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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 265. Köln, 6. April 1849. Beilage.

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Beilage zu Nr. 265 der Neuen Rheinischen Zeitung.
Organ der Demokratie.
Freitag, 6. April 1849.
[Französische Republik]

[Fortsetzung] mich losgelassen, und stürzt sich mit einer Fluth von Verwünschungen und Racheschreien über mein Haupt. Die Schwachen und Gleichgültigen selbst werden von diesem allgemeinen Strom mit fortgerissen, und noch bei Eröffnung des Prozesses las man in einem Journal hier in Bourges: "Blanqui! Ah, wenden wir unsere Augen ab von diesem blutdürstigen Ungeheuer!" Die Griechen hatten in Hercules alle Heldenthaten ihres heroischen Zeitalters personifizirt: die Reaktion wollte in mir alle Infamien und Schandthaten des ihrigen konzentriren, sie hat mich zum Hercules der Verbrechen gemacht. (Lange, lebhafte Aufregung im Publikum.)

In der That, wie hätten die Elenden in ihrem Treiben auch Maß halten sollen, nachdem ihnen das Signal dazu aus dem Munde eines Ministers gegeben worden war, wenn die Verläumdung ungestraft, geschützt, geheiligt von der Höhe der Tribüne auf einen in seiner einsamen Zelle begrabenen Geächteten niederfallen darf? Wer, frage ich, wer hätte nicht Steine und Koth nach mir geworfen? Lesen Sie diese schmachvollen, ehrlosen Seiten Ihrer Zeitgeschichte, wo die ehemals gefeierten Volksmänner bei dem ersten Schritt, den sie in die mephitische Region der Gewalt thun, ich weiß nicht welche verpestete, giftige Atmosphäre athmen, die sie berauscht und der gewöhnlichen Regungen der Gerechtigkeit und des Schamgefühls entkleidet. Es ist ein geächteter, vertheidigungsloser, in der Stille seiner Zelle stumm, gemachter Gefangener, gegen welchen alle diese großen Männer in langer Prozession zu Felde ziehen, um ihm Mann für Mann den feigen Tritt des Thieres in der Fabel zu versetzen.

Sie selbst haben in diesen Verhandlungen das tiefe Gewebe gegen mich vereinigter Privatleidenschaften gesehen; aber ich zweifle, daß man in meinem ganzen Leben nur die leiseste Spur von Privathaß gegen irgend eine Person der Welt entdecken wird. Stets und einzig für die Sache des Volks auf der Bresche, haben mich alle Schläge nicht unterdrücken können. Es ist das Bewußtsein der mit Ruhe und Zähigkeit erfüllten Pflicht, was mein Haupt aufrecht gehalten hat mitten unter den grausamsten Prüfungen, indem es vor meinen Augen von Weitem den Tag der Enttäuschungen und der Genugthuungen leuchten ließ. Mag dieser Tag auch nur auf ein Gefängniß herabscheinen, wenig liegt mir daran! Er wird mich finden in meinem gewohnten Domizil, das ich seit 12 Jahren wenig verlassen habe. Die siegreiche Revolution hatte mich ihm einen Augenblick entrissen, die verrathene und besiegte Revolution läßt mich darin zurückstürzen. Das eben ist unser Ruhm: leiden und triumphiren mit den Leiden und dem Triumph jenes großen Volkes von Enterbten! Unser ganzes Leben war dem Kultus und der Propaganda der Prinzipien gewidmet, die es dem Fegefeuer des Elends und der Unwissenheit entreißen werden. Das ist unser Ruhm, das ist auch unser Verbrechen! Wir haben ein anderes begangen, wir haben die Repressalien verschmäht. Es ist dies das Verbrechen der Großmuth, ein unkluges Verbrechen, das dem Schimpf der Niederlage den Schimpf empfangener Milde hinzufügt. Zweimal in 18 Jahren haben wir dies Verbrechen begangen und zweimal es gebüßt mit unsern Thränen und unserm Blut. Aber so sind wir einmal: der Sieg entreißt unserm Herzen den Zorn und unsern Händen die Waffe. Wir reichen unsern alten Feinden die Hand, die sich wieder aufrichten und uns niederschlagen.

Die Sitten der Parteien sind die Töchter ihrer Doktrinen: die einen, tiefbeseelt von der Empfindung der Brüderlichkeit, wissen in das Unglück den Stolz und den Muth zu tragen, in den Sieg das Vergessen und das Mitleid; die andern, kalte Egoisten, zeigen sich kriechend in der Niederlage, grausam, unerbittlich im Erfolg.

Umsturzdoktrinen! sagt man, antisoziale Doktrinen! Wir kennen diese Worte, sie sind fast so alt wie die Menschen; es war dies die Sprache der Inquisition, die Sprache des Heidenthums, das die ersten Christen abschlachtete: es ist dies die Sprache der Welten, die im Untergehen begriffen sind.

Als im 16ten Jahrhundert die Reform in Europa eklatirte, beim Rufe Luthers und Calvins, was war der Schlachtschrei jenes von Lastern zerfressenen Schwarms, dessen Ausgelassenheit den ersten Anstoß zu dieser mächtigen Revolte des Gedankens gab? Der Schrei, derselbe Schrei, den wir heute gegen die neuen Ideen brüllen hören: Gottlose Doktrinen, verkehrte Theorien! Und vorwärts gegen die Feinde Gottes und der Gesellschaft. Die Torturen, das Schaffot, die Scheiterhaufen! Was war der Erfolg dieser wilden Repressionen? Ein Bürgerkrieg, der ein Jahrhundert durch Europa mit Blut und Schlächtereien erfüllt hat und schließlich endet mit dem Triumphe des bestrittenen Princips, der Gewissensfreiheit.

Die Organe des öffentlichen Ministeriums sind gekommen, sie auch, donnern, der Runde nach, das Anathem der Rücksichtslosigkeit gegen die unmöglichen und schuldvollen Utopieen, gegen die gesellschaftsauflösenden Theorieen. Dieselben Philippiken hatte ich schon gehört, fast mit denselben Worten, durch die Requisitorien der Monarchie. Die Presse, die Tribüne, die Kanzel, der Lehrstuhl, der Thron fabriciren täglich unzählbare Muster dieser Moralrhetorik. Ich will mich begnügen mit zwei Proben:

Proklamation des östreichischen Generals Haynau nach der Einnahme von Chiavenna: "Die Truppen haben die Insurgenten geschlagen und zersprengt; sie haben ihre Schlupfwinkel verbrannt und es bleibt nur noch diese Stadt der verdienten Züchtigung zu unterwerfen. Möge dieser abermals gescheiterte Versuch und diese revolutionäre und verbrecherische Expedition den verirrten Menschen die Augen öffnen und sie verzichten lassen auf die Ausführung sinnloser und unpraktischer Theorieen."

Brief des Kaisers Nikolaus an den Ban Jelachich bei Uebersendung des St. Wladimirordens: "General, Ihre edlen Anstrengungen, um vor einem Schiffbruch die Prinzipieen der gesellschaftlichen Ordnung zu retten, die durch ein anarchisches Wort mit Füßen getreten worden sind, haben Ihnen gerechte Ansprüche auf meine Achtung erworben."

Sie sehen, es ist dies absolut dieselbe Rhetorik. Wer hat sich hier des Plagiats schuldig gemacht, die östreichischen Generale, der Kaiser Nikolaus oder die Requisitorien? Ich frage Sie. Manchmal begegnen sich auch die schönen Seelen, oder wenn Sie wollen, die gutgesinnten Seelen. Dieselben Interessen, derselbe Zorn hat dieselbe Sprache in den Mund dieser verschiedenen Herren gelegt; es ist dies eine Verbrüderung wie eine andere.

Utopie, Unmöglichkeit! niederschmetterndes Wort, durch unsere Feinde auf unsre Stirn genagelt und das sagen will: Mörder!

Es giebt keine Utopisten im gewöhnlichen Sinne des Wortes. Es giebt Denker, die eine neue, brüderlichere Gesellschaft ahnen. Einige dieser Denker bleiben wie Moses auf dem Berge stehn, versunken in die Betrachtung jenes fernen Landes, das ewig ihre Blicke täuscht mit phantastischen Spiegelbildern. Die andern sagen: Gehn wir voran! Dort ist die Straße! Sie führt durch unbekannte Gegenden, aber voran! ohne uns jemals aufzuhalten, ohne jemals zurückzublicken. Am 24. Februar haben sie mit einem Ansatz über einen Abgrund zwischen zwei Felsen hinweggesetzt. Manchmal, wenn der Graben zu breit ist oder der Anlauf zu kurz genommen wird, bleiben viele in der Tiefe des Abgrunds. Auf diesem Wege ist das Gefängniß nur ein Ruhposten für die Verwundeten, welche durch neue Gefährten in der Arbeit ersetzt werden.

Ich bin einer dieser Reisenden; gestern nannten sie sich Revolutionäre, heute Socialisten.

Welche großartige Perspektive zeigte sich uns nach dem Februar! Wie rasch verschwand sie! Der Weg zeigte sich von weitem so schön und so breit, und der Unverstand hat uns in ein gräßliches Schlammloch hineingestürzt!

Meine Stimme versuchte sich gegen die Perfiden zu erheben, sie haben sie erstickt unter der Verläumdung. Die Revolution von 1848 wollte die Korruption entthronen. Ist es ihr gelungen? Nein. Nun wohl! Der Sturm wird von neuem beginnen.

Die Korruption lenkt Frankreich; alle Parteien kranken daran; die 18 Jahre des Reichs Louis Philippe's haben das venerische Gift den entferntesten Verzweigungen des gesellschaftlichen Körpers inokulirt. Die Regierungsgewalt hat das Uebel verursacht, sie allein kann es heilen; möge sie wenigstens diese Aehnlichkeit mit der Lanze des Achilles haben. Vor allem aber möge sie die homöopathische Methode aufgeben; sie hat ihr sehr schlecht angeschlagen bis auf diesen Tag. (Lachen.) Frankreich sieht in den Staatsmännern nur mehr einen gierenden Schwarm, ohne Scham und ohne Ueberzeugung. (Bewegung.) Republik, Kaiserthum, Königthum flößen ihm gleichmäßig Verachtung und Mißtrauen ein. Betrogen, ruinirt, demoralisirt, glaubt es an nichts mehr und wälzt sich auf seinem Schmerzenslager.

Die Republik hatte ihm Erleichterung der öffentlichen Lasten und Rechtschaffenheit versprochen, und das lautete in die Wirklichkeit übersetzt: 45 Centimessteuer und Erpressungen. Die Präsidentschaft hatte Zurückzahlungen versprochen, sie schickt Soldaten zur Einquartierung. Die provisorische Regierung nahm drei Monate Elend als Opfer auf dem Altare des Vaterlandes von den Arbeitern an und sprach jedem ihrer Mitglieder täglich 200 Frs. zu Betrügereien, Unterschleife, Immoralitäten immer und überall; auch ist der Glaube und die Geduld zu Ende, nichts bleibt mehr, als überreizte Gelüste, verzehrendes Elend, todte Gewissen. Allgemeine Auflösung, bald das Chaos!

Ohne eine Radikalreform, wird diese Gesellschaft untersinken. Man kann ihr zurufen mit Jonas: "Noch 40 Tage und Ninive wird zerstört sein!"

Alexander, in der Wüste, verschüttet in den Sand die wenigen Wassertropfen, die man ihm in einem Helme gebracht hatte und ruft aus: "Alle oder Niemand!" Diese Selbstverleugnung ihres Anführers elektrisirt und rettet die macedonische Armee. Wenn das Volk fastet, muß Niemand essen. - Das war die Utopie, die ich am Morgen des Februars träumte. Wie viel unversöhnliche Feinde hat sie mir geschaffen! Sie dachten nur daran, die Interessen zu entfesseln - ich wollte die Gewissen in Leidenschaft setzen. Es handelte sich indeß keineswegs darum, eine Republik von Spartanern, es handelte sich nur darum, eine Republik ohne Heloten zu gründen.

Ich gehe jetzt zum zweiten Theil meiner Vertheidigung über.

(Die Sitzung wird auf einige Minuten ausgesetzt. Nach dieser kurzen Ruhe geht Blanqui auf die Untersuchung der Thatsachen über und schließt nach einem glänzenden, von Geist und Energie erfüllten Plaidoyer diesen zweiten Theil seiner Vertheidigung:)

Man hat gesagt, daß ich die Assemblee stürzen wollte. Und warum haben wir nicht die Mobil- und Nationalgarden auf unsere Seite gebracht? Warum haben wir so viel Zeit in Reden und Diskussionen verloren, statt einfach die Repräsentanten zum Fenster hinauszuwerfen und mit den Waffen in der Hand nach dem Hotel-de-Ville zu ziehen, um unsere Regierung zu proklamiren? Statt alle dem ließen wir unsere Schaaren sich zerstreuen und die Nationalgarde durch den Rappel zusammentrommeln. Unsere Faktieusen, wie man sie nennt, waren noch da, als die Stimme jenes Wahnsinnigen die Auflösung der Assemblee verkündete: warum ließen wir sie nicht die Mobilen und Nationalgarden entwaffnen? Aber nein; man ist einfältig, wie man kam, zurückgekehrt und und nichts, nicht der geringste Zufall deutet auf die Vorbereitung oder Zusammenwirkung zu einem Attentat.

In Betreff der Reisebeschreibung nach meinem Weggehen aus der Assemblee, will ich mit dem Herrn Generalprokurator nicht rechten, da derselbe offenbar von der Topographie von Paris nicht viel versteht. Doch möchte ich gern wissen, welchen Weg der Generalprokurator eingeschlagen haben würde, um von der Assemblee nach dem Quai de la Megisserie zu kommen, ohne in der Richtung des Hotel de Ville zu gehen.

Warum hätte ich nach dem Hotel de Ville gehen sollen? Das hieße, wie man sagt, köpflings von den Thürmen der Notre-Dame springen, und ich hatte keine Lust, auf meinen Kopf zu springen. Nach Allem, meine Herren Geschworenen, stehen sie in der Alternative: wenn sie nach den Thatsachen richten, werden sie uns freisprechen; wenn sie uns aber im Gegentheil als wilde Thiere ansehen, verurtheilen sie uns; aber dann reden sie auch nicht im Namen der menschlichen Gerechtigkeit, dann nehmen sie auch die ganze klägliche Erinnerung dieses hohen Gerichtshofes auf ihre Schultern.

(Nach der Rede Blanqui's wird die Sitzung auf eine halbe Stunde ausgesetzt).

General-Prokurator Baroche erhält das Wort zur Beantwortung der Vertheidigung.

Derselbe resumirt die Hauptbelastungspunkte der Anklage namentlich gegen Blanqui, Raspail, Sobrier und Courtais. Er glaubt bei dieser Gelegenheit auch auf die Berichte und Artikel einiger demokratischen Blätter, besonders des "Peuple", über den Prozeß von Bourges eingehen zu müssen, um zu zeigen, von welcher Partei und in welchem Sinn die Freisprechung der Angeklagten gewünscht werde *). In der Sache selbst endlich erklärt er, auf allen Punkten des Requisitoriums, namentlich gegen Blanqui, Sobrier, Raspail und Courtais zu beharren, und ruft den Geschworenen zu, daß die Schuldigsprechung ihre Pflicht sei, wenn sie nicht die öffentliche Gewalt in die Nothwendigkeit versetzen wollten, noch einmal mit bewaffneter Hand den Frieden im Lande herzustellen.

Schluß der Sitzung 7 Uhr.

Italien.

* Der "Tyroler Bote", der über den Aufstand in Brescia Einzelheiten mittheilt, fügt hinzu, daß der Kommandant des Forts die Unvorsichtigkeit beging, sich in die Stadt zu verfügen, um sich von den Vorgängen persönlich zu unterrichten, und bei dieser Gelegenheit von den Aufständischen arretirt wurde.

* Turin, 30. März.

Gestern Vormittag trat die Deputirtenkammer zu einer geheimen Sitzung zusammen, um die Mittheilungen des Kabinets bezüglich der Mittel zur Reorganisation der Armee und Aushilfe der Finanzen anzuhören. Um 1 Uhr wurde die geheime Sitzung unterbrochen; denn es vereinigten sich die Senatoren und Deputirten zu einer gemeinschaftlichen Sitzung, in welcher der neue König, Viktor Emanuel, den Regierungseid nach Art. 22 des Grundgesetzes, ableistete. Nachdem sich der König entfernt, wurden die Deputirten von Pinelli, Minister des Innern auf's Neue zu einer Sitzung eingeladen, weil ihnen das Kabinet eine Mittheilung zu machen habe. Diese bestand in Verlesung eines Dekrets, durch welches die Kammern vertagt werden. Man glaubt hier allgemein, daß das Auflösungsdekret sehr bald nachfolgen wird und es erhebt sich schon jetzt eine lebhafte Opposition gegen diese voraussichtliche Maaßregel. Es ging das Gerücht, daß Gioberti, der, wie schon gemeldet, wieder im Ministerium ist, eine Mission nach Paris erhalten habe und schleunig dahin abgehen werde.

* Turin, 29. März.

Der schmachvolle Waffenstillstandsvorschlag, den die Kammer für eine Beschimpfung der Nationalehre erklärt hat, ruft natürlich bei den "vermittelnden" Repräsentanten Englands und Frankreichs (letzteres hat durch seinen berüchtigten Bois-le-Comte den Kuppler zwischen Radetzki und der piemontesischen landesverrätherischen Contrerevolution abgegeben) kein Wort des Protestes hervor. Kein Vorbehalt. Die Sache der Unabhängigkeit ist verrathen, Venedig preisgegeben. Die Armee ist demoralisirt, oder besser, sie war es von vornherein. Auf 50,000 Mann, die in der Linie waren, haben sich nur 20,000 Mann geschlagen; der Rest ist davon gelaufen. Drei tausend Soldaten, oder besser, Banditen, sind in Novara eingezogen und haben die Stadt behandelt wie eine mit Sturm genommene, plündernd und nothzüchtigend und die Oestreicher wurden in der Stadt aufgenommen mit dem Rufe: Es lebe Radetzky!

Die Soldaten sind herz- und ideenlose Maschinen, durch die Pfaffen und den Adel idiotisirt. Die Offiziere, welche ihrer Geburt ihre Epaulettes verdanken, haben keine Berührung mit den Soldaten; sie schlagen sich wohl; aber dieser Krieg war unpopulär in der Aristokratie in und außer der Armee und die Reden der Offiziere waren nicht geeignet die Truppen zu ermuthigen. Eins der Bülletins, die in der Armee verbreitet wurden, um sie für die Sache Radetzki's zu gewinnen, wurde am 27. auf dem Bureau des Kammerpräsidenten durch den Deputirten Lauza deponirt.

Heute Morgen insultirten Garde-Soldaten die Nationalgarden auf ihren Posten, mit der Drohung: Wenn Ihr euch rührt, werdet Ihr es mit uns zu thun haben!

Gestern Abend (am 28.) wurde eine Deputation zum Könige geschickt. Er antwortete: "Ich will wohl den Krieg führen, wenn die Kammer sich verpflichtet, Geld zu schaffen und Soldaten, die sich schlagen. Ich werde übrigens alles thun, was ich kann, um bessere Friedensbedingungen zu erhalten." In Folge dessen schickte man zwei Boten, den Marschall Latour und Herrn v. Saluzzi, begleitet von den französischen und englischen Gesandten, in das Generalquartier Radetzky's. Es bedarf keines Wortes über das Resultat. Es ist dies nur eine Düperie mehr in der abgekarteten Tragödie, worin jene beiden Herrn Gesandten die pathetische Rolle spielen.

Die Gardebrigade ist heute Mittag hier eingerückt, ebenso das Cavallerieregiment von Novara. Genua soll sich erhoben und eine provisorische Regierung ausgerufen haben, worin Pallegrini sitzt.

* Genua, 28. März.

Ich habe Turin gestern um zwei Uhr verlassen. Eine wahrhaft unglaubliche Sache, und die ich nicht zu versichern wagen würde, wenn ich sie nicht mit eigenen Augen gesehen hätte, ist die schmachvolle Freude gewisser Leute, als sie den unglücklichen Ausgang des Feldzugs erfuhren. Seit mehreren Tagen erwarteten diese Elenden in Turin die östreichische Armee und gewisse Personen, die ich nennen könnte, haben im voraus Betten und Festessen vorbereitet, um würdig den Ritter ohne Furcht und Tadel des östreichischen Despotismus zu empfangen, den vielgeliebten Restaurateur ihrer theuren Privilegien. Seit 3 Tagen, sagte Sontag ein Lakai in den Hallen (Portikus) von Turin, haben wir 54 Betten und 45 Couverte bereit, und mein Herr erwartet von einem Augenblick zum andern die Ankunft der östreichischen Armee. Einer bemerkte ihm, diese Armee würde Turin vielleicht der Plünderung preißgeben: "Wir haben keine Furcht, antwortete der Lakai, der Name des Herrn Grafen ist eingeschrieben auf einem Täfelchen, das wir an das Thor des Hotels aufhängen werden. Wir vertheidigen die gute Sache, wir, und man wird uns respektiren." Sie sehen an diesem Beispiel, wie weit die Verläugnung jedes Ehrgefühls, jeder Nationalwürde von den Leuten dieser hochfahrenden und im Staub wedelnden Aristokratie getrieben wird, die dem Karl Albert selbst seine inkonsequenten und schwächlichen Reformationsgelüste nie verziehen hat.

Die Nationalgarde hat auf ihr Verlangen die zwei Forts der Stadt besetzt. Die Munizipalität hat diese Besetzung zur Vertheidigung der Gebäude autorisirt.

Mailand, 29. März.

Gestern rückte hier das dritte Armeecorps, vom Kriegsschauplatz zurückkehrend, ein. Es wird Brescia und Bergamo besetzen. So eben hält Radetzki an der Spitze des Reservecorps seinen Einzug hier, während in der Gegend der Post ein Volksauflauf stattfindet, dessen Grund und Umfang mir noch unbekannt ist. Das eben eben einrückende Corps führt dreizehn der den Piemontesen abgenommenen 40 Kanonen und viele Munitionswagen mit. Vorgestern reiste der Herzog von Modena hier durch.

(A. Z.)
* Florenz.

Man versichert, daß die Oestreicher aus der Lowellina verjagt und auf mehren Punkten geschlagen sind. Man spricht von einem Reaktionsversuch zu Arrezo. Die Toskanische Regierung expedirt eine Truppenabtheilung, um diese Bewegung zu unterdrücken.

* Neapel.

Der "Tempo", das offizielle Organ der Regierung, schreibt dd. 24. März: "In diesen letzten Tagen wurden 60,000 Militärrationen nach Gaeta expedirt. Man sagt, daß sie für die spanischen Trupen bestimmt sind, die man in Kurzem dort erwartet. Diese Truppen werden sich sofort nach Civita Vecchia begeben, im Einverständniß mit unsern Truppen handeln, um die Angelegenheiten des Kirchenstaats zu regeln und den Pabst in seine weltliche Macht wieder einzusetzen."

Nach der Revolution democratique et sociale hatte der General-Prokurator die Frechheit, mit dem Finger auf einen Redakteur des "Peuple" am Journalistentisch zu zeigen und denselben als Feigen zu behandeln, weil der "Peuple" die lächerlich-anmaßende Haltung und gemeine Sprache des öffentlichen Ministeriums und einiger Zeugen, u. A. des Hrn. Marie, des glücklichen Erfinders der Nationalwerkstätten, gezüchtigt hatte. Anm. d. R.
Beilage zu Nr. 265 der Neuen Rheinischen Zeitung.
Organ der Demokratie.
Freitag, 6. April 1849.
[Französische Republik]

[Fortsetzung] mich losgelassen, und stürzt sich mit einer Fluth von Verwünschungen und Racheschreien über mein Haupt. Die Schwachen und Gleichgültigen selbst werden von diesem allgemeinen Strom mit fortgerissen, und noch bei Eröffnung des Prozesses las man in einem Journal hier in Bourges: „Blanqui! Ah, wenden wir unsere Augen ab von diesem blutdürstigen Ungeheuer!“ Die Griechen hatten in Hercules alle Heldenthaten ihres heroischen Zeitalters personifizirt: die Reaktion wollte in mir alle Infamien und Schandthaten des ihrigen konzentriren, sie hat mich zum Hercules der Verbrechen gemacht. (Lange, lebhafte Aufregung im Publikum.)

In der That, wie hätten die Elenden in ihrem Treiben auch Maß halten sollen, nachdem ihnen das Signal dazu aus dem Munde eines Ministers gegeben worden war, wenn die Verläumdung ungestraft, geschützt, geheiligt von der Höhe der Tribüne auf einen in seiner einsamen Zelle begrabenen Geächteten niederfallen darf? Wer, frage ich, wer hätte nicht Steine und Koth nach mir geworfen? Lesen Sie diese schmachvollen, ehrlosen Seiten Ihrer Zeitgeschichte, wo die ehemals gefeierten Volksmänner bei dem ersten Schritt, den sie in die mephitische Region der Gewalt thun, ich weiß nicht welche verpestete, giftige Atmosphäre athmen, die sie berauscht und der gewöhnlichen Regungen der Gerechtigkeit und des Schamgefühls entkleidet. Es ist ein geächteter, vertheidigungsloser, in der Stille seiner Zelle stumm, gemachter Gefangener, gegen welchen alle diese großen Männer in langer Prozession zu Felde ziehen, um ihm Mann für Mann den feigen Tritt des Thieres in der Fabel zu versetzen.

Sie selbst haben in diesen Verhandlungen das tiefe Gewebe gegen mich vereinigter Privatleidenschaften gesehen; aber ich zweifle, daß man in meinem ganzen Leben nur die leiseste Spur von Privathaß gegen irgend eine Person der Welt entdecken wird. Stets und einzig für die Sache des Volks auf der Bresche, haben mich alle Schläge nicht unterdrücken können. Es ist das Bewußtsein der mit Ruhe und Zähigkeit erfüllten Pflicht, was mein Haupt aufrecht gehalten hat mitten unter den grausamsten Prüfungen, indem es vor meinen Augen von Weitem den Tag der Enttäuschungen und der Genugthuungen leuchten ließ. Mag dieser Tag auch nur auf ein Gefängniß herabscheinen, wenig liegt mir daran! Er wird mich finden in meinem gewohnten Domizil, das ich seit 12 Jahren wenig verlassen habe. Die siegreiche Revolution hatte mich ihm einen Augenblick entrissen, die verrathene und besiegte Revolution läßt mich darin zurückstürzen. Das eben ist unser Ruhm: leiden und triumphiren mit den Leiden und dem Triumph jenes großen Volkes von Enterbten! Unser ganzes Leben war dem Kultus und der Propaganda der Prinzipien gewidmet, die es dem Fegefeuer des Elends und der Unwissenheit entreißen werden. Das ist unser Ruhm, das ist auch unser Verbrechen! Wir haben ein anderes begangen, wir haben die Repressalien verschmäht. Es ist dies das Verbrechen der Großmuth, ein unkluges Verbrechen, das dem Schimpf der Niederlage den Schimpf empfangener Milde hinzufügt. Zweimal in 18 Jahren haben wir dies Verbrechen begangen und zweimal es gebüßt mit unsern Thränen und unserm Blut. Aber so sind wir einmal: der Sieg entreißt unserm Herzen den Zorn und unsern Händen die Waffe. Wir reichen unsern alten Feinden die Hand, die sich wieder aufrichten und uns niederschlagen.

Die Sitten der Parteien sind die Töchter ihrer Doktrinen: die einen, tiefbeseelt von der Empfindung der Brüderlichkeit, wissen in das Unglück den Stolz und den Muth zu tragen, in den Sieg das Vergessen und das Mitleid; die andern, kalte Egoisten, zeigen sich kriechend in der Niederlage, grausam, unerbittlich im Erfolg.

Umsturzdoktrinen! sagt man, antisoziale Doktrinen! Wir kennen diese Worte, sie sind fast so alt wie die Menschen; es war dies die Sprache der Inquisition, die Sprache des Heidenthums, das die ersten Christen abschlachtete: es ist dies die Sprache der Welten, die im Untergehen begriffen sind.

Als im 16ten Jahrhundert die Reform in Europa eklatirte, beim Rufe Luthers und Calvins, was war der Schlachtschrei jenes von Lastern zerfressenen Schwarms, dessen Ausgelassenheit den ersten Anstoß zu dieser mächtigen Revolte des Gedankens gab? Der Schrei, derselbe Schrei, den wir heute gegen die neuen Ideen brüllen hören: Gottlose Doktrinen, verkehrte Theorien! Und vorwärts gegen die Feinde Gottes und der Gesellschaft. Die Torturen, das Schaffot, die Scheiterhaufen! Was war der Erfolg dieser wilden Repressionen? Ein Bürgerkrieg, der ein Jahrhundert durch Europa mit Blut und Schlächtereien erfüllt hat und schließlich endet mit dem Triumphe des bestrittenen Princips, der Gewissensfreiheit.

Die Organe des öffentlichen Ministeriums sind gekommen, sie auch, donnern, der Runde nach, das Anathem der Rücksichtslosigkeit gegen die unmöglichen und schuldvollen Utopieen, gegen die gesellschaftsauflösenden Theorieen. Dieselben Philippiken hatte ich schon gehört, fast mit denselben Worten, durch die Requisitorien der Monarchie. Die Presse, die Tribüne, die Kanzel, der Lehrstuhl, der Thron fabriciren täglich unzählbare Muster dieser Moralrhetorik. Ich will mich begnügen mit zwei Proben:

Proklamation des östreichischen Generals Haynau nach der Einnahme von Chiavenna: „Die Truppen haben die Insurgenten geschlagen und zersprengt; sie haben ihre Schlupfwinkel verbrannt und es bleibt nur noch diese Stadt der verdienten Züchtigung zu unterwerfen. Möge dieser abermals gescheiterte Versuch und diese revolutionäre und verbrecherische Expedition den verirrten Menschen die Augen öffnen und sie verzichten lassen auf die Ausführung sinnloser und unpraktischer Theorieen.“

Brief des Kaisers Nikolaus an den Ban Jelachich bei Uebersendung des St. Wladimirordens: „General, Ihre edlen Anstrengungen, um vor einem Schiffbruch die Prinzipieen der gesellschaftlichen Ordnung zu retten, die durch ein anarchisches Wort mit Füßen getreten worden sind, haben Ihnen gerechte Ansprüche auf meine Achtung erworben.“

Sie sehen, es ist dies absolut dieselbe Rhetorik. Wer hat sich hier des Plagiats schuldig gemacht, die östreichischen Generale, der Kaiser Nikolaus oder die Requisitorien? Ich frage Sie. Manchmal begegnen sich auch die schönen Seelen, oder wenn Sie wollen, die gutgesinnten Seelen. Dieselben Interessen, derselbe Zorn hat dieselbe Sprache in den Mund dieser verschiedenen Herren gelegt; es ist dies eine Verbrüderung wie eine andere.

Utopie, Unmöglichkeit! niederschmetterndes Wort, durch unsere Feinde auf unsre Stirn genagelt und das sagen will: Mörder!

Es giebt keine Utopisten im gewöhnlichen Sinne des Wortes. Es giebt Denker, die eine neue, brüderlichere Gesellschaft ahnen. Einige dieser Denker bleiben wie Moses auf dem Berge stehn, versunken in die Betrachtung jenes fernen Landes, das ewig ihre Blicke täuscht mit phantastischen Spiegelbildern. Die andern sagen: Gehn wir voran! Dort ist die Straße! Sie führt durch unbekannte Gegenden, aber voran! ohne uns jemals aufzuhalten, ohne jemals zurückzublicken. Am 24. Februar haben sie mit einem Ansatz über einen Abgrund zwischen zwei Felsen hinweggesetzt. Manchmal, wenn der Graben zu breit ist oder der Anlauf zu kurz genommen wird, bleiben viele in der Tiefe des Abgrunds. Auf diesem Wege ist das Gefängniß nur ein Ruhposten für die Verwundeten, welche durch neue Gefährten in der Arbeit ersetzt werden.

Ich bin einer dieser Reisenden; gestern nannten sie sich Revolutionäre, heute Socialisten.

Welche großartige Perspektive zeigte sich uns nach dem Februar! Wie rasch verschwand sie! Der Weg zeigte sich von weitem so schön und so breit, und der Unverstand hat uns in ein gräßliches Schlammloch hineingestürzt!

Meine Stimme versuchte sich gegen die Perfiden zu erheben, sie haben sie erstickt unter der Verläumdung. Die Revolution von 1848 wollte die Korruption entthronen. Ist es ihr gelungen? Nein. Nun wohl! Der Sturm wird von neuem beginnen.

Die Korruption lenkt Frankreich; alle Parteien kranken daran; die 18 Jahre des Reichs Louis Philippe's haben das venerische Gift den entferntesten Verzweigungen des gesellschaftlichen Körpers inokulirt. Die Regierungsgewalt hat das Uebel verursacht, sie allein kann es heilen; möge sie wenigstens diese Aehnlichkeit mit der Lanze des Achilles haben. Vor allem aber möge sie die homöopathische Methode aufgeben; sie hat ihr sehr schlecht angeschlagen bis auf diesen Tag. (Lachen.) Frankreich sieht in den Staatsmännern nur mehr einen gierenden Schwarm, ohne Scham und ohne Ueberzeugung. (Bewegung.) Republik, Kaiserthum, Königthum flößen ihm gleichmäßig Verachtung und Mißtrauen ein. Betrogen, ruinirt, demoralisirt, glaubt es an nichts mehr und wälzt sich auf seinem Schmerzenslager.

Die Republik hatte ihm Erleichterung der öffentlichen Lasten und Rechtschaffenheit versprochen, und das lautete in die Wirklichkeit übersetzt: 45 Centimessteuer und Erpressungen. Die Präsidentschaft hatte Zurückzahlungen versprochen, sie schickt Soldaten zur Einquartierung. Die provisorische Regierung nahm drei Monate Elend als Opfer auf dem Altare des Vaterlandes von den Arbeitern an und sprach jedem ihrer Mitglieder täglich 200 Frs. zu Betrügereien, Unterschleife, Immoralitäten immer und überall; auch ist der Glaube und die Geduld zu Ende, nichts bleibt mehr, als überreizte Gelüste, verzehrendes Elend, todte Gewissen. Allgemeine Auflösung, bald das Chaos!

Ohne eine Radikalreform, wird diese Gesellschaft untersinken. Man kann ihr zurufen mit Jonas: „Noch 40 Tage und Ninive wird zerstört sein!“

Alexander, in der Wüste, verschüttet in den Sand die wenigen Wassertropfen, die man ihm in einem Helme gebracht hatte und ruft aus: „Alle oder Niemand!“ Diese Selbstverleugnung ihres Anführers elektrisirt und rettet die macedonische Armee. Wenn das Volk fastet, muß Niemand essen. ‒ Das war die Utopie, die ich am Morgen des Februars träumte. Wie viel unversöhnliche Feinde hat sie mir geschaffen! Sie dachten nur daran, die Interessen zu entfesseln ‒ ich wollte die Gewissen in Leidenschaft setzen. Es handelte sich indeß keineswegs darum, eine Republik von Spartanern, es handelte sich nur darum, eine Republik ohne Heloten zu gründen.

Ich gehe jetzt zum zweiten Theil meiner Vertheidigung über.

(Die Sitzung wird auf einige Minuten ausgesetzt. Nach dieser kurzen Ruhe geht Blanqui auf die Untersuchung der Thatsachen über und schließt nach einem glänzenden, von Geist und Energie erfüllten Plaidoyer diesen zweiten Theil seiner Vertheidigung:)

Man hat gesagt, daß ich die Assemblée stürzen wollte. Und warum haben wir nicht die Mobil- und Nationalgarden auf unsere Seite gebracht? Warum haben wir so viel Zeit in Reden und Diskussionen verloren, statt einfach die Repräsentanten zum Fenster hinauszuwerfen und mit den Waffen in der Hand nach dem Hotel-de-Ville zu ziehen, um unsere Regierung zu proklamiren? Statt alle dem ließen wir unsere Schaaren sich zerstreuen und die Nationalgarde durch den Rappel zusammentrommeln. Unsere Faktieusen, wie man sie nennt, waren noch da, als die Stimme jenes Wahnsinnigen die Auflösung der Assemblée verkündete: warum ließen wir sie nicht die Mobilen und Nationalgarden entwaffnen? Aber nein; man ist einfältig, wie man kam, zurückgekehrt und und nichts, nicht der geringste Zufall deutet auf die Vorbereitung oder Zusammenwirkung zu einem Attentat.

In Betreff der Reisebeschreibung nach meinem Weggehen aus der Assemblée, will ich mit dem Herrn Generalprokurator nicht rechten, da derselbe offenbar von der Topographie von Paris nicht viel versteht. Doch möchte ich gern wissen, welchen Weg der Generalprokurator eingeschlagen haben würde, um von der Assemblée nach dem Quai de la Megisserie zu kommen, ohne in der Richtung des Hotel de Ville zu gehen.

Warum hätte ich nach dem Hotel de Ville gehen sollen? Das hieße, wie man sagt, köpflings von den Thürmen der Notre-Dame springen, und ich hatte keine Lust, auf meinen Kopf zu springen. Nach Allem, meine Herren Geschworenen, stehen sie in der Alternative: wenn sie nach den Thatsachen richten, werden sie uns freisprechen; wenn sie uns aber im Gegentheil als wilde Thiere ansehen, verurtheilen sie uns; aber dann reden sie auch nicht im Namen der menschlichen Gerechtigkeit, dann nehmen sie auch die ganze klägliche Erinnerung dieses hohen Gerichtshofes auf ihre Schultern.

(Nach der Rede Blanqui's wird die Sitzung auf eine halbe Stunde ausgesetzt).

General-Prokurator Baroche erhält das Wort zur Beantwortung der Vertheidigung.

Derselbe resumirt die Hauptbelastungspunkte der Anklage namentlich gegen Blanqui, Raspail, Sobrier und Courtais. Er glaubt bei dieser Gelegenheit auch auf die Berichte und Artikel einiger demokratischen Blätter, besonders des „Peuple“, über den Prozeß von Bourges eingehen zu müssen, um zu zeigen, von welcher Partei und in welchem Sinn die Freisprechung der Angeklagten gewünscht werde *). In der Sache selbst endlich erklärt er, auf allen Punkten des Requisitoriums, namentlich gegen Blanqui, Sobrier, Raspail und Courtais zu beharren, und ruft den Geschworenen zu, daß die Schuldigsprechung ihre Pflicht sei, wenn sie nicht die öffentliche Gewalt in die Nothwendigkeit versetzen wollten, noch einmal mit bewaffneter Hand den Frieden im Lande herzustellen.

Schluß der Sitzung 7 Uhr.

Italien.

* Der „Tyroler Bote“, der über den Aufstand in Brescia Einzelheiten mittheilt, fügt hinzu, daß der Kommandant des Forts die Unvorsichtigkeit beging, sich in die Stadt zu verfügen, um sich von den Vorgängen persönlich zu unterrichten, und bei dieser Gelegenheit von den Aufständischen arretirt wurde.

* Turin, 30. März.

Gestern Vormittag trat die Deputirtenkammer zu einer geheimen Sitzung zusammen, um die Mittheilungen des Kabinets bezüglich der Mittel zur Reorganisation der Armee und Aushilfe der Finanzen anzuhören. Um 1 Uhr wurde die geheime Sitzung unterbrochen; denn es vereinigten sich die Senatoren und Deputirten zu einer gemeinschaftlichen Sitzung, in welcher der neue König, Viktor Emanuel, den Regierungseid nach Art. 22 des Grundgesetzes, ableistete. Nachdem sich der König entfernt, wurden die Deputirten von Pinelli, Minister des Innern auf's Neue zu einer Sitzung eingeladen, weil ihnen das Kabinet eine Mittheilung zu machen habe. Diese bestand in Verlesung eines Dekrets, durch welches die Kammern vertagt werden. Man glaubt hier allgemein, daß das Auflösungsdekret sehr bald nachfolgen wird und es erhebt sich schon jetzt eine lebhafte Opposition gegen diese voraussichtliche Maaßregel. Es ging das Gerücht, daß Gioberti, der, wie schon gemeldet, wieder im Ministerium ist, eine Mission nach Paris erhalten habe und schleunig dahin abgehen werde.

* Turin, 29. März.

Der schmachvolle Waffenstillstandsvorschlag, den die Kammer für eine Beschimpfung der Nationalehre erklärt hat, ruft natürlich bei den „vermittelnden“ Repräsentanten Englands und Frankreichs (letzteres hat durch seinen berüchtigten Bois-le-Comte den Kuppler zwischen Radetzki und der piemontesischen landesverrätherischen Contrerevolution abgegeben) kein Wort des Protestes hervor. Kein Vorbehalt. Die Sache der Unabhängigkeit ist verrathen, Venedig preisgegeben. Die Armee ist demoralisirt, oder besser, sie war es von vornherein. Auf 50,000 Mann, die in der Linie waren, haben sich nur 20,000 Mann geschlagen; der Rest ist davon gelaufen. Drei tausend Soldaten, oder besser, Banditen, sind in Novara eingezogen und haben die Stadt behandelt wie eine mit Sturm genommene, plündernd und nothzüchtigend und die Oestreicher wurden in der Stadt aufgenommen mit dem Rufe: Es lebe Radetzky!

Die Soldaten sind herz- und ideenlose Maschinen, durch die Pfaffen und den Adel idiotisirt. Die Offiziere, welche ihrer Geburt ihre Epaulettes verdanken, haben keine Berührung mit den Soldaten; sie schlagen sich wohl; aber dieser Krieg war unpopulär in der Aristokratie in und außer der Armee und die Reden der Offiziere waren nicht geeignet die Truppen zu ermuthigen. Eins der Bülletins, die in der Armee verbreitet wurden, um sie für die Sache Radetzki's zu gewinnen, wurde am 27. auf dem Bureau des Kammerpräsidenten durch den Deputirten Lauza deponirt.

Heute Morgen insultirten Garde-Soldaten die Nationalgarden auf ihren Posten, mit der Drohung: Wenn Ihr euch rührt, werdet Ihr es mit uns zu thun haben!

Gestern Abend (am 28.) wurde eine Deputation zum Könige geschickt. Er antwortete: „Ich will wohl den Krieg führen, wenn die Kammer sich verpflichtet, Geld zu schaffen und Soldaten, die sich schlagen. Ich werde übrigens alles thun, was ich kann, um bessere Friedensbedingungen zu erhalten.“ In Folge dessen schickte man zwei Boten, den Marschall Latour und Herrn v. Saluzzi, begleitet von den französischen und englischen Gesandten, in das Generalquartier Radetzky's. Es bedarf keines Wortes über das Resultat. Es ist dies nur eine Düperie mehr in der abgekarteten Tragödie, worin jene beiden Herrn Gesandten die pathetische Rolle spielen.

Die Gardebrigade ist heute Mittag hier eingerückt, ebenso das Cavallerieregiment von Novara. Genua soll sich erhoben und eine provisorische Regierung ausgerufen haben, worin Pallegrini sitzt.

* Genua, 28. März.

Ich habe Turin gestern um zwei Uhr verlassen. Eine wahrhaft unglaubliche Sache, und die ich nicht zu versichern wagen würde, wenn ich sie nicht mit eigenen Augen gesehen hätte, ist die schmachvolle Freude gewisser Leute, als sie den unglücklichen Ausgang des Feldzugs erfuhren. Seit mehreren Tagen erwarteten diese Elenden in Turin die östreichische Armee und gewisse Personen, die ich nennen könnte, haben im voraus Betten und Festessen vorbereitet, um würdig den Ritter ohne Furcht und Tadel des östreichischen Despotismus zu empfangen, den vielgeliebten Restaurateur ihrer theuren Privilegien. Seit 3 Tagen, sagte Sontag ein Lakai in den Hallen (Portikus) von Turin, haben wir 54 Betten und 45 Couverte bereit, und mein Herr erwartet von einem Augenblick zum andern die Ankunft der östreichischen Armee. Einer bemerkte ihm, diese Armee würde Turin vielleicht der Plünderung preißgeben: „Wir haben keine Furcht, antwortete der Lakai, der Name des Herrn Grafen ist eingeschrieben auf einem Täfelchen, das wir an das Thor des Hotels aufhängen werden. Wir vertheidigen die gute Sache, wir, und man wird uns respektiren.“ Sie sehen an diesem Beispiel, wie weit die Verläugnung jedes Ehrgefühls, jeder Nationalwürde von den Leuten dieser hochfahrenden und im Staub wedelnden Aristokratie getrieben wird, die dem Karl Albert selbst seine inkonsequenten und schwächlichen Reformationsgelüste nie verziehen hat.

Die Nationalgarde hat auf ihr Verlangen die zwei Forts der Stadt besetzt. Die Munizipalität hat diese Besetzung zur Vertheidigung der Gebäude autorisirt.

Mailand, 29. März.

Gestern rückte hier das dritte Armeecorps, vom Kriegsschauplatz zurückkehrend, ein. Es wird Brescia und Bergamo besetzen. So eben hält Radetzki an der Spitze des Reservecorps seinen Einzug hier, während in der Gegend der Post ein Volksauflauf stattfindet, dessen Grund und Umfang mir noch unbekannt ist. Das eben eben einrückende Corps führt dreizehn der den Piemontesen abgenommenen 40 Kanonen und viele Munitionswagen mit. Vorgestern reiste der Herzog von Modena hier durch.

(A. Z.)
* Florenz.

Man versichert, daß die Oestreicher aus der Lowellina verjagt und auf mehren Punkten geschlagen sind. Man spricht von einem Reaktionsversuch zu Arrezo. Die Toskanische Regierung expedirt eine Truppenabtheilung, um diese Bewegung zu unterdrücken.

* Neapel.

Der „Tempo“, das offizielle Organ der Regierung, schreibt dd. 24. März: „In diesen letzten Tagen wurden 60,000 Militärrationen nach Gaëta expedirt. Man sagt, daß sie für die spanischen Trupen bestimmt sind, die man in Kurzem dort erwartet. Diese Truppen werden sich sofort nach Civita Vecchia begeben, im Einverständniß mit unsern Truppen handeln, um die Angelegenheiten des Kirchenstaats zu regeln und den Pabst in seine weltliche Macht wieder einzusetzen.“

Nach der Revolution democratique et sociale hatte der General-Prokurator die Frechheit, mit dem Finger auf einen Redakteur des „Peuple“ am Journalistentisch zu zeigen und denselben als Feigen zu behandeln, weil der „Peuple“ die lächerlich-anmaßende Haltung und gemeine Sprache des öffentlichen Ministeriums und einiger Zeugen, u. A. des Hrn. Marie, des glücklichen Erfinders der Nationalwerkstätten, gezüchtigt hatte. Anm. d. R.
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      <titlePage type="heading">
        <titlePart type="main">Beilage zu Nr. 265 der Neuen Rheinischen Zeitung.</titlePart>
        <titlePart type="sub">Organ der Demokratie.</titlePart>
        <docImprint>
          <docDate>Freitag, 6. April 1849.</docDate>
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        <head>[Französische Republik]</head>
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          <p><ref type="link_fsg">[Fortsetzung]</ref> mich losgelassen, und stürzt sich mit einer Fluth von Verwünschungen und Racheschreien über mein Haupt. Die Schwachen und Gleichgültigen selbst werden von diesem allgemeinen Strom mit fortgerissen, und noch bei Eröffnung des Prozesses las man in einem Journal hier in Bourges: &#x201E;Blanqui! Ah, wenden wir unsere Augen ab von diesem blutdürstigen Ungeheuer!&#x201C; Die Griechen hatten in Hercules alle Heldenthaten ihres heroischen Zeitalters personifizirt: die Reaktion wollte in mir alle Infamien und Schandthaten des ihrigen konzentriren, sie hat mich zum Hercules der Verbrechen gemacht. (Lange, lebhafte Aufregung im Publikum.)</p>
          <p>In der That, wie hätten die Elenden in ihrem Treiben auch Maß halten sollen, nachdem ihnen das Signal dazu aus dem Munde eines Ministers gegeben worden war, wenn die Verläumdung ungestraft, geschützt, geheiligt von der Höhe der Tribüne auf einen in seiner einsamen Zelle begrabenen Geächteten niederfallen darf? Wer, frage ich, wer hätte nicht Steine und Koth nach mir geworfen? Lesen Sie diese schmachvollen, ehrlosen Seiten Ihrer Zeitgeschichte, wo die ehemals gefeierten Volksmänner bei dem ersten Schritt, den sie in die mephitische Region der Gewalt thun, ich weiß nicht welche verpestete, giftige Atmosphäre athmen, die sie berauscht und der gewöhnlichen Regungen der Gerechtigkeit und des Schamgefühls entkleidet. Es ist ein geächteter, vertheidigungsloser, in der Stille seiner Zelle stumm, gemachter Gefangener, gegen welchen alle diese großen Männer in langer Prozession zu Felde ziehen, um ihm Mann für Mann den feigen Tritt des Thieres in der Fabel zu versetzen.</p>
          <p>Sie selbst haben in diesen Verhandlungen das tiefe Gewebe gegen mich vereinigter Privatleidenschaften gesehen; aber ich zweifle, daß man in meinem ganzen Leben nur die leiseste Spur von Privathaß gegen irgend eine Person der Welt entdecken wird. Stets und einzig für die Sache des Volks auf der Bresche, haben mich alle Schläge nicht unterdrücken können. Es ist das Bewußtsein der mit Ruhe und Zähigkeit erfüllten Pflicht, was mein Haupt aufrecht gehalten hat mitten unter den grausamsten Prüfungen, indem es vor meinen Augen von Weitem den Tag der Enttäuschungen und der Genugthuungen leuchten ließ. Mag dieser Tag auch nur auf ein Gefängniß herabscheinen, wenig liegt mir daran! Er wird mich finden in meinem gewohnten Domizil, das ich seit 12 Jahren wenig verlassen habe. Die siegreiche Revolution hatte mich ihm einen Augenblick entrissen, die verrathene und besiegte Revolution läßt mich darin zurückstürzen. Das eben ist unser Ruhm: leiden und triumphiren mit den Leiden und dem Triumph jenes großen Volkes von Enterbten! Unser ganzes Leben war dem Kultus und der Propaganda der Prinzipien gewidmet, die es dem Fegefeuer des Elends und der Unwissenheit entreißen werden. Das ist unser Ruhm, das ist auch unser Verbrechen! Wir haben ein anderes begangen, wir haben die Repressalien verschmäht. Es ist dies das Verbrechen der Großmuth, ein unkluges Verbrechen, das dem Schimpf der Niederlage den Schimpf empfangener Milde hinzufügt. Zweimal in 18 Jahren haben wir dies Verbrechen begangen und zweimal es gebüßt mit unsern Thränen und unserm Blut. Aber so sind wir einmal: der Sieg entreißt unserm Herzen den Zorn und unsern Händen die Waffe. Wir reichen unsern alten Feinden die Hand, die sich wieder aufrichten und uns niederschlagen.</p>
          <p>Die Sitten der Parteien sind die Töchter ihrer Doktrinen: die einen, tiefbeseelt von der Empfindung der Brüderlichkeit, wissen in das Unglück den Stolz und den Muth zu tragen, in den Sieg das Vergessen und das Mitleid; die andern, kalte Egoisten, zeigen sich kriechend in der Niederlage, grausam, unerbittlich im Erfolg.</p>
          <p>Umsturzdoktrinen! sagt man, antisoziale Doktrinen! Wir kennen diese Worte, sie sind fast so alt wie die Menschen; es war dies die Sprache der Inquisition, die Sprache des Heidenthums, das die ersten Christen abschlachtete: es ist dies die Sprache der Welten, die im Untergehen begriffen sind.</p>
          <p>Als im 16ten Jahrhundert die Reform in Europa eklatirte, beim Rufe Luthers und Calvins, was war der Schlachtschrei jenes von Lastern zerfressenen Schwarms, dessen Ausgelassenheit den ersten Anstoß zu dieser mächtigen Revolte des Gedankens gab? Der Schrei, derselbe Schrei, den wir heute gegen die neuen Ideen brüllen hören: Gottlose Doktrinen, verkehrte Theorien! Und vorwärts gegen die Feinde Gottes und der Gesellschaft. Die Torturen, das Schaffot, die Scheiterhaufen! Was war der Erfolg dieser wilden Repressionen? Ein Bürgerkrieg, der ein Jahrhundert durch Europa mit Blut und Schlächtereien erfüllt hat und schließlich endet mit dem Triumphe des bestrittenen Princips, der Gewissensfreiheit.</p>
          <p>Die Organe des öffentlichen Ministeriums sind gekommen, sie auch, donnern, der Runde nach, das Anathem der Rücksichtslosigkeit gegen die unmöglichen und schuldvollen Utopieen, gegen die gesellschaftsauflösenden Theorieen. Dieselben Philippiken hatte ich schon gehört, fast mit denselben Worten, durch die Requisitorien der Monarchie. Die Presse, die Tribüne, die Kanzel, der Lehrstuhl, der Thron fabriciren täglich unzählbare Muster dieser Moralrhetorik. Ich will mich begnügen mit zwei Proben:</p>
          <p>Proklamation des östreichischen Generals Haynau nach der Einnahme von Chiavenna: &#x201E;Die Truppen haben die Insurgenten geschlagen und zersprengt; sie haben ihre Schlupfwinkel verbrannt und es bleibt nur noch diese Stadt der verdienten Züchtigung zu unterwerfen. Möge dieser abermals gescheiterte Versuch und diese revolutionäre und verbrecherische Expedition den verirrten Menschen die Augen öffnen und sie verzichten lassen auf die Ausführung sinnloser und unpraktischer Theorieen.&#x201C;</p>
          <p>Brief des Kaisers Nikolaus an den Ban Jelachich bei Uebersendung des St. Wladimirordens: &#x201E;General, Ihre edlen Anstrengungen, um vor einem Schiffbruch die Prinzipieen der gesellschaftlichen Ordnung zu retten, die durch ein anarchisches Wort mit Füßen getreten worden sind, haben Ihnen gerechte Ansprüche auf meine Achtung erworben.&#x201C;</p>
          <p>Sie sehen, es ist dies absolut dieselbe Rhetorik. Wer hat sich hier des Plagiats schuldig gemacht, die östreichischen Generale, der Kaiser Nikolaus oder die Requisitorien? Ich frage Sie. Manchmal begegnen sich auch die schönen Seelen, oder wenn Sie wollen, die gutgesinnten Seelen. Dieselben Interessen, derselbe Zorn hat dieselbe Sprache in den Mund dieser verschiedenen Herren gelegt; es ist dies eine Verbrüderung wie eine andere.</p>
          <p>Utopie, Unmöglichkeit! niederschmetterndes Wort, durch unsere Feinde auf unsre Stirn genagelt und das sagen will: Mörder!</p>
          <p>Es giebt keine Utopisten im gewöhnlichen Sinne des Wortes. Es giebt Denker, die eine neue, brüderlichere Gesellschaft ahnen. Einige dieser Denker bleiben wie Moses auf dem Berge stehn, versunken in die Betrachtung jenes fernen Landes, das ewig ihre Blicke täuscht mit phantastischen Spiegelbildern. Die andern sagen: Gehn wir voran! Dort ist die Straße! Sie führt durch unbekannte Gegenden, aber voran! ohne uns jemals aufzuhalten, ohne jemals zurückzublicken. Am 24. Februar haben sie mit einem Ansatz über einen Abgrund zwischen zwei Felsen hinweggesetzt. Manchmal, wenn der Graben zu breit ist oder der Anlauf zu kurz genommen wird, bleiben viele in der Tiefe des Abgrunds. Auf diesem Wege ist das Gefängniß nur ein Ruhposten für die Verwundeten, welche durch neue Gefährten in der Arbeit ersetzt werden.</p>
          <p>Ich bin einer dieser Reisenden; gestern nannten sie sich Revolutionäre, heute Socialisten.</p>
          <p>Welche großartige Perspektive zeigte sich uns nach dem Februar! Wie rasch verschwand sie! Der Weg zeigte sich von weitem so schön und so breit, und der Unverstand hat uns in ein gräßliches Schlammloch hineingestürzt!</p>
          <p>Meine Stimme versuchte sich gegen die Perfiden zu erheben, sie haben sie erstickt unter der Verläumdung. Die Revolution von 1848 wollte die Korruption entthronen. Ist es ihr gelungen? Nein. Nun wohl! Der Sturm wird von neuem beginnen.</p>
          <p>Die Korruption lenkt Frankreich; alle Parteien kranken daran; die 18 Jahre des Reichs Louis Philippe's haben das venerische Gift den entferntesten Verzweigungen des gesellschaftlichen Körpers inokulirt. Die Regierungsgewalt hat das Uebel verursacht, sie allein kann es heilen; möge sie wenigstens diese Aehnlichkeit mit der Lanze des Achilles haben. Vor allem aber möge sie die homöopathische Methode aufgeben; sie hat ihr sehr schlecht angeschlagen bis auf diesen Tag. (Lachen.) Frankreich sieht in den Staatsmännern nur mehr einen gierenden Schwarm, ohne Scham und ohne Ueberzeugung. (Bewegung.) Republik, Kaiserthum, Königthum flößen ihm gleichmäßig Verachtung und Mißtrauen ein. Betrogen, ruinirt, demoralisirt, glaubt es an nichts mehr und wälzt sich auf seinem Schmerzenslager.</p>
          <p>Die Republik hatte ihm Erleichterung der öffentlichen Lasten und Rechtschaffenheit versprochen, und das lautete in die Wirklichkeit übersetzt: 45 Centimessteuer und Erpressungen. Die Präsidentschaft hatte Zurückzahlungen versprochen, sie schickt Soldaten zur Einquartierung. Die provisorische Regierung nahm drei Monate Elend als Opfer auf dem Altare des Vaterlandes von den Arbeitern an und sprach jedem ihrer Mitglieder täglich 200 Frs. zu Betrügereien, Unterschleife, Immoralitäten immer und überall; auch ist der Glaube und die Geduld zu Ende, nichts bleibt mehr, als überreizte Gelüste, verzehrendes Elend, todte Gewissen. Allgemeine Auflösung, bald das Chaos!</p>
          <p>Ohne eine Radikalreform, wird diese Gesellschaft untersinken. Man kann ihr zurufen mit Jonas: &#x201E;Noch 40 Tage und Ninive wird zerstört sein!&#x201C;</p>
          <p>Alexander, in der Wüste, verschüttet in den Sand die wenigen Wassertropfen, die man ihm in einem Helme gebracht hatte und ruft aus: &#x201E;Alle oder Niemand!&#x201C; Diese Selbstverleugnung ihres Anführers elektrisirt und rettet die macedonische Armee. Wenn das Volk fastet, muß Niemand essen. &#x2012; Das war die Utopie, die ich am Morgen des Februars träumte. Wie viel unversöhnliche Feinde hat sie mir geschaffen! Sie dachten nur daran, die Interessen zu entfesseln &#x2012; ich wollte die Gewissen in Leidenschaft setzen. Es handelte sich indeß keineswegs darum, eine Republik von Spartanern, es handelte sich nur darum, <hi rendition="#g">eine Republik ohne Heloten</hi> zu gründen.</p>
          <p>Ich gehe jetzt zum zweiten Theil meiner Vertheidigung über.</p>
          <p>(Die Sitzung wird auf einige Minuten ausgesetzt. Nach dieser kurzen Ruhe geht Blanqui auf die Untersuchung der Thatsachen über und schließt nach einem glänzenden, von Geist und Energie erfüllten Plaidoyer diesen zweiten Theil seiner Vertheidigung:)</p>
          <p>Man hat gesagt, daß ich die Assemblée stürzen wollte. Und warum haben wir nicht die Mobil- und Nationalgarden auf unsere Seite gebracht? Warum haben wir so viel Zeit in Reden und Diskussionen verloren, statt einfach die Repräsentanten zum Fenster hinauszuwerfen und mit den Waffen in der Hand nach dem Hotel-de-Ville zu ziehen, um unsere Regierung zu proklamiren? Statt alle dem ließen wir unsere Schaaren sich zerstreuen und die Nationalgarde durch den Rappel zusammentrommeln. Unsere Faktieusen, wie man sie nennt, waren noch da, als die Stimme jenes Wahnsinnigen die Auflösung der Assemblée verkündete: warum ließen wir sie nicht die Mobilen und Nationalgarden entwaffnen? Aber nein; man ist einfältig, wie man kam, zurückgekehrt und und nichts, nicht der geringste Zufall deutet auf die Vorbereitung oder Zusammenwirkung zu einem Attentat.</p>
          <p>In Betreff der Reisebeschreibung nach meinem Weggehen aus der Assemblée, will ich mit dem Herrn Generalprokurator nicht rechten, da derselbe offenbar von der Topographie von Paris nicht viel versteht. Doch möchte ich gern wissen, welchen Weg der Generalprokurator eingeschlagen haben würde, um von der Assemblée nach dem Quai de la Megisserie zu kommen, ohne in der Richtung des Hotel de Ville zu gehen.</p>
          <p>Warum hätte ich nach dem Hotel de Ville gehen sollen? Das hieße, wie man sagt, köpflings von den Thürmen der Notre-Dame springen, und ich hatte keine Lust, auf meinen Kopf zu springen. Nach Allem, meine Herren Geschworenen, stehen sie in der Alternative: wenn sie nach den Thatsachen richten, werden sie uns freisprechen; wenn sie uns aber im Gegentheil als wilde Thiere ansehen, verurtheilen sie uns; aber dann reden sie auch nicht im Namen der menschlichen Gerechtigkeit, dann nehmen sie auch die ganze klägliche Erinnerung dieses hohen Gerichtshofes auf ihre Schultern.</p>
          <p>(Nach der Rede Blanqui's wird die Sitzung auf eine halbe Stunde ausgesetzt).</p>
          <p>General-Prokurator Baroche erhält das Wort zur Beantwortung der Vertheidigung.</p>
          <p>Derselbe resumirt die Hauptbelastungspunkte der Anklage namentlich gegen Blanqui, Raspail, Sobrier und Courtais. Er glaubt bei dieser Gelegenheit auch auf die Berichte und Artikel einiger demokratischen Blätter, besonders des &#x201E;Peuple&#x201C;, über den Prozeß von Bourges eingehen zu müssen, um zu zeigen, von welcher Partei und in welchem Sinn die Freisprechung der Angeklagten gewünscht werde *).<note place="foot">Nach der Revolution democratique et sociale hatte der General-Prokurator die Frechheit, mit dem Finger auf einen Redakteur des &#x201E;Peuple&#x201C; am Journalistentisch zu zeigen und denselben als Feigen zu behandeln, weil der &#x201E;Peuple&#x201C; die lächerlich-anmaßende Haltung und gemeine Sprache des öffentlichen Ministeriums und einiger Zeugen, u. A. des Hrn. Marie, des glücklichen Erfinders der Nationalwerkstätten, gezüchtigt hatte. <bibl>Anm. d. R.</bibl></note> In der Sache selbst endlich erklärt er, auf allen Punkten des Requisitoriums, namentlich gegen Blanqui, Sobrier, Raspail und Courtais zu beharren, und ruft den Geschworenen zu, daß die Schuldigsprechung ihre Pflicht sei, wenn sie nicht die öffentliche Gewalt in die Nothwendigkeit versetzen wollten, noch einmal mit bewaffneter Hand den Frieden im Lande herzustellen.</p>
          <p>Schluß der Sitzung 7 Uhr.</p>
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      <div n="1">
        <head>Italien.</head>
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          <p><bibl><author>*</author></bibl> Der &#x201E;Tyroler Bote&#x201C;, der über den Aufstand in Brescia Einzelheiten mittheilt, fügt hinzu, daß der Kommandant des Forts die Unvorsichtigkeit beging, sich in die Stadt zu verfügen, um sich von den Vorgängen persönlich zu unterrichten, und bei dieser Gelegenheit von den Aufständischen arretirt wurde.</p>
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          <p>Gestern Abend (am 28.) wurde eine Deputation zum Könige geschickt. Er antwortete: &#x201E;Ich will wohl den Krieg führen, wenn die Kammer sich verpflichtet, Geld zu schaffen und Soldaten, die sich schlagen. Ich werde übrigens alles thun, was ich kann, um bessere Friedensbedingungen zu erhalten.&#x201C; In Folge dessen schickte man zwei Boten, den Marschall Latour und Herrn v. Saluzzi, begleitet von den französischen und englischen Gesandten, in das Generalquartier Radetzky's. Es bedarf keines Wortes über das Resultat. Es ist dies nur eine Düperie mehr in der abgekarteten Tragödie, worin jene beiden Herrn Gesandten die pathetische Rolle spielen.</p>
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[1495/0001] Beilage zu Nr. 265 der Neuen Rheinischen Zeitung. Organ der Demokratie. Freitag, 6. April 1849. [Französische Republik] [Fortsetzung] mich losgelassen, und stürzt sich mit einer Fluth von Verwünschungen und Racheschreien über mein Haupt. Die Schwachen und Gleichgültigen selbst werden von diesem allgemeinen Strom mit fortgerissen, und noch bei Eröffnung des Prozesses las man in einem Journal hier in Bourges: „Blanqui! Ah, wenden wir unsere Augen ab von diesem blutdürstigen Ungeheuer!“ Die Griechen hatten in Hercules alle Heldenthaten ihres heroischen Zeitalters personifizirt: die Reaktion wollte in mir alle Infamien und Schandthaten des ihrigen konzentriren, sie hat mich zum Hercules der Verbrechen gemacht. (Lange, lebhafte Aufregung im Publikum.) In der That, wie hätten die Elenden in ihrem Treiben auch Maß halten sollen, nachdem ihnen das Signal dazu aus dem Munde eines Ministers gegeben worden war, wenn die Verläumdung ungestraft, geschützt, geheiligt von der Höhe der Tribüne auf einen in seiner einsamen Zelle begrabenen Geächteten niederfallen darf? Wer, frage ich, wer hätte nicht Steine und Koth nach mir geworfen? Lesen Sie diese schmachvollen, ehrlosen Seiten Ihrer Zeitgeschichte, wo die ehemals gefeierten Volksmänner bei dem ersten Schritt, den sie in die mephitische Region der Gewalt thun, ich weiß nicht welche verpestete, giftige Atmosphäre athmen, die sie berauscht und der gewöhnlichen Regungen der Gerechtigkeit und des Schamgefühls entkleidet. Es ist ein geächteter, vertheidigungsloser, in der Stille seiner Zelle stumm, gemachter Gefangener, gegen welchen alle diese großen Männer in langer Prozession zu Felde ziehen, um ihm Mann für Mann den feigen Tritt des Thieres in der Fabel zu versetzen. Sie selbst haben in diesen Verhandlungen das tiefe Gewebe gegen mich vereinigter Privatleidenschaften gesehen; aber ich zweifle, daß man in meinem ganzen Leben nur die leiseste Spur von Privathaß gegen irgend eine Person der Welt entdecken wird. Stets und einzig für die Sache des Volks auf der Bresche, haben mich alle Schläge nicht unterdrücken können. Es ist das Bewußtsein der mit Ruhe und Zähigkeit erfüllten Pflicht, was mein Haupt aufrecht gehalten hat mitten unter den grausamsten Prüfungen, indem es vor meinen Augen von Weitem den Tag der Enttäuschungen und der Genugthuungen leuchten ließ. Mag dieser Tag auch nur auf ein Gefängniß herabscheinen, wenig liegt mir daran! Er wird mich finden in meinem gewohnten Domizil, das ich seit 12 Jahren wenig verlassen habe. Die siegreiche Revolution hatte mich ihm einen Augenblick entrissen, die verrathene und besiegte Revolution läßt mich darin zurückstürzen. Das eben ist unser Ruhm: leiden und triumphiren mit den Leiden und dem Triumph jenes großen Volkes von Enterbten! Unser ganzes Leben war dem Kultus und der Propaganda der Prinzipien gewidmet, die es dem Fegefeuer des Elends und der Unwissenheit entreißen werden. Das ist unser Ruhm, das ist auch unser Verbrechen! Wir haben ein anderes begangen, wir haben die Repressalien verschmäht. Es ist dies das Verbrechen der Großmuth, ein unkluges Verbrechen, das dem Schimpf der Niederlage den Schimpf empfangener Milde hinzufügt. Zweimal in 18 Jahren haben wir dies Verbrechen begangen und zweimal es gebüßt mit unsern Thränen und unserm Blut. Aber so sind wir einmal: der Sieg entreißt unserm Herzen den Zorn und unsern Händen die Waffe. Wir reichen unsern alten Feinden die Hand, die sich wieder aufrichten und uns niederschlagen. Die Sitten der Parteien sind die Töchter ihrer Doktrinen: die einen, tiefbeseelt von der Empfindung der Brüderlichkeit, wissen in das Unglück den Stolz und den Muth zu tragen, in den Sieg das Vergessen und das Mitleid; die andern, kalte Egoisten, zeigen sich kriechend in der Niederlage, grausam, unerbittlich im Erfolg. Umsturzdoktrinen! sagt man, antisoziale Doktrinen! Wir kennen diese Worte, sie sind fast so alt wie die Menschen; es war dies die Sprache der Inquisition, die Sprache des Heidenthums, das die ersten Christen abschlachtete: es ist dies die Sprache der Welten, die im Untergehen begriffen sind. Als im 16ten Jahrhundert die Reform in Europa eklatirte, beim Rufe Luthers und Calvins, was war der Schlachtschrei jenes von Lastern zerfressenen Schwarms, dessen Ausgelassenheit den ersten Anstoß zu dieser mächtigen Revolte des Gedankens gab? Der Schrei, derselbe Schrei, den wir heute gegen die neuen Ideen brüllen hören: Gottlose Doktrinen, verkehrte Theorien! Und vorwärts gegen die Feinde Gottes und der Gesellschaft. Die Torturen, das Schaffot, die Scheiterhaufen! Was war der Erfolg dieser wilden Repressionen? Ein Bürgerkrieg, der ein Jahrhundert durch Europa mit Blut und Schlächtereien erfüllt hat und schließlich endet mit dem Triumphe des bestrittenen Princips, der Gewissensfreiheit. Die Organe des öffentlichen Ministeriums sind gekommen, sie auch, donnern, der Runde nach, das Anathem der Rücksichtslosigkeit gegen die unmöglichen und schuldvollen Utopieen, gegen die gesellschaftsauflösenden Theorieen. Dieselben Philippiken hatte ich schon gehört, fast mit denselben Worten, durch die Requisitorien der Monarchie. Die Presse, die Tribüne, die Kanzel, der Lehrstuhl, der Thron fabriciren täglich unzählbare Muster dieser Moralrhetorik. Ich will mich begnügen mit zwei Proben: Proklamation des östreichischen Generals Haynau nach der Einnahme von Chiavenna: „Die Truppen haben die Insurgenten geschlagen und zersprengt; sie haben ihre Schlupfwinkel verbrannt und es bleibt nur noch diese Stadt der verdienten Züchtigung zu unterwerfen. Möge dieser abermals gescheiterte Versuch und diese revolutionäre und verbrecherische Expedition den verirrten Menschen die Augen öffnen und sie verzichten lassen auf die Ausführung sinnloser und unpraktischer Theorieen.“ Brief des Kaisers Nikolaus an den Ban Jelachich bei Uebersendung des St. Wladimirordens: „General, Ihre edlen Anstrengungen, um vor einem Schiffbruch die Prinzipieen der gesellschaftlichen Ordnung zu retten, die durch ein anarchisches Wort mit Füßen getreten worden sind, haben Ihnen gerechte Ansprüche auf meine Achtung erworben.“ Sie sehen, es ist dies absolut dieselbe Rhetorik. Wer hat sich hier des Plagiats schuldig gemacht, die östreichischen Generale, der Kaiser Nikolaus oder die Requisitorien? Ich frage Sie. Manchmal begegnen sich auch die schönen Seelen, oder wenn Sie wollen, die gutgesinnten Seelen. Dieselben Interessen, derselbe Zorn hat dieselbe Sprache in den Mund dieser verschiedenen Herren gelegt; es ist dies eine Verbrüderung wie eine andere. Utopie, Unmöglichkeit! niederschmetterndes Wort, durch unsere Feinde auf unsre Stirn genagelt und das sagen will: Mörder! Es giebt keine Utopisten im gewöhnlichen Sinne des Wortes. Es giebt Denker, die eine neue, brüderlichere Gesellschaft ahnen. Einige dieser Denker bleiben wie Moses auf dem Berge stehn, versunken in die Betrachtung jenes fernen Landes, das ewig ihre Blicke täuscht mit phantastischen Spiegelbildern. Die andern sagen: Gehn wir voran! Dort ist die Straße! Sie führt durch unbekannte Gegenden, aber voran! ohne uns jemals aufzuhalten, ohne jemals zurückzublicken. Am 24. Februar haben sie mit einem Ansatz über einen Abgrund zwischen zwei Felsen hinweggesetzt. Manchmal, wenn der Graben zu breit ist oder der Anlauf zu kurz genommen wird, bleiben viele in der Tiefe des Abgrunds. Auf diesem Wege ist das Gefängniß nur ein Ruhposten für die Verwundeten, welche durch neue Gefährten in der Arbeit ersetzt werden. Ich bin einer dieser Reisenden; gestern nannten sie sich Revolutionäre, heute Socialisten. Welche großartige Perspektive zeigte sich uns nach dem Februar! Wie rasch verschwand sie! Der Weg zeigte sich von weitem so schön und so breit, und der Unverstand hat uns in ein gräßliches Schlammloch hineingestürzt! Meine Stimme versuchte sich gegen die Perfiden zu erheben, sie haben sie erstickt unter der Verläumdung. Die Revolution von 1848 wollte die Korruption entthronen. Ist es ihr gelungen? Nein. Nun wohl! Der Sturm wird von neuem beginnen. Die Korruption lenkt Frankreich; alle Parteien kranken daran; die 18 Jahre des Reichs Louis Philippe's haben das venerische Gift den entferntesten Verzweigungen des gesellschaftlichen Körpers inokulirt. Die Regierungsgewalt hat das Uebel verursacht, sie allein kann es heilen; möge sie wenigstens diese Aehnlichkeit mit der Lanze des Achilles haben. Vor allem aber möge sie die homöopathische Methode aufgeben; sie hat ihr sehr schlecht angeschlagen bis auf diesen Tag. (Lachen.) Frankreich sieht in den Staatsmännern nur mehr einen gierenden Schwarm, ohne Scham und ohne Ueberzeugung. (Bewegung.) Republik, Kaiserthum, Königthum flößen ihm gleichmäßig Verachtung und Mißtrauen ein. Betrogen, ruinirt, demoralisirt, glaubt es an nichts mehr und wälzt sich auf seinem Schmerzenslager. Die Republik hatte ihm Erleichterung der öffentlichen Lasten und Rechtschaffenheit versprochen, und das lautete in die Wirklichkeit übersetzt: 45 Centimessteuer und Erpressungen. Die Präsidentschaft hatte Zurückzahlungen versprochen, sie schickt Soldaten zur Einquartierung. Die provisorische Regierung nahm drei Monate Elend als Opfer auf dem Altare des Vaterlandes von den Arbeitern an und sprach jedem ihrer Mitglieder täglich 200 Frs. zu Betrügereien, Unterschleife, Immoralitäten immer und überall; auch ist der Glaube und die Geduld zu Ende, nichts bleibt mehr, als überreizte Gelüste, verzehrendes Elend, todte Gewissen. Allgemeine Auflösung, bald das Chaos! Ohne eine Radikalreform, wird diese Gesellschaft untersinken. Man kann ihr zurufen mit Jonas: „Noch 40 Tage und Ninive wird zerstört sein!“ Alexander, in der Wüste, verschüttet in den Sand die wenigen Wassertropfen, die man ihm in einem Helme gebracht hatte und ruft aus: „Alle oder Niemand!“ Diese Selbstverleugnung ihres Anführers elektrisirt und rettet die macedonische Armee. Wenn das Volk fastet, muß Niemand essen. ‒ Das war die Utopie, die ich am Morgen des Februars träumte. Wie viel unversöhnliche Feinde hat sie mir geschaffen! Sie dachten nur daran, die Interessen zu entfesseln ‒ ich wollte die Gewissen in Leidenschaft setzen. Es handelte sich indeß keineswegs darum, eine Republik von Spartanern, es handelte sich nur darum, eine Republik ohne Heloten zu gründen. Ich gehe jetzt zum zweiten Theil meiner Vertheidigung über. (Die Sitzung wird auf einige Minuten ausgesetzt. Nach dieser kurzen Ruhe geht Blanqui auf die Untersuchung der Thatsachen über und schließt nach einem glänzenden, von Geist und Energie erfüllten Plaidoyer diesen zweiten Theil seiner Vertheidigung:) Man hat gesagt, daß ich die Assemblée stürzen wollte. Und warum haben wir nicht die Mobil- und Nationalgarden auf unsere Seite gebracht? Warum haben wir so viel Zeit in Reden und Diskussionen verloren, statt einfach die Repräsentanten zum Fenster hinauszuwerfen und mit den Waffen in der Hand nach dem Hotel-de-Ville zu ziehen, um unsere Regierung zu proklamiren? Statt alle dem ließen wir unsere Schaaren sich zerstreuen und die Nationalgarde durch den Rappel zusammentrommeln. Unsere Faktieusen, wie man sie nennt, waren noch da, als die Stimme jenes Wahnsinnigen die Auflösung der Assemblée verkündete: warum ließen wir sie nicht die Mobilen und Nationalgarden entwaffnen? Aber nein; man ist einfältig, wie man kam, zurückgekehrt und und nichts, nicht der geringste Zufall deutet auf die Vorbereitung oder Zusammenwirkung zu einem Attentat. In Betreff der Reisebeschreibung nach meinem Weggehen aus der Assemblée, will ich mit dem Herrn Generalprokurator nicht rechten, da derselbe offenbar von der Topographie von Paris nicht viel versteht. Doch möchte ich gern wissen, welchen Weg der Generalprokurator eingeschlagen haben würde, um von der Assemblée nach dem Quai de la Megisserie zu kommen, ohne in der Richtung des Hotel de Ville zu gehen. Warum hätte ich nach dem Hotel de Ville gehen sollen? Das hieße, wie man sagt, köpflings von den Thürmen der Notre-Dame springen, und ich hatte keine Lust, auf meinen Kopf zu springen. Nach Allem, meine Herren Geschworenen, stehen sie in der Alternative: wenn sie nach den Thatsachen richten, werden sie uns freisprechen; wenn sie uns aber im Gegentheil als wilde Thiere ansehen, verurtheilen sie uns; aber dann reden sie auch nicht im Namen der menschlichen Gerechtigkeit, dann nehmen sie auch die ganze klägliche Erinnerung dieses hohen Gerichtshofes auf ihre Schultern. (Nach der Rede Blanqui's wird die Sitzung auf eine halbe Stunde ausgesetzt). General-Prokurator Baroche erhält das Wort zur Beantwortung der Vertheidigung. Derselbe resumirt die Hauptbelastungspunkte der Anklage namentlich gegen Blanqui, Raspail, Sobrier und Courtais. Er glaubt bei dieser Gelegenheit auch auf die Berichte und Artikel einiger demokratischen Blätter, besonders des „Peuple“, über den Prozeß von Bourges eingehen zu müssen, um zu zeigen, von welcher Partei und in welchem Sinn die Freisprechung der Angeklagten gewünscht werde *). In der Sache selbst endlich erklärt er, auf allen Punkten des Requisitoriums, namentlich gegen Blanqui, Sobrier, Raspail und Courtais zu beharren, und ruft den Geschworenen zu, daß die Schuldigsprechung ihre Pflicht sei, wenn sie nicht die öffentliche Gewalt in die Nothwendigkeit versetzen wollten, noch einmal mit bewaffneter Hand den Frieden im Lande herzustellen. Schluß der Sitzung 7 Uhr. Italien. * Der „Tyroler Bote“, der über den Aufstand in Brescia Einzelheiten mittheilt, fügt hinzu, daß der Kommandant des Forts die Unvorsichtigkeit beging, sich in die Stadt zu verfügen, um sich von den Vorgängen persönlich zu unterrichten, und bei dieser Gelegenheit von den Aufständischen arretirt wurde. * Turin, 30. März. Gestern Vormittag trat die Deputirtenkammer zu einer geheimen Sitzung zusammen, um die Mittheilungen des Kabinets bezüglich der Mittel zur Reorganisation der Armee und Aushilfe der Finanzen anzuhören. Um 1 Uhr wurde die geheime Sitzung unterbrochen; denn es vereinigten sich die Senatoren und Deputirten zu einer gemeinschaftlichen Sitzung, in welcher der neue König, Viktor Emanuel, den Regierungseid nach Art. 22 des Grundgesetzes, ableistete. Nachdem sich der König entfernt, wurden die Deputirten von Pinelli, Minister des Innern auf's Neue zu einer Sitzung eingeladen, weil ihnen das Kabinet eine Mittheilung zu machen habe. Diese bestand in Verlesung eines Dekrets, durch welches die Kammern vertagt werden. Man glaubt hier allgemein, daß das Auflösungsdekret sehr bald nachfolgen wird und es erhebt sich schon jetzt eine lebhafte Opposition gegen diese voraussichtliche Maaßregel. Es ging das Gerücht, daß Gioberti, der, wie schon gemeldet, wieder im Ministerium ist, eine Mission nach Paris erhalten habe und schleunig dahin abgehen werde. * Turin, 29. März. Der schmachvolle Waffenstillstandsvorschlag, den die Kammer für eine Beschimpfung der Nationalehre erklärt hat, ruft natürlich bei den „vermittelnden“ Repräsentanten Englands und Frankreichs (letzteres hat durch seinen berüchtigten Bois-le-Comte den Kuppler zwischen Radetzki und der piemontesischen landesverrätherischen Contrerevolution abgegeben) kein Wort des Protestes hervor. Kein Vorbehalt. Die Sache der Unabhängigkeit ist verrathen, Venedig preisgegeben. Die Armee ist demoralisirt, oder besser, sie war es von vornherein. Auf 50,000 Mann, die in der Linie waren, haben sich nur 20,000 Mann geschlagen; der Rest ist davon gelaufen. Drei tausend Soldaten, oder besser, Banditen, sind in Novara eingezogen und haben die Stadt behandelt wie eine mit Sturm genommene, plündernd und nothzüchtigend und die Oestreicher wurden in der Stadt aufgenommen mit dem Rufe: Es lebe Radetzky! Die Soldaten sind herz- und ideenlose Maschinen, durch die Pfaffen und den Adel idiotisirt. Die Offiziere, welche ihrer Geburt ihre Epaulettes verdanken, haben keine Berührung mit den Soldaten; sie schlagen sich wohl; aber dieser Krieg war unpopulär in der Aristokratie in und außer der Armee und die Reden der Offiziere waren nicht geeignet die Truppen zu ermuthigen. Eins der Bülletins, die in der Armee verbreitet wurden, um sie für die Sache Radetzki's zu gewinnen, wurde am 27. auf dem Bureau des Kammerpräsidenten durch den Deputirten Lauza deponirt. Heute Morgen insultirten Garde-Soldaten die Nationalgarden auf ihren Posten, mit der Drohung: Wenn Ihr euch rührt, werdet Ihr es mit uns zu thun haben! Gestern Abend (am 28.) wurde eine Deputation zum Könige geschickt. Er antwortete: „Ich will wohl den Krieg führen, wenn die Kammer sich verpflichtet, Geld zu schaffen und Soldaten, die sich schlagen. Ich werde übrigens alles thun, was ich kann, um bessere Friedensbedingungen zu erhalten.“ In Folge dessen schickte man zwei Boten, den Marschall Latour und Herrn v. Saluzzi, begleitet von den französischen und englischen Gesandten, in das Generalquartier Radetzky's. Es bedarf keines Wortes über das Resultat. Es ist dies nur eine Düperie mehr in der abgekarteten Tragödie, worin jene beiden Herrn Gesandten die pathetische Rolle spielen. Die Gardebrigade ist heute Mittag hier eingerückt, ebenso das Cavallerieregiment von Novara. Genua soll sich erhoben und eine provisorische Regierung ausgerufen haben, worin Pallegrini sitzt. * Genua, 28. März. Ich habe Turin gestern um zwei Uhr verlassen. Eine wahrhaft unglaubliche Sache, und die ich nicht zu versichern wagen würde, wenn ich sie nicht mit eigenen Augen gesehen hätte, ist die schmachvolle Freude gewisser Leute, als sie den unglücklichen Ausgang des Feldzugs erfuhren. Seit mehreren Tagen erwarteten diese Elenden in Turin die östreichische Armee und gewisse Personen, die ich nennen könnte, haben im voraus Betten und Festessen vorbereitet, um würdig den Ritter ohne Furcht und Tadel des östreichischen Despotismus zu empfangen, den vielgeliebten Restaurateur ihrer theuren Privilegien. Seit 3 Tagen, sagte Sontag ein Lakai in den Hallen (Portikus) von Turin, haben wir 54 Betten und 45 Couverte bereit, und mein Herr erwartet von einem Augenblick zum andern die Ankunft der östreichischen Armee. Einer bemerkte ihm, diese Armee würde Turin vielleicht der Plünderung preißgeben: „Wir haben keine Furcht, antwortete der Lakai, der Name des Herrn Grafen ist eingeschrieben auf einem Täfelchen, das wir an das Thor des Hotels aufhängen werden. Wir vertheidigen die gute Sache, wir, und man wird uns respektiren.“ Sie sehen an diesem Beispiel, wie weit die Verläugnung jedes Ehrgefühls, jeder Nationalwürde von den Leuten dieser hochfahrenden und im Staub wedelnden Aristokratie getrieben wird, die dem Karl Albert selbst seine inkonsequenten und schwächlichen Reformationsgelüste nie verziehen hat. Die Nationalgarde hat auf ihr Verlangen die zwei Forts der Stadt besetzt. Die Munizipalität hat diese Besetzung zur Vertheidigung der Gebäude autorisirt. Mailand, 29. März. Gestern rückte hier das dritte Armeecorps, vom Kriegsschauplatz zurückkehrend, ein. Es wird Brescia und Bergamo besetzen. So eben hält Radetzki an der Spitze des Reservecorps seinen Einzug hier, während in der Gegend der Post ein Volksauflauf stattfindet, dessen Grund und Umfang mir noch unbekannt ist. Das eben eben einrückende Corps führt dreizehn der den Piemontesen abgenommenen 40 Kanonen und viele Munitionswagen mit. Vorgestern reiste der Herzog von Modena hier durch. (A. Z.) * Florenz. Man versichert, daß die Oestreicher aus der Lowellina verjagt und auf mehren Punkten geschlagen sind. Man spricht von einem Reaktionsversuch zu Arrezo. Die Toskanische Regierung expedirt eine Truppenabtheilung, um diese Bewegung zu unterdrücken. * Neapel. Der „Tempo“, das offizielle Organ der Regierung, schreibt dd. 24. März: „In diesen letzten Tagen wurden 60,000 Militärrationen nach Gaëta expedirt. Man sagt, daß sie für die spanischen Trupen bestimmt sind, die man in Kurzem dort erwartet. Diese Truppen werden sich sofort nach Civita Vecchia begeben, im Einverständniß mit unsern Truppen handeln, um die Angelegenheiten des Kirchenstaats zu regeln und den Pabst in seine weltliche Macht wieder einzusetzen.“ Nach der Revolution democratique et sociale hatte der General-Prokurator die Frechheit, mit dem Finger auf einen Redakteur des „Peuple“ am Journalistentisch zu zeigen und denselben als Feigen zu behandeln, weil der „Peuple“ die lächerlich-anmaßende Haltung und gemeine Sprache des öffentlichen Ministeriums und einiger Zeugen, u. A. des Hrn. Marie, des glücklichen Erfinders der Nationalwerkstätten, gezüchtigt hatte. Anm. d. R.

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 265. Köln, 6. April 1849. Beilage, S. 1495. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz265b_1849/1>, abgerufen am 28.03.2024.