Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Neue Rheinische Zeitung. Nr. 171. Köln, 17. Dezember 1848.

Bild:
<< vorherige Seite

taler Satan, ein verliebter Nero, so daß Sie Ihre fallende Gegnerin mit den Armen auffangen, und sie emporrichten, sie maßlos erstaunend durch Ihre Ueberlegenheit, und zum Danke rührend durch Ihre unbeschreibliche Galanterie. Seien Sie versichert, Ritter, durch ein solches Spiel werden Sie die Herzogin durchaus gewinnen -- sie wird alle Ihre Schulden bezahlen -- --"

""Und den andern Weg?"" fragte der Ritter, indem er sich aufmerksamer emporrichtete.

"Nun, der ist bei weitem einfacher, vielleicht zu einfach, als daß Sie sicher und gewiß damit zum Ziele kommen. So weit ich Sie zu beurtheilen verstehe, werden Sie die Rolle eines Roue's besser spielen können, als die eines Gimpels; die zweite Manier, die Herzogin zu erobern, besteht nämlich wie gesagt darin, daß Sie eben als harmloser, unerfahrener Jüngling auftreten um die Herzogin durch Ihre Naivetät zu besiegen, durch das Reizende einer unerhörten Unbefangenheit, durch eine bis zum Exzeß getriebene Heuchelei der tugendhaftesten, uneigennützigsten Liebe. Sie wissen, in welcher Verlegenheit sich die Herzogin befindet, wie sie alle Ressourcen des Vergnügens erschöpft hat, wie sie längst von ihren erträglichsten Anbetern im Stich gelassen wurde -- -- Sie wissen Alles. Jede neue Aventüre würde ihr willkommen sein, aber schwärmen, schwärmen wie früher, würde sie nur für den, der den Frühling des Lebens wieder in ihr Alter hineinzauberte, der durch die jugendlichste Hingebung, wenn auch nicht das Reelle eines jugendlichen Umgangs, so doch wenigstens die Erinnerung an die Lust der Vergangenheit bei ihr heraufbeschwöre, um sie auf diese Weise das durchlebte scheinbar aufs Neue erleben zu lassen. Brächten Sie diese Täuschung bei der Herzogin zu Wege, so glaube ich, daß sie wahnsinnig vor Freude würde. Die Herzogin würde nicht nur Ihre Schulden bezahlen, nein, sie würde ihre Schlösser in Brand stecken, und ihre Diamanten in's Meer werfen, wenn Sie es wünschten; Alles, Alles würde sie Ihnen zu Gefallen thun -- wählen Sie, lieber Ritter!"

""Ich wähle das Letztere!"" rief der Ritter, indem er das eben gefaßte Krystallglas zu tausend Scherben an die nächste Wand schleuderte und seinen blonden Freund so stürmisch umarmte, daß der unglückliche Graf wie von dem Stich einer Tarantel laut schreiend zusammen fuhr. ""Ich wähle das Letztere! Mein Plan ist gefaßt!""

Arm in Arm wandelten Graf und Ritter über den Teppich des weiten Gemaches.

Herr von Schnapphahnski -- denn Niemand anders war der schwarzgelockte Gast des blonden Grafen -- war jetzt in demselben Falle wie unser Berliner Professor: es stand ihm etwas sehr Außerordentliches bevor. Nichts hätte ihn mehr aufregen können, als das bevorstehende Zusammentreffen mit der Herzogin von S. Die bösen Geister der Vergangenheit zankten sich in seinem Innern mit der Hoffnung eines endlichen Triumphes. Alle Wunden, die ihm das Mißgeschick in Berlin, in Wien, in München und an zwanzig andern Orten schlug, sollte das Glück bei der Herzogin wieder gut machen. Nach wochenlanger Niedergeschlagenheit fühlte er auf's Neue alle seine Muskeln und Nerven in fieberhafter Bewegung. Er war endlich wieder der alte Schnapphahnski, er war wieder ein schöner Mann vom Scheitel bis zur Zehe, doppelt schön, weil er etwas wagte -- er glich einem Spieler, der nach tausend Verlusten, aus seiner Lethargie erwacht und die letzte Goldrolle hohnlachend auf den grünen Tisch wirft.

""Machen Sie die Herzogin, ich werde den jugendlichen Verliebten spielen!"" rief der erfindungsreiche Ritter, indem er plötzlich im Gehen inne hielt, den Arm des Freundes fahren ließ und sich mit der zierlichsten Verbeugung vor den Grafen pflanzte. ""Ich weiß nicht mehr recht, wie ich mich seiner Zeit als brauner Husar in O. in Schlesien betragen habe. Ich muß mich einmal darin üben. Damals war ich wirklich ein harmloser Junge, ein schönes Kind, und alle alten Damen wollten mich auf den Schooß nehmen mit Stiefeln und Sporen, um mich zu küssen. Wenn ich vor der Herzogin nur halb so naiv erscheine, wie einst vor der Gräfin S., da haben wir gewonnenes Spiel und ich versetze meiner Dulcinea in einem einzigen Jahre, die Hälfte ihrer Waldungen -- alle meine Schafe werden enthypothecirt.""

Der Ritter riß die Decke von dem nächsten Tisch und hing sie nolens volens über die Schulter des Grafen. -- Uhr und Vasen rollten auf den Boden.

""Drapiren Sie Ihre Reize so hübsch als möglich mit diesem Lappen! Sie sind die Herzogin, ich bin der sechszehnjährige Schnapphahnski!""

Ritter und Graf standen einander gegenüber.

""Gnädige Frau -- --"" begann der Ritter.

"Ach, guten Tag, Herr Ritter!" erwiederte der Graf.

""Gnädige Frau, in tiefer Demuth beuge ich mich vor Ihrer welthistorischen Persönlichkeit.""

"Es freut mich von Herzen, Sie kennen zu lernen, Herr Ritter -- ich habe schon viele lose Streiche von Ihnen gehört."

""Halten Sie die losen Streiche meiner Jugend zu gut, aber seien Sie versichert, gnädige Frau, daß ich nur dem Ideale entgegenstrebe, welches mir in diesem wichtigen Momente vor Augen schwebt.""

"Sie haben Ihre Laufbahn jedenfalls früh begonnen; schon als brauner Husar in O. in Schlesien, parodirten Sie die Iliade mit so viel Glück, daß die Bauern des Gebirges bereits eine Sage aus Ihnen gemacht haben."

""Allerdings, gnädige Frau! Ich hatte gehört, daß Sie, kaum verheirathet, schon den Kosacken hinten auf's Pferd sprangen -- ich glaubte in der Romantik nicht hinter Ihnen zurückbleiben zu dürfen. Ihr Bild wollte nicht aus des feurigen Knaben Gedächtniß.""

"Und in Troppau hatten Sie dann Ihr famoses Duell: die Säbel schwirrten und der Ruf des jungen Helden verbreitete sich durch alle Lande."

""In demselben Lebensjahre war es, wo Sie sich, gnädige Frau, zum ersten Male mit Ihrem Gemahl so eklatant brouillir-

[Deutschland]

[Fortsetzung] stimmigen Beschluß, daß gesetzliche energische Schritte geschehen müßten, wählte jene Versammlung eine Kommission, um die in Masse vorgebrachten Klagepunkte vor die Behörden zu bringen und auf Wechsel in der Person des Bürgermeisters zu dringen! Ein vereinzeltes ungehöriges Vorkommniß, nämlich ein inzwischen in's Haus des Bürgermeisters geschehener Schuß, wurde von diesem nun -- durchaus mit Unwahrheit -- als mit der Versammlung in Verbindung stehend -- benützt. Auf seine Angaben hin erhielten wir am 9. d. M. 70 Soldaten und sind seitdem -- unseres mißliebigen Bürgermeisters wegen -- in Belagerungszustand versetzt! Augenblicklich eingeleitete Schritte bei Landrath und Regierung hatten Versprechungen -- jedoch keine Beseitigung zur Folge.

So ist es der k. preuß. Macht denn am 14. d. Mts. auch hier gelungen -- zwei schlichte Bauersleute -- hier ansässig und begütert -- aber Feinde des Bürgermeisters -- zu verhaften und als gemeine Verbrecher geschlossen bei Aufbietung unserer gesammten Garnison unter Eskorte von fünf Dragonern nach Bonn abzuführen.

Unser gewaltiger Herr Bürgermeister sorgt derart, daß er, Seine Gnaden, ruhig schlafen können.

Dazu mußte er eine Aufregung in unserer Gemeinde vorgeben, welche darin gar nicht -- wohl aber im Hirn des in Zorn gerathen Greises existirt.

Es ist leicht begreiflich, daß er die Bürger, welche in jener Versammlung am meisten gesprochen, dafür mit Einquartirung am besten bedacht hat.

24 Gütersloh, 13. Dezember.

Hurrah, die Todten reiten schnell! Das Gespennst der Reaktion jagt jetzt am hellen Tage umher, suchend, wen es verschlinge, so daß die preußische Freiheit nachgerade immer unheimlicher wird. Sogar die rothe Erde, von jeher eine treue Anhängerin der Monarchie -- natürlich die rothe nicht ausgenommen -- wird von dem Spuck heimgesucht. Die wilde Jagd geht auf die Hauptabgeordneten der westphälischen Vereine vom Kongreß zu Münster für die Sache und Rechte der preußischen National-Versammlung und des preußischen Volkes. Die theilweise recht entschiedenen Beschlüsse haben zwar in der Wirklichkeit zu Nichts geführt. Aber darum ja gerade, non quia, sondern quia non. Nach dem siegreichen Feldzuge der Reaktion im Sommer und Herbst kommen die gemüthlichen Wintervergnügungen derselben: Criminaluntersuchungen, Verhaftungen, polizeiliche und gefängliche Plackereien. Welche wonnevolle Aussicht! wie mannigfaltig! welch ein Vergnügen, eine Theilnahme bei allen Duckern und Muckern!

Aber wie konnte man auch so frech sein, sich der National-Versammlung offen anzuschließen, sich offen als Feind des Ministeriums Brandenburg-Manteuffel zu erklären? Dus ist Hochverrath, Unternehmen zur Umwälzung der Staatsverfassung, und nach dem Landrecht mit schreckhaftester Leibes- und Lebensstrafe zu richten. Heran also, ihr Evinnyen und Schrecken des heimlichen Gerichts: der Criminaluntersuchung, Verhaftung.

So wurde hier vorgestern auch der Justizrath Groneweg nach Münster zur Untersuchungshaft geführt, einer der tüchtigsten Männer Westphalens. Warum? Weil er am ersten Tage den Vorsitz jenes Kongresses geführt (länger ist er überhaupt nicht dagewesen); obgleich Nichts beschlossen wurde, als was damals tausende von Adressen aussprachen: die Nationalversammlung sei für den Augenblick in Preußen die allein gesetzliche und gesetzlich handelnde Behörde. -- Ja, unser Landrecht und altes Gerichtsverfahren ist ein wahrer Schatz für die Reaktion, den sie sorgfältig bewacht und sehr profitabel anwendet. Es lebe das Landrecht und die neue "gesetzliche Freiheit," und hütet euch vor Missethat und lobpreiset das Ministerium Brandenburg-Manteuffel. So seid Ihr der Kamarilla angenehm und vor Einsperren gesichert.

Minden, 7. Dezember.

Unter diesem Datum berichtet die "Kreuzritterin:"

"Ein Jugendlehrer des Kreises Bielefeld hat es gewagt, einen Brief an einen Bauer zu schicken, in dem es heißt: "Wofür haben unsere Väter 13 und 15 geblutet? Für schurkische Fürsten und andere Herren, damit sie wieder in gewohnter Weise schwelgen, dem Volke das letzte Mark aus den Knochen saugen konnten. Sie haben es redlich gethan! Rasend sollte man werden -- was sage ich, "rasend?" -- blutige Thränen sollte man weinen, wenn man sieht, wie das Recht des Volkes so mit Füßen getreten wird, wie das jetzt vom Könige und seinen landesverrätherischen Ministern geschieht."

68 Berlin, 14. Dezember.

Aus guter Quelle wird uns versichert, daß das nächstens zu erwartende ministerielle Wahlreglement, den vieldeutigen Ausdruck des Art. 67 der Verfassung: "jeder selbstständige Preuße" in derselben Weise interpretiren werde, als es das sächsische Ministerium gethan, nämlich: ein Jeder der eigene Wohnung und Wirthschaft besitzt. Diese Interpretation ist namentlich in allen großen Städten, wo sehr viele junge und ledige Leute theils in meublirten Zimmern theils in Schlafstellen u. s. w. wohnen, eine die Anzahl der Urwähler sehr beschränkende. Sie schließt fast sämmtliche Handlungsdiener, Arbeiter, Gesellen, Literaten u. dgl. m. von der Theilnahme an den Urwahlen aus. Gerade der jüngere strebsame Theil der Bevölkerung verlöre durch diese Bestimmung jedes Wahlrecht. Sie wäre also ein offenbarer Rückschritt gegen das Wahlgesetz vom 8. April.

Nach dem abermaligen Verbote der Zeitungshalle hatten die Eigenthümer derselben natürlich an General Wrangel ein Gesuch gerichtet, worin dieselben anführten, daß nicht bloß ihr eigenes materielles Interesse, sondern auch die ganze Existenz zahlreicher Arbeiterfamilien durch das abermalige Verbot des Blattes gefährdet werde. Einen ähnlichen Schritt hatten die Setzer und Drucker des Blattes selbst bei Wrangel gethan. Letztere wurden ganz einfach an die Redaction gewiesen. Erstere aber erhielten gestern ein Schreiben vom "Oberbefehlshaber der Truppen in den Marken", worin das Verbot festgehalten ward. Wir entlehnen demselben folgende characteristische Stellen: "Ihre Pflicht war es, den durch die Nothwendigkeit der Zeitverhältnisse gebotenen Beschränkungen der freien Presse genau nachzukommen." Ferner erklärt das Wrangel'sche Schreiben, die Redaction habe das in sie gesetzte Vertrauen "schwer verletzt", indem sie in Nr. 265 einen Aufsatz "des frühern Abgeordneten Jung" aufgenommen, "welcher vollkommen geeignet ist, die glücklich begonnene Herstellung der öffentlichen Ruhe und des Vertrauens zur Regierung gänzlich zu zerstören." Der Oberbefehlshaber der Marken scheint also über die Stellung eines oppositionellen Parteiorgans zur Regierung seltsame Ansichten zu haben!

Einer Notiz der heutigen Spener'schen Zeitung des Inhalts, es sei von dem Obergericht zu Natibor, als Collegium, ein sehr energischer Protest gegen das Wiedereintreten des Oberlandesgerichts-Vicepräsidenten von Kirchmann in das genannte Collegium beim Staatsministerium eingegangen, können wir folgende faktische Berichtigung entgegensetzen. Nicht das Oberlandesgericht als Collegium sondern nur viele Mitglieder desselben haben sich gegen das Wiedereintreten des Herrn v. Kirchmann in einer Mißtrauensadresse an denselben und in einer gleichzeitigen Eingabe an das Justizministerium ausgesprochen, andere Mitglieder desselben Gerichts dagegen haben einen Gegenprotest behufs der Veröffentlichung an hiesige demokratische Organe geschickt, worin sie den Wiedereintritt Kirchmann's entschieden fordern, und zwar schon aus dem Grunde, weil der Richterstand mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln für die Wahrung des Prinzips kämpfen müsse, daß kein Richter wegen seiner politischen Ansichten aus seinem Amte entfernt werden könne. --

Eben so entschieden können wir eine andere Nachricht des eben genannten Blattes als unwahr bezeichnen: Die Räthe des rheinischen Nevisions- und Cassationshofes haben gegen Esser's Wiedereintreten keineswegs protestirt, vielmehr haben sowohl Esser als Daniels, auf Einberufung des Präsidenten, ihre Thätigkeit wieder begonnen.

Berlin, 12. Dezember.

Der Artikel 57 der neuen octroyirten Verfassung nimmt außer einer Civilliste von 2 [unleserliches Material]/2 Million jährlich auch das sogenannte Kronfideicommiß als Privateigenthum für den König in Anspruch. Es wird daher nöthig sein, die Entstehungsgeschichte des sogenannten Kronfideicommisses genau zu erforschen, damit die Wähler, wenn sich etwa aus Versehen unter diesen "Krongütern" Staatseigenthum befinden sollte, es ihren neuen Abgeordneten strenge zur Pflicht machen, dieses zurückzufordern. Wir fragen daher hierdurch öffentlich die von dem ehemaligen vereinigten Landtag zur Ueberwachung der Tilgung der Staatsschuld gewählte Kommission, nämlich die Herren Grabow, von Brodowski, Diergardt, von Olvers, Graf Zech-Burkesrode, Prinz zu Hohenlohe-Ingelfingen, Graf Schwerin und Sperling, welche geschworen haben, treue Wächter zu sein, wie es sich mit den von ihnen gestellten Bedenken und Erinnerungen gegen die Verwaltung der Staatsschuld verhält, namentlich, ob folgende Behauptungen in der That wahr sind:

1) daß von der Contribution, welche Frankreich gezahlt hat, um das preußische Volk für, dem französischen Heere gemachte, Lieferungen zu entschädigen, 7 Millionen Thaler, theils zur Tilgung von Schulden, die auf den Kronfideicommißgütern hafteten, theils zum Ankauf von neuen Kronfideicommißgütern verwendet worden seien;
2) daß die Zinsen der statt ausgegebener Kassenanweisungen niedergelegten Staatsschuldscheine vermittelst eines künstlichen Manövers nicht in die Staatskasse, sondern in die Privatkassen gewisser Personen in sehr hohen Regionen geflossen seien.

Wir erwarten von der Ehrenhaftigkeit und Pflichttreue der genannten Herren, daß sie diese Fragen öffentlich beantworten werden.

Der demokratische Ausschuß zur Ueberwachung der Verwendung öffentlicher Gelder.

* Berlin, 14. Dezember.

Auf das Gesuch einiger Bürger um Erlaubniß von Bürgerversammlungen, behufs Wahl von Abgeordneten zum Bürgerwehrkongreß in Breslau hat der Polizeipräsident geantwortet:

"Der Herr General v. Wrangel Excellenz hat Ew. Wohlgeboren Vorstellung vom gestrigen Tage wegen Gestattung von Versammlungen der früheren hiesigen Bürgerwehr-Mitglieder, Behufs der Beschickung des allgemeinen Bürgerwehr-Kongresses zu Breslau, dem Polizeipräsidium mit dem Auftrage zugehen lassen, Sie auf Ihr Gesuch abschläglich zu bescheiden. Das Polizei-Präsidium entledigt sich dieses Auftrags mit dem Bemerken, daß sonach Versammlungen der gedachten Art nicht abgehalten werden dürfen."

Berlin, den 5. Dezember 1848.

Königl. Polizei-Präsidium. von Hinckeldey.

Das Faroritblättchen der Brandenburg-Manteufel und Konsorten, die edle "Kreuzritterin" mit "Gott für König und Junkerschaft" enthält ein Artikelchen, das den Geist der siegreichen Kamarilla zu trefflich charakterisirt, als daß wir es den Lesern vorenthalten sollten. Das Artikelchen lautet:

"Herr Bornemann ist am vergangenen Dienstag plötzlich in der Sitzung des betreffenden Senats des Geheimen Ober Tribunalä erschienen und hat ohne Weiteres von dem Präsidentenstuhl Besitz genommen. Die Räthe sollen im höchsten Grade überrascht ja entrüstet über dies Verfahren gewesen sein, haben aber dennoch sich diesem Vorsitz -- wenigstens in dieser Sitzung -- gefügt. Man ist höchst gespannt auf den weiteren Verlauf dieser Sache, und erwartet um so mehr ein dem hohen Berufe dieses ehrwürdigen Gerichtshofes würdiges Verhalten, als die Oberlandesgerichte zu Natibor, Bromberg und Münster -- wie auf das Bestimmteste versichert werden kann -- Se. Majestät den König in den stärksten Ausdrücken gebeten haben, sie vor der Schmach bewahren zu wollen, unter dem Vorsitz der Herren v. Kirchmann, Gierke und Temme dienen zu müssen. Es wäre in der That eine schärfere und beißendere Ironie auf die sonst so hochgeachtete preußische Justiz nicht denkbar, als wenn dergleichen Menschen, an deren Namen für immer das reine Gegentheil aller Achtung und alles Gehorsams vor Recht und Gesetz gebunden ist, in der Reihe preußischer Gerichtspräsidenten geduldet würden. Von den Herren Waldeck, Jung und allen radikalen Assessoren und Referendarien wollen wir hierbei gar nicht einmal reden, wiewohl die Säuberung nicht nur des Präsidenten- sondern auch des Richterstandes überhaupt von gefährlichen Verbrechern offenbar eine Hauptaufgabe der Regierung sein muß."

68 Breslau, 14. Dezember.

Gegen den hiesigen Arzt, Dr. Borchardt, der, wie dieser Tage gemeldet, wegen Verleitung zum Hochverrath zu 12 Jahren Festung verurtheilt worden, ist heute, da er sich geflüchtet, der Steckbrief erschienen.

Morgen um 9 Uhr Vormittags wird der preußische Bürgerwehr-Kongreß im Saale "zum deutschen Kaiser" eröffnet werden.

118 Paderborn, 13. Dez.

Am Montag den 11. wurde hierselbst der O.-L.-G.-Ref. Löher, Redakteur der Westf. Ztg. verhaftet. So viel man bis jetzt erfahren, ist er des Hochverraths angeklagt, weil er als Deputirter auf dem am 18., 19. u. 20. November in Münster abgehaltenen Kongresse für hochverrätherische Maßregeln gestimmt und gesprochen habe. Die Verhaftung dieses immer so gemäßigt auftretenden Mannes, brachte eine ungeheure Aufregung hervor, so daß man für den Abend besorgt wurde. In der Sitzung des Volksvereins, welche wie gewöhnlich am Montage stattfand, bemühten sich mehre Redner, das aufgeregte Volk zu beschwichtigen, es wurde auch ein Schreiben des Verhafteten vorgelesen, worin er bat, keine ungesetzlichen Schritte zu thun. Nachdem die Sitzung gegen 9 Uhr geschlossen war, zog eine Menge von 200-300 Personen vor das Inquisitorialsgebäude, brachte dem Gefangenen ein donnerndes Hoch und verlangte, ihn nochmal sprechen und Lebewohl sagen zu können. Es lag nicht in der Gewalt des hiesigen Richters, dieser Bitte zu willfahren, da der Verhaftsbefehl von dem Kriminal-Senat des Münster'schen Ober-Landesgerichts angeordnet war. Hätte jedoch der Herr Kriminal-Direktor Wichmann die Menge höflich und artig angeredet, statt, wozu noch gar kein Grund war, das Militär zu requiriren, so würde sich der Lärm verloren haben. Es kam ganz unerwartet eine Schwadron des hier garnisonirenden VI. Ulanen-Regiments mit gezogenem Pallasch angeritten und machten im scharfen Trabe eine Attaque. Mehrere brutale Unteroffiziere und Gemeine hieben in ihrem ungeheurem Diensteifer, der von den Offizieren gehörig angefeuert war, auf einzelne Personen, die an der Seite der Häuser standen, und namentlich auf die in den Nebenstraßen befindlichen Fensterscheiben ein, um so ihren Muth und ihre Todesverachtung durch die That zu beweisen. Es wurden in aller Eile einige Wagen quer über die Straßen gefahren, durch Feuerleitern, Bäume u. dgl. verbunden, und so anderweite Attaquen unmöglich gemacht, worauf das Militär in die Kaserne zurückzog. Späterhin bemühte sich dasselbe noch 2mal aus der Kaserne, um die abgesperrte Straße zu säubern. Die Menge hatte sich zum Theil verlaufen, und der Rest verhielt sich ruhig. Das waren die heroischen Thaten, die in Paderborns Mauern vorfielen und stets im Andenken bleiben werden.

121 Wien, 9. Dez.

Wenn ich die Feder fasse, Ihnen zu schreiben, so kann ich's nur, indem ich mich überwinde. Wer könnte in einer Höhle gemeiner Schlingpflanzen, wiederkäuender Thiere und mordsüchtiger Bestien auch aufgeräumten Sinnes sein! -- Der Drache Python hat gestern und vorgestern wiederum zwei Menschenopfer verschlungen; das längere Fasten schien ihn abzumagern, und er schrie: "Blut! Blut!" Ein Ungar und ein Gardist wurden darauf erschossen; hinterher fand man es für gut, bekannt zu machen, sie hätten Waffen verborgen gehalten. Es ist kein wahres Wort daran. Aber man darf nicht glauben, daß keine Veranlassung mehr vorhanden, das Standrecht fortbestehen zu lassen. Darum hat man auch das Gerücht verbreitet, entschlossene Männer aus Sachsen seien nach Wien gekommen, um Python zu erlegen. Seien Sie versichert, nach einigen Tagen wird man einige Fremde -- schon der Name macht vogelfrei -- erschossen haben. Schon gestern sind unter dem Titel Fremde 60 Personen, deren einziges Verbrechen es gewesen, fremde Deutsche zu sein, auf dem Schub und unter Brutalitäten von hier fortgeschafft worden. Die 10

taler Satan, ein verliebter Nero, so daß Sie Ihre fallende Gegnerin mit den Armen auffangen, und sie emporrichten, sie maßlos erstaunend durch Ihre Ueberlegenheit, und zum Danke rührend durch Ihre unbeschreibliche Galanterie. Seien Sie versichert, Ritter, durch ein solches Spiel werden Sie die Herzogin durchaus gewinnen — sie wird alle Ihre Schulden bezahlen — —“

„„Und den andern Weg?““ fragte der Ritter, indem er sich aufmerksamer emporrichtete.

„Nun, der ist bei weitem einfacher, vielleicht zu einfach, als daß Sie sicher und gewiß damit zum Ziele kommen. So weit ich Sie zu beurtheilen verstehe, werden Sie die Rolle eines Roué's besser spielen können, als die eines Gimpels; die zweite Manier, die Herzogin zu erobern, besteht nämlich wie gesagt darin, daß Sie eben als harmloser, unerfahrener Jüngling auftreten um die Herzogin durch Ihre Naivetät zu besiegen, durch das Reizende einer unerhörten Unbefangenheit, durch eine bis zum Exzeß getriebene Heuchelei der tugendhaftesten, uneigennützigsten Liebe. Sie wissen, in welcher Verlegenheit sich die Herzogin befindet, wie sie alle Ressourcen des Vergnügens erschöpft hat, wie sie längst von ihren erträglichsten Anbetern im Stich gelassen wurde — — Sie wissen Alles. Jede neue Aventüre würde ihr willkommen sein, aber schwärmen, schwärmen wie früher, würde sie nur für den, der den Frühling des Lebens wieder in ihr Alter hineinzauberte, der durch die jugendlichste Hingebung, wenn auch nicht das Reelle eines jugendlichen Umgangs, so doch wenigstens die Erinnerung an die Lust der Vergangenheit bei ihr heraufbeschwöre, um sie auf diese Weise das durchlebte scheinbar aufs Neue erleben zu lassen. Brächten Sie diese Täuschung bei der Herzogin zu Wege, so glaube ich, daß sie wahnsinnig vor Freude würde. Die Herzogin würde nicht nur Ihre Schulden bezahlen, nein, sie würde ihre Schlösser in Brand stecken, und ihre Diamanten in's Meer werfen, wenn Sie es wünschten; Alles, Alles würde sie Ihnen zu Gefallen thun — wählen Sie, lieber Ritter!“

„„Ich wähle das Letztere!““ rief der Ritter, indem er das eben gefaßte Krystallglas zu tausend Scherben an die nächste Wand schleuderte und seinen blonden Freund so stürmisch umarmte, daß der unglückliche Graf wie von dem Stich einer Tarantel laut schreiend zusammen fuhr. „„Ich wähle das Letztere! Mein Plan ist gefaßt!““

Arm in Arm wandelten Graf und Ritter über den Teppich des weiten Gemaches.

Herr von Schnapphahnski — denn Niemand anders war der schwarzgelockte Gast des blonden Grafen — war jetzt in demselben Falle wie unser Berliner Professor: es stand ihm etwas sehr Außerordentliches bevor. Nichts hätte ihn mehr aufregen können, als das bevorstehende Zusammentreffen mit der Herzogin von S. Die bösen Geister der Vergangenheit zankten sich in seinem Innern mit der Hoffnung eines endlichen Triumphes. Alle Wunden, die ihm das Mißgeschick in Berlin, in Wien, in München und an zwanzig andern Orten schlug, sollte das Glück bei der Herzogin wieder gut machen. Nach wochenlanger Niedergeschlagenheit fühlte er auf's Neue alle seine Muskeln und Nerven in fieberhafter Bewegung. Er war endlich wieder der alte Schnapphahnski, er war wieder ein schöner Mann vom Scheitel bis zur Zehe, doppelt schön, weil er etwas wagte — er glich einem Spieler, der nach tausend Verlusten, aus seiner Lethargie erwacht und die letzte Goldrolle hohnlachend auf den grünen Tisch wirft.

„„Machen Sie die Herzogin, ich werde den jugendlichen Verliebten spielen!““ rief der erfindungsreiche Ritter, indem er plötzlich im Gehen inne hielt, den Arm des Freundes fahren ließ und sich mit der zierlichsten Verbeugung vor den Grafen pflanzte. „„Ich weiß nicht mehr recht, wie ich mich seiner Zeit als brauner Husar in O. in Schlesien betragen habe. Ich muß mich einmal darin üben. Damals war ich wirklich ein harmloser Junge, ein schönes Kind, und alle alten Damen wollten mich auf den Schooß nehmen mit Stiefeln und Sporen, um mich zu küssen. Wenn ich vor der Herzogin nur halb so naiv erscheine, wie einst vor der Gräfin S., da haben wir gewonnenes Spiel und ich versetze meiner Dulcinea in einem einzigen Jahre, die Hälfte ihrer Waldungen — alle meine Schafe werden enthypothecirt.““

Der Ritter riß die Decke von dem nächsten Tisch und hing sie nolens volens über die Schulter des Grafen. — Uhr und Vasen rollten auf den Boden.

„„Drapiren Sie Ihre Reize so hübsch als möglich mit diesem Lappen! Sie sind die Herzogin, ich bin der sechszehnjährige Schnapphahnski!““

Ritter und Graf standen einander gegenüber.

„„Gnädige Frau — —““ begann der Ritter.

„Ach, guten Tag, Herr Ritter!“ erwiederte der Graf.

„„Gnädige Frau, in tiefer Demuth beuge ich mich vor Ihrer welthistorischen Persönlichkeit.““

„Es freut mich von Herzen, Sie kennen zu lernen, Herr Ritter — ich habe schon viele lose Streiche von Ihnen gehört.“

„„Halten Sie die losen Streiche meiner Jugend zu gut, aber seien Sie versichert, gnädige Frau, daß ich nur dem Ideale entgegenstrebe, welches mir in diesem wichtigen Momente vor Augen schwebt.““

„Sie haben Ihre Laufbahn jedenfalls früh begonnen; schon als brauner Husar in O. in Schlesien, parodirten Sie die Iliade mit so viel Glück, daß die Bauern des Gebirges bereits eine Sage aus Ihnen gemacht haben.“

„„Allerdings, gnädige Frau! Ich hatte gehört, daß Sie, kaum verheirathet, schon den Kosacken hinten auf's Pferd sprangen — ich glaubte in der Romantik nicht hinter Ihnen zurückbleiben zu dürfen. Ihr Bild wollte nicht aus des feurigen Knaben Gedächtniß.““

„Und in Troppau hatten Sie dann Ihr famoses Duell: die Säbel schwirrten und der Ruf des jungen Helden verbreitete sich durch alle Lande.“

„„In demselben Lebensjahre war es, wo Sie sich, gnädige Frau, zum ersten Male mit Ihrem Gemahl so eklatant brouillir-

[Deutschland]

[Fortsetzung] stimmigen Beschluß, daß gesetzliche energische Schritte geschehen müßten, wählte jene Versammlung eine Kommission, um die in Masse vorgebrachten Klagepunkte vor die Behörden zu bringen und auf Wechsel in der Person des Bürgermeisters zu dringen! Ein vereinzeltes ungehöriges Vorkommniß, nämlich ein inzwischen in's Haus des Bürgermeisters geschehener Schuß, wurde von diesem nun — durchaus mit Unwahrheit — als mit der Versammlung in Verbindung stehend — benützt. Auf seine Angaben hin erhielten wir am 9. d. M. 70 Soldaten und sind seitdem — unseres mißliebigen Bürgermeisters wegen — in Belagerungszustand versetzt! Augenblicklich eingeleitete Schritte bei Landrath und Regierung hatten Versprechungen — jedoch keine Beseitigung zur Folge.

So ist es der k. preuß. Macht denn am 14. d. Mts. auch hier gelungen — zwei schlichte Bauersleute — hier ansässig und begütert — aber Feinde des Bürgermeisters — zu verhaften und als gemeine Verbrecher geschlossen bei Aufbietung unserer gesammten Garnison unter Eskorte von fünf Dragonern nach Bonn abzuführen.

Unser gewaltiger Herr Bürgermeister sorgt derart, daß er, Seine Gnaden, ruhig schlafen können.

Dazu mußte er eine Aufregung in unserer Gemeinde vorgeben, welche darin gar nicht — wohl aber im Hirn des in Zorn gerathen Greises existirt.

Es ist leicht begreiflich, daß er die Bürger, welche in jener Versammlung am meisten gesprochen, dafür mit Einquartirung am besten bedacht hat.

24 Gütersloh, 13. Dezember.

Hurrah, die Todten reiten schnell! Das Gespennst der Reaktion jagt jetzt am hellen Tage umher, suchend, wen es verschlinge, so daß die preußische Freiheit nachgerade immer unheimlicher wird. Sogar die rothe Erde, von jeher eine treue Anhängerin der Monarchie — natürlich die rothe nicht ausgenommen — wird von dem Spuck heimgesucht. Die wilde Jagd geht auf die Hauptabgeordneten der westphälischen Vereine vom Kongreß zu Münster für die Sache und Rechte der preußischen National-Versammlung und des preußischen Volkes. Die theilweise recht entschiedenen Beschlüsse haben zwar in der Wirklichkeit zu Nichts geführt. Aber darum ja gerade, non quia, sondern quia non. Nach dem siegreichen Feldzuge der Reaktion im Sommer und Herbst kommen die gemüthlichen Wintervergnügungen derselben: Criminaluntersuchungen, Verhaftungen, polizeiliche und gefängliche Plackereien. Welche wonnevolle Aussicht! wie mannigfaltig! welch ein Vergnügen, eine Theilnahme bei allen Duckern und Muckern!

Aber wie konnte man auch so frech sein, sich der National-Versammlung offen anzuschließen, sich offen als Feind des Ministeriums Brandenburg-Manteuffel zu erklären? Dus ist Hochverrath, Unternehmen zur Umwälzung der Staatsverfassung, und nach dem Landrecht mit schreckhaftester Leibes- und Lebensstrafe zu richten. Heran also, ihr Evinnyen und Schrecken des heimlichen Gerichts: der Criminaluntersuchung, Verhaftung.

So wurde hier vorgestern auch der Justizrath Groneweg nach Münster zur Untersuchungshaft geführt, einer der tüchtigsten Männer Westphalens. Warum? Weil er am ersten Tage den Vorsitz jenes Kongresses geführt (länger ist er überhaupt nicht dagewesen); obgleich Nichts beschlossen wurde, als was damals tausende von Adressen aussprachen: die Nationalversammlung sei für den Augenblick in Preußen die allein gesetzliche und gesetzlich handelnde Behörde. — Ja, unser Landrecht und altes Gerichtsverfahren ist ein wahrer Schatz für die Reaktion, den sie sorgfältig bewacht und sehr profitabel anwendet. Es lebe das Landrecht und die neue „gesetzliche Freiheit,“ und hütet euch vor Missethat und lobpreiset das Ministerium Brandenburg-Manteuffel. So seid Ihr der Kamarilla angenehm und vor Einsperren gesichert.

Minden, 7. Dezember.

Unter diesem Datum berichtet die „Kreuzritterin:“

„Ein Jugendlehrer des Kreises Bielefeld hat es gewagt, einen Brief an einen Bauer zu schicken, in dem es heißt: „Wofür haben unsere Väter 13 und 15 geblutet? Für schurkische Fürsten und andere Herren, damit sie wieder in gewohnter Weise schwelgen, dem Volke das letzte Mark aus den Knochen saugen konnten. Sie haben es redlich gethan! Rasend sollte man werden — was sage ich, „rasend?“ — blutige Thränen sollte man weinen, wenn man sieht, wie das Recht des Volkes so mit Füßen getreten wird, wie das jetzt vom Könige und seinen landesverrätherischen Ministern geschieht.“

68 Berlin, 14. Dezember.

Aus guter Quelle wird uns versichert, daß das nächstens zu erwartende ministerielle Wahlreglement, den vieldeutigen Ausdruck des Art. 67 der Verfassung: „jeder selbstständige Preuße“ in derselben Weise interpretiren werde, als es das sächsische Ministerium gethan, nämlich: ein Jeder der eigene Wohnung und Wirthschaft besitzt. Diese Interpretation ist namentlich in allen großen Städten, wo sehr viele junge und ledige Leute theils in meublirten Zimmern theils in Schlafstellen u. s. w. wohnen, eine die Anzahl der Urwähler sehr beschränkende. Sie schließt fast sämmtliche Handlungsdiener, Arbeiter, Gesellen, Literaten u. dgl. m. von der Theilnahme an den Urwahlen aus. Gerade der jüngere strebsame Theil der Bevölkerung verlöre durch diese Bestimmung jedes Wahlrecht. Sie wäre also ein offenbarer Rückschritt gegen das Wahlgesetz vom 8. April.

Nach dem abermaligen Verbote der Zeitungshalle hatten die Eigenthümer derselben natürlich an General Wrangel ein Gesuch gerichtet, worin dieselben anführten, daß nicht bloß ihr eigenes materielles Interesse, sondern auch die ganze Existenz zahlreicher Arbeiterfamilien durch das abermalige Verbot des Blattes gefährdet werde. Einen ähnlichen Schritt hatten die Setzer und Drucker des Blattes selbst bei Wrangel gethan. Letztere wurden ganz einfach an die Redaction gewiesen. Erstere aber erhielten gestern ein Schreiben vom „Oberbefehlshaber der Truppen in den Marken“, worin das Verbot festgehalten ward. Wir entlehnen demselben folgende characteristische Stellen: „Ihre Pflicht war es, den durch die Nothwendigkeit der Zeitverhältnisse gebotenen Beschränkungen der freien Presse genau nachzukommen.» Ferner erklärt das Wrangel'sche Schreiben, die Redaction habe das in sie gesetzte Vertrauen „schwer verletzt“, indem sie in Nr. 265 einen Aufsatz „des frühern Abgeordneten Jung“ aufgenommen, „welcher vollkommen geeignet ist, die glücklich begonnene Herstellung der öffentlichen Ruhe und des Vertrauens zur Regierung gänzlich zu zerstören.“ Der Oberbefehlshaber der Marken scheint also über die Stellung eines oppositionellen Parteiorgans zur Regierung seltsame Ansichten zu haben!

Einer Notiz der heutigen Spener'schen Zeitung des Inhalts, es sei von dem Obergericht zu Natibor, als Collegium, ein sehr energischer Protest gegen das Wiedereintreten des Oberlandesgerichts-Vicepräsidenten von Kirchmann in das genannte Collegium beim Staatsministerium eingegangen, können wir folgende faktische Berichtigung entgegensetzen. Nicht das Oberlandesgericht als Collegium sondern nur viele Mitglieder desselben haben sich gegen das Wiedereintreten des Herrn v. Kirchmann in einer Mißtrauensadresse an denselben und in einer gleichzeitigen Eingabe an das Justizministerium ausgesprochen, andere Mitglieder desselben Gerichts dagegen haben einen Gegenprotest behufs der Veröffentlichung an hiesige demokratische Organe geschickt, worin sie den Wiedereintritt Kirchmann's entschieden fordern, und zwar schon aus dem Grunde, weil der Richterstand mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln für die Wahrung des Prinzips kämpfen müsse, daß kein Richter wegen seiner politischen Ansichten aus seinem Amte entfernt werden könne. —

Eben so entschieden können wir eine andere Nachricht des eben genannten Blattes als unwahr bezeichnen: Die Räthe des rheinischen Nevisions- und Cassationshofes haben gegen Esser's Wiedereintreten keineswegs protestirt, vielmehr haben sowohl Esser als Daniels, auf Einberufung des Präsidenten, ihre Thätigkeit wieder begonnen.

Berlin, 12. Dezember.

Der Artikel 57 der neuen octroyirten Verfassung nimmt außer einer Civilliste von 2 [unleserliches Material]/2 Million jährlich auch das sogenannte Kronfideicommiß als Privateigenthum für den König in Anspruch. Es wird daher nöthig sein, die Entstehungsgeschichte des sogenannten Kronfideicommisses genau zu erforschen, damit die Wähler, wenn sich etwa aus Versehen unter diesen „Krongütern“ Staatseigenthum befinden sollte, es ihren neuen Abgeordneten strenge zur Pflicht machen, dieses zurückzufordern. Wir fragen daher hierdurch öffentlich die von dem ehemaligen vereinigten Landtag zur Ueberwachung der Tilgung der Staatsschuld gewählte Kommission, nämlich die Herren Grabow, von Brodowski, Diergardt, von Olvers, Graf Zech-Burkesrode, Prinz zu Hohenlohe-Ingelfingen, Graf Schwerin und Sperling, welche geschworen haben, treue Wächter zu sein, wie es sich mit den von ihnen gestellten Bedenken und Erinnerungen gegen die Verwaltung der Staatsschuld verhält, namentlich, ob folgende Behauptungen in der That wahr sind:

1) daß von der Contribution, welche Frankreich gezahlt hat, um das preußische Volk für, dem französischen Heere gemachte, Lieferungen zu entschädigen, 7 Millionen Thaler, theils zur Tilgung von Schulden, die auf den Kronfideicommißgütern hafteten, theils zum Ankauf von neuen Kronfideicommißgütern verwendet worden seien;
2) daß die Zinsen der statt ausgegebener Kassenanweisungen niedergelegten Staatsschuldscheine vermittelst eines künstlichen Manövers nicht in die Staatskasse, sondern in die Privatkassen gewisser Personen in sehr hohen Regionen geflossen seien.

Wir erwarten von der Ehrenhaftigkeit und Pflichttreue der genannten Herren, daß sie diese Fragen öffentlich beantworten werden.

Der demokratische Ausschuß zur Ueberwachung der Verwendung öffentlicher Gelder.

* Berlin, 14. Dezember.

Auf das Gesuch einiger Bürger um Erlaubniß von Bürgerversammlungen, behufs Wahl von Abgeordneten zum Bürgerwehrkongreß in Breslau hat der Polizeipräsident geantwortet:

„Der Herr General v. Wrangel Excellenz hat Ew. Wohlgeboren Vorstellung vom gestrigen Tage wegen Gestattung von Versammlungen der früheren hiesigen Bürgerwehr-Mitglieder, Behufs der Beschickung des allgemeinen Bürgerwehr-Kongresses zu Breslau, dem Polizeipräsidium mit dem Auftrage zugehen lassen, Sie auf Ihr Gesuch abschläglich zu bescheiden. Das Polizei-Präsidium entledigt sich dieses Auftrags mit dem Bemerken, daß sonach Versammlungen der gedachten Art nicht abgehalten werden dürfen.“

Berlin, den 5. Dezember 1848.

Königl. Polizei-Präsidium. von Hinckeldey.

Das Faroritblättchen der Brandenburg-Manteufel und Konsorten, die edle „Kreuzritterin“ mit „Gott für König und Junkerschaft“ enthält ein Artikelchen, das den Geist der siegreichen Kamarilla zu trefflich charakterisirt, als daß wir es den Lesern vorenthalten sollten. Das Artikelchen lautet:

„Herr Bornemann ist am vergangenen Dienstag plötzlich in der Sitzung des betreffenden Senats des Geheimen Ober Tribunalä erschienen und hat ohne Weiteres von dem Präsidentenstuhl Besitz genommen. Die Räthe sollen im höchsten Grade überrascht ja entrüstet über dies Verfahren gewesen sein, haben aber dennoch sich diesem Vorsitz — wenigstens in dieser Sitzung — gefügt. Man ist höchst gespannt auf den weiteren Verlauf dieser Sache, und erwartet um so mehr ein dem hohen Berufe dieses ehrwürdigen Gerichtshofes würdiges Verhalten, als die Oberlandesgerichte zu Natibor, Bromberg und Münster — wie auf das Bestimmteste versichert werden kann — Se. Majestät den König in den stärksten Ausdrücken gebeten haben, sie vor der Schmach bewahren zu wollen, unter dem Vorsitz der Herren v. Kirchmann, Gierke und Temme dienen zu müssen. Es wäre in der That eine schärfere und beißendere Ironie auf die sonst so hochgeachtete preußische Justiz nicht denkbar, als wenn dergleichen Menschen, an deren Namen für immer das reine Gegentheil aller Achtung und alles Gehorsams vor Recht und Gesetz gebunden ist, in der Reihe preußischer Gerichtspräsidenten geduldet würden. Von den Herren Waldeck, Jung und allen radikalen Assessoren und Referendarien wollen wir hierbei gar nicht einmal reden, wiewohl die Säuberung nicht nur des Präsidenten- sondern auch des Richterstandes überhaupt von gefährlichen Verbrechern offenbar eine Hauptaufgabe der Regierung sein muß.“

68 Breslau, 14. Dezember.

Gegen den hiesigen Arzt, Dr. Borchardt, der, wie dieser Tage gemeldet, wegen Verleitung zum Hochverrath zu 12 Jahren Festung verurtheilt worden, ist heute, da er sich geflüchtet, der Steckbrief erschienen.

Morgen um 9 Uhr Vormittags wird der preußische Bürgerwehr-Kongreß im Saale „zum deutschen Kaiser“ eröffnet werden.

118 Paderborn, 13. Dez.

Am Montag den 11. wurde hierselbst der O.-L.-G.-Ref. Löher, Redakteur der Westf. Ztg. verhaftet. So viel man bis jetzt erfahren, ist er des Hochverraths angeklagt, weil er als Deputirter auf dem am 18., 19. u. 20. November in Münster abgehaltenen Kongresse für hochverrätherische Maßregeln gestimmt und gesprochen habe. Die Verhaftung dieses immer so gemäßigt auftretenden Mannes, brachte eine ungeheure Aufregung hervor, so daß man für den Abend besorgt wurde. In der Sitzung des Volksvereins, welche wie gewöhnlich am Montage stattfand, bemühten sich mehre Redner, das aufgeregte Volk zu beschwichtigen, es wurde auch ein Schreiben des Verhafteten vorgelesen, worin er bat, keine ungesetzlichen Schritte zu thun. Nachdem die Sitzung gegen 9 Uhr geschlossen war, zog eine Menge von 200-300 Personen vor das Inquisitorialsgebäude, brachte dem Gefangenen ein donnerndes Hoch und verlangte, ihn nochmal sprechen und Lebewohl sagen zu können. Es lag nicht in der Gewalt des hiesigen Richters, dieser Bitte zu willfahren, da der Verhaftsbefehl von dem Kriminal-Senat des Münster'schen Ober-Landesgerichts angeordnet war. Hätte jedoch der Herr Kriminal-Direktor Wichmann die Menge höflich und artig angeredet, statt, wozu noch gar kein Grund war, das Militär zu requiriren, so würde sich der Lärm verloren haben. Es kam ganz unerwartet eine Schwadron des hier garnisonirenden VI. Ulanen-Regiments mit gezogenem Pallasch angeritten und machten im scharfen Trabe eine Attaque. Mehrere brutale Unteroffiziere und Gemeine hieben in ihrem ungeheurem Diensteifer, der von den Offizieren gehörig angefeuert war, auf einzelne Personen, die an der Seite der Häuser standen, und namentlich auf die in den Nebenstraßen befindlichen Fensterscheiben ein, um so ihren Muth und ihre Todesverachtung durch die That zu beweisen. Es wurden in aller Eile einige Wagen quer über die Straßen gefahren, durch Feuerleitern, Bäume u. dgl. verbunden, und so anderweite Attaquen unmöglich gemacht, worauf das Militär in die Kaserne zurückzog. Späterhin bemühte sich dasselbe noch 2mal aus der Kaserne, um die abgesperrte Straße zu säubern. Die Menge hatte sich zum Theil verlaufen, und der Rest verhielt sich ruhig. Das waren die heroischen Thaten, die in Paderborns Mauern vorfielen und stets im Andenken bleiben werden.

121 Wien, 9. Dez.

Wenn ich die Feder fasse, Ihnen zu schreiben, so kann ich's nur, indem ich mich überwinde. Wer könnte in einer Höhle gemeiner Schlingpflanzen, wiederkäuender Thiere und mordsüchtiger Bestien auch aufgeräumten Sinnes sein! — Der Drache Python hat gestern und vorgestern wiederum zwei Menschenopfer verschlungen; das längere Fasten schien ihn abzumagern, und er schrie: „Blut! Blut!“ Ein Ungar und ein Gardist wurden darauf erschossen; hinterher fand man es für gut, bekannt zu machen, sie hätten Waffen verborgen gehalten. Es ist kein wahres Wort daran. Aber man darf nicht glauben, daß keine Veranlassung mehr vorhanden, das Standrecht fortbestehen zu lassen. Darum hat man auch das Gerücht verbreitet, entschlossene Männer aus Sachsen seien nach Wien gekommen, um Python zu erlegen. Seien Sie versichert, nach einigen Tagen wird man einige Fremde — schon der Name macht vogelfrei — erschossen haben. Schon gestern sind unter dem Titel Fremde 60 Personen, deren einziges Verbrechen es gewesen, fremde Deutsche zu sein, auf dem Schub und unter Brutalitäten von hier fortgeschafft worden. Die 10

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="jFeuilleton" n="1">
        <div xml:id="ar171-1_003" type="jArticle">
          <p><pb facs="#f0002" n="0920"/>
taler Satan, ein verliebter Nero, so daß Sie Ihre fallende Gegnerin mit den Armen auffangen, und sie emporrichten, sie maßlos erstaunend durch Ihre Ueberlegenheit, und zum Danke rührend durch Ihre unbeschreibliche Galanterie. Seien Sie versichert, Ritter, durch ein solches Spiel werden Sie die Herzogin durchaus gewinnen &#x2014; sie wird alle Ihre Schulden bezahlen &#x2014; &#x2014;&#x201C;</p>
          <p>&#x201E;&#x201E;Und den andern Weg?&#x201C;&#x201C; fragte der Ritter, indem er sich aufmerksamer emporrichtete.</p>
          <p>&#x201E;Nun, der ist bei weitem einfacher, vielleicht zu einfach, als daß Sie sicher und gewiß damit zum Ziele kommen. So weit ich Sie zu beurtheilen verstehe, werden Sie die Rolle eines Roué's besser spielen können, als die eines Gimpels; die zweite Manier, die Herzogin zu erobern, besteht nämlich wie gesagt darin, daß Sie eben als harmloser, unerfahrener Jüngling auftreten um die Herzogin durch Ihre Naivetät zu besiegen, durch das Reizende einer unerhörten Unbefangenheit, durch eine bis zum Exzeß getriebene Heuchelei der tugendhaftesten, uneigennützigsten Liebe. Sie wissen, in welcher Verlegenheit sich die Herzogin befindet, wie sie alle Ressourcen des Vergnügens erschöpft hat, wie sie längst von ihren erträglichsten Anbetern im Stich gelassen wurde &#x2014; &#x2014; Sie wissen Alles. Jede neue Aventüre würde ihr willkommen sein, aber schwärmen, schwärmen wie früher, würde sie nur für den, der den Frühling des Lebens wieder in ihr Alter hineinzauberte, der durch die jugendlichste Hingebung, wenn auch nicht das Reelle eines jugendlichen Umgangs, so doch wenigstens die Erinnerung an die Lust der Vergangenheit bei ihr heraufbeschwöre, um sie auf diese Weise das durchlebte scheinbar aufs Neue erleben zu lassen. Brächten Sie <hi rendition="#g">diese</hi> Täuschung bei der Herzogin zu Wege, so glaube ich, daß sie wahnsinnig vor Freude würde. Die Herzogin würde nicht nur Ihre Schulden bezahlen, nein, sie würde ihre Schlösser in Brand stecken, und ihre Diamanten in's Meer werfen, wenn Sie es wünschten; Alles, Alles würde sie Ihnen zu Gefallen thun &#x2014; wählen Sie, lieber Ritter!&#x201C;</p>
          <p>&#x201E;&#x201E;Ich wähle das Letztere!&#x201C;&#x201C; rief der Ritter, indem er das eben gefaßte Krystallglas zu tausend Scherben an die nächste Wand schleuderte und seinen blonden Freund so stürmisch umarmte, daß der unglückliche Graf wie von dem Stich einer Tarantel laut schreiend zusammen fuhr. &#x201E;&#x201E;Ich wähle das Letztere! Mein Plan ist gefaßt!&#x201C;&#x201C;</p>
          <p>Arm in Arm wandelten Graf und Ritter über den Teppich des weiten Gemaches.</p>
          <p>Herr von Schnapphahnski &#x2014; denn Niemand anders war der schwarzgelockte Gast des blonden Grafen &#x2014; war jetzt in demselben Falle wie unser Berliner Professor: es stand ihm etwas sehr Außerordentliches bevor. Nichts hätte ihn mehr aufregen können, als das bevorstehende Zusammentreffen mit der Herzogin von S. Die bösen Geister der Vergangenheit zankten sich in seinem Innern mit der Hoffnung eines endlichen Triumphes. Alle Wunden, die ihm das Mißgeschick in Berlin, in Wien, in München und an zwanzig andern Orten schlug, sollte das Glück bei der Herzogin wieder gut machen. Nach wochenlanger Niedergeschlagenheit fühlte er auf's Neue alle seine Muskeln und Nerven in fieberhafter Bewegung. Er war endlich wieder der alte Schnapphahnski, er war wieder ein schöner Mann vom Scheitel bis zur Zehe, doppelt schön, weil er etwas wagte &#x2014; er glich einem Spieler, der nach tausend Verlusten, aus seiner Lethargie erwacht und die letzte Goldrolle hohnlachend auf den grünen Tisch wirft.</p>
          <p>&#x201E;&#x201E;Machen Sie die Herzogin, ich werde den jugendlichen Verliebten spielen!&#x201C;&#x201C; rief der erfindungsreiche Ritter, indem er plötzlich im Gehen inne hielt, den Arm des Freundes fahren ließ und sich mit der zierlichsten Verbeugung vor den Grafen pflanzte. &#x201E;&#x201E;Ich weiß nicht mehr recht, wie ich mich seiner Zeit als brauner Husar in O. in Schlesien betragen habe. Ich muß mich einmal darin üben. Damals war ich wirklich ein harmloser Junge, ein schönes Kind, und alle alten Damen wollten mich auf den Schooß nehmen mit Stiefeln und Sporen, um mich zu küssen. Wenn ich vor der Herzogin nur halb so naiv erscheine, wie einst vor der Gräfin S., da haben wir gewonnenes Spiel und ich versetze meiner Dulcinea in einem einzigen Jahre, die Hälfte ihrer Waldungen &#x2014; alle meine Schafe werden enthypothecirt.&#x201C;&#x201C;</p>
          <p>Der Ritter riß die Decke von dem nächsten Tisch und hing sie nolens volens über die Schulter des Grafen. &#x2014; Uhr und Vasen rollten auf den Boden.</p>
          <p>&#x201E;&#x201E;Drapiren Sie Ihre Reize so hübsch als möglich mit diesem Lappen! Sie sind die Herzogin, ich bin der sechszehnjährige Schnapphahnski!&#x201C;&#x201C;</p>
          <p>Ritter und Graf standen einander gegenüber.</p>
          <p>&#x201E;&#x201E;Gnädige Frau &#x2014; &#x2014;&#x201C;&#x201C; begann der Ritter.</p>
          <p>&#x201E;Ach, guten Tag, Herr Ritter!&#x201C; erwiederte der Graf.</p>
          <p>&#x201E;&#x201E;Gnädige Frau, in tiefer Demuth beuge ich mich vor Ihrer welthistorischen Persönlichkeit.&#x201C;&#x201C;</p>
          <p>&#x201E;Es freut mich von Herzen, Sie kennen zu lernen, Herr Ritter &#x2014; ich habe schon viele lose Streiche von Ihnen gehört.&#x201C;</p>
          <p>&#x201E;&#x201E;Halten Sie die losen Streiche meiner Jugend zu gut, aber seien Sie versichert, gnädige Frau, daß ich nur dem Ideale entgegenstrebe, welches mir in diesem wichtigen Momente vor Augen schwebt.&#x201C;&#x201C;</p>
          <p>&#x201E;Sie haben Ihre Laufbahn jedenfalls früh begonnen; schon als brauner Husar in O. in Schlesien, parodirten Sie die Iliade mit so viel Glück, daß die Bauern des Gebirges bereits eine Sage aus Ihnen gemacht haben.&#x201C;</p>
          <p>&#x201E;&#x201E;Allerdings, gnädige Frau! Ich hatte gehört, daß Sie, kaum verheirathet, schon den Kosacken hinten auf's Pferd sprangen &#x2014; ich glaubte in der Romantik nicht hinter Ihnen zurückbleiben zu dürfen. Ihr Bild wollte nicht aus des feurigen Knaben Gedächtniß.&#x201C;&#x201C;</p>
          <p>&#x201E;Und in Troppau hatten Sie dann Ihr famoses Duell: die Säbel schwirrten und der Ruf des jungen Helden verbreitete sich durch alle Lande.&#x201C;</p>
          <p>&#x201E;&#x201E;In demselben Lebensjahre war es, wo Sie sich, gnädige Frau, zum ersten Male mit Ihrem Gemahl so eklatant brouillir-</p>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <head>[Deutschland]</head>
        <div xml:id="ar171-1_004" type="jArticle">
          <p><ref type="link_fsg">[Fortsetzung]</ref> stimmigen Beschluß, daß gesetzliche energische Schritte geschehen müßten, wählte jene Versammlung eine Kommission, um die in Masse vorgebrachten Klagepunkte vor die Behörden zu bringen und auf Wechsel in der Person des Bürgermeisters zu dringen! Ein vereinzeltes ungehöriges Vorkommniß, nämlich ein inzwischen in's Haus des Bürgermeisters geschehener Schuß, wurde von diesem nun &#x2014; durchaus mit Unwahrheit &#x2014; als mit der Versammlung in Verbindung stehend &#x2014; benützt. Auf seine Angaben hin erhielten wir am 9. d. M. 70 Soldaten und sind seitdem &#x2014; unseres mißliebigen Bürgermeisters wegen &#x2014; in Belagerungszustand versetzt! Augenblicklich eingeleitete Schritte bei Landrath und Regierung hatten Versprechungen &#x2014; jedoch keine Beseitigung zur Folge.</p>
          <p>So ist es der k. preuß. Macht denn am 14. d. Mts. auch hier gelungen &#x2014; zwei schlichte Bauersleute &#x2014; hier ansässig und begütert &#x2014; aber Feinde des Bürgermeisters &#x2014; zu verhaften und als gemeine Verbrecher <hi rendition="#g">geschlossen</hi> bei Aufbietung unserer gesammten Garnison unter Eskorte von fünf Dragonern nach Bonn abzuführen.</p>
          <p>Unser gewaltiger Herr Bürgermeister sorgt derart, daß er, Seine Gnaden, ruhig schlafen können.</p>
          <p>Dazu mußte er eine <hi rendition="#g">Aufregung</hi> in unserer Gemeinde vorgeben, welche darin gar nicht &#x2014; wohl aber im Hirn des in Zorn gerathen Greises existirt.</p>
          <p>Es ist leicht begreiflich, daß er die Bürger, welche in jener Versammlung am meisten gesprochen, dafür mit Einquartirung am besten bedacht hat.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar171-1_005" type="jArticle">
          <head><bibl><author>24</author></bibl> Gütersloh, 13. Dezember.</head>
          <p>Hurrah, die Todten reiten schnell! Das Gespennst der Reaktion jagt jetzt am hellen Tage umher, suchend, wen es verschlinge, so daß die preußische Freiheit nachgerade immer unheimlicher wird. Sogar die rothe Erde, von jeher eine treue Anhängerin der Monarchie &#x2014; natürlich die rothe nicht ausgenommen &#x2014; wird von dem Spuck heimgesucht. Die wilde Jagd geht auf die Hauptabgeordneten der westphälischen Vereine vom Kongreß zu Münster für die Sache und Rechte der preußischen National-Versammlung und des preußischen Volkes. Die theilweise recht entschiedenen Beschlüsse haben zwar in der Wirklichkeit zu Nichts geführt. Aber darum ja gerade, non quia, sondern quia non. Nach dem siegreichen Feldzuge der Reaktion im Sommer und Herbst kommen die gemüthlichen Wintervergnügungen derselben: Criminaluntersuchungen, Verhaftungen, polizeiliche und gefängliche Plackereien. Welche wonnevolle Aussicht! wie mannigfaltig! welch ein Vergnügen, eine Theilnahme bei allen Duckern und Muckern!</p>
          <p>Aber wie konnte man auch so frech sein, sich der National-Versammlung offen anzuschließen, sich offen als Feind des Ministeriums Brandenburg-Manteuffel zu erklären? Dus ist Hochverrath, Unternehmen zur Umwälzung der Staatsverfassung, und nach dem Landrecht mit schreckhaftester Leibes- und Lebensstrafe zu richten. Heran also, ihr Evinnyen und Schrecken des heimlichen Gerichts: der Criminaluntersuchung, Verhaftung.</p>
          <p>So wurde hier vorgestern auch der Justizrath Groneweg nach Münster zur Untersuchungshaft geführt, einer der tüchtigsten Männer Westphalens. Warum? Weil er am ersten Tage den Vorsitz jenes Kongresses geführt (länger ist er überhaupt nicht dagewesen); obgleich Nichts beschlossen wurde, als was damals tausende von Adressen aussprachen: die Nationalversammlung sei für den Augenblick in Preußen die allein gesetzliche und gesetzlich handelnde Behörde. &#x2014; Ja, unser Landrecht und altes Gerichtsverfahren ist ein wahrer Schatz für die Reaktion, den sie sorgfältig bewacht und sehr profitabel anwendet. Es lebe das Landrecht und die neue &#x201E;gesetzliche Freiheit,&#x201C; und hütet euch vor Missethat und lobpreiset das Ministerium Brandenburg-Manteuffel. So seid Ihr der Kamarilla angenehm und vor Einsperren gesichert.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar171-1_006" type="jArticle">
          <head>Minden, 7. Dezember.</head>
          <p>Unter diesem Datum berichtet die &#x201E;Kreuzritterin:&#x201C;</p>
          <p>&#x201E;Ein Jugendlehrer des Kreises Bielefeld hat es gewagt, einen Brief an einen Bauer zu schicken, in dem es heißt: &#x201E;Wofür haben unsere Väter 13 und 15 geblutet? Für schurkische Fürsten und andere Herren, damit sie wieder in gewohnter Weise schwelgen, dem Volke das letzte Mark aus den Knochen saugen konnten. Sie haben es redlich gethan! Rasend sollte man werden &#x2014; was sage ich, &#x201E;rasend?&#x201C; &#x2014; blutige Thränen sollte man weinen, wenn man sieht, wie das Recht des Volkes so mit Füßen getreten wird, wie das jetzt vom Könige und seinen landesverrätherischen Ministern geschieht.&#x201C;</p>
        </div>
        <div xml:id="ar171-1_007" type="jArticle">
          <head><bibl><author>68</author></bibl> Berlin, 14. Dezember.</head>
          <p>Aus guter Quelle wird uns versichert, daß das nächstens zu erwartende ministerielle Wahlreglement, den vieldeutigen Ausdruck des Art. 67 der Verfassung: &#x201E;jeder <hi rendition="#g">selbstständige</hi> Preuße&#x201C; in derselben Weise interpretiren werde, als es das sächsische Ministerium gethan, nämlich: <hi rendition="#g">ein Jeder der eigene Wohnung und Wirthschaft besitzt</hi>. Diese Interpretation ist namentlich in allen großen Städten, wo sehr viele junge und ledige Leute theils in meublirten Zimmern theils in Schlafstellen u. s. w. wohnen, eine die Anzahl der Urwähler sehr beschränkende. Sie schließt fast sämmtliche Handlungsdiener, Arbeiter, Gesellen, Literaten u. dgl. m. von der Theilnahme an den Urwahlen aus. Gerade der jüngere strebsame Theil der Bevölkerung verlöre durch diese Bestimmung jedes Wahlrecht. Sie wäre also ein offenbarer Rückschritt gegen das Wahlgesetz vom 8. April.</p>
          <p>Nach dem abermaligen Verbote der Zeitungshalle hatten die Eigenthümer derselben natürlich an General Wrangel ein Gesuch gerichtet, worin dieselben anführten, daß nicht bloß ihr eigenes materielles Interesse, sondern auch die ganze Existenz zahlreicher Arbeiterfamilien durch das abermalige Verbot des Blattes gefährdet werde. Einen ähnlichen Schritt hatten die Setzer und Drucker des Blattes selbst bei Wrangel gethan. Letztere wurden ganz einfach an die Redaction gewiesen. Erstere aber erhielten gestern ein Schreiben vom &#x201E;Oberbefehlshaber der Truppen in den Marken&#x201C;, worin das Verbot festgehalten ward. Wir entlehnen demselben folgende characteristische Stellen: &#x201E;Ihre <hi rendition="#g">Pflicht</hi> war es, den durch die Nothwendigkeit der Zeitverhältnisse gebotenen Beschränkungen der freien Presse genau nachzukommen.» Ferner erklärt das Wrangel'sche Schreiben, die Redaction habe das in sie gesetzte Vertrauen &#x201E;schwer verletzt&#x201C;, indem sie in Nr. 265 einen Aufsatz &#x201E;des frühern Abgeordneten <hi rendition="#g">Jung</hi>&#x201C; aufgenommen, &#x201E;welcher vollkommen geeignet ist, die glücklich begonnene Herstellung der öffentlichen Ruhe und des Vertrauens zur Regierung gänzlich zu zerstören.&#x201C; Der Oberbefehlshaber der Marken scheint also über die Stellung eines oppositionellen Parteiorgans zur Regierung seltsame Ansichten zu haben!</p>
          <p>Einer Notiz der heutigen Spener'schen Zeitung des Inhalts, es sei von dem Obergericht zu Natibor, als Collegium, ein sehr energischer Protest gegen das Wiedereintreten des Oberlandesgerichts-Vicepräsidenten von <hi rendition="#g">Kirchmann</hi> in das genannte Collegium beim Staatsministerium eingegangen, können wir folgende faktische Berichtigung entgegensetzen. Nicht das Oberlandesgericht als Collegium sondern nur viele Mitglieder desselben haben sich gegen das Wiedereintreten des Herrn v. <hi rendition="#g">Kirchmann</hi> in einer Mißtrauensadresse an denselben und in einer gleichzeitigen Eingabe an das Justizministerium ausgesprochen, andere Mitglieder desselben Gerichts dagegen haben einen Gegenprotest behufs der Veröffentlichung an hiesige demokratische Organe geschickt, worin sie den Wiedereintritt Kirchmann's entschieden fordern, und zwar schon aus dem Grunde, weil der Richterstand mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln für die Wahrung des Prinzips kämpfen müsse, daß kein Richter wegen seiner politischen Ansichten aus seinem Amte entfernt werden könne. &#x2014;</p>
          <p>Eben so entschieden können wir eine andere Nachricht des eben genannten Blattes als unwahr bezeichnen: Die Räthe des rheinischen Nevisions- und Cassationshofes haben gegen <hi rendition="#g">Esser's</hi> Wiedereintreten keineswegs protestirt, vielmehr haben sowohl <hi rendition="#g">Esser</hi> als <hi rendition="#g">Daniels, auf Einberufung des Präsidenten,</hi> ihre Thätigkeit wieder begonnen.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar171-1_008" type="jArticle">
          <head>Berlin, 12. Dezember.</head>
          <p>Der Artikel 57 der neuen octroyirten Verfassung nimmt außer einer Civilliste von 2 <gap reason="illegible"/>/2 Million jährlich auch das sogenannte Kronfideicommiß als Privateigenthum für den König in Anspruch. Es wird daher nöthig sein, die Entstehungsgeschichte des sogenannten Kronfideicommisses genau zu erforschen, damit die Wähler, wenn sich etwa aus Versehen unter diesen &#x201E;Krongütern&#x201C; Staatseigenthum befinden sollte, es ihren neuen Abgeordneten strenge zur Pflicht machen, dieses zurückzufordern. Wir fragen daher hierdurch öffentlich die von dem ehemaligen vereinigten Landtag zur Ueberwachung der Tilgung der Staatsschuld gewählte Kommission, nämlich die Herren Grabow, von Brodowski, Diergardt, von Olvers, Graf Zech-Burkesrode, Prinz zu Hohenlohe-Ingelfingen, Graf Schwerin und Sperling, welche geschworen haben, treue Wächter zu sein, wie es sich mit den von ihnen gestellten Bedenken und Erinnerungen gegen die Verwaltung der Staatsschuld verhält, namentlich, ob folgende Behauptungen in der That wahr sind:</p>
          <p rendition="#et">1) daß von der Contribution, welche Frankreich gezahlt hat, um das preußische Volk für, dem französischen Heere gemachte, Lieferungen zu entschädigen, 7 Millionen Thaler, theils zur Tilgung von Schulden, die auf den Kronfideicommißgütern hafteten, theils zum Ankauf von neuen Kronfideicommißgütern verwendet worden seien;<lb/>
2) daß die Zinsen der statt ausgegebener Kassenanweisungen niedergelegten Staatsschuldscheine vermittelst eines künstlichen Manövers nicht in die Staatskasse, sondern in die Privatkassen gewisser Personen in sehr hohen Regionen geflossen seien.</p>
          <p>Wir erwarten von der Ehrenhaftigkeit und Pflichttreue der genannten Herren, daß sie diese Fragen öffentlich beantworten werden.</p>
          <p>Der demokratische Ausschuß zur Ueberwachung der Verwendung öffentlicher Gelder.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar171-1_009" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Berlin, 14. Dezember.</head>
          <p>Auf das Gesuch einiger Bürger um Erlaubniß von Bürgerversammlungen, behufs Wahl von Abgeordneten zum Bürgerwehrkongreß in Breslau hat der Polizeipräsident geantwortet:</p>
          <p rendition="#et">&#x201E;Der Herr General v. Wrangel Excellenz hat Ew. Wohlgeboren Vorstellung vom gestrigen Tage wegen Gestattung von Versammlungen der früheren hiesigen Bürgerwehr-Mitglieder, Behufs der Beschickung des allgemeinen Bürgerwehr-Kongresses zu Breslau, dem Polizeipräsidium mit dem Auftrage zugehen lassen, Sie auf Ihr Gesuch abschläglich zu bescheiden. Das Polizei-Präsidium entledigt sich dieses Auftrags mit dem Bemerken, daß sonach Versammlungen der gedachten Art nicht abgehalten werden dürfen.&#x201C;</p>
          <p>Berlin, den 5. Dezember 1848.</p>
          <p>Königl. Polizei-Präsidium. von Hinckeldey.</p>
          <p>Das Faroritblättchen der Brandenburg-Manteufel und Konsorten, die edle &#x201E;Kreuzritterin&#x201C; mit &#x201E;Gott für König und Junkerschaft&#x201C; enthält ein Artikelchen, das den Geist der siegreichen Kamarilla zu trefflich charakterisirt, als daß wir es den Lesern vorenthalten sollten. Das Artikelchen lautet:</p>
          <p>&#x201E;Herr Bornemann ist am vergangenen Dienstag plötzlich in der Sitzung des betreffenden Senats des Geheimen Ober Tribunalä erschienen und hat ohne Weiteres von dem Präsidentenstuhl Besitz genommen. Die Räthe sollen im höchsten Grade überrascht ja entrüstet über dies Verfahren gewesen sein, haben aber dennoch sich diesem Vorsitz &#x2014; wenigstens in dieser Sitzung &#x2014; gefügt. Man ist höchst gespannt auf den weiteren Verlauf dieser Sache, und erwartet um so mehr ein dem hohen Berufe dieses ehrwürdigen Gerichtshofes würdiges Verhalten, als die Oberlandesgerichte zu Natibor, Bromberg und Münster &#x2014; wie auf das Bestimmteste versichert werden kann &#x2014; Se. Majestät den König in den stärksten Ausdrücken gebeten haben, sie vor der Schmach bewahren zu wollen, unter dem Vorsitz der Herren v. Kirchmann, Gierke und Temme dienen zu müssen. Es wäre in der That eine schärfere und beißendere Ironie auf die sonst so hochgeachtete preußische Justiz nicht denkbar, als wenn dergleichen Menschen, an deren Namen für immer das reine Gegentheil aller Achtung und alles Gehorsams vor Recht und Gesetz gebunden ist, in der Reihe preußischer Gerichtspräsidenten geduldet würden. Von den Herren Waldeck, Jung und allen radikalen Assessoren und Referendarien wollen wir hierbei gar nicht einmal reden, wiewohl die Säuberung nicht nur des Präsidenten- sondern auch des Richterstandes überhaupt von gefährlichen Verbrechern offenbar eine Hauptaufgabe der Regierung sein muß.&#x201C;</p>
        </div>
        <div xml:id="ar171-1_010" type="jArticle">
          <head><bibl><author>68</author></bibl> Breslau, 14. Dezember.</head>
          <p>Gegen den hiesigen Arzt, Dr. Borchardt, der, wie dieser Tage gemeldet, wegen Verleitung zum Hochverrath zu 12 Jahren Festung verurtheilt worden, ist heute, da er sich geflüchtet, der Steckbrief erschienen.</p>
          <p>Morgen um 9 Uhr Vormittags wird der preußische Bürgerwehr-Kongreß im Saale &#x201E;zum deutschen Kaiser&#x201C; eröffnet werden.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar171-1_011" type="jArticle">
          <head><bibl><author>118</author></bibl> Paderborn, 13. Dez.</head>
          <p>Am Montag den 11. wurde hierselbst der O.-L.-G.-Ref. Löher, Redakteur der Westf. Ztg. verhaftet. So viel man bis jetzt erfahren, ist er des Hochverraths angeklagt, weil er als Deputirter auf dem am 18., 19. u. 20. November in Münster abgehaltenen Kongresse für hochverrätherische Maßregeln gestimmt und gesprochen habe. Die Verhaftung dieses immer so gemäßigt auftretenden Mannes, brachte eine ungeheure Aufregung hervor, so daß man für den Abend besorgt wurde. In der Sitzung des Volksvereins, welche wie gewöhnlich am Montage stattfand, bemühten sich mehre Redner, das aufgeregte Volk zu beschwichtigen, es wurde auch ein Schreiben des Verhafteten vorgelesen, worin er bat, keine ungesetzlichen Schritte zu thun. Nachdem die Sitzung gegen 9 Uhr geschlossen war, zog eine Menge von 200-300 Personen vor das Inquisitorialsgebäude, brachte dem Gefangenen ein donnerndes Hoch und verlangte, ihn nochmal sprechen und Lebewohl sagen zu können. Es lag nicht in der Gewalt des hiesigen Richters, dieser Bitte zu willfahren, da der Verhaftsbefehl von dem Kriminal-Senat des Münster'schen Ober-Landesgerichts angeordnet war. Hätte jedoch der Herr Kriminal-Direktor Wichmann die Menge höflich und artig angeredet, statt, wozu noch gar kein Grund war, das Militär zu requiriren, so würde sich der Lärm verloren haben. Es kam ganz unerwartet eine Schwadron des hier garnisonirenden VI. Ulanen-Regiments mit gezogenem Pallasch angeritten und machten im scharfen Trabe eine Attaque. Mehrere brutale Unteroffiziere und Gemeine hieben in ihrem ungeheurem Diensteifer, der von den Offizieren gehörig angefeuert war, auf einzelne Personen, die an der Seite der Häuser standen, und namentlich auf die in den <hi rendition="#g">Nebenstraßen befindlichen Fensterscheiben</hi> ein, um so ihren Muth und ihre Todesverachtung durch die That zu beweisen. Es wurden in aller Eile einige Wagen quer über die Straßen gefahren, durch Feuerleitern, Bäume u. dgl. verbunden, und so anderweite Attaquen unmöglich gemacht, worauf das Militär in die Kaserne zurückzog. Späterhin bemühte sich dasselbe noch 2mal aus der Kaserne, um die abgesperrte Straße zu säubern. Die Menge hatte sich zum Theil verlaufen, und der Rest verhielt sich ruhig. Das waren die heroischen Thaten, die in Paderborns Mauern vorfielen und stets im Andenken bleiben werden.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar171-1_012" type="jArticle">
          <head><bibl><author>121</author></bibl> Wien, 9. Dez.</head>
          <p>Wenn ich die Feder fasse, Ihnen zu schreiben, so kann ich's nur, indem ich mich überwinde. Wer könnte in einer Höhle gemeiner Schlingpflanzen, wiederkäuender Thiere und mordsüchtiger Bestien auch aufgeräumten Sinnes sein! &#x2014; Der Drache Python hat gestern und vorgestern wiederum zwei Menschenopfer verschlungen; das längere Fasten schien ihn abzumagern, und er schrie: &#x201E;Blut! Blut!&#x201C; Ein Ungar und ein Gardist wurden darauf erschossen; hinterher fand man es für gut, bekannt zu machen, sie hätten Waffen verborgen gehalten. Es ist kein wahres Wort daran. Aber man darf nicht glauben, daß keine Veranlassung mehr vorhanden, das Standrecht fortbestehen zu lassen. Darum hat man auch das Gerücht verbreitet, entschlossene Männer aus Sachsen seien nach Wien gekommen, um Python zu erlegen. Seien Sie versichert, nach einigen Tagen wird man einige <hi rendition="#g">Fremde</hi> &#x2014; schon der Name macht vogelfrei &#x2014; erschossen haben. Schon gestern sind unter dem Titel Fremde 60 Personen, deren einziges Verbrechen es gewesen, fremde Deutsche zu sein, auf dem Schub und unter Brutalitäten von hier fortgeschafft worden. Die 10</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0920/0002] taler Satan, ein verliebter Nero, so daß Sie Ihre fallende Gegnerin mit den Armen auffangen, und sie emporrichten, sie maßlos erstaunend durch Ihre Ueberlegenheit, und zum Danke rührend durch Ihre unbeschreibliche Galanterie. Seien Sie versichert, Ritter, durch ein solches Spiel werden Sie die Herzogin durchaus gewinnen — sie wird alle Ihre Schulden bezahlen — —“ „„Und den andern Weg?““ fragte der Ritter, indem er sich aufmerksamer emporrichtete. „Nun, der ist bei weitem einfacher, vielleicht zu einfach, als daß Sie sicher und gewiß damit zum Ziele kommen. So weit ich Sie zu beurtheilen verstehe, werden Sie die Rolle eines Roué's besser spielen können, als die eines Gimpels; die zweite Manier, die Herzogin zu erobern, besteht nämlich wie gesagt darin, daß Sie eben als harmloser, unerfahrener Jüngling auftreten um die Herzogin durch Ihre Naivetät zu besiegen, durch das Reizende einer unerhörten Unbefangenheit, durch eine bis zum Exzeß getriebene Heuchelei der tugendhaftesten, uneigennützigsten Liebe. Sie wissen, in welcher Verlegenheit sich die Herzogin befindet, wie sie alle Ressourcen des Vergnügens erschöpft hat, wie sie längst von ihren erträglichsten Anbetern im Stich gelassen wurde — — Sie wissen Alles. Jede neue Aventüre würde ihr willkommen sein, aber schwärmen, schwärmen wie früher, würde sie nur für den, der den Frühling des Lebens wieder in ihr Alter hineinzauberte, der durch die jugendlichste Hingebung, wenn auch nicht das Reelle eines jugendlichen Umgangs, so doch wenigstens die Erinnerung an die Lust der Vergangenheit bei ihr heraufbeschwöre, um sie auf diese Weise das durchlebte scheinbar aufs Neue erleben zu lassen. Brächten Sie diese Täuschung bei der Herzogin zu Wege, so glaube ich, daß sie wahnsinnig vor Freude würde. Die Herzogin würde nicht nur Ihre Schulden bezahlen, nein, sie würde ihre Schlösser in Brand stecken, und ihre Diamanten in's Meer werfen, wenn Sie es wünschten; Alles, Alles würde sie Ihnen zu Gefallen thun — wählen Sie, lieber Ritter!“ „„Ich wähle das Letztere!““ rief der Ritter, indem er das eben gefaßte Krystallglas zu tausend Scherben an die nächste Wand schleuderte und seinen blonden Freund so stürmisch umarmte, daß der unglückliche Graf wie von dem Stich einer Tarantel laut schreiend zusammen fuhr. „„Ich wähle das Letztere! Mein Plan ist gefaßt!““ Arm in Arm wandelten Graf und Ritter über den Teppich des weiten Gemaches. Herr von Schnapphahnski — denn Niemand anders war der schwarzgelockte Gast des blonden Grafen — war jetzt in demselben Falle wie unser Berliner Professor: es stand ihm etwas sehr Außerordentliches bevor. Nichts hätte ihn mehr aufregen können, als das bevorstehende Zusammentreffen mit der Herzogin von S. Die bösen Geister der Vergangenheit zankten sich in seinem Innern mit der Hoffnung eines endlichen Triumphes. Alle Wunden, die ihm das Mißgeschick in Berlin, in Wien, in München und an zwanzig andern Orten schlug, sollte das Glück bei der Herzogin wieder gut machen. Nach wochenlanger Niedergeschlagenheit fühlte er auf's Neue alle seine Muskeln und Nerven in fieberhafter Bewegung. Er war endlich wieder der alte Schnapphahnski, er war wieder ein schöner Mann vom Scheitel bis zur Zehe, doppelt schön, weil er etwas wagte — er glich einem Spieler, der nach tausend Verlusten, aus seiner Lethargie erwacht und die letzte Goldrolle hohnlachend auf den grünen Tisch wirft. „„Machen Sie die Herzogin, ich werde den jugendlichen Verliebten spielen!““ rief der erfindungsreiche Ritter, indem er plötzlich im Gehen inne hielt, den Arm des Freundes fahren ließ und sich mit der zierlichsten Verbeugung vor den Grafen pflanzte. „„Ich weiß nicht mehr recht, wie ich mich seiner Zeit als brauner Husar in O. in Schlesien betragen habe. Ich muß mich einmal darin üben. Damals war ich wirklich ein harmloser Junge, ein schönes Kind, und alle alten Damen wollten mich auf den Schooß nehmen mit Stiefeln und Sporen, um mich zu küssen. Wenn ich vor der Herzogin nur halb so naiv erscheine, wie einst vor der Gräfin S., da haben wir gewonnenes Spiel und ich versetze meiner Dulcinea in einem einzigen Jahre, die Hälfte ihrer Waldungen — alle meine Schafe werden enthypothecirt.““ Der Ritter riß die Decke von dem nächsten Tisch und hing sie nolens volens über die Schulter des Grafen. — Uhr und Vasen rollten auf den Boden. „„Drapiren Sie Ihre Reize so hübsch als möglich mit diesem Lappen! Sie sind die Herzogin, ich bin der sechszehnjährige Schnapphahnski!““ Ritter und Graf standen einander gegenüber. „„Gnädige Frau — —““ begann der Ritter. „Ach, guten Tag, Herr Ritter!“ erwiederte der Graf. „„Gnädige Frau, in tiefer Demuth beuge ich mich vor Ihrer welthistorischen Persönlichkeit.““ „Es freut mich von Herzen, Sie kennen zu lernen, Herr Ritter — ich habe schon viele lose Streiche von Ihnen gehört.“ „„Halten Sie die losen Streiche meiner Jugend zu gut, aber seien Sie versichert, gnädige Frau, daß ich nur dem Ideale entgegenstrebe, welches mir in diesem wichtigen Momente vor Augen schwebt.““ „Sie haben Ihre Laufbahn jedenfalls früh begonnen; schon als brauner Husar in O. in Schlesien, parodirten Sie die Iliade mit so viel Glück, daß die Bauern des Gebirges bereits eine Sage aus Ihnen gemacht haben.“ „„Allerdings, gnädige Frau! Ich hatte gehört, daß Sie, kaum verheirathet, schon den Kosacken hinten auf's Pferd sprangen — ich glaubte in der Romantik nicht hinter Ihnen zurückbleiben zu dürfen. Ihr Bild wollte nicht aus des feurigen Knaben Gedächtniß.““ „Und in Troppau hatten Sie dann Ihr famoses Duell: die Säbel schwirrten und der Ruf des jungen Helden verbreitete sich durch alle Lande.“ „„In demselben Lebensjahre war es, wo Sie sich, gnädige Frau, zum ersten Male mit Ihrem Gemahl so eklatant brouillir- [Deutschland] [Fortsetzung] stimmigen Beschluß, daß gesetzliche energische Schritte geschehen müßten, wählte jene Versammlung eine Kommission, um die in Masse vorgebrachten Klagepunkte vor die Behörden zu bringen und auf Wechsel in der Person des Bürgermeisters zu dringen! Ein vereinzeltes ungehöriges Vorkommniß, nämlich ein inzwischen in's Haus des Bürgermeisters geschehener Schuß, wurde von diesem nun — durchaus mit Unwahrheit — als mit der Versammlung in Verbindung stehend — benützt. Auf seine Angaben hin erhielten wir am 9. d. M. 70 Soldaten und sind seitdem — unseres mißliebigen Bürgermeisters wegen — in Belagerungszustand versetzt! Augenblicklich eingeleitete Schritte bei Landrath und Regierung hatten Versprechungen — jedoch keine Beseitigung zur Folge. So ist es der k. preuß. Macht denn am 14. d. Mts. auch hier gelungen — zwei schlichte Bauersleute — hier ansässig und begütert — aber Feinde des Bürgermeisters — zu verhaften und als gemeine Verbrecher geschlossen bei Aufbietung unserer gesammten Garnison unter Eskorte von fünf Dragonern nach Bonn abzuführen. Unser gewaltiger Herr Bürgermeister sorgt derart, daß er, Seine Gnaden, ruhig schlafen können. Dazu mußte er eine Aufregung in unserer Gemeinde vorgeben, welche darin gar nicht — wohl aber im Hirn des in Zorn gerathen Greises existirt. Es ist leicht begreiflich, daß er die Bürger, welche in jener Versammlung am meisten gesprochen, dafür mit Einquartirung am besten bedacht hat. 24 Gütersloh, 13. Dezember. Hurrah, die Todten reiten schnell! Das Gespennst der Reaktion jagt jetzt am hellen Tage umher, suchend, wen es verschlinge, so daß die preußische Freiheit nachgerade immer unheimlicher wird. Sogar die rothe Erde, von jeher eine treue Anhängerin der Monarchie — natürlich die rothe nicht ausgenommen — wird von dem Spuck heimgesucht. Die wilde Jagd geht auf die Hauptabgeordneten der westphälischen Vereine vom Kongreß zu Münster für die Sache und Rechte der preußischen National-Versammlung und des preußischen Volkes. Die theilweise recht entschiedenen Beschlüsse haben zwar in der Wirklichkeit zu Nichts geführt. Aber darum ja gerade, non quia, sondern quia non. Nach dem siegreichen Feldzuge der Reaktion im Sommer und Herbst kommen die gemüthlichen Wintervergnügungen derselben: Criminaluntersuchungen, Verhaftungen, polizeiliche und gefängliche Plackereien. Welche wonnevolle Aussicht! wie mannigfaltig! welch ein Vergnügen, eine Theilnahme bei allen Duckern und Muckern! Aber wie konnte man auch so frech sein, sich der National-Versammlung offen anzuschließen, sich offen als Feind des Ministeriums Brandenburg-Manteuffel zu erklären? Dus ist Hochverrath, Unternehmen zur Umwälzung der Staatsverfassung, und nach dem Landrecht mit schreckhaftester Leibes- und Lebensstrafe zu richten. Heran also, ihr Evinnyen und Schrecken des heimlichen Gerichts: der Criminaluntersuchung, Verhaftung. So wurde hier vorgestern auch der Justizrath Groneweg nach Münster zur Untersuchungshaft geführt, einer der tüchtigsten Männer Westphalens. Warum? Weil er am ersten Tage den Vorsitz jenes Kongresses geführt (länger ist er überhaupt nicht dagewesen); obgleich Nichts beschlossen wurde, als was damals tausende von Adressen aussprachen: die Nationalversammlung sei für den Augenblick in Preußen die allein gesetzliche und gesetzlich handelnde Behörde. — Ja, unser Landrecht und altes Gerichtsverfahren ist ein wahrer Schatz für die Reaktion, den sie sorgfältig bewacht und sehr profitabel anwendet. Es lebe das Landrecht und die neue „gesetzliche Freiheit,“ und hütet euch vor Missethat und lobpreiset das Ministerium Brandenburg-Manteuffel. So seid Ihr der Kamarilla angenehm und vor Einsperren gesichert. Minden, 7. Dezember. Unter diesem Datum berichtet die „Kreuzritterin:“ „Ein Jugendlehrer des Kreises Bielefeld hat es gewagt, einen Brief an einen Bauer zu schicken, in dem es heißt: „Wofür haben unsere Väter 13 und 15 geblutet? Für schurkische Fürsten und andere Herren, damit sie wieder in gewohnter Weise schwelgen, dem Volke das letzte Mark aus den Knochen saugen konnten. Sie haben es redlich gethan! Rasend sollte man werden — was sage ich, „rasend?“ — blutige Thränen sollte man weinen, wenn man sieht, wie das Recht des Volkes so mit Füßen getreten wird, wie das jetzt vom Könige und seinen landesverrätherischen Ministern geschieht.“ 68 Berlin, 14. Dezember. Aus guter Quelle wird uns versichert, daß das nächstens zu erwartende ministerielle Wahlreglement, den vieldeutigen Ausdruck des Art. 67 der Verfassung: „jeder selbstständige Preuße“ in derselben Weise interpretiren werde, als es das sächsische Ministerium gethan, nämlich: ein Jeder der eigene Wohnung und Wirthschaft besitzt. Diese Interpretation ist namentlich in allen großen Städten, wo sehr viele junge und ledige Leute theils in meublirten Zimmern theils in Schlafstellen u. s. w. wohnen, eine die Anzahl der Urwähler sehr beschränkende. Sie schließt fast sämmtliche Handlungsdiener, Arbeiter, Gesellen, Literaten u. dgl. m. von der Theilnahme an den Urwahlen aus. Gerade der jüngere strebsame Theil der Bevölkerung verlöre durch diese Bestimmung jedes Wahlrecht. Sie wäre also ein offenbarer Rückschritt gegen das Wahlgesetz vom 8. April. Nach dem abermaligen Verbote der Zeitungshalle hatten die Eigenthümer derselben natürlich an General Wrangel ein Gesuch gerichtet, worin dieselben anführten, daß nicht bloß ihr eigenes materielles Interesse, sondern auch die ganze Existenz zahlreicher Arbeiterfamilien durch das abermalige Verbot des Blattes gefährdet werde. Einen ähnlichen Schritt hatten die Setzer und Drucker des Blattes selbst bei Wrangel gethan. Letztere wurden ganz einfach an die Redaction gewiesen. Erstere aber erhielten gestern ein Schreiben vom „Oberbefehlshaber der Truppen in den Marken“, worin das Verbot festgehalten ward. Wir entlehnen demselben folgende characteristische Stellen: „Ihre Pflicht war es, den durch die Nothwendigkeit der Zeitverhältnisse gebotenen Beschränkungen der freien Presse genau nachzukommen.» Ferner erklärt das Wrangel'sche Schreiben, die Redaction habe das in sie gesetzte Vertrauen „schwer verletzt“, indem sie in Nr. 265 einen Aufsatz „des frühern Abgeordneten Jung“ aufgenommen, „welcher vollkommen geeignet ist, die glücklich begonnene Herstellung der öffentlichen Ruhe und des Vertrauens zur Regierung gänzlich zu zerstören.“ Der Oberbefehlshaber der Marken scheint also über die Stellung eines oppositionellen Parteiorgans zur Regierung seltsame Ansichten zu haben! Einer Notiz der heutigen Spener'schen Zeitung des Inhalts, es sei von dem Obergericht zu Natibor, als Collegium, ein sehr energischer Protest gegen das Wiedereintreten des Oberlandesgerichts-Vicepräsidenten von Kirchmann in das genannte Collegium beim Staatsministerium eingegangen, können wir folgende faktische Berichtigung entgegensetzen. Nicht das Oberlandesgericht als Collegium sondern nur viele Mitglieder desselben haben sich gegen das Wiedereintreten des Herrn v. Kirchmann in einer Mißtrauensadresse an denselben und in einer gleichzeitigen Eingabe an das Justizministerium ausgesprochen, andere Mitglieder desselben Gerichts dagegen haben einen Gegenprotest behufs der Veröffentlichung an hiesige demokratische Organe geschickt, worin sie den Wiedereintritt Kirchmann's entschieden fordern, und zwar schon aus dem Grunde, weil der Richterstand mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln für die Wahrung des Prinzips kämpfen müsse, daß kein Richter wegen seiner politischen Ansichten aus seinem Amte entfernt werden könne. — Eben so entschieden können wir eine andere Nachricht des eben genannten Blattes als unwahr bezeichnen: Die Räthe des rheinischen Nevisions- und Cassationshofes haben gegen Esser's Wiedereintreten keineswegs protestirt, vielmehr haben sowohl Esser als Daniels, auf Einberufung des Präsidenten, ihre Thätigkeit wieder begonnen. Berlin, 12. Dezember. Der Artikel 57 der neuen octroyirten Verfassung nimmt außer einer Civilliste von 2 _ /2 Million jährlich auch das sogenannte Kronfideicommiß als Privateigenthum für den König in Anspruch. Es wird daher nöthig sein, die Entstehungsgeschichte des sogenannten Kronfideicommisses genau zu erforschen, damit die Wähler, wenn sich etwa aus Versehen unter diesen „Krongütern“ Staatseigenthum befinden sollte, es ihren neuen Abgeordneten strenge zur Pflicht machen, dieses zurückzufordern. Wir fragen daher hierdurch öffentlich die von dem ehemaligen vereinigten Landtag zur Ueberwachung der Tilgung der Staatsschuld gewählte Kommission, nämlich die Herren Grabow, von Brodowski, Diergardt, von Olvers, Graf Zech-Burkesrode, Prinz zu Hohenlohe-Ingelfingen, Graf Schwerin und Sperling, welche geschworen haben, treue Wächter zu sein, wie es sich mit den von ihnen gestellten Bedenken und Erinnerungen gegen die Verwaltung der Staatsschuld verhält, namentlich, ob folgende Behauptungen in der That wahr sind: 1) daß von der Contribution, welche Frankreich gezahlt hat, um das preußische Volk für, dem französischen Heere gemachte, Lieferungen zu entschädigen, 7 Millionen Thaler, theils zur Tilgung von Schulden, die auf den Kronfideicommißgütern hafteten, theils zum Ankauf von neuen Kronfideicommißgütern verwendet worden seien; 2) daß die Zinsen der statt ausgegebener Kassenanweisungen niedergelegten Staatsschuldscheine vermittelst eines künstlichen Manövers nicht in die Staatskasse, sondern in die Privatkassen gewisser Personen in sehr hohen Regionen geflossen seien. Wir erwarten von der Ehrenhaftigkeit und Pflichttreue der genannten Herren, daß sie diese Fragen öffentlich beantworten werden. Der demokratische Ausschuß zur Ueberwachung der Verwendung öffentlicher Gelder. * Berlin, 14. Dezember. Auf das Gesuch einiger Bürger um Erlaubniß von Bürgerversammlungen, behufs Wahl von Abgeordneten zum Bürgerwehrkongreß in Breslau hat der Polizeipräsident geantwortet: „Der Herr General v. Wrangel Excellenz hat Ew. Wohlgeboren Vorstellung vom gestrigen Tage wegen Gestattung von Versammlungen der früheren hiesigen Bürgerwehr-Mitglieder, Behufs der Beschickung des allgemeinen Bürgerwehr-Kongresses zu Breslau, dem Polizeipräsidium mit dem Auftrage zugehen lassen, Sie auf Ihr Gesuch abschläglich zu bescheiden. Das Polizei-Präsidium entledigt sich dieses Auftrags mit dem Bemerken, daß sonach Versammlungen der gedachten Art nicht abgehalten werden dürfen.“ Berlin, den 5. Dezember 1848. Königl. Polizei-Präsidium. von Hinckeldey. Das Faroritblättchen der Brandenburg-Manteufel und Konsorten, die edle „Kreuzritterin“ mit „Gott für König und Junkerschaft“ enthält ein Artikelchen, das den Geist der siegreichen Kamarilla zu trefflich charakterisirt, als daß wir es den Lesern vorenthalten sollten. Das Artikelchen lautet: „Herr Bornemann ist am vergangenen Dienstag plötzlich in der Sitzung des betreffenden Senats des Geheimen Ober Tribunalä erschienen und hat ohne Weiteres von dem Präsidentenstuhl Besitz genommen. Die Räthe sollen im höchsten Grade überrascht ja entrüstet über dies Verfahren gewesen sein, haben aber dennoch sich diesem Vorsitz — wenigstens in dieser Sitzung — gefügt. Man ist höchst gespannt auf den weiteren Verlauf dieser Sache, und erwartet um so mehr ein dem hohen Berufe dieses ehrwürdigen Gerichtshofes würdiges Verhalten, als die Oberlandesgerichte zu Natibor, Bromberg und Münster — wie auf das Bestimmteste versichert werden kann — Se. Majestät den König in den stärksten Ausdrücken gebeten haben, sie vor der Schmach bewahren zu wollen, unter dem Vorsitz der Herren v. Kirchmann, Gierke und Temme dienen zu müssen. Es wäre in der That eine schärfere und beißendere Ironie auf die sonst so hochgeachtete preußische Justiz nicht denkbar, als wenn dergleichen Menschen, an deren Namen für immer das reine Gegentheil aller Achtung und alles Gehorsams vor Recht und Gesetz gebunden ist, in der Reihe preußischer Gerichtspräsidenten geduldet würden. Von den Herren Waldeck, Jung und allen radikalen Assessoren und Referendarien wollen wir hierbei gar nicht einmal reden, wiewohl die Säuberung nicht nur des Präsidenten- sondern auch des Richterstandes überhaupt von gefährlichen Verbrechern offenbar eine Hauptaufgabe der Regierung sein muß.“ 68 Breslau, 14. Dezember. Gegen den hiesigen Arzt, Dr. Borchardt, der, wie dieser Tage gemeldet, wegen Verleitung zum Hochverrath zu 12 Jahren Festung verurtheilt worden, ist heute, da er sich geflüchtet, der Steckbrief erschienen. Morgen um 9 Uhr Vormittags wird der preußische Bürgerwehr-Kongreß im Saale „zum deutschen Kaiser“ eröffnet werden. 118 Paderborn, 13. Dez. Am Montag den 11. wurde hierselbst der O.-L.-G.-Ref. Löher, Redakteur der Westf. Ztg. verhaftet. So viel man bis jetzt erfahren, ist er des Hochverraths angeklagt, weil er als Deputirter auf dem am 18., 19. u. 20. November in Münster abgehaltenen Kongresse für hochverrätherische Maßregeln gestimmt und gesprochen habe. Die Verhaftung dieses immer so gemäßigt auftretenden Mannes, brachte eine ungeheure Aufregung hervor, so daß man für den Abend besorgt wurde. In der Sitzung des Volksvereins, welche wie gewöhnlich am Montage stattfand, bemühten sich mehre Redner, das aufgeregte Volk zu beschwichtigen, es wurde auch ein Schreiben des Verhafteten vorgelesen, worin er bat, keine ungesetzlichen Schritte zu thun. Nachdem die Sitzung gegen 9 Uhr geschlossen war, zog eine Menge von 200-300 Personen vor das Inquisitorialsgebäude, brachte dem Gefangenen ein donnerndes Hoch und verlangte, ihn nochmal sprechen und Lebewohl sagen zu können. Es lag nicht in der Gewalt des hiesigen Richters, dieser Bitte zu willfahren, da der Verhaftsbefehl von dem Kriminal-Senat des Münster'schen Ober-Landesgerichts angeordnet war. Hätte jedoch der Herr Kriminal-Direktor Wichmann die Menge höflich und artig angeredet, statt, wozu noch gar kein Grund war, das Militär zu requiriren, so würde sich der Lärm verloren haben. Es kam ganz unerwartet eine Schwadron des hier garnisonirenden VI. Ulanen-Regiments mit gezogenem Pallasch angeritten und machten im scharfen Trabe eine Attaque. Mehrere brutale Unteroffiziere und Gemeine hieben in ihrem ungeheurem Diensteifer, der von den Offizieren gehörig angefeuert war, auf einzelne Personen, die an der Seite der Häuser standen, und namentlich auf die in den Nebenstraßen befindlichen Fensterscheiben ein, um so ihren Muth und ihre Todesverachtung durch die That zu beweisen. Es wurden in aller Eile einige Wagen quer über die Straßen gefahren, durch Feuerleitern, Bäume u. dgl. verbunden, und so anderweite Attaquen unmöglich gemacht, worauf das Militär in die Kaserne zurückzog. Späterhin bemühte sich dasselbe noch 2mal aus der Kaserne, um die abgesperrte Straße zu säubern. Die Menge hatte sich zum Theil verlaufen, und der Rest verhielt sich ruhig. Das waren die heroischen Thaten, die in Paderborns Mauern vorfielen und stets im Andenken bleiben werden. 121 Wien, 9. Dez. Wenn ich die Feder fasse, Ihnen zu schreiben, so kann ich's nur, indem ich mich überwinde. Wer könnte in einer Höhle gemeiner Schlingpflanzen, wiederkäuender Thiere und mordsüchtiger Bestien auch aufgeräumten Sinnes sein! — Der Drache Python hat gestern und vorgestern wiederum zwei Menschenopfer verschlungen; das längere Fasten schien ihn abzumagern, und er schrie: „Blut! Blut!“ Ein Ungar und ein Gardist wurden darauf erschossen; hinterher fand man es für gut, bekannt zu machen, sie hätten Waffen verborgen gehalten. Es ist kein wahres Wort daran. Aber man darf nicht glauben, daß keine Veranlassung mehr vorhanden, das Standrecht fortbestehen zu lassen. Darum hat man auch das Gerücht verbreitet, entschlossene Männer aus Sachsen seien nach Wien gekommen, um Python zu erlegen. Seien Sie versichert, nach einigen Tagen wird man einige Fremde — schon der Name macht vogelfrei — erschossen haben. Schon gestern sind unter dem Titel Fremde 60 Personen, deren einziges Verbrechen es gewesen, fremde Deutsche zu sein, auf dem Schub und unter Brutalitäten von hier fortgeschafft worden. Die 10

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Marx-Engels-Gesamtausgabe: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-20T13:08:10Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML (2017-03-20T13:08:10Z)
Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat (2017-03-20T13:08:10Z)

Weitere Informationen:

Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz171i_1848
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz171i_1848/2
Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 171. Köln, 17. Dezember 1848, S. 0920. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz171i_1848/2>, abgerufen am 20.04.2024.