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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 158. Köln, 2. Dezember 1848.

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Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 158. Köln, Samstag den 2. Dezember 1848.

Keine Steuern mehr!!!

Uebersicht.

Deutschland.. Köln. (Brief eines Gardereservisten an die Redaktion der "N. Rh. Ztg." -- Rheinische Repräsentations-Doublüren im Club Brünnek) Trier. (Diktator Sebaldt. Bolz. Gomelshausen.) Berncastel. (Wrangel'sche Ruhe und Ordnung.) Koblenz (Die Neuwieder Landwehr. Ein schwarz-weißes Plakat. Soldatenexcesse. Ein Steuereinnehmer erschossen). Dierdorf. (Der Raubmord am Rentmeister Reinhard.) Düsseldorf. (Tagung der frommen Wupperthaler zu Vohwinkel. -- Scheußliche Excesse der Soldateska. -- Soldatische Erholungen). Aachen. (Herr Kühlwetter). Münster. (Eine Untersuchungskommission niedergesetzt). Brandenburg. (Klub Brünneck). Wien. (Hündische Adresse des Gemeinderaths an Windischgrätz. Verhaftungen. Kremsier.) Brünn. (Der Reichstag in Kremsier. Die Czechen. Lloyd und Presse.) Frankfurt. National-Versammlung. -- Erklärung von Julius Fröbel.)

Ungarn. Hermannstadt. (Niederlage der Szekler.)

Italien. Kanonendonner nach Mestre hin. Ferdinand v. Neapel. -- Amnestie in Toskana. Am 23. der Papst noch in Rom.)

Schweiz. Bern. (Bern zur Bundesstadt erklärt. Franscini.)

Französische Republik. Paris. (Herr Cavaignac. -- Grund der Intervention Cavaignac's zu Gunsten des Pabstes. -- Corcelles in Toulon eingetroffen. -- Programm des römischen Ministeriums. -- Polenfeier. -- Intervention vor Proudhons Hause. -- Nationalversammlung.)

Großbritanien. London. (Facten für Freihandelsmänner) Manchester. (Kindersterblichkeit.)

Türkei. (Reise auf dem todten Meere.)

Amerika. London (Traurige Lage Canada's.) Newyork. (Bennetts über die europäische Revolution. -- Reglung des Briefportos zwischen England und den Vereinigten Staaten. -- Die Postdampfschifflinien der Union.)

Deutschland.
* Köln, 1. Nov.

Der Redaktion der "N. Rhein. Ztg." ist ein höchst naiver Brief von einem Gardereservisten zugegangen. Wir wollen auch diesen Beitrag zur Zeitgeschichte auszugsweise unsern Lesern mittheilen.

"Vor fünf Monaten zum Regimente zurückgerufen, mußten wir einen befreundeten Feind bekämpfen, der weiter nichts zu thun hatte, als Deutschland durch den König von Preußen an der Nase herumzuziehen. Es war kein Krieg, denn der Soldat erhielt keine Kriegszulage."

"Aber vor Berlin, da sollte es Krieg geben. Zuerst Kriegszulage. Dann die Bauernsöhne von ihren Vorgesetzten angefeuert, ihrer Brüder in Berlin nicht zu schonen. Wir marschirten in einem besoffenen Zustande in Berlin hinein. Aber welch' Wunder! Unser Oberst war kalt wie Stein, bleich wie Schnee, da er glaubte, nur auf Barrikaden zu stoßen."

"Wir mußten bivouakiren. Den Tag waren wir bei den Bürger einquartirt. Der Bürger gab sehr gute Kost. Als Wrangel dies hörte, wurden wir ausquartirt und in königliche Häuser gelegt, -- kein Bett, wenig Stroh, aber viele Worte von der Güte des Königs und der Bürgercanaille."

"Wie viele Eltern werden sich wundern, nichts von ihren Söhnen zu hören. Zu Hunderten kommen sie nach Spandau, nach Magdeburg auf Festung, weil sie in den paar Tagen in Berlin von Bürgern aufgeklärt worden sind."

"Seit einigen Tagen habe ich erst ein andres Blatt gelesen als ein königliches."

"Nun noch ein Zwiegespräch von zwei hohen Generalen, dem ich mit Anstand gelauscht habe. Es war folgendes:

Auf einen Barrikadenkampf würde man sich nicht einlassen, indem man sonst dem Soldaten Gelegenheit gebe, überzulaufen. Aber vor der Stadt, da würde man besser fertig werden, nämlich so, daß der Name Berlin verschwände, indem Se. Majestät wünsche, keine große Stadt in zu großer Nähe zu besitzen.

Der Plan ist nicht übel, sagte der Andere, wenn Sie selbst die Kanonen laden.

Der erste fügte hinzu: Wenn der König siegt, wird das Militär bis zum Obersten doppeltes Gehalt empfangen."

Soweit die Mittheilungen unseres braven Gardereservisten.

* Köln, 1. Dezember.

Unter den unsrer Provinz angehörigen Mitgliedern des Klub Brünneck bemerken wir:

Berghaus (früher Generalprokurator), Brüninghaus (Gutsbesitzer), v. Daniels (Geh. Oberrevisionsrath), Franken (Regierungsrath), Hansemann, Hermann (Commis), Hesse (Geh. Finanzrath), v. d. Heydt, Kühlwetter, Lensing (Kanonikus), v. Mylius, Müller (Unterstaatssekretär), Peltzer (Friedensrichter), Reichensperger (Landgerichtsrath), Scheidt (Commis), Simmons (Geh. Justizrath), Stupp, Walter (Professor), v. Wittgenstein.

Curiositatis causa fügen wir hinzu, daß auch der Exminister Milde allen Malicen dee "Neuen Preuß. Ztg." zum Trotze sich in Brandenburg eingefunden hat.

43 Trier, 30. Nov.

Der Coburger Sebaldt ist unermüdlich im Erlasse literarischer Cirkuläre. Er gefällt sich dermaßen in dieser Thätigkeit, daß er, die Sphäre seiner Befugnisse überschreitend, mit einer autokratischen Willkühr auftritt, die den Coburger fast zum Preußen stempeln könnte, wenn er nur das Staatsexamen gemacht hätte. Ungeachtet aller stylistischen Anstrengungen. macht sich jedoch der Mangel dieses Examens jeden Augenblick fühlbar. Der Coburger Sebaldt macht "die Truppentheile" aufmerksam, "daß es demüthigend für die königlichen Truppen ist, wenn vor ihren Augen aufrührerische Flugschriften und Plakate vertheilt resp. öffentlich angeheftet werden." Es bedurfte also der sittlichen Entrüstung des Coburgers, um die Aufmerksamkeit der Truppen auf das "Demüthigende" der Plakate aufmerksam zu machen. Der point d'honneur des Schnurbartes darf dieses nicht dulden. Um "dem Unwesen" der freien Presse zu steuern, macht der Coburger alle Soldaten zu Censoren. Er fordert sie auf, alle Plakate, welche nicht aus der belletristischen Feder des Herrn Sebaldt geflossen, sofort abzureißen, und "Personen, welche sich aus Vertheilung, Verleitung oder Anheftung solcher Plakate ein Geschäft machen, festzunehmen". Was die "Verleitung solcher Plakate" betrifft, so ist dieses ein Ausdruck, der von der mangelhaften Schulbildung des Sebaldt zeugt. Seine Eingriffe in die Freiheit der Presse, zeugen von seinem Mangel an juristischer Ausbildung. Das Staatsexamen! Das Staatsexamen!

Wir lassen nun das stylistische Meisterwerk des Sebaldt folgen, das in lithographirten Exemplaren an die Soldaten vertheilt worden ist:

Euer Hochwohlgeboren ersuche ich ergebenst, alle Commando's der resp. Truppentheile im hiesigen Departement darauf gefälligst aufmerksam zu machen, daß es demüthigend für die Königlichen Truppen ist, wenn vor ihren Augen aufrührerische Flugschriften und Plakate vertheilt, resp. öffentlich angeheftet werden. Dieses Unwesen ist zugleich polizeiwidrig, und es kann der guten Sache nur förderlich sein, wenn das Militär aller Orten angewiesen wird, Plakate, welche nicht von einer obrigkeitlichen Autorität ausgehen, abzureißen, und Personen, welche sich aus Vertheilung, Verleitung oder Anheftung solcher Plakate ein Geschäft machen und an öffentlichen Orten in dieser Beschäftigung betroffen werden -- festzunehmen und der nächsten Polizeibehörde zu überliefern.

Trier, den 27. November 2848.

Regierungs-Präsidium.

An den k. General-Major u. Brigade-Commandeur

Herrn v. Brune Hochwohlgeb. hierselbst.

Der Advokat Bolz empfing am Abende des 28. Novbr. eine solenne Katzenmusik. -- Der katholische Priester Gomelshausen ist von der Regierung seiner Stelle am Armenhause wegen mißliebiger politischer Tendenzen entkleidet worden.

* Berncastel, 30. Novbr.

Die Wrangel'sche "Ruhe und Ordnung" ist auch hier mittelst Infanterie, Kavallerie und Kanonen hergestellt, nachdem die bürgerliche Ruhe und Ordnung durch die Gewaltmaßregeln der Reaktion gestört worden. Coblenz und Kneisel, zu deren Verhaftung man diese gewaltige Kriegsmacht aufgeboten, haben keine Lust verspürt, "gewrangelt" zu werden und haben sich anderswohin begeben. Daß Entwaffnung der Bürgerwehr folgt, versteht sich von selbst.

X Koblenz, 30. Nov.

Heute lesen wir an den Straßenecken unserer Stadt ein Pakat, datirt Neuwied, 27. Nov., das "mit Gott für König und Vaterland" den schwarzweißen Geist der Landwehr lobpreis't und wüthend gegen alle Andersgesinnten loszieht. Es ist jedoch in Betreff der darin behaupteten Bereitwilligkeit der Landwehr zu bemerken, daß nur die 2te Compagnie des 29. Landwehrregiments, die aus "gesinnungstüchtigen", d. h. muckerischen Neuwiedern besteht, sich eingefunden hat. Der Verfertiger dieses Traktätleins hat aber vergessen, zu sagen, wo und wie denn die Mannschaften der 1sten, 3ten und 4ten Compagnie sich bis heute eingefunden haben. Die Gesinnung des ganzen Kreises Neuwied ist nicht die der Stadt gleiches Namens. Der Steuereinnehmer und Landwehrlieutenant Reinhard aus Neuwied ist, als er vorgestern zur Eintreibung der Steuern eine Tour in die Umgegend machte, meuchlings durch die Brust geschossen worden; nähere Fakta's über dieses Attentat sind uns noch nicht zugekommen.

Nachdem gestern in hiesiger Stadt eine Menge Gewehre der Bürgerwehr abgenommen worden, fühlte sich auch unsere Garnison, von patriotischem Muthe beseelt, einen Hauptschlag zu vollführen. Abends kurz nach 8 Uhr füllten sich plötzlich alle Plätze und Straßen mit Truppen, die damit begannen, ruhige Bürger durch Bajonettstiche und Kolbenstöße zu maltraitiren und auf die niederträchtigste Weise zu mißhandeln. Die Ulanen überritten im strengsten Galopp Alles, was sich auf den Straßen befand und sich nicht mehr durch schleunige Flucht retten konnte. Viele Verwundungen haben stattgefunden, obgleich von Seiten der Bürger auch nicht die allergeringste Veranlassung dazu gegeben wurde. Besonders zeichneten sich die Füseliere des 26. Inf.-Regiments löblich aus, diese Burschen sind famose Helden wehrlosen Frauen und Kindern gegenüber.

* Dierdorf, 28. Nov.

Unter diesem Datum wird der Rh.-u. M.-Z. Folgendes mitgetheilt, wonach der an Reinhard begangene Mord mit der Politik gar nichts zu thun hat. Es wird nämlich berichtet:

"Der hiesige fürstlich-wiedische Rentmeister Reinhardt, welcher heute Morgen mit einer bedeutenden Summe Geldes (Gold und Kassen-Anweisungen) nach Neuwied ritt, ist nicht weit von hier im Walde von drei Räubern überfallen worden, als er zufällig vom Pferde gestiegen war, um den Sattelgurt fester anzuziehen. Die Räuber haben ihn von hinten gepackt, in's Gebüsch gezogen und ihn dann mit seiner eigenen Pistole, die er bei sich führte, durch 2 Schüsse tödtlich verwundet, worauf sie ihm das Geld und die Uhr abnahmen und ihn liegen ließen. Bald darauf wurde er von einem vorbeifahrenden Wagen aufgenommen und hierhergebracht."

X Düsseldorf, 30. Novbr.

Gestern Abend tagten die frommen Männer des neblichen Wupperthals am Stationsgebäude zu Vohwinkel. Was denken Sie, daß diese himmlischen Kriegsknechte der irdischen Potentaten berathen und beschlossen haben? Nun die Pfaffen haben sich über die Mittel besprochen, wie man die Landwehr begeistern müsse, sich für Gott und König einkleiden zu lassen, um den himmelschreienden Aufruhr der Bösgesinnten schnell zu dämpfen.

Wie die fein gebildete k. preuß. Soldateska hier in die Häuser dringt, um den Leuten "Brandenburger" Bildung beizubringen, werden Sie bereits gehört haben.

062 Düsseldorf, 30. Nov.

Die Früchte des Belagerungszustandes sind zur Reife gekommen, sie sind bereits abgefallen. Gestern Abend ist unsere Stadt der Schauplatz der scheußlichsten Exzesse von Seiten des Militärs gewesen. Auf welche Veranlassung? Ohne alle, aus reinen Uebermuth, aus reiner Belagerungszustandsbefugniß. Seitdem "die oberste Gewalt an die Militärbehörde übergegangen" (Wort des Kommunisten Drigalski) halten seine "Untergebenen" sich zu allem befugt. Auf ein Gerücht hin, daß ein Bierwierth dem Militär kein Getränk mehr verabreichen wolle, versammelten sich gegen 7 Uhr viele Soldaten in dessen Hause. Keinem Soldaten wurde das Bier verweigert; gleichwohl erschienen gegen 8 Uhr Patrouillen vor dem Hause, sperrten den Gästen den Ausgang und hielten sie ungefähr eine Stunde lang gefangen. Gleichzeitig wurde durch Bewaffnete die Straße abgesperrt und durch dreimaliges Trommelwirbeln eine bevorstehende Decharge angekündigt; es kam zwar nicht zum Gebrauch der Schußwaffe, aber die eingeklemmten, auf der Straße befindlichen Bürger wurden attaquirt und mißhandelt. Andere Patrouillen durchzogen die Straßen, um sich den ärgsten Angriffen auf das Eigenthum und Leben der Bürger zu überlassen. Mit bloßen Mißhandlungen durch Kolbenstöße, Schläge, Fußtritte begnügten sie sich nicht mehr; eine alte 74jährige Frau wurde auf der Schwelle ihrer Hausthüre förmlich mit Kolben todtgeschlagen; ein Mann erhielt zwei Bajonettstiche in Kopf und Hals. Auf der Flingerstraße wurde ein Haus erstürmt, unter dem Vorwande, daß Steinwürfe von dort auf die vorbeiziehende Mannschaft gefallen seien. Die Hausthüre wurde erbrochen und zertrümmert, die Fenster eingeschlagen, das Haus bis auf den Speicher durchsucht, Billardballen, Lampen und sonstige Geräthschaften gestohlen, sämmtliche Hausbewohner und anwesende Gäste (das Erdgeschoß bewohnt ein Bierwirth) mehr oder minder mißhandelt; ein junger Mann, in dem man den Thäter vermuthete, wurde verhaftet, nach der Kaserne geschleppt und auf dem Wege dahin mit Kolbenstößen mißhandelt. Durch den Auditeur vernommen, wurde er in der Nacht gegen 1 Uhr ins Arresthaus geführt, heute durch den Instruktionsrichter vernommen und sofort in Freiheit gesetzt. Ich kann Ihnen im Augenblicke nur dieses Wenige mittheilen; die Polizeiinspektion ist den ganzen Morgen von Leuten belagert, die über Mißhandlungen von Seiten des Militärs Klage zu führen haben. Der Gemeinderath tritt in diesem Augenblicke zusammen, um über einen Antrag hiesiger Bürger, auf Grund der gestrigen Vorfälle sofort die Aufhebung des Belagerungszustandes und die Entfernung des Militärs aus der Stadt zu verlangen, Berathung zu pflegen. Der Berlagerungszustand, dieses "außerordentliche" Mittel zum Schutz der gesetzlichen Ordnung, des Eigenthums und Lebens der Bürger, wie es das Komplott Spiegel-Drigalski darstellte, hat sich in seiner wahren Gestalt gezeigt. Kroatische Ordnung, Zerstörungswuth und Mordlust! So recht, ihr Herren, nur immer fortgefahren, nur immer weitergegangen, es wird endlich doch seine Wirkung thun! Hr. v. Spiegel wird sich hüten, auf den Antrag des Gemeinderaths, wenn dieser den Muth hat ihn zu stellen, einzugehen. Und das feige Düsseldorfer Parquet? Es hat zu viel mit der Untersuchung Lassalle zu thun und wird sich inkompetent erklären, da es sich von Militärpersonen handelt.

34 Düsseldorf, 30. Novbr.

L'ordre regne a Dusseldorf Wir sind überglücklich in unsern Zuständen. Jetzt erlebt man doch wirklich etwas. Früher als die Demokraten noch herrschten, ging alles viel zu ruhig seinen Weg, da wurden keine Thüren und Fenster zertrümmert, da wurden keine nächtlichen Schläfer aus dem Schlafe gerissen und ins Gefängniß geschleppt, da wurde nicht gemordet. Das alles haben wir nun aus der segenbringenden Hand der vielgeliebten Soldaten. Gestern Abend haben sie uns ein wahrhaft infernalisches Amusement bereitet mit obligaten Gewehrkolben und Bajonetten. Noch heute ist die Stadt in der erfreutesten Stimmung, daß endlich das Gesetz a la Brandenburg herrscht. Cur, quomodo, quando. Wann? gestern Abend um 9 Uhr ging die Komödie los. Warum? das weiß eigentlich kein Mensch. Man sagt indeß, daß ein Steinwurf in ein Piket Soldaten geschehen sei und daß ein Wirth sich weigerte, den edlen Kriegern zu kredenzen, was sich übrigens als Unwahrheit herausstellt. Grund genug, um ein Lustspiel aufzuführen! Unsere Bürgerwehr hat auch früher wohl einmal Steinwürfe genossen. Aber sie hat, trotzdem sie bewaffnet war, nicht gleich in die Gassenjungen gestoßen und gestochen. Freilich heldenmüthige Soldaten haben eine andere Aufgabe. Sie haben einer unbewaffneten Stadt gegenüber die Verpflichtung, ihren Muth zu zeigen. Quomodo? Auf der Flingerstraße ist ein Haus an Fenster und Thüren stark demolirt worden, die Ratingerstraße hat es erlebt, daß Leute, die dort wohnen, fortgeschleppt worden sind, um die Nacht umsonst einquartirt zu werden. Sogar Mitglieder der Gesellschaft "Verein", eine Hochschule der Reaktion, treue konstitutionelle Seelen, wären beinahe um ihr patriotisches Blut gekommen. Und endlich: auf dem Hundsrücken haben die edeln Untergebenen des Communisten Drigalski ein altes Mütterchen von 74 Jahren, das eben von ihren Enkelkindern kam, in einem Hausgange vom Leben zum Tode befördert, und zwar vermittelst eines Kolbenstoßes auf die Brust ganz gelinde, daß es eine halbe Stunde später unter Blutstürzen starb. So wird der gute Dreizehner, der im August hier fiel, doch endlich gerächt von seinen treuen Kameraden, wie sie oft geschworen haben. Aber es ist kein Mann als Sühnopfer gefallen, nein vorläufig nur eine Frau, eine greise Hekuba! Das ist der Humor davon! Wovon? Ei, daß die patriotischen Damen die lieben Vaterlandsvertheidiger besoffen machen und daß die gesinnungstüchtigen Wupperthaler, die jeden Augenblick bei der hiesigen Regierung große Summen zur Hebung der Industrie betteln,

Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 158. Köln, Samstag den 2. Dezember 1848.

Keine Steuern mehr!!!

Uebersicht.

Deutschland.. Köln. (Brief eines Gardereservisten an die Redaktion der „N. Rh. Ztg.“ — Rheinische Repräsentations-Doublüren im Club Brünnek) Trier. (Diktator Sebaldt. Bolz. Gomelshausen.) Berncastel. (Wrangel'sche Ruhe und Ordnung.) Koblenz (Die Neuwieder Landwehr. Ein schwarz-weißes Plakat. Soldatenexcesse. Ein Steuereinnehmer erschossen). Dierdorf. (Der Raubmord am Rentmeister Reinhard.) Düsseldorf. (Tagung der frommen Wupperthaler zu Vohwinkel. — Scheußliche Excesse der Soldateska. — Soldatische Erholungen). Aachen. (Herr Kühlwetter). Münster. (Eine Untersuchungskommission niedergesetzt). Brandenburg. (Klub Brünneck). Wien. (Hündische Adresse des Gemeinderaths an Windischgrätz. Verhaftungen. Kremsier.) Brünn. (Der Reichstag in Kremsier. Die Czechen. Lloyd und Presse.) Frankfurt. National-Versammlung. — Erklärung von Julius Fröbel.)

Ungarn. Hermannstadt. (Niederlage der Szekler.)

Italien. Kanonendonner nach Mestre hin. Ferdinand v. Neapel. — Amnestie in Toskana. Am 23. der Papst noch in Rom.)

Schweiz. Bern. (Bern zur Bundesstadt erklärt. Franscini.)

Französische Republik. Paris. (Herr Cavaignac. — Grund der Intervention Cavaignac's zu Gunsten des Pabstes. — Corcelles in Toulon eingetroffen. — Programm des römischen Ministeriums. — Polenfeier. — Intervention vor Proudhons Hause. — Nationalversammlung.)

Großbritanien. London. (Facten für Freihandelsmänner) Manchester. (Kindersterblichkeit.)

Türkei. (Reise auf dem todten Meere.)

Amerika. London (Traurige Lage Canada's.) Newyork. (Bennetts über die europäische Revolution. — Reglung des Briefportos zwischen England und den Vereinigten Staaten. — Die Postdampfschifflinien der Union.)

Deutschland.
* Köln, 1. Nov.

Der Redaktion der „N. Rhein. Ztg.“ ist ein höchst naiver Brief von einem Gardereservisten zugegangen. Wir wollen auch diesen Beitrag zur Zeitgeschichte auszugsweise unsern Lesern mittheilen.

„Vor fünf Monaten zum Regimente zurückgerufen, mußten wir einen befreundeten Feind bekämpfen, der weiter nichts zu thun hatte, als Deutschland durch den König von Preußen an der Nase herumzuziehen. Es war kein Krieg, denn der Soldat erhielt keine Kriegszulage.“

„Aber vor Berlin, da sollte es Krieg geben. Zuerst Kriegszulage. Dann die Bauernsöhne von ihren Vorgesetzten angefeuert, ihrer Brüder in Berlin nicht zu schonen. Wir marschirten in einem besoffenen Zustande in Berlin hinein. Aber welch' Wunder! Unser Oberst war kalt wie Stein, bleich wie Schnee, da er glaubte, nur auf Barrikaden zu stoßen.“

„Wir mußten bivouakiren. Den Tag waren wir bei den Bürger einquartirt. Der Bürger gab sehr gute Kost. Als Wrangel dies hörte, wurden wir ausquartirt und in königliche Häuser gelegt, — kein Bett, wenig Stroh, aber viele Worte von der Güte des Königs und der Bürgercanaille.“

„Wie viele Eltern werden sich wundern, nichts von ihren Söhnen zu hören. Zu Hunderten kommen sie nach Spandau, nach Magdeburg auf Festung, weil sie in den paar Tagen in Berlin von Bürgern aufgeklärt worden sind.“

„Seit einigen Tagen habe ich erst ein andres Blatt gelesen als ein königliches.“

„Nun noch ein Zwiegespräch von zwei hohen Generalen, dem ich mit Anstand gelauscht habe. Es war folgendes:

Auf einen Barrikadenkampf würde man sich nicht einlassen, indem man sonst dem Soldaten Gelegenheit gebe, überzulaufen. Aber vor der Stadt, da würde man besser fertig werden, nämlich so, daß der Name Berlin verschwände, indem Se. Majestät wünsche, keine große Stadt in zu großer Nähe zu besitzen.

Der Plan ist nicht übel, sagte der Andere, wenn Sie selbst die Kanonen laden.

Der erste fügte hinzu: Wenn der König siegt, wird das Militär bis zum Obersten doppeltes Gehalt empfangen.“

Soweit die Mittheilungen unseres braven Gardereservisten.

* Köln, 1. Dezember.

Unter den unsrer Provinz angehörigen Mitgliedern des Klub Brünneck bemerken wir:

Berghaus (früher Generalprokurator), Brüninghaus (Gutsbesitzer), v. Daniels (Geh. Oberrevisionsrath), Franken (Regierungsrath), Hansemann, Hermann (Commis), Hesse (Geh. Finanzrath), v. d. Heydt, Kühlwetter, Lensing (Kanonikus), v. Mylius, Müller (Unterstaatssekretär), Peltzer (Friedensrichter), Reichensperger (Landgerichtsrath), Scheidt (Commis), Simmons (Geh. Justizrath), Stupp, Walter (Professor), v. Wittgenstein.

Curiositatis causa fügen wir hinzu, daß auch der Exminister Milde allen Malicen dee „Neuen Preuß. Ztg.“ zum Trotze sich in Brandenburg eingefunden hat.

43 Trier, 30. Nov.

Der Coburger Sebaldt ist unermüdlich im Erlasse literarischer Cirkuläre. Er gefällt sich dermaßen in dieser Thätigkeit, daß er, die Sphäre seiner Befugnisse überschreitend, mit einer autokratischen Willkühr auftritt, die den Coburger fast zum Preußen stempeln könnte, wenn er nur das Staatsexamen gemacht hätte. Ungeachtet aller stylistischen Anstrengungen. macht sich jedoch der Mangel dieses Examens jeden Augenblick fühlbar. Der Coburger Sebaldt macht „die Truppentheile“ aufmerksam, „daß es demüthigend für die königlichen Truppen ist, wenn vor ihren Augen aufrührerische Flugschriften und Plakate vertheilt resp. öffentlich angeheftet werden.“ Es bedurfte also der sittlichen Entrüstung des Coburgers, um die Aufmerksamkeit der Truppen auf das „Demüthigende“ der Plakate aufmerksam zu machen. Der point d'honneur des Schnurbartes darf dieses nicht dulden. Um „dem Unwesen“ der freien Presse zu steuern, macht der Coburger alle Soldaten zu Censoren. Er fordert sie auf, alle Plakate, welche nicht aus der belletristischen Feder des Herrn Sebaldt geflossen, sofort abzureißen, und „Personen, welche sich aus Vertheilung, Verleitung oder Anheftung solcher Plakate ein Geschäft machen, festzunehmen“. Was die „Verleitung solcher Plakate“ betrifft, so ist dieses ein Ausdruck, der von der mangelhaften Schulbildung des Sebaldt zeugt. Seine Eingriffe in die Freiheit der Presse, zeugen von seinem Mangel an juristischer Ausbildung. Das Staatsexamen! Das Staatsexamen!

Wir lassen nun das stylistische Meisterwerk des Sebaldt folgen, das in lithographirten Exemplaren an die Soldaten vertheilt worden ist:

Euer Hochwohlgeboren ersuche ich ergebenst, alle Commando's der resp. Truppentheile im hiesigen Departement darauf gefälligst aufmerksam zu machen, daß es demüthigend für die Königlichen Truppen ist, wenn vor ihren Augen aufrührerische Flugschriften und Plakate vertheilt, resp. öffentlich angeheftet werden. Dieses Unwesen ist zugleich polizeiwidrig, und es kann der guten Sache nur förderlich sein, wenn das Militär aller Orten angewiesen wird, Plakate, welche nicht von einer obrigkeitlichen Autorität ausgehen, abzureißen, und Personen, welche sich aus Vertheilung, Verleitung oder Anheftung solcher Plakate ein Geschäft machen und an öffentlichen Orten in dieser Beschäftigung betroffen werden — festzunehmen und der nächsten Polizeibehörde zu überliefern.

Trier, den 27. November 2848.

Regierungs-Präsidium.

An den k. General-Major u. Brigade-Commandeur

Herrn v. Brune Hochwohlgeb. hierselbst.

Der Advokat Bolz empfing am Abende des 28. Novbr. eine solenne Katzenmusik. — Der katholische Priester Gomelshausen ist von der Regierung seiner Stelle am Armenhause wegen mißliebiger politischer Tendenzen entkleidet worden.

* Berncastel, 30. Novbr.

Die Wrangel'sche „Ruhe und Ordnung“ ist auch hier mittelst Infanterie, Kavallerie und Kanonen hergestellt, nachdem die bürgerliche Ruhe und Ordnung durch die Gewaltmaßregeln der Reaktion gestört worden. Coblenz und Kneisel, zu deren Verhaftung man diese gewaltige Kriegsmacht aufgeboten, haben keine Lust verspürt, „gewrangelt“ zu werden und haben sich anderswohin begeben. Daß Entwaffnung der Bürgerwehr folgt, versteht sich von selbst.

X Koblenz, 30. Nov.

Heute lesen wir an den Straßenecken unserer Stadt ein Pakat, datirt Neuwied, 27. Nov., das „mit Gott für König und Vaterland“ den schwarzweißen Geist der Landwehr lobpreis't und wüthend gegen alle Andersgesinnten loszieht. Es ist jedoch in Betreff der darin behaupteten Bereitwilligkeit der Landwehr zu bemerken, daß nur die 2te Compagnie des 29. Landwehrregiments, die aus „gesinnungstüchtigen“, d. h. muckerischen Neuwiedern besteht, sich eingefunden hat. Der Verfertiger dieses Traktätleins hat aber vergessen, zu sagen, wo und wie denn die Mannschaften der 1sten, 3ten und 4ten Compagnie sich bis heute eingefunden haben. Die Gesinnung des ganzen Kreises Neuwied ist nicht die der Stadt gleiches Namens. Der Steuereinnehmer und Landwehrlieutenant Reinhard aus Neuwied ist, als er vorgestern zur Eintreibung der Steuern eine Tour in die Umgegend machte, meuchlings durch die Brust geschossen worden; nähere Fakta's über dieses Attentat sind uns noch nicht zugekommen.

Nachdem gestern in hiesiger Stadt eine Menge Gewehre der Bürgerwehr abgenommen worden, fühlte sich auch unsere Garnison, von patriotischem Muthe beseelt, einen Hauptschlag zu vollführen. Abends kurz nach 8 Uhr füllten sich plötzlich alle Plätze und Straßen mit Truppen, die damit begannen, ruhige Bürger durch Bajonettstiche und Kolbenstöße zu maltraitiren und auf die niederträchtigste Weise zu mißhandeln. Die Ulanen überritten im strengsten Galopp Alles, was sich auf den Straßen befand und sich nicht mehr durch schleunige Flucht retten konnte. Viele Verwundungen haben stattgefunden, obgleich von Seiten der Bürger auch nicht die allergeringste Veranlassung dazu gegeben wurde. Besonders zeichneten sich die Füseliere des 26. Inf.-Regiments löblich aus, diese Burschen sind famose Helden wehrlosen Frauen und Kindern gegenüber.

* Dierdorf, 28. Nov.

Unter diesem Datum wird der Rh.-u. M.-Z. Folgendes mitgetheilt, wonach der an Reinhard begangene Mord mit der Politik gar nichts zu thun hat. Es wird nämlich berichtet:

„Der hiesige fürstlich-wiedische Rentmeister Reinhardt, welcher heute Morgen mit einer bedeutenden Summe Geldes (Gold und Kassen-Anweisungen) nach Neuwied ritt, ist nicht weit von hier im Walde von drei Räubern überfallen worden, als er zufällig vom Pferde gestiegen war, um den Sattelgurt fester anzuziehen. Die Räuber haben ihn von hinten gepackt, in's Gebüsch gezogen und ihn dann mit seiner eigenen Pistole, die er bei sich führte, durch 2 Schüsse tödtlich verwundet, worauf sie ihm das Geld und die Uhr abnahmen und ihn liegen ließen. Bald darauf wurde er von einem vorbeifahrenden Wagen aufgenommen und hierhergebracht.“

X Düsseldorf, 30. Novbr.

Gestern Abend tagten die frommen Männer des neblichen Wupperthals am Stationsgebäude zu Vohwinkel. Was denken Sie, daß diese himmlischen Kriegsknechte der irdischen Potentaten berathen und beschlossen haben? Nun die Pfaffen haben sich über die Mittel besprochen, wie man die Landwehr begeistern müsse, sich für Gott und König einkleiden zu lassen, um den himmelschreienden Aufruhr der Bösgesinnten schnell zu dämpfen.

Wie die fein gebildete k. preuß. Soldateska hier in die Häuser dringt, um den Leuten „Brandenburger“ Bildung beizubringen, werden Sie bereits gehört haben.

062 Düsseldorf, 30. Nov.

Die Früchte des Belagerungszustandes sind zur Reife gekommen, sie sind bereits abgefallen. Gestern Abend ist unsere Stadt der Schauplatz der scheußlichsten Exzesse von Seiten des Militärs gewesen. Auf welche Veranlassung? Ohne alle, aus reinen Uebermuth, aus reiner Belagerungszustandsbefugniß. Seitdem „die oberste Gewalt an die Militärbehörde übergegangen“ (Wort des Kommunisten Drigalski) halten seine „Untergebenen“ sich zu allem befugt. Auf ein Gerücht hin, daß ein Bierwierth dem Militär kein Getränk mehr verabreichen wolle, versammelten sich gegen 7 Uhr viele Soldaten in dessen Hause. Keinem Soldaten wurde das Bier verweigert; gleichwohl erschienen gegen 8 Uhr Patrouillen vor dem Hause, sperrten den Gästen den Ausgang und hielten sie ungefähr eine Stunde lang gefangen. Gleichzeitig wurde durch Bewaffnete die Straße abgesperrt und durch dreimaliges Trommelwirbeln eine bevorstehende Decharge angekündigt; es kam zwar nicht zum Gebrauch der Schußwaffe, aber die eingeklemmten, auf der Straße befindlichen Bürger wurden attaquirt und mißhandelt. Andere Patrouillen durchzogen die Straßen, um sich den ärgsten Angriffen auf das Eigenthum und Leben der Bürger zu überlassen. Mit bloßen Mißhandlungen durch Kolbenstöße, Schläge, Fußtritte begnügten sie sich nicht mehr; eine alte 74jährige Frau wurde auf der Schwelle ihrer Hausthüre förmlich mit Kolben todtgeschlagen; ein Mann erhielt zwei Bajonettstiche in Kopf und Hals. Auf der Flingerstraße wurde ein Haus erstürmt, unter dem Vorwande, daß Steinwürfe von dort auf die vorbeiziehende Mannschaft gefallen seien. Die Hausthüre wurde erbrochen und zertrümmert, die Fenster eingeschlagen, das Haus bis auf den Speicher durchsucht, Billardballen, Lampen und sonstige Geräthschaften gestohlen, sämmtliche Hausbewohner und anwesende Gäste (das Erdgeschoß bewohnt ein Bierwirth) mehr oder minder mißhandelt; ein junger Mann, in dem man den Thäter vermuthete, wurde verhaftet, nach der Kaserne geschleppt und auf dem Wege dahin mit Kolbenstößen mißhandelt. Durch den Auditeur vernommen, wurde er in der Nacht gegen 1 Uhr ins Arresthaus geführt, heute durch den Instruktionsrichter vernommen und sofort in Freiheit gesetzt. Ich kann Ihnen im Augenblicke nur dieses Wenige mittheilen; die Polizeiinspektion ist den ganzen Morgen von Leuten belagert, die über Mißhandlungen von Seiten des Militärs Klage zu führen haben. Der Gemeinderath tritt in diesem Augenblicke zusammen, um über einen Antrag hiesiger Bürger, auf Grund der gestrigen Vorfälle sofort die Aufhebung des Belagerungszustandes und die Entfernung des Militärs aus der Stadt zu verlangen, Berathung zu pflegen. Der Berlagerungszustand, dieses „außerordentliche“ Mittel zum Schutz der gesetzlichen Ordnung, des Eigenthums und Lebens der Bürger, wie es das Komplott Spiegel-Drigalski darstellte, hat sich in seiner wahren Gestalt gezeigt. Kroatische Ordnung, Zerstörungswuth und Mordlust! So recht, ihr Herren, nur immer fortgefahren, nur immer weitergegangen, es wird endlich doch seine Wirkung thun! Hr. v. Spiegel wird sich hüten, auf den Antrag des Gemeinderaths, wenn dieser den Muth hat ihn zu stellen, einzugehen. Und das feige Düsseldorfer Parquet? Es hat zu viel mit der Untersuchung Lassalle zu thun und wird sich inkompetent erklären, da es sich von Militärpersonen handelt.

34 Düsseldorf, 30. Novbr.

L'ordre règne à Dusseldorf Wir sind überglücklich in unsern Zuständen. Jetzt erlebt man doch wirklich etwas. Früher als die Demokraten noch herrschten, ging alles viel zu ruhig seinen Weg, da wurden keine Thüren und Fenster zertrümmert, da wurden keine nächtlichen Schläfer aus dem Schlafe gerissen und ins Gefängniß geschleppt, da wurde nicht gemordet. Das alles haben wir nun aus der segenbringenden Hand der vielgeliebten Soldaten. Gestern Abend haben sie uns ein wahrhaft infernalisches Amusement bereitet mit obligaten Gewehrkolben und Bajonetten. Noch heute ist die Stadt in der erfreutesten Stimmung, daß endlich das Gesetz à la Brandenburg herrscht. Cur, quomodo, quando. Wann? gestern Abend um 9 Uhr ging die Komödie los. Warum? das weiß eigentlich kein Mensch. Man sagt indeß, daß ein Steinwurf in ein Piket Soldaten geschehen sei und daß ein Wirth sich weigerte, den edlen Kriegern zu kredenzen, was sich übrigens als Unwahrheit herausstellt. Grund genug, um ein Lustspiel aufzuführen! Unsere Bürgerwehr hat auch früher wohl einmal Steinwürfe genossen. Aber sie hat, trotzdem sie bewaffnet war, nicht gleich in die Gassenjungen gestoßen und gestochen. Freilich heldenmüthige Soldaten haben eine andere Aufgabe. Sie haben einer unbewaffneten Stadt gegenüber die Verpflichtung, ihren Muth zu zeigen. Quomodo? Auf der Flingerstraße ist ein Haus an Fenster und Thüren stark demolirt worden, die Ratingerstraße hat es erlebt, daß Leute, die dort wohnen, fortgeschleppt worden sind, um die Nacht umsonst einquartirt zu werden. Sogar Mitglieder der Gesellschaft „Verein“, eine Hochschule der Reaktion, treue konstitutionelle Seelen, wären beinahe um ihr patriotisches Blut gekommen. Und endlich: auf dem Hundsrücken haben die edeln Untergebenen des Communisten Drigalski ein altes Mütterchen von 74 Jahren, das eben von ihren Enkelkindern kam, in einem Hausgange vom Leben zum Tode befördert, und zwar vermittelst eines Kolbenstoßes auf die Brust ganz gelinde, daß es eine halbe Stunde später unter Blutstürzen starb. So wird der gute Dreizehner, der im August hier fiel, doch endlich gerächt von seinen treuen Kameraden, wie sie oft geschworen haben. Aber es ist kein Mann als Sühnopfer gefallen, nein vorläufig nur eine Frau, eine greise Hekuba! Das ist der Humor davon! Wovon? Ei, daß die patriotischen Damen die lieben Vaterlandsvertheidiger besoffen machen und daß die gesinnungstüchtigen Wupperthaler, die jeden Augenblick bei der hiesigen Regierung große Summen zur Hebung der Industrie betteln,

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      <titlePage type="heading">
        <titlePart type="main">Neue Rheinische Zeitung</titlePart>
        <titlePart type="sub">Organ der Demokratie.</titlePart>
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          <docDate>No 158. Köln, Samstag den 2. Dezember 1848.</docDate>
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        <epigraph>
          <p> <hi rendition="#b">Keine Steuern mehr!!!</hi> </p>
        </epigraph>
      </div>
      <div type="contents" n="1">
        <head>Uebersicht.</head>
        <p><hi rendition="#g">Deutschland.</hi>. Köln. (Brief eines Gardereservisten an die Redaktion der &#x201E;N. Rh. Ztg.&#x201C; &#x2014; Rheinische Repräsentations-Doublüren im Club Brünnek) Trier. (Diktator Sebaldt. Bolz. Gomelshausen.) Berncastel. (Wrangel'sche Ruhe und Ordnung.) Koblenz (Die Neuwieder Landwehr. Ein schwarz-weißes Plakat. Soldatenexcesse. Ein Steuereinnehmer erschossen). Dierdorf. (Der Raubmord am Rentmeister Reinhard.) Düsseldorf. (Tagung der frommen Wupperthaler zu Vohwinkel. &#x2014; Scheußliche Excesse der Soldateska. &#x2014; Soldatische Erholungen). Aachen. (Herr Kühlwetter). Münster. (Eine Untersuchungskommission niedergesetzt). Brandenburg. (Klub Brünneck). Wien. (Hündische Adresse des Gemeinderaths an Windischgrätz. Verhaftungen. Kremsier.) Brünn. (Der Reichstag in Kremsier. Die Czechen. Lloyd und Presse.) Frankfurt. National-Versammlung. &#x2014; Erklärung von Julius Fröbel.)</p>
        <p><hi rendition="#g">Ungarn</hi>. Hermannstadt. (Niederlage der Szekler.)</p>
        <p><hi rendition="#g">Italien</hi>. Kanonendonner nach Mestre hin. Ferdinand v. Neapel. &#x2014; Amnestie in Toskana. Am 23. der Papst noch in Rom.)</p>
        <p><hi rendition="#g">Schweiz</hi>. Bern. (Bern zur Bundesstadt erklärt. Franscini.)</p>
        <p><hi rendition="#g">Französische Republik</hi>. Paris. (Herr Cavaignac. &#x2014; Grund der Intervention Cavaignac's zu Gunsten des Pabstes. &#x2014; Corcelles in Toulon eingetroffen. &#x2014; Programm des römischen Ministeriums. &#x2014; Polenfeier. &#x2014; Intervention vor Proudhons Hause. &#x2014; Nationalversammlung.)</p>
        <p><hi rendition="#g">Großbritanien</hi>. London. (Facten für Freihandelsmänner) Manchester. (Kindersterblichkeit.)</p>
        <p><hi rendition="#g">Türkei</hi>. (Reise auf dem todten Meere.)</p>
        <p><hi rendition="#g">Amerika</hi>. London (Traurige Lage Canada's.) Newyork. (Bennetts über die europäische Revolution. &#x2014; Reglung des Briefportos zwischen England und den Vereinigten Staaten. &#x2014; Die Postdampfschifflinien der Union.)</p>
      </div>
      <div n="1">
        <head>Deutschland.</head>
        <div xml:id="ar158_001" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Köln, 1. Nov.</head>
          <p>Der Redaktion der &#x201E;N. Rhein. Ztg.&#x201C; ist ein höchst naiver Brief von einem <hi rendition="#g">Gardereservisten</hi> zugegangen. Wir wollen auch diesen Beitrag zur Zeitgeschichte auszugsweise unsern Lesern mittheilen.</p>
          <p>&#x201E;Vor fünf Monaten zum Regimente zurückgerufen, mußten wir einen <hi rendition="#g">befreundeten Feind</hi> bekämpfen, der weiter nichts zu thun hatte, als Deutschland durch den König von Preußen an der Nase herumzuziehen. <hi rendition="#g">Es war kein Krieg, denn der Soldat erhielt keine Kriegszulage</hi>.&#x201C;</p>
          <p>&#x201E;Aber vor Berlin, da <hi rendition="#g">sollte es Krieg geben</hi>. Zuerst <hi rendition="#g">Kriegszulage</hi>. Dann die Bauernsöhne von ihren Vorgesetzten angefeuert, ihrer Brüder in Berlin nicht zu schonen. Wir marschirten in <hi rendition="#g">einem besoffenen Zustande</hi> in Berlin hinein. Aber welch' Wunder! Unser Oberst war kalt wie Stein, bleich wie Schnee, da er glaubte, nur auf Barrikaden zu stoßen.&#x201C;</p>
          <p>&#x201E;Wir mußten bivouakiren. Den Tag waren wir bei den Bürger einquartirt. Der Bürger gab sehr gute Kost. Als Wrangel dies hörte, wurden wir ausquartirt und in königliche Häuser gelegt, &#x2014; kein Bett, wenig Stroh, aber viele Worte von der Güte des Königs und der Bürgercanaille.&#x201C;</p>
          <p>&#x201E;Wie viele Eltern werden sich wundern, nichts von ihren Söhnen zu hören. Zu Hunderten kommen sie nach Spandau, nach Magdeburg auf Festung, weil sie in den paar Tagen in Berlin von Bürgern aufgeklärt worden sind.&#x201C;</p>
          <p>&#x201E;Seit einigen Tagen habe ich erst ein andres Blatt gelesen als ein königliches.&#x201C;</p>
          <p>&#x201E;Nun noch ein Zwiegespräch von zwei hohen Generalen, dem ich mit Anstand gelauscht habe. Es war folgendes:</p>
          <p>Auf einen Barrikadenkampf würde man sich nicht einlassen, indem man sonst dem Soldaten Gelegenheit gebe, überzulaufen. Aber <hi rendition="#g">vor</hi> der Stadt, da würde man besser fertig werden, nämlich so, <hi rendition="#g">daß der Name Berlin verschwände, indem Se. Majestät wünsche, keine große Stadt in zu großer Nähe</hi> zu besitzen.</p>
          <p>Der Plan ist nicht übel, sagte der Andere, wenn <hi rendition="#g">Sie selbst</hi> die Kanonen laden.</p>
          <p>Der erste fügte hinzu: Wenn der König siegt, wird das Militär bis zum Obersten doppeltes Gehalt empfangen.&#x201C;</p>
          <p>Soweit die Mittheilungen unseres braven Gardereservisten.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar158_002" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Köln, 1. Dezember.</head>
          <p>Unter den unsrer Provinz angehörigen Mitgliedern des <hi rendition="#g">Klub Brünneck</hi> bemerken wir:</p>
          <p><hi rendition="#g">Berghaus</hi> (früher Generalprokurator), <hi rendition="#g">Brüninghaus</hi> (Gutsbesitzer), v. <hi rendition="#g">Daniels</hi> (Geh. Oberrevisionsrath), <hi rendition="#g">Franken</hi> (Regierungsrath), <hi rendition="#g">Hansemann, Hermann</hi> (Commis), <hi rendition="#g">Hesse</hi> (Geh. Finanzrath), v. d. <hi rendition="#g">Heydt, Kühlwetter, Lensing</hi> (Kanonikus), v. <hi rendition="#g">Mylius, Müller</hi> (Unterstaatssekretär), <hi rendition="#g">Peltzer</hi> (Friedensrichter), <hi rendition="#g">Reichensperger</hi> (Landgerichtsrath), <hi rendition="#g">Scheidt</hi> (Commis), <hi rendition="#g">Simmons</hi> (Geh. Justizrath), <hi rendition="#g">Stupp, Walter</hi> (Professor), v. <hi rendition="#g">Wittgenstein</hi>.</p>
          <p>Curiositatis causa fügen wir hinzu, daß auch der Exminister <hi rendition="#g">Milde</hi> allen Malicen dee &#x201E;<hi rendition="#g">Neuen Preuß. Ztg.</hi>&#x201C; zum Trotze sich in Brandenburg eingefunden hat.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar158_003" type="jArticle">
          <head><bibl><author>43</author></bibl> Trier, 30. Nov.</head>
          <p>Der Coburger Sebaldt ist unermüdlich im Erlasse literarischer Cirkuläre. Er gefällt sich dermaßen in dieser Thätigkeit, daß er, die Sphäre seiner Befugnisse überschreitend, mit einer autokratischen Willkühr auftritt, die den Coburger fast zum Preußen stempeln könnte, wenn er nur das Staatsexamen gemacht hätte. Ungeachtet aller stylistischen Anstrengungen. macht sich jedoch der Mangel dieses Examens jeden Augenblick fühlbar. Der Coburger Sebaldt macht &#x201E;die Truppentheile&#x201C; aufmerksam, &#x201E;daß es demüthigend für die königlichen Truppen ist, wenn vor ihren Augen aufrührerische Flugschriften und Plakate vertheilt resp. öffentlich angeheftet werden.&#x201C; Es bedurfte also der sittlichen Entrüstung des Coburgers, um die Aufmerksamkeit der Truppen auf das &#x201E;Demüthigende&#x201C; der Plakate aufmerksam zu machen. Der point d'honneur des Schnurbartes darf dieses nicht dulden. Um &#x201E;dem Unwesen&#x201C; der freien Presse zu steuern, macht der Coburger alle Soldaten zu Censoren. Er fordert sie auf, alle Plakate, welche nicht aus der belletristischen Feder des Herrn Sebaldt geflossen, sofort abzureißen, und &#x201E;Personen, welche sich aus Vertheilung, <hi rendition="#g">Verleitung</hi> oder Anheftung solcher Plakate ein Geschäft machen, festzunehmen&#x201C;. Was die &#x201E;Verleitung solcher Plakate&#x201C; betrifft, so ist dieses ein Ausdruck, der von der mangelhaften Schulbildung des Sebaldt zeugt. Seine Eingriffe in die Freiheit der Presse, zeugen von seinem Mangel an juristischer Ausbildung. Das Staatsexamen! Das Staatsexamen!</p>
          <p>Wir lassen nun das stylistische Meisterwerk des Sebaldt folgen, das in lithographirten Exemplaren an die Soldaten vertheilt worden ist:</p>
          <p>Euer Hochwohlgeboren ersuche ich ergebenst, alle Commando's der resp. Truppentheile im hiesigen Departement darauf gefälligst aufmerksam zu machen, daß es demüthigend für die Königlichen Truppen ist, wenn vor ihren Augen aufrührerische Flugschriften und Plakate vertheilt, resp. öffentlich angeheftet werden. Dieses Unwesen ist zugleich polizeiwidrig, und es kann der guten Sache nur förderlich sein, wenn das Militär aller Orten angewiesen wird, Plakate, welche nicht von einer obrigkeitlichen Autorität ausgehen, abzureißen, und Personen, welche sich aus Vertheilung, Verleitung oder Anheftung solcher Plakate ein Geschäft machen und an öffentlichen Orten in dieser Beschäftigung betroffen werden &#x2014; festzunehmen und der nächsten Polizeibehörde zu überliefern.</p>
          <p><hi rendition="#g">Trier,</hi> den 27. November 2848.</p>
          <p><hi rendition="#g">Regierungs-Präsidium</hi>.</p>
          <p>An den k. General-Major u. Brigade-Commandeur</p>
          <p>Herrn v. <hi rendition="#g">Brune</hi> Hochwohlgeb. hierselbst.</p>
          <p>Der Advokat <hi rendition="#g">Bolz</hi> empfing am Abende des 28. Novbr. eine solenne Katzenmusik. &#x2014; Der katholische Priester <hi rendition="#g">Gomelshausen</hi> ist von der Regierung seiner Stelle am Armenhause wegen mißliebiger politischer Tendenzen entkleidet worden.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar158_004" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Berncastel, 30. Novbr.</head>
          <p>Die Wrangel'sche &#x201E;Ruhe und Ordnung&#x201C; ist auch hier mittelst Infanterie, Kavallerie und Kanonen hergestellt, nachdem die bürgerliche Ruhe und Ordnung durch die Gewaltmaßregeln der Reaktion gestört worden. Coblenz und Kneisel, zu deren Verhaftung man diese gewaltige Kriegsmacht aufgeboten, haben keine Lust verspürt, &#x201E;gewrangelt&#x201C; zu werden und haben sich anderswohin begeben. Daß Entwaffnung der Bürgerwehr folgt, versteht sich von selbst.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar158_005" type="jArticle">
          <head><bibl><author>X</author></bibl> Koblenz, 30. Nov.</head>
          <p>Heute lesen wir an den Straßenecken unserer Stadt ein Pakat, datirt Neuwied, 27. Nov., das &#x201E;mit Gott für König und Vaterland&#x201C; den schwarzweißen Geist der Landwehr lobpreis't und wüthend gegen alle Andersgesinnten loszieht. Es ist jedoch in Betreff der darin behaupteten Bereitwilligkeit der Landwehr zu bemerken, daß nur die 2te Compagnie des 29. Landwehrregiments, die aus &#x201E;gesinnungstüchtigen&#x201C;, d. h. muckerischen Neuwiedern besteht, sich eingefunden hat. Der Verfertiger dieses Traktätleins hat aber vergessen, zu sagen, wo und wie denn die Mannschaften der 1sten, 3ten und 4ten Compagnie sich bis heute eingefunden haben. Die Gesinnung des ganzen Kreises Neuwied ist nicht die der Stadt gleiches Namens. Der Steuereinnehmer und Landwehrlieutenant <hi rendition="#g">Reinhard</hi> aus Neuwied ist, als er vorgestern zur Eintreibung der Steuern eine Tour in die Umgegend machte, meuchlings durch die Brust geschossen worden; nähere Fakta's über dieses Attentat sind uns noch nicht zugekommen.</p>
          <p>Nachdem gestern in hiesiger Stadt eine Menge Gewehre der Bürgerwehr abgenommen worden, fühlte sich auch unsere Garnison, von patriotischem Muthe beseelt, einen Hauptschlag zu vollführen. Abends kurz nach 8 Uhr füllten sich plötzlich alle Plätze und Straßen mit Truppen, die damit begannen, ruhige Bürger durch Bajonettstiche und Kolbenstöße zu maltraitiren und auf die niederträchtigste Weise zu mißhandeln. Die Ulanen überritten im strengsten Galopp Alles, was sich auf den Straßen befand und sich nicht mehr durch schleunige Flucht retten konnte. Viele Verwundungen haben stattgefunden, obgleich von Seiten der Bürger auch nicht die allergeringste Veranlassung dazu gegeben wurde. Besonders zeichneten sich die Füseliere des 26. Inf.-Regiments löblich aus, diese Burschen sind famose Helden wehrlosen Frauen und Kindern gegenüber.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar158_006" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Dierdorf, 28. Nov.</head>
          <p>Unter diesem Datum wird der Rh.-u. M.-Z. Folgendes mitgetheilt, wonach der an Reinhard begangene Mord mit der Politik gar nichts zu thun hat. Es wird nämlich berichtet:</p>
          <p>&#x201E;Der hiesige fürstlich-wiedische Rentmeister Reinhardt, welcher heute Morgen mit einer bedeutenden Summe Geldes (Gold und Kassen-Anweisungen) nach Neuwied ritt, ist nicht weit von hier im Walde von drei Räubern überfallen worden, als er zufällig vom Pferde gestiegen war, um den Sattelgurt fester anzuziehen. Die Räuber haben ihn von hinten gepackt, in's Gebüsch gezogen und ihn dann mit seiner eigenen Pistole, die er bei sich führte, durch 2 Schüsse tödtlich verwundet, worauf sie ihm das Geld und die Uhr abnahmen und ihn liegen ließen. Bald darauf wurde er von einem vorbeifahrenden Wagen aufgenommen und hierhergebracht.&#x201C;</p>
        </div>
        <div xml:id="ar158_007" type="jArticle">
          <head><bibl><author>X</author></bibl> Düsseldorf, 30. Novbr.</head>
          <p>Gestern Abend tagten die frommen Männer des neblichen Wupperthals am Stationsgebäude zu Vohwinkel. Was denken Sie, daß diese himmlischen Kriegsknechte der irdischen Potentaten berathen und beschlossen haben? Nun die Pfaffen haben sich über die Mittel besprochen, wie man die Landwehr begeistern müsse, sich für Gott und König einkleiden zu lassen, um den himmelschreienden Aufruhr der Bösgesinnten schnell zu dämpfen.</p>
          <p>Wie die fein gebildete k. preuß. Soldateska hier in die Häuser dringt, um den Leuten &#x201E;Brandenburger&#x201C; Bildung beizubringen, werden Sie bereits gehört haben.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar158_008" type="jArticle">
          <head><bibl><author>062</author></bibl> Düsseldorf, 30. Nov.</head>
          <p>Die Früchte des Belagerungszustandes sind zur Reife gekommen, sie sind <hi rendition="#g">bereits abgefallen</hi>. Gestern Abend ist unsere Stadt der Schauplatz der scheußlichsten Exzesse von Seiten des Militärs gewesen. Auf welche Veranlassung? Ohne alle, aus reinen Uebermuth, aus reiner Belagerungszustandsbefugniß. Seitdem &#x201E;die oberste Gewalt an die Militärbehörde übergegangen&#x201C; (Wort des Kommunisten Drigalski) halten seine &#x201E;Untergebenen&#x201C; sich zu allem befugt. Auf ein Gerücht hin, daß ein Bierwierth dem Militär kein Getränk mehr verabreichen wolle, versammelten sich gegen 7 Uhr viele Soldaten in dessen Hause. Keinem Soldaten wurde das Bier verweigert; gleichwohl erschienen gegen 8 Uhr Patrouillen vor dem Hause, sperrten den Gästen den Ausgang und hielten sie ungefähr eine Stunde lang gefangen. Gleichzeitig wurde durch Bewaffnete die Straße abgesperrt und durch dreimaliges Trommelwirbeln eine bevorstehende Decharge angekündigt; es kam zwar nicht zum Gebrauch der Schußwaffe, aber die eingeklemmten, auf der Straße befindlichen Bürger wurden attaquirt und mißhandelt. Andere Patrouillen durchzogen die Straßen, um sich den ärgsten Angriffen auf das Eigenthum und Leben der Bürger zu überlassen. Mit bloßen Mißhandlungen durch Kolbenstöße, Schläge, Fußtritte begnügten sie sich nicht mehr; eine alte 74jährige Frau wurde auf der Schwelle ihrer Hausthüre förmlich mit Kolben <hi rendition="#g">todtgeschlagen;</hi> ein Mann erhielt zwei Bajonettstiche in Kopf und Hals. Auf der Flingerstraße wurde ein Haus erstürmt, unter dem Vorwande, daß Steinwürfe von dort auf die vorbeiziehende Mannschaft gefallen seien. Die Hausthüre wurde erbrochen und zertrümmert, die Fenster eingeschlagen, das Haus bis auf den Speicher durchsucht, Billardballen, Lampen und sonstige Geräthschaften <hi rendition="#g">gestohlen,</hi> sämmtliche Hausbewohner und anwesende Gäste (das Erdgeschoß bewohnt ein Bierwirth) mehr oder minder mißhandelt; ein junger Mann, in dem man den Thäter vermuthete, wurde verhaftet, nach der Kaserne geschleppt und auf dem Wege dahin mit Kolbenstößen mißhandelt. Durch den Auditeur vernommen, wurde er in der Nacht gegen 1 Uhr ins Arresthaus geführt, heute durch den Instruktionsrichter vernommen und <hi rendition="#g">sofort in Freiheit gesetzt</hi>. Ich kann Ihnen im Augenblicke nur dieses Wenige mittheilen; die Polizeiinspektion ist den ganzen Morgen von Leuten belagert, die über Mißhandlungen von Seiten des Militärs Klage zu führen haben. Der Gemeinderath tritt in diesem Augenblicke zusammen, um über einen Antrag hiesiger Bürger, auf Grund der gestrigen Vorfälle sofort die Aufhebung des Belagerungszustandes und die Entfernung des Militärs aus der Stadt zu verlangen, Berathung zu pflegen. Der Berlagerungszustand, dieses &#x201E;außerordentliche&#x201C; Mittel zum Schutz der gesetzlichen Ordnung, des Eigenthums und Lebens der Bürger, wie es das Komplott <hi rendition="#g">Spiegel-Drigalski</hi> darstellte, hat sich in seiner wahren Gestalt gezeigt. Kroatische Ordnung, Zerstörungswuth und Mordlust! So recht, ihr Herren, nur immer fortgefahren, nur immer weitergegangen, es wird endlich doch seine Wirkung thun! Hr. v. Spiegel wird sich hüten, auf den Antrag des Gemeinderaths, wenn dieser den Muth hat ihn zu stellen, einzugehen. Und das feige Düsseldorfer Parquet? Es hat zu viel mit der Untersuchung Lassalle zu thun und wird sich inkompetent erklären, da es sich von Militärpersonen handelt.</p>
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          <head><bibl><author>34</author></bibl> Düsseldorf, 30. Novbr.</head>
          <p>L'ordre règne à Dusseldorf Wir sind überglücklich in unsern Zuständen. Jetzt erlebt man doch wirklich etwas. Früher als die Demokraten noch herrschten, ging alles viel zu ruhig seinen Weg, da wurden keine Thüren und Fenster zertrümmert, da wurden keine nächtlichen Schläfer aus dem Schlafe gerissen und ins Gefängniß geschleppt, da wurde nicht gemordet. Das alles haben wir nun aus der segenbringenden Hand der vielgeliebten Soldaten. Gestern Abend haben sie uns ein wahrhaft infernalisches Amusement bereitet mit obligaten Gewehrkolben und Bajonetten. Noch heute ist die Stadt in der erfreutesten Stimmung, daß endlich das Gesetz à la Brandenburg herrscht. Cur, quomodo, quando. Wann? gestern Abend um 9 Uhr ging die Komödie los. Warum? das weiß eigentlich kein Mensch. Man sagt indeß, daß ein Steinwurf in ein Piket Soldaten geschehen sei und daß ein Wirth sich weigerte, den edlen Kriegern zu kredenzen, was sich übrigens als Unwahrheit herausstellt. Grund genug, um ein Lustspiel aufzuführen! Unsere Bürgerwehr hat auch früher wohl einmal Steinwürfe genossen. Aber sie hat, trotzdem sie bewaffnet war, nicht gleich in die Gassenjungen gestoßen und gestochen. Freilich heldenmüthige Soldaten haben eine andere Aufgabe. Sie haben einer unbewaffneten Stadt gegenüber die Verpflichtung, ihren Muth zu zeigen. Quomodo? Auf der Flingerstraße ist ein Haus an Fenster und Thüren stark demolirt worden, die Ratingerstraße hat es erlebt, daß Leute, die dort wohnen, fortgeschleppt worden sind, um die Nacht umsonst einquartirt zu werden. Sogar Mitglieder der Gesellschaft &#x201E;Verein&#x201C;, eine Hochschule der Reaktion, treue konstitutionelle Seelen, wären beinahe um ihr patriotisches Blut gekommen. Und endlich: auf dem Hundsrücken haben die edeln Untergebenen des Communisten Drigalski ein altes Mütterchen von 74 Jahren, das eben von ihren Enkelkindern kam, in einem Hausgange vom Leben zum Tode befördert, und zwar vermittelst eines Kolbenstoßes auf die Brust ganz gelinde, daß es eine halbe Stunde später unter Blutstürzen starb. So wird der gute Dreizehner, der im August hier fiel, doch endlich gerächt von seinen treuen Kameraden, wie sie oft geschworen haben. Aber es ist kein Mann als Sühnopfer gefallen, nein vorläufig nur eine Frau, eine greise Hekuba! Das ist der Humor davon! Wovon? Ei, daß die patriotischen Damen die lieben Vaterlandsvertheidiger besoffen machen und daß die gesinnungstüchtigen Wupperthaler, die jeden Augenblick bei der hiesigen Regierung große Summen zur Hebung der Industrie betteln,
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[0837/0001] Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 158. Köln, Samstag den 2. Dezember 1848. Keine Steuern mehr!!! Uebersicht. Deutschland.. Köln. (Brief eines Gardereservisten an die Redaktion der „N. Rh. Ztg.“ — Rheinische Repräsentations-Doublüren im Club Brünnek) Trier. (Diktator Sebaldt. Bolz. Gomelshausen.) Berncastel. (Wrangel'sche Ruhe und Ordnung.) Koblenz (Die Neuwieder Landwehr. Ein schwarz-weißes Plakat. Soldatenexcesse. Ein Steuereinnehmer erschossen). Dierdorf. (Der Raubmord am Rentmeister Reinhard.) Düsseldorf. (Tagung der frommen Wupperthaler zu Vohwinkel. — Scheußliche Excesse der Soldateska. — Soldatische Erholungen). Aachen. (Herr Kühlwetter). Münster. (Eine Untersuchungskommission niedergesetzt). Brandenburg. (Klub Brünneck). Wien. (Hündische Adresse des Gemeinderaths an Windischgrätz. Verhaftungen. Kremsier.) Brünn. (Der Reichstag in Kremsier. Die Czechen. Lloyd und Presse.) Frankfurt. National-Versammlung. — Erklärung von Julius Fröbel.) Ungarn. Hermannstadt. (Niederlage der Szekler.) Italien. Kanonendonner nach Mestre hin. Ferdinand v. Neapel. — Amnestie in Toskana. Am 23. der Papst noch in Rom.) Schweiz. Bern. (Bern zur Bundesstadt erklärt. Franscini.) Französische Republik. Paris. (Herr Cavaignac. — Grund der Intervention Cavaignac's zu Gunsten des Pabstes. — Corcelles in Toulon eingetroffen. — Programm des römischen Ministeriums. — Polenfeier. — Intervention vor Proudhons Hause. — Nationalversammlung.) Großbritanien. London. (Facten für Freihandelsmänner) Manchester. (Kindersterblichkeit.) Türkei. (Reise auf dem todten Meere.) Amerika. London (Traurige Lage Canada's.) Newyork. (Bennetts über die europäische Revolution. — Reglung des Briefportos zwischen England und den Vereinigten Staaten. — Die Postdampfschifflinien der Union.) Deutschland. * Köln, 1. Nov. Der Redaktion der „N. Rhein. Ztg.“ ist ein höchst naiver Brief von einem Gardereservisten zugegangen. Wir wollen auch diesen Beitrag zur Zeitgeschichte auszugsweise unsern Lesern mittheilen. „Vor fünf Monaten zum Regimente zurückgerufen, mußten wir einen befreundeten Feind bekämpfen, der weiter nichts zu thun hatte, als Deutschland durch den König von Preußen an der Nase herumzuziehen. Es war kein Krieg, denn der Soldat erhielt keine Kriegszulage.“ „Aber vor Berlin, da sollte es Krieg geben. Zuerst Kriegszulage. Dann die Bauernsöhne von ihren Vorgesetzten angefeuert, ihrer Brüder in Berlin nicht zu schonen. Wir marschirten in einem besoffenen Zustande in Berlin hinein. Aber welch' Wunder! Unser Oberst war kalt wie Stein, bleich wie Schnee, da er glaubte, nur auf Barrikaden zu stoßen.“ „Wir mußten bivouakiren. Den Tag waren wir bei den Bürger einquartirt. Der Bürger gab sehr gute Kost. Als Wrangel dies hörte, wurden wir ausquartirt und in königliche Häuser gelegt, — kein Bett, wenig Stroh, aber viele Worte von der Güte des Königs und der Bürgercanaille.“ „Wie viele Eltern werden sich wundern, nichts von ihren Söhnen zu hören. Zu Hunderten kommen sie nach Spandau, nach Magdeburg auf Festung, weil sie in den paar Tagen in Berlin von Bürgern aufgeklärt worden sind.“ „Seit einigen Tagen habe ich erst ein andres Blatt gelesen als ein königliches.“ „Nun noch ein Zwiegespräch von zwei hohen Generalen, dem ich mit Anstand gelauscht habe. Es war folgendes: Auf einen Barrikadenkampf würde man sich nicht einlassen, indem man sonst dem Soldaten Gelegenheit gebe, überzulaufen. Aber vor der Stadt, da würde man besser fertig werden, nämlich so, daß der Name Berlin verschwände, indem Se. Majestät wünsche, keine große Stadt in zu großer Nähe zu besitzen. Der Plan ist nicht übel, sagte der Andere, wenn Sie selbst die Kanonen laden. Der erste fügte hinzu: Wenn der König siegt, wird das Militär bis zum Obersten doppeltes Gehalt empfangen.“ Soweit die Mittheilungen unseres braven Gardereservisten. * Köln, 1. Dezember. Unter den unsrer Provinz angehörigen Mitgliedern des Klub Brünneck bemerken wir: Berghaus (früher Generalprokurator), Brüninghaus (Gutsbesitzer), v. Daniels (Geh. Oberrevisionsrath), Franken (Regierungsrath), Hansemann, Hermann (Commis), Hesse (Geh. Finanzrath), v. d. Heydt, Kühlwetter, Lensing (Kanonikus), v. Mylius, Müller (Unterstaatssekretär), Peltzer (Friedensrichter), Reichensperger (Landgerichtsrath), Scheidt (Commis), Simmons (Geh. Justizrath), Stupp, Walter (Professor), v. Wittgenstein. Curiositatis causa fügen wir hinzu, daß auch der Exminister Milde allen Malicen dee „Neuen Preuß. Ztg.“ zum Trotze sich in Brandenburg eingefunden hat. 43 Trier, 30. Nov. Der Coburger Sebaldt ist unermüdlich im Erlasse literarischer Cirkuläre. Er gefällt sich dermaßen in dieser Thätigkeit, daß er, die Sphäre seiner Befugnisse überschreitend, mit einer autokratischen Willkühr auftritt, die den Coburger fast zum Preußen stempeln könnte, wenn er nur das Staatsexamen gemacht hätte. Ungeachtet aller stylistischen Anstrengungen. macht sich jedoch der Mangel dieses Examens jeden Augenblick fühlbar. Der Coburger Sebaldt macht „die Truppentheile“ aufmerksam, „daß es demüthigend für die königlichen Truppen ist, wenn vor ihren Augen aufrührerische Flugschriften und Plakate vertheilt resp. öffentlich angeheftet werden.“ Es bedurfte also der sittlichen Entrüstung des Coburgers, um die Aufmerksamkeit der Truppen auf das „Demüthigende“ der Plakate aufmerksam zu machen. Der point d'honneur des Schnurbartes darf dieses nicht dulden. Um „dem Unwesen“ der freien Presse zu steuern, macht der Coburger alle Soldaten zu Censoren. Er fordert sie auf, alle Plakate, welche nicht aus der belletristischen Feder des Herrn Sebaldt geflossen, sofort abzureißen, und „Personen, welche sich aus Vertheilung, Verleitung oder Anheftung solcher Plakate ein Geschäft machen, festzunehmen“. Was die „Verleitung solcher Plakate“ betrifft, so ist dieses ein Ausdruck, der von der mangelhaften Schulbildung des Sebaldt zeugt. Seine Eingriffe in die Freiheit der Presse, zeugen von seinem Mangel an juristischer Ausbildung. Das Staatsexamen! Das Staatsexamen! Wir lassen nun das stylistische Meisterwerk des Sebaldt folgen, das in lithographirten Exemplaren an die Soldaten vertheilt worden ist: Euer Hochwohlgeboren ersuche ich ergebenst, alle Commando's der resp. Truppentheile im hiesigen Departement darauf gefälligst aufmerksam zu machen, daß es demüthigend für die Königlichen Truppen ist, wenn vor ihren Augen aufrührerische Flugschriften und Plakate vertheilt, resp. öffentlich angeheftet werden. Dieses Unwesen ist zugleich polizeiwidrig, und es kann der guten Sache nur förderlich sein, wenn das Militär aller Orten angewiesen wird, Plakate, welche nicht von einer obrigkeitlichen Autorität ausgehen, abzureißen, und Personen, welche sich aus Vertheilung, Verleitung oder Anheftung solcher Plakate ein Geschäft machen und an öffentlichen Orten in dieser Beschäftigung betroffen werden — festzunehmen und der nächsten Polizeibehörde zu überliefern. Trier, den 27. November 2848. Regierungs-Präsidium. An den k. General-Major u. Brigade-Commandeur Herrn v. Brune Hochwohlgeb. hierselbst. Der Advokat Bolz empfing am Abende des 28. Novbr. eine solenne Katzenmusik. — Der katholische Priester Gomelshausen ist von der Regierung seiner Stelle am Armenhause wegen mißliebiger politischer Tendenzen entkleidet worden. * Berncastel, 30. Novbr. Die Wrangel'sche „Ruhe und Ordnung“ ist auch hier mittelst Infanterie, Kavallerie und Kanonen hergestellt, nachdem die bürgerliche Ruhe und Ordnung durch die Gewaltmaßregeln der Reaktion gestört worden. Coblenz und Kneisel, zu deren Verhaftung man diese gewaltige Kriegsmacht aufgeboten, haben keine Lust verspürt, „gewrangelt“ zu werden und haben sich anderswohin begeben. Daß Entwaffnung der Bürgerwehr folgt, versteht sich von selbst. X Koblenz, 30. Nov. Heute lesen wir an den Straßenecken unserer Stadt ein Pakat, datirt Neuwied, 27. Nov., das „mit Gott für König und Vaterland“ den schwarzweißen Geist der Landwehr lobpreis't und wüthend gegen alle Andersgesinnten loszieht. Es ist jedoch in Betreff der darin behaupteten Bereitwilligkeit der Landwehr zu bemerken, daß nur die 2te Compagnie des 29. Landwehrregiments, die aus „gesinnungstüchtigen“, d. h. muckerischen Neuwiedern besteht, sich eingefunden hat. Der Verfertiger dieses Traktätleins hat aber vergessen, zu sagen, wo und wie denn die Mannschaften der 1sten, 3ten und 4ten Compagnie sich bis heute eingefunden haben. Die Gesinnung des ganzen Kreises Neuwied ist nicht die der Stadt gleiches Namens. Der Steuereinnehmer und Landwehrlieutenant Reinhard aus Neuwied ist, als er vorgestern zur Eintreibung der Steuern eine Tour in die Umgegend machte, meuchlings durch die Brust geschossen worden; nähere Fakta's über dieses Attentat sind uns noch nicht zugekommen. Nachdem gestern in hiesiger Stadt eine Menge Gewehre der Bürgerwehr abgenommen worden, fühlte sich auch unsere Garnison, von patriotischem Muthe beseelt, einen Hauptschlag zu vollführen. Abends kurz nach 8 Uhr füllten sich plötzlich alle Plätze und Straßen mit Truppen, die damit begannen, ruhige Bürger durch Bajonettstiche und Kolbenstöße zu maltraitiren und auf die niederträchtigste Weise zu mißhandeln. Die Ulanen überritten im strengsten Galopp Alles, was sich auf den Straßen befand und sich nicht mehr durch schleunige Flucht retten konnte. Viele Verwundungen haben stattgefunden, obgleich von Seiten der Bürger auch nicht die allergeringste Veranlassung dazu gegeben wurde. Besonders zeichneten sich die Füseliere des 26. Inf.-Regiments löblich aus, diese Burschen sind famose Helden wehrlosen Frauen und Kindern gegenüber. * Dierdorf, 28. Nov. Unter diesem Datum wird der Rh.-u. M.-Z. Folgendes mitgetheilt, wonach der an Reinhard begangene Mord mit der Politik gar nichts zu thun hat. Es wird nämlich berichtet: „Der hiesige fürstlich-wiedische Rentmeister Reinhardt, welcher heute Morgen mit einer bedeutenden Summe Geldes (Gold und Kassen-Anweisungen) nach Neuwied ritt, ist nicht weit von hier im Walde von drei Räubern überfallen worden, als er zufällig vom Pferde gestiegen war, um den Sattelgurt fester anzuziehen. Die Räuber haben ihn von hinten gepackt, in's Gebüsch gezogen und ihn dann mit seiner eigenen Pistole, die er bei sich führte, durch 2 Schüsse tödtlich verwundet, worauf sie ihm das Geld und die Uhr abnahmen und ihn liegen ließen. Bald darauf wurde er von einem vorbeifahrenden Wagen aufgenommen und hierhergebracht.“ X Düsseldorf, 30. Novbr. Gestern Abend tagten die frommen Männer des neblichen Wupperthals am Stationsgebäude zu Vohwinkel. Was denken Sie, daß diese himmlischen Kriegsknechte der irdischen Potentaten berathen und beschlossen haben? Nun die Pfaffen haben sich über die Mittel besprochen, wie man die Landwehr begeistern müsse, sich für Gott und König einkleiden zu lassen, um den himmelschreienden Aufruhr der Bösgesinnten schnell zu dämpfen. Wie die fein gebildete k. preuß. Soldateska hier in die Häuser dringt, um den Leuten „Brandenburger“ Bildung beizubringen, werden Sie bereits gehört haben. 062 Düsseldorf, 30. Nov. Die Früchte des Belagerungszustandes sind zur Reife gekommen, sie sind bereits abgefallen. Gestern Abend ist unsere Stadt der Schauplatz der scheußlichsten Exzesse von Seiten des Militärs gewesen. Auf welche Veranlassung? Ohne alle, aus reinen Uebermuth, aus reiner Belagerungszustandsbefugniß. Seitdem „die oberste Gewalt an die Militärbehörde übergegangen“ (Wort des Kommunisten Drigalski) halten seine „Untergebenen“ sich zu allem befugt. Auf ein Gerücht hin, daß ein Bierwierth dem Militär kein Getränk mehr verabreichen wolle, versammelten sich gegen 7 Uhr viele Soldaten in dessen Hause. Keinem Soldaten wurde das Bier verweigert; gleichwohl erschienen gegen 8 Uhr Patrouillen vor dem Hause, sperrten den Gästen den Ausgang und hielten sie ungefähr eine Stunde lang gefangen. Gleichzeitig wurde durch Bewaffnete die Straße abgesperrt und durch dreimaliges Trommelwirbeln eine bevorstehende Decharge angekündigt; es kam zwar nicht zum Gebrauch der Schußwaffe, aber die eingeklemmten, auf der Straße befindlichen Bürger wurden attaquirt und mißhandelt. Andere Patrouillen durchzogen die Straßen, um sich den ärgsten Angriffen auf das Eigenthum und Leben der Bürger zu überlassen. Mit bloßen Mißhandlungen durch Kolbenstöße, Schläge, Fußtritte begnügten sie sich nicht mehr; eine alte 74jährige Frau wurde auf der Schwelle ihrer Hausthüre förmlich mit Kolben todtgeschlagen; ein Mann erhielt zwei Bajonettstiche in Kopf und Hals. Auf der Flingerstraße wurde ein Haus erstürmt, unter dem Vorwande, daß Steinwürfe von dort auf die vorbeiziehende Mannschaft gefallen seien. Die Hausthüre wurde erbrochen und zertrümmert, die Fenster eingeschlagen, das Haus bis auf den Speicher durchsucht, Billardballen, Lampen und sonstige Geräthschaften gestohlen, sämmtliche Hausbewohner und anwesende Gäste (das Erdgeschoß bewohnt ein Bierwirth) mehr oder minder mißhandelt; ein junger Mann, in dem man den Thäter vermuthete, wurde verhaftet, nach der Kaserne geschleppt und auf dem Wege dahin mit Kolbenstößen mißhandelt. Durch den Auditeur vernommen, wurde er in der Nacht gegen 1 Uhr ins Arresthaus geführt, heute durch den Instruktionsrichter vernommen und sofort in Freiheit gesetzt. Ich kann Ihnen im Augenblicke nur dieses Wenige mittheilen; die Polizeiinspektion ist den ganzen Morgen von Leuten belagert, die über Mißhandlungen von Seiten des Militärs Klage zu führen haben. Der Gemeinderath tritt in diesem Augenblicke zusammen, um über einen Antrag hiesiger Bürger, auf Grund der gestrigen Vorfälle sofort die Aufhebung des Belagerungszustandes und die Entfernung des Militärs aus der Stadt zu verlangen, Berathung zu pflegen. Der Berlagerungszustand, dieses „außerordentliche“ Mittel zum Schutz der gesetzlichen Ordnung, des Eigenthums und Lebens der Bürger, wie es das Komplott Spiegel-Drigalski darstellte, hat sich in seiner wahren Gestalt gezeigt. Kroatische Ordnung, Zerstörungswuth und Mordlust! So recht, ihr Herren, nur immer fortgefahren, nur immer weitergegangen, es wird endlich doch seine Wirkung thun! Hr. v. Spiegel wird sich hüten, auf den Antrag des Gemeinderaths, wenn dieser den Muth hat ihn zu stellen, einzugehen. Und das feige Düsseldorfer Parquet? Es hat zu viel mit der Untersuchung Lassalle zu thun und wird sich inkompetent erklären, da es sich von Militärpersonen handelt. 34 Düsseldorf, 30. Novbr. L'ordre règne à Dusseldorf Wir sind überglücklich in unsern Zuständen. Jetzt erlebt man doch wirklich etwas. Früher als die Demokraten noch herrschten, ging alles viel zu ruhig seinen Weg, da wurden keine Thüren und Fenster zertrümmert, da wurden keine nächtlichen Schläfer aus dem Schlafe gerissen und ins Gefängniß geschleppt, da wurde nicht gemordet. Das alles haben wir nun aus der segenbringenden Hand der vielgeliebten Soldaten. Gestern Abend haben sie uns ein wahrhaft infernalisches Amusement bereitet mit obligaten Gewehrkolben und Bajonetten. Noch heute ist die Stadt in der erfreutesten Stimmung, daß endlich das Gesetz à la Brandenburg herrscht. Cur, quomodo, quando. Wann? gestern Abend um 9 Uhr ging die Komödie los. Warum? das weiß eigentlich kein Mensch. Man sagt indeß, daß ein Steinwurf in ein Piket Soldaten geschehen sei und daß ein Wirth sich weigerte, den edlen Kriegern zu kredenzen, was sich übrigens als Unwahrheit herausstellt. Grund genug, um ein Lustspiel aufzuführen! Unsere Bürgerwehr hat auch früher wohl einmal Steinwürfe genossen. Aber sie hat, trotzdem sie bewaffnet war, nicht gleich in die Gassenjungen gestoßen und gestochen. Freilich heldenmüthige Soldaten haben eine andere Aufgabe. Sie haben einer unbewaffneten Stadt gegenüber die Verpflichtung, ihren Muth zu zeigen. Quomodo? Auf der Flingerstraße ist ein Haus an Fenster und Thüren stark demolirt worden, die Ratingerstraße hat es erlebt, daß Leute, die dort wohnen, fortgeschleppt worden sind, um die Nacht umsonst einquartirt zu werden. Sogar Mitglieder der Gesellschaft „Verein“, eine Hochschule der Reaktion, treue konstitutionelle Seelen, wären beinahe um ihr patriotisches Blut gekommen. Und endlich: auf dem Hundsrücken haben die edeln Untergebenen des Communisten Drigalski ein altes Mütterchen von 74 Jahren, das eben von ihren Enkelkindern kam, in einem Hausgange vom Leben zum Tode befördert, und zwar vermittelst eines Kolbenstoßes auf die Brust ganz gelinde, daß es eine halbe Stunde später unter Blutstürzen starb. So wird der gute Dreizehner, der im August hier fiel, doch endlich gerächt von seinen treuen Kameraden, wie sie oft geschworen haben. Aber es ist kein Mann als Sühnopfer gefallen, nein vorläufig nur eine Frau, eine greise Hekuba! Das ist der Humor davon! Wovon? Ei, daß die patriotischen Damen die lieben Vaterlandsvertheidiger besoffen machen und daß die gesinnungstüchtigen Wupperthaler, die jeden Augenblick bei der hiesigen Regierung große Summen zur Hebung der Industrie betteln,

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 158. Köln, 2. Dezember 1848, S. 0837. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz158_1848/1>, abgerufen am 29.03.2024.