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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 168. Köln, 14. Dezember 1848.

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Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 168. Köln, Donnerstag den 14. Dezember 1848.

Keine Steuern mehr!!!

Zu Nr. 167 der "Neuen Rheinischen Zeitung" ist Mittwoch Morgen ein Extrablatt ausgegeben worden.

Uebersicht.

Deutschland. Köln. (Die Verläumdungen der "N. Rh. Z.") Düsseldorf. (Schauerliche Verschwörung. -- Ein Spiegel-Drigalski'scher Leibspion. -- Die Herstellung der Censur. -- Protest dagegen.) Koblenz. (Eine Lüge der "Kölnischen".) Bielefeld. (Verhaftungen. -- Unvergleichliches Willkür-Regiment.) Berlin. (Der Polizeispion Dunker. -- Schramm's Ausweisung. -- Verbot der Held'schen Weihnachtsstube. -- Eine Heilige bei der Contrerevolution. -- Anfang und Ende der gottbegnadeten Verfassung. -- Bestimmung des weißen Saales. -- Der Major Preuß.) Wien. (Die 80 Millionen Anleihe und die Börse. -- Der Reichstag. -- Die Kroaten und die westeuropäische Bourgeoisie. -- Schicksal der Geiseln in H[unleserliches Material]tzendorf. -- Offizielle Berichtigung. -- Neue standrechtliche Proklamation. -- Eine Lüge in Betreff Kossuth's. -- Riesenpetition an Windischgrätz. -- Infamie der Presse.) Posen. (Das Institut der Landräthe und die Kreisversammlungen). Bernburg. (Protest des Landtags gegen etwaige Auflösung.) Glückstadt. (Unruhen.) Frankfurt. (National-Versammlung.)

Schweiz. Bern. (Ursulinerinnenkloster. -- Werbungen für den Kartätschenkönig. -- Die "Bürgergemeinde." -- Kommission wegen eines gemeinsamen Zolltarifs.) Luzern. (Zerrüttung der Finanzen -- Die Sonderbündler.) Unterwalden-Obwalden. (Ein Urkantonsgeschichtchen.)

Französische Republik. Paris. (Die parlamentarischen Partheien und die Präsidentenwahl. -- Vermischtes. -- National-Versammlung.) Lille. (Wahlmanöver.)

Großbritannien. Chartistische Parlamentskandidaten. -- An die Wählerschaft von Leicester. -- Chartistenprozeß in York und Liverpool.

Italien. Ministerwechsel zu Turin. -- Aus Rom, Bologna und Ancona.

Deutschland.
* Köln, 13. Dezember.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
15 Düsseldorf, 10. Dezbr.

Endlich ist denn auch der Ex-Chef der hiesigen Ex-Bürgerwehr, Herr Lorenz Cantador, der Mann, um deswillen Mufti Eichmann noch nachträglich das Martialgesetz verkündigen lassen wollte, in "Verwahrung" genommen. Es bedurfte eines fast dreiwöchentlichen Belagerungszustandes, der völligsten Einschüchterung der Bürgerschaft, ja der Auflösung der Nationalversammlung und der octroyirten Verfassung, um unser muthiges Parquet zu diesem "kühnen Griff" zu ermannen! Nach der Einsetzung des Militärdespotismus hatte man sich nur erlaubt, ihm einen Erscheinungsbefehl zuzuschicken; er wurde vernommen, aber zum allgemeinen Erstaunen nicht verhaftet. Nicht als ob man sich seiner nicht gern hätte bemächtigen mögen, man wagte es nur noch nicht. Jetzt ist die Sache anders; in dem Augenblick, wo die hiesige Heulerschaft durch eines ihrer tüchtigsten Mitglieder dem Ministerium Brandenburg eine Zustimmungsadresse zur Verfassungsoctroyirung übersandt, wo der Stadtrath sich auf Phrasen besinnt, um der Regierung seine unterthänigste Verzweiflung vorzuwinseln über die angedrohte Entziehung der Garnison, des Landgerichts und anderer "Wohlthaten," in diesem feierlichen Moment mußte auch das tapfere Parquet, welches sogar von der eigenen Partei desavouirt wurde, als es galt, den Belagerungszustand zu beschönigen, seine Loyalität dokumentiren, und es fand sich plötzlich, daß Grund vorhanden war, den trotz aller Spottgedichte und Verläumdungen der guten Presse noch immer gefürchteten Cantador in Sicherheit zu bringen. Die "Kölnische Zeitung" sucht den Grund zu dieser "Maßregel" in wichtigen Ausschlüssen, die sich aus jüngst entdeckten Papieren Lassalle's ergeben sollen und fügt dann die Lüge hinzu, daß Lassalle diese Papiere "versteckt" gehalten habe. Wenn die wahrheitsliebende "Kölnische Zeitung" einen Grund angiebt, so kann man allemal sicher sein, daß es ein Scheingrund, ein bloser Vorwand ist, um das eigentliche Motiv zu verstecken. So ist es denn auch mit dieser Auffindung von "versteckten" Papieren, die bereits zu den fabelhaftesten Erfindungen Anlaß gegeben hat. Es handelt sich ja von Lassalle, Grund genug, um jene berüchtigte Zeugenbestecherbande, die Lassalle in seinem Assisenprozesse so unauslöschlich gebrandmarkt hat, in Thätigkeit zu setzen. Diese Bande ist es, von der die "Kölnische Zeitung" ihre Mittheilungen über die hiesigen Vorfälle bezieht. Der Chef derselben ist unter dem Schutze des Belagerungszustandes zu einer neuen Würde emporgestiegen; er ist der geheime Leibspion der Herren Spiegel-Drigalski geworden! Als Hrn. v. Spiegel bemerklich gemacht wurde, wie er mit diesem Subjekte in Verbindung stehen könne, äußerte er: "Lassen Sie das gut sein, er leistet mir Dienste, wozu sich sonst kein ehrlicher Mensch gebrauchen läßt." Besagte Bande hat nun auch dem Untersuchungsrichter die Anzeige gemacht, daß in einem hiesigen Gasthofe Papiere von Lassalle sich befänden. Sie können sich denken, wie sehr man sich beeilte, diese vielversprechenden "Ueberführungsstücke," um derentwillen man schon zweimal vergeblich Haussuchung angestellt hatte, in Beschlag zu nehmen. Aber zum Leidwesen aller Heuler -- die Hoffnungen der Inquirenten sind arg getäuscht worden. Statt die Beweise für eine geheime Verschwörung, für das Komplott des Art. 87 und 91 zu finden, die jederzeit bei der Hand sind, wenn die Untersuchung und Verhaftung eines rheinischen Demokraten befohlen wird, statt dessen hat sich nichts ergeben, was nicht von Lassalle und allen andern, die zur Untersuchung gezogen sind, bereitwilligst zugestanden würde. So war der große Fang mißlungen und wäre die Sache, so wie sie sich wirklich verhält, ins Publikum gekommen, sie hätte nicht einmal als Prätext zu Cantadors Verhaftung dienen können. Darum war es aber gerade zu thun; also mußte in der Stadt das Gerücht ausgesprengt werden, man habe 1. eine Liste der Verschworenen entdeckt, 2. aber, hört, hört! eine Proskriptionsliste der wohlhabendsten und wohlgesinntesten Bürger!! Sie können denken, daß die Heuler ein wahrer Galgenschauder überlief, als sie so gräuelhafte Dinge erfuhren und daß die gleichzeitige Verhaftung eines der Haupträdelsführer mit ungetheiltem Beifall aufgenommen wurde. In Wahrheit aber reduzirt sich jene Verschwörerliste auf einige Namen, die zu Beiträgen für den demokratischen Centralausschuß unterschrieben waren und die Proskriptionsliste auf einige verspätete Bogen Unterschriften zu einer längst abgegangenen Adresse an die Nationalversammlung!! Die "honette" Presse, die Kölnische, die Elberfelder, die Deutsche, die Augsburger, und wie diese "Tugendhaften" alle heißen, verbreiten natürlich mit Wollust alle die boshaften und aberwitzigen Kalumnien, die für "hochgebornes" Geld ersonnen und durch besoldete Agenten in alle Welt hinausgesandt werden. Daß die "Kölnische Zeitung lügt, wenn sie sagt, Lassalle habe jene Papiere "versteckt," habe ich schon oben bemerkt; aber welche Bewandtniß es mit diesem Wegschaffen hat, läßt sich daraus entnehmen, daß zugleich die wichtigsten, für den Fall des Verlustes gänzlich unersetzliche Privatpapiere mitgewandert waren. Auf diese Papiere scheint es dem Entführer hauptsächtlich abgesehen zu sein. Das braucht freilich der Korrespondent der Kölnischen Zeitung nicht zu wissen; er darf wahrscheinlich nur insgeheim das Mißlingen des Coups beklagen. Die Sache ist übrigens der Prokuratur übergeben und es wäre nicht unmöglich, daß die Assisen wieder mit einer cause celebre befaßt würden, nur mit dem Unterschiede, daß diesmal die Rollen gewechselt wären.

X Düsseldorf, 12. Dez.

Gestern theilte ich Ihnen die erfreuliche Nachricht mit, daß mit Herstellung der Censur für ganz Preußen der erste Anfang in unserer Stadt gemacht worden. Die Säbelherrschaft civilisirt sich. Der bekannte "Bürger und königl. preußischer Kommunist" Drigalski hätte eben so gut die unter Censur gestellten Blätter völlig unterdrücken können. Aber nein! Sein gefühlvolles Herz nahm blos zur mäßigen Züchtigung, zur Censurruthe, seine Zuflucht. Und was thut die unter Censur gestellte "Düsseldorferin"? Nichts mehr und nichts weniger, als was von einem Blatte dieses Schlages zu erwarten stand. Sie kündigt ihren Lesern heute folgendes an: "Der §. 24 der octroyirten Verfassung gewährt allen Preußen unbedingte Preßfreiheit. Nach §. 110 kann der genannte Artikel für den Fall eines Kriegs oder Aufruhrs zeit- und distriktsweise außer Kraft gesetzt werden.

In Düsseldorf herrscht weder Krieg noch Aufruhr. Dennoch ist über unser Blatt vorgestern die Censur verhängt worden. Wir werden bei der deutschen Nationalversammlung unsere Beschwerden gegen die Maßregel des Herrn Divisionsgenerals von Drigalski einreichen."

O Heinemann, o Heinemann, wie dürr sind deine Blätter!

Unsere Leser werden wohl keinen Augenblick im Zweifel sein, daß, wer sich mit einem solchen Protest noch im Dezember 1848 an die Zertreter des deutschen Volks in Frankfurt wendet und im Ernst Gehör und Abhülfe erwartet, mindestens zur lebenslänglichen Detention in Siegburg verurtheilt zu werden verdient.

Koblenz, 12. Dez.

Die "Köln. Ztg." lügt, hier sei eine Adresse, worin dem Landesvater für die Verfassung gedankt wird, mit 1000 Unterschriften bedeckt worden. 1000 Beamte, selbst wenn man die Pensionirten dazuzählt, sind hier gar nicht vorhanden.

(Rh.- u. M.-Z.)
41 Bielefeld, 11. Dez.

Von der Reaktion, welche in unserm wackern Westphalen herrscht, machen Sie sich keinen Begriff. Verhaftungen über Verhaftungen, eine wahre Sündfluth von Majestätsbeleidigungs- und Hochverrathsprozessen. Jeder Landrath, jeder Amtmann auf seinem Dorfe spielt einen kleinen Brandenburg, jeder Unteroffizier fühlt in sich einen Wrangel, jeder Polizeidiener gerirt sich a la Dunker. In Münster verhaftet man die unschuldigsten Leute, weil sie an dem westphälischen Kongresse Theil genommen haben. Sogar der Justizkommissar Gierse ist eingezogen und auf den Oberlandesgerichts-Assessor Möllenhof fahndet man, obschon beide auf dem Kongresse zur äußersten Rechten gehörten und auf dem "Rechtsboden" herumritten. Man soll beabsichtigen, sämmtliche Mitglieder dieses Münsterschen Kongresses, etwa 150 an der Zahl, beizustecken, um sich ihrer möglichst während der bevorstehenden Wahlen zu entledigen.

Den Redakteur des "Volksfreundes", Kaufmann Rempel in Bielefeld, hat man mit acht verschiedenen Anklagen auf Majestätsbeleidigung, Hochverrath, Erregung von Mißvergnügen, Aufruf zur Gewalt, Anmaßung von Hoheitsrechten u. s. w. beglückt. Verschiedene Mitglieder des demokratischen Vereins in Bielefeld sitzen wegen "Majestätsbeleidigung." Einer, ein Volksschullehrer, ist deshalb eingezogen worden, weil er einem Schulbekannten seine Ansicht über die gegenwärtigen Zustände brieflich mittheilte und dieser ihn denunzirte (!!). Das Landvolk wird von den Beamten und Pfaffen bearbeitet, daß es eine Freude ist; die Pfaffen bedauern nur, "daß der "gute" König zu sehr Demokrat geworden sei."

Es ist eine tolle Wirthschaft im Lande und es wird binnen einigen Monaten eine Konfusion entstehen, aus der niemand mehr klug werden kann. Wenn Sie die Zustände hier mit erlebten, so würden Sie mit mir darin übereinstimmen, daß solch' ein Willkürregiment und solch' eine rührende Einigkeit zwischen der Polizei und Justiz noch niemals dagewesen in unserm guten Deutschland.

Das sind die Novembererrungenschaften!
O Sonne, du klagende Flamme!
68 Berlin, 11. Dezbr.

Wir glauben versichern zu können, daß der Unbekannte, welcher gegen Robert Blum im Gefängnisse sich als Leidensgenosse ausgab und dem nicht hinlänglich mißtrauischen Märtyrer über seine Betheiligung an der Wiener Revolution entlockte, auf die später das Todesurtheil gegen Blum gegründet wurde, Niemand anders war, als unser berüchtigter Polizeispion Dunker.

Betreffs der gestern von uns gemeldeten Ausweisung des frühern Abgeordneten Schramm erfahren wir noch die interessante Pointe, daß ihm der Polizeipräsident Hinkeldey geradezu erklärte: der Grund seiner Ausweisung sei, seine frühere Thätigkeit als Präsident des demokratischen Klubs und überhaupt seine politische Gesinnung. Das ist doch wenigstens löbliche Offenheit.

Die Eröffnung der Held'schen Weihnachtstube, welche gestern Abend stattfinden sollte, ist in Folge eines Befehls vom General Wrangel, welcher alle politische Ausstellungen verbietet, einstweilen suspendirt, da Wrangel politischen Stoff nicht humoristisch behandelt wissen will.

Berlin, 10. Dez.

Die Contrerevolution hat, da sie von Gottes Gnaden ist, natürlich auch ihre Wunder und ihre Heiligen. Eine Dame, welche eifrig bemüht ist, für die Soldaten Strümpfe zu schaffen, zeigt alles Ernstes in den öffentlichen Blättern an: Es sei ihr von unbekannter Hand mit dem Postzeichen "Potsdam" ein Faden grauer Wolle zugeschickt und dabei bemerkt worden, dieser Faden werde zu Strümpfen für die ganze Garnison ausreichen. Wie wunderbar ihr dies auch erschien, so war sie doch der Meinung, daß bei Gott kein Ding unmöglich sei. Sie fing an zu wickeln, und obgleich 4 andere Jungfrauen sie in dieser Thätigkeit unterstützten, so ist der Faden, der ursprünglich 1 Elle groß, doch noch nicht zu Ende gewickelt. Der heilige Faden liegt zur Ansicht bereit. Das auserwühlte Rüstzeug des Herrn, der auf so wunderbarem Wege die Wrangel'schen Truppen von Potsdam aus mit Strümpfen versehen will, heißt Friederike Knochenhauer.

(Rh.- u. M.-Z.)
68 Berlin, 11. Dez.

Für die Kammern sollen Sitzungslokale im Schloße eingerichtet werden. Die zweite Kammer wird im weißen Saal tagen." So berichtet die edle "Kreuzritterin" Dasselbe saubere Blättchen der preußischen Camarilla berichtet: "Wir haben bereits mttgetheilt, daß wegen der nichtswürdigen Zerstörung der Wohnung des Major Preuß am 18. März, durch die aus einem leeren Gerücht hervorgerufene Wuth der Volksmenge, jetzt nähere Untersuchung eingeleitet worden. Major Preuß ist jetzt nach langer Krankheit hierher zurückgekehrt und wird den Thatbestand jener Ereignisse auf das Genaueste feststellen lassen. Der ihm zugefügte Schaden beträgt an 30,000 Thlr. Die Pflicht eines jeden Ehrenmannes, der Zeugniß in dieser Sache ablegen kann, ist es jetzt, damit nicht zurückzuhalten."

In seinen eben erschienenen "kaltblütigen Glossen zu der Verfassungsurkunde" bemerkt H. B. Oppenheim: "Die Verfassung endet, womit sie begonnen -- mit dem Belagerungszustande. Alle persönlichen Rechte und Freiheiten, die Presse, kurz Alles kann von der Regierung nach Belieben zeit- und distriktsweise suspendirt werden. Und doch waren die hierdurch aufgehobenen Garantieen des Gesetzes vom 24. September zwischen Krone und Volk vereinbart."

121 Wien, 8. Dezember.

Die von dem Finanzminister geforderten Milliönchen beschäftigen fortwährend alle Wiener Geister, selbst die hier noch hausenden Serezaner. Kein Mensch traut dem Staatskredit mehr. Klingende Münze wird namentlich von den großen Häusern um jeden Preis gekauft. Aus dem Verkehr ist dieselbe bis zur Scheidemünze herab fast gänzlich verschwunden. Die Bank, die schon seit 6 Monaten ihre Noten nicht mehr honorirte, wechselt jetzt gar kein Silber mehr aus. Mit ihrem Monopol macht sie übrigens die glänzendsten Geschäfte dabei sie hat den Staat und das Publikum ausgesaugt; ihre Aktien sind alle in den Händen einiger Geldsäcke und tragen jährlich über 100 Gulden Dividende. Das Uebel ist so arg, daß selbst der "Lloyd" von gestern offiziell gegen sie zu Felde zu ziehen begann. Unsere Bourgeoisie hängt wesentlich mit dieser Bank zusammen; sie ist eine Aristokratie, die bei dem nächsten Sturme jedenfalls gestürzt werden wird, wenn nicht das Ministerium schon früher ernstlich wider sie operirt.

Gegen Tirol ist man höchlich aufgebracht, weil es eigenmächtig die Verzehrungssteuer aufgehoben, und sich auch andere unangenehme Gelüste dort zeigen sollen. -- Es heißt, die Deputation des

*) Jenes Spottgedicht, welches die "Köln. Ztg." lieferte, war von einem Unteroffizier verfaßt und zwar auf Kommando seines Vorgesetzten, des Major v. Derschau.
Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 168. Köln, Donnerstag den 14. Dezember 1848.

Keine Steuern mehr!!!

Zu Nr. 167 der „Neuen Rheinischen Zeitung“ ist Mittwoch Morgen ein Extrablatt ausgegeben worden.

Uebersicht.

Deutschland. Köln. (Die Verläumdungen der „N. Rh. Z.“) Düsseldorf. (Schauerliche Verschwörung. — Ein Spiegel-Drigalski'scher Leibspion. — Die Herstellung der Censur. — Protest dagegen.) Koblenz. (Eine Lüge der „Kölnischen“.) Bielefeld. (Verhaftungen. — Unvergleichliches Willkür-Regiment.) Berlin. (Der Polizeispion Dunker. — Schramm's Ausweisung. — Verbot der Held'schen Weihnachtsstube. — Eine Heilige bei der Contrerevolution. — Anfang und Ende der gottbegnadeten Verfassung. — Bestimmung des weißen Saales. — Der Major Preuß.) Wien. (Die 80 Millionen Anleihe und die Börse. — Der Reichstag. — Die Kroaten und die westeuropäische Bourgeoisie. — Schicksal der Geiseln in H[unleserliches Material]tzendorf. — Offizielle Berichtigung. — Neue standrechtliche Proklamation. — Eine Lüge in Betreff Kossuth's. — Riesenpetition an Windischgrätz. — Infamie der Presse.) Posen. (Das Institut der Landräthe und die Kreisversammlungen). Bernburg. (Protest des Landtags gegen etwaige Auflösung.) Glückstadt. (Unruhen.) Frankfurt. (National-Versammlung.)

Schweiz. Bern. (Ursulinerinnenkloster. — Werbungen für den Kartätschenkönig. — Die „Bürgergemeinde.“ — Kommission wegen eines gemeinsamen Zolltarifs.) Luzern. (Zerrüttung der Finanzen — Die Sonderbündler.) Unterwalden-Obwalden. (Ein Urkantonsgeschichtchen.)

Französische Republik. Paris. (Die parlamentarischen Partheien und die Präsidentenwahl. — Vermischtes. — National-Versammlung.) Lille. (Wahlmanöver.)

Großbritannien. Chartistische Parlamentskandidaten. — An die Wählerschaft von Leicester. — Chartistenprozeß in York und Liverpool.

Italien. Ministerwechsel zu Turin. — Aus Rom, Bologna und Ancona.

Deutschland.
* Köln, 13. Dezember.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
15 Düsseldorf, 10. Dezbr.

Endlich ist denn auch der Ex-Chef der hiesigen Ex-Bürgerwehr, Herr Lorenz Cantador, der Mann, um deswillen Mufti Eichmann noch nachträglich das Martialgesetz verkündigen lassen wollte, in „Verwahrung“ genommen. Es bedurfte eines fast dreiwöchentlichen Belagerungszustandes, der völligsten Einschüchterung der Bürgerschaft, ja der Auflösung der Nationalversammlung und der octroyirten Verfassung, um unser muthiges Parquet zu diesem „kühnen Griff“ zu ermannen! Nach der Einsetzung des Militärdespotismus hatte man sich nur erlaubt, ihm einen Erscheinungsbefehl zuzuschicken; er wurde vernommen, aber zum allgemeinen Erstaunen nicht verhaftet. Nicht als ob man sich seiner nicht gern hätte bemächtigen mögen, man wagte es nur noch nicht. Jetzt ist die Sache anders; in dem Augenblick, wo die hiesige Heulerschaft durch eines ihrer tüchtigsten Mitglieder dem Ministerium Brandenburg eine Zustimmungsadresse zur Verfassungsoctroyirung übersandt, wo der Stadtrath sich auf Phrasen besinnt, um der Regierung seine unterthänigste Verzweiflung vorzuwinseln über die angedrohte Entziehung der Garnison, des Landgerichts und anderer „Wohlthaten,“ in diesem feierlichen Moment mußte auch das tapfere Parquet, welches sogar von der eigenen Partei desavouirt wurde, als es galt, den Belagerungszustand zu beschönigen, seine Loyalität dokumentiren, und es fand sich plötzlich, daß Grund vorhanden war, den trotz aller Spottgedichte und Verläumdungen der guten Presse noch immer gefürchteten Cantador in Sicherheit zu bringen. Die „Kölnische Zeitung“ sucht den Grund zu dieser „Maßregel“ in wichtigen Ausschlüssen, die sich aus jüngst entdeckten Papieren Lassalle's ergeben sollen und fügt dann die Lüge hinzu, daß Lassalle diese Papiere „versteckt“ gehalten habe. Wenn die wahrheitsliebende „Kölnische Zeitung“ einen Grund angiebt, so kann man allemal sicher sein, daß es ein Scheingrund, ein bloser Vorwand ist, um das eigentliche Motiv zu verstecken. So ist es denn auch mit dieser Auffindung von „versteckten“ Papieren, die bereits zu den fabelhaftesten Erfindungen Anlaß gegeben hat. Es handelt sich ja von Lassalle, Grund genug, um jene berüchtigte Zeugenbestecherbande, die Lassalle in seinem Assisenprozesse so unauslöschlich gebrandmarkt hat, in Thätigkeit zu setzen. Diese Bande ist es, von der die „Kölnische Zeitung“ ihre Mittheilungen über die hiesigen Vorfälle bezieht. Der Chef derselben ist unter dem Schutze des Belagerungszustandes zu einer neuen Würde emporgestiegen; er ist der geheime Leibspion der Herren Spiegel-Drigalski geworden! Als Hrn. v. Spiegel bemerklich gemacht wurde, wie er mit diesem Subjekte in Verbindung stehen könne, äußerte er: „Lassen Sie das gut sein, er leistet mir Dienste, wozu sich sonst kein ehrlicher Mensch gebrauchen läßt.“ Besagte Bande hat nun auch dem Untersuchungsrichter die Anzeige gemacht, daß in einem hiesigen Gasthofe Papiere von Lassalle sich befänden. Sie können sich denken, wie sehr man sich beeilte, diese vielversprechenden „Ueberführungsstücke,“ um derentwillen man schon zweimal vergeblich Haussuchung angestellt hatte, in Beschlag zu nehmen. Aber zum Leidwesen aller Heuler — die Hoffnungen der Inquirenten sind arg getäuscht worden. Statt die Beweise für eine geheime Verschwörung, für das Komplott des Art. 87 und 91 zu finden, die jederzeit bei der Hand sind, wenn die Untersuchung und Verhaftung eines rheinischen Demokraten befohlen wird, statt dessen hat sich nichts ergeben, was nicht von Lassalle und allen andern, die zur Untersuchung gezogen sind, bereitwilligst zugestanden würde. So war der große Fang mißlungen und wäre die Sache, so wie sie sich wirklich verhält, ins Publikum gekommen, sie hätte nicht einmal als Prätext zu Cantadors Verhaftung dienen können. Darum war es aber gerade zu thun; also mußte in der Stadt das Gerücht ausgesprengt werden, man habe 1. eine Liste der Verschworenen entdeckt, 2. aber, hört, hört! eine Proskriptionsliste der wohlhabendsten und wohlgesinntesten Bürger!! Sie können denken, daß die Heuler ein wahrer Galgenschauder überlief, als sie so gräuelhafte Dinge erfuhren und daß die gleichzeitige Verhaftung eines der Haupträdelsführer mit ungetheiltem Beifall aufgenommen wurde. In Wahrheit aber reduzirt sich jene Verschwörerliste auf einige Namen, die zu Beiträgen für den demokratischen Centralausschuß unterschrieben waren und die Proskriptionsliste auf einige verspätete Bogen Unterschriften zu einer längst abgegangenen Adresse an die Nationalversammlung!! Die „honette“ Presse, die Kölnische, die Elberfelder, die Deutsche, die Augsburger, und wie diese „Tugendhaften“ alle heißen, verbreiten natürlich mit Wollust alle die boshaften und aberwitzigen Kalumnien, die für „hochgebornes“ Geld ersonnen und durch besoldete Agenten in alle Welt hinausgesandt werden. Daß die „Kölnische Zeitung lügt, wenn sie sagt, Lassalle habe jene Papiere „versteckt,“ habe ich schon oben bemerkt; aber welche Bewandtniß es mit diesem Wegschaffen hat, läßt sich daraus entnehmen, daß zugleich die wichtigsten, für den Fall des Verlustes gänzlich unersetzliche Privatpapiere mitgewandert waren. Auf diese Papiere scheint es dem Entführer hauptsächtlich abgesehen zu sein. Das braucht freilich der Korrespondent der Kölnischen Zeitung nicht zu wissen; er darf wahrscheinlich nur insgeheim das Mißlingen des Coups beklagen. Die Sache ist übrigens der Prokuratur übergeben und es wäre nicht unmöglich, daß die Assisen wieder mit einer cause celèbre befaßt würden, nur mit dem Unterschiede, daß diesmal die Rollen gewechselt wären.

X Düsseldorf, 12. Dez.

Gestern theilte ich Ihnen die erfreuliche Nachricht mit, daß mit Herstellung der Censur für ganz Preußen der erste Anfang in unserer Stadt gemacht worden. Die Säbelherrschaft civilisirt sich. Der bekannte „Bürger und königl. preußischer Kommunist“ Drigalski hätte eben so gut die unter Censur gestellten Blätter völlig unterdrücken können. Aber nein! Sein gefühlvolles Herz nahm blos zur mäßigen Züchtigung, zur Censurruthe, seine Zuflucht. Und was thut die unter Censur gestellte „Düsseldorferin“? Nichts mehr und nichts weniger, als was von einem Blatte dieses Schlages zu erwarten stand. Sie kündigt ihren Lesern heute folgendes an: „Der §. 24 der octroyirten Verfassung gewährt allen Preußen unbedingte Preßfreiheit. Nach §. 110 kann der genannte Artikel für den Fall eines Kriegs oder Aufruhrs zeit- und distriktsweise außer Kraft gesetzt werden.

In Düsseldorf herrscht weder Krieg noch Aufruhr. Dennoch ist über unser Blatt vorgestern die Censur verhängt worden. Wir werden bei der deutschen Nationalversammlung unsere Beschwerden gegen die Maßregel des Herrn Divisionsgenerals von Drigalski einreichen.“

O Heinemann, o Heinemann, wie dürr sind deine Blätter!

Unsere Leser werden wohl keinen Augenblick im Zweifel sein, daß, wer sich mit einem solchen Protest noch im Dezember 1848 an die Zertreter des deutschen Volks in Frankfurt wendet und im Ernst Gehör und Abhülfe erwartet, mindestens zur lebenslänglichen Detention in Siegburg verurtheilt zu werden verdient.

Koblenz, 12. Dez.

Die „Köln. Ztg.“ lügt, hier sei eine Adresse, worin dem Landesvater für die Verfassung gedankt wird, mit 1000 Unterschriften bedeckt worden. 1000 Beamte, selbst wenn man die Pensionirten dazuzählt, sind hier gar nicht vorhanden.

(Rh.- u. M.-Z.)
41 Bielefeld, 11. Dez.

Von der Reaktion, welche in unserm wackern Westphalen herrscht, machen Sie sich keinen Begriff. Verhaftungen über Verhaftungen, eine wahre Sündfluth von Majestätsbeleidigungs- und Hochverrathsprozessen. Jeder Landrath, jeder Amtmann auf seinem Dorfe spielt einen kleinen Brandenburg, jeder Unteroffizier fühlt in sich einen Wrangel, jeder Polizeidiener gerirt sich à la Dunker. In Münster verhaftet man die unschuldigsten Leute, weil sie an dem westphälischen Kongresse Theil genommen haben. Sogar der Justizkommissar Gierse ist eingezogen und auf den Oberlandesgerichts-Assessor Möllenhof fahndet man, obschon beide auf dem Kongresse zur äußersten Rechten gehörten und auf dem „Rechtsboden“ herumritten. Man soll beabsichtigen, sämmtliche Mitglieder dieses Münsterschen Kongresses, etwa 150 an der Zahl, beizustecken, um sich ihrer möglichst während der bevorstehenden Wahlen zu entledigen.

Den Redakteur des „Volksfreundes“, Kaufmann Rempel in Bielefeld, hat man mit acht verschiedenen Anklagen auf Majestätsbeleidigung, Hochverrath, Erregung von Mißvergnügen, Aufruf zur Gewalt, Anmaßung von Hoheitsrechten u. s. w. beglückt. Verschiedene Mitglieder des demokratischen Vereins in Bielefeld sitzen wegen „Majestätsbeleidigung.“ Einer, ein Volksschullehrer, ist deshalb eingezogen worden, weil er einem Schulbekannten seine Ansicht über die gegenwärtigen Zustände brieflich mittheilte und dieser ihn denunzirte (!!). Das Landvolk wird von den Beamten und Pfaffen bearbeitet, daß es eine Freude ist; die Pfaffen bedauern nur, „daß der „gute“ König zu sehr Demokrat geworden sei.“

Es ist eine tolle Wirthschaft im Lande und es wird binnen einigen Monaten eine Konfusion entstehen, aus der niemand mehr klug werden kann. Wenn Sie die Zustände hier mit erlebten, so würden Sie mit mir darin übereinstimmen, daß solch' ein Willkürregiment und solch' eine rührende Einigkeit zwischen der Polizei und Justiz noch niemals dagewesen in unserm guten Deutschland.

Das sind die Novembererrungenschaften!
O Sonne, du klagende Flamme!
68 Berlin, 11. Dezbr.

Wir glauben versichern zu können, daß der Unbekannte, welcher gegen Robert Blum im Gefängnisse sich als Leidensgenosse ausgab und dem nicht hinlänglich mißtrauischen Märtyrer über seine Betheiligung an der Wiener Revolution entlockte, auf die später das Todesurtheil gegen Blum gegründet wurde, Niemand anders war, als unser berüchtigter Polizeispion Dunker.

Betreffs der gestern von uns gemeldeten Ausweisung des frühern Abgeordneten Schramm erfahren wir noch die interessante Pointe, daß ihm der Polizeipräsident Hinkeldey geradezu erklärte: der Grund seiner Ausweisung sei, seine frühere Thätigkeit als Präsident des demokratischen Klubs und überhaupt seine politische Gesinnung. Das ist doch wenigstens löbliche Offenheit.

Die Eröffnung der Held'schen Weihnachtstube, welche gestern Abend stattfinden sollte, ist in Folge eines Befehls vom General Wrangel, welcher alle politische Ausstellungen verbietet, einstweilen suspendirt, da Wrangel politischen Stoff nicht humoristisch behandelt wissen will.

Berlin, 10. Dez.

Die Contrerevolution hat, da sie von Gottes Gnaden ist, natürlich auch ihre Wunder und ihre Heiligen. Eine Dame, welche eifrig bemüht ist, für die Soldaten Strümpfe zu schaffen, zeigt alles Ernstes in den öffentlichen Blättern an: Es sei ihr von unbekannter Hand mit dem Postzeichen „Potsdam“ ein Faden grauer Wolle zugeschickt und dabei bemerkt worden, dieser Faden werde zu Strümpfen für die ganze Garnison ausreichen. Wie wunderbar ihr dies auch erschien, so war sie doch der Meinung, daß bei Gott kein Ding unmöglich sei. Sie fing an zu wickeln, und obgleich 4 andere Jungfrauen sie in dieser Thätigkeit unterstützten, so ist der Faden, der ursprünglich 1 Elle groß, doch noch nicht zu Ende gewickelt. Der heilige Faden liegt zur Ansicht bereit. Das auserwühlte Rüstzeug des Herrn, der auf so wunderbarem Wege die Wrangel'schen Truppen von Potsdam aus mit Strümpfen versehen will, heißt Friederike Knochenhauer.

(Rh.- u. M.-Z.)
68 Berlin, 11. Dez.

Für die Kammern sollen Sitzungslokale im Schloße eingerichtet werden. Die zweite Kammer wird im weißen Saal tagen.“ So berichtet die edle „Kreuzritterin“ Dasselbe saubere Blättchen der preußischen Camarilla berichtet: „Wir haben bereits mttgetheilt, daß wegen der nichtswürdigen Zerstörung der Wohnung des Major Preuß am 18. März, durch die aus einem leeren Gerücht hervorgerufene Wuth der Volksmenge, jetzt nähere Untersuchung eingeleitet worden. Major Preuß ist jetzt nach langer Krankheit hierher zurückgekehrt und wird den Thatbestand jener Ereignisse auf das Genaueste feststellen lassen. Der ihm zugefügte Schaden beträgt an 30,000 Thlr. Die Pflicht eines jeden Ehrenmannes, der Zeugniß in dieser Sache ablegen kann, ist es jetzt, damit nicht zurückzuhalten.“

In seinen eben erschienenen „kaltblütigen Glossen zu der Verfassungsurkunde“ bemerkt H. B. Oppenheim: „Die Verfassung endet, womit sie begonnen — mit dem Belagerungszustande. Alle persönlichen Rechte und Freiheiten, die Presse, kurz Alles kann von der Regierung nach Belieben zeit- und distriktsweise suspendirt werden. Und doch waren die hierdurch aufgehobenen Garantieen des Gesetzes vom 24. September zwischen Krone und Volk vereinbart.“

121 Wien, 8. Dezember.

Die von dem Finanzminister geforderten Milliönchen beschäftigen fortwährend alle Wiener Geister, selbst die hier noch hausenden Serezaner. Kein Mensch traut dem Staatskredit mehr. Klingende Münze wird namentlich von den großen Häusern um jeden Preis gekauft. Aus dem Verkehr ist dieselbe bis zur Scheidemünze herab fast gänzlich verschwunden. Die Bank, die schon seit 6 Monaten ihre Noten nicht mehr honorirte, wechselt jetzt gar kein Silber mehr aus. Mit ihrem Monopol macht sie übrigens die glänzendsten Geschäfte dabei sie hat den Staat und das Publikum ausgesaugt; ihre Aktien sind alle in den Händen einiger Geldsäcke und tragen jährlich über 100 Gulden Dividende. Das Uebel ist so arg, daß selbst der „Lloyd“ von gestern offiziell gegen sie zu Felde zu ziehen begann. Unsere Bourgeoisie hängt wesentlich mit dieser Bank zusammen; sie ist eine Aristokratie, die bei dem nächsten Sturme jedenfalls gestürzt werden wird, wenn nicht das Ministerium schon früher ernstlich wider sie operirt.

Gegen Tirol ist man höchlich aufgebracht, weil es eigenmächtig die Verzehrungssteuer aufgehoben, und sich auch andere unangenehme Gelüste dort zeigen sollen. — Es heißt, die Deputation des

*) Jenes Spottgedicht, welches die „Köln. Ztg.“ lieferte, war von einem Unteroffizier verfaßt und zwar auf Kommando seines Vorgesetzten, des Major v. Derschau.
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        <p>Zu Nr. 167 der &#x201E;Neuen Rheinischen Zeitung&#x201C; ist Mittwoch Morgen ein Extrablatt ausgegeben worden.</p>
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        <head>Uebersicht.</head>
        <p><hi rendition="#g">Deutschland</hi>. Köln. (Die Verläumdungen der &#x201E;N. Rh. Z.&#x201C;) Düsseldorf. (Schauerliche Verschwörung. &#x2014; Ein Spiegel-Drigalski'scher Leibspion. &#x2014; Die Herstellung der Censur. &#x2014; Protest dagegen.) Koblenz. (Eine Lüge der &#x201E;Kölnischen&#x201C;.) Bielefeld. (Verhaftungen. &#x2014; Unvergleichliches Willkür-Regiment.) Berlin. (Der Polizeispion Dunker. &#x2014; Schramm's Ausweisung. &#x2014; Verbot der Held'schen Weihnachtsstube. &#x2014; Eine Heilige bei der Contrerevolution. &#x2014; Anfang und Ende der gottbegnadeten Verfassung. &#x2014; Bestimmung des weißen Saales. &#x2014; Der Major Preuß.) Wien. (Die 80 Millionen Anleihe und die Börse. &#x2014; Der Reichstag. &#x2014; Die Kroaten und die westeuropäische Bourgeoisie. &#x2014; Schicksal der Geiseln in H<gap reason="illegible"/>tzendorf. &#x2014; Offizielle Berichtigung. &#x2014; Neue standrechtliche Proklamation. &#x2014; Eine Lüge in Betreff Kossuth's. &#x2014; Riesenpetition an Windischgrätz. &#x2014; Infamie der Presse.) Posen. (Das Institut der Landräthe und die Kreisversammlungen). Bernburg. (Protest des Landtags gegen etwaige Auflösung.) Glückstadt. (Unruhen.) Frankfurt. (National-Versammlung.)</p>
        <p><hi rendition="#g">Schweiz</hi>. Bern. (Ursulinerinnenkloster. &#x2014; Werbungen für den Kartätschenkönig. &#x2014; Die &#x201E;Bürgergemeinde.&#x201C; &#x2014; Kommission wegen eines gemeinsamen Zolltarifs.) Luzern. (Zerrüttung der Finanzen &#x2014; Die Sonderbündler.) Unterwalden-Obwalden. (Ein Urkantonsgeschichtchen.)</p>
        <p><hi rendition="#g">Französische Republik</hi>. Paris. (Die parlamentarischen Partheien und die Präsidentenwahl. &#x2014; Vermischtes. &#x2014; National-Versammlung.) Lille. (Wahlmanöver.)</p>
        <p><hi rendition="#g">Großbritannien</hi>. Chartistische Parlamentskandidaten. &#x2014; An die Wählerschaft von Leicester. &#x2014; Chartistenprozeß in York und Liverpool.</p>
        <p><hi rendition="#g">Italien</hi>. Ministerwechsel zu Turin. &#x2014; Aus Rom, Bologna und Ancona.</p>
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        <head>Deutschland.</head>
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          <note type="editorial">Edition: <bibl>Karl Marx: Die Verleumdungen der &#x201E;Neuen Rheinischen Zeitung&#x201C;, vorgesehen für: MEGA<hi rendition="#sup">2</hi>, I/8.         </bibl>                </note>
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Köln, 13. Dezember.</head>
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        <div xml:id="ar168_002" type="jArticle">
          <head><bibl><author>15</author></bibl> Düsseldorf, 10. Dezbr.</head>
          <p>Endlich ist denn auch der Ex-Chef der hiesigen Ex-Bürgerwehr, Herr Lorenz Cantador, der Mann, um deswillen Mufti Eichmann noch nachträglich das Martialgesetz verkündigen lassen wollte, in &#x201E;Verwahrung&#x201C; genommen. Es bedurfte eines fast dreiwöchentlichen Belagerungszustandes, der völligsten Einschüchterung der Bürgerschaft, ja der Auflösung der Nationalversammlung und der octroyirten Verfassung, um unser muthiges Parquet zu diesem &#x201E;kühnen Griff&#x201C; zu ermannen! Nach der Einsetzung des Militärdespotismus hatte man sich nur erlaubt, ihm einen Erscheinungsbefehl zuzuschicken; er wurde vernommen, aber zum allgemeinen Erstaunen nicht verhaftet. Nicht als ob man sich seiner nicht gern hätte bemächtigen mögen, man wagte es nur noch nicht. Jetzt ist die Sache anders; in dem Augenblick, wo die hiesige Heulerschaft durch eines ihrer tüchtigsten Mitglieder dem Ministerium Brandenburg eine Zustimmungsadresse zur Verfassungsoctroyirung übersandt, wo der Stadtrath sich auf Phrasen besinnt, um der Regierung seine unterthänigste Verzweiflung vorzuwinseln über die angedrohte Entziehung der Garnison, des Landgerichts und anderer &#x201E;Wohlthaten,&#x201C; in diesem feierlichen Moment mußte auch das tapfere Parquet, welches sogar von der eigenen Partei desavouirt wurde, als es galt, den Belagerungszustand zu beschönigen, seine Loyalität dokumentiren, und es fand sich plötzlich, daß Grund vorhanden war, den trotz aller Spottgedichte <note place="foot">*) Jenes Spottgedicht, welches die &#x201E;Köln. Ztg.&#x201C; lieferte, war von einem Unteroffizier verfaßt und zwar auf Kommando seines Vorgesetzten, des Major v. Derschau.</note> und Verläumdungen der guten Presse noch immer gefürchteten Cantador in Sicherheit zu bringen. Die &#x201E;Kölnische Zeitung&#x201C; sucht den Grund zu dieser &#x201E;Maßregel&#x201C; in wichtigen Ausschlüssen, die sich aus jüngst entdeckten Papieren Lassalle's ergeben sollen und fügt dann die Lüge hinzu, daß Lassalle diese Papiere &#x201E;versteckt&#x201C; gehalten habe. Wenn die wahrheitsliebende &#x201E;Kölnische Zeitung&#x201C; einen Grund angiebt, so kann man allemal sicher sein, daß es ein Scheingrund, ein bloser Vorwand ist, um das eigentliche Motiv zu verstecken. So ist es denn auch mit dieser Auffindung von &#x201E;versteckten&#x201C; Papieren, die bereits zu den fabelhaftesten Erfindungen Anlaß gegeben hat. Es handelt sich ja von Lassalle, Grund genug, um jene berüchtigte Zeugenbestecherbande, die Lassalle in seinem Assisenprozesse so unauslöschlich gebrandmarkt hat, in Thätigkeit zu setzen. Diese Bande ist es, von der die &#x201E;Kölnische Zeitung&#x201C; ihre Mittheilungen über die hiesigen Vorfälle bezieht. Der Chef derselben ist unter dem Schutze des Belagerungszustandes zu einer neuen Würde emporgestiegen; er ist der geheime Leibspion der Herren Spiegel-Drigalski geworden! Als Hrn. v. Spiegel bemerklich gemacht wurde, wie er mit diesem Subjekte in Verbindung stehen könne, äußerte er: &#x201E;Lassen Sie das gut sein, er leistet mir Dienste, wozu sich sonst kein ehrlicher Mensch gebrauchen läßt.&#x201C; Besagte Bande hat nun auch dem Untersuchungsrichter die Anzeige gemacht, daß in einem hiesigen Gasthofe Papiere von Lassalle sich befänden. Sie können sich denken, wie sehr man sich beeilte, diese vielversprechenden &#x201E;Ueberführungsstücke,&#x201C; um derentwillen man schon zweimal vergeblich Haussuchung angestellt hatte, in Beschlag zu nehmen. Aber zum Leidwesen aller Heuler &#x2014; die Hoffnungen der Inquirenten sind arg getäuscht worden. Statt die Beweise für eine geheime Verschwörung, für das Komplott des Art. 87 und 91 zu finden, die jederzeit bei der Hand sind, wenn die Untersuchung und Verhaftung eines rheinischen Demokraten befohlen wird, statt dessen hat sich nichts ergeben, was nicht von Lassalle und allen andern, die zur Untersuchung gezogen sind, bereitwilligst zugestanden würde. So war der große Fang mißlungen und wäre die Sache, so wie sie sich wirklich verhält, ins Publikum gekommen, sie hätte nicht einmal als Prätext zu Cantadors Verhaftung dienen können. Darum war es aber gerade zu thun; also mußte in der Stadt das Gerücht ausgesprengt werden, man habe 1. eine Liste der Verschworenen entdeckt, 2. aber, hört, hört! eine Proskriptionsliste der wohlhabendsten und wohlgesinntesten Bürger!! Sie können denken, daß die Heuler ein wahrer Galgenschauder überlief, als sie so gräuelhafte Dinge erfuhren und daß die gleichzeitige Verhaftung eines der Haupträdelsführer mit ungetheiltem Beifall aufgenommen wurde. In Wahrheit aber reduzirt sich jene Verschwörerliste auf einige Namen, die zu Beiträgen für den demokratischen Centralausschuß unterschrieben waren und die Proskriptionsliste auf einige verspätete Bogen Unterschriften zu einer längst abgegangenen Adresse an die Nationalversammlung!! Die &#x201E;honette&#x201C; Presse, die Kölnische, die Elberfelder, die Deutsche, die Augsburger, und wie diese &#x201E;Tugendhaften&#x201C; alle heißen, verbreiten natürlich mit Wollust alle die boshaften und aberwitzigen Kalumnien, die für &#x201E;hochgebornes&#x201C; Geld ersonnen und durch besoldete Agenten in alle Welt hinausgesandt werden. Daß die &#x201E;Kölnische Zeitung lügt, wenn sie sagt, Lassalle habe jene Papiere &#x201E;versteckt,&#x201C; habe ich schon oben bemerkt; aber welche Bewandtniß es mit diesem Wegschaffen hat, läßt sich daraus entnehmen, daß zugleich die wichtigsten, für den Fall des Verlustes gänzlich unersetzliche Privatpapiere mitgewandert waren. Auf diese Papiere scheint es dem Entführer hauptsächtlich abgesehen zu sein. Das braucht freilich der Korrespondent der Kölnischen Zeitung nicht zu wissen; er darf wahrscheinlich nur insgeheim das Mißlingen des Coups beklagen. Die Sache ist übrigens der Prokuratur übergeben und es wäre nicht unmöglich, daß die Assisen wieder mit einer cause celèbre befaßt würden, nur mit dem Unterschiede, daß diesmal die Rollen gewechselt wären.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar168_003" type="jArticle">
          <head><bibl><author>X</author></bibl> Düsseldorf, 12. Dez.</head>
          <p>Gestern theilte ich Ihnen die erfreuliche Nachricht mit, daß mit Herstellung der Censur für ganz Preußen der erste Anfang in unserer Stadt gemacht worden. Die Säbelherrschaft civilisirt sich. Der bekannte &#x201E;Bürger und königl. preußischer Kommunist&#x201C; Drigalski hätte eben so gut die unter Censur gestellten Blätter völlig unterdrücken können. Aber nein! Sein gefühlvolles Herz nahm blos zur mäßigen Züchtigung, zur Censurruthe, seine Zuflucht. Und was thut die unter Censur gestellte &#x201E;Düsseldorferin&#x201C;? Nichts mehr und nichts weniger, als was von einem Blatte dieses Schlages zu erwarten stand. Sie kündigt ihren Lesern heute folgendes an: &#x201E;Der §. 24 der octroyirten Verfassung gewährt allen Preußen <hi rendition="#g">unbedingte Preßfreiheit</hi>. Nach §. 110 kann der genannte Artikel für den Fall eines <hi rendition="#g">Kriegs</hi> oder <hi rendition="#g">Aufruhrs</hi> zeit- und distriktsweise außer Kraft gesetzt werden.</p>
          <p>In Düsseldorf herrscht weder Krieg noch Aufruhr. Dennoch ist über unser Blatt vorgestern die <hi rendition="#b">Censur</hi> verhängt worden. Wir werden bei der deutschen Nationalversammlung unsere Beschwerden gegen die Maßregel des Herrn Divisionsgenerals von Drigalski einreichen.&#x201C;</p>
          <p>O Heinemann, o Heinemann, wie dürr sind deine Blätter!</p>
          <p>Unsere Leser werden wohl keinen Augenblick im Zweifel sein, daß, wer sich mit einem solchen Protest noch im Dezember 1848 an die Zertreter des deutschen Volks in Frankfurt wendet und im Ernst Gehör und Abhülfe erwartet, mindestens zur lebenslänglichen Detention in Siegburg verurtheilt zu werden verdient.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar168_004" type="jArticle">
          <head>Koblenz, 12. Dez.</head>
          <p>Die &#x201E;Köln. Ztg.&#x201C; lügt, hier sei eine Adresse, worin dem Landesvater für die Verfassung gedankt wird, mit 1000 Unterschriften bedeckt worden. 1000 Beamte, selbst wenn man die Pensionirten dazuzählt, sind hier gar nicht vorhanden.</p>
          <bibl>(Rh.- u. M.-Z.)</bibl>
        </div>
        <div xml:id="ar168_005" type="jArticle">
          <head><bibl><author>41</author></bibl> Bielefeld, 11. Dez.</head>
          <p>Von der Reaktion, welche in unserm wackern Westphalen herrscht, machen Sie sich keinen Begriff. Verhaftungen über Verhaftungen, eine wahre Sündfluth von Majestätsbeleidigungs- und Hochverrathsprozessen. Jeder Landrath, jeder Amtmann auf seinem Dorfe spielt einen kleinen Brandenburg, jeder Unteroffizier fühlt in sich einen Wrangel, jeder Polizeidiener gerirt sich à la Dunker. In Münster verhaftet man die unschuldigsten Leute, weil sie an dem westphälischen Kongresse Theil genommen haben. Sogar der Justizkommissar Gierse ist eingezogen und auf den Oberlandesgerichts-Assessor Möllenhof fahndet man, obschon beide auf dem Kongresse zur äußersten Rechten gehörten und auf dem &#x201E;Rechtsboden&#x201C; herumritten. Man soll beabsichtigen, sämmtliche Mitglieder dieses Münsterschen Kongresses, etwa 150 an der Zahl, beizustecken, um sich ihrer möglichst während der bevorstehenden Wahlen zu entledigen.</p>
          <p>Den Redakteur des &#x201E;Volksfreundes&#x201C;, Kaufmann Rempel in Bielefeld, hat man mit acht verschiedenen Anklagen auf Majestätsbeleidigung, Hochverrath, Erregung von Mißvergnügen, Aufruf zur Gewalt, Anmaßung von Hoheitsrechten u. s. w. beglückt. Verschiedene Mitglieder des demokratischen Vereins in Bielefeld sitzen wegen &#x201E;Majestätsbeleidigung.&#x201C; Einer, ein Volksschullehrer, ist deshalb eingezogen worden, weil er einem Schulbekannten seine Ansicht über die gegenwärtigen Zustände brieflich mittheilte und dieser ihn denunzirte (!!). Das Landvolk wird von den Beamten und Pfaffen bearbeitet, daß es eine Freude ist; die Pfaffen bedauern nur, &#x201E;daß der &#x201E;gute&#x201C; König zu sehr Demokrat geworden sei.&#x201C;</p>
          <p>Es ist eine tolle Wirthschaft im Lande und es wird binnen einigen Monaten eine Konfusion entstehen, aus der niemand mehr klug werden kann. Wenn Sie die Zustände hier mit erlebten, so würden Sie mit mir darin übereinstimmen, daß solch' ein Willkürregiment und solch' eine rührende Einigkeit zwischen der Polizei und Justiz noch niemals dagewesen in unserm guten Deutschland.</p>
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            <l>Das sind die Novembererrungenschaften!</l><lb/>
            <l>O Sonne, du klagende Flamme!</l><lb/>
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        <div xml:id="ar168_006" type="jArticle">
          <head><bibl><author>68</author></bibl> Berlin, 11. Dezbr.</head>
          <p>Wir glauben versichern zu können, daß der Unbekannte, welcher gegen <hi rendition="#g">Robert Blum</hi> im Gefängnisse sich als Leidensgenosse ausgab und dem nicht hinlänglich mißtrauischen Märtyrer über seine Betheiligung an der Wiener Revolution entlockte, auf die später das Todesurtheil gegen Blum gegründet wurde, Niemand anders war, als unser berüchtigter Polizeispion <hi rendition="#g">Dunker</hi>.</p>
          <p>Betreffs der gestern von uns gemeldeten Ausweisung des frühern Abgeordneten Schramm erfahren wir noch die interessante Pointe, daß ihm der Polizeipräsident Hinkeldey geradezu erklärte: der Grund seiner Ausweisung sei, seine frühere Thätigkeit als Präsident des demokratischen Klubs und überhaupt seine politische Gesinnung. Das ist doch wenigstens löbliche Offenheit.</p>
          <p>Die Eröffnung der Held'schen Weihnachtstube, welche gestern Abend stattfinden sollte, ist in Folge eines Befehls vom General Wrangel, welcher alle politische Ausstellungen verbietet, einstweilen suspendirt, da Wrangel politischen Stoff nicht humoristisch behandelt wissen will.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar168_007" type="jArticle">
          <head>Berlin, 10. Dez.</head>
          <p>Die Contrerevolution hat, da sie von Gottes Gnaden ist, natürlich auch ihre Wunder und ihre Heiligen. Eine Dame, welche eifrig bemüht ist, für die Soldaten Strümpfe zu schaffen, zeigt alles Ernstes in den öffentlichen Blättern an: Es sei ihr von unbekannter Hand mit dem Postzeichen &#x201E;Potsdam&#x201C; ein Faden grauer Wolle zugeschickt und dabei bemerkt worden, dieser Faden werde zu Strümpfen für die ganze Garnison ausreichen. Wie wunderbar ihr dies auch erschien, so war sie doch der Meinung, daß bei Gott kein Ding unmöglich sei. Sie fing an zu wickeln, und obgleich 4 andere Jungfrauen sie in dieser Thätigkeit unterstützten, so ist der Faden, der ursprünglich 1 Elle groß, doch noch nicht zu Ende gewickelt. Der heilige Faden liegt zur Ansicht bereit. Das auserwühlte Rüstzeug des Herrn, der auf so wunderbarem Wege die Wrangel'schen Truppen von Potsdam aus mit Strümpfen versehen will, heißt Friederike Knochenhauer.</p>
          <bibl>(Rh.- u. M.-Z.)</bibl>
        </div>
        <div xml:id="ar168_008" type="jArticle">
          <head><bibl><author>68</author></bibl> Berlin, 11. Dez.</head>
          <p>Für die Kammern sollen Sitzungslokale im Schloße eingerichtet werden. Die zweite Kammer wird im weißen Saal tagen.&#x201C; So berichtet die edle &#x201E;Kreuzritterin&#x201C; Dasselbe saubere Blättchen der preußischen Camarilla berichtet: &#x201E;Wir haben bereits mttgetheilt, daß wegen der nichtswürdigen Zerstörung der Wohnung des Major Preuß am 18. März, durch die aus einem leeren Gerücht hervorgerufene Wuth der Volksmenge, jetzt nähere Untersuchung eingeleitet worden. Major Preuß ist jetzt nach langer Krankheit hierher zurückgekehrt und wird den Thatbestand jener Ereignisse auf das Genaueste feststellen lassen. Der ihm zugefügte Schaden beträgt an 30,000 Thlr. Die Pflicht eines jeden Ehrenmannes, der Zeugniß in dieser Sache ablegen kann, ist es jetzt, damit nicht zurückzuhalten.&#x201C;</p>
          <p>In seinen eben erschienenen &#x201E;kaltblütigen Glossen zu der Verfassungsurkunde&#x201C; bemerkt H. B. Oppenheim: &#x201E;Die Verfassung endet, womit sie begonnen &#x2014; mit dem <hi rendition="#g">Belagerungszustande</hi>. Alle persönlichen Rechte und Freiheiten, die Presse, kurz Alles kann von der Regierung nach Belieben zeit- und distriktsweise suspendirt werden. Und doch waren die hierdurch aufgehobenen Garantieen des Gesetzes vom 24. September zwischen Krone und Volk vereinbart.&#x201C;</p>
        </div>
        <div xml:id="ar168_009" type="jArticle">
          <head><bibl><author>121</author></bibl> Wien, 8. Dezember.</head>
          <p>Die von dem Finanzminister geforderten Milliönchen beschäftigen fortwährend alle Wiener Geister, selbst die hier noch hausenden Serezaner. Kein Mensch traut dem Staatskredit mehr. Klingende Münze wird namentlich von den großen Häusern um jeden Preis gekauft. Aus dem Verkehr ist dieselbe bis zur Scheidemünze herab fast gänzlich verschwunden. Die Bank, die schon seit 6 Monaten ihre Noten nicht mehr honorirte, wechselt jetzt gar kein Silber mehr aus. Mit ihrem Monopol macht sie übrigens die glänzendsten Geschäfte dabei sie hat den Staat und das Publikum ausgesaugt; ihre Aktien sind alle in den Händen einiger Geldsäcke und tragen jährlich über 100 Gulden Dividende. Das Uebel ist so arg, daß selbst der &#x201E;Lloyd&#x201C; von gestern offiziell gegen sie zu Felde zu ziehen begann. Unsere Bourgeoisie hängt wesentlich mit dieser Bank zusammen; sie ist eine Aristokratie, die bei dem nächsten Sturme jedenfalls gestürzt werden wird, wenn nicht das Ministerium schon früher ernstlich wider sie operirt.</p>
          <p>Gegen Tirol ist man höchlich aufgebracht, weil es eigenmächtig die Verzehrungssteuer aufgehoben, und sich auch andere unangenehme Gelüste dort zeigen sollen. &#x2014; Es heißt, die Deputation des
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[0901/0001] Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 168. Köln, Donnerstag den 14. Dezember 1848. Keine Steuern mehr!!! Zu Nr. 167 der „Neuen Rheinischen Zeitung“ ist Mittwoch Morgen ein Extrablatt ausgegeben worden. Uebersicht. Deutschland. Köln. (Die Verläumdungen der „N. Rh. Z.“) Düsseldorf. (Schauerliche Verschwörung. — Ein Spiegel-Drigalski'scher Leibspion. — Die Herstellung der Censur. — Protest dagegen.) Koblenz. (Eine Lüge der „Kölnischen“.) Bielefeld. (Verhaftungen. — Unvergleichliches Willkür-Regiment.) Berlin. (Der Polizeispion Dunker. — Schramm's Ausweisung. — Verbot der Held'schen Weihnachtsstube. — Eine Heilige bei der Contrerevolution. — Anfang und Ende der gottbegnadeten Verfassung. — Bestimmung des weißen Saales. — Der Major Preuß.) Wien. (Die 80 Millionen Anleihe und die Börse. — Der Reichstag. — Die Kroaten und die westeuropäische Bourgeoisie. — Schicksal der Geiseln in H_ tzendorf. — Offizielle Berichtigung. — Neue standrechtliche Proklamation. — Eine Lüge in Betreff Kossuth's. — Riesenpetition an Windischgrätz. — Infamie der Presse.) Posen. (Das Institut der Landräthe und die Kreisversammlungen). Bernburg. (Protest des Landtags gegen etwaige Auflösung.) Glückstadt. (Unruhen.) Frankfurt. (National-Versammlung.) Schweiz. Bern. (Ursulinerinnenkloster. — Werbungen für den Kartätschenkönig. — Die „Bürgergemeinde.“ — Kommission wegen eines gemeinsamen Zolltarifs.) Luzern. (Zerrüttung der Finanzen — Die Sonderbündler.) Unterwalden-Obwalden. (Ein Urkantonsgeschichtchen.) Französische Republik. Paris. (Die parlamentarischen Partheien und die Präsidentenwahl. — Vermischtes. — National-Versammlung.) Lille. (Wahlmanöver.) Großbritannien. Chartistische Parlamentskandidaten. — An die Wählerschaft von Leicester. — Chartistenprozeß in York und Liverpool. Italien. Ministerwechsel zu Turin. — Aus Rom, Bologna und Ancona. Deutschland. * Köln, 13. Dezember. _ 15 Düsseldorf, 10. Dezbr. Endlich ist denn auch der Ex-Chef der hiesigen Ex-Bürgerwehr, Herr Lorenz Cantador, der Mann, um deswillen Mufti Eichmann noch nachträglich das Martialgesetz verkündigen lassen wollte, in „Verwahrung“ genommen. Es bedurfte eines fast dreiwöchentlichen Belagerungszustandes, der völligsten Einschüchterung der Bürgerschaft, ja der Auflösung der Nationalversammlung und der octroyirten Verfassung, um unser muthiges Parquet zu diesem „kühnen Griff“ zu ermannen! Nach der Einsetzung des Militärdespotismus hatte man sich nur erlaubt, ihm einen Erscheinungsbefehl zuzuschicken; er wurde vernommen, aber zum allgemeinen Erstaunen nicht verhaftet. Nicht als ob man sich seiner nicht gern hätte bemächtigen mögen, man wagte es nur noch nicht. Jetzt ist die Sache anders; in dem Augenblick, wo die hiesige Heulerschaft durch eines ihrer tüchtigsten Mitglieder dem Ministerium Brandenburg eine Zustimmungsadresse zur Verfassungsoctroyirung übersandt, wo der Stadtrath sich auf Phrasen besinnt, um der Regierung seine unterthänigste Verzweiflung vorzuwinseln über die angedrohte Entziehung der Garnison, des Landgerichts und anderer „Wohlthaten,“ in diesem feierlichen Moment mußte auch das tapfere Parquet, welches sogar von der eigenen Partei desavouirt wurde, als es galt, den Belagerungszustand zu beschönigen, seine Loyalität dokumentiren, und es fand sich plötzlich, daß Grund vorhanden war, den trotz aller Spottgedichte und Verläumdungen der guten Presse noch immer gefürchteten Cantador in Sicherheit zu bringen. Die „Kölnische Zeitung“ sucht den Grund zu dieser „Maßregel“ in wichtigen Ausschlüssen, die sich aus jüngst entdeckten Papieren Lassalle's ergeben sollen und fügt dann die Lüge hinzu, daß Lassalle diese Papiere „versteckt“ gehalten habe. Wenn die wahrheitsliebende „Kölnische Zeitung“ einen Grund angiebt, so kann man allemal sicher sein, daß es ein Scheingrund, ein bloser Vorwand ist, um das eigentliche Motiv zu verstecken. So ist es denn auch mit dieser Auffindung von „versteckten“ Papieren, die bereits zu den fabelhaftesten Erfindungen Anlaß gegeben hat. Es handelt sich ja von Lassalle, Grund genug, um jene berüchtigte Zeugenbestecherbande, die Lassalle in seinem Assisenprozesse so unauslöschlich gebrandmarkt hat, in Thätigkeit zu setzen. Diese Bande ist es, von der die „Kölnische Zeitung“ ihre Mittheilungen über die hiesigen Vorfälle bezieht. Der Chef derselben ist unter dem Schutze des Belagerungszustandes zu einer neuen Würde emporgestiegen; er ist der geheime Leibspion der Herren Spiegel-Drigalski geworden! Als Hrn. v. Spiegel bemerklich gemacht wurde, wie er mit diesem Subjekte in Verbindung stehen könne, äußerte er: „Lassen Sie das gut sein, er leistet mir Dienste, wozu sich sonst kein ehrlicher Mensch gebrauchen läßt.“ Besagte Bande hat nun auch dem Untersuchungsrichter die Anzeige gemacht, daß in einem hiesigen Gasthofe Papiere von Lassalle sich befänden. Sie können sich denken, wie sehr man sich beeilte, diese vielversprechenden „Ueberführungsstücke,“ um derentwillen man schon zweimal vergeblich Haussuchung angestellt hatte, in Beschlag zu nehmen. Aber zum Leidwesen aller Heuler — die Hoffnungen der Inquirenten sind arg getäuscht worden. Statt die Beweise für eine geheime Verschwörung, für das Komplott des Art. 87 und 91 zu finden, die jederzeit bei der Hand sind, wenn die Untersuchung und Verhaftung eines rheinischen Demokraten befohlen wird, statt dessen hat sich nichts ergeben, was nicht von Lassalle und allen andern, die zur Untersuchung gezogen sind, bereitwilligst zugestanden würde. So war der große Fang mißlungen und wäre die Sache, so wie sie sich wirklich verhält, ins Publikum gekommen, sie hätte nicht einmal als Prätext zu Cantadors Verhaftung dienen können. Darum war es aber gerade zu thun; also mußte in der Stadt das Gerücht ausgesprengt werden, man habe 1. eine Liste der Verschworenen entdeckt, 2. aber, hört, hört! eine Proskriptionsliste der wohlhabendsten und wohlgesinntesten Bürger!! Sie können denken, daß die Heuler ein wahrer Galgenschauder überlief, als sie so gräuelhafte Dinge erfuhren und daß die gleichzeitige Verhaftung eines der Haupträdelsführer mit ungetheiltem Beifall aufgenommen wurde. In Wahrheit aber reduzirt sich jene Verschwörerliste auf einige Namen, die zu Beiträgen für den demokratischen Centralausschuß unterschrieben waren und die Proskriptionsliste auf einige verspätete Bogen Unterschriften zu einer längst abgegangenen Adresse an die Nationalversammlung!! Die „honette“ Presse, die Kölnische, die Elberfelder, die Deutsche, die Augsburger, und wie diese „Tugendhaften“ alle heißen, verbreiten natürlich mit Wollust alle die boshaften und aberwitzigen Kalumnien, die für „hochgebornes“ Geld ersonnen und durch besoldete Agenten in alle Welt hinausgesandt werden. Daß die „Kölnische Zeitung lügt, wenn sie sagt, Lassalle habe jene Papiere „versteckt,“ habe ich schon oben bemerkt; aber welche Bewandtniß es mit diesem Wegschaffen hat, läßt sich daraus entnehmen, daß zugleich die wichtigsten, für den Fall des Verlustes gänzlich unersetzliche Privatpapiere mitgewandert waren. Auf diese Papiere scheint es dem Entführer hauptsächtlich abgesehen zu sein. Das braucht freilich der Korrespondent der Kölnischen Zeitung nicht zu wissen; er darf wahrscheinlich nur insgeheim das Mißlingen des Coups beklagen. Die Sache ist übrigens der Prokuratur übergeben und es wäre nicht unmöglich, daß die Assisen wieder mit einer cause celèbre befaßt würden, nur mit dem Unterschiede, daß diesmal die Rollen gewechselt wären. X Düsseldorf, 12. Dez. Gestern theilte ich Ihnen die erfreuliche Nachricht mit, daß mit Herstellung der Censur für ganz Preußen der erste Anfang in unserer Stadt gemacht worden. Die Säbelherrschaft civilisirt sich. Der bekannte „Bürger und königl. preußischer Kommunist“ Drigalski hätte eben so gut die unter Censur gestellten Blätter völlig unterdrücken können. Aber nein! Sein gefühlvolles Herz nahm blos zur mäßigen Züchtigung, zur Censurruthe, seine Zuflucht. Und was thut die unter Censur gestellte „Düsseldorferin“? Nichts mehr und nichts weniger, als was von einem Blatte dieses Schlages zu erwarten stand. Sie kündigt ihren Lesern heute folgendes an: „Der §. 24 der octroyirten Verfassung gewährt allen Preußen unbedingte Preßfreiheit. Nach §. 110 kann der genannte Artikel für den Fall eines Kriegs oder Aufruhrs zeit- und distriktsweise außer Kraft gesetzt werden. In Düsseldorf herrscht weder Krieg noch Aufruhr. Dennoch ist über unser Blatt vorgestern die Censur verhängt worden. Wir werden bei der deutschen Nationalversammlung unsere Beschwerden gegen die Maßregel des Herrn Divisionsgenerals von Drigalski einreichen.“ O Heinemann, o Heinemann, wie dürr sind deine Blätter! Unsere Leser werden wohl keinen Augenblick im Zweifel sein, daß, wer sich mit einem solchen Protest noch im Dezember 1848 an die Zertreter des deutschen Volks in Frankfurt wendet und im Ernst Gehör und Abhülfe erwartet, mindestens zur lebenslänglichen Detention in Siegburg verurtheilt zu werden verdient. Koblenz, 12. Dez. Die „Köln. Ztg.“ lügt, hier sei eine Adresse, worin dem Landesvater für die Verfassung gedankt wird, mit 1000 Unterschriften bedeckt worden. 1000 Beamte, selbst wenn man die Pensionirten dazuzählt, sind hier gar nicht vorhanden. (Rh.- u. M.-Z.) 41 Bielefeld, 11. Dez. Von der Reaktion, welche in unserm wackern Westphalen herrscht, machen Sie sich keinen Begriff. Verhaftungen über Verhaftungen, eine wahre Sündfluth von Majestätsbeleidigungs- und Hochverrathsprozessen. Jeder Landrath, jeder Amtmann auf seinem Dorfe spielt einen kleinen Brandenburg, jeder Unteroffizier fühlt in sich einen Wrangel, jeder Polizeidiener gerirt sich à la Dunker. In Münster verhaftet man die unschuldigsten Leute, weil sie an dem westphälischen Kongresse Theil genommen haben. Sogar der Justizkommissar Gierse ist eingezogen und auf den Oberlandesgerichts-Assessor Möllenhof fahndet man, obschon beide auf dem Kongresse zur äußersten Rechten gehörten und auf dem „Rechtsboden“ herumritten. Man soll beabsichtigen, sämmtliche Mitglieder dieses Münsterschen Kongresses, etwa 150 an der Zahl, beizustecken, um sich ihrer möglichst während der bevorstehenden Wahlen zu entledigen. Den Redakteur des „Volksfreundes“, Kaufmann Rempel in Bielefeld, hat man mit acht verschiedenen Anklagen auf Majestätsbeleidigung, Hochverrath, Erregung von Mißvergnügen, Aufruf zur Gewalt, Anmaßung von Hoheitsrechten u. s. w. beglückt. Verschiedene Mitglieder des demokratischen Vereins in Bielefeld sitzen wegen „Majestätsbeleidigung.“ Einer, ein Volksschullehrer, ist deshalb eingezogen worden, weil er einem Schulbekannten seine Ansicht über die gegenwärtigen Zustände brieflich mittheilte und dieser ihn denunzirte (!!). Das Landvolk wird von den Beamten und Pfaffen bearbeitet, daß es eine Freude ist; die Pfaffen bedauern nur, „daß der „gute“ König zu sehr Demokrat geworden sei.“ Es ist eine tolle Wirthschaft im Lande und es wird binnen einigen Monaten eine Konfusion entstehen, aus der niemand mehr klug werden kann. Wenn Sie die Zustände hier mit erlebten, so würden Sie mit mir darin übereinstimmen, daß solch' ein Willkürregiment und solch' eine rührende Einigkeit zwischen der Polizei und Justiz noch niemals dagewesen in unserm guten Deutschland. Das sind die Novembererrungenschaften! O Sonne, du klagende Flamme! 68 Berlin, 11. Dezbr. Wir glauben versichern zu können, daß der Unbekannte, welcher gegen Robert Blum im Gefängnisse sich als Leidensgenosse ausgab und dem nicht hinlänglich mißtrauischen Märtyrer über seine Betheiligung an der Wiener Revolution entlockte, auf die später das Todesurtheil gegen Blum gegründet wurde, Niemand anders war, als unser berüchtigter Polizeispion Dunker. Betreffs der gestern von uns gemeldeten Ausweisung des frühern Abgeordneten Schramm erfahren wir noch die interessante Pointe, daß ihm der Polizeipräsident Hinkeldey geradezu erklärte: der Grund seiner Ausweisung sei, seine frühere Thätigkeit als Präsident des demokratischen Klubs und überhaupt seine politische Gesinnung. Das ist doch wenigstens löbliche Offenheit. Die Eröffnung der Held'schen Weihnachtstube, welche gestern Abend stattfinden sollte, ist in Folge eines Befehls vom General Wrangel, welcher alle politische Ausstellungen verbietet, einstweilen suspendirt, da Wrangel politischen Stoff nicht humoristisch behandelt wissen will. Berlin, 10. Dez. Die Contrerevolution hat, da sie von Gottes Gnaden ist, natürlich auch ihre Wunder und ihre Heiligen. Eine Dame, welche eifrig bemüht ist, für die Soldaten Strümpfe zu schaffen, zeigt alles Ernstes in den öffentlichen Blättern an: Es sei ihr von unbekannter Hand mit dem Postzeichen „Potsdam“ ein Faden grauer Wolle zugeschickt und dabei bemerkt worden, dieser Faden werde zu Strümpfen für die ganze Garnison ausreichen. Wie wunderbar ihr dies auch erschien, so war sie doch der Meinung, daß bei Gott kein Ding unmöglich sei. Sie fing an zu wickeln, und obgleich 4 andere Jungfrauen sie in dieser Thätigkeit unterstützten, so ist der Faden, der ursprünglich 1 Elle groß, doch noch nicht zu Ende gewickelt. Der heilige Faden liegt zur Ansicht bereit. Das auserwühlte Rüstzeug des Herrn, der auf so wunderbarem Wege die Wrangel'schen Truppen von Potsdam aus mit Strümpfen versehen will, heißt Friederike Knochenhauer. (Rh.- u. M.-Z.) 68 Berlin, 11. Dez. Für die Kammern sollen Sitzungslokale im Schloße eingerichtet werden. Die zweite Kammer wird im weißen Saal tagen.“ So berichtet die edle „Kreuzritterin“ Dasselbe saubere Blättchen der preußischen Camarilla berichtet: „Wir haben bereits mttgetheilt, daß wegen der nichtswürdigen Zerstörung der Wohnung des Major Preuß am 18. März, durch die aus einem leeren Gerücht hervorgerufene Wuth der Volksmenge, jetzt nähere Untersuchung eingeleitet worden. Major Preuß ist jetzt nach langer Krankheit hierher zurückgekehrt und wird den Thatbestand jener Ereignisse auf das Genaueste feststellen lassen. Der ihm zugefügte Schaden beträgt an 30,000 Thlr. Die Pflicht eines jeden Ehrenmannes, der Zeugniß in dieser Sache ablegen kann, ist es jetzt, damit nicht zurückzuhalten.“ In seinen eben erschienenen „kaltblütigen Glossen zu der Verfassungsurkunde“ bemerkt H. B. Oppenheim: „Die Verfassung endet, womit sie begonnen — mit dem Belagerungszustande. Alle persönlichen Rechte und Freiheiten, die Presse, kurz Alles kann von der Regierung nach Belieben zeit- und distriktsweise suspendirt werden. Und doch waren die hierdurch aufgehobenen Garantieen des Gesetzes vom 24. September zwischen Krone und Volk vereinbart.“ 121 Wien, 8. Dezember. Die von dem Finanzminister geforderten Milliönchen beschäftigen fortwährend alle Wiener Geister, selbst die hier noch hausenden Serezaner. Kein Mensch traut dem Staatskredit mehr. Klingende Münze wird namentlich von den großen Häusern um jeden Preis gekauft. Aus dem Verkehr ist dieselbe bis zur Scheidemünze herab fast gänzlich verschwunden. Die Bank, die schon seit 6 Monaten ihre Noten nicht mehr honorirte, wechselt jetzt gar kein Silber mehr aus. Mit ihrem Monopol macht sie übrigens die glänzendsten Geschäfte dabei sie hat den Staat und das Publikum ausgesaugt; ihre Aktien sind alle in den Händen einiger Geldsäcke und tragen jährlich über 100 Gulden Dividende. Das Uebel ist so arg, daß selbst der „Lloyd“ von gestern offiziell gegen sie zu Felde zu ziehen begann. Unsere Bourgeoisie hängt wesentlich mit dieser Bank zusammen; sie ist eine Aristokratie, die bei dem nächsten Sturme jedenfalls gestürzt werden wird, wenn nicht das Ministerium schon früher ernstlich wider sie operirt. Gegen Tirol ist man höchlich aufgebracht, weil es eigenmächtig die Verzehrungssteuer aufgehoben, und sich auch andere unangenehme Gelüste dort zeigen sollen. — Es heißt, die Deputation des *) Jenes Spottgedicht, welches die „Köln. Ztg.“ lieferte, war von einem Unteroffizier verfaßt und zwar auf Kommando seines Vorgesetzten, des Major v. Derschau.

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 168. Köln, 14. Dezember 1848, S. 0901. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz168_1848/1>, abgerufen am 29.03.2024.