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Reichspost. Nr. 140, Wien, 21.06.1904.

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Preis 8 h



Redaktion, Administration,
Expedition
und Druckerei:
VIII., Strozzigasse 41.




Stadtexpedition I., Wollzeile 15
Zeitungsbureau Weis.




Unfrankierte und nicht genügend
frankierte Briefe werden nicht ange-
nommen: Manuskripte werden nicht
zurückgestellt. Unverschlossene Rekla-
mationen sind portofrei.




Inserate
werden im Ankündigungs-
Bureau
VIII., Strozzigasse 41,
sowie in allen Annonzenbureaux
des In- und Auslandes angenommen.




Abonnements werden ange-
nommen außer in den Expeditionen
bei J. Heindl, I., Stephansplatz 7.




Erscheint täglich 6 Uhr nach-
mittags, mit Ausnahme der Sonn-
und Feiertage.


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Reichspost.
Unabhängiges Tagblatt für das christliche Volk Österreich-Ungarns.

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Preis 8 h



Bezugspreise:
Für Wien mit Zustellung ins Haus
ganzjährig ......... 28 K
halbjährig ......... 14 K
vierteljährig ........ 7 K
monatlich ....... 2 K 35 h

Einzelne Nummern 8 h, per Post
10 h.

Bei Abholung in unserer Administra-
tion ganzjährig 24 K monatlich 2 K

Für Österreich-Ungarn:
ganzjährig ......... 32 K
halbjährig ......... 16 K
vierteljährig ........ 8 K
monatlich ....... 2 K 75 h

Für Deutschland:
vierteljährig ...... 9 K 50 h
oder 8 Mark.

Länder des Weltpostvereines:
vierteljährig 12 K oder 10 Mark.




Telephon 18082.




XI. Jahrgang. Wien, Dienstag, 21. Juni 1904. Nr. 140.



[Spaltenumbruch]
Katholisches Oesterreich.


Die historisch denkwürdige Stätte des Wiener
Platzes Am Hof sah gestern eine Feier von hin-
reißender Schönheit und Bedeutung. Das christliche
Wien mit dem Erzhause an der Spitze weihte sich
aufs Neue der Unbeflecktempfangenen, der Patronin
des Kaiserhauses, deren Bild auf den Bannern
der Regimenter steht. An dreißig Tausende um-
standen gestern die Mariensäule Am Hof; die
Herrscherfamilie, die Minister und Hofwürden-
träger, die Bischöfe und Aebte, die Bürgermeister
und der Magistrat der Reichshauptstadt, die
theologische Fakultät, die buntbemützten Scharen
der Studenten, und Tausende von Handwerkern.
Kaufleuten und Arbeitern, Bürgern und
Bürgerinnen -- unter Hunderten von Fahnen
hatten sie sich als Vertreter der katholischen Haupt-
stadt versammelt, um das Kaiserhaus, das Vater-
land, die Stadt und ihr Volk der Königin der
Königinnen wieder anzugeloben, so wie damals in
der Schwedengefahr Kaiser Ferdinand es am
selben Platze getan hatte. Es war ein Anblick
von unbeschreiblicher Anziehungskraft, wie gestern
zwischen der zweiten und dritten Nachmittags-
stunde ununterbrochen die Züge aus den ver-
schiedenen Bezirken, musterhaft geordnet, in den
Platz einströmten, mit Blumenkränzen auf Bannern
und Standarten, und Chöre singend, die der Wind
schon von der Ferne melodisch einhertrug. Es
lag jene gewisse Spannung der Begeiste-
rung in der Menge, die immer in einem
guten, starken, rechtschaffenen Volke wach
wird, wenn ihrer Tausende ohne Unterschied des
Standes unter einer erhabenen, schon von den
Vätern heilig gehaltenen Idee sich vereinigen.
Brausend wie ein Schlachtgebet stiegen die Gesänge
zum Himmel, welche eine bosnische Militärkapelle
begleitete, als wolle sie inmitten dieser mächtigen
Szenerie an die historische Aufgabe des katholischen
Oesterreich jenseits der Save erinnern. Und als
dann die herrliche Weihe vorüber war und dem
Te Deum das Kaiserlied folgte, von einem Chor
von Dreißigtausend gesungen, und als dann der
Kaiser in der Pforte erschien, gefolgt von Erz-
herzog Franz Ferdinand und Erzherzog Karl, so
Gott will, den kommenden Trägern der Habs-
burger Krone, begrüßt von den donnernden
Jubelrufen der Tücher und Hüte schwenkenden
Menge, da offenbarte sich aufs neue
mit überwältigender Stärke die Zusammen-
gehörigkeit zwischen Oesterreich und Katholizismus.
Denn in der gestrigen Feier war Wien nur der
Mandatar der Gefühle des gesamten katholischen
Oesterreich. Die Dynastie und das Volk sind dem
Leitsterne, der vor mehr als zweihundertfünfzig
Jahren die Monarchie im Kampf gegen Schweden
und Türken geführt, treu geblieben. Der Libera-
lismus mag noch so sehr versuchen, das Staats-
leben und die Volksseele zu verfälschen, Judentum
und Loge und die Abfallsmark mögen noch so
beharrlich an der Zerstörung der katholischen
Eigenart dieses Reiches arbeiten, die Vertreter der
Wiener weltlichen Fakultäten mögen zum Unter-
schied an die Vergangenheit, in welcher jeder
Doktorand dieser Hochschule sich noch mit
feierlichem Schwur zur Verteidigung der
Immaculata bekannte, noch so geflissentlich von
derartigen Allgemeinveranstaltungen der Reichs-
hauptstadt sich drücken -- überall, wo das Herz
des Volkes sich äußern darf, dort wird Katholisch
und Oesterreichisch doch immerdar untrennbar ver-
bunden sein.


[Spaltenumbruch]

Mit der feierlichen Erinnerung an die Ver-
gangenheit, in welcher für die Errettung aus
schwerer Feindesgefahr die Mariensäule Am Hof
gesetzt wurde, bekannte sich gestern Herrscherhaus
und Volk zu dem festen Vertrauen, daß der
glaubenstiefe Katholizismus auch hinfort die
festeste Garantie des Bestandes des österreichischen
Kaisertumes sein wird. Wo wir uns von dieser
Bürgschaft entfernt haben, dort müssen wir ent-
schlossen zu ihr zurückkehren, und wo wir sie noch
ungeschmälert besitzen, dort gilt es, sie zu ver-
teidigen und auszubreiten. So verstehen wir das
Gelöbnis, das gestern "Am Hof" abgelegt
worden ist.




Die Stärke der Einheit.

Gestern tagte in Prad an der tirolisch-
schweizerischen Grenze eine gewaltige Protestver-
sammlung, die gegen die geplante Errichtung
einer protestantischen Kirche in Sul-
den
Stellung nahm. Sprecher waren die Abge-
ordneten Schraffl, Dr. Schöpfer und ein
Kapazinerpater.

Die Versammlung war von tausend Personen
besucht, eine ganz außerordentliche Beteiligung nach
Tiroler Verhältnissen. Mit drei Musikbanden waren
die Bauern zur Versamml[ung] gezogen gekommen.

Abg. Schraffl hielt folgende Rede:

Geehrte Versammlung! Sie haben im son-
nigen Vintschgau heute noch zwei Dinge, um die
Sie viele Länder beneiden und die Kaiser- und
Königreichen versagt sind: Die nationale
Einheit
und die Glaubenseinheit. Eine
Sprache, eine Religion.

Einen dieser Vorzüge, die Glaubenseinheit
sollten Sie in nächster Zeit schon verlieren, ohne
daß ein greifbarer Grund vorliegt, ohne Not-
wendigkeit, ohne daß sie ein gleichwertiges Aqui-
valent erhalten, ohne daß man ihnen etwas
Gleichwertiges bieken könnte, wenn man auch
wollte. Nur den Juwel der Glaubenseinheit zu
bewahren und dieses Attentat auf ihren religiösen
Besitzstand abzuwehren, sind wir hier versammelt.
Bekommen Sie protestantische Kirchen, so werden
Sie auch protestantische Schulen, protestantische
Pastoren -- die religiöse Spaltung bekommen.

Der große Görres sagt: "Ein Volk mit
gemischter Religion gleicht einem Fieberkranken,
entweder sind die Anhänger der verschiedenen Re-
ligionen religiös tätig, dann setzt es hitzigen
Steit ab, oder sie sind indifferent, dann friert
das religiöse Leben ein." Beides können wir nicht
wünschen. Gegen beides wollen wir das Vintschgau
und das Land Tirol schützen; das ist jedes
Katholiken, jedes echten Tirolers heilige Pflicht.
Fürstbischof Simon sagt in einem seiner Werke
folgendes über die Glaubenseinheit:

"Das Land Tirol hat durch besonderen
Schutz Gottes bis auf die Neuzeit die katholische
Glaubenseinheit bewahrt. Das Volk von Tirol
hat fast durch neunzig Jahre mit dem Aufgebote
aller Kräfte dafür gekämpft und der Landtag
hat sich dafür eingesetzt in den Tagungen der
Jahre 1781, 1791, 1795, 1861, 1863
und 1866. Auch die österreichischen Kaiser
haben Edikte herausgegeben, welche den Wünschen
des Volkes nach Glaubenseinheit entgegengekommen
sind. So 1834, 1837, 1859, 1861
und besonders am 7. April 1866. Damals
war das Toleranzpatent Kaiser Josefs II.
vom 6. November 1781 und die Artikel
16 und 18 der deutschen Bundesakte kein Hinder-
nis und nichts schien dem Gesetze vom 7. April
[Spaltenumbruch] 1866 entgegenzustehen." -- Soweit der Fürst-
bischof. Wie sich die Dinge seither entwickelt
haben, ist Ihnen bekannt.

Das Gesetz vom 7. April 1866 hat fol-
genden Wortlaut: "Eine Gemeinde Augsburger
oder Helvetischer Konfession, sei es selbständig
oder als Filiale, kann sich innerhalb der Landes-
grenzen der gefürsteten Grafschaft Tirol mit dem
Rechte der öffentlichen und unbeschränkten
Religionsübung nur dann bilden, wenn der be-
treffende Magistrat und der Landtag

damit einverstanden sind."

Trotz dieser klaren, unzweideutigen Be-
stimmung, trotzdem der Landtag niemals seine
Zustimmung zur Bildung einer protestantischen
Religionsgemeinde in Tirol gegeben hat, trotzdem
diese gesetzliche Bestimmung heute
noch zu Recht besteht,
trotzdem in den
Rechtsverhältnissen seit dem Jahre 1866 in Be-
zug auf diese Frage keine Aenderung eingetreten
ist, trotzdem und alldem ist die Glaubenseinheit
Tirols durchbrochen, der Landtag auf die
Seite geschoben und die Bildung protestantischer
Religionsgemeinden gegen den Protest des Land-
tages bewilligt worden. Warum?

Die Rechtslage ist dieselbe -- aber 1866 vor
dem Kriege brauchte die Regierung die Tiroler
und nachher glaubten die einander ablösenden Re-
gierungen die Wünsche der Tiroler der liberalen
Hochflut opfern zu können. -- Wir haben gegen
Andersgläubige nichts, wir wollen aber nicht,
daß der religiöse Streit im Lande sich immer
weiter ausdehne. -- Die "Los von Rom"-Bewe-
gung sagt uns, was die protestantische Bewegung
zu bedeuten hat. Wir sind nicht intolerant,
aber dieser Protestantismus ist heute aggressiv,
stört uns den Glaubensfrieden, und wenn es das
Volks- und Landeswohl gilt, wenn uns jemand das
Haus anzünden will, dann hat unsere Gut-
mütigkeit ein Ende,
dann sind wir zur Ab-
wehr gezwungen. Wir greifen niemand an, ver-
teidigen aber, was wir haben.

Die Deutschen in Böhmen verteidigen ihren
nationalen Besitzstand und wir in Tirol auch.
Wir wehren uns dagegen, daß nach Deutsch-
böhmen tschechische Beamte kommen, daß italienische
Beamte nach Bozen kommen, daß in Bozen
[it]alienisch amtiert wird. Das alles verurteilen
wir ebenso, wie die Deutschfreisinnigen aller
Richtungen. Wir verstehen daher nicht, wie diese
Freisinnigen dazu kommen, es uns zu verübeln,
wenn wir katholische Tiroler dieselben Grundsätze
auch auf dem religiösen Gebiete an-
wenden
und den religiösen Besitzstand wahren
und verhindern wollen, daß wir zu den nationalen
Streitigkeiten im Lande auch einen religiösen
Streit mit protestantischen Pastoren dazu be-
kommen.

Katholiken und Protestanten beklagen es
bitter, daß die deutsche Nation religiös gespalten
ist. Was sind die Deutschen im Mittelalter ge-
wesen? Und was wären sie heute, wenn nicht der
religiöse Riß die Herzen der Deutschen entzweien
würde! In Tirol haben wir noch Frieden auf
religiösem Gebiete.

Wir haben noch mit Ausnahme von ein paar
Orten des Kleinod der Glaubenseinheit. Eine
Schande ist es deshalb, wenn es Landeskinder
gibt, die unter der Firma Deutschtum die
Wurzel deutscher Kraft und deutschen Volkstums
durch die Zerstörung der Glaubenseinheit antasten
wollen. Man sagt, "aus Rücksicht für den
Fremdenverkehr" geschehe es. Warum kommt der
Fremde nach Tirol? Hohe Berge, blitzende


[Abbildung] Die heutige Nummer ist 12 Seiten stark. [Abbildung]
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Preis 8 h



Redaktion, Adminiſtration,
Expedition
und Druckerei:
VIII., Strozzigaſſe 41.




Stadtexpedition I., Wollzeile 15
Zeitungsbureau Weis.




Unfrankierte und nicht genügend
frankierte Briefe werden nicht ange-
nommen: Manuſkripte werden nicht
zurückgeſtellt. Unverſchloſſene Rekla-
mationen ſind portofrei.




Inſerate
werden im Ankündigungs-
Bureau
VIII., Strozzigaſſe 41,
ſowie in allen Annonzenbureaux
des In- und Auslandes angenommen.




Abonnements werden ange-
nommen außer in den Expeditionen
bei J. Heindl, I., Stephansplatz 7.




Erſcheint täglich 6 Uhr nach-
mittags, mit Ausnahme der Sonn-
und Feiertage.


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Reichspoſt.
Unabhängiges Tagblatt für das chriſtliche Volk Öſterreich-Ungarns.

[Spaltenumbruch]
Preis 8 h



Bezugspreiſe:
Für Wien mit Zuſtellung ins Haus
ganzjährig ......... 28 K
halbjährig ......... 14 K
vierteljährig ........ 7 K
monatlich ....... 2 K 35 h

Einzelne Nummern 8 h, per Poſt
10 h.

Bei Abholung in unſerer Adminiſtra-
tion ganzjährig 24 K monatlich 2 K

Für Öſterreich-Ungarn:
ganzjährig ......... 32 K
halbjährig ......... 16 K
vierteljährig ........ 8 K
monatlich ....... 2 K 75 h

Für Deutſchland:
vierteljährig ...... 9 K 50 h
oder 8 Mark.

Länder des Weltpoſtvereines:
vierteljährig 12 K oder 10 Mark.




Telephon 18082.




XI. Jahrgang. Wien, Dienstag, 21. Juni 1904. Nr. 140.



[Spaltenumbruch]
Katholiſches Oeſterreich.


Die hiſtoriſch denkwürdige Stätte des Wiener
Platzes Am Hof ſah geſtern eine Feier von hin-
reißender Schönheit und Bedeutung. Das chriſtliche
Wien mit dem Erzhauſe an der Spitze weihte ſich
aufs Neue der Unbeflecktempfangenen, der Patronin
des Kaiſerhauſes, deren Bild auf den Bannern
der Regimenter ſteht. An dreißig Tauſende um-
ſtanden geſtern die Marienſäule Am Hof; die
Herrſcherfamilie, die Miniſter und Hofwürden-
träger, die Biſchöfe und Aebte, die Bürgermeiſter
und der Magiſtrat der Reichshauptſtadt, die
theologiſche Fakultät, die buntbemützten Scharen
der Studenten, und Tauſende von Handwerkern.
Kaufleuten und Arbeitern, Bürgern und
Bürgerinnen — unter Hunderten von Fahnen
hatten ſie ſich als Vertreter der katholiſchen Haupt-
ſtadt verſammelt, um das Kaiſerhaus, das Vater-
land, die Stadt und ihr Volk der Königin der
Königinnen wieder anzugeloben, ſo wie damals in
der Schwedengefahr Kaiſer Ferdinand es am
ſelben Platze getan hatte. Es war ein Anblick
von unbeſchreiblicher Anziehungskraft, wie geſtern
zwiſchen der zweiten und dritten Nachmittags-
ſtunde ununterbrochen die Züge aus den ver-
ſchiedenen Bezirken, muſterhaft geordnet, in den
Platz einſtrömten, mit Blumenkränzen auf Bannern
und Standarten, und Chöre ſingend, die der Wind
ſchon von der Ferne melodiſch einhertrug. Es
lag jene gewiſſe Spannung der Begeiſte-
rung in der Menge, die immer in einem
guten, ſtarken, rechtſchaffenen Volke wach
wird, wenn ihrer Tauſende ohne Unterſchied des
Standes unter einer erhabenen, ſchon von den
Vätern heilig gehaltenen Idee ſich vereinigen.
Brauſend wie ein Schlachtgebet ſtiegen die Geſänge
zum Himmel, welche eine bosniſche Militärkapelle
begleitete, als wolle ſie inmitten dieſer mächtigen
Szenerie an die hiſtoriſche Aufgabe des katholiſchen
Oeſterreich jenſeits der Save erinnern. Und als
dann die herrliche Weihe vorüber war und dem
Te Deum das Kaiſerlied folgte, von einem Chor
von Dreißigtauſend geſungen, und als dann der
Kaiſer in der Pforte erſchien, gefolgt von Erz-
herzog Franz Ferdinand und Erzherzog Karl, ſo
Gott will, den kommenden Trägern der Habs-
burger Krone, begrüßt von den donnernden
Jubelrufen der Tücher und Hüte ſchwenkenden
Menge, da offenbarte ſich aufs neue
mit überwältigender Stärke die Zuſammen-
gehörigkeit zwiſchen Oeſterreich und Katholizismus.
Denn in der geſtrigen Feier war Wien nur der
Mandatar der Gefühle des geſamten katholiſchen
Oeſterreich. Die Dynaſtie und das Volk ſind dem
Leitſterne, der vor mehr als zweihundertfünfzig
Jahren die Monarchie im Kampf gegen Schweden
und Türken geführt, treu geblieben. Der Libera-
lismus mag noch ſo ſehr verſuchen, das Staats-
leben und die Volksſeele zu verfälſchen, Judentum
und Loge und die Abfallsmark mögen noch ſo
beharrlich an der Zerſtörung der katholiſchen
Eigenart dieſes Reiches arbeiten, die Vertreter der
Wiener weltlichen Fakultäten mögen zum Unter-
ſchied an die Vergangenheit, in welcher jeder
Doktorand dieſer Hochſchule ſich noch mit
feierlichem Schwur zur Verteidigung der
Immaculata bekannte, noch ſo gefliſſentlich von
derartigen Allgemeinveranſtaltungen der Reichs-
hauptſtadt ſich drücken — überall, wo das Herz
des Volkes ſich äußern darf, dort wird Katholiſch
und Oeſterreichiſch doch immerdar untrennbar ver-
bunden ſein.


[Spaltenumbruch]

Mit der feierlichen Erinnerung an die Ver-
gangenheit, in welcher für die Errettung aus
ſchwerer Feindesgefahr die Marienſäule Am Hof
geſetzt wurde, bekannte ſich geſtern Herrſcherhaus
und Volk zu dem feſten Vertrauen, daß der
glaubenstiefe Katholizismus auch hinfort die
feſteſte Garantie des Beſtandes des öſterreichiſchen
Kaiſertumes ſein wird. Wo wir uns von dieſer
Bürgſchaft entfernt haben, dort müſſen wir ent-
ſchloſſen zu ihr zurückkehren, und wo wir ſie noch
ungeſchmälert beſitzen, dort gilt es, ſie zu ver-
teidigen und auszubreiten. So verſtehen wir das
Gelöbnis, das geſtern „Am Hof“ abgelegt
worden iſt.




Die Stärke der Einheit.

Geſtern tagte in Prad an der tiroliſch-
ſchweizeriſchen Grenze eine gewaltige Proteſtver-
ſammlung, die gegen die geplante Errichtung
einer proteſtantiſchen Kirche in Sul-
den
Stellung nahm. Sprecher waren die Abge-
ordneten Schraffl, Dr. Schöpfer und ein
Kapazinerpater.

Die Verſammlung war von tauſend Perſonen
beſucht, eine ganz außerordentliche Beteiligung nach
Tiroler Verhältniſſen. Mit drei Muſikbanden waren
die Bauern zur Verſamml[ung] gezogen gekommen.

Abg. Schraffl hielt folgende Rede:

Geehrte Verſammlung! Sie haben im ſon-
nigen Vintſchgau heute noch zwei Dinge, um die
Sie viele Länder beneiden und die Kaiſer- und
Königreichen verſagt ſind: Die nationale
Einheit
und die Glaubenseinheit. Eine
Sprache, eine Religion.

Einen dieſer Vorzüge, die Glaubenseinheit
ſollten Sie in nächſter Zeit ſchon verlieren, ohne
daß ein greifbarer Grund vorliegt, ohne Not-
wendigkeit, ohne daß ſie ein gleichwertiges Aqui-
valent erhalten, ohne daß man ihnen etwas
Gleichwertiges bieken könnte, wenn man auch
wollte. Nur den Juwel der Glaubenseinheit zu
bewahren und dieſes Attentat auf ihren religiöſen
Beſitzſtand abzuwehren, ſind wir hier verſammelt.
Bekommen Sie proteſtantiſche Kirchen, ſo werden
Sie auch proteſtantiſche Schulen, proteſtantiſche
Paſtoren — die religiöſe Spaltung bekommen.

Der große Görres ſagt: „Ein Volk mit
gemiſchter Religion gleicht einem Fieberkranken,
entweder ſind die Anhänger der verſchiedenen Re-
ligionen religiös tätig, dann ſetzt es hitzigen
Steit ab, oder ſie ſind indifferent, dann friert
das religiöſe Leben ein.“ Beides können wir nicht
wünſchen. Gegen beides wollen wir das Vintſchgau
und das Land Tirol ſchützen; das iſt jedes
Katholiken, jedes echten Tirolers heilige Pflicht.
Fürſtbiſchof Simon ſagt in einem ſeiner Werke
folgendes über die Glaubenseinheit:

„Das Land Tirol hat durch beſonderen
Schutz Gottes bis auf die Neuzeit die katholiſche
Glaubenseinheit bewahrt. Das Volk von Tirol
hat faſt durch neunzig Jahre mit dem Aufgebote
aller Kräfte dafür gekämpft und der Landtag
hat ſich dafür eingeſetzt in den Tagungen der
Jahre 1781, 1791, 1795, 1861, 1863
und 1866. Auch die öſterreichiſchen Kaiſer
haben Edikte herausgegeben, welche den Wünſchen
des Volkes nach Glaubenseinheit entgegengekommen
ſind. So 1834, 1837, 1859, 1861
und beſonders am 7. April 1866. Damals
war das Toleranzpatent Kaiſer Joſefs II.
vom 6. November 1781 und die Artikel
16 und 18 der deutſchen Bundesakte kein Hinder-
nis und nichts ſchien dem Geſetze vom 7. April
[Spaltenumbruch] 1866 entgegenzuſtehen.“ — Soweit der Fürſt-
biſchof. Wie ſich die Dinge ſeither entwickelt
haben, iſt Ihnen bekannt.

Das Geſetz vom 7. April 1866 hat fol-
genden Wortlaut: „Eine Gemeinde Augsburger
oder Helvetiſcher Konfeſſion, ſei es ſelbſtändig
oder als Filiale, kann ſich innerhalb der Landes-
grenzen der gefürſteten Grafſchaft Tirol mit dem
Rechte der öffentlichen und unbeſchränkten
Religionsübung nur dann bilden, wenn der be-
treffende Magiſtrat und der Landtag

damit einverſtanden ſind.“

Trotz dieſer klaren, unzweideutigen Be-
ſtimmung, trotzdem der Landtag niemals ſeine
Zuſtimmung zur Bildung einer proteſtantiſchen
Religionsgemeinde in Tirol gegeben hat, trotzdem
dieſe geſetzliche Beſtimmung heute
noch zu Recht beſteht,
trotzdem in den
Rechtsverhältniſſen ſeit dem Jahre 1866 in Be-
zug auf dieſe Frage keine Aenderung eingetreten
iſt, trotzdem und alldem iſt die Glaubenseinheit
Tirols durchbrochen, der Landtag auf die
Seite geſchoben und die Bildung proteſtantiſcher
Religionsgemeinden gegen den Proteſt des Land-
tages bewilligt worden. Warum?

Die Rechtslage iſt dieſelbe — aber 1866 vor
dem Kriege brauchte die Regierung die Tiroler
und nachher glaubten die einander ablöſenden Re-
gierungen die Wünſche der Tiroler der liberalen
Hochflut opfern zu können. — Wir haben gegen
Andersgläubige nichts, wir wollen aber nicht,
daß der religiöſe Streit im Lande ſich immer
weiter ausdehne. — Die „Los von Rom“-Bewe-
gung ſagt uns, was die proteſtantiſche Bewegung
zu bedeuten hat. Wir ſind nicht intolerant,
aber dieſer Proteſtantismus iſt heute aggreſſiv,
ſtört uns den Glaubensfrieden, und wenn es das
Volks- und Landeswohl gilt, wenn uns jemand das
Haus anzünden will, dann hat unſere Gut-
mütigkeit ein Ende,
dann ſind wir zur Ab-
wehr gezwungen. Wir greifen niemand an, ver-
teidigen aber, was wir haben.

Die Deutſchen in Böhmen verteidigen ihren
nationalen Beſitzſtand und wir in Tirol auch.
Wir wehren uns dagegen, daß nach Deutſch-
böhmen tſchechiſche Beamte kommen, daß italieniſche
Beamte nach Bozen kommen, daß in Bozen
[it]alieniſch amtiert wird. Das alles verurteilen
wir ebenſo, wie die Deutſchfreiſinnigen aller
Richtungen. Wir verſtehen daher nicht, wie dieſe
Freiſinnigen dazu kommen, es uns zu verübeln,
wenn wir katholiſche Tiroler dieſelben Grundſätze
auch auf dem religiöſen Gebiete an-
wenden
und den religiöſen Beſitzſtand wahren
und verhindern wollen, daß wir zu den nationalen
Streitigkeiten im Lande auch einen religiöſen
Streit mit proteſtantiſchen Paſtoren dazu be-
kommen.

Katholiken und Proteſtanten beklagen es
bitter, daß die deutſche Nation religiös geſpalten
iſt. Was ſind die Deutſchen im Mittelalter ge-
weſen? Und was wären ſie heute, wenn nicht der
religiöſe Riß die Herzen der Deutſchen entzweien
würde! In Tirol haben wir noch Frieden auf
religiöſem Gebiete.

Wir haben noch mit Ausnahme von ein paar
Orten des Kleinod der Glaubenseinheit. Eine
Schande iſt es deshalb, wenn es Landeskinder
gibt, die unter der Firma Deutſchtum die
Wurzel deutſcher Kraft und deutſchen Volkstums
durch die Zerſtörung der Glaubenseinheit antaſten
wollen. Man ſagt, „aus Rückſicht für den
Fremdenverkehr“ geſchehe es. Warum kommt der
Fremde nach Tirol? Hohe Berge, blitzende


[Abbildung] Die heutige Nummer iſt 12 Seiten ſtark. [Abbildung]
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[[1]/0001] Preis 8 h Redaktion, Adminiſtration, Expedition und Druckerei: VIII., Strozzigaſſe 41. Stadtexpedition I., Wollzeile 15 Zeitungsbureau Weis. Unfrankierte und nicht genügend frankierte Briefe werden nicht ange- nommen: Manuſkripte werden nicht zurückgeſtellt. Unverſchloſſene Rekla- mationen ſind portofrei. Inſerate werden im Ankündigungs- Bureau VIII., Strozzigaſſe 41, ſowie in allen Annonzenbureaux des In- und Auslandes angenommen. Abonnements werden ange- nommen außer in den Expeditionen bei J. Heindl, I., Stephansplatz 7. Erſcheint täglich 6 Uhr nach- mittags, mit Ausnahme der Sonn- und Feiertage. Reichspoſt. Unabhängiges Tagblatt für das chriſtliche Volk Öſterreich-Ungarns. Preis 8 h Bezugspreiſe: Für Wien mit Zuſtellung ins Haus ganzjährig ......... 28 K halbjährig ......... 14 K vierteljährig ........ 7 K monatlich ....... 2 K 35 h Einzelne Nummern 8 h, per Poſt 10 h. 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An dreißig Tauſende um- ſtanden geſtern die Marienſäule Am Hof; die Herrſcherfamilie, die Miniſter und Hofwürden- träger, die Biſchöfe und Aebte, die Bürgermeiſter und der Magiſtrat der Reichshauptſtadt, die theologiſche Fakultät, die buntbemützten Scharen der Studenten, und Tauſende von Handwerkern. Kaufleuten und Arbeitern, Bürgern und Bürgerinnen — unter Hunderten von Fahnen hatten ſie ſich als Vertreter der katholiſchen Haupt- ſtadt verſammelt, um das Kaiſerhaus, das Vater- land, die Stadt und ihr Volk der Königin der Königinnen wieder anzugeloben, ſo wie damals in der Schwedengefahr Kaiſer Ferdinand es am ſelben Platze getan hatte. Es war ein Anblick von unbeſchreiblicher Anziehungskraft, wie geſtern zwiſchen der zweiten und dritten Nachmittags- ſtunde ununterbrochen die Züge aus den ver- ſchiedenen Bezirken, muſterhaft geordnet, in den Platz einſtrömten, mit Blumenkränzen auf Bannern und Standarten, und Chöre ſingend, die der Wind ſchon von der Ferne melodiſch einhertrug. Es lag jene gewiſſe Spannung der Begeiſte- rung in der Menge, die immer in einem guten, ſtarken, rechtſchaffenen Volke wach wird, wenn ihrer Tauſende ohne Unterſchied des Standes unter einer erhabenen, ſchon von den Vätern heilig gehaltenen Idee ſich vereinigen. Brauſend wie ein Schlachtgebet ſtiegen die Geſänge zum Himmel, welche eine bosniſche Militärkapelle begleitete, als wolle ſie inmitten dieſer mächtigen Szenerie an die hiſtoriſche Aufgabe des katholiſchen Oeſterreich jenſeits der Save erinnern. Und als dann die herrliche Weihe vorüber war und dem Te Deum das Kaiſerlied folgte, von einem Chor von Dreißigtauſend geſungen, und als dann der Kaiſer in der Pforte erſchien, gefolgt von Erz- herzog Franz Ferdinand und Erzherzog Karl, ſo Gott will, den kommenden Trägern der Habs- burger Krone, begrüßt von den donnernden Jubelrufen der Tücher und Hüte ſchwenkenden Menge, da offenbarte ſich aufs neue mit überwältigender Stärke die Zuſammen- gehörigkeit zwiſchen Oeſterreich und Katholizismus. Denn in der geſtrigen Feier war Wien nur der Mandatar der Gefühle des geſamten katholiſchen Oeſterreich. Die Dynaſtie und das Volk ſind dem Leitſterne, der vor mehr als zweihundertfünfzig Jahren die Monarchie im Kampf gegen Schweden und Türken geführt, treu geblieben. Der Libera- lismus mag noch ſo ſehr verſuchen, das Staats- leben und die Volksſeele zu verfälſchen, Judentum und Loge und die Abfallsmark mögen noch ſo beharrlich an der Zerſtörung der katholiſchen Eigenart dieſes Reiches arbeiten, die Vertreter der Wiener weltlichen Fakultäten mögen zum Unter- ſchied an die Vergangenheit, in welcher jeder Doktorand dieſer Hochſchule ſich noch mit feierlichem Schwur zur Verteidigung der Immaculata bekannte, noch ſo gefliſſentlich von derartigen Allgemeinveranſtaltungen der Reichs- hauptſtadt ſich drücken — überall, wo das Herz des Volkes ſich äußern darf, dort wird Katholiſch und Oeſterreichiſch doch immerdar untrennbar ver- bunden ſein. Mit der feierlichen Erinnerung an die Ver- gangenheit, in welcher für die Errettung aus ſchwerer Feindesgefahr die Marienſäule Am Hof geſetzt wurde, bekannte ſich geſtern Herrſcherhaus und Volk zu dem feſten Vertrauen, daß der glaubenstiefe Katholizismus auch hinfort die feſteſte Garantie des Beſtandes des öſterreichiſchen Kaiſertumes ſein wird. Wo wir uns von dieſer Bürgſchaft entfernt haben, dort müſſen wir ent- ſchloſſen zu ihr zurückkehren, und wo wir ſie noch ungeſchmälert beſitzen, dort gilt es, ſie zu ver- teidigen und auszubreiten. So verſtehen wir das Gelöbnis, das geſtern „Am Hof“ abgelegt worden iſt. Die Stärke der Einheit. Geſtern tagte in Prad an der tiroliſch- ſchweizeriſchen Grenze eine gewaltige Proteſtver- ſammlung, die gegen die geplante Errichtung einer proteſtantiſchen Kirche in Sul- den Stellung nahm. Sprecher waren die Abge- ordneten Schraffl, Dr. Schöpfer und ein Kapazinerpater. Die Verſammlung war von tauſend Perſonen beſucht, eine ganz außerordentliche Beteiligung nach Tiroler Verhältniſſen. Mit drei Muſikbanden waren die Bauern zur Verſammlung gezogen gekommen. Abg. Schraffl hielt folgende Rede: Geehrte Verſammlung! Sie haben im ſon- nigen Vintſchgau heute noch zwei Dinge, um die Sie viele Länder beneiden und die Kaiſer- und Königreichen verſagt ſind: Die nationale Einheit und die Glaubenseinheit. Eine Sprache, eine Religion. Einen dieſer Vorzüge, die Glaubenseinheit ſollten Sie in nächſter Zeit ſchon verlieren, ohne daß ein greifbarer Grund vorliegt, ohne Not- wendigkeit, ohne daß ſie ein gleichwertiges Aqui- valent erhalten, ohne daß man ihnen etwas Gleichwertiges bieken könnte, wenn man auch wollte. Nur den Juwel der Glaubenseinheit zu bewahren und dieſes Attentat auf ihren religiöſen Beſitzſtand abzuwehren, ſind wir hier verſammelt. Bekommen Sie proteſtantiſche Kirchen, ſo werden Sie auch proteſtantiſche Schulen, proteſtantiſche Paſtoren — die religiöſe Spaltung bekommen. Der große Görres ſagt: „Ein Volk mit gemiſchter Religion gleicht einem Fieberkranken, entweder ſind die Anhänger der verſchiedenen Re- ligionen religiös tätig, dann ſetzt es hitzigen Steit ab, oder ſie ſind indifferent, dann friert das religiöſe Leben ein.“ Beides können wir nicht wünſchen. Gegen beides wollen wir das Vintſchgau und das Land Tirol ſchützen; das iſt jedes Katholiken, jedes echten Tirolers heilige Pflicht. Fürſtbiſchof Simon ſagt in einem ſeiner Werke folgendes über die Glaubenseinheit: „Das Land Tirol hat durch beſonderen Schutz Gottes bis auf die Neuzeit die katholiſche Glaubenseinheit bewahrt. Das Volk von Tirol hat faſt durch neunzig Jahre mit dem Aufgebote aller Kräfte dafür gekämpft und der Landtag hat ſich dafür eingeſetzt in den Tagungen der Jahre 1781, 1791, 1795, 1861, 1863 und 1866. Auch die öſterreichiſchen Kaiſer haben Edikte herausgegeben, welche den Wünſchen des Volkes nach Glaubenseinheit entgegengekommen ſind. So 1834, 1837, 1859, 1861 und beſonders am 7. April 1866. Damals war das Toleranzpatent Kaiſer Joſefs II. vom 6. November 1781 und die Artikel 16 und 18 der deutſchen Bundesakte kein Hinder- nis und nichts ſchien dem Geſetze vom 7. April 1866 entgegenzuſtehen.“ — Soweit der Fürſt- biſchof. Wie ſich die Dinge ſeither entwickelt haben, iſt Ihnen bekannt. Das Geſetz vom 7. April 1866 hat fol- genden Wortlaut: „Eine Gemeinde Augsburger oder Helvetiſcher Konfeſſion, ſei es ſelbſtändig oder als Filiale, kann ſich innerhalb der Landes- grenzen der gefürſteten Grafſchaft Tirol mit dem Rechte der öffentlichen und unbeſchränkten Religionsübung nur dann bilden, wenn der be- treffende Magiſtrat und der Landtag damit einverſtanden ſind.“ Trotz dieſer klaren, unzweideutigen Be- ſtimmung, trotzdem der Landtag niemals ſeine Zuſtimmung zur Bildung einer proteſtantiſchen Religionsgemeinde in Tirol gegeben hat, trotzdem dieſe geſetzliche Beſtimmung heute noch zu Recht beſteht, trotzdem in den Rechtsverhältniſſen ſeit dem Jahre 1866 in Be- zug auf dieſe Frage keine Aenderung eingetreten iſt, trotzdem und alldem iſt die Glaubenseinheit Tirols durchbrochen, der Landtag auf die Seite geſchoben und die Bildung proteſtantiſcher Religionsgemeinden gegen den Proteſt des Land- tages bewilligt worden. Warum? Die Rechtslage iſt dieſelbe — aber 1866 vor dem Kriege brauchte die Regierung die Tiroler und nachher glaubten die einander ablöſenden Re- gierungen die Wünſche der Tiroler der liberalen Hochflut opfern zu können. — Wir haben gegen Andersgläubige nichts, wir wollen aber nicht, daß der religiöſe Streit im Lande ſich immer weiter ausdehne. — Die „Los von Rom“-Bewe- gung ſagt uns, was die proteſtantiſche Bewegung zu bedeuten hat. Wir ſind nicht intolerant, aber dieſer Proteſtantismus iſt heute aggreſſiv, ſtört uns den Glaubensfrieden, und wenn es das Volks- und Landeswohl gilt, wenn uns jemand das Haus anzünden will, dann hat unſere Gut- mütigkeit ein Ende, dann ſind wir zur Ab- wehr gezwungen. Wir greifen niemand an, ver- teidigen aber, was wir haben. Die Deutſchen in Böhmen verteidigen ihren nationalen Beſitzſtand und wir in Tirol auch. Wir wehren uns dagegen, daß nach Deutſch- böhmen tſchechiſche Beamte kommen, daß italieniſche Beamte nach Bozen kommen, daß in Bozen italieniſch amtiert wird. Das alles verurteilen wir ebenſo, wie die Deutſchfreiſinnigen aller Richtungen. Wir verſtehen daher nicht, wie dieſe Freiſinnigen dazu kommen, es uns zu verübeln, wenn wir katholiſche Tiroler dieſelben Grundſätze auch auf dem religiöſen Gebiete an- wenden und den religiöſen Beſitzſtand wahren und verhindern wollen, daß wir zu den nationalen Streitigkeiten im Lande auch einen religiöſen Streit mit proteſtantiſchen Paſtoren dazu be- kommen. Katholiken und Proteſtanten beklagen es bitter, daß die deutſche Nation religiös geſpalten iſt. Was ſind die Deutſchen im Mittelalter ge- weſen? Und was wären ſie heute, wenn nicht der religiöſe Riß die Herzen der Deutſchen entzweien würde! In Tirol haben wir noch Frieden auf religiöſem Gebiete. Wir haben noch mit Ausnahme von ein paar Orten des Kleinod der Glaubenseinheit. Eine Schande iſt es deshalb, wenn es Landeskinder gibt, die unter der Firma Deutſchtum die Wurzel deutſcher Kraft und deutſchen Volkstums durch die Zerſtörung der Glaubenseinheit antaſten wollen. Man ſagt, „aus Rückſicht für den Fremdenverkehr“ geſchehe es. Warum kommt der Fremde nach Tirol? Hohe Berge, blitzende [Abbildung] Die heutige Nummer iſt 12 Seiten ſtark. [Abbildung]

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Zitationshilfe: Reichspost. Nr. 140, Wien, 21.06.1904, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_reichspost140_1904/1>, abgerufen am 18.04.2024.