Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Reichspost. Nr. 3, Wien, 04.01.1901.

Bild:
<< vorherige Seite
Wien, Freitag Reichspost 4. Jänner 1901 3

[Spaltenumbruch]

sagte: "Vor Allem verwahre ich Bayern gegen den
Vorwurf, daß es eine Gnade ist, zum Reich zu ge-
hören!" Bayern gehört zum Deutschen Reiche, die
Verhältnisse haben es so gefügt, mit dem Herzen
wird es erst dann zum Deutschen Reiche gehören,
wenn das Deutsche Reich es versteht, die Herzen der
Bayern zu gewinnen, und wenn in Bayern selbst
katholisch und bayerisch regiert wird.




Jungczechische Geständnisse.

Letzten Sonntag ist es dem jungezechischen
Candidaten Dr. Fort in Kolin schlecht gegangen.
Die Radiealen waren in seiner Wählerversammlung
-- an ihrer Spitze Dr. Baxa, der Gegencandidat
Fort's, -- zahlreich erschienen und trieben ihn durch
Zwischenrufe und die Sorge vor einem Mißtrauens-
votum hart in die Enge. Bei der Vertheidigung der
jungczechischen Politik machte Herr Dr. Fort nun
einige Geständnisse, die den Baxisten weniger
interessant gewesen sein dürften als uns. Herr Dr.
Fort war nämlich den Radicalen gegenüber viel
offenherziger, als die Jungczechen bei Hofempfängen
und sonstigen hochpolitischen Gelegenheiten, wo es
gilt die wahre Veranlagung mit dem "staats-
männischen" Mäntelchen zu verhüllen, zu sein pflegen.
Herr Dr. Fort beschwor eingangs seiner
Rede seine Zuhörer zur Einigkeit. Es gebe keine
sachlichen Gründe dafür, die bisherige Zusammen-
stellung der politischen Kampfreihen der Czechen zu
ändern, denn das Wesen der staatsrechtlichen Be-
strebungen eines jeden Czechen bestehe in der Zurück-
eroberung der nie veräußerten Rechte des König-
reiches, in dem Verlangen, daß das czechische Volk
nicht weiter mehr Mist zum Düngen des Weizen-
feldes seiner Unterjochung(!) sei. Darum sei sechzehn
Jahre lang, von 1863 bis 1879 passive Opposition
getrieben worden. Die Niederlage dieser verfehlten
Taktik und später die Punctationen hätten eine Re-
volution des Volkes gegen die Altczechen zur Folge
gehabt und mit einem Schlage an die Stelle der
altczechischen Einheit die jungczechische gesetzt. Diese
habe unter Betonung des Staatsrechtes
immer getrachtet, daß der politische Käfig(!)
des centralistischen Parlamentes
für
die czechische Delegation nicht noch enger gemacht
werde, habe genommen, wo zu nehmen war, zu ver-
meiden gesucht, daß Wasser auf die Mühle der Wider-
sacher des czechischen Volkes getrieben werde und
habe die böhmische Frage in Fluß zu bringen gesucht,
damit in Folge der Krisen endlich der ersehnte
Augenblick
komme, in welchem der Staat
entweder abdiciren
oder den Forderungen der
Czechen im Wege einer Revision stattgeben müßte.
Auch den Ausgleich mit Ungarn habe die jung-
czechische Delegation so behandelt, daß der krisenhafte
Zustand, aus dem die Czechen profitiren wollen,
nicht aufhöre. So seien denn auch die Sprachen-
Verordnungen nichts Anderes als die
Brücke zu Verhandlungen des Staates
mit den Vertretern des czechischen Volkes
gewesen,
und diese Verhandlungen -- heute könne
es Redner sagen -- seien auch bereits be-
gonnen gewesen zu dem Zwecke,
um auf
Grundlage der Nimburger Resolution die
politischen Ansprüche der Czechen zu be-
friedigen.
Diese so überaus günstige Situation
sei das Werk der jungczechische Politik gewesen. Die
Deutschen hätten auch -- von ihrem Standpunkte
mit Recht -- sofort die Gefahr für sie wahr-




selbe selbst das Zeichen zum allgemeinen
Beifall geben oder auf's wenigste gerührt, nach dem
Taschentuche greifen würde. Doch nichts dergleichen
geschah. Das Gesicht des Herrn A. H. Schuß
drückte anfänglich Neugierde, ein wenig später ge-
spannte Aufmerksamkeit aus; je weiter die Decla-
mation vorschritt, desto auffallender wurde sein Be-
tragen; Wangen und Stirn färbten sich kirschroth,
die Augen schossen Blitze, um die Mundwinkel sam-
melte sich eine fürchterliche Erregung, und die Hände
fingen an, sich ja derart zu bewegen, daß Fräulein
Beate es für gerathen fand, einen zu früh los-
brechenden Beifall des Herrn Papa durch kräftiges
Festhalten seiner Hände und beschwichtigendes Wispeln
hintanzuhalten.

Hofer hatte geendet. Das allgemeine Beifalls-
klatschen machte die Fenster erzittern, man stürzte sich
auf ihn, um ihm glückwünschend die Hand zu drücken,
und nur mit Mühe gelang es der Tochter des Hauses,
zum Dichter sich durchzudrängen und denselben unter
dem verheißungsvollsten Lächeln zu Herrn A. H. Schuß
hinzugeleiten. Dieser erhob sich, stürmte auf Hofer zu
und ihn an der Schulter packend, schrie er dem aufs
Höchste bestürzten Dichter die wüthenden Worte zu:

"Mensch, wie können Sie sich unterstehen, mit
meinen eigenen Versen mich anzudichten; das Gleiche
brachte ich schon vor Jahren zum Vortrag und ließ
es drucken! Unerhörte Frechheit! Gibt er das als
sein eigenes Product zum Besten! Hat man je so
etwas erlebt! Schämen Sie sich bis auf den Grund
Ihrer Seele, Sie ...!"

Wir würden entmenschte Scheusale sein, wollten
wir diese Erzählung noch weiter fortführen!


[Spaltenumbruch]

genommen und einen großen Sturm entfacht,
umsomehr als sie sich bewußt gewesen seien, daß auch
ihre December-Verfassung sie in sprachlicher Beziehung
nicht hinreichend schütze.

Mit diesen Worten hat Herr Dr. Fort den ganzen
elenden Schacher mit den Sprachenverordnungen ein-
gestanden. Es ist wohl nur der momentanen Ver-
legenheit gegenüber den Radicalen zuzuschreiben, daß
Dr. Fort sich dieses kühne Geständnis entreißen ließ,
unter andern Umständen hätte der kluge Dr. Fort
wohl kaum einen solchen Einblick in die corrupte
Politik des Jungczechenclubs und dessen damaligen
Gönners, des Grafen Badeni, thun lassen. Hier ge-
steht es Dr. Fort ganz offen zu,
daß die Jung-
czechen mit den Verordnungen für den Ausgleich ge-
kauft werden sollten, ja, daß der Kauf sogar
schon perfekt war, und weiters gesteht er auch, daß
thatsächlich die Verordnungen eine "Gefahr" für die
Deutschen bedeuteten. -- Würdig neben dieser Eröff-
nung steht die Erklärung, zu der sich Dr. Fort in
Fortsetzung seiner Rede verstieg, daß es das erste
taktische Ziel der czechischen Abgeordneten sein muß,
eine dauernde Consolidirung des cisleitha-
nischen Parlaments unmöglich zu machen,

das zweite die Anspannung aller Kräfte, damit das
ungeheuere Emporschnellen(!) des Germanenthums
gekreuzt, paralysirt werde. -- Diese Geständnisse sind
von geradezu historischer Wichtigkeit. Sie sind
von bleibendem Werth für die Beurtheilung der
Politik aller Rechtsparteien im Jahre 1897.




Politische Rundschau.
Oesterreich-Ungarn.


Baron Hildprandt,

dem seitens der Stra-
konitzer Bezirksvertretung das Mandat Pisek (Land)
angeboten wurde, hat die Candidatur abgelehnt. --
Seine Candidatur hing bekanntlich mit seiner Maß-
regelung wegen seines Verhaltens bei Aufhebung der
Badeni'schen Sprachen-Verordnungen zusammen. Ihm
wurde deswegen die Officierscharge und Kämmerer-
würde aberkannt. Es ist interessant, daß seine Maß-
regelung, wie wir von guter Seite hören, haupt-
sächlich auf Betreiben der höchsten Militärkreise
erfolgte, speciell einer sehr hohen Persönlichkeit.
Hildprandt gehört zu der politischen Egeria des
Dr. Friedrich Prinz Schwarzenberg, den ein
Erzherzog den "böhmischen Kossuth" zu nennen pflegt.
Die Aberkennung der Kämmererwürde Hildprandt's
ist für den Umschwung der Verhältnisse insofern
höchst bezeichnend, als in den Siebziger-Jahren unter
Hinweis auf die vorhergegangene analoge Maß-
regelung Giskra's, von berufener Seite vorge-
schlagen worden war, aus einem bestimmten Anlasse
dem Erfinder des böhmischen Staatsrechtes Grafen
Camm-Martinic und noch einem anderen Heiß-
sporne der czechisch-feudalen Partei -- die damals
etwas allzu nahe an den erlaubten Grenzen frondiert
hatten -- den Hof auf eine gewisse Zeit zu verbieten.
Damals wurde von maßgebender Stelle dieser Vor-
schlag mit der Begründung abgewiesen, derartige
Ahndungen seien gegen Mitglieder hoffähiger
Adelsfamilien nicht zulässig. Tempora mutantur.

Aus der christlich-socialen Partei.

Der
Vorarlberger bisherige Reichsraths-Abgeordnete
Fink, dessen Wahl auch für diesmal außer Zweifel
steht, wird, wie wir aus ganz sicherer Quelle hören,
dem christlich-socialen Parteiverbande bei-
treten. -- Fink gehörte bisher keinem Club an,
stimmte jedoch regelmäßig in den letzten Sessionen
mit den Christlich-Socialen.

Katholische Volkspartei und Mehrheit.

Das Linzer conservative Blatt, das öfters von Dr.
Ebenhoch zu politischen Kundgebungen benützt wird,
bringt eine Erörterung über die Aussichten einer
Wiederherstellung der Rechten. Wenn man, sagt das
genannte Blatt, die Frage beantworten will, ob sich
die alte Rechte wieder zusammenfinden soll und
kann, so muß man zunächst die Vorfrage sich stellen,
warum sie denn auseinanderging. Man wird dann
beurtheilen können. ob Gründe für die Sprengung
der Rechten auch heute noch vorhanden sind. In be-
jahendem Falle beantwortet sich dann die Frage über
die Wiederherstellung der Rechten von selbst. Am
Ende zeigt es sich sogar, daß noch weitere Gründe
gegen diese Fusion aufgekommen sind. Die Gründe,
weshalb die Rechte auseinanderging, waren haupt-
sächlich folgende: 1. Die czechische Obstruction, welche
von den Czechen trotz aller Mahnungen, Bitten und
Drohungen der katholischen Volkspartei und der
Polen betrieben und nicht aufgegeben wurde. 2. Die
feierliche Proclamirung des böhmischen Staats-
rechtes
als officiellen Programmpunkt des Jung-
czechenclubs, während dasselbe früher lediglich in
Reden, Zeitungsartikeln u. s. w. hervorgehoben wurde.
3. Der ostentative Kampf der Czechen gegen das
Wiener Centralparlament. -- Diese drei
Punkte waren es vor Allem, welche die katholische
Volkspartei zum Verlassen der früheren Majorität
veranlaßten. Der Autor folgert, daß, so lange diese
Ursachen der Sprengung der Rechten nicht beseitigt
sind, wohl naturgemäß an einen Wieder-
zusammenschluß derselben nicht zu denken sei.
[Spaltenumbruch] "Dazu kommt aber noch, führt der Verfasser die
weitere Erwägung, daß man auf czechischer Seite
von einer zu bildenden "slavischen Gemeinbürgschaft"
spricht. Unsere Partei hatte zum nicht geringen Theile
auch deswegen früher der Rechten sich angeschlossen,
um den nackten Rassenkampf in Oesterreich hintan-
zuhalten und mäßigend zu wirken, wo und wann es
ging. Wenn sich nun thatsächlich eine slavische Ge-
meinbürgschaft im neuen Parlamente -- allerdings
mit Ausschluß der Polen -- bildet, so ist es doch
klar, daß unserer Partei dann ihr Platz durch diese
Thatsache allein schon angewiesen ist. Aus alledem
folgt, daß wir -- bei Aufrechthaltung obiger Punkte
seitens der Czechen -- ein Zusammengehen mit ihnen
kurzweg für ausgeschlossen erachten. Außerdem spricht
aber gegen die Wiedererrichtung der alten
Majorität der Umstand, daß durch dieselbe die Ob-
struction auf der Linken sofort einsetzen würde."

Deutsches Reich.
Der deutsche Kaiser

hielt am 1. Jänner keine
politischen Ansprachen. Bei der Parole-Ausgabe im
Zeughause brachte der Kaiser nur zur Sprache, daß
Officiere so häufig Civilkleidung tragen, und
erklärte sich dagegen, indem er auf die Spieler-
processe hinwies.

Vom Grafen Posadowsky,

Staatssecretär
des Innern, wird wieder einmal gemeldet, sein Rück-
tritt stehe bevor. Die agrarische "Deutsche Tagesztg."
zweifelt daran, weil der Reichskanzler bei der Be-
antwortung der Interpellation über den Fall Woedtke
ausdrücklich erklärt habe, daß er einer Intrigue sich
nicht beugen werde. Läßt er den Rücktritt des Grafen
Posadowsky zu, so wäre damit bewiesen, daß er ent-
weder gezwungen worden ist, sich doch der Intrigue
zu beugen, oder daß er auf die wichtigsten Ent-
schließungen keinen genügend starken Einfluß besitzt.
Beides würde seinem Ansehen sicherlich nicht förder-
lich sein.

Italien.

Der Papst als Schiedsrichter.

Wie aus
Rom berichtet wird, hat Papst Leo XIII. in der
zwischen der Dominicanischen Republik und Haiti
schwebenden Streitfrage das Schiedsrichteramt über-
nommen.

Spanien.

Die Ministerkrisis

dürfte vorläufig nicht zum
Ausbruch kommen, nachdem Madrider Blättern zu-
folge die Frage der Marineforderungen in einer den
Wünschen des Marineministers entsprechenden Weise
werde gelöst werden.

Australien.

Vom australischen Staatenbund.

Die
Constituirung des Staatenbundes wurde am Neu-
jahrstage in ganz Australien festlich gefeiert. Zahllose
Stiftungen wurden errichtet, die die Erinnerung an
dieses denkwürdige Ereigniß für alle Zeiten wach
erhalten sollen, ein prächtiges Denkmal wird errichtet
werden, tausende von Erinnerungsmedaillen wurden
vertheilt und eine weitgehende Amnestie erlassen. Mit
besonderer Feierlichkeit wurde der Tag in der Hafen-
stadt Sydney begangen, die zum Sitze des Bundes-
gouverneurs bestimmt ist. Im Hafen war das ganze
englische Südseegeschwader versammelt, und die
Stadt selbst trug reichen Festschmuck. Neuseeland
ist dem Bunde noch nicht beigetreten, hat aber
seinen Anschluß an denselben bereits in Erwägung
gezogen; um seine Sympathien für denselben zu be-
kunden, ließ es sich bei der gestrigen Installation
durch eine Deputation vertreten.




Gemeindezeitung.
Vicebürgermeister Strobach

befindet sich
noch immer in Reconvalescenz und bedarf zur
völligen Wiederherstellung seiner Gesundheit der
größten Schonung. Vor Allem ist ihm das Ver-
meiden von rauchigen und dunstigen Localen seitens
des Arztes zur strengsten Pflicht gemacht worden.

Stadtregulirung.

Stadtrath Dr. Mayreder
berichtete gestern im Stadtrath über die Baulinien-
bestimmung für Theile der Singerstraße, Seilerstätte
und Liebenberggasse. Nach dem Antrage des Be-
richterstatters erhält die Singerstraße auch in ihrem
unteren Theile eine Breite von 15 Metern, die
Seilerstätte zwischen Weihburg- und Singerstraße,
dann die Liebenberggasse längs des Palais Coburg
eine solche von je 16 Metern. Ferner soll die
Riemergasse geradlinig in einer Breite von 14
Metern bis zur Weihburggasse fortgesetzt werden.
Die Anträge werden genehmigt.

Ueberreichung von Salvatormedaillen.

Bür-
germeister Dr. Lueger überreichte gestern in seinem
Bureau dem Bezirksvorsteherstellvertreter von Maria-
hilf Gottfried Endres, dem Armenrathe der Inneren
Stadt Anton Feyerseil, ferner dem Obmannstellver-
treter des Armeninstitutes für den Bezirk Fünfhaus
Heinrich Perna, dem Cassier desselben Armeninstituts
Leopold Eschlböck, schließlich dem Vorsteher der Ge-
nossenschaft der Fischhändler Peter Hammerschmidt
die ihnen verliehenen Salvatormedaillen.




Wien, Freitag Reichspoſt 4. Jänner 1901 3

[Spaltenumbruch]

ſagte: „Vor Allem verwahre ich Bayern gegen den
Vorwurf, daß es eine Gnade iſt, zum Reich zu ge-
hören!“ Bayern gehört zum Deutſchen Reiche, die
Verhältniſſe haben es ſo gefügt, mit dem Herzen
wird es erſt dann zum Deutſchen Reiche gehören,
wenn das Deutſche Reich es verſteht, die Herzen der
Bayern zu gewinnen, und wenn in Bayern ſelbſt
katholiſch und bayeriſch regiert wird.




Jungczechiſche Geſtändniſſe.

Letzten Sonntag iſt es dem jungezechiſchen
Candidaten Dr. Fořt in Kolin ſchlecht gegangen.
Die Radiealen waren in ſeiner Wählerverſammlung
— an ihrer Spitze Dr. Baxa, der Gegencandidat
Fořt’s, — zahlreich erſchienen und trieben ihn durch
Zwiſchenrufe und die Sorge vor einem Mißtrauens-
votum hart in die Enge. Bei der Vertheidigung der
jungczechiſchen Politik machte Herr Dr. Fořt nun
einige Geſtändniſſe, die den Baxiſten weniger
intereſſant geweſen ſein dürften als uns. Herr Dr.
Fort war nämlich den Radicalen gegenüber viel
offenherziger, als die Jungczechen bei Hofempfängen
und ſonſtigen hochpolitiſchen Gelegenheiten, wo es
gilt die wahre Veranlagung mit dem „ſtaats-
männiſchen“ Mäntelchen zu verhüllen, zu ſein pflegen.
Herr Dr. Fořt beſchwor eingangs ſeiner
Rede ſeine Zuhörer zur Einigkeit. Es gebe keine
ſachlichen Gründe dafür, die bisherige Zuſammen-
ſtellung der politiſchen Kampfreihen der Czechen zu
ändern, denn das Weſen der ſtaatsrechtlichen Be-
ſtrebungen eines jeden Czechen beſtehe in der Zurück-
eroberung der nie veräußerten Rechte des König-
reiches, in dem Verlangen, daß das czechiſche Volk
nicht weiter mehr Miſt zum Düngen des Weizen-
feldes ſeiner Unterjochung(!) ſei. Darum ſei ſechzehn
Jahre lang, von 1863 bis 1879 paſſive Oppoſition
getrieben worden. Die Niederlage dieſer verfehlten
Taktik und ſpäter die Punctationen hätten eine Re-
volution des Volkes gegen die Altczechen zur Folge
gehabt und mit einem Schlage an die Stelle der
altczechiſchen Einheit die jungczechiſche geſetzt. Dieſe
habe unter Betonung des Staatsrechtes
immer getrachtet, daß der politiſche Käfig(!)
des centraliſtiſchen Parlamentes
für
die czechiſche Delegation nicht noch enger gemacht
werde, habe genommen, wo zu nehmen war, zu ver-
meiden geſucht, daß Waſſer auf die Mühle der Wider-
ſacher des czechiſchen Volkes getrieben werde und
habe die böhmiſche Frage in Fluß zu bringen geſucht,
damit in Folge der Kriſen endlich der erſehnte
Augenblick
komme, in welchem der Staat
entweder abdiciren
oder den Forderungen der
Czechen im Wege einer Reviſion ſtattgeben müßte.
Auch den Ausgleich mit Ungarn habe die jung-
czechiſche Delegation ſo behandelt, daß der kriſenhafte
Zuſtand, aus dem die Czechen profitiren wollen,
nicht aufhöre. So ſeien denn auch die Sprachen-
Verordnungen nichts Anderes als die
Brücke zu Verhandlungen des Staates
mit den Vertretern des czechiſchen Volkes
geweſen,
und dieſe Verhandlungen — heute könne
es Redner ſagen — ſeien auch bereits be-
gonnen geweſen zu dem Zwecke,
um auf
Grundlage der Nimburger Reſolution die
politiſchen Anſprüche der Czechen zu be-
friedigen.
Dieſe ſo überaus günſtige Situation
ſei das Werk der jungczechiſche Politik geweſen. Die
Deutſchen hätten auch — von ihrem Standpunkte
mit Recht — ſofort die Gefahr für ſie wahr-




ſelbe ſelbſt das Zeichen zum allgemeinen
Beifall geben oder auf’s wenigſte gerührt, nach dem
Taſchentuche greifen würde. Doch nichts dergleichen
geſchah. Das Geſicht des Herrn A. H. Schuß
drückte anfänglich Neugierde, ein wenig ſpäter ge-
ſpannte Aufmerkſamkeit aus; je weiter die Decla-
mation vorſchritt, deſto auffallender wurde ſein Be-
tragen; Wangen und Stirn färbten ſich kirſchroth,
die Augen ſchoſſen Blitze, um die Mundwinkel ſam-
melte ſich eine fürchterliche Erregung, und die Hände
fingen an, ſich ja derart zu bewegen, daß Fräulein
Beate es für gerathen fand, einen zu früh los-
brechenden Beifall des Herrn Papa durch kräftiges
Feſthalten ſeiner Hände und beſchwichtigendes Wiſpeln
hintanzuhalten.

Hofer hatte geendet. Das allgemeine Beifalls-
klatſchen machte die Fenſter erzittern, man ſtürzte ſich
auf ihn, um ihm glückwünſchend die Hand zu drücken,
und nur mit Mühe gelang es der Tochter des Hauſes,
zum Dichter ſich durchzudrängen und denſelben unter
dem verheißungsvollſten Lächeln zu Herrn A. H. Schuß
hinzugeleiten. Dieſer erhob ſich, ſtürmte auf Hofer zu
und ihn an der Schulter packend, ſchrie er dem aufs
Höchſte beſtürzten Dichter die wüthenden Worte zu:

„Menſch, wie können Sie ſich unterſtehen, mit
meinen eigenen Verſen mich anzudichten; das Gleiche
brachte ich ſchon vor Jahren zum Vortrag und ließ
es drucken! Unerhörte Frechheit! Gibt er das als
ſein eigenes Product zum Beſten! Hat man je ſo
etwas erlebt! Schämen Sie ſich bis auf den Grund
Ihrer Seele, Sie ...!“

Wir würden entmenſchte Scheuſale ſein, wollten
wir dieſe Erzählung noch weiter fortführen!


[Spaltenumbruch]

genommen und einen großen Sturm entfacht,
umſomehr als ſie ſich bewußt geweſen ſeien, daß auch
ihre December-Verfaſſung ſie in ſprachlicher Beziehung
nicht hinreichend ſchütze.

Mit dieſen Worten hat Herr Dr. Fořt den ganzen
elenden Schacher mit den Sprachenverordnungen ein-
geſtanden. Es iſt wohl nur der momentanen Ver-
legenheit gegenüber den Radicalen zuzuſchreiben, daß
Dr. Fořt ſich dieſes kühne Geſtändnis entreißen ließ,
unter andern Umſtänden hätte der kluge Dr. Fořt
wohl kaum einen ſolchen Einblick in die corrupte
Politik des Jungczechenclubs und deſſen damaligen
Gönners, des Grafen Badeni, thun laſſen. Hier ge-
ſteht es Dr. Fořt ganz offen zu,
daß die Jung-
czechen mit den Verordnungen für den Ausgleich ge-
kauft werden ſollten, ja, daß der Kauf ſogar
ſchon perfekt war, und weiters geſteht er auch, daß
thatſächlich die Verordnungen eine „Gefahr“ für die
Deutſchen bedeuteten. — Würdig neben dieſer Eröff-
nung ſteht die Erklärung, zu der ſich Dr. Fořt in
Fortſetzung ſeiner Rede verſtieg, daß es das erſte
taktiſche Ziel der czechiſchen Abgeordneten ſein muß,
eine dauernde Conſolidirung des cisleitha-
niſchen Parlaments unmöglich zu machen,

das zweite die Anſpannung aller Kräfte, damit das
ungeheuere Emporſchnellen(!) des Germanenthums
gekreuzt, paralyſirt werde. — Dieſe Geſtändniſſe ſind
von geradezu hiſtoriſcher Wichtigkeit. Sie ſind
von bleibendem Werth für die Beurtheilung der
Politik aller Rechtsparteien im Jahre 1897.




Politiſche Rundſchau.
Oeſterreich-Ungarn.


Baron Hildprandt,

dem ſeitens der Stra-
konitzer Bezirksvertretung das Mandat Piſek (Land)
angeboten wurde, hat die Candidatur abgelehnt. —
Seine Candidatur hing bekanntlich mit ſeiner Maß-
regelung wegen ſeines Verhaltens bei Aufhebung der
Badeni’ſchen Sprachen-Verordnungen zuſammen. Ihm
wurde deswegen die Officierscharge und Kämmerer-
würde aberkannt. Es iſt intereſſant, daß ſeine Maß-
regelung, wie wir von guter Seite hören, haupt-
ſächlich auf Betreiben der höchſten Militärkreiſe
erfolgte, ſpeciell einer ſehr hohen Perſönlichkeit.
Hildprandt gehört zu der politiſchen Egeria des
Dr. Friedrich Prinz Schwarzenberg, den ein
Erzherzog den „böhmiſchen Koſſuth“ zu nennen pflegt.
Die Aberkennung der Kämmererwürde Hildprandt’s
iſt für den Umſchwung der Verhältniſſe inſofern
höchſt bezeichnend, als in den Siebziger-Jahren unter
Hinweis auf die vorhergegangene analoge Maß-
regelung Giskra’s, von berufener Seite vorge-
ſchlagen worden war, aus einem beſtimmten Anlaſſe
dem Erfinder des böhmiſchen Staatsrechtes Grafen
Camm-Martinic und noch einem anderen Heiß-
ſporne der czechiſch-feudalen Partei — die damals
etwas allzu nahe an den erlaubten Grenzen frondiert
hatten — den Hof auf eine gewiſſe Zeit zu verbieten.
Damals wurde von maßgebender Stelle dieſer Vor-
ſchlag mit der Begründung abgewieſen, derartige
Ahndungen ſeien gegen Mitglieder hoffähiger
Adelsfamilien nicht zuläſſig. Tempora mutantur.

Aus der chriſtlich-ſocialen Partei.

Der
Vorarlberger bisherige Reichsraths-Abgeordnete
Fink, deſſen Wahl auch für diesmal außer Zweifel
ſteht, wird, wie wir aus ganz ſicherer Quelle hören,
dem chriſtlich-ſocialen Parteiverbande bei-
treten. — Fink gehörte bisher keinem Club an,
ſtimmte jedoch regelmäßig in den letzten Seſſionen
mit den Chriſtlich-Socialen.

Katholiſche Volkspartei und Mehrheit.

Das Linzer conſervative Blatt, das öfters von Dr.
Ebenhoch zu politiſchen Kundgebungen benützt wird,
bringt eine Erörterung über die Ausſichten einer
Wiederherſtellung der Rechten. Wenn man, ſagt das
genannte Blatt, die Frage beantworten will, ob ſich
die alte Rechte wieder zuſammenfinden ſoll und
kann, ſo muß man zunächſt die Vorfrage ſich ſtellen,
warum ſie denn auseinanderging. Man wird dann
beurtheilen können. ob Gründe für die Sprengung
der Rechten auch heute noch vorhanden ſind. In be-
jahendem Falle beantwortet ſich dann die Frage über
die Wiederherſtellung der Rechten von ſelbſt. Am
Ende zeigt es ſich ſogar, daß noch weitere Gründe
gegen dieſe Fuſion aufgekommen ſind. Die Gründe,
weshalb die Rechte auseinanderging, waren haupt-
ſächlich folgende: 1. Die czechiſche Obſtruction, welche
von den Czechen trotz aller Mahnungen, Bitten und
Drohungen der katholiſchen Volkspartei und der
Polen betrieben und nicht aufgegeben wurde. 2. Die
feierliche Proclamirung des böhmiſchen Staats-
rechtes
als officiellen Programmpunkt des Jung-
czechenclubs, während dasſelbe früher lediglich in
Reden, Zeitungsartikeln u. ſ. w. hervorgehoben wurde.
3. Der oſtentative Kampf der Czechen gegen das
Wiener Centralparlament. — Dieſe drei
Punkte waren es vor Allem, welche die katholiſche
Volkspartei zum Verlaſſen der früheren Majorität
veranlaßten. Der Autor folgert, daß, ſo lange dieſe
Urſachen der Sprengung der Rechten nicht beſeitigt
ſind, wohl naturgemäß an einen Wieder-
zuſammenſchluß derſelben nicht zu denken ſei.
[Spaltenumbruch] „Dazu kommt aber noch, führt der Verfaſſer die
weitere Erwägung, daß man auf czechiſcher Seite
von einer zu bildenden „ſlaviſchen Gemeinbürgſchaft“
ſpricht. Unſere Partei hatte zum nicht geringen Theile
auch deswegen früher der Rechten ſich angeſchloſſen,
um den nackten Raſſenkampf in Oeſterreich hintan-
zuhalten und mäßigend zu wirken, wo und wann es
ging. Wenn ſich nun thatſächlich eine ſlaviſche Ge-
meinbürgſchaft im neuen Parlamente — allerdings
mit Ausſchluß der Polen — bildet, ſo iſt es doch
klar, daß unſerer Partei dann ihr Platz durch dieſe
Thatſache allein ſchon angewieſen iſt. Aus alledem
folgt, daß wir — bei Aufrechthaltung obiger Punkte
ſeitens der Czechen — ein Zuſammengehen mit ihnen
kurzweg für ausgeſchloſſen erachten. Außerdem ſpricht
aber gegen die Wiedererrichtung der alten
Majorität der Umſtand, daß durch dieſelbe die Ob-
ſtruction auf der Linken ſofort einſetzen würde.“

Deutſches Reich.
Der deutſche Kaiſer

hielt am 1. Jänner keine
politiſchen Anſprachen. Bei der Parole-Ausgabe im
Zeughauſe brachte der Kaiſer nur zur Sprache, daß
Officiere ſo häufig Civilkleidung tragen, und
erklärte ſich dagegen, indem er auf die Spieler-
proceſſe hinwies.

Vom Grafen Poſadowsky,

Staatsſecretär
des Innern, wird wieder einmal gemeldet, ſein Rück-
tritt ſtehe bevor. Die agrariſche „Deutſche Tagesztg.“
zweifelt daran, weil der Reichskanzler bei der Be-
antwortung der Interpellation über den Fall Woedtke
ausdrücklich erklärt habe, daß er einer Intrigue ſich
nicht beugen werde. Läßt er den Rücktritt des Grafen
Poſadowsky zu, ſo wäre damit bewieſen, daß er ent-
weder gezwungen worden iſt, ſich doch der Intrigue
zu beugen, oder daß er auf die wichtigſten Ent-
ſchließungen keinen genügend ſtarken Einfluß beſitzt.
Beides würde ſeinem Anſehen ſicherlich nicht förder-
lich ſein.

Italien.

Der Papſt als Schiedsrichter.

Wie aus
Rom berichtet wird, hat Papſt Leo XIII. in der
zwiſchen der Dominicaniſchen Republik und Haiti
ſchwebenden Streitfrage das Schiedsrichteramt über-
nommen.

Spanien.

Die Miniſterkriſis

dürfte vorläufig nicht zum
Ausbruch kommen, nachdem Madrider Blättern zu-
folge die Frage der Marineforderungen in einer den
Wünſchen des Marineminiſters entſprechenden Weiſe
werde gelöſt werden.

Auſtralien.

Vom auſtraliſchen Staatenbund.

Die
Conſtituirung des Staatenbundes wurde am Neu-
jahrstage in ganz Auſtralien feſtlich gefeiert. Zahlloſe
Stiftungen wurden errichtet, die die Erinnerung an
dieſes denkwürdige Ereigniß für alle Zeiten wach
erhalten ſollen, ein prächtiges Denkmal wird errichtet
werden, tauſende von Erinnerungsmedaillen wurden
vertheilt und eine weitgehende Amneſtie erlaſſen. Mit
beſonderer Feierlichkeit wurde der Tag in der Hafen-
ſtadt Sydney begangen, die zum Sitze des Bundes-
gouverneurs beſtimmt iſt. Im Hafen war das ganze
engliſche Südſeegeſchwader verſammelt, und die
Stadt ſelbſt trug reichen Feſtſchmuck. Neuſeeland
iſt dem Bunde noch nicht beigetreten, hat aber
ſeinen Anſchluß an denſelben bereits in Erwägung
gezogen; um ſeine Sympathien für denſelben zu be-
kunden, ließ es ſich bei der geſtrigen Inſtallation
durch eine Deputation vertreten.




Gemeindezeitung.
Vicebürgermeiſter Strobach

befindet ſich
noch immer in Reconvalescenz und bedarf zur
völligen Wiederherſtellung ſeiner Geſundheit der
größten Schonung. Vor Allem iſt ihm das Ver-
meiden von rauchigen und dunſtigen Localen ſeitens
des Arztes zur ſtrengſten Pflicht gemacht worden.

Stadtregulirung.

Stadtrath Dr. Mayreder
berichtete geſtern im Stadtrath über die Baulinien-
beſtimmung für Theile der Singerſtraße, Seilerſtätte
und Liebenberggaſſe. Nach dem Antrage des Be-
richterſtatters erhält die Singerſtraße auch in ihrem
unteren Theile eine Breite von 15 Metern, die
Seilerſtätte zwiſchen Weihburg- und Singerſtraße,
dann die Liebenberggaſſe längs des Palais Coburg
eine ſolche von je 16 Metern. Ferner ſoll die
Riemergaſſe geradlinig in einer Breite von 14
Metern bis zur Weihburggaſſe fortgeſetzt werden.
Die Anträge werden genehmigt.

Ueberreichung von Salvatormedaillen.

Bür-
germeiſter Dr. Lueger überreichte geſtern in ſeinem
Bureau dem Bezirksvorſteherſtellvertreter von Maria-
hilf Gottfried Endres, dem Armenrathe der Inneren
Stadt Anton Feyerſeil, ferner dem Obmannſtellver-
treter des Armeninſtitutes für den Bezirk Fünfhaus
Heinrich Perna, dem Caſſier desſelben Armeninſtituts
Leopold Eſchlböck, ſchließlich dem Vorſteher der Ge-
noſſenſchaft der Fiſchhändler Peter Hammerſchmidt
die ihnen verliehenen Salvatormedaillen.




<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0002" n="2"/>
      <fw place="top" type="header">Wien, Freitag Reichspo&#x017F;t 4. Jänner 1901 3</fw><lb/>
      <cb/>
      <div type="jPoliticalNews" n="1">
        <div xml:id="bayern2" prev="#bayern1" type="jArticle" n="2">
          <p>&#x017F;agte: &#x201E;Vor Allem verwahre ich Bayern gegen den<lb/>
Vorwurf, daß es eine Gnade i&#x017F;t, zum Reich zu ge-<lb/>
hören!&#x201C; Bayern gehört zum Deut&#x017F;chen Reiche, die<lb/>
Verhältni&#x017F;&#x017F;e haben es &#x017F;o gefügt, mit dem Herzen<lb/>
wird es er&#x017F;t dann zum Deut&#x017F;chen Reiche gehören,<lb/>
wenn das Deut&#x017F;che Reich es ver&#x017F;teht, die Herzen der<lb/>
Bayern zu gewinnen, und wenn in Bayern &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
katholi&#x017F;ch und bayeri&#x017F;ch regiert wird.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div xml:id="geständnisse1" next="#geständnisse2" type="jArticle" n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Jungczechi&#x017F;che Ge&#x017F;tändni&#x017F;&#x017F;e.</hi> </head><lb/>
          <p>Letzten Sonntag i&#x017F;t es dem jungezechi&#x017F;chen<lb/>
Candidaten Dr. <hi rendition="#g">Fo&#x0159;t</hi> in Kolin &#x017F;chlecht gegangen.<lb/>
Die Radiealen waren in &#x017F;einer Wählerver&#x017F;ammlung<lb/>
&#x2014; an ihrer Spitze Dr. Baxa, der Gegencandidat<lb/>
Fo&#x0159;t&#x2019;s, &#x2014; zahlreich er&#x017F;chienen und trieben ihn durch<lb/>
Zwi&#x017F;chenrufe und die Sorge vor einem Mißtrauens-<lb/>
votum hart in die Enge. Bei der Vertheidigung der<lb/>
jungczechi&#x017F;chen Politik machte Herr Dr. Fo&#x0159;t nun<lb/>
einige Ge&#x017F;tändni&#x017F;&#x017F;e, die den Baxi&#x017F;ten weniger<lb/>
intere&#x017F;&#x017F;ant gewe&#x017F;en &#x017F;ein dürften als uns. Herr Dr.<lb/>
Fort war nämlich den Radicalen gegenüber viel<lb/>
offenherziger, als die Jungczechen bei Hofempfängen<lb/>
und &#x017F;on&#x017F;tigen hochpoliti&#x017F;chen Gelegenheiten, wo es<lb/>
gilt die wahre Veranlagung mit dem &#x201E;&#x017F;taats-<lb/>
männi&#x017F;chen&#x201C; Mäntelchen zu verhüllen, zu &#x017F;ein pflegen.<lb/>
Herr Dr. Fo&#x0159;t be&#x017F;chwor eingangs &#x017F;einer<lb/>
Rede &#x017F;eine Zuhörer zur Einigkeit. Es gebe keine<lb/>
&#x017F;achlichen Gründe dafür, die bisherige Zu&#x017F;ammen-<lb/>
&#x017F;tellung der politi&#x017F;chen Kampfreihen der Czechen zu<lb/>
ändern, denn das We&#x017F;en der &#x017F;taatsrechtlichen Be-<lb/>
&#x017F;trebungen eines jeden Czechen be&#x017F;tehe in der Zurück-<lb/>
eroberung der nie veräußerten Rechte des König-<lb/>
reiches, in dem Verlangen, daß das czechi&#x017F;che Volk<lb/>
nicht weiter mehr Mi&#x017F;t zum Düngen des Weizen-<lb/>
feldes &#x017F;einer Unterjochung(!) &#x017F;ei. Darum &#x017F;ei &#x017F;echzehn<lb/>
Jahre lang, von 1863 bis 1879 pa&#x017F;&#x017F;ive Oppo&#x017F;ition<lb/>
getrieben worden. Die Niederlage die&#x017F;er verfehlten<lb/>
Taktik und &#x017F;päter die Punctationen hätten eine Re-<lb/>
volution des Volkes gegen die Altczechen zur Folge<lb/>
gehabt und mit einem Schlage an die Stelle der<lb/>
altczechi&#x017F;chen Einheit die jungczechi&#x017F;che ge&#x017F;etzt. Die&#x017F;e<lb/>
habe unter Betonung des Staatsrechtes<lb/>
immer getrachtet, daß der <hi rendition="#g">politi&#x017F;che Käfig(!)<lb/>
des centrali&#x017F;ti&#x017F;chen Parlamentes</hi> für<lb/>
die czechi&#x017F;che Delegation nicht noch enger gemacht<lb/>
werde, habe genommen, wo zu nehmen war, zu ver-<lb/>
meiden ge&#x017F;ucht, daß Wa&#x017F;&#x017F;er auf die Mühle der Wider-<lb/>
&#x017F;acher des czechi&#x017F;chen Volkes getrieben werde und<lb/>
habe die böhmi&#x017F;che Frage in Fluß zu bringen ge&#x017F;ucht,<lb/>
damit in Folge der Kri&#x017F;en endlich der <hi rendition="#g">er&#x017F;ehnte<lb/>
Augenblick</hi> komme, <hi rendition="#g">in welchem der Staat<lb/>
entweder abdiciren</hi> oder den Forderungen der<lb/>
Czechen im Wege einer Revi&#x017F;ion &#x017F;tattgeben müßte.<lb/>
Auch den <hi rendition="#g">Ausgleich mit Ungarn</hi> habe die jung-<lb/>
czechi&#x017F;che Delegation &#x017F;o behandelt, daß der kri&#x017F;enhafte<lb/>
Zu&#x017F;tand, aus dem die <hi rendition="#g">Czechen profitiren wollen,</hi><lb/>
nicht aufhöre. So &#x017F;eien denn <hi rendition="#g">auch die Sprachen-<lb/>
Verordnungen nichts Anderes als die<lb/>
Brücke zu Verhandlungen des Staates<lb/>
mit den Vertretern des czechi&#x017F;chen Volkes<lb/>
gewe&#x017F;en,</hi> und die&#x017F;e Verhandlungen &#x2014; heute könne<lb/>
es Redner &#x017F;agen &#x2014; <hi rendition="#g">&#x017F;eien auch bereits be-<lb/>
gonnen gewe&#x017F;en zu dem Zwecke,</hi> um auf<lb/><hi rendition="#g">Grundlage</hi> der <hi rendition="#g">Nimburger Re&#x017F;olution die<lb/>
politi&#x017F;chen An&#x017F;prüche der Czechen zu be-<lb/>
friedigen.</hi> Die&#x017F;e &#x017F;o überaus gün&#x017F;tige Situation<lb/>
&#x017F;ei das Werk der jungczechi&#x017F;che Politik gewe&#x017F;en. Die<lb/><hi rendition="#g">Deut&#x017F;chen</hi> hätten auch &#x2014; von ihrem Standpunkte<lb/>
mit Recht &#x2014; <hi rendition="#g">&#x017F;ofort die Gefahr für &#x017F;ie wahr-</hi> </p>
        </div>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div type="jFeuilleton" n="1">
        <div xml:id="jubiläumsdichter2" prev="#jubiläumsdichter1" type="jArticle" n="2">
          <p>&#x017F;elbe &#x017F;elb&#x017F;t das Zeichen zum allgemeinen<lb/>
Beifall geben oder auf&#x2019;s wenig&#x017F;te gerührt, nach dem<lb/>
Ta&#x017F;chentuche greifen würde. Doch nichts dergleichen<lb/>
ge&#x017F;chah. Das Ge&#x017F;icht des Herrn A. H. Schuß<lb/>
drückte anfänglich Neugierde, ein wenig &#x017F;päter ge-<lb/>
&#x017F;pannte Aufmerk&#x017F;amkeit aus; je weiter die Decla-<lb/>
mation vor&#x017F;chritt, de&#x017F;to auffallender wurde &#x017F;ein Be-<lb/>
tragen; Wangen und Stirn färbten &#x017F;ich kir&#x017F;chroth,<lb/>
die Augen &#x017F;cho&#x017F;&#x017F;en Blitze, um die Mundwinkel &#x017F;am-<lb/>
melte &#x017F;ich eine fürchterliche Erregung, und die Hände<lb/>
fingen an, &#x017F;ich ja derart zu bewegen, daß Fräulein<lb/>
Beate es für gerathen fand, einen zu früh los-<lb/>
brechenden Beifall des Herrn Papa durch kräftiges<lb/>
Fe&#x017F;thalten &#x017F;einer Hände und be&#x017F;chwichtigendes Wi&#x017F;peln<lb/>
hintanzuhalten.</p><lb/>
          <p>Hofer hatte geendet. Das allgemeine Beifalls-<lb/>
klat&#x017F;chen machte die Fen&#x017F;ter erzittern, man &#x017F;türzte &#x017F;ich<lb/>
auf ihn, um ihm glückwün&#x017F;chend die Hand zu drücken,<lb/>
und nur mit Mühe gelang es der Tochter des Hau&#x017F;es,<lb/>
zum Dichter &#x017F;ich durchzudrängen und den&#x017F;elben unter<lb/>
dem verheißungsvoll&#x017F;ten Lächeln zu Herrn A. H. Schuß<lb/>
hinzugeleiten. Die&#x017F;er erhob &#x017F;ich, &#x017F;türmte auf Hofer zu<lb/>
und ihn an der Schulter packend, &#x017F;chrie er dem aufs<lb/>
Höch&#x017F;te be&#x017F;türzten Dichter die wüthenden Worte zu:</p><lb/>
          <p>&#x201E;Men&#x017F;ch, wie können Sie &#x017F;ich unter&#x017F;tehen, mit<lb/>
meinen eigenen Ver&#x017F;en mich anzudichten; das Gleiche<lb/>
brachte ich &#x017F;chon vor Jahren zum Vortrag und ließ<lb/>
es drucken! Unerhörte Frechheit! Gibt er das als<lb/>
&#x017F;ein eigenes Product zum Be&#x017F;ten! Hat man je &#x017F;o<lb/>
etwas erlebt! Schämen Sie &#x017F;ich bis auf den Grund<lb/>
Ihrer Seele, Sie ...!&#x201C;</p><lb/>
          <p>Wir würden entmen&#x017F;chte Scheu&#x017F;ale &#x017F;ein, wollten<lb/>
wir die&#x017F;e Erzählung noch weiter fortführen!</p>
        </div>
      </div><lb/>
      <cb/>
      <div type="jPoliticalNews" n="1">
        <div xml:id="geständnisse2" prev="#geständnisse1" type="jArticle" n="2">
          <p><hi rendition="#g">genommen</hi> und einen großen Sturm entfacht,<lb/>
um&#x017F;omehr als &#x017F;ie &#x017F;ich bewußt gewe&#x017F;en &#x017F;eien, daß auch<lb/>
ihre December-Verfa&#x017F;&#x017F;ung &#x017F;ie in &#x017F;prachlicher Beziehung<lb/>
nicht hinreichend &#x017F;chütze.</p><lb/>
          <p>Mit die&#x017F;en Worten hat Herr Dr. Fo&#x0159;t den ganzen<lb/>
elenden Schacher mit den Sprachenverordnungen ein-<lb/>
ge&#x017F;tanden. Es i&#x017F;t wohl nur der momentanen Ver-<lb/>
legenheit gegenüber den Radicalen zuzu&#x017F;chreiben, daß<lb/>
Dr. Fo&#x0159;t &#x017F;ich die&#x017F;es kühne Ge&#x017F;tändnis entreißen ließ,<lb/>
unter andern Um&#x017F;tänden hätte der kluge Dr. Fo&#x0159;t<lb/>
wohl kaum einen &#x017F;olchen Einblick in die corrupte<lb/>
Politik des Jungczechenclubs und de&#x017F;&#x017F;en damaligen<lb/>
Gönners, des Grafen Badeni, thun la&#x017F;&#x017F;en. <hi rendition="#g">Hier ge-<lb/>
&#x017F;teht es Dr. Fo&#x0159;t ganz offen zu,</hi> daß die Jung-<lb/>
czechen mit den Verordnungen für den Ausgleich ge-<lb/>
kauft werden &#x017F;ollten, ja, daß der Kauf &#x017F;ogar<lb/>
&#x017F;chon perfekt war, und weiters ge&#x017F;teht er auch, daß<lb/>
that&#x017F;ächlich die Verordnungen eine &#x201E;Gefahr&#x201C; für die<lb/>
Deut&#x017F;chen bedeuteten. &#x2014; Würdig neben die&#x017F;er Eröff-<lb/>
nung &#x017F;teht die Erklärung, zu der &#x017F;ich Dr. Fo&#x0159;t in<lb/>
Fort&#x017F;etzung &#x017F;einer Rede ver&#x017F;tieg, daß es das er&#x017F;te<lb/>
takti&#x017F;che Ziel der czechi&#x017F;chen Abgeordneten &#x017F;ein muß,<lb/>
eine dauernde <hi rendition="#g">Con&#x017F;olidirung des cisleitha-<lb/>
ni&#x017F;chen Parlaments unmöglich zu machen,</hi><lb/>
das zweite die An&#x017F;pannung aller Kräfte, damit das<lb/>
ungeheuere Empor&#x017F;chnellen(!) des Germanenthums<lb/>
gekreuzt, paraly&#x017F;irt werde. &#x2014; Die&#x017F;e Ge&#x017F;tändni&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ind<lb/>
von geradezu <hi rendition="#g">hi&#x017F;tori&#x017F;cher Wichtigkeit.</hi> Sie &#x017F;ind<lb/>
von bleibendem Werth für die Beurtheilung der<lb/>
Politik aller Rechtsparteien im Jahre 1897.</p>
        </div>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div type="jPoliticalNews" n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Politi&#x017F;che Rund&#x017F;chau.</hi> </head><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Oe&#x017F;terreich-Ungarn.</hi> </head><lb/>
          <dateline>Wien, 3. Jänner.</dateline><lb/>
          <div type="jArticle" n="3">
            <head> <hi rendition="#b">Baron Hildprandt,</hi> </head>
            <p>dem &#x017F;eitens der Stra-<lb/>
konitzer Bezirksvertretung das Mandat Pi&#x017F;ek (Land)<lb/>
angeboten wurde, hat die Candidatur abgelehnt. &#x2014;<lb/>
Seine Candidatur hing bekanntlich mit &#x017F;einer Maß-<lb/>
regelung wegen &#x017F;eines Verhaltens bei Aufhebung der<lb/>
Badeni&#x2019;&#x017F;chen Sprachen-Verordnungen zu&#x017F;ammen. Ihm<lb/>
wurde deswegen die Officierscharge und Kämmerer-<lb/>
würde aberkannt. Es i&#x017F;t intere&#x017F;&#x017F;ant, daß &#x017F;eine Maß-<lb/>
regelung, wie wir von guter Seite hören, haupt-<lb/>
&#x017F;ächlich auf Betreiben der höch&#x017F;ten <hi rendition="#g">Militärkrei&#x017F;e</hi><lb/>
erfolgte, &#x017F;peciell einer &#x017F;ehr hohen Per&#x017F;önlichkeit.<lb/>
Hildprandt gehört zu der politi&#x017F;chen Egeria des<lb/>
Dr. Friedrich Prinz <hi rendition="#g">Schwarzenberg,</hi> den ein<lb/>
Erzherzog den &#x201E;böhmi&#x017F;chen Ko&#x017F;&#x017F;uth&#x201C; zu nennen pflegt.<lb/>
Die Aberkennung der Kämmererwürde Hildprandt&#x2019;s<lb/>
i&#x017F;t für den Um&#x017F;chwung der Verhältni&#x017F;&#x017F;e in&#x017F;ofern<lb/>
höch&#x017F;t bezeichnend, als in den Siebziger-Jahren unter<lb/>
Hinweis auf die vorhergegangene analoge Maß-<lb/>
regelung <hi rendition="#g">Giskra&#x2019;s,</hi> von berufener Seite vorge-<lb/>
&#x017F;chlagen worden war, aus einem be&#x017F;timmten Anla&#x017F;&#x017F;e<lb/>
dem Erfinder des böhmi&#x017F;chen Staatsrechtes Grafen<lb/><hi rendition="#g">Camm-Martinic</hi> und noch einem anderen Heiß-<lb/>
&#x017F;porne der czechi&#x017F;ch-feudalen Partei &#x2014; die damals<lb/>
etwas allzu nahe an den erlaubten Grenzen frondiert<lb/>
hatten &#x2014; den Hof auf eine gewi&#x017F;&#x017F;e Zeit zu verbieten.<lb/>
Damals wurde von maßgebender Stelle die&#x017F;er Vor-<lb/>
&#x017F;chlag mit der Begründung abgewie&#x017F;en, derartige<lb/>
Ahndungen &#x017F;eien gegen Mitglieder hoffähiger<lb/><hi rendition="#g">Adelsfamilien</hi> nicht zulä&#x017F;&#x017F;ig. <hi rendition="#aq">Tempora mutantur.</hi> </p>
          </div><lb/>
          <div type="jArticle" n="3">
            <head> <hi rendition="#b">Aus der chri&#x017F;tlich-&#x017F;ocialen Partei.</hi> </head>
            <p>Der<lb/>
Vorarlberger bisherige Reichsraths-Abgeordnete<lb/><hi rendition="#g">Fink,</hi> de&#x017F;&#x017F;en Wahl auch für diesmal außer Zweifel<lb/>
&#x017F;teht, wird, wie wir aus ganz &#x017F;icherer Quelle hören,<lb/>
dem <hi rendition="#g">chri&#x017F;tlich-&#x017F;ocialen Parteiverbande</hi> bei-<lb/>
treten. &#x2014; Fink gehörte bisher keinem Club an,<lb/>
&#x017F;timmte jedoch regelmäßig in den letzten Se&#x017F;&#x017F;ionen<lb/>
mit den Chri&#x017F;tlich-Socialen.</p>
          </div><lb/>
          <div type="jArticle" n="3">
            <head> <hi rendition="#b">Katholi&#x017F;che Volkspartei und Mehrheit.</hi> </head><lb/>
            <p>Das Linzer con&#x017F;ervative Blatt, das öfters von Dr.<lb/>
Ebenhoch zu politi&#x017F;chen Kundgebungen benützt wird,<lb/>
bringt eine Erörterung über die Aus&#x017F;ichten einer<lb/>
Wiederher&#x017F;tellung der Rechten. Wenn man, &#x017F;agt das<lb/>
genannte Blatt, die Frage beantworten will, ob &#x017F;ich<lb/>
die alte Rechte wieder zu&#x017F;ammenfinden &#x017F;oll und<lb/>
kann, &#x017F;o muß man zunäch&#x017F;t die Vorfrage &#x017F;ich &#x017F;tellen,<lb/>
warum &#x017F;ie denn auseinanderging. Man wird dann<lb/>
beurtheilen können. ob Gründe für die Sprengung<lb/>
der Rechten auch heute noch vorhanden &#x017F;ind. In be-<lb/>
jahendem Falle beantwortet &#x017F;ich dann die Frage über<lb/>
die Wiederher&#x017F;tellung der Rechten von &#x017F;elb&#x017F;t. Am<lb/>
Ende zeigt es &#x017F;ich &#x017F;ogar, daß noch weitere Gründe<lb/>
gegen die&#x017F;e Fu&#x017F;ion aufgekommen &#x017F;ind. Die Gründe,<lb/>
weshalb die Rechte auseinanderging, waren haupt-<lb/>
&#x017F;ächlich folgende: 1. Die czechi&#x017F;che Ob&#x017F;truction, welche<lb/>
von den Czechen trotz aller Mahnungen, Bitten und<lb/>
Drohungen der katholi&#x017F;chen Volkspartei und der<lb/>
Polen betrieben und nicht aufgegeben wurde. 2. Die<lb/>
feierliche Proclamirung des <hi rendition="#g">böhmi&#x017F;chen Staats-<lb/>
rechtes</hi> als officiellen Programmpunkt des Jung-<lb/>
czechenclubs, während das&#x017F;elbe früher lediglich in<lb/>
Reden, Zeitungsartikeln u. &#x017F;. w. hervorgehoben wurde.<lb/>
3. Der o&#x017F;tentative Kampf der Czechen gegen das<lb/>
Wiener <hi rendition="#g">Centralparlament.</hi> &#x2014; Die&#x017F;e drei<lb/>
Punkte waren es vor Allem, welche die katholi&#x017F;che<lb/>
Volkspartei zum Verla&#x017F;&#x017F;en der früheren Majorität<lb/>
veranlaßten. Der Autor folgert, daß, &#x017F;o lange die&#x017F;e<lb/>
Ur&#x017F;achen der Sprengung der Rechten nicht be&#x017F;eitigt<lb/>
&#x017F;ind, wohl naturgemäß an einen Wieder-<lb/>
zu&#x017F;ammen&#x017F;chluß der&#x017F;elben <hi rendition="#g">nicht zu denken &#x017F;ei.</hi><lb/><cb/>
&#x201E;Dazu kommt aber noch, führt der Verfa&#x017F;&#x017F;er die<lb/>
weitere Erwägung, daß man auf czechi&#x017F;cher Seite<lb/>
von einer zu bildenden &#x201E;&#x017F;lavi&#x017F;chen Gemeinbürg&#x017F;chaft&#x201C;<lb/>
&#x017F;pricht. Un&#x017F;ere Partei hatte zum nicht geringen Theile<lb/>
auch deswegen früher der Rechten &#x017F;ich ange&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
um den nackten Ra&#x017F;&#x017F;enkampf in Oe&#x017F;terreich hintan-<lb/>
zuhalten und mäßigend zu wirken, wo und wann es<lb/>
ging. Wenn &#x017F;ich nun that&#x017F;ächlich eine &#x017F;lavi&#x017F;che Ge-<lb/>
meinbürg&#x017F;chaft im neuen Parlamente &#x2014; allerdings<lb/>
mit Aus&#x017F;chluß der Polen &#x2014; bildet, &#x017F;o i&#x017F;t es doch<lb/>
klar, daß un&#x017F;erer Partei dann ihr Platz durch die&#x017F;e<lb/>
That&#x017F;ache allein &#x017F;chon angewie&#x017F;en i&#x017F;t. Aus alledem<lb/>
folgt, daß wir &#x2014; bei Aufrechthaltung obiger Punkte<lb/>
&#x017F;eitens der Czechen &#x2014; ein Zu&#x017F;ammengehen mit ihnen<lb/>
kurzweg für ausge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en erachten. Außerdem &#x017F;pricht<lb/>
aber <hi rendition="#g">gegen die Wiedererrichtung</hi> der alten<lb/>
Majorität der Um&#x017F;tand, daß durch die&#x017F;elbe die Ob-<lb/>
&#x017F;truction auf der Linken &#x017F;ofort ein&#x017F;etzen würde.&#x201C;</p>
          </div>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Deut&#x017F;ches Reich.</hi> </head><lb/>
          <div type="jArticle" n="3">
            <head> <hi rendition="#b">Der deut&#x017F;che Kai&#x017F;er</hi> </head>
            <p>hielt am 1. Jänner keine<lb/>
politi&#x017F;chen An&#x017F;prachen. Bei der Parole-Ausgabe im<lb/>
Zeughau&#x017F;e brachte der Kai&#x017F;er nur zur Sprache, daß<lb/><hi rendition="#g">Officiere</hi> &#x017F;o häufig <hi rendition="#g">Civilkleidung</hi> tragen, und<lb/>
erklärte &#x017F;ich dagegen, indem er auf die Spieler-<lb/>
proce&#x017F;&#x017F;e hinwies.</p>
          </div><lb/>
          <div type="jArticle" n="3">
            <head> <hi rendition="#b">Vom Grafen Po&#x017F;adowsky,</hi> </head>
            <p>Staats&#x017F;ecretär<lb/>
des Innern, wird wieder einmal gemeldet, &#x017F;ein Rück-<lb/>
tritt &#x017F;tehe bevor. Die agrari&#x017F;che &#x201E;Deut&#x017F;che Tagesztg.&#x201C;<lb/>
zweifelt daran, weil der Reichskanzler bei der Be-<lb/>
antwortung der Interpellation über den Fall Woedtke<lb/>
ausdrücklich erklärt habe, daß er einer Intrigue &#x017F;ich<lb/>
nicht beugen werde. Läßt er den Rücktritt des Grafen<lb/>
Po&#x017F;adowsky zu, &#x017F;o wäre damit bewie&#x017F;en, daß er ent-<lb/>
weder gezwungen worden i&#x017F;t, &#x017F;ich doch der Intrigue<lb/>
zu beugen, oder daß er auf die wichtig&#x017F;ten Ent-<lb/>
&#x017F;chließungen keinen genügend &#x017F;tarken Einfluß be&#x017F;itzt.<lb/>
Beides würde &#x017F;einem An&#x017F;ehen &#x017F;icherlich nicht förder-<lb/>
lich &#x017F;ein.</p>
          </div>
        </div><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Italien.</hi> </head><lb/>
          <head> <hi rendition="#b">Der Pap&#x017F;t als Schiedsrichter.</hi> </head>
          <p>Wie aus<lb/>
Rom berichtet wird, hat Pap&#x017F;t Leo <hi rendition="#aq">XIII.</hi> in der<lb/>
zwi&#x017F;chen der Dominicani&#x017F;chen Republik und Haiti<lb/>
&#x017F;chwebenden Streitfrage das Schiedsrichteramt über-<lb/>
nommen.</p>
        </div><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Spanien.</hi> </head><lb/>
          <head> <hi rendition="#b">Die Mini&#x017F;terkri&#x017F;is</hi> </head>
          <p>dürfte vorläufig nicht zum<lb/>
Ausbruch kommen, nachdem Madrider Blättern zu-<lb/>
folge die Frage der Marineforderungen in einer den<lb/>
Wün&#x017F;chen des Marinemini&#x017F;ters ent&#x017F;prechenden Wei&#x017F;e<lb/>
werde gelö&#x017F;t werden.</p>
        </div><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Au&#x017F;tralien.</hi> </head><lb/>
          <head> <hi rendition="#b">Vom au&#x017F;trali&#x017F;chen Staatenbund.</hi> </head>
          <p>Die<lb/>
Con&#x017F;tituirung des Staatenbundes wurde am Neu-<lb/>
jahrstage in ganz Au&#x017F;tralien fe&#x017F;tlich gefeiert. Zahllo&#x017F;e<lb/>
Stiftungen wurden errichtet, die die Erinnerung an<lb/>
die&#x017F;es denkwürdige Ereigniß für alle Zeiten wach<lb/>
erhalten &#x017F;ollen, ein prächtiges Denkmal wird errichtet<lb/>
werden, tau&#x017F;ende von Erinnerungsmedaillen wurden<lb/>
vertheilt und eine weitgehende Amne&#x017F;tie erla&#x017F;&#x017F;en. Mit<lb/>
be&#x017F;onderer Feierlichkeit wurde der Tag in der Hafen-<lb/>
&#x017F;tadt Sydney begangen, die zum Sitze des Bundes-<lb/>
gouverneurs be&#x017F;timmt i&#x017F;t. Im Hafen war das ganze<lb/>
engli&#x017F;che Süd&#x017F;eege&#x017F;chwader ver&#x017F;ammelt, und die<lb/>
Stadt &#x017F;elb&#x017F;t trug reichen Fe&#x017F;t&#x017F;chmuck. <hi rendition="#g">Neu&#x017F;eeland</hi><lb/>
i&#x017F;t dem Bunde noch nicht beigetreten, hat aber<lb/>
&#x017F;einen An&#x017F;chluß an den&#x017F;elben bereits in Erwägung<lb/>
gezogen; um &#x017F;eine Sympathien für den&#x017F;elben zu be-<lb/>
kunden, ließ es &#x017F;ich bei der ge&#x017F;trigen In&#x017F;tallation<lb/>
durch eine Deputation vertreten.</p>
        </div>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div type="jLocal" n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Gemeindezeitung.</hi> </head><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Vicebürgermei&#x017F;ter Strobach</hi> </head>
          <p>befindet &#x017F;ich<lb/>
noch immer in Reconvalescenz und bedarf zur<lb/>
völligen Wiederher&#x017F;tellung &#x017F;einer Ge&#x017F;undheit der<lb/>
größten Schonung. Vor Allem i&#x017F;t ihm das Ver-<lb/>
meiden von rauchigen und dun&#x017F;tigen Localen &#x017F;eitens<lb/>
des Arztes zur &#x017F;treng&#x017F;ten Pflicht gemacht worden.</p>
        </div><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Stadtregulirung.</hi> </head>
          <p>Stadtrath Dr. <hi rendition="#g">Mayreder</hi><lb/>
berichtete ge&#x017F;tern im Stadtrath über die Baulinien-<lb/>
be&#x017F;timmung für Theile der Singer&#x017F;traße, Seiler&#x017F;tätte<lb/>
und Liebenbergga&#x017F;&#x017F;e. Nach dem Antrage des Be-<lb/>
richter&#x017F;tatters erhält die Singer&#x017F;traße auch in ihrem<lb/>
unteren Theile eine Breite von 15 Metern, die<lb/>
Seiler&#x017F;tätte zwi&#x017F;chen Weihburg- und Singer&#x017F;traße,<lb/>
dann die Liebenbergga&#x017F;&#x017F;e längs des Palais Coburg<lb/>
eine &#x017F;olche von je 16 Metern. Ferner &#x017F;oll die<lb/>
Riemerga&#x017F;&#x017F;e geradlinig in einer Breite von 14<lb/>
Metern bis zur Weihburgga&#x017F;&#x017F;e fortge&#x017F;etzt werden.<lb/>
Die Anträge werden genehmigt.</p>
        </div><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Ueberreichung von Salvatormedaillen.</hi> </head>
          <p>Bür-<lb/>
germei&#x017F;ter Dr. Lueger überreichte ge&#x017F;tern in &#x017F;einem<lb/>
Bureau dem Bezirksvor&#x017F;teher&#x017F;tellvertreter von Maria-<lb/>
hilf Gottfried Endres, dem Armenrathe der Inneren<lb/>
Stadt Anton Feyer&#x017F;eil, ferner dem Obmann&#x017F;tellver-<lb/>
treter des Armenin&#x017F;titutes für den Bezirk Fünfhaus<lb/>
Heinrich Perna, dem Ca&#x017F;&#x017F;ier des&#x017F;elben Armenin&#x017F;tituts<lb/>
Leopold E&#x017F;chlböck, &#x017F;chließlich dem Vor&#x017F;teher der Ge-<lb/>
no&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft der Fi&#x017F;chhändler Peter Hammer&#x017F;chmidt<lb/>
die ihnen verliehenen Salvatormedaillen.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[2/0002] Wien, Freitag Reichspoſt 4. Jänner 1901 3 ſagte: „Vor Allem verwahre ich Bayern gegen den Vorwurf, daß es eine Gnade iſt, zum Reich zu ge- hören!“ Bayern gehört zum Deutſchen Reiche, die Verhältniſſe haben es ſo gefügt, mit dem Herzen wird es erſt dann zum Deutſchen Reiche gehören, wenn das Deutſche Reich es verſteht, die Herzen der Bayern zu gewinnen, und wenn in Bayern ſelbſt katholiſch und bayeriſch regiert wird. Jungczechiſche Geſtändniſſe. Letzten Sonntag iſt es dem jungezechiſchen Candidaten Dr. Fořt in Kolin ſchlecht gegangen. Die Radiealen waren in ſeiner Wählerverſammlung — an ihrer Spitze Dr. Baxa, der Gegencandidat Fořt’s, — zahlreich erſchienen und trieben ihn durch Zwiſchenrufe und die Sorge vor einem Mißtrauens- votum hart in die Enge. Bei der Vertheidigung der jungczechiſchen Politik machte Herr Dr. Fořt nun einige Geſtändniſſe, die den Baxiſten weniger intereſſant geweſen ſein dürften als uns. Herr Dr. Fort war nämlich den Radicalen gegenüber viel offenherziger, als die Jungczechen bei Hofempfängen und ſonſtigen hochpolitiſchen Gelegenheiten, wo es gilt die wahre Veranlagung mit dem „ſtaats- männiſchen“ Mäntelchen zu verhüllen, zu ſein pflegen. Herr Dr. Fořt beſchwor eingangs ſeiner Rede ſeine Zuhörer zur Einigkeit. Es gebe keine ſachlichen Gründe dafür, die bisherige Zuſammen- ſtellung der politiſchen Kampfreihen der Czechen zu ändern, denn das Weſen der ſtaatsrechtlichen Be- ſtrebungen eines jeden Czechen beſtehe in der Zurück- eroberung der nie veräußerten Rechte des König- reiches, in dem Verlangen, daß das czechiſche Volk nicht weiter mehr Miſt zum Düngen des Weizen- feldes ſeiner Unterjochung(!) ſei. Darum ſei ſechzehn Jahre lang, von 1863 bis 1879 paſſive Oppoſition getrieben worden. Die Niederlage dieſer verfehlten Taktik und ſpäter die Punctationen hätten eine Re- volution des Volkes gegen die Altczechen zur Folge gehabt und mit einem Schlage an die Stelle der altczechiſchen Einheit die jungczechiſche geſetzt. Dieſe habe unter Betonung des Staatsrechtes immer getrachtet, daß der politiſche Käfig(!) des centraliſtiſchen Parlamentes für die czechiſche Delegation nicht noch enger gemacht werde, habe genommen, wo zu nehmen war, zu ver- meiden geſucht, daß Waſſer auf die Mühle der Wider- ſacher des czechiſchen Volkes getrieben werde und habe die böhmiſche Frage in Fluß zu bringen geſucht, damit in Folge der Kriſen endlich der erſehnte Augenblick komme, in welchem der Staat entweder abdiciren oder den Forderungen der Czechen im Wege einer Reviſion ſtattgeben müßte. Auch den Ausgleich mit Ungarn habe die jung- czechiſche Delegation ſo behandelt, daß der kriſenhafte Zuſtand, aus dem die Czechen profitiren wollen, nicht aufhöre. So ſeien denn auch die Sprachen- Verordnungen nichts Anderes als die Brücke zu Verhandlungen des Staates mit den Vertretern des czechiſchen Volkes geweſen, und dieſe Verhandlungen — heute könne es Redner ſagen — ſeien auch bereits be- gonnen geweſen zu dem Zwecke, um auf Grundlage der Nimburger Reſolution die politiſchen Anſprüche der Czechen zu be- friedigen. Dieſe ſo überaus günſtige Situation ſei das Werk der jungczechiſche Politik geweſen. Die Deutſchen hätten auch — von ihrem Standpunkte mit Recht — ſofort die Gefahr für ſie wahr- ſelbe ſelbſt das Zeichen zum allgemeinen Beifall geben oder auf’s wenigſte gerührt, nach dem Taſchentuche greifen würde. Doch nichts dergleichen geſchah. Das Geſicht des Herrn A. H. Schuß drückte anfänglich Neugierde, ein wenig ſpäter ge- ſpannte Aufmerkſamkeit aus; je weiter die Decla- mation vorſchritt, deſto auffallender wurde ſein Be- tragen; Wangen und Stirn färbten ſich kirſchroth, die Augen ſchoſſen Blitze, um die Mundwinkel ſam- melte ſich eine fürchterliche Erregung, und die Hände fingen an, ſich ja derart zu bewegen, daß Fräulein Beate es für gerathen fand, einen zu früh los- brechenden Beifall des Herrn Papa durch kräftiges Feſthalten ſeiner Hände und beſchwichtigendes Wiſpeln hintanzuhalten. Hofer hatte geendet. Das allgemeine Beifalls- klatſchen machte die Fenſter erzittern, man ſtürzte ſich auf ihn, um ihm glückwünſchend die Hand zu drücken, und nur mit Mühe gelang es der Tochter des Hauſes, zum Dichter ſich durchzudrängen und denſelben unter dem verheißungsvollſten Lächeln zu Herrn A. H. Schuß hinzugeleiten. Dieſer erhob ſich, ſtürmte auf Hofer zu und ihn an der Schulter packend, ſchrie er dem aufs Höchſte beſtürzten Dichter die wüthenden Worte zu: „Menſch, wie können Sie ſich unterſtehen, mit meinen eigenen Verſen mich anzudichten; das Gleiche brachte ich ſchon vor Jahren zum Vortrag und ließ es drucken! Unerhörte Frechheit! Gibt er das als ſein eigenes Product zum Beſten! Hat man je ſo etwas erlebt! Schämen Sie ſich bis auf den Grund Ihrer Seele, Sie ...!“ Wir würden entmenſchte Scheuſale ſein, wollten wir dieſe Erzählung noch weiter fortführen! genommen und einen großen Sturm entfacht, umſomehr als ſie ſich bewußt geweſen ſeien, daß auch ihre December-Verfaſſung ſie in ſprachlicher Beziehung nicht hinreichend ſchütze. Mit dieſen Worten hat Herr Dr. Fořt den ganzen elenden Schacher mit den Sprachenverordnungen ein- geſtanden. Es iſt wohl nur der momentanen Ver- legenheit gegenüber den Radicalen zuzuſchreiben, daß Dr. Fořt ſich dieſes kühne Geſtändnis entreißen ließ, unter andern Umſtänden hätte der kluge Dr. Fořt wohl kaum einen ſolchen Einblick in die corrupte Politik des Jungczechenclubs und deſſen damaligen Gönners, des Grafen Badeni, thun laſſen. Hier ge- ſteht es Dr. Fořt ganz offen zu, daß die Jung- czechen mit den Verordnungen für den Ausgleich ge- kauft werden ſollten, ja, daß der Kauf ſogar ſchon perfekt war, und weiters geſteht er auch, daß thatſächlich die Verordnungen eine „Gefahr“ für die Deutſchen bedeuteten. — Würdig neben dieſer Eröff- nung ſteht die Erklärung, zu der ſich Dr. Fořt in Fortſetzung ſeiner Rede verſtieg, daß es das erſte taktiſche Ziel der czechiſchen Abgeordneten ſein muß, eine dauernde Conſolidirung des cisleitha- niſchen Parlaments unmöglich zu machen, das zweite die Anſpannung aller Kräfte, damit das ungeheuere Emporſchnellen(!) des Germanenthums gekreuzt, paralyſirt werde. — Dieſe Geſtändniſſe ſind von geradezu hiſtoriſcher Wichtigkeit. Sie ſind von bleibendem Werth für die Beurtheilung der Politik aller Rechtsparteien im Jahre 1897. Politiſche Rundſchau. Oeſterreich-Ungarn. Wien, 3. Jänner. Baron Hildprandt, dem ſeitens der Stra- konitzer Bezirksvertretung das Mandat Piſek (Land) angeboten wurde, hat die Candidatur abgelehnt. — Seine Candidatur hing bekanntlich mit ſeiner Maß- regelung wegen ſeines Verhaltens bei Aufhebung der Badeni’ſchen Sprachen-Verordnungen zuſammen. Ihm wurde deswegen die Officierscharge und Kämmerer- würde aberkannt. Es iſt intereſſant, daß ſeine Maß- regelung, wie wir von guter Seite hören, haupt- ſächlich auf Betreiben der höchſten Militärkreiſe erfolgte, ſpeciell einer ſehr hohen Perſönlichkeit. Hildprandt gehört zu der politiſchen Egeria des Dr. Friedrich Prinz Schwarzenberg, den ein Erzherzog den „böhmiſchen Koſſuth“ zu nennen pflegt. Die Aberkennung der Kämmererwürde Hildprandt’s iſt für den Umſchwung der Verhältniſſe inſofern höchſt bezeichnend, als in den Siebziger-Jahren unter Hinweis auf die vorhergegangene analoge Maß- regelung Giskra’s, von berufener Seite vorge- ſchlagen worden war, aus einem beſtimmten Anlaſſe dem Erfinder des böhmiſchen Staatsrechtes Grafen Camm-Martinic und noch einem anderen Heiß- ſporne der czechiſch-feudalen Partei — die damals etwas allzu nahe an den erlaubten Grenzen frondiert hatten — den Hof auf eine gewiſſe Zeit zu verbieten. Damals wurde von maßgebender Stelle dieſer Vor- ſchlag mit der Begründung abgewieſen, derartige Ahndungen ſeien gegen Mitglieder hoffähiger Adelsfamilien nicht zuläſſig. Tempora mutantur. Aus der chriſtlich-ſocialen Partei. Der Vorarlberger bisherige Reichsraths-Abgeordnete Fink, deſſen Wahl auch für diesmal außer Zweifel ſteht, wird, wie wir aus ganz ſicherer Quelle hören, dem chriſtlich-ſocialen Parteiverbande bei- treten. — Fink gehörte bisher keinem Club an, ſtimmte jedoch regelmäßig in den letzten Seſſionen mit den Chriſtlich-Socialen. Katholiſche Volkspartei und Mehrheit. Das Linzer conſervative Blatt, das öfters von Dr. Ebenhoch zu politiſchen Kundgebungen benützt wird, bringt eine Erörterung über die Ausſichten einer Wiederherſtellung der Rechten. Wenn man, ſagt das genannte Blatt, die Frage beantworten will, ob ſich die alte Rechte wieder zuſammenfinden ſoll und kann, ſo muß man zunächſt die Vorfrage ſich ſtellen, warum ſie denn auseinanderging. Man wird dann beurtheilen können. ob Gründe für die Sprengung der Rechten auch heute noch vorhanden ſind. In be- jahendem Falle beantwortet ſich dann die Frage über die Wiederherſtellung der Rechten von ſelbſt. Am Ende zeigt es ſich ſogar, daß noch weitere Gründe gegen dieſe Fuſion aufgekommen ſind. Die Gründe, weshalb die Rechte auseinanderging, waren haupt- ſächlich folgende: 1. Die czechiſche Obſtruction, welche von den Czechen trotz aller Mahnungen, Bitten und Drohungen der katholiſchen Volkspartei und der Polen betrieben und nicht aufgegeben wurde. 2. Die feierliche Proclamirung des böhmiſchen Staats- rechtes als officiellen Programmpunkt des Jung- czechenclubs, während dasſelbe früher lediglich in Reden, Zeitungsartikeln u. ſ. w. hervorgehoben wurde. 3. Der oſtentative Kampf der Czechen gegen das Wiener Centralparlament. — Dieſe drei Punkte waren es vor Allem, welche die katholiſche Volkspartei zum Verlaſſen der früheren Majorität veranlaßten. Der Autor folgert, daß, ſo lange dieſe Urſachen der Sprengung der Rechten nicht beſeitigt ſind, wohl naturgemäß an einen Wieder- zuſammenſchluß derſelben nicht zu denken ſei. „Dazu kommt aber noch, führt der Verfaſſer die weitere Erwägung, daß man auf czechiſcher Seite von einer zu bildenden „ſlaviſchen Gemeinbürgſchaft“ ſpricht. Unſere Partei hatte zum nicht geringen Theile auch deswegen früher der Rechten ſich angeſchloſſen, um den nackten Raſſenkampf in Oeſterreich hintan- zuhalten und mäßigend zu wirken, wo und wann es ging. Wenn ſich nun thatſächlich eine ſlaviſche Ge- meinbürgſchaft im neuen Parlamente — allerdings mit Ausſchluß der Polen — bildet, ſo iſt es doch klar, daß unſerer Partei dann ihr Platz durch dieſe Thatſache allein ſchon angewieſen iſt. Aus alledem folgt, daß wir — bei Aufrechthaltung obiger Punkte ſeitens der Czechen — ein Zuſammengehen mit ihnen kurzweg für ausgeſchloſſen erachten. Außerdem ſpricht aber gegen die Wiedererrichtung der alten Majorität der Umſtand, daß durch dieſelbe die Ob- ſtruction auf der Linken ſofort einſetzen würde.“ Deutſches Reich. Der deutſche Kaiſer hielt am 1. Jänner keine politiſchen Anſprachen. Bei der Parole-Ausgabe im Zeughauſe brachte der Kaiſer nur zur Sprache, daß Officiere ſo häufig Civilkleidung tragen, und erklärte ſich dagegen, indem er auf die Spieler- proceſſe hinwies. Vom Grafen Poſadowsky, Staatsſecretär des Innern, wird wieder einmal gemeldet, ſein Rück- tritt ſtehe bevor. Die agrariſche „Deutſche Tagesztg.“ zweifelt daran, weil der Reichskanzler bei der Be- antwortung der Interpellation über den Fall Woedtke ausdrücklich erklärt habe, daß er einer Intrigue ſich nicht beugen werde. Läßt er den Rücktritt des Grafen Poſadowsky zu, ſo wäre damit bewieſen, daß er ent- weder gezwungen worden iſt, ſich doch der Intrigue zu beugen, oder daß er auf die wichtigſten Ent- ſchließungen keinen genügend ſtarken Einfluß beſitzt. Beides würde ſeinem Anſehen ſicherlich nicht förder- lich ſein. Italien. Der Papſt als Schiedsrichter. Wie aus Rom berichtet wird, hat Papſt Leo XIII. in der zwiſchen der Dominicaniſchen Republik und Haiti ſchwebenden Streitfrage das Schiedsrichteramt über- nommen. Spanien. Die Miniſterkriſis dürfte vorläufig nicht zum Ausbruch kommen, nachdem Madrider Blättern zu- folge die Frage der Marineforderungen in einer den Wünſchen des Marineminiſters entſprechenden Weiſe werde gelöſt werden. Auſtralien. Vom auſtraliſchen Staatenbund. Die Conſtituirung des Staatenbundes wurde am Neu- jahrstage in ganz Auſtralien feſtlich gefeiert. Zahlloſe Stiftungen wurden errichtet, die die Erinnerung an dieſes denkwürdige Ereigniß für alle Zeiten wach erhalten ſollen, ein prächtiges Denkmal wird errichtet werden, tauſende von Erinnerungsmedaillen wurden vertheilt und eine weitgehende Amneſtie erlaſſen. Mit beſonderer Feierlichkeit wurde der Tag in der Hafen- ſtadt Sydney begangen, die zum Sitze des Bundes- gouverneurs beſtimmt iſt. Im Hafen war das ganze engliſche Südſeegeſchwader verſammelt, und die Stadt ſelbſt trug reichen Feſtſchmuck. Neuſeeland iſt dem Bunde noch nicht beigetreten, hat aber ſeinen Anſchluß an denſelben bereits in Erwägung gezogen; um ſeine Sympathien für denſelben zu be- kunden, ließ es ſich bei der geſtrigen Inſtallation durch eine Deputation vertreten. Gemeindezeitung. Vicebürgermeiſter Strobach befindet ſich noch immer in Reconvalescenz und bedarf zur völligen Wiederherſtellung ſeiner Geſundheit der größten Schonung. Vor Allem iſt ihm das Ver- meiden von rauchigen und dunſtigen Localen ſeitens des Arztes zur ſtrengſten Pflicht gemacht worden. Stadtregulirung. Stadtrath Dr. Mayreder berichtete geſtern im Stadtrath über die Baulinien- beſtimmung für Theile der Singerſtraße, Seilerſtätte und Liebenberggaſſe. Nach dem Antrage des Be- richterſtatters erhält die Singerſtraße auch in ihrem unteren Theile eine Breite von 15 Metern, die Seilerſtätte zwiſchen Weihburg- und Singerſtraße, dann die Liebenberggaſſe längs des Palais Coburg eine ſolche von je 16 Metern. Ferner ſoll die Riemergaſſe geradlinig in einer Breite von 14 Metern bis zur Weihburggaſſe fortgeſetzt werden. Die Anträge werden genehmigt. Ueberreichung von Salvatormedaillen. Bür- germeiſter Dr. Lueger überreichte geſtern in ſeinem Bureau dem Bezirksvorſteherſtellvertreter von Maria- hilf Gottfried Endres, dem Armenrathe der Inneren Stadt Anton Feyerſeil, ferner dem Obmannſtellver- treter des Armeninſtitutes für den Bezirk Fünfhaus Heinrich Perna, dem Caſſier desſelben Armeninſtituts Leopold Eſchlböck, ſchließlich dem Vorſteher der Ge- noſſenſchaft der Fiſchhändler Peter Hammerſchmidt die ihnen verliehenen Salvatormedaillen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Benjamin Fiechter, Susanne Haaf: Bereitstellung der digitalen Textausgabe (Konvertierung in das DTA-Basisformat). (2018-01-26T13:38:42Z)
grepect GmbH: Bereitstellung der Texttranskription und Textauszeichnung. (2018-01-26T13:38:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Amelie Meister: Vorbereitung der Texttranskription und Textauszeichnung. (2018-01-26T13:38:42Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): keine Angabe; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: keine Angabe; Silbentrennung: keine Angabe; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: keine Angabe;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_reichspost003_1901
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_reichspost003_1901/2
Zitationshilfe: Reichspost. Nr. 3, Wien, 04.01.1901, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_reichspost003_1901/2>, abgerufen am 25.04.2024.