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Reichspost. Nr. 41, Wien, 11.02.1896.

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41 Wien, Dienstag Reichspost 11. Februar 1896

[Spaltenumbruch] 1896 der Entfall der Wagen III. Classe
bei den Zügen Nr. 103, 104 Wien--Amstetten, Nr. 5
Wien--Salzburg, Nr. 3 und 4 Wien--Eger und
Nr. 1105/1205, 1206/110, 6/405 Budweis--Linz,
beziehungsweise Linz--Wessely in Aussicht genommen
und bei den übrigen Schnellzügen die im Sommer-
fahrplan 1895 bestandenen Wagenausrüstung beibe-
halten. Da einzelne dieser Züge dem stärksten
Touristenverkehr
dienen, so wird diese Maß
nahme in Touristenkreisen, soweit sie den minder
bemittelten
Theil derselben trifft, mit Recht
schmerzlich empfunden werden.




Tagebericht.
* Vom Hofe.

Der Kaiser, der sich am 9. d.
Früh zum Besuche des Erzherzogs Franz Sal-
vator
und der Erzherzogin Marie Valerie
n[a]ch Lichtenegg begeben hat, ist heute Abends wieder in
Wien eingetroffen. -- Erzherzog Leopold Ferdi-
nand,
der im vorigen Monate an den Masern hier
erkrankt war, ist heute Nachmittags nach vollständiger
Genesung in seine Garnison nach Brünn abgereist.

* Friedl Herrnfeld

ist ä talentvolles Jüngel,
der in Pest bedienstet war. Nun schickte sich auf ein-
mal ä gute Gelegenheit, ä Rutscher nach Wien zu
machen, -- sein Chef schickt ihn mit 600 fl. auf der
Post, Friedl Herrnfeld überlegt nix lang, er
nimmt sich ä Fahrkarte nach Wien, fährt her und
begibt sich sogleich nach der Ankunft in der Leopold-
stadt. Da is ä großes, schönes Nachtkaffeehaus, Friedl
Herrnfeld geht herein, unterhält sich gut, auf einmal
hat er 400 fl. durchgejubelt. Weil aber Wien is anti-
semitisch, hat Friedl Herrnseld, der Talentvolle, kein
Glück, ein Detective bemerkt ihn und ladet in ein mit-
zugehen in die große Sperlgasse, wo ist die Polizei.
Dort verstehen se kane "Lozelech", se erkennen, daß
Friedl is ä Dieb und liefern ihn ein dem Landes-
gericht. So werden die Talente verkannt!

* FML. Ritter v. Joly +.

In militärischer Weise
wurde heute Nachmittags der k. u. k. FML. d. R. Emil
Ritter von Joly zu Grabe getragen. Den Conduct be-
fehligte Graf von Rehn, Commandant der 49. Infanterie-
Brigade. Vor dem Trauerhause, Krugerstraße Nr. 13,
hatte eine Compagnie mit der Fahne und Musik des In-
fanterie-Regimentes Erzherzog Carl Nr. 3 Aufstellung ge-
nommen. Diese und ein ambulantes Spalier des Regi-
mentes, der geharnischte Ritter zu Roß und das Trauer-
pferd geleiteten den sechsspännigen Leichenwagen zur Dom-
und Metropolitankirche zu Stephan, in der die Einsegnung
erfolgte.

* Abreise der Fürstin von Bulgarien.

Fürstin
Marie Louise von Bulgarien hat sich heute
Nachmittags mit dem Prinzen Cyrill zu längerem
Aufenthalte nach dem Süden begeben. Die Abfahrt erfolgte
mit dem Blitzzuge der Westbahn. Die Reise geht zunächst
nach Nizza und dann an die Riviera.

* Das lenkbare Luftschiff.

Graf Zeppellin in
Berlin, der ein lenkbares Luftschiff erfunden haben will und
darüber im Stuttgarter Ingenieurverein vor dem König
Vortrag hielt, berechnet die Kosten des Versuchsschiffes auf
etwa 300.00E Mark. Einige Banken und Großcapitalisten
sollen zur Financirung des Unternehmens bereit sein. Zeppelin
ersann zur Gasaufnahme eine Porenverdichtung des Seiden-
stoffes, welche monatelang kein Gas ausströmen läßt. Sein
Apparat soll bis 38 Centner tragen und 71/2 Tage ununter-
brochen mit einer Geschwindigkeit von sechs Meilen in der
Stunde schweben können.

* Verlorene Ringe.

In der Nacht von Frei-
tag auf Samstag, nach der Vorstellung der "Afri-
kanerin" in der Hofoper verlor Frau Louise von
Ehrenstein ein sogenanntes Ridicule, in welchem
sich elf Ringe im Werthe von 3000 fl. befanden. Frau
v. Ehrenstein hat den Weg von der Hofoper bis zu
ihrer Wohnung in der Türkenstraße Nr. 29 im Wagen
zurückgelegt und glaubt, daß ihr die Tasche beim Ein-
steigen oder Verlassen der Equipage entglitt. Die Künst-
lerin hat die Anzeige bei der Polizei erstattet und sichert
dem Finder eine Belohnung von 300 fl. zu.

* Goldstern und Löwenherz,

zwei "Polen"
aus der "Polakei" haben bekanntlich, die für sie seit
längerer Zeit reservirten "Sperrsitze" eingenommen.
Ueber dieses gewiß erfreuliche Ereigniß wird gemeldet:
Die Verhastung Goldstern und Löwenherz erfolgte auf
Anordnung des Staatsanwaltes Seredowski, (muß das
ein Antisemit sein) Löwenherz weilte bis vorgestern in
Wien und suchte da den gewissen "Freunden", die ihn
durchaus auf den "Sperrsitz" bringen wollten, zu ent-
weichen. Da er sich nun hier unsicher fühlte -- entwich
er einfach nach Lemberg wo er verhaftet wurde.
Goldstern wurde von der Polizei in seiner Privat-
wohnung arretirt. Das Hauptmotiv der Verhaftung ist
das rechtswidrige Verfahren bei der Conversion der
Serbischen Rente, welche bei der Bank deponirt wurde.

* Selbstmord eines Knaben.

Samstag um 8 Uhr
Abends stürzte sich der 15jährige Lederarbeiter Josef Hai-
dinger
vom dritten Stocke seines Wohnhauses, Neubau,
Burggasse Nr. 74, in den Hofraum hinab und blieb mit
gebrochenem Schädel sofort todt auf dem Platze. Aerzte
konnten nicht mehr helfend eingreifen. Bei dem Todten fand
man einen Zettel, auf dem die Worte standen: "Bevor mich
mein Vater erschlägt, springe ich selbst hinunter. Ich springe
wegen Verdruß hinunter." Der Bursche war über sein Alter
entwickelt und zeigte Hang zum Leichtsinn und zum Schulden-
machen. Deshalb mußte er auch gestern von seiner Mutter
verdiente Vorwürfe hören. Sie hatte ihm auch gedroht, daß
ihn der Vater strafen werde.

* Gestörte Andacht.

Eine höchst betrübende Er-
scheinung, die wohl jeden ehrlich denkenden Menschen auf
das Innerste empören muß, ist die Thatsache, daß sich in
größeren Kirchen, und zwar während der Zeit, wo die
[Spaltenumbruch] heiligen Messen gelesen oder andere Andachtsübungen abge-
halten werden, Fremde von zudringlichen jüdischen Führern
geleiten lassen. Daß dabei der führende Hebräer durch sein
unangenehmes Gekrächze sich höchst unliebsam bemerkbar
macht, ist zwar selbstverständlich, unverständlich bleibt es,
daß solche Durchreisende sich keines anderen Führers zu be-
dienen wissen. Wäre es da nicht an der Zeit, wenn das
hochw. f.-e. Ordinariat dagegen Abhilfe treffen würde?

* Das Feuer in der Franz Joseph-Kaserne.

Das Feuer, das heute Vormittags um 11 Uhr im mittleren
gegen den Donaucanal zugelegenen Tract, in dem das In-
fanterie-Regiment Nr. 66 bequartirt ist, entstanden war,
war recht unbedeutend, erregte aber großes Aufsehen. Nach
einer halben Stunde war es der städtischen Feuerwehr im
Vereine mit der Feuerbereitschaft gelungen, den Brand zu
lo[c]alisiren. Die Flammen waren in einem Kleidermagazin
auf der Dachbodenabtheilung zum Ausbruche gekommen.
Die Entstehungsursache war ein schadhafter Rauchfang, aus
dem ein Funke gesprüht sein mochte. Als der Rauch da-
durch, daß man in das Blechdach Bresche schlug, Abzug fand,
ging die Löscharbeit rasch von Statten, und gegen Mittag
war das Feuer völlig gelöscht.

* Sicherheitswachstellen bei der k. k. Sicherheits-
wache.

Gegenwärtig kommen bei der k. k. Sicherheits-
wache in Wien 110 Sicherheitswachmannstellen zur Be-
setzung. Bewerber müssen österreichische Staatsbürger, voll-
kommen gesund, zwischen 24 und 35 Jahre alt, unbe-
scholten, der deutschen Sprache in Wort und Schrift mächtig
sein, die Fähigkeit besitzen, schriftliche Meldungen zu ver-
fassen und sich verpflichten, wenigstens drei Jahre in der
k. k. Sicherheitswache dienen zu wollen. Derzeit wird nur
auf ledige Bewerber reflectirt. Die vorschriftsmäßig ge-
stempelten, entsprechend instruirten Gesuche sind bei der
k. k. Polizeidirection in Wien einzureichen.

* Brandwunden erlitten.

Von einem tragischen Ge-
schicke wurde in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch die
87jährige Katharina Doller, Witwe des im Jahre 1890
verstorbenen Bürgermeisters von Sechshaus, ereilt. Die alte
Frau, welche in Rudolfsheim wohnt und von der Köchin
Magdalena Kalser seit mehreren Jahren betraut, wird,
erlitt in der erwähnten Nacht am ganzen Körper Brand-
wunden schweren Grades. Eine Stunde nach Mitternacht
hörte plötzlich die Köchin, welche nämlich im Vorzimmer
ihre Ruhestätte hat, aus dem Schlafzimmer ihrer Dienst-
geberin ein leises Wimmern. Sie eilte in das Zimmer und
erblickte zu ihrem Schrecken die Matrone, am Fußende des
Bettes stehend, lichterloh brennend. Das Mädchen erstickte
rasch die Flammen, doch Frau Doller hatte bereits Brand-
wunden erlitten, welchen sie wahrscheinlich erliegen wird.
Nachdem die Frau in der letzten Zeit wiederholt geäußert
hat, daß sie lebensüberdrüssig sei und einen Selbstmord aus-
führen werde, ist es nicht ausgeschlossen, daß sie ihren Tod
durch Verbrennung gesucht hat. Die Unglückliche selbst gibt
an, daß sie in jener Nacht nicht schlafeu konnte, aus dem
Bette gestiegen sei und Licht gemacht habe. Sie sei der
Flamme zu nahe gekommen und ihre leichte Nachtrobe
hätte sich eutzündet.

* Selbstmordversuch auf den Schienen.

Gräßlich
verstümmelt, aber noch lebend, wurde gestern Abends auf
dem Schienenstrange der Westbahn nächst Preßbaum ein
junger Bursche, anscheinend ein Lehrling, aufgefunden, der
sich von einem die Strecke passirendem Zuge hatte überfahren
lassen. Der Bursche wurde im Kaiserin Elisabeth-Spitale,
wohin man ihn brachte, von seinem Vater als der siebzehn-
jährige Kaufmannslehrling Rudolf Tamms, beim Kauf-
mann Behal, Ottakringerstraße 23, bedienstet und wohn-
haft, agnoscirt. Sein Zustand ist bedenklich. Das Motiv der
That ist unbekannt.

* Auswanderer.

Heute Abends kam am Nord-
bahnhofe eine Truppe Auswanderer, (Männer, Weiber,
Greise und Säuglinge) an, Sie wurden von dem
Agenten des Auswandereramtes übernommen und in
der kleinen Stadtgutgasse in zwei kleinen Zimmern ab-
geschlossen. Die Leute schlafen auf dem bloßen Fußboden.

* Ein jüdifches Leichenbegängniß mit Glocken-
geläute.

In Dindes-Mellek wurde dieser Tage der Rabbiner
Adler begraben. Zum Leichenbegängniß kamen auch
viele Calviner, und als die Leiche in den Leichenwagen ge-
hoben wurde, ertönte von der calvinischen Kirche Glocken-
geläute, welches bis zum Anlangen des Leichenwagens auf
dem Friedhofe andauerte. Da widmete nun über dem
offenen Grabe der calvinische Geistliche dem Rabbiner einen
Nachruf.

* Orgelpfeifen aus Porzellan.

Solche gehören
zu den neuesten Producten der berühmten Meissner Porzellan-
fabrik. Im Gegensatze zu den bisher verwendeten Holz-
oder Zinnpfeifen, in welchen der Ton dem Einflusse der
Temperatur unterlag, bleibt der Ton in Porzellanpfeifen un-
verändert, mag die Luft kalt oder warmtrocken oder feucht
sein. Der Ton der letzteren sei auch viel schöner und voller,
als jener der Holz- oder Zinnpfeifen.

* Raub.

Heute Nachmittags gab die Wichs-
erzeugerin Katharina Liczka, Fünfhaus, März-
straße Nr. 23 auf dem Polizeicommissariate Schmelz
an, daß Vormittags ein ungefähr 35jähriger Mann von
ihr drei Dutzend Schachteln mit Wichs zu kaufen ver-
langt habe. Als sie sich nun umgekehrt hatte, um aus
dem Nebenzimmer Papier zum Einwickeln zu holen,
habe der Unbekannte mit einem stumpfen Instrumente
einen Schlag gegen ihren Kopf geführt, der sie bewußt-
los zu Boden streckte. Als sie aus der Ohnmacht er-
wachte, sei der Fremde fort gewesen und Frau Liczka
habe nun constatirt, daß der Strolch eine Brieftasche
mit 60 fl. und drei Stück 3 % ige Bodencreditlose im
Curswerthe von 350 fl., ferner Leinwand und Bett-
wäschstücke geraubt, das Andere aber zurückgelassen habe.

* Der Kirchendienerssohn als Opferstockdieb.

Seit mehreren Wochen wurden aus den Opferstöcken in der
Kirche unter den Kaisermühlen die eingeworfenen Spenden
gestohlen. Das Polizei-Commissariat Prater, welchem am
7. d. M. die Anzeige erstattet worden ist, leitete sofort Er-
hebungen ein, die ergaben, daß der 23jährige Taglöhner
Carl Renner, der Sohn des Kirchendiners diese Di[e]b-
stähle verübt hat. Er wurde verhaftet.


[Spaltenumbruch]
Telegramme.
Die Landtage.

Der Landtag beschloß, der
Landesausschuß solle einen Gesetzentwurf wegen Einführung
des Unterichtes einer zweiten Landes-
sprache
als obligaten Lehrgegenstand an der Realschule
für die nächste Session vorbereiten und die Regierung an-
gehen, in gleicher Richtung die Lehrpläne an den Gym-
nasien und am Pädagogium abzuändern. Der Landtag be-
schloß ferner, die Regierung wegen Errichtung einer niederen
Thonwaarenschule im Bezirke Wiznitz mit ruthe-
nischer Unterrichtssprache auf Staatskosten anzugehen und
die Regierung aufzufordern, an den vier unteren Classen
des Obergymnasiums in Czernowitz rumänische
Parallelclassen
ehethunlichst zu errichten. Nach
den üblichen Dankesreden wurde der Landtag vom Landes-
hauptmann Lupul mit Hochrufen auf den Kaiser um
3 Uhr Nachmittags geschlossen.

Prag, 10. Februar.

In der heutigen Abendsitzung
des Landtages begann die Budgetdebatte, als
erster Redner sprach Abg. Dr. Forscht.

Prag, 10. Februar.

In der Abendsitzung sprach der
Abg. Dr. Baxa über die Dynastie. Von allen Seiten des
Hauses tönen ihm Rufe der Entrüstung und Em-
pörung
entgegen. Minutenlang erstickten "Oho!-Rufe
die Worte des Redners. Der Oberstlandmarschall, der schon
zuvor den Redner ermahnt hatte, die Dynastie nicht in die
Debatte zu ziehen, ruft denselben unter begeistertem Beifalle
des Hauses zur Ordnung.

Brünn, 10. Februar.

Es wird beschlossen, dem Justiz-
ministerium die Errichtung eines neuen Bezirksge-
richtssprengels in Zlin
zu empfehlen und die Re-
gierung um Abgabe billigen Viehsalzes an Viehzüchter zu ersuchen.
Die Erweiterung der Brünner Landesirrenanstalt mit
einem Kostenbetrage von 135.000 fl. wird genehmigt. Für
das Jahr 1896 wird die Einhebung einer Umlage von
44 kr. auf die directen Steuern zur Bedeckung des Ab-
ganges per 5,375.816 beschlossen. Abg. Bubela erklärt
die Gründe, weshalb die Czechen wieder im Landtage er-
schienen sind.

Der greise Landeshauptmann-Stellvertreter Dr.
v. Srom nahm unter allgemeiner Rührung von dem
Landtage Abschied, dem er 35 Jahre angehört. Dann wurde
unter den üblichen Formalitäten die Session geschlossen.

Schatzlar in Flammen.

Die Post- und Telegraphen-
Direction in Prag hat soeben aus Schatzlar eine
Depesche erhalten, der zu Folge der Ringplatz
der Stadt Schatzlar in Flammen
steht
und das Postamtsgebäude brennt. Aus Trautenau
wurde ein Löschtrain auf den Brandplatz dirigirt.

Die Arbeitslosen in Prag.

Heute Nachmittags hat
in der Stadt Königl. Weinberge bei Prag
im Circus eine Versammlung der Arbeits-
losen stattgefunden, die von 2000 Personen besucht
war. Die Versammlung berieth mehrere Stunden
über die Mittel, Arbeit zu erlangen. Gegen 1/26 Uhr
zogen die Arbeitslosen in die Stadt Prag ein, wurden
aber auf dem Wenzelsplatze von der Polizei zer-
streut,
wobei wegen Widersetzlichkeit gegen die
Wache 3 Personen verhaftet wurden.

Die Socialdemokraten und die Milleniums-
Feier.

Die socialdemokratische
Arbeiterpartei hatte für gestern mehrere Ver-
sammlungen
einberufen, auf deren Tagesordnung
die von den Arbeitern anläßlich der Milleniums-
feier
zu beobachtende Haltung stand. Die Versamm-
lungen verliefen mit Ausnahme derjenigen der Tischler-
arbeiter ruhig. Die letztere verlief so tumultuös, daß
sie wegen maßloser Angriffe eines Redners behördlich
aufgelöst wurde. Es kam hiebei zu argen Ausschreitun-
gen, denen erst eine größere Abtheilung von Polizei-
mannschaft ein Ende bereiten konnte. Elf Personen
wurden verhaftet.

Affaire Pulßky.

Minister-Präsident
Banffy sucht des Langen und Breiten nachzuweisen,
daß die Landescommission nicht der Controle des
Reichstages unterstellt war. Der gewesene Minister-
präsident Dr. Wekerle habe seinerzeit dieser Com-
mission einen Bericht unterbreitet, daß die ungünstigen
Finanzverhältnisse Italiens sehr günstige Kaufverhält-
nisse geschaffen hätten und deshalb sei es am
Platze, auch einige Bilderkäufe vorzunehmen.
Die Ausgaben seien unter voller Verant-
wortung der Regierung
vorgenommen
worden, "doch anerkenne ich (wie gütig!), daß es jetzt
(also doch!) an der Zeit ist, das Haus bezüglich der
Kosten der Millenniums-Festlich-
keiten
zu orientiren, nachdem auch die Re-
gierung diesbezüglich orientirt ist." (Rufe links:
Jetzt erst ist man orientirt.) "Jawohl, jetzt
erst.
" In der Pulszky-Affare halte er
die Entsendung einer parlamentarischen Untersuchungs-
commission für überflüssig, (das ist selbst für
einen Banffy stark!), darum bitte er, den Beschlußantrag
des Abg. Grafen Apponyi abzulehnen. (Beifall
rechts bei den Mameluken!) Cultus- und Unterrichts-
minister Wlassics erklärt, er könne constatiren,
daß nur bezüglich 7000 Gulden die Belege fehlen.
Sonst sei Alles in Ordnung befunden worden. (O Du
-- Million! Ist das eine Einfalt!) Nachdem einzelne
Regelwidrigkeiten constatirt worden, habe die Regierung
die Strafanzeige erstattet. Rufe: (Gegen wen denn?)
Die Geistesstörung (Lachen) hinderte die Untersuchung
nicht. Er schildert die vorgenommen Käufe für das
Museum und erklärt, man habe doch, da kein concretes

41 Wien, Dienſtag Reichspoſt 11. Februar 1896

[Spaltenumbruch] 1896 der Entfall der Wagen III. Claſſe
bei den Zügen Nr. 103, 104 Wien—Amſtetten, Nr. 5
Wien—Salzburg, Nr. 3 und 4 Wien—Eger und
Nr. 1105/1205, 1206/110, 6/405 Budweis—Linz,
beziehungsweiſe Linz—Weſſely in Ausſicht genommen
und bei den übrigen Schnellzügen die im Sommer-
fahrplan 1895 beſtandenen Wagenausrüſtung beibe-
halten. Da einzelne dieſer Züge dem ſtärkſten
Touriſtenverkehr
dienen, ſo wird dieſe Maß
nahme in Touriſtenkreiſen, ſoweit ſie den minder
bemittelten
Theil derſelben trifft, mit Recht
ſchmerzlich empfunden werden.




Tagebericht.
* Vom Hofe.

Der Kaiſer, der ſich am 9. d.
Früh zum Beſuche des Erzherzogs Franz Sal-
vator
und der Erzherzogin Marie Valerie
n[a]ch Lichtenegg begeben hat, iſt heute Abends wieder in
Wien eingetroffen. — Erzherzog Leopold Ferdi-
nand,
der im vorigen Monate an den Maſern hier
erkrankt war, iſt heute Nachmittags nach vollſtändiger
Geneſung in ſeine Garniſon nach Brünn abgereiſt.

* Friedl Herrnfeld

iſt ä talentvolles Jüngel,
der in Peſt bedienſtet war. Nun ſchickte ſich auf ein-
mal ä gute Gelegenheit, ä Rutſcher nach Wien zu
machen, — ſein Chef ſchickt ihn mit 600 fl. auf der
Poſt, Friedl Herrnfeld überlegt nix lang, er
nimmt ſich ä Fahrkarte nach Wien, fährt her und
begibt ſich ſogleich nach der Ankunft in der Leopold-
ſtadt. Da is ä großes, ſchönes Nachtkaffeehaus, Friedl
Herrnfeld geht herein, unterhält ſich gut, auf einmal
hat er 400 fl. durchgejubelt. Weil aber Wien is anti-
ſemitiſch, hat Friedl Herrnſeld, der Talentvolle, kein
Glück, ein Detective bemerkt ihn und ladet in ein mit-
zugehen in die große Sperlgaſſe, wo iſt die Polizei.
Dort verſtehen ſe kane „Lozelech“, ſe erkennen, daß
Friedl is ä Dieb und liefern ihn ein dem Landes-
gericht. So werden die Talente verkannt!

* FML. Ritter v. Joly †.

In militäriſcher Weiſe
wurde heute Nachmittags der k. u. k. FML. d. R. Emil
Ritter von Joly zu Grabe getragen. Den Conduct be-
fehligte Graf von Rehn, Commandant der 49. Infanterie-
Brigade. Vor dem Trauerhauſe, Krugerſtraße Nr. 13,
hatte eine Compagnie mit der Fahne und Muſik des In-
fanterie-Regimentes Erzherzog Carl Nr. 3 Aufſtellung ge-
nommen. Dieſe und ein ambulantes Spalier des Regi-
mentes, der geharniſchte Ritter zu Roß und das Trauer-
pferd geleiteten den ſechsſpännigen Leichenwagen zur Dom-
und Metropolitankirche zu Stephan, in der die Einſegnung
erfolgte.

* Abreiſe der Fürſtin von Bulgarien.

Fürſtin
Marie Louiſe von Bulgarien hat ſich heute
Nachmittags mit dem Prinzen Cyrill zu längerem
Aufenthalte nach dem Süden begeben. Die Abfahrt erfolgte
mit dem Blitzzuge der Weſtbahn. Die Reiſe geht zunächſt
nach Nizza und dann an die Riviera.

* Das lenkbare Luftſchiff.

Graf Zeppellin in
Berlin, der ein lenkbares Luftſchiff erfunden haben will und
darüber im Stuttgarter Ingenieurverein vor dem König
Vortrag hielt, berechnet die Koſten des Verſuchsſchiffes auf
etwa 300.00E Mark. Einige Banken und Großcapitaliſten
ſollen zur Financirung des Unternehmens bereit ſein. Zeppelin
erſann zur Gasaufnahme eine Porenverdichtung des Seiden-
ſtoffes, welche monatelang kein Gas ausſtrömen läßt. Sein
Apparat ſoll bis 38 Centner tragen und 7½ Tage ununter-
brochen mit einer Geſchwindigkeit von ſechs Meilen in der
Stunde ſchweben können.

* Verlorene Ringe.

In der Nacht von Frei-
tag auf Samſtag, nach der Vorſtellung der „Afri-
kanerin“ in der Hofoper verlor Frau Louiſe von
Ehrenſtein ein ſogenanntes Ridicule, in welchem
ſich elf Ringe im Werthe von 3000 fl. befanden. Frau
v. Ehrenſtein hat den Weg von der Hofoper bis zu
ihrer Wohnung in der Türkenſtraße Nr. 29 im Wagen
zurückgelegt und glaubt, daß ihr die Taſche beim Ein-
ſteigen oder Verlaſſen der Equipage entglitt. Die Künſt-
lerin hat die Anzeige bei der Polizei erſtattet und ſichert
dem Finder eine Belohnung von 300 fl. zu.

* Goldſtern und Löwenherz,

zwei „Polen“
aus der „Polakei“ haben bekanntlich, die für ſie ſeit
längerer Zeit reſervirten „Sperrſitze“ eingenommen.
Ueber dieſes gewiß erfreuliche Ereigniß wird gemeldet:
Die Verhaſtung Goldſtern und Löwenherz erfolgte auf
Anordnung des Staatsanwaltes Seredowski, (muß das
ein Antiſemit ſein) Löwenherz weilte bis vorgeſtern in
Wien und ſuchte da den gewiſſen „Freunden“, die ihn
durchaus auf den „Sperrſitz“ bringen wollten, zu ent-
weichen. Da er ſich nun hier unſicher fühlte — entwich
er einfach nach Lemberg wo er verhaftet wurde.
Goldſtern wurde von der Polizei in ſeiner Privat-
wohnung arretirt. Das Hauptmotiv der Verhaftung iſt
das rechtswidrige Verfahren bei der Converſion der
Serbiſchen Rente, welche bei der Bank deponirt wurde.

* Selbſtmord eines Knaben.

Samſtag um 8 Uhr
Abends ſtürzte ſich der 15jährige Lederarbeiter Joſef Hai-
dinger
vom dritten Stocke ſeines Wohnhauſes, Neubau,
Burggaſſe Nr. 74, in den Hofraum hinab und blieb mit
gebrochenem Schädel ſofort todt auf dem Platze. Aerzte
konnten nicht mehr helfend eingreifen. Bei dem Todten fand
man einen Zettel, auf dem die Worte ſtanden: „Bevor mich
mein Vater erſchlägt, ſpringe ich ſelbſt hinunter. Ich ſpringe
wegen Verdruß hinunter.“ Der Burſche war über ſein Alter
entwickelt und zeigte Hang zum Leichtſinn und zum Schulden-
machen. Deshalb mußte er auch geſtern von ſeiner Mutter
verdiente Vorwürfe hören. Sie hatte ihm auch gedroht, daß
ihn der Vater ſtrafen werde.

* Geſtörte Andacht.

Eine höchſt betrübende Er-
ſcheinung, die wohl jeden ehrlich denkenden Menſchen auf
das Innerſte empören muß, iſt die Thatſache, daß ſich in
größeren Kirchen, und zwar während der Zeit, wo die
[Spaltenumbruch] heiligen Meſſen geleſen oder andere Andachtsübungen abge-
halten werden, Fremde von zudringlichen jüdiſchen Führern
geleiten laſſen. Daß dabei der führende Hebräer durch ſein
unangenehmes Gekrächze ſich höchſt unliebſam bemerkbar
macht, iſt zwar ſelbſtverſtändlich, unverſtändlich bleibt es,
daß ſolche Durchreiſende ſich keines anderen Führers zu be-
dienen wiſſen. Wäre es da nicht an der Zeit, wenn das
hochw. f.-e. Ordinariat dagegen Abhilfe treffen würde?

* Das Feuer in der Franz Joſeph-Kaſerne.

Das Feuer, das heute Vormittags um 11 Uhr im mittleren
gegen den Donaucanal zugelegenen Tract, in dem das In-
fanterie-Regiment Nr. 66 bequartirt iſt, entſtanden war,
war recht unbedeutend, erregte aber großes Aufſehen. Nach
einer halben Stunde war es der ſtädtiſchen Feuerwehr im
Vereine mit der Feuerbereitſchaft gelungen, den Brand zu
lo[c]aliſiren. Die Flammen waren in einem Kleidermagazin
auf der Dachbodenabtheilung zum Ausbruche gekommen.
Die Entſtehungsurſache war ein ſchadhafter Rauchfang, aus
dem ein Funke geſprüht ſein mochte. Als der Rauch da-
durch, daß man in das Blechdach Breſche ſchlug, Abzug fand,
ging die Löſcharbeit raſch von Statten, und gegen Mittag
war das Feuer völlig gelöſcht.

* Sicherheitswachſtellen bei der k. k. Sicherheits-
wache.

Gegenwärtig kommen bei der k. k. Sicherheits-
wache in Wien 110 Sicherheitswachmannſtellen zur Be-
ſetzung. Bewerber müſſen öſterreichiſche Staatsbürger, voll-
kommen geſund, zwiſchen 24 und 35 Jahre alt, unbe-
ſcholten, der deutſchen Sprache in Wort und Schrift mächtig
ſein, die Fähigkeit beſitzen, ſchriftliche Meldungen zu ver-
faſſen und ſich verpflichten, wenigſtens drei Jahre in der
k. k. Sicherheitswache dienen zu wollen. Derzeit wird nur
auf ledige Bewerber reflectirt. Die vorſchriftsmäßig ge-
ſtempelten, entſprechend inſtruirten Geſuche ſind bei der
k. k. Polizeidirection in Wien einzureichen.

* Brandwunden erlitten.

Von einem tragiſchen Ge-
ſchicke wurde in der Nacht von Dienſtag auf Mittwoch die
87jährige Katharina Doller, Witwe des im Jahre 1890
verſtorbenen Bürgermeiſters von Sechshaus, ereilt. Die alte
Frau, welche in Rudolfsheim wohnt und von der Köchin
Magdalena Kalſer ſeit mehreren Jahren betraut, wird,
erlitt in der erwähnten Nacht am ganzen Körper Brand-
wunden ſchweren Grades. Eine Stunde nach Mitternacht
hörte plötzlich die Köchin, welche nämlich im Vorzimmer
ihre Ruheſtätte hat, aus dem Schlafzimmer ihrer Dienſt-
geberin ein leiſes Wimmern. Sie eilte in das Zimmer und
erblickte zu ihrem Schrecken die Matrone, am Fußende des
Bettes ſtehend, lichterloh brennend. Das Mädchen erſtickte
raſch die Flammen, doch Frau Doller hatte bereits Brand-
wunden erlitten, welchen ſie wahrſcheinlich erliegen wird.
Nachdem die Frau in der letzten Zeit wiederholt geäußert
hat, daß ſie lebensüberdrüſſig ſei und einen Selbſtmord aus-
führen werde, iſt es nicht ausgeſchloſſen, daß ſie ihren Tod
durch Verbrennung geſucht hat. Die Unglückliche ſelbſt gibt
an, daß ſie in jener Nacht nicht ſchlafeu konnte, aus dem
Bette geſtiegen ſei und Licht gemacht habe. Sie ſei der
Flamme zu nahe gekommen und ihre leichte Nachtrobe
hätte ſich eutzündet.

* Selbſtmordverſuch auf den Schienen.

Gräßlich
verſtümmelt, aber noch lebend, wurde geſtern Abends auf
dem Schienenſtrange der Weſtbahn nächſt Preßbaum ein
junger Burſche, anſcheinend ein Lehrling, aufgefunden, der
ſich von einem die Strecke paſſirendem Zuge hatte überfahren
laſſen. Der Burſche wurde im Kaiſerin Eliſabeth-Spitale,
wohin man ihn brachte, von ſeinem Vater als der ſiebzehn-
jährige Kaufmannslehrling Rudolf Tamms, beim Kauf-
mann Behal, Ottakringerſtraße 23, bedienſtet und wohn-
haft, agnoscirt. Sein Zuſtand iſt bedenklich. Das Motiv der
That iſt unbekannt.

* Auswanderer.

Heute Abends kam am Nord-
bahnhofe eine Truppe Auswanderer, (Männer, Weiber,
Greiſe und Säuglinge) an, Sie wurden von dem
Agenten des Auswandereramtes übernommen und in
der kleinen Stadtgutgaſſe in zwei kleinen Zimmern ab-
geſchloſſen. Die Leute ſchlafen auf dem bloßen Fußboden.

* Ein jüdifches Leichenbegängniß mit Glocken-
geläute.

In Dindes-Mellek wurde dieſer Tage der Rabbiner
Adler begraben. Zum Leichenbegängniß kamen auch
viele Calviner, und als die Leiche in den Leichenwagen ge-
hoben wurde, ertönte von der calviniſchen Kirche Glocken-
geläute, welches bis zum Anlangen des Leichenwagens auf
dem Friedhofe andauerte. Da widmete nun über dem
offenen Grabe der calviniſche Geiſtliche dem Rabbiner einen
Nachruf.

* Orgelpfeifen aus Porzellan.

Solche gehören
zu den neueſten Producten der berühmten Meiſſner Porzellan-
fabrik. Im Gegenſatze zu den bisher verwendeten Holz-
oder Zinnpfeifen, in welchen der Ton dem Einfluſſe der
Temperatur unterlag, bleibt der Ton in Porzellanpfeifen un-
verändert, mag die Luft kalt oder warmtrocken oder feucht
ſein. Der Ton der letzteren ſei auch viel ſchöner und voller,
als jener der Holz- oder Zinnpfeifen.

* Raub.

Heute Nachmittags gab die Wichs-
erzeugerin Katharina Liczka, Fünfhaus, März-
ſtraße Nr. 23 auf dem Polizeicommiſſariate Schmelz
an, daß Vormittags ein ungefähr 35jähriger Mann von
ihr drei Dutzend Schachteln mit Wichs zu kaufen ver-
langt habe. Als ſie ſich nun umgekehrt hatte, um aus
dem Nebenzimmer Papier zum Einwickeln zu holen,
habe der Unbekannte mit einem ſtumpfen Inſtrumente
einen Schlag gegen ihren Kopf geführt, der ſie bewußt-
los zu Boden ſtreckte. Als ſie aus der Ohnmacht er-
wachte, ſei der Fremde fort geweſen und Frau Liczka
habe nun conſtatirt, daß der Strolch eine Brieftaſche
mit 60 fl. und drei Stück 3 % ige Bodencreditloſe im
Curswerthe von 350 fl., ferner Leinwand und Bett-
wäſchſtücke geraubt, das Andere aber zurückgelaſſen habe.

* Der Kirchendienersſohn als Opferſtockdieb.

Seit mehreren Wochen wurden aus den Opferſtöcken in der
Kirche unter den Kaiſermühlen die eingeworfenen Spenden
geſtohlen. Das Polizei-Commiſſariat Prater, welchem am
7. d. M. die Anzeige erſtattet worden iſt, leitete ſofort Er-
hebungen ein, die ergaben, daß der 23jährige Taglöhner
Carl Renner, der Sohn des Kirchendiners dieſe Di[e]b-
ſtähle verübt hat. Er wurde verhaftet.


[Spaltenumbruch]
Telegramme.
Die Landtage.

Der Landtag beſchloß, der
Landesausſchuß ſolle einen Geſetzentwurf wegen Einführung
des Unterichtes einer zweiten Landes-
ſprache
als obligaten Lehrgegenſtand an der Realſchule
für die nächſte Seſſion vorbereiten und die Regierung an-
gehen, in gleicher Richtung die Lehrpläne an den Gym-
naſien und am Pädagogium abzuändern. Der Landtag be-
ſchloß ferner, die Regierung wegen Errichtung einer niederen
Thonwaarenſchule im Bezirke Wiznitz mit ruthe-
niſcher Unterrichtsſprache auf Staatskoſten anzugehen und
die Regierung aufzufordern, an den vier unteren Claſſen
des Obergymnaſiums in Czernowitz rumäniſche
Parallelclaſſen
ehethunlichſt zu errichten. Nach
den üblichen Dankesreden wurde der Landtag vom Landes-
hauptmann Lupul mit Hochrufen auf den Kaiſer um
3 Uhr Nachmittags geſchloſſen.

Prag, 10. Februar.

In der heutigen Abendſitzung
des Landtages begann die Budgetdebatte, als
erſter Redner ſprach Abg. Dr. Forſcht.

Prag, 10. Februar.

In der Abendſitzung ſprach der
Abg. Dr. Baxa über die Dynaſtie. Von allen Seiten des
Hauſes tönen ihm Rufe der Entrüſtung und Em-
pörung
entgegen. Minutenlang erſtickten „Oho!-Rufe
die Worte des Redners. Der Oberſtlandmarſchall, der ſchon
zuvor den Redner ermahnt hatte, die Dynaſtie nicht in die
Debatte zu ziehen, ruft denſelben unter begeiſtertem Beifalle
des Hauſes zur Ordnung.

Brünn, 10. Februar.

Es wird beſchloſſen, dem Juſtiz-
miniſterium die Errichtung eines neuen Bezirksge-
richtsſprengels in Zlin
zu empfehlen und die Re-
gierung um Abgabe billigen Viehſalzes an Viehzüchter zu erſuchen.
Die Erweiterung der Brünner Landesirrenanſtalt mit
einem Koſtenbetrage von 135.000 fl. wird genehmigt. Für
das Jahr 1896 wird die Einhebung einer Umlage von
44 kr. auf die directen Steuern zur Bedeckung des Ab-
ganges per 5,375.816 beſchloſſen. Abg. Bubela erklärt
die Gründe, weshalb die Czechen wieder im Landtage er-
ſchienen ſind.

Der greiſe Landeshauptmann-Stellvertreter Dr.
v. Srom nahm unter allgemeiner Rührung von dem
Landtage Abſchied, dem er 35 Jahre angehört. Dann wurde
unter den üblichen Formalitäten die Seſſion geſchloſſen.

Schatzlar in Flammen.

Die Poſt- und Telegraphen-
Direction in Prag hat ſoeben aus Schatzlar eine
Depeſche erhalten, der zu Folge der Ringplatz
der Stadt Schatzlar in Flammen
ſteht
und das Poſtamtsgebäude brennt. Aus Trautenau
wurde ein Löſchtrain auf den Brandplatz dirigirt.

Die Arbeitsloſen in Prag.

Heute Nachmittags hat
in der Stadt Königl. Weinberge bei Prag
im Circus eine Verſammlung der Arbeits-
loſen ſtattgefunden, die von 2000 Perſonen beſucht
war. Die Verſammlung berieth mehrere Stunden
über die Mittel, Arbeit zu erlangen. Gegen ½6 Uhr
zogen die Arbeitsloſen in die Stadt Prag ein, wurden
aber auf dem Wenzelsplatze von der Polizei zer-
ſtreut,
wobei wegen Widerſetzlichkeit gegen die
Wache 3 Perſonen verhaftet wurden.

Die Socialdemokraten und die Milleniums-
Feier.

Die ſocialdemokratiſche
Arbeiterpartei hatte für geſtern mehrere Ver-
ſammlungen
einberufen, auf deren Tagesordnung
die von den Arbeitern anläßlich der Milleniums-
feier
zu beobachtende Haltung ſtand. Die Verſamm-
lungen verliefen mit Ausnahme derjenigen der Tiſchler-
arbeiter ruhig. Die letztere verlief ſo tumultuös, daß
ſie wegen maßloſer Angriffe eines Redners behördlich
aufgelöſt wurde. Es kam hiebei zu argen Ausſchreitun-
gen, denen erſt eine größere Abtheilung von Polizei-
mannſchaft ein Ende bereiten konnte. Elf Perſonen
wurden verhaftet.

Affaire Pulßky.

Miniſter-Präſident
Banffy ſucht des Langen und Breiten nachzuweiſen,
daß die Landescommiſſion nicht der Controle des
Reichstages unterſtellt war. Der geweſene Miniſter-
präſident Dr. Wekerle habe ſeinerzeit dieſer Com-
miſſion einen Bericht unterbreitet, daß die ungünſtigen
Finanzverhältniſſe Italiens ſehr günſtige Kaufverhält-
niſſe geſchaffen hätten und deshalb ſei es am
Platze, auch einige Bilderkäufe vorzunehmen.
Die Ausgaben ſeien unter voller Verant-
wortung der Regierung
vorgenommen
worden, „doch anerkenne ich (wie gütig!), daß es jetzt
(alſo doch!) an der Zeit iſt, das Haus bezüglich der
Koſten der Millenniums-Feſtlich-
keiten
zu orientiren, nachdem auch die Re-
gierung diesbezüglich orientirt iſt.“ (Rufe links:
Jetzt erſt iſt man orientirt.) „Jawohl, jetzt
erſt.
“ In der Pulszky-Affare halte er
die Entſendung einer parlamentariſchen Unterſuchungs-
commiſſion für überflüſſig, (das iſt ſelbſt für
einen Banffy ſtark!), darum bitte er, den Beſchlußantrag
des Abg. Grafen Apponyi abzulehnen. (Beifall
rechts bei den Mameluken!) Cultus- und Unterrichts-
miniſter Wlaſſics erklärt, er könne conſtatiren,
daß nur bezüglich 7000 Gulden die Belege fehlen.
Sonſt ſei Alles in Ordnung befunden worden. (O Du
— Million! Iſt das eine Einfalt!) Nachdem einzelne
Regelwidrigkeiten conſtatirt worden, habe die Regierung
die Strafanzeige erſtattet. Rufe: (Gegen wen denn?)
Die Geiſtesſtörung (Lachen) hinderte die Unterſuchung
nicht. Er ſchildert die vorgenommen Käufe für das
Muſeum und erklärt, man habe doch, da kein concretes

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&#x017F;ich von einem die Strecke pa&#x017F;&#x017F;irendem Zuge hatte überfahren<lb/>
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Temperatur unterlag, bleibt der Ton in Porzellanpfeifen un-<lb/>
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Die Erweiterung der Brünner Landesirrenan&#x017F;talt mit<lb/>
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[5/0005] 41 Wien, Dienſtag Reichspoſt 11. Februar 1896 1896 der Entfall der Wagen III. Claſſe bei den Zügen Nr. 103, 104 Wien—Amſtetten, Nr. 5 Wien—Salzburg, Nr. 3 und 4 Wien—Eger und Nr. 1105/1205, 1206/110, 6/405 Budweis—Linz, beziehungsweiſe Linz—Weſſely in Ausſicht genommen und bei den übrigen Schnellzügen die im Sommer- fahrplan 1895 beſtandenen Wagenausrüſtung beibe- halten. Da einzelne dieſer Züge dem ſtärkſten Touriſtenverkehr dienen, ſo wird dieſe Maß nahme in Touriſtenkreiſen, ſoweit ſie den minder bemittelten Theil derſelben trifft, mit Recht ſchmerzlich empfunden werden. Tagebericht. * Vom Hofe. Der Kaiſer, der ſich am 9. d. Früh zum Beſuche des Erzherzogs Franz Sal- vator und der Erzherzogin Marie Valerie nach Lichtenegg begeben hat, iſt heute Abends wieder in Wien eingetroffen. — Erzherzog Leopold Ferdi- nand, der im vorigen Monate an den Maſern hier erkrankt war, iſt heute Nachmittags nach vollſtändiger Geneſung in ſeine Garniſon nach Brünn abgereiſt. * Friedl Herrnfeld iſt ä talentvolles Jüngel, der in Peſt bedienſtet war. Nun ſchickte ſich auf ein- mal ä gute Gelegenheit, ä Rutſcher nach Wien zu machen, — ſein Chef ſchickt ihn mit 600 fl. auf der Poſt, Friedl Herrnfeld überlegt nix lang, er nimmt ſich ä Fahrkarte nach Wien, fährt her und begibt ſich ſogleich nach der Ankunft in der Leopold- ſtadt. Da is ä großes, ſchönes Nachtkaffeehaus, Friedl Herrnfeld geht herein, unterhält ſich gut, auf einmal hat er 400 fl. durchgejubelt. Weil aber Wien is anti- ſemitiſch, hat Friedl Herrnſeld, der Talentvolle, kein Glück, ein Detective bemerkt ihn und ladet in ein mit- zugehen in die große Sperlgaſſe, wo iſt die Polizei. Dort verſtehen ſe kane „Lozelech“, ſe erkennen, daß Friedl is ä Dieb und liefern ihn ein dem Landes- gericht. So werden die Talente verkannt! * FML. Ritter v. Joly †. In militäriſcher Weiſe wurde heute Nachmittags der k. u. k. FML. d. R. Emil Ritter von Joly zu Grabe getragen. Den Conduct be- fehligte Graf von Rehn, Commandant der 49. Infanterie- Brigade. Vor dem Trauerhauſe, Krugerſtraße Nr. 13, hatte eine Compagnie mit der Fahne und Muſik des In- fanterie-Regimentes Erzherzog Carl Nr. 3 Aufſtellung ge- nommen. Dieſe und ein ambulantes Spalier des Regi- mentes, der geharniſchte Ritter zu Roß und das Trauer- pferd geleiteten den ſechsſpännigen Leichenwagen zur Dom- und Metropolitankirche zu Stephan, in der die Einſegnung erfolgte. * Abreiſe der Fürſtin von Bulgarien. Fürſtin Marie Louiſe von Bulgarien hat ſich heute Nachmittags mit dem Prinzen Cyrill zu längerem Aufenthalte nach dem Süden begeben. Die Abfahrt erfolgte mit dem Blitzzuge der Weſtbahn. Die Reiſe geht zunächſt nach Nizza und dann an die Riviera. * Das lenkbare Luftſchiff. Graf Zeppellin in Berlin, der ein lenkbares Luftſchiff erfunden haben will und darüber im Stuttgarter Ingenieurverein vor dem König Vortrag hielt, berechnet die Koſten des Verſuchsſchiffes auf etwa 300.00E Mark. Einige Banken und Großcapitaliſten ſollen zur Financirung des Unternehmens bereit ſein. Zeppelin erſann zur Gasaufnahme eine Porenverdichtung des Seiden- ſtoffes, welche monatelang kein Gas ausſtrömen läßt. Sein Apparat ſoll bis 38 Centner tragen und 7½ Tage ununter- brochen mit einer Geſchwindigkeit von ſechs Meilen in der Stunde ſchweben können. * Verlorene Ringe. In der Nacht von Frei- tag auf Samſtag, nach der Vorſtellung der „Afri- kanerin“ in der Hofoper verlor Frau Louiſe von Ehrenſtein ein ſogenanntes Ridicule, in welchem ſich elf Ringe im Werthe von 3000 fl. befanden. Frau v. Ehrenſtein hat den Weg von der Hofoper bis zu ihrer Wohnung in der Türkenſtraße Nr. 29 im Wagen zurückgelegt und glaubt, daß ihr die Taſche beim Ein- ſteigen oder Verlaſſen der Equipage entglitt. Die Künſt- lerin hat die Anzeige bei der Polizei erſtattet und ſichert dem Finder eine Belohnung von 300 fl. zu. * Goldſtern und Löwenherz, zwei „Polen“ aus der „Polakei“ haben bekanntlich, die für ſie ſeit längerer Zeit reſervirten „Sperrſitze“ eingenommen. Ueber dieſes gewiß erfreuliche Ereigniß wird gemeldet: Die Verhaſtung Goldſtern und Löwenherz erfolgte auf Anordnung des Staatsanwaltes Seredowski, (muß das ein Antiſemit ſein) Löwenherz weilte bis vorgeſtern in Wien und ſuchte da den gewiſſen „Freunden“, die ihn durchaus auf den „Sperrſitz“ bringen wollten, zu ent- weichen. Da er ſich nun hier unſicher fühlte — entwich er einfach nach Lemberg wo er verhaftet wurde. Goldſtern wurde von der Polizei in ſeiner Privat- wohnung arretirt. Das Hauptmotiv der Verhaftung iſt das rechtswidrige Verfahren bei der Converſion der Serbiſchen Rente, welche bei der Bank deponirt wurde. * Selbſtmord eines Knaben. Samſtag um 8 Uhr Abends ſtürzte ſich der 15jährige Lederarbeiter Joſef Hai- dinger vom dritten Stocke ſeines Wohnhauſes, Neubau, Burggaſſe Nr. 74, in den Hofraum hinab und blieb mit gebrochenem Schädel ſofort todt auf dem Platze. Aerzte konnten nicht mehr helfend eingreifen. Bei dem Todten fand man einen Zettel, auf dem die Worte ſtanden: „Bevor mich mein Vater erſchlägt, ſpringe ich ſelbſt hinunter. Ich ſpringe wegen Verdruß hinunter.“ Der Burſche war über ſein Alter entwickelt und zeigte Hang zum Leichtſinn und zum Schulden- machen. Deshalb mußte er auch geſtern von ſeiner Mutter verdiente Vorwürfe hören. Sie hatte ihm auch gedroht, daß ihn der Vater ſtrafen werde. * Geſtörte Andacht. Eine höchſt betrübende Er- ſcheinung, die wohl jeden ehrlich denkenden Menſchen auf das Innerſte empören muß, iſt die Thatſache, daß ſich in größeren Kirchen, und zwar während der Zeit, wo die heiligen Meſſen geleſen oder andere Andachtsübungen abge- halten werden, Fremde von zudringlichen jüdiſchen Führern geleiten laſſen. Daß dabei der führende Hebräer durch ſein unangenehmes Gekrächze ſich höchſt unliebſam bemerkbar macht, iſt zwar ſelbſtverſtändlich, unverſtändlich bleibt es, daß ſolche Durchreiſende ſich keines anderen Führers zu be- dienen wiſſen. Wäre es da nicht an der Zeit, wenn das hochw. f.-e. Ordinariat dagegen Abhilfe treffen würde? * Das Feuer in der Franz Joſeph-Kaſerne. Das Feuer, das heute Vormittags um 11 Uhr im mittleren gegen den Donaucanal zugelegenen Tract, in dem das In- fanterie-Regiment Nr. 66 bequartirt iſt, entſtanden war, war recht unbedeutend, erregte aber großes Aufſehen. Nach einer halben Stunde war es der ſtädtiſchen Feuerwehr im Vereine mit der Feuerbereitſchaft gelungen, den Brand zu localiſiren. Die Flammen waren in einem Kleidermagazin auf der Dachbodenabtheilung zum Ausbruche gekommen. Die Entſtehungsurſache war ein ſchadhafter Rauchfang, aus dem ein Funke geſprüht ſein mochte. Als der Rauch da- durch, daß man in das Blechdach Breſche ſchlug, Abzug fand, ging die Löſcharbeit raſch von Statten, und gegen Mittag war das Feuer völlig gelöſcht. * Sicherheitswachſtellen bei der k. k. Sicherheits- wache. Gegenwärtig kommen bei der k. k. Sicherheits- wache in Wien 110 Sicherheitswachmannſtellen zur Be- ſetzung. Bewerber müſſen öſterreichiſche Staatsbürger, voll- kommen geſund, zwiſchen 24 und 35 Jahre alt, unbe- ſcholten, der deutſchen Sprache in Wort und Schrift mächtig ſein, die Fähigkeit beſitzen, ſchriftliche Meldungen zu ver- faſſen und ſich verpflichten, wenigſtens drei Jahre in der k. k. Sicherheitswache dienen zu wollen. Derzeit wird nur auf ledige Bewerber reflectirt. Die vorſchriftsmäßig ge- ſtempelten, entſprechend inſtruirten Geſuche ſind bei der k. k. Polizeidirection in Wien einzureichen. * Brandwunden erlitten. Von einem tragiſchen Ge- ſchicke wurde in der Nacht von Dienſtag auf Mittwoch die 87jährige Katharina Doller, Witwe des im Jahre 1890 verſtorbenen Bürgermeiſters von Sechshaus, ereilt. Die alte Frau, welche in Rudolfsheim wohnt und von der Köchin Magdalena Kalſer ſeit mehreren Jahren betraut, wird, erlitt in der erwähnten Nacht am ganzen Körper Brand- wunden ſchweren Grades. Eine Stunde nach Mitternacht hörte plötzlich die Köchin, welche nämlich im Vorzimmer ihre Ruheſtätte hat, aus dem Schlafzimmer ihrer Dienſt- geberin ein leiſes Wimmern. Sie eilte in das Zimmer und erblickte zu ihrem Schrecken die Matrone, am Fußende des Bettes ſtehend, lichterloh brennend. Das Mädchen erſtickte raſch die Flammen, doch Frau Doller hatte bereits Brand- wunden erlitten, welchen ſie wahrſcheinlich erliegen wird. Nachdem die Frau in der letzten Zeit wiederholt geäußert hat, daß ſie lebensüberdrüſſig ſei und einen Selbſtmord aus- führen werde, iſt es nicht ausgeſchloſſen, daß ſie ihren Tod durch Verbrennung geſucht hat. Die Unglückliche ſelbſt gibt an, daß ſie in jener Nacht nicht ſchlafeu konnte, aus dem Bette geſtiegen ſei und Licht gemacht habe. Sie ſei der Flamme zu nahe gekommen und ihre leichte Nachtrobe hätte ſich eutzündet. * Selbſtmordverſuch auf den Schienen. Gräßlich verſtümmelt, aber noch lebend, wurde geſtern Abends auf dem Schienenſtrange der Weſtbahn nächſt Preßbaum ein junger Burſche, anſcheinend ein Lehrling, aufgefunden, der ſich von einem die Strecke paſſirendem Zuge hatte überfahren laſſen. Der Burſche wurde im Kaiſerin Eliſabeth-Spitale, wohin man ihn brachte, von ſeinem Vater als der ſiebzehn- jährige Kaufmannslehrling Rudolf Tamms, beim Kauf- mann Behal, Ottakringerſtraße 23, bedienſtet und wohn- haft, agnoscirt. Sein Zuſtand iſt bedenklich. Das Motiv der That iſt unbekannt. * Auswanderer. Heute Abends kam am Nord- bahnhofe eine Truppe Auswanderer, (Männer, Weiber, Greiſe und Säuglinge) an, Sie wurden von dem Agenten des Auswandereramtes übernommen und in der kleinen Stadtgutgaſſe in zwei kleinen Zimmern ab- geſchloſſen. Die Leute ſchlafen auf dem bloßen Fußboden. * Ein jüdifches Leichenbegängniß mit Glocken- geläute. In Dindes-Mellek wurde dieſer Tage der Rabbiner Adler begraben. Zum Leichenbegängniß kamen auch viele Calviner, und als die Leiche in den Leichenwagen ge- hoben wurde, ertönte von der calviniſchen Kirche Glocken- geläute, welches bis zum Anlangen des Leichenwagens auf dem Friedhofe andauerte. Da widmete nun über dem offenen Grabe der calviniſche Geiſtliche dem Rabbiner einen Nachruf. * Orgelpfeifen aus Porzellan. Solche gehören zu den neueſten Producten der berühmten Meiſſner Porzellan- fabrik. Im Gegenſatze zu den bisher verwendeten Holz- oder Zinnpfeifen, in welchen der Ton dem Einfluſſe der Temperatur unterlag, bleibt der Ton in Porzellanpfeifen un- verändert, mag die Luft kalt oder warmtrocken oder feucht ſein. Der Ton der letzteren ſei auch viel ſchöner und voller, als jener der Holz- oder Zinnpfeifen. * Raub. Heute Nachmittags gab die Wichs- erzeugerin Katharina Liczka, Fünfhaus, März- ſtraße Nr. 23 auf dem Polizeicommiſſariate Schmelz an, daß Vormittags ein ungefähr 35jähriger Mann von ihr drei Dutzend Schachteln mit Wichs zu kaufen ver- langt habe. Als ſie ſich nun umgekehrt hatte, um aus dem Nebenzimmer Papier zum Einwickeln zu holen, habe der Unbekannte mit einem ſtumpfen Inſtrumente einen Schlag gegen ihren Kopf geführt, der ſie bewußt- los zu Boden ſtreckte. Als ſie aus der Ohnmacht er- wachte, ſei der Fremde fort geweſen und Frau Liczka habe nun conſtatirt, daß der Strolch eine Brieftaſche mit 60 fl. und drei Stück 3 % ige Bodencreditloſe im Curswerthe von 350 fl., ferner Leinwand und Bett- wäſchſtücke geraubt, das Andere aber zurückgelaſſen habe. * Der Kirchendienersſohn als Opferſtockdieb. Seit mehreren Wochen wurden aus den Opferſtöcken in der Kirche unter den Kaiſermühlen die eingeworfenen Spenden geſtohlen. Das Polizei-Commiſſariat Prater, welchem am 7. d. M. die Anzeige erſtattet worden iſt, leitete ſofort Er- hebungen ein, die ergaben, daß der 23jährige Taglöhner Carl Renner, der Sohn des Kirchendiners dieſe Dieb- ſtähle verübt hat. Er wurde verhaftet. Telegramme. Die Landtage. Czernowitz, 10. Februar. Der Landtag beſchloß, der Landesausſchuß ſolle einen Geſetzentwurf wegen Einführung des Unterichtes einer zweiten Landes- ſprache als obligaten Lehrgegenſtand an der Realſchule für die nächſte Seſſion vorbereiten und die Regierung an- gehen, in gleicher Richtung die Lehrpläne an den Gym- naſien und am Pädagogium abzuändern. Der Landtag be- ſchloß ferner, die Regierung wegen Errichtung einer niederen Thonwaarenſchule im Bezirke Wiznitz mit ruthe- niſcher Unterrichtsſprache auf Staatskoſten anzugehen und die Regierung aufzufordern, an den vier unteren Claſſen des Obergymnaſiums in Czernowitz rumäniſche Parallelclaſſen ehethunlichſt zu errichten. Nach den üblichen Dankesreden wurde der Landtag vom Landes- hauptmann Lupul mit Hochrufen auf den Kaiſer um 3 Uhr Nachmittags geſchloſſen. Prag, 10. Februar. In der heutigen Abendſitzung des Landtages begann die Budgetdebatte, als erſter Redner ſprach Abg. Dr. Forſcht. Prag, 10. Februar. In der Abendſitzung ſprach der Abg. Dr. Baxa über die Dynaſtie. Von allen Seiten des Hauſes tönen ihm Rufe der Entrüſtung und Em- pörung entgegen. Minutenlang erſtickten „Oho!-Rufe die Worte des Redners. Der Oberſtlandmarſchall, der ſchon zuvor den Redner ermahnt hatte, die Dynaſtie nicht in die Debatte zu ziehen, ruft denſelben unter begeiſtertem Beifalle des Hauſes zur Ordnung. Brünn, 10. Februar. Es wird beſchloſſen, dem Juſtiz- miniſterium die Errichtung eines neuen Bezirksge- richtsſprengels in Zlin zu empfehlen und die Re- gierung um Abgabe billigen Viehſalzes an Viehzüchter zu erſuchen. Die Erweiterung der Brünner Landesirrenanſtalt mit einem Koſtenbetrage von 135.000 fl. wird genehmigt. Für das Jahr 1896 wird die Einhebung einer Umlage von 44 kr. auf die directen Steuern zur Bedeckung des Ab- ganges per 5,375.816 beſchloſſen. Abg. Bubela erklärt die Gründe, weshalb die Czechen wieder im Landtage er- ſchienen ſind. Der greiſe Landeshauptmann-Stellvertreter Dr. v. Srom nahm unter allgemeiner Rührung von dem Landtage Abſchied, dem er 35 Jahre angehört. Dann wurde unter den üblichen Formalitäten die Seſſion geſchloſſen. Schatzlar in Flammen. Prag, 10. Februar. Die Poſt- und Telegraphen- Direction in Prag hat ſoeben aus Schatzlar eine Depeſche erhalten, der zu Folge der Ringplatz der Stadt Schatzlar in Flammen ſteht und das Poſtamtsgebäude brennt. Aus Trautenau wurde ein Löſchtrain auf den Brandplatz dirigirt. Die Arbeitsloſen in Prag. Prag, 10. Februar. Heute Nachmittags hat in der Stadt Königl. Weinberge bei Prag im Circus eine Verſammlung der Arbeits- loſen ſtattgefunden, die von 2000 Perſonen beſucht war. Die Verſammlung berieth mehrere Stunden über die Mittel, Arbeit zu erlangen. Gegen ½6 Uhr zogen die Arbeitsloſen in die Stadt Prag ein, wurden aber auf dem Wenzelsplatze von der Polizei zer- ſtreut, wobei wegen Widerſetzlichkeit gegen die Wache 3 Perſonen verhaftet wurden. Die Socialdemokraten und die Milleniums- Feier. Budapeſt, 10. Februar. Die ſocialdemokratiſche Arbeiterpartei hatte für geſtern mehrere Ver- ſammlungen einberufen, auf deren Tagesordnung die von den Arbeitern anläßlich der Milleniums- feier zu beobachtende Haltung ſtand. Die Verſamm- lungen verliefen mit Ausnahme derjenigen der Tiſchler- arbeiter ruhig. Die letztere verlief ſo tumultuös, daß ſie wegen maßloſer Angriffe eines Redners behördlich aufgelöſt wurde. Es kam hiebei zu argen Ausſchreitun- gen, denen erſt eine größere Abtheilung von Polizei- mannſchaft ein Ende bereiten konnte. Elf Perſonen wurden verhaftet. Affaire Pulßky. Budapeſt, 10. Februar. Miniſter-Präſident Banffy ſucht des Langen und Breiten nachzuweiſen, daß die Landescommiſſion nicht der Controle des Reichstages unterſtellt war. Der geweſene Miniſter- präſident Dr. Wekerle habe ſeinerzeit dieſer Com- miſſion einen Bericht unterbreitet, daß die ungünſtigen Finanzverhältniſſe Italiens ſehr günſtige Kaufverhält- niſſe geſchaffen hätten und deshalb ſei es am Platze, auch einige Bilderkäufe vorzunehmen. Die Ausgaben ſeien unter voller Verant- wortung der Regierung vorgenommen worden, „doch anerkenne ich (wie gütig!), daß es jetzt (alſo doch!) an der Zeit iſt, das Haus bezüglich der Koſten der Millenniums-Feſtlich- keiten zu orientiren, nachdem auch die Re- gierung diesbezüglich orientirt iſt.“ (Rufe links: Jetzt erſt iſt man orientirt.) „Jawohl, jetzt erſt.“ In der Pulszky-Affare halte er die Entſendung einer parlamentariſchen Unterſuchungs- commiſſion für überflüſſig, (das iſt ſelbſt für einen Banffy ſtark!), darum bitte er, den Beſchlußantrag des Abg. Grafen Apponyi abzulehnen. (Beifall rechts bei den Mameluken!) Cultus- und Unterrichts- miniſter Wlaſſics erklärt, er könne conſtatiren, daß nur bezüglich 7000 Gulden die Belege fehlen. Sonſt ſei Alles in Ordnung befunden worden. (O Du — Million! Iſt das eine Einfalt!) Nachdem einzelne Regelwidrigkeiten conſtatirt worden, habe die Regierung die Strafanzeige erſtattet. Rufe: (Gegen wen denn?) Die Geiſtesſtörung (Lachen) hinderte die Unterſuchung nicht. Er ſchildert die vorgenommen Käufe für das Muſeum und erklärt, man habe doch, da kein concretes

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Benjamin Fiechter, Susanne Haaf: Bereitstellung der digitalen Textausgabe (Konvertierung in das DTA-Basisformat). (2018-01-26T13:38:42Z)
grepect GmbH: Bereitstellung der Texttranskription und Textauszeichnung. (2018-01-26T13:38:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Amelie Meister: Vorbereitung der Texttranskription und Textauszeichnung. (2018-01-26T13:38:42Z)

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Zitationshilfe: Reichspost. Nr. 41, Wien, 11.02.1896, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_reichspost041_1896/5>, abgerufen am 24.04.2024.