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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 171. Köln, 17. Dezember 1848.

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Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 171. Köln, Sonntag den 17. Dezember. 1848.

Keine Steuern mehr!!!

Uebersicht.

Deutschland. Köln. (Die Ablösung der Feudallasten.) Wesseling. (Ursache des Belagerungszustandes.) Gütersloh. (Demokrat) Paderborn. (Die Reaction in Westphalen.) Minden. (Brief Lehrers.) Berlin (Erwartung wegen ministerieller Wahlbegriffe. -- Die Unterdrückung der "Zeitungshalle". -- Kirchmann's und Esser's Wiedereintritt in ihre Aemter. -- Aufforderung in Betreff des Kronsideicommisses. -- Eine Hinckeldey'sche Antwort und eine Charakterprobe aus der "N. Pr. Z.") Breslau. (Steckbrief gegen Dr. Borchardt. -- Der Bürgerwehrkongreß.) Wien. (Python's Blutgelüsten. -- Waffen. -- Spionage. -- Schmerlings alte Gesetze. -- Preußen und Oestreich. -- Die "Presse" und die "Augsburgerin". -- Die deutsche Kaiserkrone. -- Windischgrätz.) Frankfurt. (National-Versammlung.)

Italien. Turin. (Ministerkrisis).

Französische Republik. Das Numeriren und Addiren bei der Präsidentenwahl. -- Das Journal des Debats und L. Napoleon. -- Vermischtes.

Deutschland.
* Köln, 15. Dezbr.

"Mit Speck fängt man Mäuse!" Das weiß die gottbegnadete Regierung der Manteuffel und Konsorten nicht erst seit gestern. Vor dem März war das Lebenselement der christlich-germanischen Staatsverwaltung die Lüge und die Heuchelei und nach dem November macht sich das namliche Element wiederum so breit wie ehemals. Ja die christlich-germanische Perfidie und Tücke ist noch perfider und tückischer geworden. Wer sich davon überzeugen will, der nehme den "Preußischen Staatanzeiger" vom 12. d. zur Hand. Hier trifft er auf "Erläuterungen" über die vom königl. Patente vom 5. Dez. in kürzester Frist verheißenen dringlichen Gesetze. Das offizielle Blatt ist beauftragt, mitzutheilen, daß sich unter jenen bald erscheinenden Gesetzen das über die "unentgeldliche Aufhebung verschiedener Lasten und Abgaben der ländlichen Grundbesitzer" nicht befinden wird.

Eine derartige Ankündigung in ihrer reinen nackten Wahrheit hätte wahrscheinlich auf dem platten Lande, (in Westphalen, Schlesien, Sachsen, Pommern, der Mark, Preußen und dem rechten Rheinufer) wo noch die Feudalverhältnisse existiren, einen Sturm hervorgerufen, durch den alle Fäden der contrerevolutionären Verschwörung verwirrt und die saubern Pläne der neuen heiligen Allianz des Absolutismus vernichtet worden wären.

Um solcher Gefahr vorzubeugen, wickelt der "Preuß. Staatsanzeiger" seine "Erläuterungen in folgende Lügen ein:

"Wenn sich unter ihnen das Gesetz, betreffend die unentgeldliche Aufhebung verschiedener Lasten und Abgaben der ländlichen Grundbesitzer, nicht befindet, letzteres vielmehr nach dem weiteren Inhalte des königlichen Patentes den zunächst zusammentretenden Kammern vorgelegt werden soll, so beruht dies auf den hinsichtlich jenes Gesetzes obwaltenden besonderen Verhältnissen. Dasselbe ist in der jetzt aufgelös'ten National-Versammlung bereits zur Verhandlung gelangt, leider jedoch nur zum Theile wirklich berathen worden, und selbst diese Berathung und Beschließung ist um deswillen nicht als eine vollgültige anzusehen, weil die reglementsmäßige Schlußstimmung über das ganze Gesetz ausblieb. Die Ursachen hiervon sind bekannt genug Es braucht nur an die unaufhörlichen Interpellationen über Dinge erinnert zu werden, welche dem wahren Berufe der Versammlung gänzlich fern lagen. Das Gesetz hat aber auch Eigenthumsrechte zum Gegenstande, über welche schon nach der älteren Gesetzgebung nur unter dem Beirathe der ständischen Vertretung gesetzliche Bestimmungen getroffen werden konnten, weßhalb sein provisorischer Erlaß ohne Zweifel auf gewichtige Bedenken bei der Anwendung gestoßen sein würde. Nach dem Inhalte des Allerhöchsten Patents liegt die Hebung des Wohlstandes der ländlichen Bevölkerung der Staats-Regierung ganz besonders am Herzen. Mit Zuversicht ist zu erwarten, daß jenes wichtige Gesetz, dazu bestimmt, den Grund und Boden von drückenden Lasten zu entfesseln und die Verhältnisse der kleineren wie der großen Grundbesitzer auf dem Fundamente völliger Freiheit des Eigenthums und der Verfügung darüber dauernd festzustellen, von den zunächst zusammentretenden Kammern in kurzer Frist genehmigt werden wird."

Wie man hieraus sieht, wird die Schuld, daß das für Millionen von Landleuten zur Lebensfrage gewordene Gesetz vorläufig nicht erscheinen kann, in ebenso lügenhafter als perfider Weise auf die mit Bajonetten auseinander gejagte Nationalversammlung gewälzt. Zwar sei jenes Gesetz zur Verhandlung gelangt, "leider" jedoch nur zum Theile wirklich berathen worden! Und warum sei das Gesetz nicht zu Stande gekommen? Weil sich die Nationalversammlung mit unaufhörlichen Interpellationen beschäftigt habe, die ihrem wahren Berufe gänzlich fern gelegen!

Wahrhaftig, nur die Brandenburg-Manteuffel'sche Presse ist fähig, der Wahrheit mit solch bodenloser Unverschämtheit ins Gesicht zu schlagen.

Gerade die Furcht vor jenem Gesetze war ein Hauptgrund für die Reaktion, die Nationalversammlung aufzulösen. Der Sturz der letzteren war längst beschlossen. Es handelte sich nur um den passendsten Moment.

Schon als das Jagdgesetz durchgegangen war, wollte die Kamarilla den Staatsstreich wagen. Allein so sehr es den "noblen Passionen" der bevorrechteten Klass[e] ein Stich durchs Herz war, ebenso freudig wurde es von der ganzen übrigen Masse des Volkes begrüßt. Der König verzögerte die Genehmigung des Gesetzes. Da kam eine von den Interpellationen, die der Manteuffel'sche Staatsanzeiger mit so melancholischen Seufzern als das Ur-Unheil darstellt: und siehe da, die gottbegnadete Krone mußte das Jagdgesetz unterschreiben. An diesem Tage herrschte Trauer und Wuth in den hohen Sälen zu Potsdam und auf den Schlössern der Krautjunker und Gewaltigen. Man hatte begriffen, daß jetzt die Nationalversammlung antasten, geheißen hätte, sich unbedacht in die augenscheinlichste Gefahr stürzen.

Es kam jetzt darauf an, die Nationalversammlung nicht zum formellen Abschluß ihrer Berathungen über die gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse gelangen zu lassen. Konnte man das nicht verhindern, so war ja die ganze mittelalterliche Adelswirthschaft für immer gestürzt und die "Stützen der Krone" wären zusammengebröckelt, wie faules Holz.

Klar ging es ja aus den Verhandlungen der Nationalversammlung hervor, daß den gnädigen Gutsherren die fettesten Bissen ohne Entschädigung würden abgesprochen und die so lange mit Füßen getretenen Rechte des Landmannes endlich anerkannt und festgestellt werden.

Bedenkt man, daß ein einziger Graf in Schlesien, der noch lange nicht zu den größten Grundbesitzern gehört, bisher jährlich 56,000 Thlr. an Silberzinsen, Laudemien, Wächter-, Spinn-, Hühnergeld u. s. w. bezog: so wird es Niemanden wundern, daß die in ihren Vorrechten und in ihrem Geldsack bedrohte Klasse Himmel und Hölle in Bewegung setzte, um diesen Schlag abzupariren und ihm durch einen Staatsstreich zuvorzukommen.

Es war nun Gefahr im Verzuge. Schon hatte die National-Versammlung den Adel, die Orden und das liebliche "von Gottes Gnaden" abgeschafft und sie war nahe daran, die Mästung der gnädigen Gutsherren durch den Schweiß des Landmannes ohne Entgeld ebenfalls zu beseitigen.

Daher Wrangels Einrücken, daher die "wilde Jagd" auf die Nationalversammlung, daher ihre endliche, schon längst beschlossene Auflösung.

Die christlich-germanische Regierung betrachtet das Gesetz über die gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse als kein dringliches. Sie wird es aber den Kammern vorlegen.

Weshalb? Weil sie sicher ist, daß der Beutel der Gutsherren sich dann wieder auf Kosten des Landmannes füllen und die Ablösung zwar nicht für den Bauer, aber desto mehr für den gnädigen Gutsherrn einträglich sein wird.

Brandenburg-Manteuffel wissen sehr gut, daß in der ersten Kammer Leute sitzen werden, deren Interesse es ist, jedes zu Gunsten des Landmannes lautende Gesetz zurückzuweisen. Mag die zweite Kammer ein noch so liberales Gesetz annehmen: an der ersten Kammer wird jeder Versuch, es durchzusetzen, scheitern.

Auf diesem Wege hat dann die christlich-germanische Regierung gewonnenes Spiel.

Hätte sie jetzt, noch vor Zusammentritt der Kammern, ein Gesetz über die bäuerlichen Verhältnisse erlassen: so kam der Inhalt auf ihre Rechnung.

Hätte sie die Nationalversammlung nicht auseinandergejagt: so wäre von letzterer das Erlösungsgesetz für den Landmann wahrscheinlich im demokratischen Sinne angenommen worden. Der Regierung blieb dann nur die Alternative: Annehmen oder Ablehnen? Im erstern Falle stürzte die ganze Feudalwirthschaft zusammen und in "gnädige", "hohe," "höchste" u. s. w. Geldbeutel kam ein bedeutendes Loch; im letzteren nahm man dem ganzen Bauernstande über das Königthum "von Gottes Gnaden" die Schuppen von den Augen und ein allgemeiner Aufstand gegen die Contrerevolution, bevor diese mit allen ihren Zurüstungen fertig war, zeigte sich als unvermeidliche Folge.

Nachdem nun der Staatsstreich durchgegangen und eine erste Kammer oktroyirt ist, in welcher, Dank dem neuen Wahlgesetze, hauptsächlich gnädige Herren und hohe Beamte sitzen werden: dient diese erste Kammer zum Blitzableiter. Die gottbegnadete Regierung hat somit ihren Kopf aus der Schlinge gezogen. Sie weiß im Voraus, daß die erste Kammer niemals das von der Nationalversammlung, wenn auch nicht formell, beendigte Erlösungsgesetz für das Landvolk passiren lassen wird. So bleibts dann halter beim Alten! Un[d] die Schuld kann dann nicht auf die Regierung, sondern auf die erste Kammer.

Vorläufig werden den Bauern noch Hoffnungen gemacht. Stehen doch die Wahlen vor der Thür! Sind nun die Bauern, namentlich in Schlesien und Westphalen, so einfältig, sich durch die Lügen und Vorspiegelungen des "Preuß. Staatsanzeigers" kirren zu lassen, so werden sie binnen einem halben Jahre mit Schrecken gewahren, auf welcher "breitesten Grundlage" des christlich-germanischen Staats sie vollständig geprellt dastehen.

Gerade über diesen Punkt das Landvolk aufzuklären, ist Pflicht der demokratischen und Rustikalvereine in Westphalen und Schlesien. Geschieht dies bald und kräftig, so wird in kurzer Zeit der Contrerevolution eine Phalanx gegenüber treten, an der sich nicht blos die Manteuffel, sondern auch alle übrigen Teufel des christlich-germanischen Pandämoniums ihre Schädel einrennen dürften.

43 Wesseling bei Köln, im Dezember 1848.

Freiherr Max von Geyr ist seit etwa 28 Jahren unser Bürgermeister. Er residirt hier; seine Gemahlin hat vor vielen Jahren den Freiherrn verlassen -- aus Gründen welche hier von Haus zu Haus erfragt, auch jetzt hier noch bemerkt werden können; er ist 72 Jahre alt. -- Wie es auf dem Lande geht, haben unsere Gemeinderäthe etc. durch Jasagen und unterschreiben von je her -- meist unverstanden -- das gutgeheißen, was der Bürgermeister gewollt: Unumschränkte Herrschaft erreichte er dadurch bei uns. -- Die politischen Ereignisse dieses Jahrs brachten endlich auch hier ein offenes Aussprechen der Gesinnungen gegen die Ortsbehörde zu Wege. Auf Veranlassung eines hiesigen Bürgervereins fand am 3. d. M. eine Bürgermeisterei-Versammlung Statt, welche von mehr als 550 Steuerpflichtigen besucht war. Eine von fast allen Einsassen unterschriebene Erklärung gab die allgemeine Mißliebigkeit unseres Bürgermeisters kund. Drei Viertel aller Gemeinderäthe erklärten zugleich schriftlich, unter diesem Bürgermeister könnten sie nicht zum Wohle ihrer Mitbürger wirken, sie träten daher ab. Auf ein- [Fortsetzung]

Leben und Thaten des berühmten Ritters Schnapphahnski.
Zweite Abtheilung. -- Zweites Kapitel.

Ich führe meine Leser in das geräumige Gemach eines alten schlesischen Schlosses. Es ist Abend geworden. Der letzte Strahl des Tages bricht durch die schweren seidenen Vorhänge und treibt sein Spiel mit den Flammen des Kamins, der immer lustigere Streiflichter auf den grünen Teppich wirft, auf die kolossalen Spiegel der Wände und auf eine Reihe vornehm adliger Köpfe, die aus goldnen Rahmen ernst und feierlich niedersehen.

Die Luft des Gemaches ist duftig warm. Der Rauch der besten Havanna Cigarren zieht in blauen Wölkchen vorüber und auf dem Marmorgesims des Kamins dampft Punsch und Grog aus krystallenen Gläsern. Zur Rechten und zur Linken des Feuers bemerken wir in zwei großen Sesseln zwei junge Männer, die Beine dem Feuer behaglich entgegen streckend.

Der Eine, den Ellenbogen in die Lehne des Sessels drückend, stützt den schönen schwarzgelockten Kopf auf die schneeweiße Hand. Die Flammen des Kamins spiegeln sich in seinem dunklen Auge. Er scheint in tiefes Sinnen versunken. Minutenlang liegt er regungslos da; aber plötzlich fährt er zusammen, er streicht die Locken von der Stirn und die halberloschene Cigarre aufs Neue an die Lippen führend, lacht er und zeigt unter dem kohlschwarzen Schnurrbart, eine Perlenreihe der schönsten Zähne.

Der zweite der jungen Raucher bildet den besten Kontrast zu dem Ersteren. Er ist lang, dünn, trocken, blondharig, mit kahler Glatze -- eine etwas ruinirte Erscheinung, die durch fashionable Manieren den frühen Verlust aller übrigen körperlichen Reize wieder gut zu machen strebt. Der Blonde weiß sehr graziös zu rauchen, aber nur selten greift er nach seinem Grog, den er, statt zu trinken, wie aus Langerweile, nachläßig in den Kamin schüttet. Mit einem ironischen Lächeln blickt er auf den sinnenden Freund.

"Trösten Sie sich" -- beginnt endlich der Blonde -- "trösten Sie sich, Ritter, Sie werden die Herzogin jedenfalls noch heute Abend zu Gesichte bekommen. Sie werden eine geistreiche Dame kennen lernen."

Der Schwarzgelockte hebt sich langsam im Sessel empor: ""Sagen Sie mir zum zwanzigsten Male, Graf, glauben Sie wirklich, daß ich reussiren werde?""

"Das hängt einzig und allein von Ihnen ab; übrigens werde ich Sie nach Kräften unterstützen -- --"

""Ich schenke Ihnen meinen schönsten Hengst!""

"Einen Hengst für eine Herzogin! Es thut mir nur leid, daß ich nicht mehr so gut wie früher mit ihr stehe."

""Wie so, Graf?""

"Ich sagte der Herzogin einst, daß ich aus reiner Sympathie eine kahle Glatze trüge: und sehen Sie, das konnte sie mir nie vergessen."

""Armer Mann -- --""

"Ja, wahrhaftig, hüten Sie sich davor, die leiblichen Schönheiten der Herzogin näher zu besprechen. Loben Sie nur ja nicht ihre glänzenden schwarzen Haare, ihre herrlichen Zähne, oder ihren eleganten Wuchs, -- die Herzogin würde dies für die abscheulichste Ironie halten, denn alles Lob fiele auf den Perruquier zurück, auf den Zahnarzt und auf ähnliche nützliche Mitglieder der menschlichen Gesellschaft."

""Aber was soll ich thun -- ?""

"Ich setze voraus, daß Sie nicht von der Herzogin benutzt zu werden wünschen, sondern daß Sie die Herzogin benutzen wollen?"

""Allerdings!""

"Sie müssen daher die Herzogin zu unterjochen suchen."

""Sehr richtig!""

"Und es stehen Ihnen zwei Wege zu diesem Ziele offen."

""Welche?""

"Entweder müssen Sie als Tyrann auftreten -- oder als harmloser Schäfer. Das eine Mal werden Sie durch Ihre Keckheit, durch Ihre Unverschämtheit, die Eitelkeit der Herzogin in so barbarischer Weise aufstacheln, daß sie es sich zur Ehrensache macht, Ihnen nur nach dem fürchterlichsten Kampfe das Feld zu räumen. Ein wahres Gemetzel von Blicken, Worten, Ränken und Intriguen wird sich zwischen ihnen entwickeln. Sie werden, ohne die Eitelkeit der Herzogin zu verletzen, jede ihrer Frechheiten durch eine eklatantere Bosheit zu überbieten wissen. Ihre List, werden Sie durch List umgehen, ihrer Lüge, werden Sie durch noch größere Lügen imponiren, die Renommage mit ihren galantesten Sünden werden Sie durch die Erzählung galanterer Abentheuer zu paralisiren suchen. Malt die Herzogin grau, so malen Sie schwarz; malt sie roth, so malen Sie purpurroth, und ist es zuletzt nicht mehr möglich, sie im Raffinirtsein zu überbieten, da schlagen Sie plötzlich in das ganz Entgegengesetzte um, und vernichten Ihre Gegnerin durch das Einfache. Sie treiben die Herzogin bis auf den Chimborazzo des Unerhörten und lassen sie plötzlich in den flachen Sand des Allergewöhnlichsten fallen, und ich bin gewiß, daß Sie zuletzt siegen, daß das raffinirte Alter der raffinirten Jugend weichen muß, daß die Herzogin zum Rückzug bläßt, ja daß sie enttäuscht zusammen sinkt, daß sie ächzt und winselt -- aber dann erst ist der Augenblick gekommen, wo Sie Ihrem Feldzuge die Krone aufsetzen.

Denn statt den Fuß siegend auf ihren Nacken zu setzen, verzichten Sie plötzlich auf den Ruhm der gewonnenen Schlacht; statt zu triumphiren, machen Sie Ihren Triumph zu den Triumph der Herzogin; während sie Ihnen zu Füßen fallen will, kommen Sie der Herzogin zuvor, und fallen ihr zu Füßen, ein sentimen-

Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 171. Köln, Sonntag den 17. Dezember. 1848.

Keine Steuern mehr!!!

Uebersicht.

Deutschland. Köln. (Die Ablösung der Feudallasten.) Wesseling. (Ursache des Belagerungszustandes.) Gütersloh. (Demokrat) Paderborn. (Die Reaction in Westphalen.) Minden. (Brief Lehrers.) Berlin (Erwartung wegen ministerieller Wahlbegriffe. — Die Unterdrückung der „Zeitungshalle“. — Kirchmann's und Esser's Wiedereintritt in ihre Aemter. — Aufforderung in Betreff des Kronsideicommisses. — Eine Hinckeldey'sche Antwort und eine Charakterprobe aus der „N. Pr. Z.“) Breslau. (Steckbrief gegen Dr. Borchardt. — Der Bürgerwehrkongreß.) Wien. (Python's Blutgelüsten. — Waffen. — Spionage. — Schmerlings alte Gesetze. — Preußen und Oestreich. — Die „Presse“ und die „Augsburgerin“. — Die deutsche Kaiserkrone. — Windischgrätz.) Frankfurt. (National-Versammlung.)

Italien. Turin. (Ministerkrisis).

Französische Republik. Das Numeriren und Addiren bei der Präsidentenwahl. — Das Journal des Debats und L. Napoleon. — Vermischtes.

Deutschland.
* Köln, 15. Dezbr.

„Mit Speck fängt man Mäuse!“ Das weiß die gottbegnadete Regierung der Manteuffel und Konsorten nicht erst seit gestern. Vor dem März war das Lebenselement der christlich-germanischen Staatsverwaltung die Lüge und die Heuchelei und nach dem November macht sich das namliche Element wiederum so breit wie ehemals. Ja die christlich-germanische Perfidie und Tücke ist noch perfider und tückischer geworden. Wer sich davon überzeugen will, der nehme den „Preußischen Staatanzeiger“ vom 12. d. zur Hand. Hier trifft er auf „Erläuterungen“ über die vom königl. Patente vom 5. Dez. in kürzester Frist verheißenen dringlichen Gesetze. Das offizielle Blatt ist beauftragt, mitzutheilen, daß sich unter jenen bald erscheinenden Gesetzen das über die „unentgeldliche Aufhebung verschiedener Lasten und Abgaben der ländlichen Grundbesitzer“ nicht befinden wird.

Eine derartige Ankündigung in ihrer reinen nackten Wahrheit hätte wahrscheinlich auf dem platten Lande, (in Westphalen, Schlesien, Sachsen, Pommern, der Mark, Preußen und dem rechten Rheinufer) wo noch die Feudalverhältnisse existiren, einen Sturm hervorgerufen, durch den alle Fäden der contrerevolutionären Verschwörung verwirrt und die saubern Pläne der neuen heiligen Allianz des Absolutismus vernichtet worden wären.

Um solcher Gefahr vorzubeugen, wickelt der „Preuß. Staatsanzeiger“ seine „Erläuterungen in folgende Lügen ein:

„Wenn sich unter ihnen das Gesetz, betreffend die unentgeldliche Aufhebung verschiedener Lasten und Abgaben der ländlichen Grundbesitzer, nicht befindet, letzteres vielmehr nach dem weiteren Inhalte des königlichen Patentes den zunächst zusammentretenden Kammern vorgelegt werden soll, so beruht dies auf den hinsichtlich jenes Gesetzes obwaltenden besonderen Verhältnissen. Dasselbe ist in der jetzt aufgelös'ten National-Versammlung bereits zur Verhandlung gelangt, leider jedoch nur zum Theile wirklich berathen worden, und selbst diese Berathung und Beschließung ist um deswillen nicht als eine vollgültige anzusehen, weil die reglementsmäßige Schlußstimmung über das ganze Gesetz ausblieb. Die Ursachen hiervon sind bekannt genug Es braucht nur an die unaufhörlichen Interpellationen über Dinge erinnert zu werden, welche dem wahren Berufe der Versammlung gänzlich fern lagen. Das Gesetz hat aber auch Eigenthumsrechte zum Gegenstande, über welche schon nach der älteren Gesetzgebung nur unter dem Beirathe der ständischen Vertretung gesetzliche Bestimmungen getroffen werden konnten, weßhalb sein provisorischer Erlaß ohne Zweifel auf gewichtige Bedenken bei der Anwendung gestoßen sein würde. Nach dem Inhalte des Allerhöchsten Patents liegt die Hebung des Wohlstandes der ländlichen Bevölkerung der Staats-Regierung ganz besonders am Herzen. Mit Zuversicht ist zu erwarten, daß jenes wichtige Gesetz, dazu bestimmt, den Grund und Boden von drückenden Lasten zu entfesseln und die Verhältnisse der kleineren wie der großen Grundbesitzer auf dem Fundamente völliger Freiheit des Eigenthums und der Verfügung darüber dauernd festzustellen, von den zunächst zusammentretenden Kammern in kurzer Frist genehmigt werden wird.“

Wie man hieraus sieht, wird die Schuld, daß das für Millionen von Landleuten zur Lebensfrage gewordene Gesetz vorläufig nicht erscheinen kann, in ebenso lügenhafter als perfider Weise auf die mit Bajonetten auseinander gejagte Nationalversammlung gewälzt. Zwar sei jenes Gesetz zur Verhandlung gelangt, „leider“ jedoch nur zum Theile wirklich berathen worden! Und warum sei das Gesetz nicht zu Stande gekommen? Weil sich die Nationalversammlung mit unaufhörlichen Interpellationen beschäftigt habe, die ihrem wahren Berufe gänzlich fern gelegen!

Wahrhaftig, nur die Brandenburg-Manteuffel'sche Presse ist fähig, der Wahrheit mit solch bodenloser Unverschämtheit ins Gesicht zu schlagen.

Gerade die Furcht vor jenem Gesetze war ein Hauptgrund für die Reaktion, die Nationalversammlung aufzulösen. Der Sturz der letzteren war längst beschlossen. Es handelte sich nur um den passendsten Moment.

Schon als das Jagdgesetz durchgegangen war, wollte die Kamarilla den Staatsstreich wagen. Allein so sehr es den „noblen Passionen“ der bevorrechteten Klass[e] ein Stich durchs Herz war, ebenso freudig wurde es von der ganzen übrigen Masse des Volkes begrüßt. Der König verzögerte die Genehmigung des Gesetzes. Da kam eine von den Interpellationen, die der Manteuffel'sche Staatsanzeiger mit so melancholischen Seufzern als das Ur-Unheil darstellt: und siehe da, die gottbegnadete Krone mußte das Jagdgesetz unterschreiben. An diesem Tage herrschte Trauer und Wuth in den hohen Sälen zu Potsdam und auf den Schlössern der Krautjunker und Gewaltigen. Man hatte begriffen, daß jetzt die Nationalversammlung antasten, geheißen hätte, sich unbedacht in die augenscheinlichste Gefahr stürzen.

Es kam jetzt darauf an, die Nationalversammlung nicht zum formellen Abschluß ihrer Berathungen über die gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse gelangen zu lassen. Konnte man das nicht verhindern, so war ja die ganze mittelalterliche Adelswirthschaft für immer gestürzt und die „Stützen der Krone“ wären zusammengebröckelt, wie faules Holz.

Klar ging es ja aus den Verhandlungen der Nationalversammlung hervor, daß den gnädigen Gutsherren die fettesten Bissen ohne Entschädigung würden abgesprochen und die so lange mit Füßen getretenen Rechte des Landmannes endlich anerkannt und festgestellt werden.

Bedenkt man, daß ein einziger Graf in Schlesien, der noch lange nicht zu den größten Grundbesitzern gehört, bisher jährlich 56,000 Thlr. an Silberzinsen, Laudemien, Wächter-, Spinn-, Hühnergeld u. s. w. bezog: so wird es Niemanden wundern, daß die in ihren Vorrechten und in ihrem Geldsack bedrohte Klasse Himmel und Hölle in Bewegung setzte, um diesen Schlag abzupariren und ihm durch einen Staatsstreich zuvorzukommen.

Es war nun Gefahr im Verzuge. Schon hatte die National-Versammlung den Adel, die Orden und das liebliche „von Gottes Gnaden“ abgeschafft und sie war nahe daran, die Mästung der gnädigen Gutsherren durch den Schweiß des Landmannes ohne Entgeld ebenfalls zu beseitigen.

Daher Wrangels Einrücken, daher die „wilde Jagd“ auf die Nationalversammlung, daher ihre endliche, schon längst beschlossene Auflösung.

Die christlich-germanische Regierung betrachtet das Gesetz über die gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse als kein dringliches. Sie wird es aber den Kammern vorlegen.

Weshalb? Weil sie sicher ist, daß der Beutel der Gutsherren sich dann wieder auf Kosten des Landmannes füllen und die Ablösung zwar nicht für den Bauer, aber desto mehr für den gnädigen Gutsherrn einträglich sein wird.

Brandenburg-Manteuffel wissen sehr gut, daß in der ersten Kammer Leute sitzen werden, deren Interesse es ist, jedes zu Gunsten des Landmannes lautende Gesetz zurückzuweisen. Mag die zweite Kammer ein noch so liberales Gesetz annehmen: an der ersten Kammer wird jeder Versuch, es durchzusetzen, scheitern.

Auf diesem Wege hat dann die christlich-germanische Regierung gewonnenes Spiel.

Hätte sie jetzt, noch vor Zusammentritt der Kammern, ein Gesetz über die bäuerlichen Verhältnisse erlassen: so kam der Inhalt auf ihre Rechnung.

Hätte sie die Nationalversammlung nicht auseinandergejagt: so wäre von letzterer das Erlösungsgesetz für den Landmann wahrscheinlich im demokratischen Sinne angenommen worden. Der Regierung blieb dann nur die Alternative: Annehmen oder Ablehnen? Im erstern Falle stürzte die ganze Feudalwirthschaft zusammen und in „gnädige“, „hohe,“ „höchste“ u. s. w. Geldbeutel kam ein bedeutendes Loch; im letzteren nahm man dem ganzen Bauernstande über das Königthum „von Gottes Gnaden“ die Schuppen von den Augen und ein allgemeiner Aufstand gegen die Contrerevolution, bevor diese mit allen ihren Zurüstungen fertig war, zeigte sich als unvermeidliche Folge.

Nachdem nun der Staatsstreich durchgegangen und eine erste Kammer oktroyirt ist, in welcher, Dank dem neuen Wahlgesetze, hauptsächlich gnädige Herren und hohe Beamte sitzen werden: dient diese erste Kammer zum Blitzableiter. Die gottbegnadete Regierung hat somit ihren Kopf aus der Schlinge gezogen. Sie weiß im Voraus, daß die erste Kammer niemals das von der Nationalversammlung, wenn auch nicht formell, beendigte Erlösungsgesetz für das Landvolk passiren lassen wird. So bleibts dann halter beim Alten! Un[d] die Schuld kann dann nicht auf die Regierung, sondern auf die erste Kammer.

Vorläufig werden den Bauern noch Hoffnungen gemacht. Stehen doch die Wahlen vor der Thür! Sind nun die Bauern, namentlich in Schlesien und Westphalen, so einfältig, sich durch die Lügen und Vorspiegelungen des „Preuß. Staatsanzeigers“ kirren zu lassen, so werden sie binnen einem halben Jahre mit Schrecken gewahren, auf welcher „breitesten Grundlage“ des christlich-germanischen Staats sie vollständig geprellt dastehen.

Gerade über diesen Punkt das Landvolk aufzuklären, ist Pflicht der demokratischen und Rustikalvereine in Westphalen und Schlesien. Geschieht dies bald und kräftig, so wird in kurzer Zeit der Contrerevolution eine Phalanx gegenüber treten, an der sich nicht blos die Manteuffel, sondern auch alle übrigen Teufel des christlich-germanischen Pandämoniums ihre Schädel einrennen dürften.

43 Wesseling bei Köln, im Dezember 1848.

Freiherr Max von Geyr ist seit etwa 28 Jahren unser Bürgermeister. Er residirt hier; seine Gemahlin hat vor vielen Jahren den Freiherrn verlassen — aus Gründen welche hier von Haus zu Haus erfragt, auch jetzt hier noch bemerkt werden können; er ist 72 Jahre alt. — Wie es auf dem Lande geht, haben unsere Gemeinderäthe etc. durch Jasagen und unterschreiben von je her — meist unverstanden — das gutgeheißen, was der Bürgermeister gewollt: Unumschränkte Herrschaft erreichte er dadurch bei uns. — Die politischen Ereignisse dieses Jahrs brachten endlich auch hier ein offenes Aussprechen der Gesinnungen gegen die Ortsbehörde zu Wege. Auf Veranlassung eines hiesigen Bürgervereins fand am 3. d. M. eine Bürgermeisterei-Versammlung Statt, welche von mehr als 550 Steuerpflichtigen besucht war. Eine von fast allen Einsassen unterschriebene Erklärung gab die allgemeine Mißliebigkeit unseres Bürgermeisters kund. Drei Viertel aller Gemeinderäthe erklärten zugleich schriftlich, unter diesem Bürgermeister könnten sie nicht zum Wohle ihrer Mitbürger wirken, sie träten daher ab. Auf ein- [Fortsetzung]

Leben und Thaten des berühmten Ritters Schnapphahnski.
Zweite Abtheilung. — Zweites Kapitel.

Ich führe meine Leser in das geräumige Gemach eines alten schlesischen Schlosses. Es ist Abend geworden. Der letzte Strahl des Tages bricht durch die schweren seidenen Vorhänge und treibt sein Spiel mit den Flammen des Kamins, der immer lustigere Streiflichter auf den grünen Teppich wirft, auf die kolossalen Spiegel der Wände und auf eine Reihe vornehm adliger Köpfe, die aus goldnen Rahmen ernst und feierlich niedersehen.

Die Luft des Gemaches ist duftig warm. Der Rauch der besten Havanna Cigarren zieht in blauen Wölkchen vorüber und auf dem Marmorgesims des Kamins dampft Punsch und Grog aus krystallenen Gläsern. Zur Rechten und zur Linken des Feuers bemerken wir in zwei großen Sesseln zwei junge Männer, die Beine dem Feuer behaglich entgegen streckend.

Der Eine, den Ellenbogen in die Lehne des Sessels drückend, stützt den schönen schwarzgelockten Kopf auf die schneeweiße Hand. Die Flammen des Kamins spiegeln sich in seinem dunklen Auge. Er scheint in tiefes Sinnen versunken. Minutenlang liegt er regungslos da; aber plötzlich fährt er zusammen, er streicht die Locken von der Stirn und die halberloschene Cigarre aufs Neue an die Lippen führend, lacht er und zeigt unter dem kohlschwarzen Schnurrbart, eine Perlenreihe der schönsten Zähne.

Der zweite der jungen Raucher bildet den besten Kontrast zu dem Ersteren. Er ist lang, dünn, trocken, blondharig, mit kahler Glatze — eine etwas ruinirte Erscheinung, die durch fashionable Manieren den frühen Verlust aller übrigen körperlichen Reize wieder gut zu machen strebt. Der Blonde weiß sehr graziös zu rauchen, aber nur selten greift er nach seinem Grog, den er, statt zu trinken, wie aus Langerweile, nachläßig in den Kamin schüttet. Mit einem ironischen Lächeln blickt er auf den sinnenden Freund.

„Trösten Sie sich“ — beginnt endlich der Blonde — „trösten Sie sich, Ritter, Sie werden die Herzogin jedenfalls noch heute Abend zu Gesichte bekommen. Sie werden eine geistreiche Dame kennen lernen.“

Der Schwarzgelockte hebt sich langsam im Sessel empor: „„Sagen Sie mir zum zwanzigsten Male, Graf, glauben Sie wirklich, daß ich reussiren werde?““

„Das hängt einzig und allein von Ihnen ab; übrigens werde ich Sie nach Kräften unterstützen — —“

„„Ich schenke Ihnen meinen schönsten Hengst!““

„Einen Hengst für eine Herzogin! Es thut mir nur leid, daß ich nicht mehr so gut wie früher mit ihr stehe.“

„„Wie so, Graf?““

„Ich sagte der Herzogin einst, daß ich aus reiner Sympathie eine kahle Glatze trüge: und sehen Sie, das konnte sie mir nie vergessen.“

„„Armer Mann — —““

„Ja, wahrhaftig, hüten Sie sich davor, die leiblichen Schönheiten der Herzogin näher zu besprechen. Loben Sie nur ja nicht ihre glänzenden schwarzen Haare, ihre herrlichen Zähne, oder ihren eleganten Wuchs, — die Herzogin würde dies für die abscheulichste Ironie halten, denn alles Lob fiele auf den Perruquier zurück, auf den Zahnarzt und auf ähnliche nützliche Mitglieder der menschlichen Gesellschaft.“

„„Aber was soll ich thun — ?““

„Ich setze voraus, daß Sie nicht von der Herzogin benutzt zu werden wünschen, sondern daß Sie die Herzogin benutzen wollen?“

„„Allerdings!““

„Sie müssen daher die Herzogin zu unterjochen suchen.“

„„Sehr richtig!““

„Und es stehen Ihnen zwei Wege zu diesem Ziele offen.“

„„Welche?““

„Entweder müssen Sie als Tyrann auftreten — oder als harmloser Schäfer. Das eine Mal werden Sie durch Ihre Keckheit, durch Ihre Unverschämtheit, die Eitelkeit der Herzogin in so barbarischer Weise aufstacheln, daß sie es sich zur Ehrensache macht, Ihnen nur nach dem fürchterlichsten Kampfe das Feld zu räumen. Ein wahres Gemetzel von Blicken, Worten, Ränken und Intriguen wird sich zwischen ihnen entwickeln. Sie werden, ohne die Eitelkeit der Herzogin zu verletzen, jede ihrer Frechheiten durch eine eklatantere Bosheit zu überbieten wissen. Ihre List, werden Sie durch List umgehen, ihrer Lüge, werden Sie durch noch größere Lügen imponiren, die Renommage mit ihren galantesten Sünden werden Sie durch die Erzählung galanterer Abentheuer zu paralisiren suchen. Malt die Herzogin grau, so malen Sie schwarz; malt sie roth, so malen Sie purpurroth, und ist es zuletzt nicht mehr möglich, sie im Raffinirtsein zu überbieten, da schlagen Sie plötzlich in das ganz Entgegengesetzte um, und vernichten Ihre Gegnerin durch das Einfache. Sie treiben die Herzogin bis auf den Chimborazzo des Unerhörten und lassen sie plötzlich in den flachen Sand des Allergewöhnlichsten fallen, und ich bin gewiß, daß Sie zuletzt siegen, daß das raffinirte Alter der raffinirten Jugend weichen muß, daß die Herzogin zum Rückzug bläßt, ja daß sie enttäuscht zusammen sinkt, daß sie ächzt und winselt — aber dann erst ist der Augenblick gekommen, wo Sie Ihrem Feldzuge die Krone aufsetzen.

Denn statt den Fuß siegend auf ihren Nacken zu setzen, verzichten Sie plötzlich auf den Ruhm der gewonnenen Schlacht; statt zu triumphiren, machen Sie Ihren Triumph zu den Triumph der Herzogin; während sie Ihnen zu Füßen fallen will, kommen Sie der Herzogin zuvor, und fallen ihr zu Füßen, ein sentimen-

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          <docDate>No 171. Köln, Sonntag den 17. Dezember. 1848.</docDate>
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        <epigraph>
          <p> <hi rendition="#b">Keine Steuern mehr!!!</hi> </p>
        </epigraph>
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        <head>Uebersicht.</head>
        <p><hi rendition="#g">Deutschland</hi>. Köln. (Die Ablösung der Feudallasten.) Wesseling. (Ursache des Belagerungszustandes.) Gütersloh. (Demokrat) Paderborn. (Die Reaction in Westphalen.) Minden. (Brief Lehrers.) Berlin (Erwartung wegen ministerieller Wahlbegriffe. &#x2014; Die Unterdrückung der &#x201E;Zeitungshalle&#x201C;. &#x2014; Kirchmann's und Esser's Wiedereintritt in ihre Aemter. &#x2014; Aufforderung in Betreff des Kronsideicommisses. &#x2014; Eine Hinckeldey'sche Antwort und eine Charakterprobe aus der &#x201E;N. Pr. Z.&#x201C;) Breslau. (Steckbrief gegen Dr. Borchardt. &#x2014; Der Bürgerwehrkongreß.) Wien. (Python's Blutgelüsten. &#x2014; Waffen. &#x2014; Spionage. &#x2014; Schmerlings alte Gesetze. &#x2014; Preußen und Oestreich. &#x2014; Die &#x201E;Presse&#x201C; und die &#x201E;Augsburgerin&#x201C;. &#x2014; Die deutsche Kaiserkrone. &#x2014; Windischgrätz.) Frankfurt. (National-Versammlung.)</p>
        <p><hi rendition="#g">Italien</hi>. Turin. (Ministerkrisis).</p>
        <p><hi rendition="#g">Französische Republik</hi>. Das Numeriren und Addiren bei der Präsidentenwahl. &#x2014; Das Journal des Debats und L. Napoleon. &#x2014; Vermischtes.</p>
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        <head>Deutschland.</head>
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          <head><bibl><author>*</author></bibl> Köln, 15. Dezbr.</head>
          <p>&#x201E;Mit Speck fängt man Mäuse!&#x201C; Das weiß die gottbegnadete Regierung der Manteuffel und Konsorten nicht erst seit gestern. <hi rendition="#g">Vor</hi> dem März war das Lebenselement der christlich-germanischen Staatsverwaltung die Lüge und die Heuchelei und <hi rendition="#g">nach</hi> dem November macht sich das namliche Element wiederum so breit wie ehemals. Ja die christlich-germanische Perfidie und Tücke ist noch perfider und tückischer geworden. Wer sich davon überzeugen will, der nehme den &#x201E;Preußischen Staatanzeiger&#x201C; vom 12. d. zur Hand. Hier trifft er auf &#x201E;Erläuterungen&#x201C; über die vom königl. Patente vom 5. Dez. in kürzester Frist verheißenen dringlichen Gesetze. Das offizielle Blatt ist beauftragt, mitzutheilen, daß sich unter jenen bald erscheinenden Gesetzen das über die &#x201E;unentgeldliche Aufhebung verschiedener Lasten und Abgaben der ländlichen Grundbesitzer&#x201C; <hi rendition="#g">nicht</hi> befinden wird.</p>
          <p>Eine derartige Ankündigung in ihrer reinen nackten Wahrheit hätte wahrscheinlich auf dem platten Lande, (in <hi rendition="#g">Westphalen, Schlesien, Sachsen, Pommern,</hi> der <hi rendition="#g">Mark, Preußen</hi> und dem <hi rendition="#g">rechten Rheinufer</hi>) wo noch die Feudalverhältnisse existiren, einen Sturm hervorgerufen, durch den alle Fäden der contrerevolutionären Verschwörung verwirrt und die saubern Pläne der neuen heiligen Allianz des Absolutismus vernichtet worden wären.</p>
          <p>Um solcher Gefahr vorzubeugen, wickelt der &#x201E;Preuß. Staatsanzeiger&#x201C; seine &#x201E;Erläuterungen in folgende Lügen ein:</p>
          <p>&#x201E;Wenn sich unter ihnen das Gesetz, betreffend die unentgeldliche Aufhebung verschiedener Lasten und Abgaben der ländlichen Grundbesitzer, nicht befindet, letzteres vielmehr nach dem weiteren Inhalte des königlichen Patentes den zunächst zusammentretenden Kammern vorgelegt werden soll, so beruht dies auf den hinsichtlich jenes Gesetzes obwaltenden besonderen Verhältnissen. Dasselbe ist in der jetzt aufgelös'ten National-Versammlung bereits zur Verhandlung gelangt, leider jedoch nur zum Theile wirklich berathen worden, und selbst diese Berathung und Beschließung ist um deswillen nicht als eine vollgültige anzusehen, weil die reglementsmäßige Schlußstimmung über das ganze Gesetz ausblieb. Die Ursachen hiervon sind bekannt genug Es braucht nur an die unaufhörlichen Interpellationen über Dinge erinnert zu werden, welche dem wahren Berufe der Versammlung gänzlich fern lagen. Das Gesetz hat aber auch Eigenthumsrechte zum Gegenstande, über welche schon nach der älteren Gesetzgebung nur unter dem Beirathe der ständischen Vertretung gesetzliche Bestimmungen getroffen werden konnten, weßhalb sein provisorischer Erlaß ohne Zweifel auf gewichtige Bedenken bei der Anwendung gestoßen sein würde. Nach dem Inhalte des Allerhöchsten Patents liegt die Hebung des Wohlstandes der ländlichen Bevölkerung der Staats-Regierung ganz besonders am Herzen. Mit Zuversicht ist zu erwarten, daß jenes wichtige Gesetz, dazu bestimmt, den Grund und Boden von drückenden Lasten zu entfesseln und die Verhältnisse der kleineren wie der großen Grundbesitzer auf dem Fundamente völliger Freiheit des Eigenthums und der Verfügung darüber dauernd festzustellen, von den zunächst zusammentretenden Kammern in kurzer Frist genehmigt werden wird.&#x201C;</p>
          <p>Wie man hieraus sieht, wird die Schuld, daß das für Millionen von Landleuten zur Lebensfrage gewordene Gesetz vorläufig <hi rendition="#b">nicht</hi> erscheinen kann, in ebenso lügenhafter als perfider Weise auf die mit Bajonetten auseinander gejagte Nationalversammlung gewälzt. Zwar sei jenes Gesetz zur Verhandlung gelangt, &#x201E;leider&#x201C; jedoch nur <hi rendition="#g">zum Theile</hi> wirklich berathen worden! Und warum sei das Gesetz nicht zu Stande gekommen? Weil sich die Nationalversammlung mit unaufhörlichen Interpellationen beschäftigt habe, die ihrem wahren Berufe gänzlich fern gelegen!</p>
          <p>Wahrhaftig, nur die Brandenburg-Manteuffel'sche Presse ist fähig, der Wahrheit mit solch bodenloser Unverschämtheit ins Gesicht zu schlagen.</p>
          <p>Gerade die Furcht vor jenem Gesetze war ein Hauptgrund für die Reaktion, die Nationalversammlung aufzulösen. Der Sturz der letzteren war längst beschlossen. Es handelte sich nur um den passendsten Moment.</p>
          <p>Schon als das Jagdgesetz durchgegangen war, wollte die Kamarilla den Staatsstreich wagen. Allein so sehr es den &#x201E;noblen Passionen&#x201C; der bevorrechteten Klass[e] ein Stich durchs Herz war, ebenso freudig wurde es von der ganzen übrigen Masse des Volkes begrüßt. Der König verzögerte die Genehmigung des Gesetzes. Da kam eine von den Interpellationen, die der Manteuffel'sche Staatsanzeiger mit so melancholischen Seufzern als das Ur-Unheil darstellt: und siehe da, die gottbegnadete Krone mußte das Jagdgesetz unterschreiben. An diesem Tage herrschte Trauer und Wuth in den hohen Sälen zu Potsdam und auf den Schlössern der Krautjunker und Gewaltigen. Man hatte begriffen, daß jetzt die Nationalversammlung antasten, geheißen hätte, sich unbedacht in die augenscheinlichste Gefahr stürzen.</p>
          <p>Es kam jetzt darauf an, die Nationalversammlung nicht zum formellen Abschluß ihrer Berathungen über die <hi rendition="#g">gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse</hi> gelangen zu lassen. Konnte man das nicht verhindern, so war ja die ganze mittelalterliche Adelswirthschaft für immer gestürzt und die &#x201E;Stützen der Krone&#x201C; wären zusammengebröckelt, wie faules Holz.</p>
          <p>Klar ging es ja aus den Verhandlungen der Nationalversammlung hervor, daß den gnädigen Gutsherren die fettesten Bissen ohne Entschädigung würden abgesprochen und die so lange mit Füßen getretenen Rechte des Landmannes endlich anerkannt und festgestellt werden.</p>
          <p>Bedenkt man, daß ein einziger Graf in Schlesien, der noch lange nicht zu den größten Grundbesitzern gehört, bisher jährlich 56,000 Thlr. an Silberzinsen, Laudemien, Wächter-, Spinn-, Hühnergeld u. s. w. bezog: so wird es Niemanden wundern, daß die in ihren Vorrechten und in ihrem Geldsack bedrohte Klasse Himmel und Hölle in Bewegung setzte, um diesen Schlag abzupariren und ihm durch einen Staatsstreich zuvorzukommen.</p>
          <p>Es war nun Gefahr im Verzuge. Schon hatte die National-Versammlung den Adel, die Orden und das liebliche &#x201E;von Gottes Gnaden&#x201C; abgeschafft und sie war nahe daran, die Mästung der gnädigen Gutsherren durch den Schweiß des Landmannes ohne Entgeld ebenfalls zu beseitigen.</p>
          <p>Daher Wrangels Einrücken, daher die &#x201E;wilde Jagd&#x201C; auf die Nationalversammlung, daher ihre endliche, schon längst beschlossene Auflösung.</p>
          <p>Die christlich-germanische Regierung betrachtet das Gesetz über die gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse als kein dringliches. Sie wird es aber den Kammern vorlegen.</p>
          <p>Weshalb? Weil sie sicher ist, daß der Beutel der Gutsherren sich dann wieder auf Kosten des Landmannes füllen und die Ablösung zwar nicht für den Bauer, aber desto mehr für den gnädigen Gutsherrn einträglich sein wird.</p>
          <p>Brandenburg-Manteuffel wissen sehr gut, daß in der ersten Kammer Leute sitzen werden, deren Interesse es ist, jedes zu Gunsten des Landmannes lautende Gesetz zurückzuweisen. Mag die zweite Kammer ein noch so liberales Gesetz annehmen: an der ersten Kammer wird jeder Versuch, es durchzusetzen, scheitern.</p>
          <p>Auf diesem Wege hat dann die christlich-germanische Regierung gewonnenes Spiel.</p>
          <p>Hätte sie jetzt, noch vor Zusammentritt der Kammern, ein Gesetz über die bäuerlichen Verhältnisse erlassen: so kam der Inhalt auf ihre Rechnung.</p>
          <p>Hätte sie die Nationalversammlung nicht auseinandergejagt: so wäre von letzterer das <hi rendition="#g">Erlösungsgesetz</hi> für den Landmann wahrscheinlich im demokratischen Sinne angenommen worden. Der Regierung blieb dann nur die Alternative: Annehmen oder Ablehnen? Im erstern Falle stürzte die ganze Feudalwirthschaft zusammen und in &#x201E;gnädige&#x201C;, &#x201E;hohe,&#x201C; &#x201E;höchste&#x201C; u. s. w. Geldbeutel kam ein bedeutendes Loch; im letzteren nahm man dem ganzen Bauernstande über das Königthum &#x201E;von Gottes Gnaden&#x201C; die Schuppen von den Augen und ein allgemeiner Aufstand gegen die Contrerevolution, bevor diese mit allen ihren Zurüstungen fertig war, zeigte sich als unvermeidliche Folge.</p>
          <p>Nachdem nun der Staatsstreich durchgegangen und eine erste Kammer oktroyirt ist, in welcher, Dank dem neuen Wahlgesetze, hauptsächlich gnädige Herren und hohe Beamte sitzen werden: dient diese erste Kammer zum Blitzableiter. Die gottbegnadete Regierung hat somit ihren Kopf aus der Schlinge gezogen. Sie weiß im Voraus, daß die erste Kammer niemals das von der Nationalversammlung, wenn auch nicht formell, beendigte Erlösungsgesetz für das Landvolk passiren lassen wird. So bleibts dann halter beim Alten! Un[d] die Schuld kann dann nicht auf die Regierung, sondern auf die erste Kammer.</p>
          <p>Vorläufig werden den Bauern noch Hoffnungen gemacht. Stehen doch die Wahlen vor der Thür! Sind nun die Bauern, namentlich in Schlesien und Westphalen, so einfältig, sich durch die Lügen und Vorspiegelungen des &#x201E;Preuß. Staatsanzeigers&#x201C; kirren zu lassen, so werden sie binnen einem halben Jahre mit Schrecken gewahren, auf welcher &#x201E;breitesten Grundlage&#x201C; des christlich-germanischen Staats sie vollständig geprellt dastehen.</p>
          <p>Gerade über diesen Punkt das Landvolk aufzuklären, ist Pflicht der demokratischen und Rustikalvereine in Westphalen und Schlesien. Geschieht dies bald und kräftig, so wird in kurzer Zeit der Contrerevolution eine Phalanx gegenüber treten, an der sich nicht blos die Manteuffel, sondern auch alle übrigen Teufel des christlich-germanischen Pandämoniums ihre Schädel einrennen dürften.</p>
        </div>
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          <head><bibl><author>43</author></bibl> Wesseling bei Köln, im Dezember 1848.</head>
          <p>Freiherr Max von Geyr ist seit etwa 28 Jahren unser Bürgermeister. Er residirt hier; seine Gemahlin hat vor vielen Jahren den Freiherrn verlassen &#x2014; aus Gründen welche hier von Haus zu Haus erfragt, auch jetzt hier noch bemerkt werden können; er ist 72 Jahre alt. &#x2014; Wie es auf dem Lande geht, haben unsere Gemeinderäthe etc. durch Jasagen und unterschreiben von je her &#x2014; meist unverstanden &#x2014; das gutgeheißen, was der Bürgermeister gewollt: Unumschränkte Herrschaft erreichte er dadurch bei uns. &#x2014; Die politischen Ereignisse dieses Jahrs brachten endlich auch hier ein offenes Aussprechen der Gesinnungen gegen die Ortsbehörde zu Wege. Auf Veranlassung eines hiesigen Bürgervereins fand am 3. d. M. eine Bürgermeisterei-Versammlung Statt, welche von mehr als 550 Steuerpflichtigen besucht war. Eine von fast <hi rendition="#g">allen</hi> Einsassen unterschriebene Erklärung gab die allgemeine Mißliebigkeit unseres Bürgermeisters kund. Drei Viertel aller Gemeinderäthe erklärten zugleich schriftlich, unter diesem Bürgermeister könnten sie nicht zum Wohle ihrer Mitbürger wirken, sie träten daher ab. Auf ein- <ref type="link_fsg">[Fortsetzung]</ref>                 </p>
        </div>
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          <head>Leben und Thaten des berühmten Ritters Schnapphahnski.<lb/>
Zweite Abtheilung. &#x2014; Zweites Kapitel.</head>
          <p>Ich führe meine Leser in das geräumige Gemach eines alten schlesischen Schlosses. Es ist Abend geworden. Der letzte Strahl des Tages bricht durch die schweren seidenen Vorhänge und treibt sein Spiel mit den Flammen des Kamins, der immer lustigere Streiflichter auf den grünen Teppich wirft, auf die kolossalen Spiegel der Wände und auf eine Reihe vornehm adliger Köpfe, die aus goldnen Rahmen ernst und feierlich niedersehen.</p>
          <p>Die Luft des Gemaches ist duftig warm. Der Rauch der besten Havanna Cigarren zieht in blauen Wölkchen vorüber und auf dem Marmorgesims des Kamins dampft Punsch und Grog aus krystallenen Gläsern. Zur Rechten und zur Linken des Feuers bemerken wir in zwei großen Sesseln zwei junge Männer, die Beine dem Feuer behaglich entgegen streckend.</p>
          <p>Der Eine, den Ellenbogen in die Lehne des Sessels drückend, stützt den schönen schwarzgelockten Kopf auf die schneeweiße Hand. Die Flammen des Kamins spiegeln sich in seinem dunklen Auge. Er scheint in tiefes Sinnen versunken. Minutenlang liegt er regungslos da; aber plötzlich fährt er zusammen, er streicht die Locken von der Stirn und die halberloschene Cigarre aufs Neue an die Lippen führend, lacht er und zeigt unter dem kohlschwarzen Schnurrbart, eine Perlenreihe der schönsten Zähne.</p>
          <p>Der zweite der jungen Raucher bildet den besten Kontrast zu dem Ersteren. Er ist lang, dünn, trocken, blondharig, mit kahler Glatze &#x2014; eine etwas ruinirte Erscheinung, die durch fashionable Manieren den frühen Verlust aller übrigen körperlichen Reize wieder gut zu machen strebt. Der Blonde weiß sehr graziös zu rauchen, aber nur selten greift er nach seinem Grog, den er, statt zu trinken, wie aus Langerweile, nachläßig in den Kamin schüttet. Mit einem ironischen Lächeln blickt er auf den sinnenden Freund.</p>
          <p>&#x201E;Trösten Sie sich&#x201C; &#x2014; beginnt endlich der Blonde &#x2014; &#x201E;trösten Sie sich, Ritter, Sie werden die Herzogin jedenfalls noch heute Abend zu Gesichte bekommen. Sie werden eine geistreiche Dame kennen lernen.&#x201C;</p>
          <p>Der Schwarzgelockte hebt sich langsam im Sessel empor: &#x201E;&#x201E;Sagen Sie mir zum zwanzigsten Male, Graf, glauben Sie wirklich, daß ich reussiren werde?&#x201C;&#x201C;</p>
          <p>&#x201E;Das hängt einzig und allein von Ihnen ab; übrigens werde ich Sie nach Kräften unterstützen &#x2014; &#x2014;&#x201C;</p>
          <p>&#x201E;&#x201E;Ich schenke Ihnen meinen schönsten Hengst!&#x201C;&#x201C;</p>
          <p>&#x201E;Einen Hengst für eine Herzogin! Es thut mir nur leid, daß ich nicht mehr so gut wie früher mit ihr stehe.&#x201C;</p>
          <p>&#x201E;&#x201E;Wie so, Graf?&#x201C;&#x201C;</p>
          <p>&#x201E;Ich sagte der Herzogin einst, daß ich aus reiner Sympathie eine kahle Glatze trüge: und sehen Sie, das konnte sie mir nie vergessen.&#x201C;</p>
          <p>&#x201E;&#x201E;Armer Mann &#x2014; &#x2014;&#x201C;&#x201C;</p>
          <p>&#x201E;Ja, wahrhaftig, hüten Sie sich davor, die leiblichen Schönheiten der Herzogin näher zu besprechen. Loben Sie nur ja nicht ihre glänzenden schwarzen Haare, ihre herrlichen Zähne, oder ihren eleganten Wuchs, &#x2014; die Herzogin würde dies für die abscheulichste Ironie halten, denn alles Lob fiele auf den Perruquier zurück, auf den Zahnarzt und auf ähnliche nützliche Mitglieder der menschlichen Gesellschaft.&#x201C;</p>
          <p>&#x201E;&#x201E;Aber was soll ich thun &#x2014; ?&#x201C;&#x201C;</p>
          <p>&#x201E;Ich setze voraus, daß Sie nicht von der Herzogin benutzt zu werden wünschen, sondern daß Sie die Herzogin benutzen wollen?&#x201C;</p>
          <p>&#x201E;&#x201E;Allerdings!&#x201C;&#x201C;</p>
          <p>&#x201E;Sie müssen daher die Herzogin zu unterjochen suchen.&#x201C;</p>
          <p>&#x201E;&#x201E;Sehr richtig!&#x201C;&#x201C;</p>
          <p>&#x201E;Und es stehen Ihnen zwei Wege zu diesem Ziele offen.&#x201C;</p>
          <p>&#x201E;&#x201E;Welche?&#x201C;&#x201C;</p>
          <p>&#x201E;Entweder müssen Sie als Tyrann auftreten &#x2014; oder als harmloser Schäfer. Das eine Mal werden Sie durch Ihre Keckheit, durch Ihre Unverschämtheit, die Eitelkeit der Herzogin in so barbarischer Weise aufstacheln, daß sie es sich zur Ehrensache macht, Ihnen nur nach dem fürchterlichsten Kampfe das Feld zu räumen. Ein wahres Gemetzel von Blicken, Worten, Ränken und Intriguen wird sich zwischen ihnen entwickeln. Sie werden, ohne die Eitelkeit der Herzogin zu verletzen, jede ihrer Frechheiten durch eine eklatantere Bosheit zu überbieten wissen. Ihre List, werden Sie durch List umgehen, ihrer Lüge, werden Sie durch noch größere Lügen imponiren, die Renommage mit ihren galantesten Sünden werden Sie durch die Erzählung galanterer Abentheuer zu paralisiren suchen. Malt die Herzogin grau, so malen Sie schwarz; malt sie roth, so malen Sie purpurroth, und ist es zuletzt nicht mehr möglich, sie im Raffinirtsein zu überbieten, da schlagen Sie plötzlich in das ganz Entgegengesetzte um, und vernichten Ihre Gegnerin durch das Einfache. Sie treiben die Herzogin bis auf den Chimborazzo des Unerhörten und lassen sie plötzlich in den flachen Sand des Allergewöhnlichsten fallen, und ich bin gewiß, daß Sie zuletzt siegen, daß das raffinirte Alter der raffinirten Jugend weichen muß, daß die Herzogin zum Rückzug bläßt, ja daß sie enttäuscht zusammen sinkt, daß sie ächzt und winselt &#x2014; aber dann erst ist der Augenblick gekommen, wo Sie Ihrem Feldzuge die Krone aufsetzen.</p>
          <p>Denn statt den Fuß siegend auf ihren Nacken zu setzen, verzichten Sie plötzlich auf den Ruhm der gewonnenen Schlacht; statt zu triumphiren, machen Sie Ihren Triumph zu den Triumph der Herzogin; während sie Ihnen zu Füßen fallen will, kommen Sie der Herzogin zuvor, und fallen ihr zu Füßen, ein sentimen-
</p>
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[0919/0001] Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 171. Köln, Sonntag den 17. Dezember. 1848. Keine Steuern mehr!!! Uebersicht. Deutschland. Köln. (Die Ablösung der Feudallasten.) Wesseling. (Ursache des Belagerungszustandes.) Gütersloh. (Demokrat) Paderborn. (Die Reaction in Westphalen.) Minden. (Brief Lehrers.) Berlin (Erwartung wegen ministerieller Wahlbegriffe. — Die Unterdrückung der „Zeitungshalle“. — Kirchmann's und Esser's Wiedereintritt in ihre Aemter. — Aufforderung in Betreff des Kronsideicommisses. — Eine Hinckeldey'sche Antwort und eine Charakterprobe aus der „N. Pr. Z.“) Breslau. (Steckbrief gegen Dr. Borchardt. — Der Bürgerwehrkongreß.) Wien. (Python's Blutgelüsten. — Waffen. — Spionage. — Schmerlings alte Gesetze. — Preußen und Oestreich. — Die „Presse“ und die „Augsburgerin“. — Die deutsche Kaiserkrone. — Windischgrätz.) Frankfurt. (National-Versammlung.) Italien. Turin. (Ministerkrisis). Französische Republik. Das Numeriren und Addiren bei der Präsidentenwahl. — Das Journal des Debats und L. Napoleon. — Vermischtes. Deutschland. * Köln, 15. Dezbr. „Mit Speck fängt man Mäuse!“ Das weiß die gottbegnadete Regierung der Manteuffel und Konsorten nicht erst seit gestern. Vor dem März war das Lebenselement der christlich-germanischen Staatsverwaltung die Lüge und die Heuchelei und nach dem November macht sich das namliche Element wiederum so breit wie ehemals. Ja die christlich-germanische Perfidie und Tücke ist noch perfider und tückischer geworden. Wer sich davon überzeugen will, der nehme den „Preußischen Staatanzeiger“ vom 12. d. zur Hand. Hier trifft er auf „Erläuterungen“ über die vom königl. Patente vom 5. Dez. in kürzester Frist verheißenen dringlichen Gesetze. Das offizielle Blatt ist beauftragt, mitzutheilen, daß sich unter jenen bald erscheinenden Gesetzen das über die „unentgeldliche Aufhebung verschiedener Lasten und Abgaben der ländlichen Grundbesitzer“ nicht befinden wird. Eine derartige Ankündigung in ihrer reinen nackten Wahrheit hätte wahrscheinlich auf dem platten Lande, (in Westphalen, Schlesien, Sachsen, Pommern, der Mark, Preußen und dem rechten Rheinufer) wo noch die Feudalverhältnisse existiren, einen Sturm hervorgerufen, durch den alle Fäden der contrerevolutionären Verschwörung verwirrt und die saubern Pläne der neuen heiligen Allianz des Absolutismus vernichtet worden wären. Um solcher Gefahr vorzubeugen, wickelt der „Preuß. Staatsanzeiger“ seine „Erläuterungen in folgende Lügen ein: „Wenn sich unter ihnen das Gesetz, betreffend die unentgeldliche Aufhebung verschiedener Lasten und Abgaben der ländlichen Grundbesitzer, nicht befindet, letzteres vielmehr nach dem weiteren Inhalte des königlichen Patentes den zunächst zusammentretenden Kammern vorgelegt werden soll, so beruht dies auf den hinsichtlich jenes Gesetzes obwaltenden besonderen Verhältnissen. Dasselbe ist in der jetzt aufgelös'ten National-Versammlung bereits zur Verhandlung gelangt, leider jedoch nur zum Theile wirklich berathen worden, und selbst diese Berathung und Beschließung ist um deswillen nicht als eine vollgültige anzusehen, weil die reglementsmäßige Schlußstimmung über das ganze Gesetz ausblieb. Die Ursachen hiervon sind bekannt genug Es braucht nur an die unaufhörlichen Interpellationen über Dinge erinnert zu werden, welche dem wahren Berufe der Versammlung gänzlich fern lagen. Das Gesetz hat aber auch Eigenthumsrechte zum Gegenstande, über welche schon nach der älteren Gesetzgebung nur unter dem Beirathe der ständischen Vertretung gesetzliche Bestimmungen getroffen werden konnten, weßhalb sein provisorischer Erlaß ohne Zweifel auf gewichtige Bedenken bei der Anwendung gestoßen sein würde. Nach dem Inhalte des Allerhöchsten Patents liegt die Hebung des Wohlstandes der ländlichen Bevölkerung der Staats-Regierung ganz besonders am Herzen. Mit Zuversicht ist zu erwarten, daß jenes wichtige Gesetz, dazu bestimmt, den Grund und Boden von drückenden Lasten zu entfesseln und die Verhältnisse der kleineren wie der großen Grundbesitzer auf dem Fundamente völliger Freiheit des Eigenthums und der Verfügung darüber dauernd festzustellen, von den zunächst zusammentretenden Kammern in kurzer Frist genehmigt werden wird.“ Wie man hieraus sieht, wird die Schuld, daß das für Millionen von Landleuten zur Lebensfrage gewordene Gesetz vorläufig nicht erscheinen kann, in ebenso lügenhafter als perfider Weise auf die mit Bajonetten auseinander gejagte Nationalversammlung gewälzt. Zwar sei jenes Gesetz zur Verhandlung gelangt, „leider“ jedoch nur zum Theile wirklich berathen worden! Und warum sei das Gesetz nicht zu Stande gekommen? Weil sich die Nationalversammlung mit unaufhörlichen Interpellationen beschäftigt habe, die ihrem wahren Berufe gänzlich fern gelegen! Wahrhaftig, nur die Brandenburg-Manteuffel'sche Presse ist fähig, der Wahrheit mit solch bodenloser Unverschämtheit ins Gesicht zu schlagen. Gerade die Furcht vor jenem Gesetze war ein Hauptgrund für die Reaktion, die Nationalversammlung aufzulösen. Der Sturz der letzteren war längst beschlossen. Es handelte sich nur um den passendsten Moment. Schon als das Jagdgesetz durchgegangen war, wollte die Kamarilla den Staatsstreich wagen. Allein so sehr es den „noblen Passionen“ der bevorrechteten Klass[e] ein Stich durchs Herz war, ebenso freudig wurde es von der ganzen übrigen Masse des Volkes begrüßt. Der König verzögerte die Genehmigung des Gesetzes. Da kam eine von den Interpellationen, die der Manteuffel'sche Staatsanzeiger mit so melancholischen Seufzern als das Ur-Unheil darstellt: und siehe da, die gottbegnadete Krone mußte das Jagdgesetz unterschreiben. An diesem Tage herrschte Trauer und Wuth in den hohen Sälen zu Potsdam und auf den Schlössern der Krautjunker und Gewaltigen. Man hatte begriffen, daß jetzt die Nationalversammlung antasten, geheißen hätte, sich unbedacht in die augenscheinlichste Gefahr stürzen. Es kam jetzt darauf an, die Nationalversammlung nicht zum formellen Abschluß ihrer Berathungen über die gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse gelangen zu lassen. Konnte man das nicht verhindern, so war ja die ganze mittelalterliche Adelswirthschaft für immer gestürzt und die „Stützen der Krone“ wären zusammengebröckelt, wie faules Holz. Klar ging es ja aus den Verhandlungen der Nationalversammlung hervor, daß den gnädigen Gutsherren die fettesten Bissen ohne Entschädigung würden abgesprochen und die so lange mit Füßen getretenen Rechte des Landmannes endlich anerkannt und festgestellt werden. Bedenkt man, daß ein einziger Graf in Schlesien, der noch lange nicht zu den größten Grundbesitzern gehört, bisher jährlich 56,000 Thlr. an Silberzinsen, Laudemien, Wächter-, Spinn-, Hühnergeld u. s. w. bezog: so wird es Niemanden wundern, daß die in ihren Vorrechten und in ihrem Geldsack bedrohte Klasse Himmel und Hölle in Bewegung setzte, um diesen Schlag abzupariren und ihm durch einen Staatsstreich zuvorzukommen. Es war nun Gefahr im Verzuge. Schon hatte die National-Versammlung den Adel, die Orden und das liebliche „von Gottes Gnaden“ abgeschafft und sie war nahe daran, die Mästung der gnädigen Gutsherren durch den Schweiß des Landmannes ohne Entgeld ebenfalls zu beseitigen. Daher Wrangels Einrücken, daher die „wilde Jagd“ auf die Nationalversammlung, daher ihre endliche, schon längst beschlossene Auflösung. Die christlich-germanische Regierung betrachtet das Gesetz über die gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse als kein dringliches. Sie wird es aber den Kammern vorlegen. Weshalb? Weil sie sicher ist, daß der Beutel der Gutsherren sich dann wieder auf Kosten des Landmannes füllen und die Ablösung zwar nicht für den Bauer, aber desto mehr für den gnädigen Gutsherrn einträglich sein wird. Brandenburg-Manteuffel wissen sehr gut, daß in der ersten Kammer Leute sitzen werden, deren Interesse es ist, jedes zu Gunsten des Landmannes lautende Gesetz zurückzuweisen. Mag die zweite Kammer ein noch so liberales Gesetz annehmen: an der ersten Kammer wird jeder Versuch, es durchzusetzen, scheitern. Auf diesem Wege hat dann die christlich-germanische Regierung gewonnenes Spiel. Hätte sie jetzt, noch vor Zusammentritt der Kammern, ein Gesetz über die bäuerlichen Verhältnisse erlassen: so kam der Inhalt auf ihre Rechnung. Hätte sie die Nationalversammlung nicht auseinandergejagt: so wäre von letzterer das Erlösungsgesetz für den Landmann wahrscheinlich im demokratischen Sinne angenommen worden. Der Regierung blieb dann nur die Alternative: Annehmen oder Ablehnen? Im erstern Falle stürzte die ganze Feudalwirthschaft zusammen und in „gnädige“, „hohe,“ „höchste“ u. s. w. Geldbeutel kam ein bedeutendes Loch; im letzteren nahm man dem ganzen Bauernstande über das Königthum „von Gottes Gnaden“ die Schuppen von den Augen und ein allgemeiner Aufstand gegen die Contrerevolution, bevor diese mit allen ihren Zurüstungen fertig war, zeigte sich als unvermeidliche Folge. Nachdem nun der Staatsstreich durchgegangen und eine erste Kammer oktroyirt ist, in welcher, Dank dem neuen Wahlgesetze, hauptsächlich gnädige Herren und hohe Beamte sitzen werden: dient diese erste Kammer zum Blitzableiter. Die gottbegnadete Regierung hat somit ihren Kopf aus der Schlinge gezogen. Sie weiß im Voraus, daß die erste Kammer niemals das von der Nationalversammlung, wenn auch nicht formell, beendigte Erlösungsgesetz für das Landvolk passiren lassen wird. So bleibts dann halter beim Alten! Un[d] die Schuld kann dann nicht auf die Regierung, sondern auf die erste Kammer. Vorläufig werden den Bauern noch Hoffnungen gemacht. Stehen doch die Wahlen vor der Thür! Sind nun die Bauern, namentlich in Schlesien und Westphalen, so einfältig, sich durch die Lügen und Vorspiegelungen des „Preuß. Staatsanzeigers“ kirren zu lassen, so werden sie binnen einem halben Jahre mit Schrecken gewahren, auf welcher „breitesten Grundlage“ des christlich-germanischen Staats sie vollständig geprellt dastehen. Gerade über diesen Punkt das Landvolk aufzuklären, ist Pflicht der demokratischen und Rustikalvereine in Westphalen und Schlesien. Geschieht dies bald und kräftig, so wird in kurzer Zeit der Contrerevolution eine Phalanx gegenüber treten, an der sich nicht blos die Manteuffel, sondern auch alle übrigen Teufel des christlich-germanischen Pandämoniums ihre Schädel einrennen dürften. 43 Wesseling bei Köln, im Dezember 1848. Freiherr Max von Geyr ist seit etwa 28 Jahren unser Bürgermeister. Er residirt hier; seine Gemahlin hat vor vielen Jahren den Freiherrn verlassen — aus Gründen welche hier von Haus zu Haus erfragt, auch jetzt hier noch bemerkt werden können; er ist 72 Jahre alt. — Wie es auf dem Lande geht, haben unsere Gemeinderäthe etc. durch Jasagen und unterschreiben von je her — meist unverstanden — das gutgeheißen, was der Bürgermeister gewollt: Unumschränkte Herrschaft erreichte er dadurch bei uns. — Die politischen Ereignisse dieses Jahrs brachten endlich auch hier ein offenes Aussprechen der Gesinnungen gegen die Ortsbehörde zu Wege. Auf Veranlassung eines hiesigen Bürgervereins fand am 3. d. M. eine Bürgermeisterei-Versammlung Statt, welche von mehr als 550 Steuerpflichtigen besucht war. Eine von fast allen Einsassen unterschriebene Erklärung gab die allgemeine Mißliebigkeit unseres Bürgermeisters kund. Drei Viertel aller Gemeinderäthe erklärten zugleich schriftlich, unter diesem Bürgermeister könnten sie nicht zum Wohle ihrer Mitbürger wirken, sie träten daher ab. Auf ein- [Fortsetzung] Leben und Thaten des berühmten Ritters Schnapphahnski. Zweite Abtheilung. — Zweites Kapitel. Ich führe meine Leser in das geräumige Gemach eines alten schlesischen Schlosses. Es ist Abend geworden. Der letzte Strahl des Tages bricht durch die schweren seidenen Vorhänge und treibt sein Spiel mit den Flammen des Kamins, der immer lustigere Streiflichter auf den grünen Teppich wirft, auf die kolossalen Spiegel der Wände und auf eine Reihe vornehm adliger Köpfe, die aus goldnen Rahmen ernst und feierlich niedersehen. Die Luft des Gemaches ist duftig warm. Der Rauch der besten Havanna Cigarren zieht in blauen Wölkchen vorüber und auf dem Marmorgesims des Kamins dampft Punsch und Grog aus krystallenen Gläsern. Zur Rechten und zur Linken des Feuers bemerken wir in zwei großen Sesseln zwei junge Männer, die Beine dem Feuer behaglich entgegen streckend. Der Eine, den Ellenbogen in die Lehne des Sessels drückend, stützt den schönen schwarzgelockten Kopf auf die schneeweiße Hand. Die Flammen des Kamins spiegeln sich in seinem dunklen Auge. Er scheint in tiefes Sinnen versunken. Minutenlang liegt er regungslos da; aber plötzlich fährt er zusammen, er streicht die Locken von der Stirn und die halberloschene Cigarre aufs Neue an die Lippen führend, lacht er und zeigt unter dem kohlschwarzen Schnurrbart, eine Perlenreihe der schönsten Zähne. Der zweite der jungen Raucher bildet den besten Kontrast zu dem Ersteren. Er ist lang, dünn, trocken, blondharig, mit kahler Glatze — eine etwas ruinirte Erscheinung, die durch fashionable Manieren den frühen Verlust aller übrigen körperlichen Reize wieder gut zu machen strebt. Der Blonde weiß sehr graziös zu rauchen, aber nur selten greift er nach seinem Grog, den er, statt zu trinken, wie aus Langerweile, nachläßig in den Kamin schüttet. Mit einem ironischen Lächeln blickt er auf den sinnenden Freund. „Trösten Sie sich“ — beginnt endlich der Blonde — „trösten Sie sich, Ritter, Sie werden die Herzogin jedenfalls noch heute Abend zu Gesichte bekommen. Sie werden eine geistreiche Dame kennen lernen.“ Der Schwarzgelockte hebt sich langsam im Sessel empor: „„Sagen Sie mir zum zwanzigsten Male, Graf, glauben Sie wirklich, daß ich reussiren werde?““ „Das hängt einzig und allein von Ihnen ab; übrigens werde ich Sie nach Kräften unterstützen — —“ „„Ich schenke Ihnen meinen schönsten Hengst!““ „Einen Hengst für eine Herzogin! Es thut mir nur leid, daß ich nicht mehr so gut wie früher mit ihr stehe.“ „„Wie so, Graf?““ „Ich sagte der Herzogin einst, daß ich aus reiner Sympathie eine kahle Glatze trüge: und sehen Sie, das konnte sie mir nie vergessen.“ „„Armer Mann — —““ „Ja, wahrhaftig, hüten Sie sich davor, die leiblichen Schönheiten der Herzogin näher zu besprechen. Loben Sie nur ja nicht ihre glänzenden schwarzen Haare, ihre herrlichen Zähne, oder ihren eleganten Wuchs, — die Herzogin würde dies für die abscheulichste Ironie halten, denn alles Lob fiele auf den Perruquier zurück, auf den Zahnarzt und auf ähnliche nützliche Mitglieder der menschlichen Gesellschaft.“ „„Aber was soll ich thun — ?““ „Ich setze voraus, daß Sie nicht von der Herzogin benutzt zu werden wünschen, sondern daß Sie die Herzogin benutzen wollen?“ „„Allerdings!““ „Sie müssen daher die Herzogin zu unterjochen suchen.“ „„Sehr richtig!““ „Und es stehen Ihnen zwei Wege zu diesem Ziele offen.“ „„Welche?““ „Entweder müssen Sie als Tyrann auftreten — oder als harmloser Schäfer. Das eine Mal werden Sie durch Ihre Keckheit, durch Ihre Unverschämtheit, die Eitelkeit der Herzogin in so barbarischer Weise aufstacheln, daß sie es sich zur Ehrensache macht, Ihnen nur nach dem fürchterlichsten Kampfe das Feld zu räumen. Ein wahres Gemetzel von Blicken, Worten, Ränken und Intriguen wird sich zwischen ihnen entwickeln. Sie werden, ohne die Eitelkeit der Herzogin zu verletzen, jede ihrer Frechheiten durch eine eklatantere Bosheit zu überbieten wissen. Ihre List, werden Sie durch List umgehen, ihrer Lüge, werden Sie durch noch größere Lügen imponiren, die Renommage mit ihren galantesten Sünden werden Sie durch die Erzählung galanterer Abentheuer zu paralisiren suchen. Malt die Herzogin grau, so malen Sie schwarz; malt sie roth, so malen Sie purpurroth, und ist es zuletzt nicht mehr möglich, sie im Raffinirtsein zu überbieten, da schlagen Sie plötzlich in das ganz Entgegengesetzte um, und vernichten Ihre Gegnerin durch das Einfache. Sie treiben die Herzogin bis auf den Chimborazzo des Unerhörten und lassen sie plötzlich in den flachen Sand des Allergewöhnlichsten fallen, und ich bin gewiß, daß Sie zuletzt siegen, daß das raffinirte Alter der raffinirten Jugend weichen muß, daß die Herzogin zum Rückzug bläßt, ja daß sie enttäuscht zusammen sinkt, daß sie ächzt und winselt — aber dann erst ist der Augenblick gekommen, wo Sie Ihrem Feldzuge die Krone aufsetzen. Denn statt den Fuß siegend auf ihren Nacken zu setzen, verzichten Sie plötzlich auf den Ruhm der gewonnenen Schlacht; statt zu triumphiren, machen Sie Ihren Triumph zu den Triumph der Herzogin; während sie Ihnen zu Füßen fallen will, kommen Sie der Herzogin zuvor, und fallen ihr zu Füßen, ein sentimen-

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 171. Köln, 17. Dezember 1848, S. 0919. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz171i_1848/1>, abgerufen am 28.03.2024.