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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 217. Köln, 9. Februar 1849.

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Wernher von Nierstein (der Reichstelegraph) hat sein Seitenstück gefunden. (Lebhaftes Zischen und Bravo rechts).

Die Debatte wird geschlossen und namentliche Abstimmung vorbehalten.

Der Berichterstatter Schubert spricht für den Ausschußantrag unter Beifall der Centren in aufgeblasener Professorenweisheit.

Bei der Abstimmung wird Wiegards Antrag verworfen. Ebenso der von Osterrath.

Der Ausschußantrag, den ich gestern gab, und der die Demarkationslinie genehmigt, wird hierauf in namentlicher Abstimmung mit 280 Stimmen gegen 124 angenommen und die Sitzung gegen 3 Uhr geschlossen.

wird wohl nächstens aus strategischen Rücksichten mit Rußland vereinbar werde. Auf die Polen läßt sich die Geschichte jener zwei Mütter und des Königs Salomo anwenden; wie jene edle Mutte ihr Kind lieber ganz der Fremden hingeben als theilen lassen wollte, so wollen jetzt die Polensöhne lieber ihre Mutter ganz dem fremden deutschen Volke hinwerfen als zerfetzen lassen. Nur mangelt dem Vergleich, daß kein Salomo auf dem deutschen Throne sitzt. (Bravo! Bravo!) Wir wollen aber im Vertrauen auf den Gerechtigkeitssinn des deutschen Volkes dies Geschenk zurückweisen. Wiesner stimmt für Wigards Antrag:

"Ueber den vorliegenden Bericht zur Tagesordnung zu gehen, und die definitive Feststellung der Demarkationslinie der Zeit vorzubehalten, wo es dem völkerrechtlichen Ausschuß möglich geworden, einen auf allseitige Erhebung aller Verhältnisse, namentlich auch auf Anhörung der polnischen Bevölkerung gestützten Bericht vorzulegen."

Hierauf echauffirt sich Hr. Literat Wuttke (aus Leipzig) gegen diejenigen "Teutschen" welche sich polnischer Interessen annehmen. Er paukt dabei furchtbar auf die Tribune und wird ausgelacht.

Ungarn.
Aus Ungarn, 1. Febr.

Der 23. Januar war ein sehr ereignißvoller Tag für Ungarn. An demselben hat das ungarische Heer neuerdings unter Anführung des polnischen Obersten Klapka den östreichischen F. M. L. Schlick bis zur Vernichtung geschlagen, ihm fast alle Kanonen genommen und 2000 Mann zu Gefangenen gemacht. Die Trümmer der Schlick'schen Truppen haben sich gegen Kaschau geflüchtet, wo aber in diesem Augenblicke die Ungarn eingezogen sein sollen, indem die kaiserliche Post keine Brücken bis Kaschau fand und nach 3 Tagen vergeblichen Bemühens zurückgekehrt ist, überall nur auf zu Paaren getriebene Kaiserliche stoßend. Windischgrätz war am 23. ganz verschlagen, denn auch die Theiß-Armee der Ungarn hatte einen glänzenden Sieg über die Kaiserlichen bei Szolnok errungen. Diese verloren hier 3 Batterien mit aller Munition und sämmtliches Gepäck. Nach einem halbstündigen Kampfe wurden sie in die wildeste Flucht geschlagen; die Straße war aber unwegsam, der Straßenschmutz stieg bis zum Knie, die schwerfälligen Kürassiere wurden daher von den leichten ungarischen Husaren fast gänzlich aufgerieben oder gefangen. Die Straße von Szolnok bis Cegled war mit Leichen bedeckt. In Cegled war der Jubel der Einwohner ungeheuer, als die siegreichen Ungarn den fliehenden Kaiserlichen auf dem Fuße folgten. Sie überließen sich bis spät in die Nacht der ausgelassensten Freude. Die schönsten und vornehmsten Damen küßten in der patriotischen Extase die bluttriefenden Husaren und andere Krieger. Das italienische Bataillon vom Regiment "Zanini" erhöhte das beispiellose Volksfest durch die den Italienern eigene Gabe der phantastischen Freude. Am 26sten rückte aber Windischgrätz selbst mit allen Truppen, die er unterdessen zusammenziehen konnte, wieder gegen Cegled vor. Die ungarische Armee nahm die Schlacht an und trieb die Kaiserlichen bis Monor vor sich her. In Pesth wurde am 27sten bereits Alles geräumt und zum völligen Rückzuge vorbereitet, als die unerwartete Nachricht eintraf, daß die ungarische Armee wieder, und zwar den Kaiserlichen unbemerkt, hinter die Theiß zurückgegangen sei. Sie wurde dazu dadurch bestimmt, daß unterdessen der Eisstoß von der Theiß abgegangen war, so daß sie diesen Strom nicht mehr hinter ihrem Rücken lassen durfte. Der Verlust der Kaiserlichen beträgt 20 Kanonen, worunter eine Rakettenbatterie, über 1800 Gefangene, worunter 400 Kürassiere, 700 Jäger, sämmtliche Munition und Bagage und mehrere Tausend Todte ohne die unzähligen Blessirten. -- Nicht minder Wichtiges hat der polnische General Bem am 23. Januar vollbracht. Er ist nämlich an diesem Tage in Herrmannstadt eingezogen; am 26. hat er die Festung Carlsburg genommen und somit ganz Siebenbürgen für Ungarn und die Freiheit wiedererobert. In seinem Berichte an Kossuth sagt Bem, daß er mit 40,000 Mann aus Siebenbürgen in's Banat einziehen werde, wo er sich mit den andern ungarischen Truppen zu vereinigen gedenke, um so bald als möglich in Ofen und Pesth einzurücken. So viel vom Kriegsschauplatze als authentisch. -- Noch unverbürgt ist die Einnahme der Arader Festung durch die Ungarn, ebenso die Nachricht, daß der berühmte polnische General Dembinski in Debreczin eingetroffen und den Oberfehl über sämmtliche ungarische Truppen erhalten hat. In Pesth herrscht jetzt die größte Begeisterung unter den Einwohnern und die kaiserlichen Offiziere müssen trotz des Belagerungszustandes die größten Schmähungen so wie die lautesten Wünsche für die baldige Rückkehr Kossuth's anhören. Die Besatzung ist jetzt so schwach, daß nicht einmal die Wachtposten bezogen werden können. Letztere wagen es daher nicht, mit den Einwohnern von Pesth anzubinden. An den Straßen-Ecken sind die schimpflichsten Karrikaturen auf Windischgrätz angeklebt, während die Bekanntmachungen in der Regel heruntergerissen werden. Das Bataillon vom italienischen Regiment Ceccopieri hat in Ofen erklärt, nicht weiter am Kampfe gegen die Ungarn Theil nehmen zu wollen; ein großer Theil desselben ist daher entwaffnet und in den Kasernen eingesperrt worden. Auf die Kunde von dem siegreichen Vordringen der ungarischen Theißarmee haben die bedeutende Stadt Kecskemet im Pesther Komitat und 17 Dörfer im Graner Komitat die Nationalfahne wieder aufgesteckt. Die Kaiserlichen müssen im Graner Komitat geschlagen worden sein, denn in aller Eile wurden gestern auf Dampfschiffen bedeutende Verstärkungen aus Ofen dorthin gesendet.

(Br. Z.)
Französische Republik.
12 Paris, 6. Febr.

Jede Frage, was sie auch immer berühren mag, schlägt um in eine Minister-Kammer- oder Napoleonsfrage: d. h. es taucht keine einzige Frage mehr auf, die nicht auf der Stelle eine von den 3 Gewalten selbst in Frage stellt. Und dann ist's immer eine von diesen Gewalten, die über die andere entscheiden soll. Die Kammer soll entscheiden, ob das Ministerium, das Ministerium ob die Kammer, Napoleon ob das Ministerium bleiben soll. Und wer soll am Ende entscheiden, ob alle 3 bleiben sollen?

Die Enquete ist keine bloße Enquete über das Ministerium; sie ist eine Enquete über alle bestehenden Gewalten. Aber dabei bleibt es noch nicht. Hinter jeder von diesen 3 Gewalten lauern 3 Erbschaften, die in 3 Erben ihren Ausdruck erhalten, als da sind 1) Napoleon der Kaiser, 2) Henri V., der ur-legitime König nebst der Orleanischen Race, die durch Besitznahme legal geworden und durch Besitzverlust legitime Ansprüche zu haben glauben darf, 3) die Orleanische Race theilt sich wieder ab in den Prinzen von Paris und den Prinzen von Joinville u. s. w. u. s. w.

Bei der Besprechung der Enquete in der Kammer stellte es sich heraus, daß das Ministerium noch eine eigene Presse zur Verfügung hat, eine Art Correspondenz-Bureau, dem es seine geheimen Absichten mittheilt, welche dann auf der Stelle an alle Präfekten und Unterpräfekten in der Provinz befördert werden. Was waren diese geheimen Absichten des Ministeriums? Den Glauben in der Provinz zu unterhalten, als sei die Kammer Schuld an allen jetzigen Uebelständen, als wolle die Minorität in der Kammer eine Revolution hervorrufen. Conclusion: die Provinz muß auf jede mögliche Weise veranlassen, daß die Kammer auseinandergehe, daß eine neue Kammer zusammenkomme, und daß diese neue Kammer dann entscheide, wer von den 3 Erben die meisten Ansprüche habe.

Der vom Siecle her bekannte Perree, der frühere Freund Barrot's hat diese Anklage vorgebracht, und auf ein Mißtrauensvotum angetragen. "Das Ministerium, sagt er, soll weder nach rechts, noch nach links hin aus der Versammlung heraustreten; es soll seinen Standpunkt mitten in der Versammlung festhalten; das Ministerium darf nicht in allen Gegenden des Landes zu Petitionen um Auflösung der Kammer auffordern." Mit diesen Petitionen nämlich hat es seit einiger Zeit eine eigene Bewandtniß. Während die Journale, die aus der ministeriellen Correspondenz ihre Leitartikel nehmen, die Kammer als eine Diktatur darstellen, mit der man unmöglich regieren könne, hat sich die der Kammer feindliche Partei angelegen sein lassen, ganze Folio-Bände von Unterschriften für Auflösung der Kammer zu sammeln. Die entgegengesetzte Partei sah sich ihrerseits natürlich genöthigt, auch Unterschriften zu sammeln, und da die Folio-Bände sich gegeneinander aufwiegen, so hat hier das allgemeine Stimmrecht, in Form von Petitionen ausgeübt, gänzlich seine Kraft verloren, und bringt weiter nichts zu Wege als eine fruchtlose Aufreibung.

Doch zurück zur Hauptfrage. Diese Hauptfrage war die Enquete über den 29. Januar; und plötzlich entstand aus dieser Enquete eine Ministerfrage, und diese Ministerfrage ging wieder hervor aus der Kammerfrage, d. h. aus der Frage über das Fortbestehen der Kammer. Als nun aber die Kammerfrage in eine Ministerfrage umgeschlagen, da trat Barrot auf und suchte darzuthun, daß die Ministerfrage eine Präsidentenfrage und die Präsidentenfrage die Republikfrage nach sich ziehen könne. Unter den alten Institutionen, d. h. unter der Monarchie stand es der Kammer zu, ein Ministerium zu stürzen, wenn dieses Ministerium auch das Zutrauen des Monarchen hatte, denn der Monarch war unverantwortlich. Jetzt, wo der Präsident der Republik verantwortlich ist, ebensowohl wie das Ministerium, kann man nicht an das Ministerium rühren, ohne zugleich an den Präsidenten der Republik zu rühren. Wird nun dem Ministerium ein Mißtrauensvotum gegeben, und hat dieses verantwortliche Ministerium das Zutrauen des verantwortlichen Präsidenten der Republik, so geht dieses Mißtrauensvotum zurück bis auf den Präsidenten. Barrot hat Recht, und Napoleon hat nicht Unrecht, wenn er, auf seine 6 Millionen Stimmen pochend, sagt: die 6 Millionen Stimmen die sind mir, dem Louis Napoleon zugefallen, dem Louis Napoleon, wie er leibt und lebt und denkt. Und wenn dieser Louis Napoleon denkt, er kann nicht ohne Barrot fertig werden, so ist Barrot so gut wie Napoleon. Das Volk hat bei meiner Wahl, bei der Wahl Napoleon's, vorausgesetzt, daß Alles was ich, Napoleon, denke, gut gedacht ist. Also eine Kammerfrage ist eine Ministerfrage, eine Ministerfrage ist eine Napoleonfrage, eine Napoleonfrage ist eine Republikfrage und eine Republikfrage läuft wieder am Ende darauf hinaus, durch neue Wahlen, durch die Berufung einer neuen Kammer, wie sie das Ministerium wünscht, entscheiden zu lassen, wer von den drei Erben der rechte, wer der rechtmäßige Erbe der Republik ist, wer Monarch, Kaiser oder Regent sein soll.

Von welchem Standpunkte man auch die Sache ansehen mag, so lange man in der offiziellen Welt, in den Regionen der 3 Gewalten bleibt, kreuzen sich die Widersprüche von allen Seiten. Als im Februar die Republik proklamirt wurde, geschah es mit Akklamation; die Republik hatte das ganze Proletariat hinter sich, und von allen Seiten liefen Adressen und Beistimmungen aus der Provinz ein. Damals wagte man gar nicht die Voraussetzung zu machen, daß die zusammenkommende Kammer die Republik in Abrede stellen könnte, und sie wurde daher auch in der Kammer mit Akklamation angenommen. Als die Bourgeois-Partei des Nationals die demokratisch-soziale Republik dem Proletariat entrissen, erhob sich das Volk noch immer in den Wahlen zu Gunsten der Republik, indem es der Kammer und dem Cavaignac zum Trotz gegen Cavaignac und die Kammer stimmte und der demokratischen Propaganda einen Ausdruck, einen Namen, den Namen Napoleon gab. Napoleon sagten wir damals, war die Hinweisung auf das frühere Ueberströmen der Republik nach dem Auslande, und eine Protestation gegen die engen Schranken, innerhalb deren Cavaignac die Republik einzwängen wollte. Die Kammer war also bei ihrem Entstehen schon nicht der Ausdruck derjenigen Klasse, welche die Republik gemacht hatte; die damalige provisorische Regierung wollte oder konnte die Maßregeln nicht ergreifen, welche die Bauern in die Revolution geschleudert, und die Bourgeoisie an die Republik geschmiedet hätte. Starke Besteuerung der Hypotheken, statt der 45 Centimessteuer, die blos auf den nominellen Eigenthümer fielen, Schließung der Bank, Errichtung einer Staatsbank und neues Papiergeld vom Staate, d. h. von der provisorischen Regierung ausgestellt, welche das ganze Proletariat hinter sich hatte, -- hätte die Bourgeoisie von der Regierung abhängig gemacht, statt daß das von ihr geschlossene Anleihen die Regierung von der Bourgeoisie abhängig machte. Die Schilderhebung des Proletariats im Juni scheiterte, weil die im Februar gebrochene Macht der Bourgeoisie wieder Zeit hatte sich zu erholen und die Bourgeois-Kammer ihr alle Mittel dazu an die Hand bot.

Der gleich Anfangs in der Kammer enthaltene Widerspruch bricht jetzt außerhalb der Kammer zum Vorschein. Der Präsident der Republik, der Präsident des Ministeriums und der Präsident der Kammer, die sich gegenseitig in Frage stellen, und die bei jeder Frage, welche sie auch sei, in Frage gestellt werden -- das ist die offizielle Welt der Republik. Will die Kammer konservativ-republikanisch bleiben, geräth sie mit Barrot in Streit und der royalistischen Partei, und Barrot verwickelt sie in Streit mit Napoleon: das Volk vom Februar und Juni tritt zwischen Barrot und die Kammer und ergreift Partei für Napoleon und die Kammer. Fordert das Volk vom Juni durch das Organ der Montagne Amnestie für die Juni-Insurgenten, als Belohnung für seinen Beistand gegen das Ministerium, so tritt die Kammer auf Seite des Ministeriums, und das Volk ruft: a bas Napoleon! Spricht Leon Faucher von Auflösung, so antwortet die Kammer: es lebe die Republik. Macht die royalistische Partei des Ministeriums durch Changarnier royalistische Demonstrationen, so schreit das Volk: es lebe Napoleon, nieder mit dem Ministerium. So werden Kammer, Präsident und Ministerium, als sich gegenseitig ausschließend und aufhebend, vom vereinigten Proletariate jetzt gebraucht wie Polichinelle, die man so lange sich gegenseitig raufen läßt, bis sie sammt und sonders als abgenutzt in die Rumpelkammer geworfen werden.

17 Paris, 6. Februar.

Die Ränke der Legitimisten sind so dreist daß sie zweimal seit dem 1. Febr. Wagen mit weißgrünen Lakaien durch die Straßen fahren ließen; die Livree der Bourbonen wird jedoch noch einmal roth gefärbt werden und dauerhafter als 93. "Möge sich die Luchesi Palli, die sogenannte Herzogin Berry und Mama des schafköpfigen Herzog Bordeaux, alias Henri V., in Acht nehmen. Diese würdige Schwester des neapolitanischen Bombenkönigs wird noch einmal ihre elende Race in die Kampfbahn führen wollen, aber dann gute Nacht! Gift und Dolch, Pulverfaß und Höllenmaschine, Windbüchse und Vitriol in Spritzen, alle das menschliche Leben zerstörende chemische und mechanische Stoffe scheinen uns erlaubt wenn ein Volk sich seiner gekrönten Blutsauger und Schmeißfliegen entledigen will. Hat doch schon die letzte Nummer des "Pensiero Italiano" klar und bündig gesagt: ""Die Manen Robert Blum's werden gerächt werden, die Association des Todes wird manchen menschheitsfeindlichen Diplomaten, d. h. Volksverführer und Staatsbetrüger, wie den ruchlosen französischen Päbstling Rossi, über die Klinge springen lassen." (Citoyen de Dijon.) Die Infamieen der Justiz gegen die Junimärtyrer sind zahllos; der B. Viant, Kapitän der Nationalgarde zu Belleville (Banlieue) ist jetzt in seiner 49sten Haft angelangt; unter Schlägen und Fußstößen brachte man ihn auf die Verbrecherschiffe, ließ ihn dort 3 1/2 Monat liegen, trieb ihn zu Fuß dann, gekettet, nach Paris zurück vor das Kriegsgericht Nr. II. und wird ihn jetzt nächstens auf 5 Jahre in die unterirdischen Höhlen des Schlosses Doullens stecken. Leon Faucher, dieser anspeiungswürdige trockne Schleicher, hat zwar gestern in der Kammer sein schurkenartiges, zum Bürgerkampf gegen "alle französische Demokraten" aufrufendes Rundschreiben fallen lassen, und mit kreischend bebender Stimme peccavi gequält: aber er erläßt so eben den Befehl an die Regimentsmusikchöre die Marseillaise, das Girondistenlied und den chant du depart nicht mehr zu spielen; desgleichen chikanirt er die Bäckergesellen nach wie vor, hat Alton Schee, und Dameth den Chef der "Solidarite" (die rein ökonomisch) einstecken lassen. "Wenn das Gehirn dieser Elenden den letzten Grad von Bestialität und Schuftigkeit erreicht haben wird, dann wird es auf unser Straßenpflaster spritzen," sagte gestern höhnisch lächelnd ein Klubist mit einer sehr bezeichnenden Pantomime.

Paris, 6. Februar.

Die Nationalversammlung nahm gestern Abend die Oudinot'sche motivirte Tagesordnung nicht, wie wir anzeigten, mit 481 gegen 359 Stimmen an, sondern nur mit 416 gegen 359 Stimmen. Die Sekretäre begingen einen Schreibfehler, den der Moniteur heute berichtigt. Durch dieses Votum hat die Versammlung nur die "Dringlichkeit" einer parlamentarischen Untersuchung verworfen. Der Antrag geht jetzt seinen gewöhnlichen Reglementsweg. Damit ist die Untersuchung des Montagsspektakels keineswegs durchgefallen.

-- Bugeaud ist bei der Alpenarmee eingetroffen. Auf seiner Durchreise in Bourges redete er die dortigen Offizierskorps der Bürgerwehr und Linie in so contrerevolutionärer Weise an, daß die Linke den Kriegsminister hierüber heute oder morgen zur Rede stellen wird. Auf diesen alten Narren zählt die Contrerevolution im mittäglichen Frankreich außerordentlich viel. Leute, die seine Verdienste genau kennen, bemitleiden den Süden, daß er seine föderalistischen Hoffnungen auf den Friedensschließer an der Taffna setzte.

-- Heute findet die zweite Deliberation über den Antrag Rateau-Thiers rücksichtlich der Auflösung der Nationalversammlung statt. Keine Spur von Unordnung. Die Trommel begleitet einige Kompagnieen Bürgerwehr in die Mairie. Unnütze Vorsicht.

-- Lanjuinais hat den Antrag gestellt: die Zahl der organischen Gesetze auf Drei zu reduziren: a) Wahlgesetz; b) Staatsrath; c) Verantwortlichkeit des Präsidenten etc. Mittelst dieses Antrags wollen Dufaure, Lamartine und die übrigen Koryphäen der parlamentarischen Opposition der Rateauschlacht ein versöhnliches Ende sichern. Auch Bonaparte unterstützt dieses Amendement heimlich.

-- Oberst Forestier verklagt den Minister des Innern wegen willkürlicher Verhaftnahme. Die Morgenblätter bringen den Text verschiedener Dankesadressen, welche die Linke und andere Staatskörperschaften und Privatvereine an diesen Patrioten richteten. Er wurde in förmlichem Triumphe aus dem Gefängnisse in seine Wohnung geführt.

-- Cavaignac hat, den Blättern aus Bourges zufolge, bereits Zimmer im Hotel des Postes für die Dauer des Maiprozesses gemiethet. Unter den Advokaten, welche die Gefangenen vertheidigen, nennt man auch Bac, Ledru-Rollin, Vignerte und selbst Jules Favre.

-- Unter der Mobilgarde herrscht immer noch große Gährung; sie haßt den Changarnier aus tiefster Seele. Dieser nimmt daher alle Vorsichtsmaßregeln; unter Anderm gehört hieher, daß Mobilgarde und Linie verschiedene Parolen erhalten.

-- Charles Thomas ist nach 13jähriger Mitarbeiterschaft des National, dessen Redakteur en chef er zuletzt war, von diesem Blatt abgetreten und Caylus, bisheriger Redakteur, wird seine Stelle vertreten.

-- Die Polizei verhaftete einige Personen, die an ihren Hüten weiße Kokarden trugen.

-- Die Kommission zur Prüfung des Enquete-Antrags wurde heute Mittag folgendermaßen gewählt:

Für die Enquete: Antony Thourret, Alem Rousseau, Santeyra, Germain Sarrut, Demians, Frichon u. s. w.

Gegen den Antrag: Luneau, Bauchart, Guyet Dubignier, Porion, Conti, Larochejaquelin, de Seze, Point und Abattucci.

-- "Le Credit" kündigt ein Feuilleton unter dem Titel: "Le Baron Paturot a la recherche de la meilleure des Monarchies par un Republicain du lendemain," an. Dasselbe soll eine derbe Satyre gegen den Marseiller Deputirten Louis Reybaud, Bruders des Verfassers der Faucher'schen Bülletins (beide enragirte Royalisten) sein, worin die Contrerevolution der Rue Duphot stark gegeißelt wird.

-- Marrast schreibt an die Debats:

"Sonnabend den 3. Febr. Mein Herr! Man legt mir so eben einen Artikel Ihres Journals vor, in welchem Sie mich unter diejenigen Deputirten zählen, die für die Inbetrachtziehung der Anklage gegen das Ministerium stimmten. Ich gestehe Ihnen, daß mir bisher völlig unbewußt war: die Nationalversammlung habe jemals darüber abgestimmt, ob die Anklage gegen das Ministerium in Betracht zu ziehen sei oder nicht? Alles, worüber sie abstimmte, bestand in der Frage: ob die Anklage den Abtheilungen oder den Ausschüssen zur Begutachtung zu überreichen? Die Versammlung hat sie dem Justizausschuß überwiesen. Ich aber behaupte heute noch, daß für diese Frage kein Komite kompetent ist, und wenn diese Kompetenz- oder Prozedurfrage noch einmal zur Abstimmung gebracht wird, so würde ich stimmen, wie neulich. Mein Votum hat keine andere Absicht, keine andere Bedeutung und ich fühle mich überrascht, Ihnen eine solche Aufklärung geben zu müssen. Ich darf wohl von Ihrer Redlichkeit hoffen, daß sie dieser Erklärung dieselbe Oeffentlichkeit gestatten, mit der Sie meiner Zustimmung eine Deutung gaben, gegen die ich im Namen der Wahrheit protestire."

-- Die Polizei gibt sich alle erdenkliche Mühe, ihre Behauptung von der Existenz einer kolossalen Kommunisten-Verschwörung am 29. Jan. durch Schriftstücke zu beweisen. In demselben Augenblicke, wo Faucher gestern Abend vor der Nationalversammlung förmliche Abbitte that und durch Oudinot's Mund Versöhnung predigte, überfielen die Carlier'schen Häscher die Bureaux der "Solidarite Populaire", nahmen dort alle Papiere weg und schleppten den Direktor dieser rein ökonomischen Gesellschaft (welche die Einführung eines Umtausches aller Produkte unter dem Proletariat bezweckt), Namens Dameth -- den sanftesten Mann von der Welt -- in das Gefängniß. Kein Zweifel, daß auch er, gleich Forestier und den übrigen Opfern vom Montage, bald wieder freigelassen wird.

-- Die Gazette de France erklärt: die National-Partei (Legitimisten) sei bereit, Hrn. Thiers das Oberkommando anzuvertrauen, wenn er die Erblichkeit anerkenne. Bravo!

-- "Peuple" erläßt folgendes "letztes Avis an die Arbeiter": "Die honnetten Leute, welche sich zum Sturz der Republik verschworen, haben Durst nach republikanischem Blute; heute Montag soll das Drama stattfinden, von dem Ihr vor acht Tagen nur die Generalprobe aufführen sahet. Euer Benehmen am (Siehe den Verfolg in der Beilage.)

Wernher von Nierstein (der Reichstelegraph) hat sein Seitenstück gefunden. (Lebhaftes Zischen und Bravo rechts).

Die Debatte wird geschlossen und namentliche Abstimmung vorbehalten.

Der Berichterstatter Schubert spricht für den Ausschußantrag unter Beifall der Centren in aufgeblasener Professorenweisheit.

Bei der Abstimmung wird Wiegards Antrag verworfen. Ebenso der von Osterrath.

Der Ausschußantrag, den ich gestern gab, und der die Demarkationslinie genehmigt, wird hierauf in namentlicher Abstimmung mit 280 Stimmen gegen 124 angenommen und die Sitzung gegen 3 Uhr geschlossen.

wird wohl nächstens aus strategischen Rücksichten mit Rußland vereinbar werde. Auf die Polen läßt sich die Geschichte jener zwei Mütter und des Königs Salomo anwenden; wie jene edle Mutte ihr Kind lieber ganz der Fremden hingeben als theilen lassen wollte, so wollen jetzt die Polensöhne lieber ihre Mutter ganz dem fremden deutschen Volke hinwerfen als zerfetzen lassen. Nur mangelt dem Vergleich, daß kein Salomo auf dem deutschen Throne sitzt. (Bravo! Bravo!) Wir wollen aber im Vertrauen auf den Gerechtigkeitssinn des deutschen Volkes dies Geschenk zurückweisen. Wiesner stimmt für Wigards Antrag:

„Ueber den vorliegenden Bericht zur Tagesordnung zu gehen, und die definitive Feststellung der Demarkationslinie der Zeit vorzubehalten, wo es dem völkerrechtlichen Ausschuß möglich geworden, einen auf allseitige Erhebung aller Verhältnisse, namentlich auch auf Anhörung der polnischen Bevölkerung gestützten Bericht vorzulegen.“

Hierauf echauffirt sich Hr. Literat Wuttke (aus Leipzig) gegen diejenigen „Teutschen“ welche sich polnischer Interessen annehmen. Er paukt dabei furchtbar auf die Tribune und wird ausgelacht.

Ungarn.
Aus Ungarn, 1. Febr.

Der 23. Januar war ein sehr ereignißvoller Tag für Ungarn. An demselben hat das ungarische Heer neuerdings unter Anführung des polnischen Obersten Klapka den östreichischen F. M. L. Schlick bis zur Vernichtung geschlagen, ihm fast alle Kanonen genommen und 2000 Mann zu Gefangenen gemacht. Die Trümmer der Schlick'schen Truppen haben sich gegen Kaschau geflüchtet, wo aber in diesem Augenblicke die Ungarn eingezogen sein sollen, indem die kaiserliche Post keine Brücken bis Kaschau fand und nach 3 Tagen vergeblichen Bemühens zurückgekehrt ist, überall nur auf zu Paaren getriebene Kaiserliche stoßend. Windischgrätz war am 23. ganz verschlagen, denn auch die Theiß-Armee der Ungarn hatte einen glänzenden Sieg über die Kaiserlichen bei Szolnok errungen. Diese verloren hier 3 Batterien mit aller Munition und sämmtliches Gepäck. Nach einem halbstündigen Kampfe wurden sie in die wildeste Flucht geschlagen; die Straße war aber unwegsam, der Straßenschmutz stieg bis zum Knie, die schwerfälligen Kürassiere wurden daher von den leichten ungarischen Husaren fast gänzlich aufgerieben oder gefangen. Die Straße von Szolnok bis Cegled war mit Leichen bedeckt. In Cegled war der Jubel der Einwohner ungeheuer, als die siegreichen Ungarn den fliehenden Kaiserlichen auf dem Fuße folgten. Sie überließen sich bis spät in die Nacht der ausgelassensten Freude. Die schönsten und vornehmsten Damen küßten in der patriotischen Extase die bluttriefenden Husaren und andere Krieger. Das italienische Bataillon vom Regiment „Zanini“ erhöhte das beispiellose Volksfest durch die den Italienern eigene Gabe der phantastischen Freude. Am 26sten rückte aber Windischgrätz selbst mit allen Truppen, die er unterdessen zusammenziehen konnte, wieder gegen Cegled vor. Die ungarische Armee nahm die Schlacht an und trieb die Kaiserlichen bis Monor vor sich her. In Pesth wurde am 27sten bereits Alles geräumt und zum völligen Rückzuge vorbereitet, als die unerwartete Nachricht eintraf, daß die ungarische Armee wieder, und zwar den Kaiserlichen unbemerkt, hinter die Theiß zurückgegangen sei. Sie wurde dazu dadurch bestimmt, daß unterdessen der Eisstoß von der Theiß abgegangen war, so daß sie diesen Strom nicht mehr hinter ihrem Rücken lassen durfte. Der Verlust der Kaiserlichen beträgt 20 Kanonen, worunter eine Rakettenbatterie, über 1800 Gefangene, worunter 400 Kürassiere, 700 Jäger, sämmtliche Munition und Bagage und mehrere Tausend Todte ohne die unzähligen Blessirten. — Nicht minder Wichtiges hat der polnische General Bem am 23. Januar vollbracht. Er ist nämlich an diesem Tage in Herrmannstadt eingezogen; am 26. hat er die Festung Carlsburg genommen und somit ganz Siebenbürgen für Ungarn und die Freiheit wiedererobert. In seinem Berichte an Kossuth sagt Bem, daß er mit 40,000 Mann aus Siebenbürgen in's Banat einziehen werde, wo er sich mit den andern ungarischen Truppen zu vereinigen gedenke, um so bald als möglich in Ofen und Pesth einzurücken. So viel vom Kriegsschauplatze als authentisch. — Noch unverbürgt ist die Einnahme der Arader Festung durch die Ungarn, ebenso die Nachricht, daß der berühmte polnische General Dembinski in Debreczin eingetroffen und den Oberfehl über sämmtliche ungarische Truppen erhalten hat. In Pesth herrscht jetzt die größte Begeisterung unter den Einwohnern und die kaiserlichen Offiziere müssen trotz des Belagerungszustandes die größten Schmähungen so wie die lautesten Wünsche für die baldige Rückkehr Kossuth's anhören. Die Besatzung ist jetzt so schwach, daß nicht einmal die Wachtposten bezogen werden können. Letztere wagen es daher nicht, mit den Einwohnern von Pesth anzubinden. An den Straßen-Ecken sind die schimpflichsten Karrikaturen auf Windischgrätz angeklebt, während die Bekanntmachungen in der Regel heruntergerissen werden. Das Bataillon vom italienischen Regiment Ceccopieri hat in Ofen erklärt, nicht weiter am Kampfe gegen die Ungarn Theil nehmen zu wollen; ein großer Theil desselben ist daher entwaffnet und in den Kasernen eingesperrt worden. Auf die Kunde von dem siegreichen Vordringen der ungarischen Theißarmee haben die bedeutende Stadt Kecskemet im Pesther Komitat und 17 Dörfer im Graner Komitat die Nationalfahne wieder aufgesteckt. Die Kaiserlichen müssen im Graner Komitat geschlagen worden sein, denn in aller Eile wurden gestern auf Dampfschiffen bedeutende Verstärkungen aus Ofen dorthin gesendet.

(Br. Z.)
Französische Republik.
12 Paris, 6. Febr.

Jede Frage, was sie auch immer berühren mag, schlägt um in eine Minister-Kammer- oder Napoleonsfrage: d. h. es taucht keine einzige Frage mehr auf, die nicht auf der Stelle eine von den 3 Gewalten selbst in Frage stellt. Und dann ist's immer eine von diesen Gewalten, die über die andere entscheiden soll. Die Kammer soll entscheiden, ob das Ministerium, das Ministerium ob die Kammer, Napoleon ob das Ministerium bleiben soll. Und wer soll am Ende entscheiden, ob alle 3 bleiben sollen?

Die Enquête ist keine bloße Enquête über das Ministerium; sie ist eine Enquête über alle bestehenden Gewalten. Aber dabei bleibt es noch nicht. Hinter jeder von diesen 3 Gewalten lauern 3 Erbschaften, die in 3 Erben ihren Ausdruck erhalten, als da sind 1) Napoleon der Kaiser, 2) Henri V., der ur-legitime König nebst der Orleanischen Raçe, die durch Besitznahme legal geworden und durch Besitzverlust legitime Ansprüche zu haben glauben darf, 3) die Orleanische Raçe theilt sich wieder ab in den Prinzen von Paris und den Prinzen von Joinville u. s. w. u. s. w.

Bei der Besprechung der Enquête in der Kammer stellte es sich heraus, daß das Ministerium noch eine eigene Presse zur Verfügung hat, eine Art Correspondenz-Bureau, dem es seine geheimen Absichten mittheilt, welche dann auf der Stelle an alle Präfekten und Unterpräfekten in der Provinz befördert werden. Was waren diese geheimen Absichten des Ministeriums? Den Glauben in der Provinz zu unterhalten, als sei die Kammer Schuld an allen jetzigen Uebelständen, als wolle die Minorität in der Kammer eine Revolution hervorrufen. Conclusion: die Provinz muß auf jede mögliche Weise veranlassen, daß die Kammer auseinandergehe, daß eine neue Kammer zusammenkomme, und daß diese neue Kammer dann entscheide, wer von den 3 Erben die meisten Ansprüche habe.

Der vom Siècle her bekannte Perrée, der frühere Freund Barrot's hat diese Anklage vorgebracht, und auf ein Mißtrauensvotum angetragen. „Das Ministerium, sagt er, soll weder nach rechts, noch nach links hin aus der Versammlung heraustreten; es soll seinen Standpunkt mitten in der Versammlung festhalten; das Ministerium darf nicht in allen Gegenden des Landes zu Petitionen um Auflösung der Kammer auffordern.“ Mit diesen Petitionen nämlich hat es seit einiger Zeit eine eigene Bewandtniß. Während die Journale, die aus der ministeriellen Correspondenz ihre Leitartikel nehmen, die Kammer als eine Diktatur darstellen, mit der man unmöglich regieren könne, hat sich die der Kammer feindliche Partei angelegen sein lassen, ganze Folio-Bände von Unterschriften für Auflösung der Kammer zu sammeln. Die entgegengesetzte Partei sah sich ihrerseits natürlich genöthigt, auch Unterschriften zu sammeln, und da die Folio-Bände sich gegeneinander aufwiegen, so hat hier das allgemeine Stimmrecht, in Form von Petitionen ausgeübt, gänzlich seine Kraft verloren, und bringt weiter nichts zu Wege als eine fruchtlose Aufreibung.

Doch zurück zur Hauptfrage. Diese Hauptfrage war die Enquête über den 29. Januar; und plötzlich entstand aus dieser Enquete eine Ministerfrage, und diese Ministerfrage ging wieder hervor aus der Kammerfrage, d. h. aus der Frage über das Fortbestehen der Kammer. Als nun aber die Kammerfrage in eine Ministerfrage umgeschlagen, da trat Barrot auf und suchte darzuthun, daß die Ministerfrage eine Präsidentenfrage und die Präsidentenfrage die Republikfrage nach sich ziehen könne. Unter den alten Institutionen, d. h. unter der Monarchie stand es der Kammer zu, ein Ministerium zu stürzen, wenn dieses Ministerium auch das Zutrauen des Monarchen hatte, denn der Monarch war unverantwortlich. Jetzt, wo der Präsident der Republik verantwortlich ist, ebensowohl wie das Ministerium, kann man nicht an das Ministerium rühren, ohne zugleich an den Präsidenten der Republik zu rühren. Wird nun dem Ministerium ein Mißtrauensvotum gegeben, und hat dieses verantwortliche Ministerium das Zutrauen des verantwortlichen Präsidenten der Republik, so geht dieses Mißtrauensvotum zurück bis auf den Präsidenten. Barrot hat Recht, und Napoleon hat nicht Unrecht, wenn er, auf seine 6 Millionen Stimmen pochend, sagt: die 6 Millionen Stimmen die sind mir, dem Louis Napoleon zugefallen, dem Louis Napoleon, wie er leibt und lebt und denkt. Und wenn dieser Louis Napoleon denkt, er kann nicht ohne Barrot fertig werden, so ist Barrot so gut wie Napoleon. Das Volk hat bei meiner Wahl, bei der Wahl Napoleon's, vorausgesetzt, daß Alles was ich, Napoleon, denke, gut gedacht ist. Also eine Kammerfrage ist eine Ministerfrage, eine Ministerfrage ist eine Napoleonfrage, eine Napoleonfrage ist eine Republikfrage und eine Republikfrage läuft wieder am Ende darauf hinaus, durch neue Wahlen, durch die Berufung einer neuen Kammer, wie sie das Ministerium wünscht, entscheiden zu lassen, wer von den drei Erben der rechte, wer der rechtmäßige Erbe der Republik ist, wer Monarch, Kaiser oder Regent sein soll.

Von welchem Standpunkte man auch die Sache ansehen mag, so lange man in der offiziellen Welt, in den Regionen der 3 Gewalten bleibt, kreuzen sich die Widersprüche von allen Seiten. Als im Februar die Republik proklamirt wurde, geschah es mit Akklamation; die Republik hatte das ganze Proletariat hinter sich, und von allen Seiten liefen Adressen und Beistimmungen aus der Provinz ein. Damals wagte man gar nicht die Voraussetzung zu machen, daß die zusammenkommende Kammer die Republik in Abrede stellen könnte, und sie wurde daher auch in der Kammer mit Akklamation angenommen. Als die Bourgeois-Partei des Nationals die demokratisch-soziale Republik dem Proletariat entrissen, erhob sich das Volk noch immer in den Wahlen zu Gunsten der Republik, indem es der Kammer und dem Cavaignac zum Trotz gegen Cavaignac und die Kammer stimmte und der demokratischen Propaganda einen Ausdruck, einen Namen, den Namen Napoleon gab. Napoleon sagten wir damals, war die Hinweisung auf das frühere Ueberströmen der Republik nach dem Auslande, und eine Protestation gegen die engen Schranken, innerhalb deren Cavaignac die Republik einzwängen wollte. Die Kammer war also bei ihrem Entstehen schon nicht der Ausdruck derjenigen Klasse, welche die Republik gemacht hatte; die damalige provisorische Regierung wollte oder konnte die Maßregeln nicht ergreifen, welche die Bauern in die Revolution geschleudert, und die Bourgeoisie an die Republik geschmiedet hätte. Starke Besteuerung der Hypotheken, statt der 45 Centimessteuer, die blos auf den nominellen Eigenthümer fielen, Schließung der Bank, Errichtung einer Staatsbank und neues Papiergeld vom Staate, d. h. von der provisorischen Regierung ausgestellt, welche das ganze Proletariat hinter sich hatte, — hätte die Bourgeoisie von der Regierung abhängig gemacht, statt daß das von ihr geschlossene Anleihen die Regierung von der Bourgeoisie abhängig machte. Die Schilderhebung des Proletariats im Juni scheiterte, weil die im Februar gebrochene Macht der Bourgeoisie wieder Zeit hatte sich zu erholen und die Bourgeois-Kammer ihr alle Mittel dazu an die Hand bot.

Der gleich Anfangs in der Kammer enthaltene Widerspruch bricht jetzt außerhalb der Kammer zum Vorschein. Der Präsident der Republik, der Präsident des Ministeriums und der Präsident der Kammer, die sich gegenseitig in Frage stellen, und die bei jeder Frage, welche sie auch sei, in Frage gestellt werden — das ist die offizielle Welt der Republik. Will die Kammer konservativ-republikanisch bleiben, geräth sie mit Barrot in Streit und der royalistischen Partei, und Barrot verwickelt sie in Streit mit Napoleon: das Volk vom Februar und Juni tritt zwischen Barrot und die Kammer und ergreift Partei für Napoleon und die Kammer. Fordert das Volk vom Juni durch das Organ der Montagne Amnestie für die Juni-Insurgenten, als Belohnung für seinen Beistand gegen das Ministerium, so tritt die Kammer auf Seite des Ministeriums, und das Volk ruft: à bas Napoléon! Spricht Leon Faucher von Auflösung, so antwortet die Kammer: es lebe die Republik. Macht die royalistische Partei des Ministeriums durch Changarnier royalistische Demonstrationen, so schreit das Volk: es lebe Napoleon, nieder mit dem Ministerium. So werden Kammer, Präsident und Ministerium, als sich gegenseitig ausschließend und aufhebend, vom vereinigten Proletariate jetzt gebraucht wie Polichinelle, die man so lange sich gegenseitig raufen läßt, bis sie sammt und sonders als abgenutzt in die Rumpelkammer geworfen werden.

17 Paris, 6. Februar.

Die Ränke der Legitimisten sind so dreist daß sie zweimal seit dem 1. Febr. Wagen mit weißgrünen Lakaien durch die Straßen fahren ließen; die Livrée der Bourbonen wird jedoch noch einmal roth gefärbt werden und dauerhafter als 93. „Möge sich die Luchesi Palli, die sogenannte Herzogin Berry und Mama des schafköpfigen Herzog Bordeaux, alias Henri V., in Acht nehmen. Diese würdige Schwester des neapolitanischen Bombenkönigs wird noch einmal ihre elende Raçe in die Kampfbahn führen wollen, aber dann gute Nacht! Gift und Dolch, Pulverfaß und Höllenmaschine, Windbüchse und Vitriol in Spritzen, alle das menschliche Leben zerstörende chemische und mechanische Stoffe scheinen uns erlaubt wenn ein Volk sich seiner gekrönten Blutsauger und Schmeißfliegen entledigen will. Hat doch schon die letzte Nummer des „Pensiero Italiano“ klar und bündig gesagt: „„Die Manen Robert Blum's werden gerächt werden, die Association des Todes wird manchen menschheitsfeindlichen Diplomaten, d. h. Volksverführer und Staatsbetrüger, wie den ruchlosen französischen Päbstling Rossi, über die Klinge springen lassen.“ (Citoyen de Dijon.) Die Infamieen der Justiz gegen die Junimärtyrer sind zahllos; der B. Viant, Kapitän der Nationalgarde zu Belleville (Banlieue) ist jetzt in seiner 49sten Haft angelangt; unter Schlägen und Fußstößen brachte man ihn auf die Verbrecherschiffe, ließ ihn dort 3 1/2 Monat liegen, trieb ihn zu Fuß dann, gekettet, nach Paris zurück vor das Kriegsgericht Nr. II. und wird ihn jetzt nächstens auf 5 Jahre in die unterirdischen Höhlen des Schlosses Doullens stecken. Leon Faucher, dieser anspeiungswürdige trockne Schleicher, hat zwar gestern in der Kammer sein schurkenartiges, zum Bürgerkampf gegen „alle französische Demokraten“ aufrufendes Rundschreiben fallen lassen, und mit kreischend bebender Stimme peccavi gequält: aber er erläßt so eben den Befehl an die Regimentsmusikchöre die Marseillaise, das Girondistenlied und den chant du départ nicht mehr zu spielen; desgleichen chikanirt er die Bäckergesellen nach wie vor, hat Alton Schee, und Dameth den Chef der „Solidarité“ (die rein ökonomisch) einstecken lassen. „Wenn das Gehirn dieser Elenden den letzten Grad von Bestialität und Schuftigkeit erreicht haben wird, dann wird es auf unser Straßenpflaster spritzen,“ sagte gestern höhnisch lächelnd ein Klubist mit einer sehr bezeichnenden Pantomime.

Paris, 6. Februar.

Die Nationalversammlung nahm gestern Abend die Oudinot'sche motivirte Tagesordnung nicht, wie wir anzeigten, mit 481 gegen 359 Stimmen an, sondern nur mit 416 gegen 359 Stimmen. Die Sekretäre begingen einen Schreibfehler, den der Moniteur heute berichtigt. Durch dieses Votum hat die Versammlung nur die „Dringlichkeit“ einer parlamentarischen Untersuchung verworfen. Der Antrag geht jetzt seinen gewöhnlichen Reglementsweg. Damit ist die Untersuchung des Montagsspektakels keineswegs durchgefallen.

— Bugeaud ist bei der Alpenarmee eingetroffen. Auf seiner Durchreise in Bourges redete er die dortigen Offizierskorps der Bürgerwehr und Linie in so contrerevolutionärer Weise an, daß die Linke den Kriegsminister hierüber heute oder morgen zur Rede stellen wird. Auf diesen alten Narren zählt die Contrerevolution im mittäglichen Frankreich außerordentlich viel. Leute, die seine Verdienste genau kennen, bemitleiden den Süden, daß er seine föderalistischen Hoffnungen auf den Friedensschließer an der Taffna setzte.

— Heute findet die zweite Deliberation über den Antrag Rateau-Thiers rücksichtlich der Auflösung der Nationalversammlung statt. Keine Spur von Unordnung. Die Trommel begleitet einige Kompagnieen Bürgerwehr in die Mairie. Unnütze Vorsicht.

— Lanjuinais hat den Antrag gestellt: die Zahl der organischen Gesetze auf Drei zu reduziren: a) Wahlgesetz; b) Staatsrath; c) Verantwortlichkeit des Präsidenten etc. Mittelst dieses Antrags wollen Dufaure, Lamartine und die übrigen Koryphäen der parlamentarischen Opposition der Rateauschlacht ein versöhnliches Ende sichern. Auch Bonaparte unterstützt dieses Amendement heimlich.

— Oberst Forestier verklagt den Minister des Innern wegen willkürlicher Verhaftnahme. Die Morgenblätter bringen den Text verschiedener Dankesadressen, welche die Linke und andere Staatskörperschaften und Privatvereine an diesen Patrioten richteten. Er wurde in förmlichem Triumphe aus dem Gefängnisse in seine Wohnung geführt.

— Cavaignac hat, den Blättern aus Bourges zufolge, bereits Zimmer im Hotel des Postes für die Dauer des Maiprozesses gemiethet. Unter den Advokaten, welche die Gefangenen vertheidigen, nennt man auch Bac, Ledru-Rollin, Vignerte und selbst Jules Favre.

— Unter der Mobilgarde herrscht immer noch große Gährung; sie haßt den Changarnier aus tiefster Seele. Dieser nimmt daher alle Vorsichtsmaßregeln; unter Anderm gehört hieher, daß Mobilgarde und Linie verschiedene Parolen erhalten.

— Charles Thomas ist nach 13jähriger Mitarbeiterschaft des National, dessen Redakteur en chef er zuletzt war, von diesem Blatt abgetreten und Caylus, bisheriger Redakteur, wird seine Stelle vertreten.

— Die Polizei verhaftete einige Personen, die an ihren Hüten weiße Kokarden trugen.

— Die Kommission zur Prüfung des Enquête-Antrags wurde heute Mittag folgendermaßen gewählt:

Für die Enquête: Antony Thourret, Alem Rousseau, Santeyra, Germain Sarrut, Demians, Frichon u. s. w.

Gegen den Antrag: Luneau, Bauchart, Guyet Dubignier, Porion, Conti, Larochejaquelin, de Seze, Point und Abattucci.

— „Le Credit“ kündigt ein Feuilleton unter dem Titel: „Le Baron Paturot à la recherche de la meilleure des Monarchies par un Républicain du lendemain,“ an. Dasselbe soll eine derbe Satyre gegen den Marseiller Deputirten Louis Reybaud, Bruders des Verfassers der Faucher'schen Bülletins (beide enragirte Royalisten) sein, worin die Contrerevolution der Rue Duphot stark gegeißelt wird.

— Marrast schreibt an die Débats:

„Sonnabend den 3. Febr. Mein Herr! Man legt mir so eben einen Artikel Ihres Journals vor, in welchem Sie mich unter diejenigen Deputirten zählen, die für die Inbetrachtziehung der Anklage gegen das Ministerium stimmten. Ich gestehe Ihnen, daß mir bisher völlig unbewußt war: die Nationalversammlung habe jemals darüber abgestimmt, ob die Anklage gegen das Ministerium in Betracht zu ziehen sei oder nicht? Alles, worüber sie abstimmte, bestand in der Frage: ob die Anklage den Abtheilungen oder den Ausschüssen zur Begutachtung zu überreichen? Die Versammlung hat sie dem Justizausschuß überwiesen. Ich aber behaupte heute noch, daß für diese Frage kein Komité kompetent ist, und wenn diese Kompetenz- oder Prozedurfrage noch einmal zur Abstimmung gebracht wird, so würde ich stimmen, wie neulich. Mein Votum hat keine andere Absicht, keine andere Bedeutung und ich fühle mich überrascht, Ihnen eine solche Aufklärung geben zu müssen. Ich darf wohl von Ihrer Redlichkeit hoffen, daß sie dieser Erklärung dieselbe Oeffentlichkeit gestatten, mit der Sie meiner Zustimmung eine Deutung gaben, gegen die ich im Namen der Wahrheit protestire.“

— Die Polizei gibt sich alle erdenkliche Mühe, ihre Behauptung von der Existenz einer kolossalen Kommunisten-Verschwörung am 29. Jan. durch Schriftstücke zu beweisen. In demselben Augenblicke, wo Faucher gestern Abend vor der Nationalversammlung förmliche Abbitte that und durch Oudinot's Mund Versöhnung predigte, überfielen die Carlier'schen Häscher die Bureaux der „Solidarité Populaire“, nahmen dort alle Papiere weg und schleppten den Direktor dieser rein ökonomischen Gesellschaft (welche die Einführung eines Umtausches aller Produkte unter dem Proletariat bezweckt), Namens Dameth — den sanftesten Mann von der Welt — in das Gefängniß. Kein Zweifel, daß auch er, gleich Forestier und den übrigen Opfern vom Montage, bald wieder freigelassen wird.

— Die Gazette de France erklärt: die National-Partei (Legitimisten) sei bereit, Hrn. Thiers das Oberkommando anzuvertrauen, wenn er die Erblichkeit anerkenne. Bravo!

— „Peuple“ erläßt folgendes „letztes Avis an die Arbeiter“: „Die honnetten Leute, welche sich zum Sturz der Republik verschworen, haben Durst nach republikanischem Blute; heute Montag soll das Drama stattfinden, von dem Ihr vor acht Tagen nur die Generalprobe aufführen sahet. Euer Benehmen am (Siehe den Verfolg in der Beilage.)

<TEI>
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          <p>Wernher von Nierstein (der Reichstelegraph) hat sein Seitenstück gefunden. (Lebhaftes Zischen und Bravo rechts).</p>
          <p>Die Debatte wird geschlossen und namentliche Abstimmung vorbehalten.</p>
          <p>Der Berichterstatter Schubert spricht für den Ausschußantrag unter Beifall der Centren in aufgeblasener Professorenweisheit.</p>
          <p>Bei der Abstimmung wird Wiegards Antrag verworfen. Ebenso der von Osterrath.</p>
          <p>Der Ausschußantrag, den ich gestern gab, und der die Demarkationslinie genehmigt, wird hierauf in namentlicher Abstimmung mit 280 Stimmen gegen 124 angenommen und die Sitzung gegen 3 Uhr geschlossen.</p>
          <p>wird wohl nächstens aus strategischen Rücksichten mit Rußland vereinbar werde. Auf die Polen läßt sich die Geschichte jener zwei Mütter und des Königs Salomo anwenden; wie jene edle Mutte ihr Kind lieber ganz der Fremden hingeben als theilen lassen wollte, so wollen jetzt die Polensöhne lieber ihre Mutter ganz dem fremden deutschen Volke hinwerfen als zerfetzen lassen. Nur mangelt dem Vergleich, daß kein Salomo auf dem deutschen Throne sitzt. (Bravo! Bravo!) Wir wollen aber im Vertrauen auf den Gerechtigkeitssinn des deutschen Volkes dies Geschenk zurückweisen. Wiesner stimmt für Wigards Antrag:</p>
          <p rendition="#et">&#x201E;Ueber den vorliegenden Bericht zur Tagesordnung zu gehen, und die definitive Feststellung der Demarkationslinie der Zeit vorzubehalten, wo es dem völkerrechtlichen Ausschuß möglich geworden, einen auf allseitige Erhebung aller Verhältnisse, namentlich auch auf Anhörung der polnischen Bevölkerung gestützten Bericht vorzulegen.&#x201C;</p>
          <p>Hierauf echauffirt sich Hr. Literat <hi rendition="#g">Wuttke</hi> (aus Leipzig) gegen diejenigen &#x201E;Teutschen&#x201C; welche sich polnischer Interessen annehmen. Er paukt dabei furchtbar auf die Tribune und wird ausgelacht.</p>
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        <head>Ungarn.</head>
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          <head>Aus Ungarn, 1. Febr.</head>
          <p>Der 23. Januar war ein sehr ereignißvoller Tag für Ungarn. An demselben hat das ungarische Heer neuerdings unter Anführung des polnischen Obersten <hi rendition="#g">Klapka</hi> den östreichischen <hi rendition="#g">F. M. L. Schlick</hi> bis zur Vernichtung geschlagen, ihm fast alle Kanonen genommen und 2000 Mann zu Gefangenen gemacht. Die Trümmer der Schlick'schen Truppen haben sich gegen Kaschau geflüchtet, wo aber in diesem Augenblicke die Ungarn eingezogen sein sollen, indem die kaiserliche Post keine Brücken bis Kaschau fand und nach 3 Tagen vergeblichen Bemühens zurückgekehrt ist, überall nur auf zu Paaren getriebene Kaiserliche stoßend. <hi rendition="#g">Windischgrätz</hi> war am 23. ganz verschlagen, denn auch die Theiß-Armee der Ungarn hatte einen glänzenden Sieg über die Kaiserlichen bei Szolnok errungen. Diese verloren hier 3 Batterien mit aller Munition und sämmtliches Gepäck. Nach einem halbstündigen Kampfe wurden sie in die wildeste Flucht geschlagen; die Straße war aber unwegsam, der Straßenschmutz stieg bis zum Knie, die schwerfälligen Kürassiere wurden daher von den leichten ungarischen Husaren fast gänzlich aufgerieben oder gefangen. Die Straße von Szolnok bis Cegled war mit Leichen bedeckt. In Cegled war der Jubel der Einwohner ungeheuer, als die siegreichen Ungarn den fliehenden Kaiserlichen auf dem Fuße folgten. Sie überließen sich bis spät in die Nacht der ausgelassensten Freude. Die schönsten und vornehmsten Damen küßten in der patriotischen Extase die bluttriefenden Husaren und andere Krieger. Das italienische Bataillon vom Regiment &#x201E;Zanini&#x201C; erhöhte das beispiellose Volksfest durch die den Italienern eigene Gabe der phantastischen Freude. Am 26sten rückte aber Windischgrätz selbst mit allen Truppen, die er unterdessen zusammenziehen konnte, wieder gegen Cegled vor. Die ungarische Armee nahm die Schlacht an und trieb die Kaiserlichen bis Monor vor sich her. In Pesth wurde am 27sten bereits Alles geräumt und zum völligen Rückzuge vorbereitet, als die unerwartete Nachricht eintraf, daß die ungarische Armee wieder, und zwar den Kaiserlichen unbemerkt, hinter die Theiß zurückgegangen sei. Sie wurde dazu dadurch bestimmt, daß unterdessen der Eisstoß von der Theiß abgegangen war, so daß sie diesen Strom nicht mehr hinter ihrem Rücken lassen durfte. Der Verlust der Kaiserlichen beträgt 20 Kanonen, worunter eine Rakettenbatterie, über 1800 Gefangene, worunter 400 Kürassiere, 700 Jäger, sämmtliche Munition und Bagage und mehrere Tausend Todte ohne die unzähligen Blessirten. &#x2014; Nicht minder Wichtiges hat der polnische General <hi rendition="#g">Bem</hi> am 23. Januar vollbracht. Er ist nämlich an diesem Tage in <hi rendition="#g">Herrmannstadt</hi> eingezogen; am 26. hat er die Festung <hi rendition="#g">Carlsburg</hi> genommen und somit ganz Siebenbürgen für Ungarn und die Freiheit wiedererobert. In seinem Berichte an Kossuth sagt Bem, daß er mit 40,000 Mann aus Siebenbürgen in's Banat einziehen werde, wo er sich mit den andern ungarischen Truppen zu vereinigen gedenke, um so bald als möglich in Ofen und Pesth einzurücken. So viel vom Kriegsschauplatze als <hi rendition="#g">authentisch</hi>. &#x2014; Noch unverbürgt ist die Einnahme der Arader Festung durch die Ungarn, ebenso die Nachricht, daß der berühmte polnische General <hi rendition="#g">Dembinski</hi> in Debreczin eingetroffen und den <hi rendition="#g">Oberfehl über sämmtliche ungarische Truppen erhalten hat</hi>. In Pesth herrscht jetzt die größte Begeisterung unter den Einwohnern und die kaiserlichen Offiziere müssen trotz des Belagerungszustandes die größten Schmähungen so wie die lautesten Wünsche für die baldige Rückkehr Kossuth's anhören. Die Besatzung ist jetzt so schwach, daß nicht einmal die Wachtposten bezogen werden können. Letztere wagen es daher nicht, mit den Einwohnern von Pesth anzubinden. An den Straßen-Ecken sind die schimpflichsten Karrikaturen auf Windischgrätz angeklebt, während die Bekanntmachungen in der Regel heruntergerissen werden. Das Bataillon vom italienischen Regiment Ceccopieri hat in Ofen erklärt, nicht weiter am Kampfe gegen die Ungarn Theil nehmen zu wollen; ein großer Theil desselben ist daher entwaffnet und in den Kasernen eingesperrt worden. Auf die Kunde von dem siegreichen Vordringen der ungarischen Theißarmee haben die bedeutende Stadt Kecskemet im Pesther Komitat und 17 Dörfer im Graner Komitat die Nationalfahne wieder aufgesteckt. Die Kaiserlichen müssen im Graner Komitat geschlagen worden sein, denn in aller Eile wurden gestern auf Dampfschiffen bedeutende Verstärkungen aus Ofen dorthin gesendet.</p>
          <bibl>(Br. Z.)</bibl>
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        <head>Französische Republik.</head>
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          <head><bibl><author>12</author></bibl> Paris, 6. Febr.</head>
          <p>Jede Frage, was sie auch immer berühren mag, schlägt um in eine Minister-Kammer- oder Napoleonsfrage: d. h. es taucht keine einzige Frage mehr auf, die nicht auf der Stelle eine von den 3 Gewalten selbst in Frage stellt. Und dann ist's immer eine von diesen Gewalten, die über die andere entscheiden soll. Die Kammer soll entscheiden, ob das Ministerium, das Ministerium ob die Kammer, Napoleon ob das Ministerium bleiben soll. Und wer soll am Ende entscheiden, ob alle 3 bleiben sollen?</p>
          <p>Die Enquête ist keine bloße Enquête über das Ministerium; sie ist eine Enquête über alle bestehenden Gewalten. Aber dabei bleibt es noch nicht. Hinter jeder von diesen 3 Gewalten lauern 3 Erbschaften, die in 3 Erben ihren Ausdruck erhalten, als da sind 1) Napoleon der Kaiser, 2) Henri V., der ur-legitime König nebst der Orleanischen Raçe, die durch Besitznahme legal geworden und durch Besitzverlust legitime Ansprüche zu haben glauben darf, 3) die Orleanische Raçe theilt sich wieder ab in den Prinzen von Paris und den Prinzen von Joinville u. s. w. u. s. w.</p>
          <p>Bei der Besprechung der Enquête in der Kammer stellte es sich heraus, daß das Ministerium noch eine eigene Presse zur Verfügung hat, eine Art Correspondenz-Bureau, dem es seine geheimen Absichten mittheilt, welche dann auf der Stelle an alle Präfekten und Unterpräfekten in der Provinz befördert werden. Was waren diese geheimen Absichten des Ministeriums? Den Glauben in der Provinz zu unterhalten, als sei die Kammer Schuld an allen jetzigen Uebelständen, als wolle die Minorität in der Kammer eine Revolution hervorrufen. Conclusion: die Provinz muß auf jede mögliche Weise veranlassen, daß die Kammer auseinandergehe, daß eine neue Kammer zusammenkomme, und daß diese neue Kammer dann entscheide, wer von den 3 Erben die meisten Ansprüche habe.</p>
          <p>Der vom Siècle her bekannte Perrée, der frühere Freund Barrot's hat diese Anklage vorgebracht, und auf ein Mißtrauensvotum angetragen. &#x201E;Das Ministerium, sagt er, soll weder nach rechts, noch nach links hin aus der Versammlung heraustreten; es soll seinen Standpunkt mitten in der Versammlung festhalten; das Ministerium darf nicht in allen Gegenden des Landes zu Petitionen um Auflösung der Kammer auffordern.&#x201C; Mit diesen Petitionen nämlich hat es seit einiger Zeit eine eigene Bewandtniß. Während die Journale, die aus der ministeriellen Correspondenz ihre Leitartikel nehmen, die Kammer als eine Diktatur darstellen, mit der man unmöglich regieren könne, hat sich die der Kammer feindliche Partei angelegen sein lassen, ganze Folio-Bände von Unterschriften für Auflösung der Kammer zu sammeln. Die entgegengesetzte Partei sah sich ihrerseits natürlich genöthigt, auch Unterschriften zu sammeln, und da die Folio-Bände sich gegeneinander aufwiegen, so hat hier das allgemeine Stimmrecht, in Form von Petitionen ausgeübt, gänzlich seine Kraft verloren, und bringt weiter nichts zu Wege als eine fruchtlose Aufreibung.</p>
          <p>Doch zurück zur Hauptfrage. Diese Hauptfrage war die Enquête über den 29. Januar; und plötzlich entstand aus dieser Enquete eine Ministerfrage, und diese Ministerfrage ging wieder hervor aus der Kammerfrage, d. h. aus der Frage über das Fortbestehen der Kammer. Als nun aber die Kammerfrage in eine Ministerfrage umgeschlagen, da trat Barrot auf und suchte darzuthun, daß die Ministerfrage eine Präsidentenfrage und die Präsidentenfrage die Republikfrage nach sich ziehen könne. Unter den alten Institutionen, d. h. unter der Monarchie stand es der Kammer zu, ein Ministerium zu stürzen, wenn dieses Ministerium auch das Zutrauen des Monarchen hatte, denn der Monarch war unverantwortlich. Jetzt, wo der Präsident der Republik verantwortlich ist, ebensowohl wie das Ministerium, kann man nicht an das Ministerium rühren, ohne zugleich an den Präsidenten der Republik zu rühren. Wird nun dem Ministerium ein Mißtrauensvotum gegeben, und hat dieses verantwortliche Ministerium das Zutrauen des verantwortlichen Präsidenten der Republik, so geht dieses Mißtrauensvotum zurück bis auf den Präsidenten. Barrot hat Recht, und Napoleon hat nicht Unrecht, wenn er, auf seine 6 Millionen Stimmen pochend, sagt: die 6 Millionen Stimmen die sind mir, dem Louis Napoleon zugefallen, dem Louis Napoleon, wie er leibt und lebt und denkt. Und wenn dieser Louis Napoleon denkt, er kann nicht ohne Barrot fertig werden, so ist Barrot so gut wie Napoleon. Das Volk hat bei meiner Wahl, bei der Wahl Napoleon's, vorausgesetzt, daß Alles was ich, Napoleon, denke, gut gedacht ist. Also eine Kammerfrage ist eine Ministerfrage, eine Ministerfrage ist eine Napoleonfrage, eine Napoleonfrage ist eine Republikfrage und eine Republikfrage läuft wieder am Ende darauf hinaus, durch neue Wahlen, durch die Berufung einer neuen Kammer, wie sie das Ministerium wünscht, entscheiden zu lassen, wer von den drei Erben der rechte, wer der rechtmäßige Erbe der Republik ist, wer Monarch, Kaiser oder Regent sein soll.</p>
          <p>Von welchem Standpunkte man auch die Sache ansehen mag, so lange man in der offiziellen Welt, in den Regionen der 3 Gewalten bleibt, kreuzen sich die Widersprüche von allen Seiten. Als im Februar die Republik proklamirt wurde, geschah es mit Akklamation; die Republik hatte das ganze Proletariat hinter sich, und von allen Seiten liefen Adressen und Beistimmungen aus der Provinz ein. Damals wagte man gar nicht die Voraussetzung zu machen, daß die zusammenkommende Kammer die Republik in Abrede stellen könnte, und sie wurde daher auch in der Kammer mit Akklamation angenommen. Als die Bourgeois-Partei des Nationals die demokratisch-soziale Republik dem Proletariat entrissen, erhob sich das Volk noch immer in den Wahlen zu Gunsten der Republik, indem es der Kammer und dem Cavaignac zum Trotz gegen Cavaignac und die Kammer stimmte und der demokratischen Propaganda einen Ausdruck, einen Namen, den Namen Napoleon gab. Napoleon sagten wir damals, war die Hinweisung auf das frühere Ueberströmen der Republik nach dem Auslande, und eine Protestation gegen die engen Schranken, innerhalb deren Cavaignac die Republik einzwängen wollte. Die Kammer war also bei ihrem Entstehen schon nicht der Ausdruck derjenigen Klasse, welche die Republik gemacht hatte; die damalige provisorische Regierung wollte oder konnte die Maßregeln nicht ergreifen, welche die Bauern in die Revolution geschleudert, und die Bourgeoisie an die Republik geschmiedet hätte. Starke Besteuerung der Hypotheken, statt der 45 Centimessteuer, die blos auf den nominellen Eigenthümer fielen, Schließung der Bank, Errichtung einer Staatsbank und neues Papiergeld vom Staate, d. h. von der provisorischen Regierung ausgestellt, welche das ganze Proletariat hinter sich hatte, &#x2014; hätte die Bourgeoisie von der Regierung abhängig gemacht, statt daß das von ihr geschlossene Anleihen die Regierung von der Bourgeoisie abhängig machte. Die Schilderhebung des Proletariats im Juni scheiterte, weil die im Februar gebrochene Macht der Bourgeoisie wieder Zeit hatte sich zu erholen und die Bourgeois-Kammer ihr alle Mittel dazu an die Hand bot.</p>
          <p>Der gleich Anfangs in der Kammer enthaltene Widerspruch bricht jetzt außerhalb der Kammer zum Vorschein. Der Präsident der Republik, der Präsident des Ministeriums und der Präsident der Kammer, die sich gegenseitig in Frage stellen, und die bei jeder Frage, welche sie auch sei, in Frage gestellt werden &#x2014; das ist die offizielle Welt der Republik. Will die Kammer konservativ-republikanisch bleiben, geräth sie mit Barrot in Streit und der royalistischen Partei, und Barrot verwickelt sie in Streit mit Napoleon: das Volk vom Februar und Juni tritt zwischen Barrot und die Kammer und ergreift Partei für Napoleon und die Kammer. Fordert das Volk vom Juni durch das Organ der Montagne Amnestie für die Juni-Insurgenten, als Belohnung für seinen Beistand gegen das Ministerium, so tritt die Kammer auf Seite des Ministeriums, und das Volk ruft: à bas Napoléon! Spricht Leon Faucher von Auflösung, so antwortet die Kammer: es lebe die Republik. Macht die royalistische Partei des Ministeriums durch Changarnier royalistische Demonstrationen, so schreit das Volk: es lebe Napoleon, nieder mit dem Ministerium. So werden Kammer, Präsident und Ministerium, als sich gegenseitig ausschließend und aufhebend, vom vereinigten Proletariate jetzt gebraucht wie Polichinelle, die man so lange sich gegenseitig raufen läßt, bis sie sammt und sonders als abgenutzt in die Rumpelkammer geworfen werden.</p>
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          <head><bibl><author>17</author></bibl> Paris, 6. Februar.</head>
          <p>Die Ränke der Legitimisten sind so dreist daß sie zweimal seit dem 1. Febr. Wagen mit weißgrünen Lakaien durch die Straßen fahren ließen; die Livrée der Bourbonen wird jedoch noch einmal roth gefärbt werden und dauerhafter als 93. &#x201E;Möge sich die Luchesi Palli, die sogenannte Herzogin Berry und Mama des schafköpfigen Herzog Bordeaux, alias Henri V., in Acht nehmen. Diese würdige Schwester des neapolitanischen Bombenkönigs wird noch einmal ihre elende Raçe in die Kampfbahn führen wollen, aber dann gute Nacht! Gift und Dolch, Pulverfaß und Höllenmaschine, Windbüchse und Vitriol in Spritzen, alle das menschliche Leben zerstörende chemische und mechanische Stoffe scheinen uns erlaubt wenn ein Volk sich seiner gekrönten Blutsauger und Schmeißfliegen entledigen will. Hat doch schon die letzte Nummer des &#x201E;Pensiero Italiano&#x201C; klar und bündig gesagt: &#x201E;&#x201E;Die Manen Robert Blum's werden gerächt werden, die Association des Todes wird manchen menschheitsfeindlichen Diplomaten, d. h. Volksverführer und Staatsbetrüger, wie den ruchlosen französischen Päbstling Rossi, über die Klinge springen lassen.&#x201C; (Citoyen de Dijon.) Die Infamieen der Justiz gegen die Junimärtyrer sind zahllos; der B. Viant, Kapitän der Nationalgarde zu Belleville (Banlieue) ist jetzt in seiner 49sten Haft angelangt; unter Schlägen und Fußstößen brachte man ihn auf die Verbrecherschiffe, ließ ihn dort 3 1/2 Monat liegen, trieb ihn zu Fuß dann, gekettet, nach Paris zurück vor das Kriegsgericht Nr. II. und wird ihn jetzt nächstens auf 5 Jahre in die unterirdischen Höhlen des Schlosses Doullens stecken. Leon Faucher, dieser anspeiungswürdige trockne Schleicher, hat zwar gestern in der Kammer sein schurkenartiges, zum Bürgerkampf gegen &#x201E;alle französische Demokraten&#x201C; aufrufendes Rundschreiben fallen lassen, und mit kreischend bebender Stimme peccavi gequält: aber er erläßt so eben den Befehl an die Regimentsmusikchöre die Marseillaise, das Girondistenlied und den chant du départ nicht mehr zu spielen; desgleichen chikanirt er die Bäckergesellen nach wie vor, hat Alton Schee, und Dameth den Chef der &#x201E;Solidarité&#x201C; (die rein ökonomisch) einstecken lassen. &#x201E;Wenn das Gehirn dieser Elenden den letzten Grad von Bestialität und Schuftigkeit erreicht haben wird, dann wird es auf unser Straßenpflaster spritzen,&#x201C; sagte gestern höhnisch lächelnd ein Klubist mit einer sehr bezeichnenden Pantomime.</p>
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          <head>Paris, 6. Februar.</head>
          <p>Die Nationalversammlung nahm gestern Abend die Oudinot'sche motivirte Tagesordnung nicht, wie wir anzeigten, mit 481 gegen 359 Stimmen an, sondern nur mit 416 gegen 359 Stimmen. Die Sekretäre begingen einen Schreibfehler, den der Moniteur heute berichtigt. Durch dieses Votum hat die Versammlung nur die &#x201E;Dringlichkeit&#x201C; einer parlamentarischen Untersuchung verworfen. Der Antrag geht jetzt seinen gewöhnlichen Reglementsweg. Damit ist die Untersuchung des Montagsspektakels keineswegs durchgefallen.</p>
          <p>&#x2014; Bugeaud ist bei der Alpenarmee eingetroffen. Auf seiner Durchreise in Bourges redete er die dortigen Offizierskorps der Bürgerwehr und Linie in so contrerevolutionärer Weise an, daß die Linke den Kriegsminister hierüber heute oder morgen zur Rede stellen wird. Auf diesen alten Narren zählt die Contrerevolution im mittäglichen Frankreich außerordentlich viel. Leute, die seine Verdienste genau kennen, bemitleiden den Süden, daß er seine föderalistischen Hoffnungen auf den Friedensschließer an der Taffna setzte.</p>
          <p>&#x2014; Heute findet die zweite Deliberation über den Antrag Rateau-Thiers rücksichtlich der Auflösung der Nationalversammlung statt. Keine Spur von Unordnung. Die Trommel begleitet einige Kompagnieen Bürgerwehr in die Mairie. Unnütze Vorsicht.</p>
          <p>&#x2014; Lanjuinais hat den Antrag gestellt: die Zahl der organischen Gesetze auf <hi rendition="#g">Drei</hi> zu reduziren: a) Wahlgesetz; b) Staatsrath; c) Verantwortlichkeit des Präsidenten etc. Mittelst dieses Antrags wollen Dufaure, Lamartine und die übrigen Koryphäen der parlamentarischen Opposition der Rateauschlacht ein versöhnliches Ende sichern. Auch Bonaparte unterstützt dieses Amendement heimlich.</p>
          <p>&#x2014; Oberst Forestier verklagt den Minister des Innern wegen willkürlicher Verhaftnahme. Die Morgenblätter bringen den Text verschiedener Dankesadressen, welche die Linke und andere Staatskörperschaften und Privatvereine an diesen Patrioten richteten. Er wurde in förmlichem Triumphe aus dem Gefängnisse in seine Wohnung geführt.</p>
          <p>&#x2014; Cavaignac hat, den Blättern aus Bourges zufolge, bereits Zimmer im Hotel des Postes für die Dauer des Maiprozesses gemiethet. Unter den Advokaten, welche die Gefangenen vertheidigen, nennt man auch Bac, Ledru-Rollin, Vignerte und selbst Jules Favre.</p>
          <p>&#x2014; Unter der Mobilgarde herrscht immer noch große Gährung; sie haßt den Changarnier aus tiefster Seele. Dieser nimmt daher alle Vorsichtsmaßregeln; unter Anderm gehört hieher, daß Mobilgarde und Linie verschiedene Parolen erhalten.</p>
          <p>&#x2014; Charles Thomas ist nach 13jähriger Mitarbeiterschaft des National, dessen Redakteur en chef er zuletzt war, von diesem Blatt abgetreten und Caylus, bisheriger Redakteur, wird seine Stelle vertreten.</p>
          <p>&#x2014; Die Polizei verhaftete einige Personen, die an ihren Hüten weiße Kokarden trugen.</p>
          <p>&#x2014; Die Kommission zur Prüfung des Enquête-Antrags wurde heute Mittag folgendermaßen gewählt:</p>
          <p>Für die Enquête: Antony Thourret, Alem Rousseau, Santeyra, Germain Sarrut, Demians, Frichon u. s. w.</p>
          <p>Gegen den Antrag: Luneau, Bauchart, Guyet Dubignier, Porion, Conti, Larochejaquelin, de Seze, Point und Abattucci.</p>
          <p>&#x2014; &#x201E;Le Credit&#x201C; kündigt ein Feuilleton unter dem Titel: &#x201E;Le Baron Paturot à la recherche de la meilleure des Monarchies par un Républicain du lendemain,&#x201C; an. Dasselbe soll eine derbe Satyre gegen den Marseiller Deputirten Louis Reybaud, Bruders des Verfassers der Faucher'schen Bülletins (beide enragirte Royalisten) sein, worin die Contrerevolution der Rue Duphot stark gegeißelt wird.</p>
          <p>&#x2014; Marrast schreibt an die Débats:</p>
          <p>&#x201E;Sonnabend den 3. Febr. Mein Herr! Man legt mir so eben einen Artikel Ihres Journals vor, in welchem Sie mich unter diejenigen Deputirten zählen, die für die <hi rendition="#g">Inbetrachtziehung</hi> der Anklage gegen das Ministerium stimmten. Ich gestehe Ihnen, daß mir bisher völlig unbewußt war: die Nationalversammlung habe jemals darüber abgestimmt, ob die Anklage gegen das Ministerium in Betracht zu ziehen sei oder nicht? Alles, worüber sie abstimmte, bestand in der Frage: ob die Anklage den Abtheilungen oder den Ausschüssen zur Begutachtung zu überreichen? Die Versammlung hat sie dem Justizausschuß überwiesen. Ich aber behaupte heute noch, daß für diese Frage kein Komité kompetent ist, und wenn diese Kompetenz- oder Prozedurfrage noch einmal zur Abstimmung gebracht wird, so würde ich stimmen, wie neulich. Mein Votum hat keine andere Absicht, keine andere Bedeutung und ich fühle mich überrascht, Ihnen eine solche Aufklärung geben zu müssen. Ich darf wohl von Ihrer Redlichkeit hoffen, daß sie dieser Erklärung dieselbe Oeffentlichkeit gestatten, mit der Sie meiner Zustimmung eine Deutung gaben, gegen die ich im Namen der Wahrheit protestire.&#x201C;</p>
          <p>&#x2014; Die Polizei gibt sich alle erdenkliche Mühe, ihre Behauptung von der Existenz einer kolossalen Kommunisten-Verschwörung am 29. Jan. durch Schriftstücke zu beweisen. In demselben Augenblicke, wo Faucher gestern Abend vor der Nationalversammlung förmliche Abbitte that und durch Oudinot's Mund Versöhnung predigte, überfielen die Carlier'schen Häscher die Bureaux der &#x201E;Solidarité Populaire&#x201C;, nahmen dort alle Papiere weg und schleppten den Direktor dieser rein ökonomischen Gesellschaft (welche die Einführung eines Umtausches aller Produkte unter dem Proletariat bezweckt), Namens Dameth &#x2014; den sanftesten Mann von der Welt &#x2014; in das Gefängniß. Kein Zweifel, daß auch er, gleich Forestier und den übrigen Opfern vom Montage, bald wieder freigelassen wird.</p>
          <p>&#x2014; Die Gazette de France erklärt: die National-Partei (Legitimisten) sei bereit, Hrn. Thiers das Oberkommando anzuvertrauen, wenn er die <hi rendition="#g">Erblichkeit</hi> anerkenne. Bravo!</p>
          <p>&#x2014; &#x201E;Peuple&#x201C; erläßt folgendes &#x201E;<hi rendition="#g">letztes Avis an die Arbeiter</hi>&#x201C;: &#x201E;Die honnetten Leute, welche sich zum Sturz der Republik verschworen, haben Durst nach republikanischem Blute; heute Montag soll das Drama stattfinden, von dem Ihr vor acht Tagen nur die Generalprobe aufführen sahet. Euer Benehmen am <ref type="link"><hi rendition="#b">(Siehe den Verfolg in der Beilage.)</hi></ref>                </p>
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</TEI>
[1189/0003] Wernher von Nierstein (der Reichstelegraph) hat sein Seitenstück gefunden. (Lebhaftes Zischen und Bravo rechts). Die Debatte wird geschlossen und namentliche Abstimmung vorbehalten. Der Berichterstatter Schubert spricht für den Ausschußantrag unter Beifall der Centren in aufgeblasener Professorenweisheit. Bei der Abstimmung wird Wiegards Antrag verworfen. Ebenso der von Osterrath. Der Ausschußantrag, den ich gestern gab, und der die Demarkationslinie genehmigt, wird hierauf in namentlicher Abstimmung mit 280 Stimmen gegen 124 angenommen und die Sitzung gegen 3 Uhr geschlossen. wird wohl nächstens aus strategischen Rücksichten mit Rußland vereinbar werde. Auf die Polen läßt sich die Geschichte jener zwei Mütter und des Königs Salomo anwenden; wie jene edle Mutte ihr Kind lieber ganz der Fremden hingeben als theilen lassen wollte, so wollen jetzt die Polensöhne lieber ihre Mutter ganz dem fremden deutschen Volke hinwerfen als zerfetzen lassen. Nur mangelt dem Vergleich, daß kein Salomo auf dem deutschen Throne sitzt. (Bravo! Bravo!) Wir wollen aber im Vertrauen auf den Gerechtigkeitssinn des deutschen Volkes dies Geschenk zurückweisen. Wiesner stimmt für Wigards Antrag: „Ueber den vorliegenden Bericht zur Tagesordnung zu gehen, und die definitive Feststellung der Demarkationslinie der Zeit vorzubehalten, wo es dem völkerrechtlichen Ausschuß möglich geworden, einen auf allseitige Erhebung aller Verhältnisse, namentlich auch auf Anhörung der polnischen Bevölkerung gestützten Bericht vorzulegen.“ Hierauf echauffirt sich Hr. Literat Wuttke (aus Leipzig) gegen diejenigen „Teutschen“ welche sich polnischer Interessen annehmen. Er paukt dabei furchtbar auf die Tribune und wird ausgelacht. Ungarn. Aus Ungarn, 1. Febr. Der 23. Januar war ein sehr ereignißvoller Tag für Ungarn. An demselben hat das ungarische Heer neuerdings unter Anführung des polnischen Obersten Klapka den östreichischen F. M. L. Schlick bis zur Vernichtung geschlagen, ihm fast alle Kanonen genommen und 2000 Mann zu Gefangenen gemacht. Die Trümmer der Schlick'schen Truppen haben sich gegen Kaschau geflüchtet, wo aber in diesem Augenblicke die Ungarn eingezogen sein sollen, indem die kaiserliche Post keine Brücken bis Kaschau fand und nach 3 Tagen vergeblichen Bemühens zurückgekehrt ist, überall nur auf zu Paaren getriebene Kaiserliche stoßend. Windischgrätz war am 23. ganz verschlagen, denn auch die Theiß-Armee der Ungarn hatte einen glänzenden Sieg über die Kaiserlichen bei Szolnok errungen. Diese verloren hier 3 Batterien mit aller Munition und sämmtliches Gepäck. Nach einem halbstündigen Kampfe wurden sie in die wildeste Flucht geschlagen; die Straße war aber unwegsam, der Straßenschmutz stieg bis zum Knie, die schwerfälligen Kürassiere wurden daher von den leichten ungarischen Husaren fast gänzlich aufgerieben oder gefangen. Die Straße von Szolnok bis Cegled war mit Leichen bedeckt. In Cegled war der Jubel der Einwohner ungeheuer, als die siegreichen Ungarn den fliehenden Kaiserlichen auf dem Fuße folgten. Sie überließen sich bis spät in die Nacht der ausgelassensten Freude. Die schönsten und vornehmsten Damen küßten in der patriotischen Extase die bluttriefenden Husaren und andere Krieger. Das italienische Bataillon vom Regiment „Zanini“ erhöhte das beispiellose Volksfest durch die den Italienern eigene Gabe der phantastischen Freude. Am 26sten rückte aber Windischgrätz selbst mit allen Truppen, die er unterdessen zusammenziehen konnte, wieder gegen Cegled vor. Die ungarische Armee nahm die Schlacht an und trieb die Kaiserlichen bis Monor vor sich her. In Pesth wurde am 27sten bereits Alles geräumt und zum völligen Rückzuge vorbereitet, als die unerwartete Nachricht eintraf, daß die ungarische Armee wieder, und zwar den Kaiserlichen unbemerkt, hinter die Theiß zurückgegangen sei. Sie wurde dazu dadurch bestimmt, daß unterdessen der Eisstoß von der Theiß abgegangen war, so daß sie diesen Strom nicht mehr hinter ihrem Rücken lassen durfte. Der Verlust der Kaiserlichen beträgt 20 Kanonen, worunter eine Rakettenbatterie, über 1800 Gefangene, worunter 400 Kürassiere, 700 Jäger, sämmtliche Munition und Bagage und mehrere Tausend Todte ohne die unzähligen Blessirten. — Nicht minder Wichtiges hat der polnische General Bem am 23. Januar vollbracht. Er ist nämlich an diesem Tage in Herrmannstadt eingezogen; am 26. hat er die Festung Carlsburg genommen und somit ganz Siebenbürgen für Ungarn und die Freiheit wiedererobert. In seinem Berichte an Kossuth sagt Bem, daß er mit 40,000 Mann aus Siebenbürgen in's Banat einziehen werde, wo er sich mit den andern ungarischen Truppen zu vereinigen gedenke, um so bald als möglich in Ofen und Pesth einzurücken. So viel vom Kriegsschauplatze als authentisch. — Noch unverbürgt ist die Einnahme der Arader Festung durch die Ungarn, ebenso die Nachricht, daß der berühmte polnische General Dembinski in Debreczin eingetroffen und den Oberfehl über sämmtliche ungarische Truppen erhalten hat. In Pesth herrscht jetzt die größte Begeisterung unter den Einwohnern und die kaiserlichen Offiziere müssen trotz des Belagerungszustandes die größten Schmähungen so wie die lautesten Wünsche für die baldige Rückkehr Kossuth's anhören. Die Besatzung ist jetzt so schwach, daß nicht einmal die Wachtposten bezogen werden können. Letztere wagen es daher nicht, mit den Einwohnern von Pesth anzubinden. An den Straßen-Ecken sind die schimpflichsten Karrikaturen auf Windischgrätz angeklebt, während die Bekanntmachungen in der Regel heruntergerissen werden. Das Bataillon vom italienischen Regiment Ceccopieri hat in Ofen erklärt, nicht weiter am Kampfe gegen die Ungarn Theil nehmen zu wollen; ein großer Theil desselben ist daher entwaffnet und in den Kasernen eingesperrt worden. Auf die Kunde von dem siegreichen Vordringen der ungarischen Theißarmee haben die bedeutende Stadt Kecskemet im Pesther Komitat und 17 Dörfer im Graner Komitat die Nationalfahne wieder aufgesteckt. Die Kaiserlichen müssen im Graner Komitat geschlagen worden sein, denn in aller Eile wurden gestern auf Dampfschiffen bedeutende Verstärkungen aus Ofen dorthin gesendet. (Br. Z.) Französische Republik. 12 Paris, 6. Febr. Jede Frage, was sie auch immer berühren mag, schlägt um in eine Minister-Kammer- oder Napoleonsfrage: d. h. es taucht keine einzige Frage mehr auf, die nicht auf der Stelle eine von den 3 Gewalten selbst in Frage stellt. Und dann ist's immer eine von diesen Gewalten, die über die andere entscheiden soll. Die Kammer soll entscheiden, ob das Ministerium, das Ministerium ob die Kammer, Napoleon ob das Ministerium bleiben soll. Und wer soll am Ende entscheiden, ob alle 3 bleiben sollen? Die Enquête ist keine bloße Enquête über das Ministerium; sie ist eine Enquête über alle bestehenden Gewalten. Aber dabei bleibt es noch nicht. Hinter jeder von diesen 3 Gewalten lauern 3 Erbschaften, die in 3 Erben ihren Ausdruck erhalten, als da sind 1) Napoleon der Kaiser, 2) Henri V., der ur-legitime König nebst der Orleanischen Raçe, die durch Besitznahme legal geworden und durch Besitzverlust legitime Ansprüche zu haben glauben darf, 3) die Orleanische Raçe theilt sich wieder ab in den Prinzen von Paris und den Prinzen von Joinville u. s. w. u. s. w. Bei der Besprechung der Enquête in der Kammer stellte es sich heraus, daß das Ministerium noch eine eigene Presse zur Verfügung hat, eine Art Correspondenz-Bureau, dem es seine geheimen Absichten mittheilt, welche dann auf der Stelle an alle Präfekten und Unterpräfekten in der Provinz befördert werden. Was waren diese geheimen Absichten des Ministeriums? Den Glauben in der Provinz zu unterhalten, als sei die Kammer Schuld an allen jetzigen Uebelständen, als wolle die Minorität in der Kammer eine Revolution hervorrufen. Conclusion: die Provinz muß auf jede mögliche Weise veranlassen, daß die Kammer auseinandergehe, daß eine neue Kammer zusammenkomme, und daß diese neue Kammer dann entscheide, wer von den 3 Erben die meisten Ansprüche habe. Der vom Siècle her bekannte Perrée, der frühere Freund Barrot's hat diese Anklage vorgebracht, und auf ein Mißtrauensvotum angetragen. „Das Ministerium, sagt er, soll weder nach rechts, noch nach links hin aus der Versammlung heraustreten; es soll seinen Standpunkt mitten in der Versammlung festhalten; das Ministerium darf nicht in allen Gegenden des Landes zu Petitionen um Auflösung der Kammer auffordern.“ Mit diesen Petitionen nämlich hat es seit einiger Zeit eine eigene Bewandtniß. Während die Journale, die aus der ministeriellen Correspondenz ihre Leitartikel nehmen, die Kammer als eine Diktatur darstellen, mit der man unmöglich regieren könne, hat sich die der Kammer feindliche Partei angelegen sein lassen, ganze Folio-Bände von Unterschriften für Auflösung der Kammer zu sammeln. Die entgegengesetzte Partei sah sich ihrerseits natürlich genöthigt, auch Unterschriften zu sammeln, und da die Folio-Bände sich gegeneinander aufwiegen, so hat hier das allgemeine Stimmrecht, in Form von Petitionen ausgeübt, gänzlich seine Kraft verloren, und bringt weiter nichts zu Wege als eine fruchtlose Aufreibung. Doch zurück zur Hauptfrage. Diese Hauptfrage war die Enquête über den 29. Januar; und plötzlich entstand aus dieser Enquete eine Ministerfrage, und diese Ministerfrage ging wieder hervor aus der Kammerfrage, d. h. aus der Frage über das Fortbestehen der Kammer. Als nun aber die Kammerfrage in eine Ministerfrage umgeschlagen, da trat Barrot auf und suchte darzuthun, daß die Ministerfrage eine Präsidentenfrage und die Präsidentenfrage die Republikfrage nach sich ziehen könne. Unter den alten Institutionen, d. h. unter der Monarchie stand es der Kammer zu, ein Ministerium zu stürzen, wenn dieses Ministerium auch das Zutrauen des Monarchen hatte, denn der Monarch war unverantwortlich. Jetzt, wo der Präsident der Republik verantwortlich ist, ebensowohl wie das Ministerium, kann man nicht an das Ministerium rühren, ohne zugleich an den Präsidenten der Republik zu rühren. Wird nun dem Ministerium ein Mißtrauensvotum gegeben, und hat dieses verantwortliche Ministerium das Zutrauen des verantwortlichen Präsidenten der Republik, so geht dieses Mißtrauensvotum zurück bis auf den Präsidenten. Barrot hat Recht, und Napoleon hat nicht Unrecht, wenn er, auf seine 6 Millionen Stimmen pochend, sagt: die 6 Millionen Stimmen die sind mir, dem Louis Napoleon zugefallen, dem Louis Napoleon, wie er leibt und lebt und denkt. Und wenn dieser Louis Napoleon denkt, er kann nicht ohne Barrot fertig werden, so ist Barrot so gut wie Napoleon. Das Volk hat bei meiner Wahl, bei der Wahl Napoleon's, vorausgesetzt, daß Alles was ich, Napoleon, denke, gut gedacht ist. Also eine Kammerfrage ist eine Ministerfrage, eine Ministerfrage ist eine Napoleonfrage, eine Napoleonfrage ist eine Republikfrage und eine Republikfrage läuft wieder am Ende darauf hinaus, durch neue Wahlen, durch die Berufung einer neuen Kammer, wie sie das Ministerium wünscht, entscheiden zu lassen, wer von den drei Erben der rechte, wer der rechtmäßige Erbe der Republik ist, wer Monarch, Kaiser oder Regent sein soll. Von welchem Standpunkte man auch die Sache ansehen mag, so lange man in der offiziellen Welt, in den Regionen der 3 Gewalten bleibt, kreuzen sich die Widersprüche von allen Seiten. Als im Februar die Republik proklamirt wurde, geschah es mit Akklamation; die Republik hatte das ganze Proletariat hinter sich, und von allen Seiten liefen Adressen und Beistimmungen aus der Provinz ein. Damals wagte man gar nicht die Voraussetzung zu machen, daß die zusammenkommende Kammer die Republik in Abrede stellen könnte, und sie wurde daher auch in der Kammer mit Akklamation angenommen. Als die Bourgeois-Partei des Nationals die demokratisch-soziale Republik dem Proletariat entrissen, erhob sich das Volk noch immer in den Wahlen zu Gunsten der Republik, indem es der Kammer und dem Cavaignac zum Trotz gegen Cavaignac und die Kammer stimmte und der demokratischen Propaganda einen Ausdruck, einen Namen, den Namen Napoleon gab. Napoleon sagten wir damals, war die Hinweisung auf das frühere Ueberströmen der Republik nach dem Auslande, und eine Protestation gegen die engen Schranken, innerhalb deren Cavaignac die Republik einzwängen wollte. Die Kammer war also bei ihrem Entstehen schon nicht der Ausdruck derjenigen Klasse, welche die Republik gemacht hatte; die damalige provisorische Regierung wollte oder konnte die Maßregeln nicht ergreifen, welche die Bauern in die Revolution geschleudert, und die Bourgeoisie an die Republik geschmiedet hätte. Starke Besteuerung der Hypotheken, statt der 45 Centimessteuer, die blos auf den nominellen Eigenthümer fielen, Schließung der Bank, Errichtung einer Staatsbank und neues Papiergeld vom Staate, d. h. von der provisorischen Regierung ausgestellt, welche das ganze Proletariat hinter sich hatte, — hätte die Bourgeoisie von der Regierung abhängig gemacht, statt daß das von ihr geschlossene Anleihen die Regierung von der Bourgeoisie abhängig machte. Die Schilderhebung des Proletariats im Juni scheiterte, weil die im Februar gebrochene Macht der Bourgeoisie wieder Zeit hatte sich zu erholen und die Bourgeois-Kammer ihr alle Mittel dazu an die Hand bot. Der gleich Anfangs in der Kammer enthaltene Widerspruch bricht jetzt außerhalb der Kammer zum Vorschein. Der Präsident der Republik, der Präsident des Ministeriums und der Präsident der Kammer, die sich gegenseitig in Frage stellen, und die bei jeder Frage, welche sie auch sei, in Frage gestellt werden — das ist die offizielle Welt der Republik. Will die Kammer konservativ-republikanisch bleiben, geräth sie mit Barrot in Streit und der royalistischen Partei, und Barrot verwickelt sie in Streit mit Napoleon: das Volk vom Februar und Juni tritt zwischen Barrot und die Kammer und ergreift Partei für Napoleon und die Kammer. Fordert das Volk vom Juni durch das Organ der Montagne Amnestie für die Juni-Insurgenten, als Belohnung für seinen Beistand gegen das Ministerium, so tritt die Kammer auf Seite des Ministeriums, und das Volk ruft: à bas Napoléon! Spricht Leon Faucher von Auflösung, so antwortet die Kammer: es lebe die Republik. Macht die royalistische Partei des Ministeriums durch Changarnier royalistische Demonstrationen, so schreit das Volk: es lebe Napoleon, nieder mit dem Ministerium. So werden Kammer, Präsident und Ministerium, als sich gegenseitig ausschließend und aufhebend, vom vereinigten Proletariate jetzt gebraucht wie Polichinelle, die man so lange sich gegenseitig raufen läßt, bis sie sammt und sonders als abgenutzt in die Rumpelkammer geworfen werden. 17 Paris, 6. Februar. Die Ränke der Legitimisten sind so dreist daß sie zweimal seit dem 1. Febr. Wagen mit weißgrünen Lakaien durch die Straßen fahren ließen; die Livrée der Bourbonen wird jedoch noch einmal roth gefärbt werden und dauerhafter als 93. „Möge sich die Luchesi Palli, die sogenannte Herzogin Berry und Mama des schafköpfigen Herzog Bordeaux, alias Henri V., in Acht nehmen. Diese würdige Schwester des neapolitanischen Bombenkönigs wird noch einmal ihre elende Raçe in die Kampfbahn führen wollen, aber dann gute Nacht! Gift und Dolch, Pulverfaß und Höllenmaschine, Windbüchse und Vitriol in Spritzen, alle das menschliche Leben zerstörende chemische und mechanische Stoffe scheinen uns erlaubt wenn ein Volk sich seiner gekrönten Blutsauger und Schmeißfliegen entledigen will. Hat doch schon die letzte Nummer des „Pensiero Italiano“ klar und bündig gesagt: „„Die Manen Robert Blum's werden gerächt werden, die Association des Todes wird manchen menschheitsfeindlichen Diplomaten, d. h. Volksverführer und Staatsbetrüger, wie den ruchlosen französischen Päbstling Rossi, über die Klinge springen lassen.“ (Citoyen de Dijon.) Die Infamieen der Justiz gegen die Junimärtyrer sind zahllos; der B. Viant, Kapitän der Nationalgarde zu Belleville (Banlieue) ist jetzt in seiner 49sten Haft angelangt; unter Schlägen und Fußstößen brachte man ihn auf die Verbrecherschiffe, ließ ihn dort 3 1/2 Monat liegen, trieb ihn zu Fuß dann, gekettet, nach Paris zurück vor das Kriegsgericht Nr. II. und wird ihn jetzt nächstens auf 5 Jahre in die unterirdischen Höhlen des Schlosses Doullens stecken. Leon Faucher, dieser anspeiungswürdige trockne Schleicher, hat zwar gestern in der Kammer sein schurkenartiges, zum Bürgerkampf gegen „alle französische Demokraten“ aufrufendes Rundschreiben fallen lassen, und mit kreischend bebender Stimme peccavi gequält: aber er erläßt so eben den Befehl an die Regimentsmusikchöre die Marseillaise, das Girondistenlied und den chant du départ nicht mehr zu spielen; desgleichen chikanirt er die Bäckergesellen nach wie vor, hat Alton Schee, und Dameth den Chef der „Solidarité“ (die rein ökonomisch) einstecken lassen. „Wenn das Gehirn dieser Elenden den letzten Grad von Bestialität und Schuftigkeit erreicht haben wird, dann wird es auf unser Straßenpflaster spritzen,“ sagte gestern höhnisch lächelnd ein Klubist mit einer sehr bezeichnenden Pantomime. Paris, 6. Februar. Die Nationalversammlung nahm gestern Abend die Oudinot'sche motivirte Tagesordnung nicht, wie wir anzeigten, mit 481 gegen 359 Stimmen an, sondern nur mit 416 gegen 359 Stimmen. Die Sekretäre begingen einen Schreibfehler, den der Moniteur heute berichtigt. Durch dieses Votum hat die Versammlung nur die „Dringlichkeit“ einer parlamentarischen Untersuchung verworfen. Der Antrag geht jetzt seinen gewöhnlichen Reglementsweg. Damit ist die Untersuchung des Montagsspektakels keineswegs durchgefallen. — Bugeaud ist bei der Alpenarmee eingetroffen. Auf seiner Durchreise in Bourges redete er die dortigen Offizierskorps der Bürgerwehr und Linie in so contrerevolutionärer Weise an, daß die Linke den Kriegsminister hierüber heute oder morgen zur Rede stellen wird. Auf diesen alten Narren zählt die Contrerevolution im mittäglichen Frankreich außerordentlich viel. Leute, die seine Verdienste genau kennen, bemitleiden den Süden, daß er seine föderalistischen Hoffnungen auf den Friedensschließer an der Taffna setzte. — Heute findet die zweite Deliberation über den Antrag Rateau-Thiers rücksichtlich der Auflösung der Nationalversammlung statt. Keine Spur von Unordnung. Die Trommel begleitet einige Kompagnieen Bürgerwehr in die Mairie. Unnütze Vorsicht. — Lanjuinais hat den Antrag gestellt: die Zahl der organischen Gesetze auf Drei zu reduziren: a) Wahlgesetz; b) Staatsrath; c) Verantwortlichkeit des Präsidenten etc. Mittelst dieses Antrags wollen Dufaure, Lamartine und die übrigen Koryphäen der parlamentarischen Opposition der Rateauschlacht ein versöhnliches Ende sichern. Auch Bonaparte unterstützt dieses Amendement heimlich. — Oberst Forestier verklagt den Minister des Innern wegen willkürlicher Verhaftnahme. Die Morgenblätter bringen den Text verschiedener Dankesadressen, welche die Linke und andere Staatskörperschaften und Privatvereine an diesen Patrioten richteten. Er wurde in förmlichem Triumphe aus dem Gefängnisse in seine Wohnung geführt. — Cavaignac hat, den Blättern aus Bourges zufolge, bereits Zimmer im Hotel des Postes für die Dauer des Maiprozesses gemiethet. Unter den Advokaten, welche die Gefangenen vertheidigen, nennt man auch Bac, Ledru-Rollin, Vignerte und selbst Jules Favre. — Unter der Mobilgarde herrscht immer noch große Gährung; sie haßt den Changarnier aus tiefster Seele. Dieser nimmt daher alle Vorsichtsmaßregeln; unter Anderm gehört hieher, daß Mobilgarde und Linie verschiedene Parolen erhalten. — Charles Thomas ist nach 13jähriger Mitarbeiterschaft des National, dessen Redakteur en chef er zuletzt war, von diesem Blatt abgetreten und Caylus, bisheriger Redakteur, wird seine Stelle vertreten. — Die Polizei verhaftete einige Personen, die an ihren Hüten weiße Kokarden trugen. — Die Kommission zur Prüfung des Enquête-Antrags wurde heute Mittag folgendermaßen gewählt: Für die Enquête: Antony Thourret, Alem Rousseau, Santeyra, Germain Sarrut, Demians, Frichon u. s. w. Gegen den Antrag: Luneau, Bauchart, Guyet Dubignier, Porion, Conti, Larochejaquelin, de Seze, Point und Abattucci. — „Le Credit“ kündigt ein Feuilleton unter dem Titel: „Le Baron Paturot à la recherche de la meilleure des Monarchies par un Républicain du lendemain,“ an. Dasselbe soll eine derbe Satyre gegen den Marseiller Deputirten Louis Reybaud, Bruders des Verfassers der Faucher'schen Bülletins (beide enragirte Royalisten) sein, worin die Contrerevolution der Rue Duphot stark gegeißelt wird. — Marrast schreibt an die Débats: „Sonnabend den 3. Febr. Mein Herr! Man legt mir so eben einen Artikel Ihres Journals vor, in welchem Sie mich unter diejenigen Deputirten zählen, die für die Inbetrachtziehung der Anklage gegen das Ministerium stimmten. Ich gestehe Ihnen, daß mir bisher völlig unbewußt war: die Nationalversammlung habe jemals darüber abgestimmt, ob die Anklage gegen das Ministerium in Betracht zu ziehen sei oder nicht? Alles, worüber sie abstimmte, bestand in der Frage: ob die Anklage den Abtheilungen oder den Ausschüssen zur Begutachtung zu überreichen? Die Versammlung hat sie dem Justizausschuß überwiesen. Ich aber behaupte heute noch, daß für diese Frage kein Komité kompetent ist, und wenn diese Kompetenz- oder Prozedurfrage noch einmal zur Abstimmung gebracht wird, so würde ich stimmen, wie neulich. Mein Votum hat keine andere Absicht, keine andere Bedeutung und ich fühle mich überrascht, Ihnen eine solche Aufklärung geben zu müssen. Ich darf wohl von Ihrer Redlichkeit hoffen, daß sie dieser Erklärung dieselbe Oeffentlichkeit gestatten, mit der Sie meiner Zustimmung eine Deutung gaben, gegen die ich im Namen der Wahrheit protestire.“ — Die Polizei gibt sich alle erdenkliche Mühe, ihre Behauptung von der Existenz einer kolossalen Kommunisten-Verschwörung am 29. Jan. durch Schriftstücke zu beweisen. In demselben Augenblicke, wo Faucher gestern Abend vor der Nationalversammlung förmliche Abbitte that und durch Oudinot's Mund Versöhnung predigte, überfielen die Carlier'schen Häscher die Bureaux der „Solidarité Populaire“, nahmen dort alle Papiere weg und schleppten den Direktor dieser rein ökonomischen Gesellschaft (welche die Einführung eines Umtausches aller Produkte unter dem Proletariat bezweckt), Namens Dameth — den sanftesten Mann von der Welt — in das Gefängniß. Kein Zweifel, daß auch er, gleich Forestier und den übrigen Opfern vom Montage, bald wieder freigelassen wird. — Die Gazette de France erklärt: die National-Partei (Legitimisten) sei bereit, Hrn. Thiers das Oberkommando anzuvertrauen, wenn er die Erblichkeit anerkenne. Bravo! — „Peuple“ erläßt folgendes „letztes Avis an die Arbeiter“: „Die honnetten Leute, welche sich zum Sturz der Republik verschworen, haben Durst nach republikanischem Blute; heute Montag soll das Drama stattfinden, von dem Ihr vor acht Tagen nur die Generalprobe aufführen sahet. Euer Benehmen am (Siehe den Verfolg in der Beilage.)

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Marx-Engels-Gesamtausgabe: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-20T13:08:10Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML (2017-03-20T13:08:10Z)
Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat (2017-03-20T13:08:10Z)

Weitere Informationen:

Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 217. Köln, 9. Februar 1849, S. 1189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz217_1849/3>, abgerufen am 24.04.2024.