jn Betreff des Antheils der Gymna&#x017F;tik für die<lb/>
weibliche Erziehung, welche in der Art, wie &#x017F;ie we-<lb/>
nig&#x017F;tens in größern Städten allgemein i&#x017F;t, kräftige<lb/>
Bildungen fa&#x017F;t nur noch als Ausnahmen &#x017F;ehen läßt,<lb/>
liegt noch ein großer Stein des An&#x017F;toßes in der<lb/>
herr&#x017F;chenden An&#x017F;icht, daß eben die&#x017F;e Uebungen für das<lb/>
zweite und zarte Ge&#x017F;chlecht unangeme&#x017F;&#x017F;en und &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
zweckwidrig wären. Gegen die&#x017F;e Meinung oder die&#x017F;es<lb/>
Vorurtheil, de&#x017F;&#x017F;en Bekämpfung nur &#x017F;chwer denen ge-<lb/>
lang, die ihre Mädchen auf die Turn&#x017F;äle &#x017F;chickten,<lb/>
will ich nicht kämpfen mit Anführung von Citaten<lb/>
über die weibliche Gymna&#x017F;tik der Griechen, vielmehr<lb/>
in der Angabe derjenigen Um&#x017F;tände, welche die&#x017F;e Mei-<lb/>
nung im Volke begründeten, und ohnerachtet des Auf-<lb/>
&#x017F;chwunges der Turnkun&#x017F;t für Knaben die Theilnahme<lb/>
der Mädchen annoch niederhalten, die Möglichkeit<lb/>
ihrer Be&#x017F;eitigung darthun.</p><lb/>
        <p>Zuvörder&#x017F;t trägt das We&#x017F;en des Turnens, wie<lb/>
es &#x017F;ich einige Jahre nach den Freiheitskriegen kund gab,<lb/>
eine we&#x017F;entliche Schuld, und der jetzigen Generation<lb/>
i&#x017F;t es noch nicht in Verge&#x017F;&#x017F;enheit gekommen, wie durch<lb/>
die Auswüch&#x017F;e, welche die Turnkun&#x017F;t damals trieb,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[16/0020] Uebungen ſeitens des Mädchens und ihrer Angehöri- gen mit höchſt erfreulichem Erfolge gekrönt. Ein ſo wirkſames Heilmittel gymnaſtiſche Uebun- gen für ſchwache, kränkliche, und mit Verbildungen be- haftete Kinder ſind, ebenſo entſchieden wohlthätig bleiben ſie für alle Uebrigen ſowohl zur Uebung, Stär- kung und Ausbildung des Leibes, als zur Abwehr der nachtheiligen zahlloſen Einflüſſe, welche die Erziehung der jetzigen Zeit für die erſte Jugend in ihrem Ge- folge hat. Von Werth bleibt auch jetzt, nachdem der Kreis für die Wirkſamkeit der gymnaſtiſchen Uebungen in krankhaften Zuſtänden ſich erweitert, die allgemeine Darſtellung des Einfluſſes der gymnaſtiſchen Uebungen von Koch, welche er in ſomatiſcher wie pſychologiſcher Hinſicht, unterſtützt durch genaueſte Sachkenntniß aus eigener Erfahrung, genügend nachweiſt. Jn Betreff des Antheils der Gymnaſtik für die weibliche Erziehung, welche in der Art, wie ſie we- nigſtens in größern Städten allgemein iſt, kräftige Bildungen faſt nur noch als Ausnahmen ſehen läßt, liegt noch ein großer Stein des Anſtoßes in der herrſchenden Anſicht, daß eben dieſe Uebungen für das zweite und zarte Geſchlecht unangemeſſen und ſelbſt zweckwidrig wären. Gegen dieſe Meinung oder dieſes Vorurtheil, deſſen Bekämpfung nur ſchwer denen ge- lang, die ihre Mädchen auf die Turnſäle ſchickten, will ich nicht kämpfen mit Anführung von Citaten über die weibliche Gymnaſtik der Griechen, vielmehr in der Angabe derjenigen Umſtände, welche dieſe Mei- nung im Volke begründeten, und ohnerachtet des Auf- ſchwunges der Turnkunſt für Knaben die Theilnahme der Mädchen annoch niederhalten, die Möglichkeit ihrer Beſeitigung darthun. Zuvörderſt trägt das Weſen des Turnens, wie es ſich einige Jahre nach den Freiheitskriegen kund gab, eine weſentliche Schuld, und der jetzigen Generation iſt es noch nicht in Vergeſſenheit gekommen, wie durch die Auswüchſe, welche die Turnkunſt damals trieb,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_turnkunst01_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_turnkunst01_1843/20
Zitationshilfe: Euler, Karl (Hrsg.): Jahrbücher der deutschen Turnkunst. Bd. 1. Danzig, 1843, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_turnkunst01_1843/20>, abgerufen am 29.03.2024.