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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 274. Köln, 17. April 1849.

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Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
N 274. Köln, Dienstag, den 17. April. 1849.

Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. - Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Hovas, 3 Rue Jean Jacques Rcusseau.

Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet. - Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis. - Nur frankirte Briefe werden angenommen. - Expedition in Aachen bei Ernst ter Meer; in Düsseldorf bei F. W. Schmitz, Burgplatz; in Köln Unter Hutmacher Nro. 17.

Uebersicht.

Deutschland. Aachen. (Baron v. Maltitz.) Soest. (Mißtrauens-Votum an Bodelschwingh.) Berlin. (Klatsch. - Zweite Kammer.) Wien. (Vermischtes. - Truppenverminderung. - Standrechtsvergnügen.) Dessau. (Demokratischer Wahlsieg.) Erfurt. (Soldatenexcesse. - Belagerungsfreundliche Adresse.) Aus Baden. (Der Prozeß Bornstedt.)

Ungarn. Vom Kriegsschauplatze.

Italien. Genua. (Der Kampf der Republikaner.) Parma. (Oestreichische Wirtschaft.) Neapel. (Drei Dekrete. - Sizilisches.) Triest. (Die sardinische Flotte.)

Franz. Republik. Paris. (Manifest des "National", des "Berges" und des Hrn. Guizot. - Vermischtes. - National-Versammlung.)

Donaufürstenthümer. Jaffy. (Censur. - Vermischtes.)

Deutschland.
067 Aachen, 15. April.

Der königlich preußische Direktor des hiesigen Gefangnenhauses, Herr Baron v. Maltitz, Hochwohlgeboren, ist seit einigen Tagen flüchtig geworden. Vor etwa 18 Jahren kam er hierhin, nackt und blos, wie das sehr oft mit preußischen Baronen der Fall ist, und ward mit der Verwaltung des Gefangnenhauses betraut. Sein etatsmäßiges Gehalt betrug etwa 600 Thlr. nebst freier Wohnung, wovon ein Beamter mit Familie sich nicht bereichern kann. Schon in den ersten Jahren seiner Dienstführung bemerkte man eine ungewöhnliche Zunahme des v. Maltitz'schen Vermögens, er kaufte Häuser, richtete sich ein wie ein Lord und gab Soirees wie ein Herzog. Natürlich steckten nur die Herren der hochlöblichen Regierung die Füße unter seinen Tisch, die andrerseits, als seine Curatoren, fortwährend eingehende wohlbegründete Beschwerden über die Amtsführung des opulenten Mündels großmüthig zu beseitigen wußten. Dies Beseitigen ging so weit, daß vor jetzt zehn Jahren, bei einer, durch höchst erhebliche Anklagen hervorgerufenen extraordinären Revision, sämmtliche in Betracht kommende Rechnungsbücher des v. Maltitz - mirabile dictu - plötzlich verschwunden waren, wofür die hochlöbliche Regierung - mirabilius dictu - den v. Maltitz mit einem disziplinarischen Verweise zu belegen geruhete. Das war Alles! Die Sache behielt ihren Fortgang, und Herr v. Maltitz kaufte inzwischen sieben Häuser, womit er in seinen heimathlichen Gauen eine kleine Stadt gründen könnte. Diese Besitzthümer sind auf seine Schwägerin eingeschrieben, eine arme Offizierstochter, die aus milden Stiftungen lebte.

In der ganzen Stadt und Umgegend war es längst offenkundig, daß v. Maltitz mit den Arbeitern und Arbeiten der Anstalt die schmählichste Wirthschaft trieb, daß er nach allen Richtungen hin betrog und unterschlug, daß unter andern der jetzt nach Arnsberg vertriebene Ober-Regierungsrath Bartels, preislichen Andenkens, sein ganzes kostbares Mobilar aus den Werkstätten der Gefangnen-Anstalt in eigenthümlicher Verrechnungsweise bezogen, u. dgl. m.; - nur die hochlöbliche Regierung wußte nichts, denn Hr. v. Maltitz gehörte zu dem heulenden, frommen schwarzen Weißthume, war ein spezifischer Preuße, und - es ließ sich mit ihm leben. Trotz alledem und alledem brach zuletzt, nach sehr vielen ostensiblen Demonstrationen, die Volksstimme durch und die Hochlöbliche mußte bongre malgre eine Untersuchung einleiten, die mit einem Male so bedenklich erschien, daß man sie den Händen der heiligen Justiz überantwortete. Alsbald, und zwar am 7. d. M., wurde darauf ein Verhaftsbefehl gegen v. Maltitz erlassen, der unbewacht in seiner, vom Gefangnenhause getrennten Wohnung verblieb bis zum 11., wo er es dann für zweckdienlich fand, das Weite zu suchen. Man sagt, er habe sich in die Arme seines Vetters, des Ministers v. Ladenberg, geflüchtet. Auch dürfte sich vielleicht Hansemann seiner annehmen, der noch jüngst seinen Schwager, den hier dreimal fallirten Woll- und Champagnerhändler Weise nach Berlin berief, um ihn in der königlich preußischen Finanzpartie anzustellen.

X Soest, 12. April.

Unser Abgeordneter zur zweiten Kammer, Herr v. Bodelschwingh, erläßt im hiesigen Wochenblatte häufig Anfragen an seine Wähler. Seine Aufsätze sind meistens religiösen Inhalts. Es scheint aber, daß unsere Wahlmänner mit den Anweisungen dieses Staatsmannes auf den Himmel nicht mehr zufrieden sein wollen. Sicher ist, daß Herr v. Bodelschwingh aus dem hiesigen Wahlkreise ein starkes Mißtrauens-Votum erhalten hat, welches eine Masse Unterschriften von Wahlmännern und Urwählern enthielt.

* Berlin, 14. April.

Die Gerüchte einer Pallastrevolution, welche die Abdankung des Königs herbeiführen und den Prinzen von Preußen an seine Stelle setzen würde, greifen immer mehr um sich. Wir wären also nach unserer Revolution glücklich dahin gelangt, wo die Türken schon lange stehen.

- Während der Osterferien haben die meisten Abgeordneten Gelegenheit gehabt ihren Mandanten Rechenschaft zu geben. Wir halten es für unnöthig auf diese Thätigkeit der Herren einzugehen und bemerken nur, daß unter Andern der Graf Ziethen in Breslau die ganze Linke für Anarchisten erklärt hat. Blinder Ziethen; glückliche Linke!

* Berlin, 14. April.

Sitzung der zweiten Kammer.

Der Präsident Grabow läßt ein Schreiben des Staatsministeriums verlesen, worin dasselbe weitläufig auseinandersetzt, daß es sich nicht veranlaßt fühle, auf den Beschluß der Kammer einzugehen und den Mitgliedern derselben Portofreiheit für alle Sachen bis zu fünf Pfund zu bewilligen. In einer beiliegenden Denkschrift setzt das Ministerium seine Gründe auseinander. - Der Präsident Grabow ersucht nun die Abgeordneten, ihren Kommittenten anzuzeigen, daß dieselben, im Falle sie Petitionen u. dgl. einsenden wollen solche per Adresse des Präsidiums zu senden haben. Ebenso wenn die Abgeordneten Briefe und Aktenstücke, welche schwerer als zwei Loth sind, zu versenden haben, können dieselbe im Präsidium zur Beförderung abgegeben werden.

Ein zweites Schreiben des Ministeriums bringt eine Erwiderung auf den gegen die Gerichtsorganisation angenommenen Evelt'schen Antrag, den das Ministerium ebenfalls nicht berücksichtigen kann, da es den Grundsatz festhalten müsse, nur kollegialische Gerichte mit wenigstens fünf Richtern ferner bestehen zu lassen.

Hierauf werden folgende dringende Anträge verlesen, und nachdem sie ausreichende Unterstützung gefunden, an verschiedene Kommissionen zur schleunigen Berichterstattung überwiesen.

1) Sperling (Insterburg) und Genossen:

"Daß fortan die Stadt Gumbinnen bei Veranlagung der Servissteuer zu den Städten zweiter Klasse gezählt, und ihr der durch die unrichtige und nicht gesetzliche Klassifikation zur ersten Klasse vom Jahre 1817 ab mit jährlich 1055 Thlr. zu viel abgezahlte Betrag aus Staatsfonds erstattet werde."

2)Pflücker und Genossen. Die Kammer wolle beschließen:

1) eine Aufforderung an das Ministerium für alle wegen politischer, seit dem 18. März 1848 verübten Verbrechen und Vergehen gerichtlich, militärgerichtlich, ehrengerichtlich oder im Disziplinarwege Verurtheilte bei des Königs Majestät die Begnadigung und beziehungsweise Rehabilitirung zu beantragen;

2) ein Gesetz, wie folgt:

§. 1.

Alle wegen politischer, in der Zeit vom 18. März 1848 bis 26. Februar 1849 verübter Verbrechen und Vergehen eingeleiteten gerichtlichen, militärgerichtlichen, ehrengerichtlichen und Disziplinar-Untersuchungen und Vor-Untersuchungen sind niederzuschlagen.

§. 2.

Wegen politischer, in der Zeit vom 18. März 1848 bis 25. Februar 1849 verübter Verbrechen und Vergehen findet keine gerichtliche, militärgerichtliche, ehrengerichtliche oder Disziplinar-Untersuchung weiter Statt.

Motive:

Die Erfolglosigkeit des in der Adresse an des Königs Majestät gestellten Amnestiegesuchs und dringende Mahnungen aus allen Landestheilen wegen schleuniger Erledigung einer, über das Wohl und die Ruhe von Tausenden von Familien entscheidenden Frage, sprechen für die Dringlichkeit des vorstehenden Antrages.

Der Justizminister Simons nimmt das Wort: In den Motiven dieses Antrages ist von der Erfolglosigkeit des in der Adresse an des Königs Majestät gestellten Amnestiegesuchs die Rede. Dies veranlaßt mich zu der Erklärung, daß damals sogleich an alle Gerichte und Staatsprokuratoren die Aufforderung abgegangen, eine Liste aller, seit dem 18. März v. J. Verurtheilten und wegen politischen Verbrechen in Untersuchung Befindlichen, schleunigst einzusenden und dabei zu bemerken, welche von ihnen sich zu einer ganzen oder theilweisen Begnadigung eignen würden.

3) Schulze (Delitzsch) und Genossen:

"Daß sofort eine besondere Kommission von 21 Mitgliedern zur Untersuchung der Arbeiter-Verhältnisse gebildet werde, welche, unter Benutzung der einschlagenden Petitionen, der Kammer Vorschläge über Abhülfe des drückenden Nothstandes der arbeitenden Klassen zu machen habe."

4) Dieselben:

"Daß die Staatsregierung aufzufordern sei, das Gesetz, de dato Frankfurt d n 27. Dezember 1848, betreffend die Grundrechte des deutschen Volkes nebst dem dazu gehörigen Einführungsgesetze vom gleichen Tage in die Gesetzsammlung für die preußischen Staaten aufzunehmen."

Knauth und Genossen:

"Die Geschäftsordnung dahin zu ändern, daß die Wahl des Präsidenten und der Vicepräsidenten in je vier Wochen erneuert wird."

Hierauf wird die Debatte über § 1 des Plakatengesetzes eroffnet. Ebertz spricht gegen und Ulrich für den Entwurf.

Kirchmann: Was nützt es, wenn ich auch noch so klar die Ungerechtigkeit des Entwurfs und die Unschädlichkeit der Plakate beweise, die Herrn auf dieser Seite werden sich nicht davon überzeugen lassen; sie gleichen den Kindern, welchen man mathematisch das Unbegründete ihrer Gespensterfurcht auseinandersetzt, die sich aber dennoch sogar am Tage fürchten. Die Plakate haben hier im vorigen Jahre nie Aufregung hervorgebracht. Die Aufregung und Excesse hatten einen ganz anderen Grund. Der große Zug am 13. Mai vor das Hotel des Ministers Camphausen war nicht eine Folge der Plakate, sondern der Zurückberufung des Prinzen von Preußen. Der Zeughaussturm ist ebenso nicht durch Plakate, sondern durch die Verschiffung von Gewehren aus dem Zeughause und nicht gehaltene Versprechungen der allgemeinen Volksbewaffnung.... Wenn der Herr Minister Frankreich uns als Beispiel aufstellt, so spricht dies gerade gegen ihn. Die revolutionären Bewegungen vermehren sich trotz des Plakatenverbots, während wir England und Amerika mit ihrer Plakatenfreiheit ganz ruhig sehen. Demnach wirken die Plakate mit zur Beruhigung.

Nachdem der Berichterstatter noch die Debatte rekapitulirt hat, kommt man zur Abstimmung.

Jung zieht sein Amendement zu § 1 zurück.

Die namentliche Abstimmung über § 1 erfolgt, derselbe wird mit 162 gegen 148 Stimmen verworfen.

Graf Arnim (persönliche Bemerkung): Bezugnehmend auf eine Bemerkung eines frühern Redners, müsse er bemerken, daß er von seinen Wählern in Prenzlau eine Petition erhalten, welche bittet, den Belagerungszustand nicht vor Annahme dieser Gesetze aufzuheben. Er sei freilich nicht von der demokratischen Partei gewählt, welche heute eine Petition im entgegengesetzten Sinne einbrachte.

Die Debatte über § 2 wird eröffnet.

Borchardt kommt jedoch nochmals auf § 1 zurück, indem er die vom Minister gestern und heute vorgebrachten Gründe, was die rheinische Gesetzgebung betrifft, widerlegt.

Der Justizminister sucht ihn zu widerlegen.

Jung spricht für sein Amendement, welches die bisher noch bestehenden Bestimmungen des Gewerbegesetzes, wonach das Gewerbe der Buchhändler, Buchdrucker etc. einer polizeilichen Erlaubniß bedarf und der Hausirhandel mit Druckschriften verboten ist, aufgehoben werden sollen.

Meusebach für den § 2 des Entwurfs.

Wollheim: Die bisherigen Redner haben über diesen Paragraphen nur als Gewerbegesetz gesprochen, es ist aber ein rein politisches Gesetz. Wäre dies nicht der Fall, so müßten diese Vorlagen ins Gewerbegesetz oder Landespolizeigesetz aufgenommen werden. Daß es aber ein rein politisches Gesetz ist, sehen wir schon daraus, daß es von den Ministern als nothwendig und dringend bezeichnet ist.

Minister Manteuffel: Dies Gesetz, dessen § 1 Sie eben verworfen haben, halte ich allerdings zur Erhaltung der Ruhe und Ordnung für nothwendig. Wegen Mangel an betreffenden Gesetzen haben wir diese vorgelegt. Das Land hat sie von uns verlangt. Nicht aus Mangel an Gesetzen soll Anarchie entstehen und demnach haben wir auch bisher mit Gottes Hülfe die nöthigen Gesetze erlassen und wir glauben mit Zustimmung des ganzen Landes.

Der Schluß der Debatte wird angenommen und man kommt zur Abstimmung. Jungs Amendement wird verworfen und § 2, welcher lautet:

"Wer auf öffentlichen Straßen zur Verbreitung im Publikum bestimmte Druckschriften oder bildliche Darstellungen verkaufen oder vertheilen, oder das Anheften derselben gewerbmäßig betreiben will, bedarf dazu einer Erlaubniß der Ortspolizeibehörde und muß den Erlaubnißschein, in welchem sein Name ausgedrückt ist, bei sich führen. Die Erlaubniß kann aus den Gründen zurückgenommen werden, aus welchen nach der allgemeinen Gesetzgebung die Entziehung gewerblicher Konzessionen erfolgt." (Der Entwurf der Regierung hatte statt des letzten Satzes: "Die Erlaubniß kann jederzeit zurückgezogen werden.)

mit 157 gegen 152 Stimmen angenommen.

Der § 3, lautend:

"Zuwiderhandlungen wieder die vorstehenden Vorschriften ziehen polizeiliche Ahndung bis zu 50 Thlr. Geldbuße, im Unvermögensfalle bis 6 Wochen Gefängniß nach sich,"

wird angenommen.

Schluß der Sitzung.

G. Erfurt, 13. April.

Vor einigen Tagen fand hier wieder ein von Soldaten verübter Tumult statt, bei welchen die abscheulichsten Gewaltthätigkeiten an einem Bierbrauerbesitzer, da dieser die Ruhestörungen Seitens der Soldaten nicht zugeben wollte, verübt wurden. Die Excedenten sind allerdings verhaftet und zur Untersuchung gezogen worden, indessen wird ihrer wohl nur ein mildes Urtheil warten, da die Mißhandlungen von Soldaten an Bürgern verübt, bekanntlich eben nicht strenge geahndet werden. Unsere Beamten und Junker haben eine Petition wegen Fortdauer de Belagerungszustandes gemacht und dafür die Unterschriften einiger anderer hundert Bewohner erschlichen, um so die Regierung und die Kammer zu täuschen. Spaßhaft ist dabei, daß sich zu diesen Unterschriften auch etwa 30 unserer Bürgerschützen verleiten ließen, welche um die nämliche Zeit eine Petition an den Kommandanten gerichtet hatten, daß ihnen endlich ihre Privatwaffen zurück gegeben werden möchten. Sie wurden natürlich abschläglich beschieden. Ihre Bitte um Fortdauer des Belagerungszustandes soll dagegen wahlgefälliger aufgenommen worden sein. - Alle Privatwaffen der Bürger Erfurts befinden sich noch in den Festungs-Magazinen.

* Wien, 12. April.

Auf die letzte preußische Circularnote in Betreff der Frankfurter Kaiserfabrikation antwortet die östreichische Regierung, daß sie der Ausführung der in jener preußischen Note ausgesprochenen Absichten ihre Zustimmung nicht ertheilen, noch viel weniger dieselben befördern kann. Die Nationalversammlung in Frankfurt habe durch die Wahl eines Erbkaisers ihre Vollmacht überschritten und durch ihre Permanenzerklärung den Boden des Rechts verlassen. "Für uns", heißt es an einer Stelle der k. k. Antwort, "besteht die Nationalversammlung nicht mehr und kann daher weder auf Anordnungen hinsichtlich einer neu zu bildenden provisorischen Centralgewalt Einfluß üben, noch einen Antheil an Verhandlungen zum Behufe einer Vereinbarung über das von ihr selbst für abgeschlossen erklärte Verfassungswerk nehmen." Weiter heißt es dann: "Sollte demnach der Erzherzog-Reichsverweser, an welchen von Seiten Sr. Majestät des Kaisers eine dringende Aufforderung ergangen ist, sein Amt noch fortzuführen, bis auf gesetzlichem Wege für die Leitung der deutschen Angelegenheiten Vorsorge getroffen sein wird, diesem Wunsche aus unvorhergesehenen Gründen nicht zu entsprechen vermögen, müßten wir gegen die Uebernahme und Ausübung dieser Gewalt durch Eine der deutschen Regierungen allein, entschiedene Einsprache erheben und darauf bestehen, daß sie in einer Weise organisirt werde, welche sämmtlichen Regierungen eine gerechte Vertretung zu sichern im Stande wäre."

Da unter diesen Umständen mit der National-Versammlung keine weitere Verhandlung über das Verfassungswerk gepflogen werden kann, die Centralgewalt aber in ihrer Eigenschaft als eine rein exekutive Behörde hiezu nicht berufen wäre, und Se. Majestät der Kaiser an dem bereits ausgesprochenen Grundsatze festhalten müssen, Sich und Ihre Staaten der von einem andern Deutschen Fürsten gehandhabten Centralgewalt nicht unterordnen zu können, wir demnach auf der von Preußen aufgestellten Grundlage auch mit dessen Bevollmächtigten, wie mit jenen anderer Deutschen Fürsten in Frankfurt nicht zu unterhandeln vermögen, sind wir nicht in der Lage der an uns ergangenen Einladung zu entsprechen, und einen Bevollmächtigten zu den daselbst beabsichtigten Verhandlungen zu entsenden!"

Ueber die Ereignisse vor Pesth herrscht unter der hiesigen Bevölkerung eine unbeschreibliche Spannung, die sich um so mehr noch mit jedem Augenblicke steigert, als die Regierung auch nicht ein Wörtchen über den Stand der Dinge in Ungarn laut werden läßt. Gestern Abend hatte sich eine große Menschenmasse vor der Staatsdruckerei angehäuft, um das Erscheinen eines neuen Bülletins abzuwarten. Allein nach langem, langem Harren mußte die Menge sich entfernen, da ihr erklärt wurde, daß kein Bülletin ausgegeben werde!!

Die Zahl der "Vertrauten," feiner Ausdruck für geheime Polizeispione, beläuft sich für Wien auf bereits mehr als 6000.

Das Verbot, rothe Kleidungsstücke etc. zu tragen, wird auf's Strengste durchgeführt.

Dienstmädchen wurden festgehalten, weil sie rothe Korallen und

Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
N 274. Köln, Dienstag, den 17. April. 1849.

Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. ‒ Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Hovas, 3 Rue Jean Jacques Rcusseau.

Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet. ‒ Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis. ‒ Nur frankirte Briefe werden angenommen. ‒ Expedition in Aachen bei Ernst ter Meer; in Düsseldorf bei F. W. Schmitz, Burgplatz; in Köln Unter Hutmacher Nro. 17.

Uebersicht.

Deutschland. Aachen. (Baron v. Maltitz.) Soest. (Mißtrauens-Votum an Bodelschwingh.) Berlin. (Klatsch. ‒ Zweite Kammer.) Wien. (Vermischtes. ‒ Truppenverminderung. ‒ Standrechtsvergnügen.) Dessau. (Demokratischer Wahlsieg.) Erfurt. (Soldatenexcesse. ‒ Belagerungsfreundliche Adresse.) Aus Baden. (Der Prozeß Bornstedt.)

Ungarn. Vom Kriegsschauplatze.

Italien. Genua. (Der Kampf der Republikaner.) Parma. (Oestreichische Wirtschaft.) Neapel. (Drei Dekrete. ‒ Sizilisches.) Triest. (Die sardinische Flotte.)

Franz. Republik. Paris. (Manifest des „National“, des „Berges“ und des Hrn. Guizot. ‒ Vermischtes. ‒ National-Versammlung.)

Donaufürstenthümer. Jaffy. (Censur. ‒ Vermischtes.)

Deutschland.
067 Aachen, 15. April.

Der königlich preußische Direktor des hiesigen Gefangnenhauses, Herr Baron v. Maltitz, Hochwohlgeboren, ist seit einigen Tagen flüchtig geworden. Vor etwa 18 Jahren kam er hierhin, nackt und blos, wie das sehr oft mit preußischen Baronen der Fall ist, und ward mit der Verwaltung des Gefangnenhauses betraut. Sein etatsmäßiges Gehalt betrug etwa 600 Thlr. nebst freier Wohnung, wovon ein Beamter mit Familie sich nicht bereichern kann. Schon in den ersten Jahren seiner Dienstführung bemerkte man eine ungewöhnliche Zunahme des v. Maltitz'schen Vermögens, er kaufte Häuser, richtete sich ein wie ein Lord und gab Soirées wie ein Herzog. Natürlich steckten nur die Herren der hochlöblichen Regierung die Füße unter seinen Tisch, die andrerseits, als seine Curatoren, fortwährend eingehende wohlbegründete Beschwerden über die Amtsführung des opulenten Mündels großmüthig zu beseitigen wußten. Dies Beseitigen ging so weit, daß vor jetzt zehn Jahren, bei einer, durch höchst erhebliche Anklagen hervorgerufenen extraordinären Revision, sämmtliche in Betracht kommende Rechnungsbücher des v. Maltitz ‒ mirabile dictu ‒ plötzlich verschwunden waren, wofür die hochlöbliche Regierung ‒ mirabilius dictu ‒ den v. Maltitz mit einem disziplinarischen Verweise zu belegen geruhete. Das war Alles! Die Sache behielt ihren Fortgang, und Herr v. Maltitz kaufte inzwischen sieben Häuser, womit er in seinen heimathlichen Gauen eine kleine Stadt gründen könnte. Diese Besitzthümer sind auf seine Schwägerin eingeschrieben, eine arme Offizierstochter, die aus milden Stiftungen lebte.

In der ganzen Stadt und Umgegend war es längst offenkundig, daß v. Maltitz mit den Arbeitern und Arbeiten der Anstalt die schmählichste Wirthschaft trieb, daß er nach allen Richtungen hin betrog und unterschlug, daß unter andern der jetzt nach Arnsberg vertriebene Ober-Regierungsrath Bartels, preislichen Andenkens, sein ganzes kostbares Mobilar aus den Werkstätten der Gefangnen-Anstalt in eigenthümlicher Verrechnungsweise bezogen, u. dgl. m.; ‒ nur die hochlöbliche Regierung wußte nichts, denn Hr. v. Maltitz gehörte zu dem heulenden, frommen schwarzen Weißthume, war ein spezifischer Preuße, und ‒ es ließ sich mit ihm leben. Trotz alledem und alledem brach zuletzt, nach sehr vielen ostensiblen Demonstrationen, die Volksstimme durch und die Hochlöbliche mußte bongré malgré eine Untersuchung einleiten, die mit einem Male so bedenklich erschien, daß man sie den Händen der heiligen Justiz überantwortete. Alsbald, und zwar am 7. d. M., wurde darauf ein Verhaftsbefehl gegen v. Maltitz erlassen, der unbewacht in seiner, vom Gefangnenhause getrennten Wohnung verblieb bis zum 11., wo er es dann für zweckdienlich fand, das Weite zu suchen. Man sagt, er habe sich in die Arme seines Vetters, des Ministers v. Ladenberg, geflüchtet. Auch dürfte sich vielleicht Hansemann seiner annehmen, der noch jüngst seinen Schwager, den hier dreimal fallirten Woll- und Champagnerhändler Weise nach Berlin berief, um ihn in der königlich preußischen Finanzpartie anzustellen.

X Soest, 12. April.

Unser Abgeordneter zur zweiten Kammer, Herr v. Bodelschwingh, erläßt im hiesigen Wochenblatte häufig Anfragen an seine Wähler. Seine Aufsätze sind meistens religiösen Inhalts. Es scheint aber, daß unsere Wahlmänner mit den Anweisungen dieses Staatsmannes auf den Himmel nicht mehr zufrieden sein wollen. Sicher ist, daß Herr v. Bodelschwingh aus dem hiesigen Wahlkreise ein starkes Mißtrauens-Votum erhalten hat, welches eine Masse Unterschriften von Wahlmännern und Urwählern enthielt.

* Berlin, 14. April.

Die Gerüchte einer Pallastrevolution, welche die Abdankung des Königs herbeiführen und den Prinzen von Preußen an seine Stelle setzen würde, greifen immer mehr um sich. Wir wären also nach unserer Revolution glücklich dahin gelangt, wo die Türken schon lange stehen.

‒ Während der Osterferien haben die meisten Abgeordneten Gelegenheit gehabt ihren Mandanten Rechenschaft zu geben. Wir halten es für unnöthig auf diese Thätigkeit der Herren einzugehen und bemerken nur, daß unter Andern der Graf Ziethen in Breslau die ganze Linke für Anarchisten erklärt hat. Blinder Ziethen; glückliche Linke!

* Berlin, 14. April.

Sitzung der zweiten Kammer.

Der Präsident Grabow läßt ein Schreiben des Staatsministeriums verlesen, worin dasselbe weitläufig auseinandersetzt, daß es sich nicht veranlaßt fühle, auf den Beschluß der Kammer einzugehen und den Mitgliedern derselben Portofreiheit für alle Sachen bis zu fünf Pfund zu bewilligen. In einer beiliegenden Denkschrift setzt das Ministerium seine Gründe auseinander. ‒ Der Präsident Grabow ersucht nun die Abgeordneten, ihren Kommittenten anzuzeigen, daß dieselben, im Falle sie Petitionen u. dgl. einsenden wollen solche per Adresse des Präsidiums zu senden haben. Ebenso wenn die Abgeordneten Briefe und Aktenstücke, welche schwerer als zwei Loth sind, zu versenden haben, können dieselbe im Präsidium zur Beförderung abgegeben werden.

Ein zweites Schreiben des Ministeriums bringt eine Erwiderung auf den gegen die Gerichtsorganisation angenommenen Evelt'schen Antrag, den das Ministerium ebenfalls nicht berücksichtigen kann, da es den Grundsatz festhalten müsse, nur kollegialische Gerichte mit wenigstens fünf Richtern ferner bestehen zu lassen.

Hierauf werden folgende dringende Anträge verlesen, und nachdem sie ausreichende Unterstützung gefunden, an verschiedene Kommissionen zur schleunigen Berichterstattung überwiesen.

1) Sperling (Insterburg) und Genossen:

„Daß fortan die Stadt Gumbinnen bei Veranlagung der Servissteuer zu den Städten zweiter Klasse gezählt, und ihr der durch die unrichtige und nicht gesetzliche Klassifikation zur ersten Klasse vom Jahre 1817 ab mit jährlich 1055 Thlr. zu viel abgezahlte Betrag aus Staatsfonds erstattet werde.“

2)Pflücker und Genossen. Die Kammer wolle beschließen:

1) eine Aufforderung an das Ministerium für alle wegen politischer, seit dem 18. März 1848 verübten Verbrechen und Vergehen gerichtlich, militärgerichtlich, ehrengerichtlich oder im Disziplinarwege Verurtheilte bei des Königs Majestät die Begnadigung und beziehungsweise Rehabilitirung zu beantragen;

2) ein Gesetz, wie folgt:

§. 1.

Alle wegen politischer, in der Zeit vom 18. März 1848 bis 26. Februar 1849 verübter Verbrechen und Vergehen eingeleiteten gerichtlichen, militärgerichtlichen, ehrengerichtlichen und Disziplinar-Untersuchungen und Vor-Untersuchungen sind niederzuschlagen.

§. 2.

Wegen politischer, in der Zeit vom 18. März 1848 bis 25. Februar 1849 verübter Verbrechen und Vergehen findet keine gerichtliche, militärgerichtliche, ehrengerichtliche oder Disziplinar-Untersuchung weiter Statt.

Motive:

Die Erfolglosigkeit des in der Adresse an des Königs Majestät gestellten Amnestiegesuchs und dringende Mahnungen aus allen Landestheilen wegen schleuniger Erledigung einer, über das Wohl und die Ruhe von Tausenden von Familien entscheidenden Frage, sprechen für die Dringlichkeit des vorstehenden Antrages.

Der Justizminister Simons nimmt das Wort: In den Motiven dieses Antrages ist von der Erfolglosigkeit des in der Adresse an des Königs Majestät gestellten Amnestiegesuchs die Rede. Dies veranlaßt mich zu der Erklärung, daß damals sogleich an alle Gerichte und Staatsprokuratoren die Aufforderung abgegangen, eine Liste aller, seit dem 18. März v. J. Verurtheilten und wegen politischen Verbrechen in Untersuchung Befindlichen, schleunigst einzusenden und dabei zu bemerken, welche von ihnen sich zu einer ganzen oder theilweisen Begnadigung eignen würden.

3) Schulze (Delitzsch) und Genossen:

„Daß sofort eine besondere Kommission von 21 Mitgliedern zur Untersuchung der Arbeiter-Verhältnisse gebildet werde, welche, unter Benutzung der einschlagenden Petitionen, der Kammer Vorschläge über Abhülfe des drückenden Nothstandes der arbeitenden Klassen zu machen habe.“

4) Dieselben:

„Daß die Staatsregierung aufzufordern sei, das Gesetz, de dato Frankfurt d n 27. Dezember 1848, betreffend die Grundrechte des deutschen Volkes nebst dem dazu gehörigen Einführungsgesetze vom gleichen Tage in die Gesetzsammlung für die preußischen Staaten aufzunehmen.“

Knauth und Genossen:

„Die Geschäftsordnung dahin zu ändern, daß die Wahl des Präsidenten und der Vicepräsidenten in je vier Wochen erneuert wird.“

Hierauf wird die Debatte über § 1 des Plakatengesetzes eroffnet. Ebertz spricht gegen und Ulrich für den Entwurf.

Kirchmann: Was nützt es, wenn ich auch noch so klar die Ungerechtigkeit des Entwurfs und die Unschädlichkeit der Plakate beweise, die Herrn auf dieser Seite werden sich nicht davon überzeugen lassen; sie gleichen den Kindern, welchen man mathematisch das Unbegründete ihrer Gespensterfurcht auseinandersetzt, die sich aber dennoch sogar am Tage fürchten. Die Plakate haben hier im vorigen Jahre nie Aufregung hervorgebracht. Die Aufregung und Excesse hatten einen ganz anderen Grund. Der große Zug am 13. Mai vor das Hotel des Ministers Camphausen war nicht eine Folge der Plakate, sondern der Zurückberufung des Prinzen von Preußen. Der Zeughaussturm ist ebenso nicht durch Plakate, sondern durch die Verschiffung von Gewehren aus dem Zeughause und nicht gehaltene Versprechungen der allgemeinen Volksbewaffnung.… Wenn der Herr Minister Frankreich uns als Beispiel aufstellt, so spricht dies gerade gegen ihn. Die revolutionären Bewegungen vermehren sich trotz des Plakatenverbots, während wir England und Amerika mit ihrer Plakatenfreiheit ganz ruhig sehen. Demnach wirken die Plakate mit zur Beruhigung.

Nachdem der Berichterstatter noch die Debatte rekapitulirt hat, kommt man zur Abstimmung.

Jung zieht sein Amendement zu § 1 zurück.

Die namentliche Abstimmung über § 1 erfolgt, derselbe wird mit 162 gegen 148 Stimmen verworfen.

Graf Arnim (persönliche Bemerkung): Bezugnehmend auf eine Bemerkung eines frühern Redners, müsse er bemerken, daß er von seinen Wählern in Prenzlau eine Petition erhalten, welche bittet, den Belagerungszustand nicht vor Annahme dieser Gesetze aufzuheben. Er sei freilich nicht von der demokratischen Partei gewählt, welche heute eine Petition im entgegengesetzten Sinne einbrachte.

Die Debatte über § 2 wird eröffnet.

Borchardt kommt jedoch nochmals auf § 1 zurück, indem er die vom Minister gestern und heute vorgebrachten Gründe, was die rheinische Gesetzgebung betrifft, widerlegt.

Der Justizminister sucht ihn zu widerlegen.

Jung spricht für sein Amendement, welches die bisher noch bestehenden Bestimmungen des Gewerbegesetzes, wonach das Gewerbe der Buchhändler, Buchdrucker etc. einer polizeilichen Erlaubniß bedarf und der Hausirhandel mit Druckschriften verboten ist, aufgehoben werden sollen.

Meusebach für den § 2 des Entwurfs.

Wollheim: Die bisherigen Redner haben über diesen Paragraphen nur als Gewerbegesetz gesprochen, es ist aber ein rein politisches Gesetz. Wäre dies nicht der Fall, so müßten diese Vorlagen ins Gewerbegesetz oder Landespolizeigesetz aufgenommen werden. Daß es aber ein rein politisches Gesetz ist, sehen wir schon daraus, daß es von den Ministern als nothwendig und dringend bezeichnet ist.

Minister Manteuffel: Dies Gesetz, dessen § 1 Sie eben verworfen haben, halte ich allerdings zur Erhaltung der Ruhe und Ordnung für nothwendig. Wegen Mangel an betreffenden Gesetzen haben wir diese vorgelegt. Das Land hat sie von uns verlangt. Nicht aus Mangel an Gesetzen soll Anarchie entstehen und demnach haben wir auch bisher mit Gottes Hülfe die nöthigen Gesetze erlassen und wir glauben mit Zustimmung des ganzen Landes.

Der Schluß der Debatte wird angenommen und man kommt zur Abstimmung. Jungs Amendement wird verworfen und § 2, welcher lautet:

„Wer auf öffentlichen Straßen zur Verbreitung im Publikum bestimmte Druckschriften oder bildliche Darstellungen verkaufen oder vertheilen, oder das Anheften derselben gewerbmäßig betreiben will, bedarf dazu einer Erlaubniß der Ortspolizeibehörde und muß den Erlaubnißschein, in welchem sein Name ausgedrückt ist, bei sich führen. Die Erlaubniß kann aus den Gründen zurückgenommen werden, aus welchen nach der allgemeinen Gesetzgebung die Entziehung gewerblicher Konzessionen erfolgt.“ (Der Entwurf der Regierung hatte statt des letzten Satzes: „Die Erlaubniß kann jederzeit zurückgezogen werden.)

mit 157 gegen 152 Stimmen angenommen.

Der § 3, lautend:

„Zuwiderhandlungen wieder die vorstehenden Vorschriften ziehen polizeiliche Ahndung bis zu 50 Thlr. Geldbuße, im Unvermögensfalle bis 6 Wochen Gefängniß nach sich,“

wird angenommen.

Schluß der Sitzung.

G. Erfurt, 13. April.

Vor einigen Tagen fand hier wieder ein von Soldaten verübter Tumult statt, bei welchen die abscheulichsten Gewaltthätigkeiten an einem Bierbrauerbesitzer, da dieser die Ruhestörungen Seitens der Soldaten nicht zugeben wollte, verübt wurden. Die Excedenten sind allerdings verhaftet und zur Untersuchung gezogen worden, indessen wird ihrer wohl nur ein mildes Urtheil warten, da die Mißhandlungen von Soldaten an Bürgern verübt, bekanntlich eben nicht strenge geahndet werden. Unsere Beamten und Junker haben eine Petition wegen Fortdauer de Belagerungszustandes gemacht und dafür die Unterschriften einiger anderer hundert Bewohner erschlichen, um so die Regierung und die Kammer zu täuschen. Spaßhaft ist dabei, daß sich zu diesen Unterschriften auch etwa 30 unserer Bürgerschützen verleiten ließen, welche um die nämliche Zeit eine Petition an den Kommandanten gerichtet hatten, daß ihnen endlich ihre Privatwaffen zurück gegeben werden möchten. Sie wurden natürlich abschläglich beschieden. Ihre Bitte um Fortdauer des Belagerungszustandes soll dagegen wahlgefälliger aufgenommen worden sein. ‒ Alle Privatwaffen der Bürger Erfurts befinden sich noch in den Festungs-Magazinen.

* Wien, 12. April.

Auf die letzte preußische Circularnote in Betreff der Frankfurter Kaiserfabrikation antwortet die östreichische Regierung, daß sie der Ausführung der in jener preußischen Note ausgesprochenen Absichten ihre Zustimmung nicht ertheilen, noch viel weniger dieselben befördern kann. Die Nationalversammlung in Frankfurt habe durch die Wahl eines Erbkaisers ihre Vollmacht überschritten und durch ihre Permanenzerklärung den Boden des Rechts verlassen. „Für uns“, heißt es an einer Stelle der k. k. Antwort, „besteht die Nationalversammlung nicht mehr und kann daher weder auf Anordnungen hinsichtlich einer neu zu bildenden provisorischen Centralgewalt Einfluß üben, noch einen Antheil an Verhandlungen zum Behufe einer Vereinbarung über das von ihr selbst für abgeschlossen erklärte Verfassungswerk nehmen.“ Weiter heißt es dann: „Sollte demnach der Erzherzog-Reichsverweser, an welchen von Seiten Sr. Majestät des Kaisers eine dringende Aufforderung ergangen ist, sein Amt noch fortzuführen, bis auf gesetzlichem Wege für die Leitung der deutschen Angelegenheiten Vorsorge getroffen sein wird, diesem Wunsche aus unvorhergesehenen Gründen nicht zu entsprechen vermögen, müßten wir gegen die Uebernahme und Ausübung dieser Gewalt durch Eine der deutschen Regierungen allein, entschiedene Einsprache erheben und darauf bestehen, daß sie in einer Weise organisirt werde, welche sämmtlichen Regierungen eine gerechte Vertretung zu sichern im Stande wäre.“

Da unter diesen Umständen mit der National-Versammlung keine weitere Verhandlung über das Verfassungswerk gepflogen werden kann, die Centralgewalt aber in ihrer Eigenschaft als eine rein exekutive Behörde hiezu nicht berufen wäre, und Se. Majestät der Kaiser an dem bereits ausgesprochenen Grundsatze festhalten müssen, Sich und Ihre Staaten der von einem andern Deutschen Fürsten gehandhabten Centralgewalt nicht unterordnen zu können, wir demnach auf der von Preußen aufgestellten Grundlage auch mit dessen Bevollmächtigten, wie mit jenen anderer Deutschen Fürsten in Frankfurt nicht zu unterhandeln vermögen, sind wir nicht in der Lage der an uns ergangenen Einladung zu entsprechen, und einen Bevollmächtigten zu den daselbst beabsichtigten Verhandlungen zu entsenden!“

Ueber die Ereignisse vor Pesth herrscht unter der hiesigen Bevölkerung eine unbeschreibliche Spannung, die sich um so mehr noch mit jedem Augenblicke steigert, als die Regierung auch nicht ein Wörtchen über den Stand der Dinge in Ungarn laut werden läßt. Gestern Abend hatte sich eine große Menschenmasse vor der Staatsdruckerei angehäuft, um das Erscheinen eines neuen Bülletins abzuwarten. Allein nach langem, langem Harren mußte die Menge sich entfernen, da ihr erklärt wurde, daß kein Bülletin ausgegeben werde!!

Die Zahl der „Vertrauten,“ feiner Ausdruck für geheime Polizeispione, beläuft sich für Wien auf bereits mehr als 6000.

Das Verbot, rothe Kleidungsstücke etc. zu tragen, wird auf's Strengste durchgeführt.

Dienstmädchen wurden festgehalten, weil sie rothe Korallen und

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        <titlePart type="main">Neue Rheinische Zeitung</titlePart>
        <titlePart type="sub">Organ der Demokratie.</titlePart>
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          <docDate>N 274. Köln, Dienstag, den 17. April. 1849.</docDate>
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        <p>Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. &#x2012; Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Hovas, 3 Rue Jean Jacques Rcusseau.</p>
        <p>Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet. &#x2012; Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis. &#x2012; Nur frankirte Briefe werden angenommen. &#x2012; Expedition in Aachen bei <hi rendition="#g">Ernst ter Meer;</hi> in Düsseldorf bei F. W. <hi rendition="#g">Schmitz,</hi> Burgplatz; in Köln Unter Hutmacher Nro. 17.</p>
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        <head>Uebersicht.</head>
        <p><hi rendition="#g">Deutschland.</hi> Aachen. (Baron v. Maltitz.) Soest. (Mißtrauens-Votum an Bodelschwingh.) Berlin. (Klatsch. &#x2012; Zweite Kammer.) Wien. (Vermischtes. &#x2012; Truppenverminderung. &#x2012; Standrechtsvergnügen.) Dessau. (Demokratischer Wahlsieg.) Erfurt. (Soldatenexcesse. &#x2012; Belagerungsfreundliche Adresse.) Aus Baden. (Der Prozeß Bornstedt.)</p>
        <p><hi rendition="#g">Ungarn.</hi> Vom Kriegsschauplatze.</p>
        <p><hi rendition="#g">Italien.</hi> Genua. (Der Kampf der Republikaner.) Parma. (Oestreichische Wirtschaft.) Neapel. (Drei Dekrete. &#x2012; Sizilisches.) Triest. (Die sardinische Flotte.)</p>
        <p><hi rendition="#g">Franz. Republik.</hi> Paris. (Manifest des &#x201E;National&#x201C;, des &#x201E;Berges&#x201C; und des Hrn. Guizot. &#x2012; Vermischtes. &#x2012; National-Versammlung.)</p>
        <p><hi rendition="#g">Donaufürstenthümer.</hi> Jaffy. (Censur. &#x2012; Vermischtes.)</p>
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        <head>Deutschland.</head>
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          <head><bibl><author>067</author></bibl> Aachen, 15. April.</head>
          <p>Der königlich preußische Direktor des hiesigen Gefangnenhauses, Herr Baron v. <hi rendition="#g">Maltitz,</hi> Hochwohlgeboren, ist seit einigen Tagen flüchtig geworden. Vor etwa 18 Jahren kam er hierhin, nackt und blos, wie das sehr oft mit preußischen Baronen der Fall ist, und ward mit der Verwaltung des Gefangnenhauses betraut. Sein etatsmäßiges Gehalt betrug etwa 600 Thlr. nebst freier Wohnung, wovon ein Beamter mit Familie sich nicht bereichern kann. Schon in den ersten Jahren seiner Dienstführung bemerkte man eine ungewöhnliche Zunahme des v. <hi rendition="#g">Maltitz</hi>'schen Vermögens, er kaufte Häuser, richtete sich ein wie ein Lord und gab Soirées wie ein Herzog. Natürlich steckten nur die Herren der hochlöblichen Regierung die Füße unter seinen Tisch, die andrerseits, als seine Curatoren, fortwährend eingehende wohlbegründete Beschwerden über die Amtsführung des opulenten Mündels großmüthig zu beseitigen wußten. Dies Beseitigen ging so weit, daß vor jetzt zehn Jahren, bei einer, durch höchst erhebliche Anklagen hervorgerufenen extraordinären Revision, sämmtliche in Betracht kommende Rechnungsbücher des v. <hi rendition="#g">Maltitz</hi> &#x2012; mirabile dictu &#x2012; plötzlich verschwunden waren, wofür die hochlöbliche Regierung &#x2012; mirabilius dictu &#x2012; den v. <hi rendition="#g">Maltitz</hi> mit einem disziplinarischen Verweise zu belegen geruhete. Das war Alles! Die Sache behielt ihren Fortgang, und Herr v. <hi rendition="#g">Maltitz</hi> kaufte inzwischen sieben Häuser, womit er in seinen heimathlichen Gauen eine kleine Stadt gründen könnte. Diese Besitzthümer sind auf seine Schwägerin eingeschrieben, eine arme Offizierstochter, die aus milden Stiftungen lebte.</p>
          <p>In der ganzen Stadt und Umgegend war es längst offenkundig, daß v. Maltitz mit den <hi rendition="#g">Arbeitern</hi> und <hi rendition="#g">Arbeiten</hi> der Anstalt die schmählichste Wirthschaft trieb, daß er nach allen Richtungen hin betrog und unterschlug, daß unter andern der jetzt nach Arnsberg vertriebene Ober-Regierungsrath <hi rendition="#g">Bartels,</hi> preislichen Andenkens, sein ganzes kostbares Mobilar aus den Werkstätten der Gefangnen-Anstalt in eigenthümlicher Verrechnungsweise bezogen, u. dgl. m.; &#x2012; nur die hochlöbliche Regierung wußte nichts, denn Hr. v. <hi rendition="#g">Maltitz</hi> gehörte zu dem heulenden, frommen schwarzen Weißthume, war ein spezifischer Preuße, und &#x2012; es ließ sich mit ihm leben. Trotz alledem und alledem brach zuletzt, nach sehr vielen ostensiblen Demonstrationen, die Volksstimme durch und die Hochlöbliche mußte bongré malgré eine Untersuchung einleiten, die mit einem Male so bedenklich erschien, daß man sie den Händen der heiligen Justiz überantwortete. Alsbald, und zwar am 7. d. M., wurde darauf ein Verhaftsbefehl gegen v. Maltitz erlassen, der unbewacht in seiner, vom Gefangnenhause getrennten Wohnung verblieb bis zum 11., wo er es dann für zweckdienlich fand, das Weite zu suchen. Man sagt, er habe sich in die Arme seines Vetters, des Ministers v. <hi rendition="#g">Ladenberg,</hi> geflüchtet. Auch dürfte sich vielleicht <hi rendition="#g">Hansemann</hi> seiner annehmen, der noch jüngst seinen Schwager, den hier dreimal fallirten Woll- und Champagnerhändler <hi rendition="#g">Weise</hi> nach Berlin berief, um ihn in der königlich preußischen Finanzpartie anzustellen.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar274_002" type="jArticle">
          <head><bibl><author>X</author></bibl> Soest, 12. April.</head>
          <p>Unser Abgeordneter zur zweiten Kammer, Herr v. Bodelschwingh, erläßt im hiesigen Wochenblatte häufig Anfragen an seine Wähler. Seine Aufsätze sind meistens religiösen Inhalts. Es scheint aber, daß unsere Wahlmänner mit den Anweisungen dieses Staatsmannes auf den Himmel nicht mehr zufrieden sein wollen. Sicher ist, daß Herr v. Bodelschwingh aus dem hiesigen Wahlkreise ein starkes Mißtrauens-Votum erhalten hat, welches eine Masse Unterschriften von Wahlmännern und Urwählern enthielt.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar274_003" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Berlin, 14. April.</head>
          <p>Die Gerüchte einer Pallastrevolution, welche die Abdankung des Königs herbeiführen und den Prinzen von Preußen an seine Stelle setzen würde, greifen immer mehr um sich. Wir wären also nach unserer Revolution glücklich dahin gelangt, wo die Türken schon lange stehen.</p>
          <p>&#x2012; Während der Osterferien haben die meisten Abgeordneten Gelegenheit gehabt ihren Mandanten Rechenschaft zu geben. Wir halten es für unnöthig auf diese Thätigkeit der Herren einzugehen und bemerken nur, daß unter Andern der Graf Ziethen in Breslau die ganze Linke für Anarchisten erklärt hat. Blinder Ziethen; glückliche Linke!</p>
        </div>
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          <head><bibl><author>*</author></bibl> Berlin, 14. April.</head>
          <p> <hi rendition="#b">Sitzung der zweiten Kammer.</hi> </p>
          <p>Der Präsident <hi rendition="#g">Grabow</hi> läßt ein Schreiben des Staatsministeriums verlesen, worin dasselbe weitläufig auseinandersetzt, daß es sich nicht veranlaßt fühle, auf den Beschluß der Kammer einzugehen und den Mitgliedern derselben Portofreiheit für alle Sachen bis zu fünf Pfund zu bewilligen. In einer beiliegenden Denkschrift setzt das Ministerium seine Gründe auseinander. &#x2012; Der Präsident <hi rendition="#g">Grabow</hi> ersucht nun die Abgeordneten, ihren Kommittenten anzuzeigen, daß dieselben, im Falle sie Petitionen u. dgl. einsenden wollen solche per Adresse des Präsidiums zu senden haben. Ebenso wenn die Abgeordneten Briefe und Aktenstücke, welche schwerer als zwei Loth sind, zu versenden haben, können dieselbe im Präsidium zur Beförderung abgegeben werden.</p>
          <p>Ein zweites Schreiben des Ministeriums bringt eine Erwiderung auf den gegen die Gerichtsorganisation angenommenen Evelt'schen Antrag, den das Ministerium ebenfalls nicht berücksichtigen kann, da es den Grundsatz festhalten müsse, nur kollegialische Gerichte mit wenigstens fünf Richtern ferner bestehen zu lassen.</p>
          <p>Hierauf werden folgende dringende Anträge verlesen, und nachdem sie ausreichende Unterstützung gefunden, an verschiedene Kommissionen zur schleunigen Berichterstattung überwiesen.</p>
          <p>1) <hi rendition="#g">Sperling</hi> (Insterburg) und Genossen:</p>
          <p>&#x201E;Daß fortan die Stadt Gumbinnen bei Veranlagung der Servissteuer zu den Städten zweiter Klasse gezählt, und ihr der durch die unrichtige und nicht gesetzliche Klassifikation zur ersten Klasse vom Jahre 1817 ab mit jährlich 1055 Thlr. zu viel abgezahlte Betrag aus Staatsfonds erstattet werde.&#x201C;</p>
          <p>2)<hi rendition="#g">Pflücker</hi> und Genossen. Die Kammer wolle beschließen:</p>
          <p>1) eine Aufforderung an das Ministerium für alle wegen politischer, seit dem 18. März 1848 verübten Verbrechen und Vergehen gerichtlich, militärgerichtlich, ehrengerichtlich oder im Disziplinarwege Verurtheilte bei des Königs Majestät die Begnadigung und beziehungsweise Rehabilitirung zu beantragen;</p>
          <p>2) ein Gesetz, wie folgt:</p>
          <p>§. 1.</p>
          <p>Alle wegen politischer, in der Zeit vom 18. März 1848 bis 26. Februar 1849 verübter Verbrechen und Vergehen eingeleiteten gerichtlichen, militärgerichtlichen, ehrengerichtlichen und Disziplinar-Untersuchungen und Vor-Untersuchungen sind niederzuschlagen.</p>
          <p>§. 2.</p>
          <p>Wegen politischer, in der Zeit vom 18. März 1848 bis 25. Februar 1849 verübter Verbrechen und Vergehen findet keine gerichtliche, militärgerichtliche, ehrengerichtliche oder Disziplinar-Untersuchung weiter Statt.</p>
          <p>Motive:</p>
          <p>Die Erfolglosigkeit des in der Adresse an des Königs Majestät gestellten Amnestiegesuchs und dringende Mahnungen aus allen Landestheilen wegen schleuniger Erledigung einer, über das Wohl und die Ruhe von Tausenden von Familien entscheidenden Frage, sprechen für die Dringlichkeit des vorstehenden Antrages.</p>
          <p>Der Justizminister <hi rendition="#g">Simons</hi> nimmt das Wort: In den Motiven dieses Antrages ist von der Erfolglosigkeit des in der Adresse an des Königs Majestät gestellten Amnestiegesuchs die Rede. Dies veranlaßt mich zu der Erklärung, daß damals sogleich an alle Gerichte und Staatsprokuratoren die Aufforderung abgegangen, eine Liste aller, seit dem 18. März v. J. Verurtheilten und wegen politischen Verbrechen in Untersuchung Befindlichen, schleunigst einzusenden und dabei zu bemerken, welche von ihnen sich zu einer ganzen oder theilweisen Begnadigung eignen würden.</p>
          <p>3) <hi rendition="#g">Schulze</hi> (Delitzsch) und Genossen:</p>
          <p>&#x201E;Daß sofort eine besondere Kommission von 21 Mitgliedern zur Untersuchung der Arbeiter-Verhältnisse gebildet werde, welche, unter Benutzung der einschlagenden Petitionen, der Kammer Vorschläge über Abhülfe des drückenden Nothstandes der arbeitenden Klassen zu machen habe.&#x201C;</p>
          <p>4) Dieselben:</p>
          <p>&#x201E;Daß die Staatsregierung aufzufordern sei, das Gesetz, de dato Frankfurt d n 27. Dezember 1848, betreffend die Grundrechte des deutschen Volkes nebst dem dazu gehörigen Einführungsgesetze vom gleichen Tage in die Gesetzsammlung für die preußischen Staaten aufzunehmen.&#x201C;</p>
          <p><hi rendition="#g">Knauth</hi> und Genossen:</p>
          <p>&#x201E;Die Geschäftsordnung dahin zu ändern, daß die Wahl des Präsidenten und der Vicepräsidenten in je vier Wochen erneuert wird.&#x201C;</p>
          <p>Hierauf wird die Debatte über § 1 des Plakatengesetzes eroffnet. Ebertz spricht gegen und Ulrich für den Entwurf.</p>
          <p><hi rendition="#g">Kirchmann:</hi> Was nützt es, wenn ich auch noch so klar die Ungerechtigkeit des Entwurfs und die Unschädlichkeit der Plakate beweise, die Herrn auf dieser Seite werden sich nicht davon überzeugen lassen; sie gleichen den Kindern, welchen man mathematisch das Unbegründete ihrer Gespensterfurcht auseinandersetzt, die sich aber dennoch sogar am Tage fürchten. Die Plakate haben hier im vorigen Jahre nie Aufregung hervorgebracht. Die Aufregung und Excesse hatten einen ganz anderen Grund. Der große Zug am 13. Mai vor das Hotel des Ministers Camphausen war nicht eine Folge der Plakate, sondern der Zurückberufung des Prinzen von Preußen. Der Zeughaussturm ist ebenso nicht durch Plakate, sondern durch die Verschiffung von Gewehren aus dem Zeughause und nicht gehaltene Versprechungen der allgemeinen Volksbewaffnung.&#x2026; Wenn der Herr Minister Frankreich uns als Beispiel aufstellt, so spricht dies gerade gegen ihn. Die revolutionären Bewegungen vermehren sich trotz des Plakatenverbots, während wir England und Amerika mit ihrer Plakatenfreiheit ganz ruhig sehen. Demnach wirken die Plakate mit zur Beruhigung.</p>
          <p>Nachdem der Berichterstatter noch die Debatte rekapitulirt hat, kommt man zur Abstimmung.</p>
          <p><hi rendition="#g">Jung</hi> zieht sein Amendement zu § 1 zurück.</p>
          <p>Die namentliche Abstimmung über § 1 erfolgt, derselbe wird mit 162 gegen 148 Stimmen verworfen.</p>
          <p>Graf <hi rendition="#g">Arnim</hi> (persönliche Bemerkung): Bezugnehmend auf eine Bemerkung eines frühern Redners, müsse er bemerken, daß er von seinen Wählern in Prenzlau eine Petition erhalten, welche bittet, den Belagerungszustand nicht vor Annahme dieser Gesetze aufzuheben. Er sei freilich nicht von der demokratischen Partei gewählt, welche heute eine Petition im entgegengesetzten Sinne einbrachte.</p>
          <p>Die Debatte über § 2 wird eröffnet.</p>
          <p><hi rendition="#g">Borchardt</hi> kommt jedoch nochmals auf § 1 zurück, indem er die vom Minister gestern und heute vorgebrachten Gründe, was die rheinische Gesetzgebung betrifft, widerlegt.</p>
          <p>Der <hi rendition="#g">Justizminister</hi> sucht ihn zu widerlegen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Jung</hi> spricht für sein Amendement, welches die bisher noch bestehenden Bestimmungen des Gewerbegesetzes, wonach das Gewerbe der Buchhändler, Buchdrucker etc. einer polizeilichen Erlaubniß bedarf und der Hausirhandel mit Druckschriften verboten ist, aufgehoben werden sollen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Meusebach</hi> für den § 2 des Entwurfs.</p>
          <p><hi rendition="#g">Wollheim:</hi> Die bisherigen Redner haben über diesen Paragraphen nur als Gewerbegesetz gesprochen, es ist aber ein rein politisches Gesetz. Wäre dies nicht der Fall, so müßten diese Vorlagen ins Gewerbegesetz oder Landespolizeigesetz aufgenommen werden. Daß es aber ein rein politisches Gesetz ist, sehen wir schon daraus, daß es von den Ministern als nothwendig und dringend bezeichnet ist.</p>
          <p>Minister <hi rendition="#g">Manteuffel:</hi> Dies Gesetz, dessen § 1 Sie eben verworfen haben, halte ich allerdings zur Erhaltung der Ruhe und Ordnung für nothwendig. Wegen Mangel an betreffenden Gesetzen haben wir diese vorgelegt. Das Land hat sie von uns verlangt. Nicht aus Mangel an Gesetzen soll Anarchie entstehen und demnach haben wir auch bisher mit Gottes Hülfe die nöthigen Gesetze erlassen und wir glauben mit Zustimmung des ganzen Landes.</p>
          <p>Der Schluß der Debatte wird angenommen und man kommt zur Abstimmung. Jungs Amendement wird verworfen und § 2, welcher lautet:</p>
          <p>&#x201E;Wer auf öffentlichen Straßen zur Verbreitung im Publikum bestimmte Druckschriften oder bildliche Darstellungen verkaufen oder vertheilen, oder das Anheften derselben gewerbmäßig betreiben will, bedarf dazu einer Erlaubniß der Ortspolizeibehörde und muß den Erlaubnißschein, in welchem sein Name ausgedrückt ist, bei sich führen. Die Erlaubniß kann aus den Gründen zurückgenommen werden, aus welchen nach der allgemeinen Gesetzgebung die Entziehung gewerblicher Konzessionen erfolgt.&#x201C; (Der Entwurf der Regierung hatte statt des letzten Satzes: &#x201E;Die Erlaubniß kann jederzeit zurückgezogen werden.)</p>
          <p>mit 157 gegen 152 Stimmen angenommen.</p>
          <p>Der § 3, lautend:</p>
          <p>&#x201E;Zuwiderhandlungen wieder die vorstehenden Vorschriften ziehen polizeiliche Ahndung bis zu 50 Thlr. Geldbuße, im Unvermögensfalle bis 6 Wochen Gefängniß nach sich,&#x201C;</p>
          <p>wird angenommen.</p>
          <p>Schluß der Sitzung.</p>
        </div>
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          <head><bibl><author>G.</author></bibl> Erfurt, 13. April.</head>
          <p>Vor einigen Tagen fand hier wieder ein von Soldaten verübter Tumult statt, bei welchen die abscheulichsten Gewaltthätigkeiten an einem Bierbrauerbesitzer, da dieser die Ruhestörungen Seitens der Soldaten nicht zugeben wollte, verübt wurden. Die Excedenten sind allerdings verhaftet und zur Untersuchung gezogen worden, indessen wird ihrer wohl nur ein mildes Urtheil warten, da die Mißhandlungen von Soldaten an Bürgern verübt, bekanntlich eben nicht strenge geahndet werden. Unsere Beamten und Junker haben eine Petition wegen Fortdauer de Belagerungszustandes gemacht und dafür die Unterschriften einiger anderer hundert Bewohner erschlichen, um so die Regierung und die Kammer zu täuschen. Spaßhaft ist dabei, daß sich zu diesen Unterschriften auch etwa 30 unserer Bürgerschützen verleiten ließen, welche um die nämliche Zeit eine Petition an den Kommandanten gerichtet hatten, daß ihnen endlich ihre Privatwaffen zurück gegeben werden möchten. Sie wurden natürlich abschläglich beschieden. Ihre Bitte um Fortdauer des Belagerungszustandes soll dagegen wahlgefälliger aufgenommen worden sein. &#x2012; Alle Privatwaffen der Bürger Erfurts befinden sich noch in den Festungs-Magazinen.</p>
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          <head><bibl><author>*</author></bibl> Wien, 12. April.</head>
          <p>Auf die letzte preußische Circularnote in Betreff der Frankfurter Kaiserfabrikation antwortet die östreichische Regierung, daß sie der Ausführung der in jener preußischen Note ausgesprochenen Absichten ihre Zustimmung nicht ertheilen, noch viel weniger dieselben befördern kann. Die Nationalversammlung in Frankfurt habe durch die Wahl eines Erbkaisers ihre Vollmacht überschritten und durch ihre Permanenzerklärung den Boden des Rechts verlassen. &#x201E;Für uns&#x201C;, heißt es an einer Stelle der k. k. Antwort, &#x201E;besteht die Nationalversammlung nicht mehr und kann daher weder auf Anordnungen hinsichtlich einer neu zu bildenden provisorischen Centralgewalt Einfluß üben, noch einen Antheil an Verhandlungen zum Behufe einer Vereinbarung über das von ihr selbst für abgeschlossen erklärte Verfassungswerk nehmen.&#x201C; Weiter heißt es dann: &#x201E;Sollte demnach der Erzherzog-Reichsverweser, an welchen von Seiten Sr. Majestät des Kaisers eine dringende Aufforderung ergangen ist, sein Amt noch fortzuführen, bis auf gesetzlichem Wege für die Leitung der deutschen Angelegenheiten Vorsorge getroffen sein wird, diesem Wunsche aus unvorhergesehenen Gründen nicht zu entsprechen vermögen, müßten wir gegen die Uebernahme und Ausübung dieser Gewalt durch Eine der deutschen Regierungen allein, entschiedene Einsprache erheben und darauf bestehen, daß sie in einer Weise organisirt werde, welche sämmtlichen Regierungen eine gerechte Vertretung zu sichern im Stande wäre.&#x201C;</p>
          <p>Da unter diesen Umständen mit der National-Versammlung keine weitere Verhandlung über das Verfassungswerk gepflogen werden kann, die Centralgewalt aber in ihrer Eigenschaft als eine rein exekutive Behörde hiezu nicht berufen wäre, und Se. Majestät der Kaiser an dem bereits ausgesprochenen Grundsatze festhalten müssen, Sich und Ihre Staaten der von einem andern Deutschen Fürsten gehandhabten Centralgewalt nicht unterordnen zu können, wir demnach auf der von Preußen aufgestellten Grundlage auch mit dessen Bevollmächtigten, wie mit jenen anderer Deutschen Fürsten in Frankfurt nicht zu unterhandeln vermögen, sind wir nicht in der Lage der an uns ergangenen Einladung zu entsprechen, und einen Bevollmächtigten zu den daselbst beabsichtigten Verhandlungen zu entsenden!&#x201C;</p>
          <p>Ueber die Ereignisse vor Pesth herrscht unter der hiesigen Bevölkerung eine unbeschreibliche Spannung, die sich um so mehr noch mit jedem Augenblicke steigert, als die Regierung auch nicht ein Wörtchen über den Stand der Dinge in Ungarn laut werden läßt. Gestern Abend hatte sich eine große Menschenmasse vor der Staatsdruckerei angehäuft, um das Erscheinen eines neuen Bülletins abzuwarten. Allein nach langem, langem Harren mußte die Menge sich entfernen, <hi rendition="#g">da ihr erklärt wurde,</hi> <hi rendition="#b">daß kein Bülletin ausgegeben werde!!</hi> </p>
          <p>Die Zahl der &#x201E;Vertrauten,&#x201C; feiner Ausdruck für geheime Polizeispione, beläuft sich für Wien auf bereits mehr als 6000.</p>
          <p>Das Verbot, <hi rendition="#g">rothe</hi> Kleidungsstücke etc. zu tragen, wird auf's Strengste durchgeführt.</p>
          <p>Dienstmädchen wurden festgehalten, weil sie rothe Korallen und
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[1547/0001] Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. N 274. Köln, Dienstag, den 17. April. 1849. Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. ‒ Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Hovas, 3 Rue Jean Jacques Rcusseau. Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet. ‒ Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis. ‒ Nur frankirte Briefe werden angenommen. ‒ Expedition in Aachen bei Ernst ter Meer; in Düsseldorf bei F. W. Schmitz, Burgplatz; in Köln Unter Hutmacher Nro. 17. Uebersicht. Deutschland. Aachen. (Baron v. Maltitz.) Soest. (Mißtrauens-Votum an Bodelschwingh.) Berlin. (Klatsch. ‒ Zweite Kammer.) Wien. (Vermischtes. ‒ Truppenverminderung. ‒ Standrechtsvergnügen.) Dessau. (Demokratischer Wahlsieg.) Erfurt. (Soldatenexcesse. ‒ Belagerungsfreundliche Adresse.) Aus Baden. (Der Prozeß Bornstedt.) Ungarn. Vom Kriegsschauplatze. Italien. Genua. (Der Kampf der Republikaner.) Parma. (Oestreichische Wirtschaft.) Neapel. (Drei Dekrete. ‒ Sizilisches.) Triest. (Die sardinische Flotte.) Franz. Republik. Paris. (Manifest des „National“, des „Berges“ und des Hrn. Guizot. ‒ Vermischtes. ‒ National-Versammlung.) Donaufürstenthümer. Jaffy. (Censur. ‒ Vermischtes.) Deutschland. 067 Aachen, 15. April. Der königlich preußische Direktor des hiesigen Gefangnenhauses, Herr Baron v. Maltitz, Hochwohlgeboren, ist seit einigen Tagen flüchtig geworden. Vor etwa 18 Jahren kam er hierhin, nackt und blos, wie das sehr oft mit preußischen Baronen der Fall ist, und ward mit der Verwaltung des Gefangnenhauses betraut. Sein etatsmäßiges Gehalt betrug etwa 600 Thlr. nebst freier Wohnung, wovon ein Beamter mit Familie sich nicht bereichern kann. Schon in den ersten Jahren seiner Dienstführung bemerkte man eine ungewöhnliche Zunahme des v. Maltitz'schen Vermögens, er kaufte Häuser, richtete sich ein wie ein Lord und gab Soirées wie ein Herzog. Natürlich steckten nur die Herren der hochlöblichen Regierung die Füße unter seinen Tisch, die andrerseits, als seine Curatoren, fortwährend eingehende wohlbegründete Beschwerden über die Amtsführung des opulenten Mündels großmüthig zu beseitigen wußten. Dies Beseitigen ging so weit, daß vor jetzt zehn Jahren, bei einer, durch höchst erhebliche Anklagen hervorgerufenen extraordinären Revision, sämmtliche in Betracht kommende Rechnungsbücher des v. Maltitz ‒ mirabile dictu ‒ plötzlich verschwunden waren, wofür die hochlöbliche Regierung ‒ mirabilius dictu ‒ den v. Maltitz mit einem disziplinarischen Verweise zu belegen geruhete. Das war Alles! Die Sache behielt ihren Fortgang, und Herr v. Maltitz kaufte inzwischen sieben Häuser, womit er in seinen heimathlichen Gauen eine kleine Stadt gründen könnte. Diese Besitzthümer sind auf seine Schwägerin eingeschrieben, eine arme Offizierstochter, die aus milden Stiftungen lebte. In der ganzen Stadt und Umgegend war es längst offenkundig, daß v. Maltitz mit den Arbeitern und Arbeiten der Anstalt die schmählichste Wirthschaft trieb, daß er nach allen Richtungen hin betrog und unterschlug, daß unter andern der jetzt nach Arnsberg vertriebene Ober-Regierungsrath Bartels, preislichen Andenkens, sein ganzes kostbares Mobilar aus den Werkstätten der Gefangnen-Anstalt in eigenthümlicher Verrechnungsweise bezogen, u. dgl. m.; ‒ nur die hochlöbliche Regierung wußte nichts, denn Hr. v. Maltitz gehörte zu dem heulenden, frommen schwarzen Weißthume, war ein spezifischer Preuße, und ‒ es ließ sich mit ihm leben. Trotz alledem und alledem brach zuletzt, nach sehr vielen ostensiblen Demonstrationen, die Volksstimme durch und die Hochlöbliche mußte bongré malgré eine Untersuchung einleiten, die mit einem Male so bedenklich erschien, daß man sie den Händen der heiligen Justiz überantwortete. Alsbald, und zwar am 7. d. M., wurde darauf ein Verhaftsbefehl gegen v. Maltitz erlassen, der unbewacht in seiner, vom Gefangnenhause getrennten Wohnung verblieb bis zum 11., wo er es dann für zweckdienlich fand, das Weite zu suchen. Man sagt, er habe sich in die Arme seines Vetters, des Ministers v. Ladenberg, geflüchtet. Auch dürfte sich vielleicht Hansemann seiner annehmen, der noch jüngst seinen Schwager, den hier dreimal fallirten Woll- und Champagnerhändler Weise nach Berlin berief, um ihn in der königlich preußischen Finanzpartie anzustellen. X Soest, 12. April. Unser Abgeordneter zur zweiten Kammer, Herr v. Bodelschwingh, erläßt im hiesigen Wochenblatte häufig Anfragen an seine Wähler. Seine Aufsätze sind meistens religiösen Inhalts. Es scheint aber, daß unsere Wahlmänner mit den Anweisungen dieses Staatsmannes auf den Himmel nicht mehr zufrieden sein wollen. Sicher ist, daß Herr v. Bodelschwingh aus dem hiesigen Wahlkreise ein starkes Mißtrauens-Votum erhalten hat, welches eine Masse Unterschriften von Wahlmännern und Urwählern enthielt. * Berlin, 14. April. Die Gerüchte einer Pallastrevolution, welche die Abdankung des Königs herbeiführen und den Prinzen von Preußen an seine Stelle setzen würde, greifen immer mehr um sich. Wir wären also nach unserer Revolution glücklich dahin gelangt, wo die Türken schon lange stehen. ‒ Während der Osterferien haben die meisten Abgeordneten Gelegenheit gehabt ihren Mandanten Rechenschaft zu geben. Wir halten es für unnöthig auf diese Thätigkeit der Herren einzugehen und bemerken nur, daß unter Andern der Graf Ziethen in Breslau die ganze Linke für Anarchisten erklärt hat. Blinder Ziethen; glückliche Linke! * Berlin, 14. April. Sitzung der zweiten Kammer. Der Präsident Grabow läßt ein Schreiben des Staatsministeriums verlesen, worin dasselbe weitläufig auseinandersetzt, daß es sich nicht veranlaßt fühle, auf den Beschluß der Kammer einzugehen und den Mitgliedern derselben Portofreiheit für alle Sachen bis zu fünf Pfund zu bewilligen. In einer beiliegenden Denkschrift setzt das Ministerium seine Gründe auseinander. ‒ Der Präsident Grabow ersucht nun die Abgeordneten, ihren Kommittenten anzuzeigen, daß dieselben, im Falle sie Petitionen u. dgl. einsenden wollen solche per Adresse des Präsidiums zu senden haben. Ebenso wenn die Abgeordneten Briefe und Aktenstücke, welche schwerer als zwei Loth sind, zu versenden haben, können dieselbe im Präsidium zur Beförderung abgegeben werden. Ein zweites Schreiben des Ministeriums bringt eine Erwiderung auf den gegen die Gerichtsorganisation angenommenen Evelt'schen Antrag, den das Ministerium ebenfalls nicht berücksichtigen kann, da es den Grundsatz festhalten müsse, nur kollegialische Gerichte mit wenigstens fünf Richtern ferner bestehen zu lassen. Hierauf werden folgende dringende Anträge verlesen, und nachdem sie ausreichende Unterstützung gefunden, an verschiedene Kommissionen zur schleunigen Berichterstattung überwiesen. 1) Sperling (Insterburg) und Genossen: „Daß fortan die Stadt Gumbinnen bei Veranlagung der Servissteuer zu den Städten zweiter Klasse gezählt, und ihr der durch die unrichtige und nicht gesetzliche Klassifikation zur ersten Klasse vom Jahre 1817 ab mit jährlich 1055 Thlr. zu viel abgezahlte Betrag aus Staatsfonds erstattet werde.“ 2)Pflücker und Genossen. Die Kammer wolle beschließen: 1) eine Aufforderung an das Ministerium für alle wegen politischer, seit dem 18. März 1848 verübten Verbrechen und Vergehen gerichtlich, militärgerichtlich, ehrengerichtlich oder im Disziplinarwege Verurtheilte bei des Königs Majestät die Begnadigung und beziehungsweise Rehabilitirung zu beantragen; 2) ein Gesetz, wie folgt: §. 1. Alle wegen politischer, in der Zeit vom 18. März 1848 bis 26. Februar 1849 verübter Verbrechen und Vergehen eingeleiteten gerichtlichen, militärgerichtlichen, ehrengerichtlichen und Disziplinar-Untersuchungen und Vor-Untersuchungen sind niederzuschlagen. §. 2. Wegen politischer, in der Zeit vom 18. März 1848 bis 25. Februar 1849 verübter Verbrechen und Vergehen findet keine gerichtliche, militärgerichtliche, ehrengerichtliche oder Disziplinar-Untersuchung weiter Statt. Motive: Die Erfolglosigkeit des in der Adresse an des Königs Majestät gestellten Amnestiegesuchs und dringende Mahnungen aus allen Landestheilen wegen schleuniger Erledigung einer, über das Wohl und die Ruhe von Tausenden von Familien entscheidenden Frage, sprechen für die Dringlichkeit des vorstehenden Antrages. Der Justizminister Simons nimmt das Wort: In den Motiven dieses Antrages ist von der Erfolglosigkeit des in der Adresse an des Königs Majestät gestellten Amnestiegesuchs die Rede. Dies veranlaßt mich zu der Erklärung, daß damals sogleich an alle Gerichte und Staatsprokuratoren die Aufforderung abgegangen, eine Liste aller, seit dem 18. März v. J. Verurtheilten und wegen politischen Verbrechen in Untersuchung Befindlichen, schleunigst einzusenden und dabei zu bemerken, welche von ihnen sich zu einer ganzen oder theilweisen Begnadigung eignen würden. 3) Schulze (Delitzsch) und Genossen: „Daß sofort eine besondere Kommission von 21 Mitgliedern zur Untersuchung der Arbeiter-Verhältnisse gebildet werde, welche, unter Benutzung der einschlagenden Petitionen, der Kammer Vorschläge über Abhülfe des drückenden Nothstandes der arbeitenden Klassen zu machen habe.“ 4) Dieselben: „Daß die Staatsregierung aufzufordern sei, das Gesetz, de dato Frankfurt d n 27. Dezember 1848, betreffend die Grundrechte des deutschen Volkes nebst dem dazu gehörigen Einführungsgesetze vom gleichen Tage in die Gesetzsammlung für die preußischen Staaten aufzunehmen.“ Knauth und Genossen: „Die Geschäftsordnung dahin zu ändern, daß die Wahl des Präsidenten und der Vicepräsidenten in je vier Wochen erneuert wird.“ Hierauf wird die Debatte über § 1 des Plakatengesetzes eroffnet. Ebertz spricht gegen und Ulrich für den Entwurf. Kirchmann: Was nützt es, wenn ich auch noch so klar die Ungerechtigkeit des Entwurfs und die Unschädlichkeit der Plakate beweise, die Herrn auf dieser Seite werden sich nicht davon überzeugen lassen; sie gleichen den Kindern, welchen man mathematisch das Unbegründete ihrer Gespensterfurcht auseinandersetzt, die sich aber dennoch sogar am Tage fürchten. Die Plakate haben hier im vorigen Jahre nie Aufregung hervorgebracht. Die Aufregung und Excesse hatten einen ganz anderen Grund. Der große Zug am 13. Mai vor das Hotel des Ministers Camphausen war nicht eine Folge der Plakate, sondern der Zurückberufung des Prinzen von Preußen. Der Zeughaussturm ist ebenso nicht durch Plakate, sondern durch die Verschiffung von Gewehren aus dem Zeughause und nicht gehaltene Versprechungen der allgemeinen Volksbewaffnung.… Wenn der Herr Minister Frankreich uns als Beispiel aufstellt, so spricht dies gerade gegen ihn. Die revolutionären Bewegungen vermehren sich trotz des Plakatenverbots, während wir England und Amerika mit ihrer Plakatenfreiheit ganz ruhig sehen. Demnach wirken die Plakate mit zur Beruhigung. Nachdem der Berichterstatter noch die Debatte rekapitulirt hat, kommt man zur Abstimmung. Jung zieht sein Amendement zu § 1 zurück. Die namentliche Abstimmung über § 1 erfolgt, derselbe wird mit 162 gegen 148 Stimmen verworfen. Graf Arnim (persönliche Bemerkung): Bezugnehmend auf eine Bemerkung eines frühern Redners, müsse er bemerken, daß er von seinen Wählern in Prenzlau eine Petition erhalten, welche bittet, den Belagerungszustand nicht vor Annahme dieser Gesetze aufzuheben. Er sei freilich nicht von der demokratischen Partei gewählt, welche heute eine Petition im entgegengesetzten Sinne einbrachte. Die Debatte über § 2 wird eröffnet. Borchardt kommt jedoch nochmals auf § 1 zurück, indem er die vom Minister gestern und heute vorgebrachten Gründe, was die rheinische Gesetzgebung betrifft, widerlegt. Der Justizminister sucht ihn zu widerlegen. Jung spricht für sein Amendement, welches die bisher noch bestehenden Bestimmungen des Gewerbegesetzes, wonach das Gewerbe der Buchhändler, Buchdrucker etc. einer polizeilichen Erlaubniß bedarf und der Hausirhandel mit Druckschriften verboten ist, aufgehoben werden sollen. Meusebach für den § 2 des Entwurfs. Wollheim: Die bisherigen Redner haben über diesen Paragraphen nur als Gewerbegesetz gesprochen, es ist aber ein rein politisches Gesetz. Wäre dies nicht der Fall, so müßten diese Vorlagen ins Gewerbegesetz oder Landespolizeigesetz aufgenommen werden. Daß es aber ein rein politisches Gesetz ist, sehen wir schon daraus, daß es von den Ministern als nothwendig und dringend bezeichnet ist. Minister Manteuffel: Dies Gesetz, dessen § 1 Sie eben verworfen haben, halte ich allerdings zur Erhaltung der Ruhe und Ordnung für nothwendig. Wegen Mangel an betreffenden Gesetzen haben wir diese vorgelegt. Das Land hat sie von uns verlangt. Nicht aus Mangel an Gesetzen soll Anarchie entstehen und demnach haben wir auch bisher mit Gottes Hülfe die nöthigen Gesetze erlassen und wir glauben mit Zustimmung des ganzen Landes. Der Schluß der Debatte wird angenommen und man kommt zur Abstimmung. Jungs Amendement wird verworfen und § 2, welcher lautet: „Wer auf öffentlichen Straßen zur Verbreitung im Publikum bestimmte Druckschriften oder bildliche Darstellungen verkaufen oder vertheilen, oder das Anheften derselben gewerbmäßig betreiben will, bedarf dazu einer Erlaubniß der Ortspolizeibehörde und muß den Erlaubnißschein, in welchem sein Name ausgedrückt ist, bei sich führen. Die Erlaubniß kann aus den Gründen zurückgenommen werden, aus welchen nach der allgemeinen Gesetzgebung die Entziehung gewerblicher Konzessionen erfolgt.“ (Der Entwurf der Regierung hatte statt des letzten Satzes: „Die Erlaubniß kann jederzeit zurückgezogen werden.) mit 157 gegen 152 Stimmen angenommen. Der § 3, lautend: „Zuwiderhandlungen wieder die vorstehenden Vorschriften ziehen polizeiliche Ahndung bis zu 50 Thlr. Geldbuße, im Unvermögensfalle bis 6 Wochen Gefängniß nach sich,“ wird angenommen. Schluß der Sitzung. G. Erfurt, 13. April. Vor einigen Tagen fand hier wieder ein von Soldaten verübter Tumult statt, bei welchen die abscheulichsten Gewaltthätigkeiten an einem Bierbrauerbesitzer, da dieser die Ruhestörungen Seitens der Soldaten nicht zugeben wollte, verübt wurden. Die Excedenten sind allerdings verhaftet und zur Untersuchung gezogen worden, indessen wird ihrer wohl nur ein mildes Urtheil warten, da die Mißhandlungen von Soldaten an Bürgern verübt, bekanntlich eben nicht strenge geahndet werden. Unsere Beamten und Junker haben eine Petition wegen Fortdauer de Belagerungszustandes gemacht und dafür die Unterschriften einiger anderer hundert Bewohner erschlichen, um so die Regierung und die Kammer zu täuschen. Spaßhaft ist dabei, daß sich zu diesen Unterschriften auch etwa 30 unserer Bürgerschützen verleiten ließen, welche um die nämliche Zeit eine Petition an den Kommandanten gerichtet hatten, daß ihnen endlich ihre Privatwaffen zurück gegeben werden möchten. Sie wurden natürlich abschläglich beschieden. Ihre Bitte um Fortdauer des Belagerungszustandes soll dagegen wahlgefälliger aufgenommen worden sein. ‒ Alle Privatwaffen der Bürger Erfurts befinden sich noch in den Festungs-Magazinen. * Wien, 12. April. Auf die letzte preußische Circularnote in Betreff der Frankfurter Kaiserfabrikation antwortet die östreichische Regierung, daß sie der Ausführung der in jener preußischen Note ausgesprochenen Absichten ihre Zustimmung nicht ertheilen, noch viel weniger dieselben befördern kann. Die Nationalversammlung in Frankfurt habe durch die Wahl eines Erbkaisers ihre Vollmacht überschritten und durch ihre Permanenzerklärung den Boden des Rechts verlassen. „Für uns“, heißt es an einer Stelle der k. k. Antwort, „besteht die Nationalversammlung nicht mehr und kann daher weder auf Anordnungen hinsichtlich einer neu zu bildenden provisorischen Centralgewalt Einfluß üben, noch einen Antheil an Verhandlungen zum Behufe einer Vereinbarung über das von ihr selbst für abgeschlossen erklärte Verfassungswerk nehmen.“ Weiter heißt es dann: „Sollte demnach der Erzherzog-Reichsverweser, an welchen von Seiten Sr. Majestät des Kaisers eine dringende Aufforderung ergangen ist, sein Amt noch fortzuführen, bis auf gesetzlichem Wege für die Leitung der deutschen Angelegenheiten Vorsorge getroffen sein wird, diesem Wunsche aus unvorhergesehenen Gründen nicht zu entsprechen vermögen, müßten wir gegen die Uebernahme und Ausübung dieser Gewalt durch Eine der deutschen Regierungen allein, entschiedene Einsprache erheben und darauf bestehen, daß sie in einer Weise organisirt werde, welche sämmtlichen Regierungen eine gerechte Vertretung zu sichern im Stande wäre.“ Da unter diesen Umständen mit der National-Versammlung keine weitere Verhandlung über das Verfassungswerk gepflogen werden kann, die Centralgewalt aber in ihrer Eigenschaft als eine rein exekutive Behörde hiezu nicht berufen wäre, und Se. Majestät der Kaiser an dem bereits ausgesprochenen Grundsatze festhalten müssen, Sich und Ihre Staaten der von einem andern Deutschen Fürsten gehandhabten Centralgewalt nicht unterordnen zu können, wir demnach auf der von Preußen aufgestellten Grundlage auch mit dessen Bevollmächtigten, wie mit jenen anderer Deutschen Fürsten in Frankfurt nicht zu unterhandeln vermögen, sind wir nicht in der Lage der an uns ergangenen Einladung zu entsprechen, und einen Bevollmächtigten zu den daselbst beabsichtigten Verhandlungen zu entsenden!“ Ueber die Ereignisse vor Pesth herrscht unter der hiesigen Bevölkerung eine unbeschreibliche Spannung, die sich um so mehr noch mit jedem Augenblicke steigert, als die Regierung auch nicht ein Wörtchen über den Stand der Dinge in Ungarn laut werden läßt. Gestern Abend hatte sich eine große Menschenmasse vor der Staatsdruckerei angehäuft, um das Erscheinen eines neuen Bülletins abzuwarten. Allein nach langem, langem Harren mußte die Menge sich entfernen, da ihr erklärt wurde, daß kein Bülletin ausgegeben werde!! Die Zahl der „Vertrauten,“ feiner Ausdruck für geheime Polizeispione, beläuft sich für Wien auf bereits mehr als 6000. Das Verbot, rothe Kleidungsstücke etc. zu tragen, wird auf's Strengste durchgeführt. Dienstmädchen wurden festgehalten, weil sie rothe Korallen und

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 274. Köln, 17. April 1849, S. 1547. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz274_1849/1>, abgerufen am 28.03.2024.