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Reichspost. Nr. 6, Wien, 08.01.1895.

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Wien, Dienstag Reichspost. 8 Jänner 1895 6

[Spaltenumbruch]
* Erzherzog Albrecht

ist bekanntlich seit einigen
Tagen unwohl. Aus Arco wird Folgendes gemeldet: Der
Erzherzog hatte sich gelegentlich der Ueberführung der Leiche
des Königs von Neapel heftig erkältet und war in Folge
dessen am 31. v. M. an Angina und Bronchialkatarrh
erkrankt. Die ansänglichen Fiebererscheinungen schwanden
am zweiten Tage; gestern konnte der Erzherzog bereits den
g[r]ößten Theil des Tages außer Bett zubringen. Angina
sowie Bronchialkatarth zeigen gegenwärtig eine erfreuliche
Abnahme.

* Christlich-socialer Wählerverein für den
10 Bezirk Favoriten.

Vollversammlung
Dienstag, den 8. Jänner, Abends halb 8 Uhr, in Kraut-
stoffl's "Favoriten Saal", 10 B[e]z., Himberge[r]straße 55. --
Tagesordnung: 1 Herr GR. Josef Strobach: Be-
lastung des Realbesitzes; 2. Herr Dr. Albert Geßmann:
Die volkswirthschaftlichen Forderungen der arbeitenden
Stände und das Parlament; 3. Alois Prinz Liechten-
stein:
Die allgemeine politische Lage; 4. Eventuelle An-
träge und Int[e]rpellationen.

* Versammlung von Weinbauinteressenten in
Krems.

In der städtischen Turnhalle in Krems fand
Sonntag Nachmittags die vom landwirthschaftlichen Bezirks-
vereine in Krems einberufene Versammlung von Weinbau-
interessenten statt. In derselben wurde gegen die geplante
Herabsetzung der Zölle auf französische Weine in entschiedener
Weise Stellung genommen.

* Wahlrechts-Demonstrationen in Budapest.

Sonntag wurden sowohl in Budapest als in mehreren
Provinzstädten Volksversammlungen zu Gunsten des all-
gemeinen Wahlrechtes und der Ve[r]eins- und Versamm-
lungsfreiheit abgehalten. Von den in Budapest abgehaltenen
zehn Versammlungen nahm bloß eine in der National-
Turnhalle abgehaltene, welche vom anwesenden Vertreter
der Polizei aufgelöst wurde, einen stürmischen Verlauf. Die
Theilnehmer, mehrere Tausend an der Zahl, protestirten
gegen die Auflösung, beschlossen, an das Ministerium
zu recurriren, und entfernten sich unter Absingung eines
Arbeiterliedes. Auf der Straße kam es zu großen Tumulten,
bei welchen einundfünfzig Personen verhaftet wurden.
Größere Ausschreitungen wurden durch ein riesiges Aufgebot
von Polizei verhindert.

* Selbstmord und Mordversuch.

Freitag Abends
war ein junges Paar in Budapest eingetroffen, hatte sich
in einem Hotel einlogirt und nahm auch daselbst das
Abendessen. Samstag Vormittags vernahm das Hotel-
personale zwei Schüsse, und als der Portier in das von
dem jungen Paare bewohnte Zimmer eintrat, fand er den
jungen Mann leblos am Boden liegen, während das
Mädchen, das öffnen wollte, am Boden zusammengesunken
war. Wie es sich herausstellte heißt der Mann Popper
und ist der Sohn eines Paprikahändlers, seine Geliebte ist
die Kaffeehaus-Cassierin Julie Spalag. Popper war sofort
todt, während Julie Spalag nicht lebensgesährlich ver-
wundet ist.

* Unter dem Schnellzuge.

Wie aus Turin ge-
meldet wird, stürzte sich Samstag bei der Station Sarana
ein anscheinend den besseren Ständen angehörendes junges
Paar unter die Räder des Schnellzuges und war sofort
todt. Man glaubt, es seien zwei Fremde, die in Monte
Carlo ihr Vermögen verspielt haben..

* Russische Polizeiwillkür.

Aus Warschau wird
der "Köln. Volksztg." berichtet: Der österreichische Staats-
angehörige Stanislaus Stobiecki, ein Zahnt chniker, wurde
vor zwei Wochen beim Ueberschreiten der Grenze von den
russischen Behörden verhaftet und in das G[e]fägniß zu
Miechowo gebracht. Die in Galizien lebende Mutter des
Stobiecki sandte darauf ihre beiden andern Söhne über die
Grenze, um in Ersahrung zu bringen, weshalb Stanislaus
Stobiecki verhaftet worden sei. Auch diese beiden Brüder
wurden als verdächtig ins Gefängniß gebracht. Aus welchen
Gründen die Brüder Stobiecki festgehalten werden, hat bis
jetzt nicht ermittelt werden können.

* Die Degradation Dreyfus.

Capitän Dreyfus ist
nicht mehr. Seit vorgestern wird diese ehemalige Zierde des
französischen Officiercorps nur mehr im Stande der zur
Deportation bestimmten Verbrecher geführt. Unter Ent-
faltung großen militärischen Ceremoniells hat man den
ehrvergessenen Schänder des Officierskleides, den Verräther
an dem Lande, das ihm und seinen Stammesgenossen als
zweites Vaterland theuer sein sollte, vorgestern seiner Würde
entkleidet. Die Scenen, welche die Degradation begleiteten
und ihr folgten, zeigen, daß das französische Volk von der
Berechtigung des Antisemitismus bereits überzeugt ist Im
Nachtrage zu unserer telegraphischen Meldung in der letzten
Nummer wird noch berichtet: Die Truppen waren unter
dem Commando des General Daras in der Stärke von
3000 Mann ausgerückt. Nach der vorgenommenen De-
gradation mußte Dreyfus die Front der Truppen ab-
schreiten und wurde sodann von zwei Gendarmen in
Empfang genommen, welche ihm Handschellen anlegten
und ihn in einen Zellenwagen einsteigen ließen. Als der
Verurtheilte durch die Menschenmenge fuhr, welche selbst
die Dächer der Häuser bes[e]tzt hielt, ertönten Rufe: "Tod
Dreyfus", Tod dem Verräther"! Dreysus wäre gelyncht
worden, wenn das Volk seiner habhaft geworden wäre.
Bedeutsam ist ein Pariser Telegramm, wonach der Minister-
rath beschlossen hätte, beim Wiederzusammentritt der
Kammern einen Gesetzentwurf einzubringen, nach welchem
die Heilsinseln (Guyana), gleichwie die Halbinsel Ducos
(Caledonien) als Deportationsorte gelten sollen. Es sei
wahrscheinlich, daß Dreysus nach den Heilsinseln gebracht
werden wird. Nach derselben Quelle soll der Antrag,
Cayenne wieder zum Deportationsort zu machen, eine
Folge der Journalar[t]ikel sein, welche einerseits für Dreyfus
die Todesstrafe verlangten, andererseits darauf hinwiesen,
daß es leicht sei, aus Caledonien zu entfliehen. Die Ver-
bannung nach Cayenne wäre die langsame Todesstrafe für
Dreyfus, da das Klima von Französisch-Guyana für die
Constitution der Europäer das verderblichste ist. Es herischt
dort eine geradezu tropische Temperatur. In der soge-
nannten trockenen Zeit steigt das Thermometer bis zu
54 Grad Celsius, und die Hitze ist fast unerträglich. Es
ist bezeichnend, daß des Verräthers Dreyfus wegen, sogar
Gesetze abgeändert werden sollen, wehl nicht aus dem
Grunde, um die Strafe zu verschärfen, als vielmehr um
sie zu erleichtern. Als eine Erleichterung der Strafe wäre
es auch aufzufassen, wenn man das Gnadengesuch der
Gattin Dreyfus bewilligen würde, die den Präsidenten
[Spaltenumbruch] bittet, ihren Gemal nach den Verbannungsort begleiten zu
dürsen. Gewöhnlich wird Deportirten, welche keine Drei-
fus
sind, die gesetzlich zulässige Begünstigung, ihre Ange-
hö[r]igen und Verwandten nachkommen zu lassen, erst nach
Ablauf von 5 Jahren bewilligt. Bei Dreyfus wird man
leider eine Ausnahme machen, denn "hervorragende Pe[r]sön-
lichkeiten" (??) befürworten das Gesuch.

* Eine Mutter, die ihr Kind mit Messerstichen
bedroht.

Samstag Mittags wurde bei der Tramway-
remise in Simmering ein Knabe angehalten, der, dürftig
bekleidet vor Kälte zitterte. Der Knabe wurde auf das
Polizeicommissariat gebracht, wo er angab, daß er 13 Jahre
alt sei, Albert Mozena heiße und am Morgen seiner
Mutter, der in der Geiselbergstraße wohnenden Bedienerin
Anna Jerike, entlaufen sei, weil sie ihn furchtbar miß-
bandle. Der Polizeibezirksarzt nahm die Untersuchung des
Knaben vor und fand am ganzen Körper Spuren von
Mißhandlungen, darunter am Rücken neben der Wirbel-
säule einen leichten Messerstich. Am rechten Arme hatte er
Abschü[r]fungen. Das Hemd war mit Blut besudelt. Mozena
behauptet, den Messerstich und die übrigen Verletzungen
von seiner Mutter erhalten zu haben. Er wurde in das
Rudolfsspital gebracht. Gegen die Mutter wurde die Straf-
anzeige erstattet.

* Schneesälle und Verwehungen.

Wie aus
Triest gemeldet wird, wüthete Samstag bis Mittag eine
heftige Bora. An einzelnen Stellen der Stadt mußten
Stricke gespannt werden. Das Meer ist bewegt, die Schiff-
fahrt hat jedoch keine Unterbrechung erfahren. Aus Pola
wird gemeldet, daß dort ebenfalls ein heftiger Schneefall
stattgefunden hat. -- In Budapest trat in den Morgen-
stunden ein intensi[v]er Schneefall ein, welcher die Commu-
nication sehr beschränkte. -- Wie die Direction der unga-
rischen Staatsbahnen mittheilt, mußte der Eisenbahnverkehr
auf den Strecken Versecz-Kubin, Totmegyer, Nagy-Belicz
und Negy-Surany Aranyos-Maroth in Folge der Schnee-
hindernisse eingestellt werden, ebenso auf den Linien Hideg-
kut Gyönk-Tamasi, Budapest Lajos-Mizse und Oravicza-
Anin. Auf der Linie Nyiregyhaza-Mateszalka und der
Strecke Tot-Megyer-Neutra der Neutrathal Bahn wurde
der Verkehr wieder aufgenommen.

* Ueber einen Handschriftendiebstahl im
Vatican,

der am 27. December von den italienischen Be-
hörden entdeckt worden ist, berichtet ein Abtheilungschef des
Unterrichtsministeriums zu Rom Folgendes: Am 21 De-
cember erschien auf dem Ministerium ein Mann, der sich
Professor Sardi nannte und einige mit ausgezeichneten
Miniaturen gezierte Pergamentblätter, aus einem griechi-
schen Codex stammend, zum Verkauf anbot. Da der Mann
noch 18 andere Blätter zu besitzen angab, die er aber erst
gegen einen Vorschuß von 200 Lire von einem Antiquar
Cherici, der sie als Pfand hielt, freimachen könne, und da
die italienischen Beamten an dem rechtmäßigen Besitz der
werthvollen Blätter zweifelten, gingen sie scheinbar auf den
Handel ein, gaben den gewünschten Vorschuß und erhielten
so im Ganzen 21 Pergamentblätter. Von diesen wurde
rasch festgestellt, daß sie aus dem vaticanischen Codex
"Homilien des Mönches Jacob" ausgeschnitten waren, der
nur noch in einem zweiten Exemplar in der National-
bibliothek zu Paris erhalten ist. Man schritt hierauf zur
Verhaftung des Cher[i]ci und des Sardi (dessen wahr[e]r
Name Giovanni Rapisardi ist) und kam dahinter, daß durch
Letztern schon mehrere Blätter des genannten Codex und
eines zweiten vaticanischen Codex "Triumphe des Franz
Petrarca" an verschiedene Personen verkauft worden
waren. Es gelang jedoch, das gestohlene werthvolle Gut
wieder zusammenzubringen.

* Jüdischer Unternehmungsgeist in der Vri
gittenau.

In der Wallensteinstraße 16 ist ein jüdischer
Kaufmann Namens Feld, in dessen Familie sich vor Kurzem
ein Todesfall ereignete. Kurz darauf wurden am Geschäfts-
locale große Affichen aufgeklebt: "Wegen Todesfall, Aus-
verkauf, 60 Perc. unter dem Einkaufspreise." Sein Nachbar
und Cohncument, auf Nummer 18 Namens Schenk, eben-
folls unartenlos, war ihm um diesen Todesfall wahr
scheinlich "neidig", hatte er doch nicht die gleiche Ge-
legenheit einen "Ausverkauf" zu veranstalten Um aber
doch auch seinen "Geist" zeigen zu können, ließ er sich große
Plakate drucken: "Kein Todesfall, kein Ausverkauf -- und
doch billiger wie überall". Das ist wohl die höchste Blüthe
des freien Spieles der wirthschaftlichen Kräfte dieser Con-
currenz bis auf den -- Todesfall. Hat der wackere Schenck
die Befähigung zur Ausübung seiner Praxis bei Wrabetz
erworben?

* Der Hund als Verräther.

Im October 1894
knüpste in München ein angeblich im staatlichen Finanz-
dienst stehender "Officiant" mit einem Mädchen ein Ver-
hältniß an und wußte sie durch Heirathsversprechen zur
Hergabe eines bedeutenden Darlehens zu veranlassen. Als
er längere Zeit sich nicht mehr sehen ließ, erfuhr das
Mädchen durch Nachforschungen, daß Name, Stand und
Adresse ihres Bräutigams falsch waren. Am Mittwoch
Nachmittag begegnete das Mädchen dem Pseudo-Officianten
auf dem Marienplatz, hielt dessen großen Bernhardinerhund
an und ging mit dem Hund auf einen Gendarmen zu. In
diesem Moment ergriff der Herr des Hundes schleunigst die
Flucht und verschwand. Das Mädchen übergab nun den
Hund, der ohne Zeichen war, einem Sicherheitsbeamten.
Dieser überließ sich der Führung des Thieres und kam auf
diese Weise in ein elegantes Haus, woselbst der Besitzer des
Hundes in Person eines verheiratheten, im Besitze zahl-
reicher Kinder befindlichen Kaufmannes ermittelt.




Telegramme.

Heute Nachts wurde in
der hiesigen Bezirkskrankencasse eingebrochen und eine
Handcasse mit circa 280 fl.. sowie ein auf 1650 fl.
lautendes Sparcassabuch entwendet.

Die vom (jungczechischen)
"Politischen Club" für gestern hierher einberufene Wähler-
versammlung,
bei welcher Abg. Raschin seinen
Rechenschaftsbericht erstattete, wurde wegen Redeausschrei-
tungen des genannten Abgeordneten behördlich aufgelöst.

Der Kaiser empfing
um 11 Uhr Vormittags Koloman v. Tisza und um
12 Uhr den Grafen Julius Szapary in Privat-
audienz. -- Um halb 1 Uhr Nachmittags begibt sich
[Spaltenumbruch] der Kaiser nach dem Bahnhofe, um Erzherzog Franz
Salvator und die Erzherzogin Marie Valerie zu er-
warten.

Laut Mittheilung der Di-
rection der kön. ung Staatsbahnen wurden auf den Linien
Budapest -- Lajos --Mizse, Hidegkut--Gyönk--Tamaci und
Neutra--Nagy Belicz die Schneehindernisse beseitigt und
der Verkehr wieder aufgenommen.

Der Kaiser empfing die
Gemeindevertreter der Insel Helgoland, welche
die Bitte um Gewährung von Mitteln zur Wieder-
herstellung der durch die letzten Sturmfluthen be-
schädigten Düne unterbreiteten. Der Kaiser sagte zu,
daß das Nöthige zum Schutze der Insel und der Düne
geschehen werde.

Das gestern über das Be-
finden des Erzherzogs Albrecht ausgegebene
Bulletin lautet: Die Nacht gut verbracht. Angina und
Bronchialcatarrh in erfreulicher Abnahme begriffen.
Seine k. Hoheit ist fieberfrei.

Die Regierung beschloß,
vom 7. Jänner angefangen den Zoll auf unge-
mahlenes Getreide
auf 315, jenen auf ge-
mahlenes auf 650 Oere per 100 Kilogramm zu er-
höhen.

Ernest Carnot wurde in Beaune
zum Deputirten gewählt. Es war kein Gegencandidat aufge-
stellt worden.

Im 13. Arrondissement wurde
bei der Wahl in die Legislative, Girault Richard mit
2742 Stimmen gewählt, Der Republikaner Albert Felix
erhielt 988 Stimmen.

In den hiesigen Kreisen wird all-
gemein hervorgehoben, daß die gestrige Demonstration beim
Empfange Zankow's eine durchaus künftliche und
theatralische war, wie sie dem Charakter Zankow's entsprach.
Desgleichen wurde die Freilassung Karawelow's mit
Gleichailtigkeit aufgenommen.

Der Ministerrath setzte das
Budget der verschiedenen Ministerien endgiltig fest. Nach
demselben werden, ungeachtet einiger beim Kriegsbudget
vorgenommenen Erhöhungen, Ersparungen in der Höhe
von drei Millionen
erzielt.

Heute Vormittags brach im
Geschäftsviertel eine große Feuersbrunst aus, durch
welche eine ganze Abtheilung der Hauptstraße, darunter die
Bureaux der Zeitung "Globe", zerstört wurden. Zwei
Feuerwehrleute wurden verschüttet. Der Schaden wird auf
eine Million Dollars geschätzt.

Die "Times" melden aus
Peking vom 6. Jänner: Der Kaiser empfing gestern
die nach Japan gehenden chinesischen Unterhändler in
Abschiedsaudienz. Japan lehnt den Waffen-
stillstand
ab. Der amerikanische Gesandte glaubt,
daß die jetzigen Unterhandlungen ohne Ergebniß ver-
laufen und die Japaner erst dann Frieden schließen
werden, wenn sie Peking besetzt haben.

Dem Vernehmen nach
protestirte Frankreich gegen die im vorigen Sommer
stattgehabte Anwesenheit von ärztlichen amerikanischen
Inspectoren in mehreren Häfen Europas, die ohne
vorheriges Uebereinkommen damit beauftragt waren,
die für die Vereinigten Staaten bestimmten Schiffe
zu untersuchen. Die deutsche Regierung, die Anfangs
nicht so weit ging, protestirt gegenwärtig entschieden
und droht, den amerikanischen Inspectoren die Aus-
führung ihrer Mission zu untersagen, wenn der Con-
greß das System der ärztlichen Untersuchungen in
deutschen Häfen noch weiter ausdehnen wollte.

Man glaubt, Präsident
Cleveland werde eine Botschaft an den Congreß senden,
um die Schritte der Anhänger des Congresses für die Ge-
nehmigung des Zucker-Gesetzentwurfes zu unterstützen. In
gewissen Kreisen herrscht die Ansicht vor, daß man beab-
sichtige, eine europäische Combination herbeizuführen, um
die freie Zuckereinfuhr für die Vereinigten Staaten dagegen
zu erhalten, daß die amerikanischen Producte frei in Europa
zugelassen werden.




Wiener Borse.
Originalbericht der "Reichsvost".


Wenn der Wohlstand mit den Cursen gleichen Schritt
halten sollte, dann wäre der erstere sehr groß. Leider sind
die Curse seit langem kein Werthmesser des Wohlstandes.
Die heutigen Börsen huldigen dem Börsespiel; die Curse
werden muthwillig und eigenmächtig in die Höhe getrieben
und wenn nicht bald die Staatsgewalt diesem gemeinge-
fährlichen Börsentreiben ein Ende machen wird, so erleben
wir in nicht ferner Zukunft einen Krach, der sowohl den
Börsen als auch manchen Staatsfunctionären und Würden-
trägern einen tödlichen Stoß bringen wird. Das was sich
jetzt auf den Börsen vollzieht, ist geradezu demoralisirend.
Alles ist werthlos bis auf -- Papierwerth. Papierner
Credit ist mächtiger als Alles. Leider, nichts ist aber auch
schwächer wie -- Papier und Credit auf denselben. Vor-
läufig machen wir eine Hausseepoche durch. Die gestrigen
winkelbörslichen Curse blieben behauptet und erhöht.

Um 2 Uhr 30 Min. notirten: Credit 410 50 Ung
Creditactien 498.75, Anglo 183.60, Union 315 75, Bank-
verein 157.50, Länderbank 2[8]0 80, Boden 548 50, Tabak
233 50, Mairente 100.62, Silberrente 100.65, Oeft. Krenenr.
100.20, Ung. Kronenr. 99.05, Oest. Goldrente 125 10, Ung
Goldrente 123 90, Staatsbahn 397.12, Lombarden 106 --,
Galizier --.--, Elbethal 274.--, Nordwestb. 246.50,
Czernow. 295.--, Kaschauer 197.--, Buschtiehrader A.,
1400.--, Buschtehrader B 545.--, Böhmisch. Nordb. 910.--,
Böhmische Westb. 411.50, Köflacher 276.--, Nordbahn
3485.--, Localb. 212.--, Werndl 343.--, Tramway 448.--,
Neue Tramway --.--, Dampfschiff 534.--, Lloyd 528.--,
Communal 173.50, Ungarl. 157 50, Theißl. 143.25, Türken
73 25, Waggonl. --.--, Alpine 97.60, Prager Eisen 679.--,
Drasche 342.--, Rima 276.--, Trifailer 178.50, Brüxer
419.--. Westb. Kohle 134.--, Rubel 133.50, Marknoten 60.78

Wien, Dienſtag Reichspoſt. 8 Jänner 1895 6

[Spaltenumbruch]
* Erzherzog Albrecht

iſt bekanntlich ſeit einigen
Tagen unwohl. Aus Arco wird Folgendes gemeldet: Der
Erzherzog hatte ſich gelegentlich der Ueberführung der Leiche
des Königs von Neapel heftig erkältet und war in Folge
deſſen am 31. v. M. an Angina und Bronchialkatarrh
erkrankt. Die anſänglichen Fiebererſcheinungen ſchwanden
am zweiten Tage; geſtern konnte der Erzherzog bereits den
g[r]ößten Theil des Tages außer Bett zubringen. Angina
ſowie Bronchialkatarth zeigen gegenwärtig eine erfreuliche
Abnahme.

* Chriſtlich-ſocialer Wählerverein für den
10 Bezirk Favoriten.

Vollverſammlung
Dienſtag, den 8. Jänner, Abends halb 8 Uhr, in Kraut-
ſtoffl’s „Favoriten Saal“, 10 B[e]z., Himberge[r]ſtraße 55. —
Tagesordnung: 1 Herr GR. Joſef Strobach: Be-
laſtung des Realbeſitzes; 2. Herr Dr. Albert Geßmann:
Die volkswirthſchaftlichen Forderungen der arbeitenden
Stände und das Parlament; 3. Alois Prinz Liechten-
ſtein:
Die allgemeine politiſche Lage; 4. Eventuelle An-
träge und Int[e]rpellationen.

* Verſammlung von Weinbauintereſſenten in
Krems.

In der ſtädtiſchen Turnhalle in Krems fand
Sonntag Nachmittags die vom landwirthſchaftlichen Bezirks-
vereine in Krems einberufene Verſammlung von Weinbau-
intereſſenten ſtatt. In derſelben wurde gegen die geplante
Herabſetzung der Zölle auf franzöſiſche Weine in entſchiedener
Weiſe Stellung genommen.

* Wahlrechts-Demonſtrationen in Budapeſt.

Sonntag wurden ſowohl in Budapeſt als in mehreren
Provinzſtädten Volksverſammlungen zu Gunſten des all-
gemeinen Wahlrechtes und der Ve[r]eins- und Verſamm-
lungsfreiheit abgehalten. Von den in Budapeſt abgehaltenen
zehn Verſammlungen nahm bloß eine in der National-
Turnhalle abgehaltene, welche vom anweſenden Vertreter
der Polizei aufgelöſt wurde, einen ſtürmiſchen Verlauf. Die
Theilnehmer, mehrere Tauſend an der Zahl, proteſtirten
gegen die Auflöſung, beſchloſſen, an das Miniſterium
zu recurriren, und entfernten ſich unter Abſingung eines
Arbeiterliedes. Auf der Straße kam es zu großen Tumulten,
bei welchen einundfünfzig Perſonen verhaftet wurden.
Größere Ausſchreitungen wurden durch ein rieſiges Aufgebot
von Polizei verhindert.

* Selbſtmord und Mordverſuch.

Freitag Abends
war ein junges Paar in Budapeſt eingetroffen, hatte ſich
in einem Hotel einlogirt und nahm auch daſelbſt das
Abendeſſen. Samſtag Vormittags vernahm das Hotel-
perſonale zwei Schüſſe, und als der Portier in das von
dem jungen Paare bewohnte Zimmer eintrat, fand er den
jungen Mann leblos am Boden liegen, während das
Mädchen, das öffnen wollte, am Boden zuſammengeſunken
war. Wie es ſich herausſtellte heißt der Mann Popper
und iſt der Sohn eines Paprikahändlers, ſeine Geliebte iſt
die Kaffeehaus-Caſſierin Julie Spalag. Popper war ſofort
todt, während Julie Spalag nicht lebensgeſährlich ver-
wundet iſt.

* Unter dem Schnellzuge.

Wie aus Turin ge-
meldet wird, ſtürzte ſich Samſtag bei der Station Sarana
ein anſcheinend den beſſeren Ständen angehörendes junges
Paar unter die Räder des Schnellzuges und war ſofort
todt. Man glaubt, es ſeien zwei Fremde, die in Monte
Carlo ihr Vermögen verſpielt haben..

* Ruſſiſche Polizeiwillkür.

Aus Warſchau wird
der „Köln. Volksztg.“ berichtet: Der öſterreichiſche Staats-
angehörige Stanislaus Stobiecki, ein Zahnt chniker, wurde
vor zwei Wochen beim Ueberſchreiten der Grenze von den
ruſſiſchen Behörden verhaftet und in das G[e]fägniß zu
Miechowo gebracht. Die in Galizien lebende Mutter des
Stobiecki ſandte darauf ihre beiden andern Söhne über die
Grenze, um in Erſahrung zu bringen, weshalb Stanislaus
Stobiecki verhaftet worden ſei. Auch dieſe beiden Brüder
wurden als verdächtig ins Gefängniß gebracht. Aus welchen
Gründen die Brüder Stobiecki feſtgehalten werden, hat bis
jetzt nicht ermittelt werden können.

* Die Degradation Dreyfus.

Capitän Dreyfus iſt
nicht mehr. Seit vorgeſtern wird dieſe ehemalige Zierde des
franzöſiſchen Officiercorps nur mehr im Stande der zur
Deportation beſtimmten Verbrecher geführt. Unter Ent-
faltung großen militäriſchen Ceremoniells hat man den
ehrvergeſſenen Schänder des Officierskleides, den Verräther
an dem Lande, das ihm und ſeinen Stammesgenoſſen als
zweites Vaterland theuer ſein ſollte, vorgeſtern ſeiner Würde
entkleidet. Die Scenen, welche die Degradation begleiteten
und ihr folgten, zeigen, daß das franzöſiſche Volk von der
Berechtigung des Antiſemitismus bereits überzeugt iſt Im
Nachtrage zu unſerer telegraphiſchen Meldung in der letzten
Nummer wird noch berichtet: Die Truppen waren unter
dem Commando des General Daras in der Stärke von
3000 Mann ausgerückt. Nach der vorgenommenen De-
gradation mußte Dreyfus die Front der Truppen ab-
ſchreiten und wurde ſodann von zwei Gendarmen in
Empfang genommen, welche ihm Handſchellen anlegten
und ihn in einen Zellenwagen einſteigen ließen. Als der
Verurtheilte durch die Menſchenmenge fuhr, welche ſelbſt
die Dächer der Häuſer beſ[e]tzt hielt, ertönten Rufe: „Tod
Dreyfus“, Tod dem Verräther“! Dreyſus wäre gelyncht
worden, wenn das Volk ſeiner habhaft geworden wäre.
Bedeutſam iſt ein Pariſer Telegramm, wonach der Miniſter-
rath beſchloſſen hätte, beim Wiederzuſammentritt der
Kammern einen Geſetzentwurf einzubringen, nach welchem
die Heilsinſeln (Guyana), gleichwie die Halbinſel Ducos
(Caledonien) als Deportationsorte gelten ſollen. Es ſei
wahrſcheinlich, daß Dreyſus nach den Heilsinſeln gebracht
werden wird. Nach derſelben Quelle ſoll der Antrag,
Cayenne wieder zum Deportationsort zu machen, eine
Folge der Journalar[t]ikel ſein, welche einerſeits für Dreyfus
die Todesſtrafe verlangten, andererſeits darauf hinwieſen,
daß es leicht ſei, aus Caledonien zu entfliehen. Die Ver-
bannung nach Cayenne wäre die langſame Todesſtrafe für
Dreyfus, da das Klima von Franzöſiſch-Guyana für die
Conſtitution der Europäer das verderblichſte iſt. Es heriſcht
dort eine geradezu tropiſche Temperatur. In der ſoge-
nannten trockenen Zeit ſteigt das Thermometer bis zu
54 Grad Celſius, und die Hitze iſt faſt unerträglich. Es
iſt bezeichnend, daß des Verräthers Dreyfus wegen, ſogar
Geſetze abgeändert werden ſollen, wehl nicht aus dem
Grunde, um die Strafe zu verſchärfen, als vielmehr um
ſie zu erleichtern. Als eine Erleichterung der Strafe wäre
es auch aufzufaſſen, wenn man das Gnadengeſuch der
Gattin Dreyfus bewilligen würde, die den Präſidenten
[Spaltenumbruch] bittet, ihren Gemal nach den Verbannungsort begleiten zu
dürſen. Gewöhnlich wird Deportirten, welche keine Drei-
fus
ſind, die geſetzlich zuläſſige Begünſtigung, ihre Ange-
hö[r]igen und Verwandten nachkommen zu laſſen, erſt nach
Ablauf von 5 Jahren bewilligt. Bei Dreyfus wird man
leider eine Ausnahme machen, denn „hervorragende Pe[r]ſön-
lichkeiten“ (??) befürworten das Geſuch.

* Eine Mutter, die ihr Kind mit Meſſerſtichen
bedroht.

Samſtag Mittags wurde bei der Tramway-
remiſe in Simmering ein Knabe angehalten, der, dürftig
bekleidet vor Kälte zitterte. Der Knabe wurde auf das
Polizeicommiſſariat gebracht, wo er angab, daß er 13 Jahre
alt ſei, Albert Mozena heiße und am Morgen ſeiner
Mutter, der in der Geiſelbergſtraße wohnenden Bedienerin
Anna Jerike, entlaufen ſei, weil ſie ihn furchtbar miß-
bandle. Der Polizeibezirksarzt nahm die Unterſuchung des
Knaben vor und fand am ganzen Körper Spuren von
Mißhandlungen, darunter am Rücken neben der Wirbel-
ſäule einen leichten Meſſerſtich. Am rechten Arme hatte er
Abſchü[r]fungen. Das Hemd war mit Blut beſudelt. Mozena
behauptet, den Meſſerſtich und die übrigen Verletzungen
von ſeiner Mutter erhalten zu haben. Er wurde in das
Rudolfsſpital gebracht. Gegen die Mutter wurde die Straf-
anzeige erſtattet.

* Schneeſälle und Verwehungen.

Wie aus
Trieſt gemeldet wird, wüthete Samſtag bis Mittag eine
heftige Bora. An einzelnen Stellen der Stadt mußten
Stricke geſpannt werden. Das Meer iſt bewegt, die Schiff-
fahrt hat jedoch keine Unterbrechung erfahren. Aus Pola
wird gemeldet, daß dort ebenfalls ein heftiger Schneefall
ſtattgefunden hat. — In Budapeſt trat in den Morgen-
ſtunden ein intenſi[v]er Schneefall ein, welcher die Commu-
nication ſehr beſchränkte. — Wie die Direction der unga-
riſchen Staatsbahnen mittheilt, mußte der Eiſenbahnverkehr
auf den Strecken Verſecz-Kubin, Totmegyer, Nagy-Belicz
und Negy-Surany Aranyos-Maroth in Folge der Schnee-
hinderniſſe eingeſtellt werden, ebenſo auf den Linien Hideg-
kut Gyönk-Tamaſi, Budapeſt Lajos-Mizſe und Oravicza-
Anin. Auf der Linie Nyiregyhaza-Mateszalka und der
Strecke Tot-Megyer-Neutra der Neutrathal Bahn wurde
der Verkehr wieder aufgenommen.

* Ueber einen Handſchriftendiebſtahl im
Vatican,

der am 27. December von den italieniſchen Be-
hörden entdeckt worden iſt, berichtet ein Abtheilungschef des
Unterrichtsminiſteriums zu Rom Folgendes: Am 21 De-
cember erſchien auf dem Miniſterium ein Mann, der ſich
Profeſſor Sardi nannte und einige mit ausgezeichneten
Miniaturen gezierte Pergamentblätter, aus einem griechi-
ſchen Codex ſtammend, zum Verkauf anbot. Da der Mann
noch 18 andere Blätter zu beſitzen angab, die er aber erſt
gegen einen Vorſchuß von 200 Lire von einem Antiquar
Cherici, der ſie als Pfand hielt, freimachen könne, und da
die italieniſchen Beamten an dem rechtmäßigen Beſitz der
werthvollen Blätter zweifelten, gingen ſie ſcheinbar auf den
Handel ein, gaben den gewünſchten Vorſchuß und erhielten
ſo im Ganzen 21 Pergamentblätter. Von dieſen wurde
raſch feſtgeſtellt, daß ſie aus dem vaticaniſchen Codex
„Homilien des Mönches Jacob“ ausgeſchnitten waren, der
nur noch in einem zweiten Exemplar in der National-
bibliothek zu Paris erhalten iſt. Man ſchritt hierauf zur
Verhaftung des Cher[i]ci und des Sardi (deſſen wahr[e]r
Name Giovanni Rapiſardi iſt) und kam dahinter, daß durch
Letztern ſchon mehrere Blätter des genannten Codex und
eines zweiten vaticaniſchen Codex „Triumphe des Franz
Petrarca“ an verſchiedene Perſonen verkauft worden
waren. Es gelang jedoch, das geſtohlene werthvolle Gut
wieder zuſammenzubringen.

* Jüdiſcher Unternehmungsgeiſt in der Vri
gittenau.

In der Wallenſteinſtraße 16 iſt ein jüdiſcher
Kaufmann Namens Feld, in deſſen Familie ſich vor Kurzem
ein Todesfall ereignete. Kurz darauf wurden am Geſchäfts-
locale große Affichen aufgeklebt: „Wegen Todesfall, Aus-
verkauf, 60 Perc. unter dem Einkaufspreiſe.“ Sein Nachbar
und Cohncument, auf Nummer 18 Namens Schenk, eben-
folls unartenlos, war ihm um dieſen Todesfall wahr
ſcheinlich „neidig“, hatte er doch nicht die gleiche Ge-
legenheit einen „Ausverkauf“ zu veranſtalten Um aber
doch auch ſeinen „Geiſt“ zeigen zu können, ließ er ſich große
Plakate drucken: „Kein Todesfall, kein Ausverkauf — und
doch billiger wie überall“. Das iſt wohl die höchſte Blüthe
des freien Spieles der wirthſchaftlichen Kräfte dieſer Con-
currenz bis auf den — Todesfall. Hat der wackere Schenck
die Befähigung zur Ausübung ſeiner Praxis bei Wrabetz
erworben?

* Der Hund als Verräther.

Im October 1894
knüpſte in München ein angeblich im ſtaatlichen Finanz-
dienſt ſtehender „Officiant“ mit einem Mädchen ein Ver-
hältniß an und wußte ſie durch Heirathsverſprechen zur
Hergabe eines bedeutenden Darlehens zu veranlaſſen. Als
er längere Zeit ſich nicht mehr ſehen ließ, erfuhr das
Mädchen durch Nachforſchungen, daß Name, Stand und
Adreſſe ihres Bräutigams falſch waren. Am Mittwoch
Nachmittag begegnete das Mädchen dem Pſeudo-Officianten
auf dem Marienplatz, hielt deſſen großen Bernhardinerhund
an und ging mit dem Hund auf einen Gendarmen zu. In
dieſem Moment ergriff der Herr des Hundes ſchleunigſt die
Flucht und verſchwand. Das Mädchen übergab nun den
Hund, der ohne Zeichen war, einem Sicherheitsbeamten.
Dieſer überließ ſich der Führung des Thieres und kam auf
dieſe Weiſe in ein elegantes Haus, woſelbſt der Beſitzer des
Hundes in Perſon eines verheiratheten, im Beſitze zahl-
reicher Kinder befindlichen Kaufmannes ermittelt.




Telegramme.

Heute Nachts wurde in
der hieſigen Bezirkskrankencaſſe eingebrochen und eine
Handcaſſe mit circa 280 fl.. ſowie ein auf 1650 fl.
lautendes Sparcaſſabuch entwendet.

Die vom (jungczechiſchen)
„Politiſchen Club“ für geſtern hierher einberufene Wähler-
verſammlung,
bei welcher Abg. Raſchin ſeinen
Rechenſchaftsbericht erſtattete, wurde wegen Redeausſchrei-
tungen des genannten Abgeordneten behördlich aufgelöſt.

Der Kaiſer empfing
um 11 Uhr Vormittags Koloman v. Tisza und um
12 Uhr den Grafen Julius Szapary in Privat-
audienz. — Um halb 1 Uhr Nachmittags begibt ſich
[Spaltenumbruch] der Kaiſer nach dem Bahnhofe, um Erzherzog Franz
Salvator und die Erzherzogin Marie Valerie zu er-
warten.

Laut Mittheilung der Di-
rection der kön. ung Staatsbahnen wurden auf den Linien
Budapeſt — Lajos —Mizſe, Hidegkut—Gyönk—Tamaci und
Neutra—Nagy Belicz die Schneehinderniſſe beſeitigt und
der Verkehr wieder aufgenommen.

Der Kaiſer empfing die
Gemeindevertreter der Inſel Helgoland, welche
die Bitte um Gewährung von Mitteln zur Wieder-
herſtellung der durch die letzten Sturmfluthen be-
ſchädigten Düne unterbreiteten. Der Kaiſer ſagte zu,
daß das Nöthige zum Schutze der Inſel und der Düne
geſchehen werde.

Das geſtern über das Be-
finden des Erzherzogs Albrecht ausgegebene
Bulletin lautet: Die Nacht gut verbracht. Angina und
Bronchialcatarrh in erfreulicher Abnahme begriffen.
Seine k. Hoheit iſt fieberfrei.

Die Regierung beſchloß,
vom 7. Jänner angefangen den Zoll auf unge-
mahlenes Getreide
auf 315, jenen auf ge-
mahlenes auf 650 Oere per 100 Kilogramm zu er-
höhen.

Erneſt Carnot wurde in Beaune
zum Deputirten gewählt. Es war kein Gegencandidat aufge-
ſtellt worden.

Im 13. Arrondiſſement wurde
bei der Wahl in die Legislative, Girault Richard mit
2742 Stimmen gewählt, Der Republikaner Albert Felix
erhielt 988 Stimmen.

In den hieſigen Kreiſen wird all-
gemein hervorgehoben, daß die geſtrige Demonſtration beim
Empfange Zankow’s eine durchaus künftliche und
theatraliſche war, wie ſie dem Charakter Zankow’s entſprach.
Desgleichen wurde die Freilaſſung Karawelow’s mit
Gleichailtigkeit aufgenommen.

Der Miniſterrath ſetzte das
Budget der verſchiedenen Miniſterien endgiltig feſt. Nach
demſelben werden, ungeachtet einiger beim Kriegsbudget
vorgenommenen Erhöhungen, Erſparungen in der Höhe
von drei Millionen
erzielt.

Heute Vormittags brach im
Geſchäftsviertel eine große Feuersbrunſt aus, durch
welche eine ganze Abtheilung der Hauptſtraße, darunter die
Bureaux der Zeitung „Globe“, zerſtört wurden. Zwei
Feuerwehrleute wurden verſchüttet. Der Schaden wird auf
eine Million Dollars geſchätzt.

Die „Times“ melden aus
Peking vom 6. Jänner: Der Kaiſer empfing geſtern
die nach Japan gehenden chineſiſchen Unterhändler in
Abſchiedsaudienz. Japan lehnt den Waffen-
ſtillſtand
ab. Der amerikaniſche Geſandte glaubt,
daß die jetzigen Unterhandlungen ohne Ergebniß ver-
laufen und die Japaner erſt dann Frieden ſchließen
werden, wenn ſie Peking beſetzt haben.

Dem Vernehmen nach
proteſtirte Frankreich gegen die im vorigen Sommer
ſtattgehabte Anweſenheit von ärztlichen amerikaniſchen
Inſpectoren in mehreren Häfen Europas, die ohne
vorheriges Uebereinkommen damit beauftragt waren,
die für die Vereinigten Staaten beſtimmten Schiffe
zu unterſuchen. Die deutſche Regierung, die Anfangs
nicht ſo weit ging, proteſtirt gegenwärtig entſchieden
und droht, den amerikaniſchen Inſpectoren die Aus-
führung ihrer Miſſion zu unterſagen, wenn der Con-
greß das Syſtem der ärztlichen Unterſuchungen in
deutſchen Häfen noch weiter ausdehnen wollte.

Man glaubt, Präſident
Cleveland werde eine Botſchaft an den Congreß ſenden,
um die Schritte der Anhänger des Congreſſes für die Ge-
nehmigung des Zucker-Geſetzentwurfes zu unterſtützen. In
gewiſſen Kreiſen herrſcht die Anſicht vor, daß man beab-
ſichtige, eine europäiſche Combination herbeizuführen, um
die freie Zuckereinfuhr für die Vereinigten Staaten dagegen
zu erhalten, daß die amerikaniſchen Producte frei in Europa
zugelaſſen werden.




Wiener Borſe.
Originalbericht der „Reichsvoſt“.


Wenn der Wohlſtand mit den Curſen gleichen Schritt
halten ſollte, dann wäre der erſtere ſehr groß. Leider ſind
die Curſe ſeit langem kein Werthmeſſer des Wohlſtandes.
Die heutigen Börſen huldigen dem Börſeſpiel; die Curſe
werden muthwillig und eigenmächtig in die Höhe getrieben
und wenn nicht bald die Staatsgewalt dieſem gemeinge-
fährlichen Börſentreiben ein Ende machen wird, ſo erleben
wir in nicht ferner Zukunft einen Krach, der ſowohl den
Börſen als auch manchen Staatsfunctionären und Würden-
trägern einen tödlichen Stoß bringen wird. Das was ſich
jetzt auf den Börſen vollzieht, iſt geradezu demoraliſirend.
Alles iſt werthlos bis auf — Papierwerth. Papierner
Credit iſt mächtiger als Alles. Leider, nichts iſt aber auch
ſchwächer wie — Papier und Credit auf denſelben. Vor-
läufig machen wir eine Hauſſeepoche durch. Die geſtrigen
winkelbörslichen Curſe blieben behauptet und erhöht.

Um 2 Uhr 30 Min. notirten: Credit 410 50 Ung
Creditactien 498.75, Anglo 183.60, Union 315 75, Bank-
verein 157.50, Länderbank 2[8]0 80, Boden 548 50, Tabak
233 50, Mairente 100.62, Silberrente 100.65, Oeft. Krenenr.
100.20, Ung. Kronenr. 99.05, Oeſt. Goldrente 125 10, Ung
Goldrente 123 90, Staatsbahn 397.12, Lombarden 106 —,
Galizier —.—, Elbethal 274.—, Nordweſtb. 246.50,
Czernow. 295.—, Kaſchauer 197.—, Buſchtiehrader A.,
1400.—, Buſchtehrader B 545.—, Böhmiſch. Nordb. 910.—,
Böhmiſche Weſtb. 411.50, Köflacher 276.—, Nordbahn
3485.—, Localb. 212.—, Werndl 343.—, Tramway 448.—,
Neue Tramway —.—, Dampfſchiff 534.—, Lloyd 528.—,
Communal 173.50, Ungarl. 157 50, Theißl. 143.25, Türken
73 25, Waggonl. —.—, Alpine 97.60, Prager Eiſen 679.—,
Draſche 342.—, Rima 276.—, Trifailer 178.50, Brüxer
419.—. Weſtb. Kohle 134.—, Rubel 133.50, Marknoten 60.78

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</TEI>
[6/0006] Wien, Dienſtag Reichspoſt. 8 Jänner 1895 6 * Erzherzog Albrecht iſt bekanntlich ſeit einigen Tagen unwohl. Aus Arco wird Folgendes gemeldet: Der Erzherzog hatte ſich gelegentlich der Ueberführung der Leiche des Königs von Neapel heftig erkältet und war in Folge deſſen am 31. v. M. an Angina und Bronchialkatarrh erkrankt. Die anſänglichen Fiebererſcheinungen ſchwanden am zweiten Tage; geſtern konnte der Erzherzog bereits den größten Theil des Tages außer Bett zubringen. Angina ſowie Bronchialkatarth zeigen gegenwärtig eine erfreuliche Abnahme. * Chriſtlich-ſocialer Wählerverein für den 10 Bezirk Favoriten. Vollverſammlung Dienſtag, den 8. Jänner, Abends halb 8 Uhr, in Kraut- ſtoffl’s „Favoriten Saal“, 10 Bez., Himbergerſtraße 55. — Tagesordnung: 1 Herr GR. Joſef Strobach: Be- laſtung des Realbeſitzes; 2. Herr Dr. Albert Geßmann: Die volkswirthſchaftlichen Forderungen der arbeitenden Stände und das Parlament; 3. Alois Prinz Liechten- ſtein: Die allgemeine politiſche Lage; 4. Eventuelle An- träge und Interpellationen. * Verſammlung von Weinbauintereſſenten in Krems. In der ſtädtiſchen Turnhalle in Krems fand Sonntag Nachmittags die vom landwirthſchaftlichen Bezirks- vereine in Krems einberufene Verſammlung von Weinbau- intereſſenten ſtatt. In derſelben wurde gegen die geplante Herabſetzung der Zölle auf franzöſiſche Weine in entſchiedener Weiſe Stellung genommen. * Wahlrechts-Demonſtrationen in Budapeſt. Sonntag wurden ſowohl in Budapeſt als in mehreren Provinzſtädten Volksverſammlungen zu Gunſten des all- gemeinen Wahlrechtes und der Vereins- und Verſamm- lungsfreiheit abgehalten. Von den in Budapeſt abgehaltenen zehn Verſammlungen nahm bloß eine in der National- Turnhalle abgehaltene, welche vom anweſenden Vertreter der Polizei aufgelöſt wurde, einen ſtürmiſchen Verlauf. Die Theilnehmer, mehrere Tauſend an der Zahl, proteſtirten gegen die Auflöſung, beſchloſſen, an das Miniſterium zu recurriren, und entfernten ſich unter Abſingung eines Arbeiterliedes. Auf der Straße kam es zu großen Tumulten, bei welchen einundfünfzig Perſonen verhaftet wurden. Größere Ausſchreitungen wurden durch ein rieſiges Aufgebot von Polizei verhindert. * Selbſtmord und Mordverſuch. Freitag Abends war ein junges Paar in Budapeſt eingetroffen, hatte ſich in einem Hotel einlogirt und nahm auch daſelbſt das Abendeſſen. Samſtag Vormittags vernahm das Hotel- perſonale zwei Schüſſe, und als der Portier in das von dem jungen Paare bewohnte Zimmer eintrat, fand er den jungen Mann leblos am Boden liegen, während das Mädchen, das öffnen wollte, am Boden zuſammengeſunken war. Wie es ſich herausſtellte heißt der Mann Popper und iſt der Sohn eines Paprikahändlers, ſeine Geliebte iſt die Kaffeehaus-Caſſierin Julie Spalag. Popper war ſofort todt, während Julie Spalag nicht lebensgeſährlich ver- wundet iſt. * Unter dem Schnellzuge. Wie aus Turin ge- meldet wird, ſtürzte ſich Samſtag bei der Station Sarana ein anſcheinend den beſſeren Ständen angehörendes junges Paar unter die Räder des Schnellzuges und war ſofort todt. Man glaubt, es ſeien zwei Fremde, die in Monte Carlo ihr Vermögen verſpielt haben.. * Ruſſiſche Polizeiwillkür. Aus Warſchau wird der „Köln. Volksztg.“ berichtet: Der öſterreichiſche Staats- angehörige Stanislaus Stobiecki, ein Zahnt chniker, wurde vor zwei Wochen beim Ueberſchreiten der Grenze von den ruſſiſchen Behörden verhaftet und in das Gefägniß zu Miechowo gebracht. Die in Galizien lebende Mutter des Stobiecki ſandte darauf ihre beiden andern Söhne über die Grenze, um in Erſahrung zu bringen, weshalb Stanislaus Stobiecki verhaftet worden ſei. Auch dieſe beiden Brüder wurden als verdächtig ins Gefängniß gebracht. Aus welchen Gründen die Brüder Stobiecki feſtgehalten werden, hat bis jetzt nicht ermittelt werden können. * Die Degradation Dreyfus. Capitän Dreyfus iſt nicht mehr. Seit vorgeſtern wird dieſe ehemalige Zierde des franzöſiſchen Officiercorps nur mehr im Stande der zur Deportation beſtimmten Verbrecher geführt. Unter Ent- faltung großen militäriſchen Ceremoniells hat man den ehrvergeſſenen Schänder des Officierskleides, den Verräther an dem Lande, das ihm und ſeinen Stammesgenoſſen als zweites Vaterland theuer ſein ſollte, vorgeſtern ſeiner Würde entkleidet. Die Scenen, welche die Degradation begleiteten und ihr folgten, zeigen, daß das franzöſiſche Volk von der Berechtigung des Antiſemitismus bereits überzeugt iſt Im Nachtrage zu unſerer telegraphiſchen Meldung in der letzten Nummer wird noch berichtet: Die Truppen waren unter dem Commando des General Daras in der Stärke von 3000 Mann ausgerückt. Nach der vorgenommenen De- gradation mußte Dreyfus die Front der Truppen ab- ſchreiten und wurde ſodann von zwei Gendarmen in Empfang genommen, welche ihm Handſchellen anlegten und ihn in einen Zellenwagen einſteigen ließen. Als der Verurtheilte durch die Menſchenmenge fuhr, welche ſelbſt die Dächer der Häuſer beſetzt hielt, ertönten Rufe: „Tod Dreyfus“, Tod dem Verräther“! Dreyſus wäre gelyncht worden, wenn das Volk ſeiner habhaft geworden wäre. Bedeutſam iſt ein Pariſer Telegramm, wonach der Miniſter- rath beſchloſſen hätte, beim Wiederzuſammentritt der Kammern einen Geſetzentwurf einzubringen, nach welchem die Heilsinſeln (Guyana), gleichwie die Halbinſel Ducos (Caledonien) als Deportationsorte gelten ſollen. Es ſei wahrſcheinlich, daß Dreyſus nach den Heilsinſeln gebracht werden wird. Nach derſelben Quelle ſoll der Antrag, Cayenne wieder zum Deportationsort zu machen, eine Folge der Journalartikel ſein, welche einerſeits für Dreyfus die Todesſtrafe verlangten, andererſeits darauf hinwieſen, daß es leicht ſei, aus Caledonien zu entfliehen. Die Ver- bannung nach Cayenne wäre die langſame Todesſtrafe für Dreyfus, da das Klima von Franzöſiſch-Guyana für die Conſtitution der Europäer das verderblichſte iſt. Es heriſcht dort eine geradezu tropiſche Temperatur. In der ſoge- nannten trockenen Zeit ſteigt das Thermometer bis zu 54 Grad Celſius, und die Hitze iſt faſt unerträglich. Es iſt bezeichnend, daß des Verräthers Dreyfus wegen, ſogar Geſetze abgeändert werden ſollen, wehl nicht aus dem Grunde, um die Strafe zu verſchärfen, als vielmehr um ſie zu erleichtern. Als eine Erleichterung der Strafe wäre es auch aufzufaſſen, wenn man das Gnadengeſuch der Gattin Dreyfus bewilligen würde, die den Präſidenten bittet, ihren Gemal nach den Verbannungsort begleiten zu dürſen. Gewöhnlich wird Deportirten, welche keine Drei- fus ſind, die geſetzlich zuläſſige Begünſtigung, ihre Ange- hörigen und Verwandten nachkommen zu laſſen, erſt nach Ablauf von 5 Jahren bewilligt. Bei Dreyfus wird man leider eine Ausnahme machen, denn „hervorragende Perſön- lichkeiten“ (??) befürworten das Geſuch. * Eine Mutter, die ihr Kind mit Meſſerſtichen bedroht. Samſtag Mittags wurde bei der Tramway- remiſe in Simmering ein Knabe angehalten, der, dürftig bekleidet vor Kälte zitterte. Der Knabe wurde auf das Polizeicommiſſariat gebracht, wo er angab, daß er 13 Jahre alt ſei, Albert Mozena heiße und am Morgen ſeiner Mutter, der in der Geiſelbergſtraße wohnenden Bedienerin Anna Jerike, entlaufen ſei, weil ſie ihn furchtbar miß- bandle. Der Polizeibezirksarzt nahm die Unterſuchung des Knaben vor und fand am ganzen Körper Spuren von Mißhandlungen, darunter am Rücken neben der Wirbel- ſäule einen leichten Meſſerſtich. Am rechten Arme hatte er Abſchürfungen. Das Hemd war mit Blut beſudelt. Mozena behauptet, den Meſſerſtich und die übrigen Verletzungen von ſeiner Mutter erhalten zu haben. Er wurde in das Rudolfsſpital gebracht. Gegen die Mutter wurde die Straf- anzeige erſtattet. * Schneeſälle und Verwehungen. Wie aus Trieſt gemeldet wird, wüthete Samſtag bis Mittag eine heftige Bora. An einzelnen Stellen der Stadt mußten Stricke geſpannt werden. Das Meer iſt bewegt, die Schiff- fahrt hat jedoch keine Unterbrechung erfahren. Aus Pola wird gemeldet, daß dort ebenfalls ein heftiger Schneefall ſtattgefunden hat. — In Budapeſt trat in den Morgen- ſtunden ein intenſiver Schneefall ein, welcher die Commu- nication ſehr beſchränkte. — Wie die Direction der unga- riſchen Staatsbahnen mittheilt, mußte der Eiſenbahnverkehr auf den Strecken Verſecz-Kubin, Totmegyer, Nagy-Belicz und Negy-Surany Aranyos-Maroth in Folge der Schnee- hinderniſſe eingeſtellt werden, ebenſo auf den Linien Hideg- kut Gyönk-Tamaſi, Budapeſt Lajos-Mizſe und Oravicza- Anin. Auf der Linie Nyiregyhaza-Mateszalka und der Strecke Tot-Megyer-Neutra der Neutrathal Bahn wurde der Verkehr wieder aufgenommen. * Ueber einen Handſchriftendiebſtahl im Vatican, der am 27. December von den italieniſchen Be- hörden entdeckt worden iſt, berichtet ein Abtheilungschef des Unterrichtsminiſteriums zu Rom Folgendes: Am 21 De- cember erſchien auf dem Miniſterium ein Mann, der ſich Profeſſor Sardi nannte und einige mit ausgezeichneten Miniaturen gezierte Pergamentblätter, aus einem griechi- ſchen Codex ſtammend, zum Verkauf anbot. Da der Mann noch 18 andere Blätter zu beſitzen angab, die er aber erſt gegen einen Vorſchuß von 200 Lire von einem Antiquar Cherici, der ſie als Pfand hielt, freimachen könne, und da die italieniſchen Beamten an dem rechtmäßigen Beſitz der werthvollen Blätter zweifelten, gingen ſie ſcheinbar auf den Handel ein, gaben den gewünſchten Vorſchuß und erhielten ſo im Ganzen 21 Pergamentblätter. Von dieſen wurde raſch feſtgeſtellt, daß ſie aus dem vaticaniſchen Codex „Homilien des Mönches Jacob“ ausgeſchnitten waren, der nur noch in einem zweiten Exemplar in der National- bibliothek zu Paris erhalten iſt. Man ſchritt hierauf zur Verhaftung des Cherici und des Sardi (deſſen wahrer Name Giovanni Rapiſardi iſt) und kam dahinter, daß durch Letztern ſchon mehrere Blätter des genannten Codex und eines zweiten vaticaniſchen Codex „Triumphe des Franz Petrarca“ an verſchiedene Perſonen verkauft worden waren. Es gelang jedoch, das geſtohlene werthvolle Gut wieder zuſammenzubringen. * Jüdiſcher Unternehmungsgeiſt in der Vri gittenau. In der Wallenſteinſtraße 16 iſt ein jüdiſcher Kaufmann Namens Feld, in deſſen Familie ſich vor Kurzem ein Todesfall ereignete. Kurz darauf wurden am Geſchäfts- locale große Affichen aufgeklebt: „Wegen Todesfall, Aus- verkauf, 60 Perc. unter dem Einkaufspreiſe.“ Sein Nachbar und Cohncument, auf Nummer 18 Namens Schenk, eben- folls unartenlos, war ihm um dieſen Todesfall wahr ſcheinlich „neidig“, hatte er doch nicht die gleiche Ge- legenheit einen „Ausverkauf“ zu veranſtalten Um aber doch auch ſeinen „Geiſt“ zeigen zu können, ließ er ſich große Plakate drucken: „Kein Todesfall, kein Ausverkauf — und doch billiger wie überall“. Das iſt wohl die höchſte Blüthe des freien Spieles der wirthſchaftlichen Kräfte dieſer Con- currenz bis auf den — Todesfall. Hat der wackere Schenck die Befähigung zur Ausübung ſeiner Praxis bei Wrabetz erworben? * Der Hund als Verräther. Im October 1894 knüpſte in München ein angeblich im ſtaatlichen Finanz- dienſt ſtehender „Officiant“ mit einem Mädchen ein Ver- hältniß an und wußte ſie durch Heirathsverſprechen zur Hergabe eines bedeutenden Darlehens zu veranlaſſen. Als er längere Zeit ſich nicht mehr ſehen ließ, erfuhr das Mädchen durch Nachforſchungen, daß Name, Stand und Adreſſe ihres Bräutigams falſch waren. Am Mittwoch Nachmittag begegnete das Mädchen dem Pſeudo-Officianten auf dem Marienplatz, hielt deſſen großen Bernhardinerhund an und ging mit dem Hund auf einen Gendarmen zu. In dieſem Moment ergriff der Herr des Hundes ſchleunigſt die Flucht und verſchwand. Das Mädchen übergab nun den Hund, der ohne Zeichen war, einem Sicherheitsbeamten. Dieſer überließ ſich der Führung des Thieres und kam auf dieſe Weiſe in ein elegantes Haus, woſelbſt der Beſitzer des Hundes in Perſon eines verheiratheten, im Beſitze zahl- reicher Kinder befindlichen Kaufmannes ermittelt. Telegramme. Troppau, 7. Jänner. Heute Nachts wurde in der hieſigen Bezirkskrankencaſſe eingebrochen und eine Handcaſſe mit circa 280 fl.. ſowie ein auf 1650 fl. lautendes Sparcaſſabuch entwendet. Podiebrad, 7. Jänner. Die vom (jungczechiſchen) „Politiſchen Club“ für geſtern hierher einberufene Wähler- verſammlung, bei welcher Abg. Raſchin ſeinen Rechenſchaftsbericht erſtattete, wurde wegen Redeausſchrei- tungen des genannten Abgeordneten behördlich aufgelöſt. Budapeſt, 7. Jänner. Der Kaiſer empfing um 11 Uhr Vormittags Koloman v. Tisza und um 12 Uhr den Grafen Julius Szapary in Privat- audienz. — Um halb 1 Uhr Nachmittags begibt ſich der Kaiſer nach dem Bahnhofe, um Erzherzog Franz Salvator und die Erzherzogin Marie Valerie zu er- warten. Budapeſt, 7. Jänner. Laut Mittheilung der Di- rection der kön. ung Staatsbahnen wurden auf den Linien Budapeſt — Lajos —Mizſe, Hidegkut—Gyönk—Tamaci und Neutra—Nagy Belicz die Schneehinderniſſe beſeitigt und der Verkehr wieder aufgenommen. Berlin, 7. Jänner. Der Kaiſer empfing die Gemeindevertreter der Inſel Helgoland, welche die Bitte um Gewährung von Mitteln zur Wieder- herſtellung der durch die letzten Sturmfluthen be- ſchädigten Düne unterbreiteten. Der Kaiſer ſagte zu, daß das Nöthige zum Schutze der Inſel und der Düne geſchehen werde. Arco, 6. Jänner. Das geſtern über das Be- finden des Erzherzogs Albrecht ausgegebene Bulletin lautet: Die Nacht gut verbracht. Angina und Bronchialcatarrh in erfreulicher Abnahme begriffen. Seine k. Hoheit iſt fieberfrei. Stockholm, 6. Jänner. Die Regierung beſchloß, vom 7. Jänner angefangen den Zoll auf unge- mahlenes Getreide auf 315, jenen auf ge- mahlenes auf 650 Oere per 100 Kilogramm zu er- höhen. Paris, 7. Jänner. Erneſt Carnot wurde in Beaune zum Deputirten gewählt. Es war kein Gegencandidat aufge- ſtellt worden. Paris, 6. Jänner. Im 13. Arrondiſſement wurde bei der Wahl in die Legislative, Girault Richard mit 2742 Stimmen gewählt, Der Republikaner Albert Felix erhielt 988 Stimmen. Sofia. 6. Jänner. In den hieſigen Kreiſen wird all- gemein hervorgehoben, daß die geſtrige Demonſtration beim Empfange Zankow’s eine durchaus künftliche und theatraliſche war, wie ſie dem Charakter Zankow’s entſprach. Desgleichen wurde die Freilaſſung Karawelow’s mit Gleichailtigkeit aufgenommen. Madrid, 7. Jänner. Der Miniſterrath ſetzte das Budget der verſchiedenen Miniſterien endgiltig feſt. Nach demſelben werden, ungeachtet einiger beim Kriegsbudget vorgenommenen Erhöhungen, Erſparungen in der Höhe von drei Millionen erzielt. Toronto, 6. Jänner. Heute Vormittags brach im Geſchäftsviertel eine große Feuersbrunſt aus, durch welche eine ganze Abtheilung der Hauptſtraße, darunter die Bureaux der Zeitung „Globe“, zerſtört wurden. Zwei Feuerwehrleute wurden verſchüttet. Der Schaden wird auf eine Million Dollars geſchätzt. London, 7. Jänner. Die „Times“ melden aus Peking vom 6. Jänner: Der Kaiſer empfing geſtern die nach Japan gehenden chineſiſchen Unterhändler in Abſchiedsaudienz. Japan lehnt den Waffen- ſtillſtand ab. Der amerikaniſche Geſandte glaubt, daß die jetzigen Unterhandlungen ohne Ergebniß ver- laufen und die Japaner erſt dann Frieden ſchließen werden, wenn ſie Peking beſetzt haben. Waſhington, 6 Jänner. Dem Vernehmen nach proteſtirte Frankreich gegen die im vorigen Sommer ſtattgehabte Anweſenheit von ärztlichen amerikaniſchen Inſpectoren in mehreren Häfen Europas, die ohne vorheriges Uebereinkommen damit beauftragt waren, die für die Vereinigten Staaten beſtimmten Schiffe zu unterſuchen. Die deutſche Regierung, die Anfangs nicht ſo weit ging, proteſtirt gegenwärtig entſchieden und droht, den amerikaniſchen Inſpectoren die Aus- führung ihrer Miſſion zu unterſagen, wenn der Con- greß das Syſtem der ärztlichen Unterſuchungen in deutſchen Häfen noch weiter ausdehnen wollte. Waſhington, 6. Jänner. Man glaubt, Präſident Cleveland werde eine Botſchaft an den Congreß ſenden, um die Schritte der Anhänger des Congreſſes für die Ge- nehmigung des Zucker-Geſetzentwurfes zu unterſtützen. In gewiſſen Kreiſen herrſcht die Anſicht vor, daß man beab- ſichtige, eine europäiſche Combination herbeizuführen, um die freie Zuckereinfuhr für die Vereinigten Staaten dagegen zu erhalten, daß die amerikaniſchen Producte frei in Europa zugelaſſen werden. Wiener Borſe. Originalbericht der „Reichsvoſt“. 7. Jänner 1895. Wenn der Wohlſtand mit den Curſen gleichen Schritt halten ſollte, dann wäre der erſtere ſehr groß. Leider ſind die Curſe ſeit langem kein Werthmeſſer des Wohlſtandes. Die heutigen Börſen huldigen dem Börſeſpiel; die Curſe werden muthwillig und eigenmächtig in die Höhe getrieben und wenn nicht bald die Staatsgewalt dieſem gemeinge- fährlichen Börſentreiben ein Ende machen wird, ſo erleben wir in nicht ferner Zukunft einen Krach, der ſowohl den Börſen als auch manchen Staatsfunctionären und Würden- trägern einen tödlichen Stoß bringen wird. Das was ſich jetzt auf den Börſen vollzieht, iſt geradezu demoraliſirend. Alles iſt werthlos bis auf — Papierwerth. Papierner Credit iſt mächtiger als Alles. Leider, nichts iſt aber auch ſchwächer wie — Papier und Credit auf denſelben. Vor- läufig machen wir eine Hauſſeepoche durch. Die geſtrigen winkelbörslichen Curſe blieben behauptet und erhöht. Um 2 Uhr 30 Min. notirten: Credit 410 50 Ung Creditactien 498.75, Anglo 183.60, Union 315 75, Bank- verein 157.50, Länderbank 280 80, Boden 548 50, Tabak 233 50, Mairente 100.62, Silberrente 100.65, Oeft. Krenenr. 100.20, Ung. Kronenr. 99.05, Oeſt. Goldrente 125 10, Ung Goldrente 123 90, Staatsbahn 397.12, Lombarden 106 —, Galizier —.—, Elbethal 274.—, Nordweſtb. 246.50, Czernow. 295.—, Kaſchauer 197.—, Buſchtiehrader A., 1400.—, Buſchtehrader B 545.—, Böhmiſch. Nordb. 910.—, Böhmiſche Weſtb. 411.50, Köflacher 276.—, Nordbahn 3485.—, Localb. 212.—, Werndl 343.—, Tramway 448.—, Neue Tramway —.—, Dampfſchiff 534.—, Lloyd 528.—, Communal 173.50, Ungarl. 157 50, Theißl. 143.25, Türken 73 25, Waggonl. —.—, Alpine 97.60, Prager Eiſen 679.—, Draſche 342.—, Rima 276.—, Trifailer 178.50, Brüxer 419.—. Weſtb. Kohle 134.—, Rubel 133.50, Marknoten 60.78

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Zitationshilfe: Reichspost. Nr. 6, Wien, 08.01.1895, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_reichspost006_1895/6>, abgerufen am 29.03.2024.