Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Neue Rheinische Zeitung. Nr. 136. Köln, 7. November 1848.

Bild:
<< vorherige Seite
letzte Seite

dem Empörer vereinigt, ihn unter seinen Schutz genommen und mit den so verstärkten Kräften des Verräthers sich drohend vor Wien aufgestellt, vor der Hauptstadt jener hochherzigen Nation, mit der uns Ungarn die Einheit des Monarchen, und die gleiche Gefahr des Verlustes unserer gesetzlichen Freiheiten zum treuen Bundesgenossen vereint.

Ja, damit nichts an dem vollen Maße der unerhörtesten Unbillen fehlen möge, kündigen uns Ew. Durchlaucht sich selbst als den Oberbefehlshaber der Armeen Sr. Maj. an, in die Sie auch die hochverrätherischen Streitkräfte des Jelachich aufgenommen haben. Kündigen sich hiemit zum Theilnehmer der Empörung des Baron Jelachich, zum Feinde gegen die Gesetze und den konstitutionellen Thron Ungarns an, und gehen so weit, die Offiziere der ungarischen Armee, die unter Eid zur Treue gegen die Konstitution verpflichtet sind, unter Androhung des Kriegsrechtes zum Uebergange in das Lager des Feindes des Vaterlandes verlocken zu wollen.

Ew. Durchlaucht muß es bekannt sein, daß über die ungarische Armee Se. Maj. nur unter der Gegenzeichnung des ungarischen Kriegsministers gültig verfügen kann, und daß jede anderweitige Verfügung durch das mit königlichem Eide sanktionirte Gesetz in keinem Falle berechtigt, sich welche Macht immer über die ungarische Armee anzumaßen, so daß ein ähnliches Vorhaben eine offen ausgedrückte, von Seite Ungarns durch nichts provocirte Feindseligkeit gegen unser Vaterland in sich schließt.

Diese Feindseligkeit wird noch dadurch erhöht, daß Ew. Durchlaucht die Streitkräfte des fliehenden Empörers unter Ihr Kommando genommen, und sich so zum Führer der Empörung selbst gegen Ungarns konstitutionellen Thron, seine staatliche Existenz und seine Gesetze gemacht.

Es ist demnach im Interesse des Friedens, welchen Ungarn nicht gestört, es ist im Interesse der Dynastie, daß wir - obgleich zur äußersten Nothwehr gewaltig gedrungen - Ew. Durchlaucht im Namen Gottes, seiner ewigen Gerechtigkeit des Völkerrechtes und der Menschenliebe auffordern, von Ihrem unrechtmäßigen Vorhaben abzustehen, die nach Oestreich fliehend eingedrungene Armee des Empörers Jelachich zu entwaffnen, und mit dem abzunehmenden Eide "nie mehr gegen Ungarn zu kämpfen" unschädlich zu machen, und uns binnen 24 Stunden die Versicherung zu geben, gegen Ungarn nichts Feindliches versuchen zu wollen.

Was aber das angedrohte Kriegsrecht betrifft, so ist dies nach so vielen Gewaltthaten des Unrechts ein so schauderhaftes Wort, an dessen Echtheit wir im Glauben an die Menschlichkeit und Civilisation nicht glauben wollen, und geben gleichfalls Ew. Durchlaucht zu bedenken, daß derjenige vor dem unbestechbaren Richterstuhle Gottes und der Weltgeschichte dem Fluche der Menschheit verfallen würde, der im 19. Jahrhundert das Beispiel ähnlicher Barbarei des civilisirten Europa vorführen sollte. Auch müssen wir Ew. Durchlaucht erklären, daß wir im ähnlichen Falle mit tief betrübten Herzen Gleiches mit Gleichem zu vergelten nicht unterlassen können. Mögen hiebei Ew. Durchlaucht bedenken, daß Gott, der Beschützer der Gerechtigkeit, an 10,000 Gefangene in unsere Hände gegeben, darunter mehrere Generäle und Oberoffiziere. Mögen demnach Ew. Durchlaucht das Gewicht Ihres unerwarteten Wortes wohl erwägen, denn all' das Blut, das vergossen würde, fällt vor des ewigen Gottes Richterstuhle auf ihren Kopf herab.

Wir haben hiermit gesagt, was uns zu sagen Pflicht und Ehre gebot, doch erübrigt uns noch die Aufgabe Ew. Durchlaucht aufzufordern, daß Sie im Interesse des Friedens der Monarchie und im Interesse der Pflicht gegen den Thron, an dessen Fortbestand die reaktionäre Hofkamarilla mit so unheiliger Hand rüttelt, die Belagerung Wiens alsogleich aufzuheben, die freie Verbindung dieser hochherzigen Stadt mit Ungarn, deren gewaltsame Hemmung den gegenseitigen Handelsinteressen so nachtheilig ist, wieder herstellen zu lassen, und somit die Hauptstadt der Monarchie nicht zu den äußersten Schritten der Nothwehr zu zwingen, welche für den Fortbestand des Thrones, dessen Erhaltung auch zu unserer Aufgabe gehört, unabsehbare Gefährdung, und über die Monarchie namenloses Unglück herbeiführen müßten.

Wir erbitten uns durch den Parlamentär, den wir zu Ew. Durchlaucht beordernd, hiermit unter den Schutz des Völkerrechts stellen, Ew. Durchlaucht definitive Erwiederung, von der es abhängen wird, ob Ungarn Ew. Durchlaucht als Feind zu betrachten bemüßigt sein wird.

Der Gott der Gerechtigkeit möge Sie in diesem hochwichtigen Augenblicke der Entscheidung lenken.

Gegeben im Hauptquartier der ungarischen Armee zu Pahrendorf am 25. Okt. 1848.

Ludwig Koffuth, Präsident des Landesvertheidigungs-Ausschusses.

Dionys Pazmandy, Präsident der Nationalversammlung.

Lad. Csanyi, Landes-Kommissär.

Italien.

* Der so siegreich begonnene Aufstand im Veltlin und am Comersee soll, wie der Augsburger Allgemeinen unterm 31. Oktbr. aus Chur geschrieben wird, unterdrückt worden sein. 4000 Oestreicher sind nach dieser Gegend beordert worden, und sah man in Cleven dem Einrücken eines Theils dieser Truppen stündlich entgegen. Die Turiner "Concordia" weiß einstweilen nur vom Abmarsche derselben und ihren unterwegs, namentlich gegen Frauen, ausgeübten Grausamkeiten. Die letzteren kamen auch in der Sitzung der Turiner Kammer vom 29. Okt. zur Sprache, in welcher das Ministerium über die Maßregeln, welche es Angesichts des Veltliner Aufstandes zu ergreifen gedenke, von dem Deputirten Valerio energisch interpellirt wurde. Das Ministerium gab zur Antwort, man dürfe nichts übereilen, sondern müsse das Resultat der Unterhandlungen ruhig abwarten. - Inzwischen ist Wien gefallen, und der Rückschlag dieses unheilvollen Ereignisses auf Italien kann nicht ausbleiben. Vor der Hand, fürchten wir, wird er deprimirender Art sein.

In Toskana war Garibaldi den letzten Nachrichten zufolge eifrig beschäftigt, die Truppen zu organisiren. Das zuletzt gebildete Bataillon der Fremdenlegion war von General Laugier vereidet worden.

Zu Rom haben Unruhen im Ghetto stattgefunden. Ein Bürgergardist soll von Juden beleidigt worden sein, was Demonstrationen des Volksunwillens gegen das Judenquartier zur Folge hatte.

Schweiz.
Lugano, Kanton Tessin, 30. Oct., Abends 6 Uhr.

So eben geht die Nachricht ein, daß an der lombardischen Gränze in der Nähe, jedoch jenseits von Chiasso ein Scharmützel zwischen lombardischen Flüchtlingen und östreichischen Truppen stattgefunden, dessen Ausgang man noch nicht kennt. Eidgenössische Truppen sind sogleich in dieses Seitenthal hingeeilt, um, so weit es noch möglich ist, die Neutralitätsverletzung wieder gut zu machen. Die Flüchtlinge sind auf Um- und Nebenwegen an den betreffenden Ort gekommen; verhindern konnten die eidgen. Truppen dieses nicht, weil die Tessiner Regierung statt Hand in Hand mit den Repräsentanten zu gehen, den Maßregeln derselben entgegentritt und stets bemüht ist, die Wirksamkeit derselben zu lähmen. - Uebrigens wäre es bei der Art und Weise, wie die Gränze beschaffen, sehr schwer gewesen, den Uebergang einzelner Flüchtlinge zu hindern. - In Bellinzona hat ein Auflauf stattgefunden, weil der dortige Truppenkommandant die Flüchtlinge kontrolliren wollte; der Syndik beschwichtigte die Bürger und während der Zeit machten sich die Flüchtlinge davon. - Aus Italien nichts Neues, als daß wieder neuerdings Oestreicher in Como eingerückt sind. Immer heißt es hier, jetzt wird es wieder in Italien losgehen; allein man vernimmt nicht, daß etwas geschehen sei, mit Ausnahme einzelner kleiner Scharmützel zwischen Bauern und Soldaten in den Seitenthälern, die der Sache selbst mehr schaden als nützen.

(Z. Z.)
Bern, 1. Nov.

Die am 30. October in Freiburg eröffnete Konferenz von Regierungsabgeordneten des Bisthums Lausanne und Genf ist von Genf nicht beschickt worden. Bern ist vertreten durch Stockmar und Imobersteg, Neuenburg durch Steck und Piaget, Waadt durch Drüey und Freiburg durch Schaller und Pittet.

Großbritannien.
* London, 4. November.

Wie ich Ihnen neulich schon mittheilte, steht seit dem Tode Lord George Bentincks eine Vereinigung der Partei der alten Conservativen und der Anhänger Peel's in Aussicht. Große Schwierigkeiten zeigen sich indnß noch immer, denn die Repräsentanten der Land-Interessen können sich noch nicht mit dem Gedanken befreunden, den abtrünnigen Sir Robert auf's Neue an ihrer Spitze zu sehen, und ein anderer Partei-Führer ist bis zu diesem Augenblicke noch nicht gefunden. -

Der Morning Advertiser giebt heute eine Aufstellung der auf Grund des neuen Armen-Gesetzes vom Jahre 1834, unterstützten Personen wonach sich herausstellt, daß im Jahre 1842: 1,299,048 Personen unterstützt wurden, und daß sich diese Anzahl bis zum Jahre 1846/47 bis auf 1,721,350 Personen vergrößerte. Die Zahl der Verbrechen stieg ungefähr in demselben Maße. -

Die Nachrichten aus den Manufakturdistrikten und namentlich aus Manchester lauten mit jedem Tage günstiger. Die Forderungen der Spinner wurden flotter bewilligt und in manchen Fällen hatte eine Preißerhöhung statt. Der Aufschwung des Eisenbahn-Geschäfts scheint der Hauptgrund dieser Besserung zu sein.

Die Bank von England hat ihren Disconto bis auf 3 % ermäßigt und fast durchgängig ist man der Ansicht, daß binnen Kurzem eine weitere Ermäßigung von 1/2 % statt haben wird. Bekanntlich stand der Disconto im Herbst 1845 auf 2 1/2 %. Gute Wechsel wurden schon seit mehreren Tagen zu diesem Satze in der City angenommen.

Zur Statistik der Verhandlungen des Unterhauses erhalten wir einige Beiträge durch die nach der Motion des Hrn. Brotherton gedruckten Returns über diesen Gegenstand. Danach betrug die Zahl der Stunden, welche das Unterhaus in der Session von 1847/48 saß: 1,407 1/2 ; Zahl der Stunden nach Mitternacht 134 [unleserliches Material]. Zahl der Eintragungen bei den Voten der verschiedenen Tage: 10,412. Zahl der Tage, während denen das Haus saß: 170; die Durchschnitts-Zeit per Tag: 8 Stunden 16 3/4 Minuten. Die Zahl der Abstimmungen war: 255; von diesen waren 190 vor Mitternacht; 42 nach Mitternacht.

Französische Republik.
Paris, 3. Nov.

Felix Pyat's Rede in der gestrigen Nationalversammlung über das Recht auf Arbeit ruft ein allgemeines Zetergeschrei in der konservativen Presse hervor. "Man sprach Euch neulich", begann Pyat auf der Bühne, "von zwei Prätendenten auf die Präsidentschaft der Republik. Ich erscheine vor Euch, um Euch von einem Dritten zu sprechen - der Arbeit." Man kann sich denken, welcher Sturm dieser Anfang in unserer Bourgeoiskammer hervorrief. "Es gibt Reiche und Arme", sagte er weiter, "der Reichthum gehört dem Volke, möge er zum Volke zurückkehren." An einer andern Stelle "....Wir (Proletarier) wollen weder Pariser Brodzettel, noch Buzancais'sche Guillotinenzettel.... Die Februarrevolution zog auf Frankreich einen Wechsel, der unbezahlt blieb und den das Volk vier Monate nach der Ausstellung (im Juni) selbst protestirte."

Grandin, Dufaure, Corbon und Andre wetteiferten mit einander auf der Bühne, um diesen Aufruf an die "wilden Leidenschaften" zu bekämpfen. Die "Debats" erklären geradezu, das Junifeuer glühe noch unter der Asche - dasselbe sei mal eteint - es müsse besser ausgelöscht werden. Der "Constitutionnel erklärt Pyat für einen sozialistischen Schwärmer oder vielmehr für einen schwärmerischen Sozialisten, der den Teufel wisse was Association heiße, der die Keckheit habe, den "Meuchelmord" zu rechtfertigen u. s. w.

Das Geheul der übrigen Blätter hat keine Bedeutung.

- Wir hören diesen Vormittag, daß Cavaignac in Unterhandlung stehe, das bisherige ultrareaktionäre philippistische Blatt unter La Balette, "Assemblee Nationale", an sich zu kaufen, um seine sehr stark gefährdete Präsidentenkandidatur zu unterstützen.

- Gestern wurden am Quai St. Bernard abermals 800 Kleinbürger nach Algerien eingeschifft - wir sagen Kleinbürger, weil wir unter allen Emigranten nicht eine einzige Blouse bemerkten. Alle waren zu unserm Erstaunen in fast eleganten Anzügen, sowohl Männer als Frauen.

- Zu Oraison (Niederalpen) haben sehr bedenkliche Unruhen wegen der 45-Centimensteuer stattgefunden. Der Einmischung des Präfekten und einer Abtheilung des 22. leichten Infanterieregiments gelang es doch, die Volkswuth zu beschwichtigen, die sich unter dem Geschrei "Nieder mit den Tyrannen!" Luft zu machen drohte. Aus einigen anderen Orten der Republik laufen ähnliche Berichte über neue Ruhestörungen ein.

- Seit vorgestern haben wir hier eine Art demokratischen Journalisten-Kongreß. In seiner ersten Sitzung beschloß er folgende Fragen zur Berathung in den nächsten Sitzungen zu bringen: 1) Gegenseitige politische Association aller Journale republikanischer Farbe sowohl in den Departements als in Paris. 2) Gründung einer politischen Korrespondenz auf die Grundlagen der Gegenseitigkeit hin. 3) Gründung einer Unterstützungskasse für arbeitsunfähig gewordene republikanische Journalisten. 4) Gründung einer allgemeinen Demokratenkasse. 5) Oertliches und Speciales etc.

- An der Barriere Dumaine speisten gestern 800 Bürger, um sich gemeinschaftlich über die Miethsfragen und andere delikate Dinge zu besprechen. Der Entrüstung des Journal des Debats nach zu urtheilen, hatte dieses Bürgerbankett einen entschieden sozialistisch kommunistischen Charakter. Man arbeitet daran, das Kleinbürgerthum vor seinem Sturze in das Proletariat mit dem Arbeitervolk auszusöhnen.

- Gestern wurde ein Unteroffizier in Vincennes erschossen, weil er (sich mit Unrecht bestraft fühlend) einen Offizier seiner Kompagnie am 19. Aug. erschossen hatte, der ihn zur Strafe zog, mit einem Gemeinen während des Wachtdienstes ein Glas Bier getrunken zu haben etc. Die Details dieses kriegsgerichtlichen Verfahrens sind abscheulich.

- Der Moniteur bringt heute wieder einen sehr niederschlagenden Bankbericht bis zum 2. Novbr. Morgens. Der Pariser Wechselverkehr fiel auf 61 Mill. Fr.; in den Sukkursalen trat dagegen eine unwesentliche Besserung ein. Die rückständigen Wechsel übersteigen immer noch die Höhe von 22 Mill. und der Baarvorrath (d. h. die Geschäftsstockung) ist in Paris von 128 Mill. auf 131,404,797 Fr. 28 Cent. und in den Sukkursalen auf 102 1/2 Millionen gestiegen! Der Staat ist noch mit der Bagtaelle von 1,755,365 Fr. gutgeschrieben. Die Börse eröffnete auf diesen Bericht hin sehr matt.

National-Versammlung. Sitzung vom 13. November. Vor Sitzungsanfang allerlei Gerüchte, z. B. Wien sei bis zum Glacis von den Windisch-Grätzschen Truppen erstürmt worden; das innere Wien könne unmöglich mehr lange widerstehen, die ungarische Armee sei verschwunden u. s. w. u. s. w. Ferner hieß es, daß sich gestern während der Pyatschen Rede folgender Vorfall ereignet habe. Leon Faucher, der berühmte Freihändler, tritt während des Pyatschen Vortrags in den Saal und ruft auf seinem Platze in der Nähe Ledru-Rollins aus: "Nun bleibt nichts als Barrikaden mehr übrig!" Hierauf soll Ledru-Rollin ihm sarkastisch geantwortet haben, daß er (Faucher) sicher zu feig wäre, um gegen sie zu marschiren, worauf Faucher heftig gerufen habe: "Sie sind unverschämt!" Faucher, in der Erwartung auf Pistolen gefordert zu werden, habe Leonv. Malleville und General Changarnier, ein Paar baumlange Kerle, zu Sekundanten geladen, bis heute Mittag aber vergebens auf das Kartel gewartet.

Unter diesen und ähnlichen Gesprächen in den Zugängen eröffnete Marrast um 1 Uhr die Sitzung.

Das Protokoll wird vorgelesen.

Martin Rey erklärt ziemlich plump, daß er zu den 86 Gliedern gehöre, die für das Recht auf Arbeit gestern gestimmt haben. Es würden gewiß viel mehr Glieder dafür gestimmt haben, allein die Pyatsche Redeform habe viele verletzt; darum hätten viele gegen ihre innere Ueberzeugung oder gegen ihr Gewissen gestimmt.

Marrast (böse): Aber ich gab Ihnen das Wort zu einer Protokollberichtigung und Sie erlauben sich zu sagen, daß viele Glieder gegen ihre innere Ueberzeugung gestimmt hätten. Das ist nicht erlaubt. (Zur Tagesordnung!)

An der Tagesordnung ist Artikel 28 der Verfassungsrevision, der von den Unzulässigkeiten zur Deputirtenwürde handelt und zu dem General Bedeau den Antrag stellte:

"Alle bezahlten und absetzbaren Beamten sind nicht zu Deputirten zu wählen; die unabsetzbaren oder lebenslänglichen sollen dagegen in Kadres getheilt und während ihres Mandats in Disponibilität gestellt werden."

Lherbette bekämpft den Antrag; Payer unterstützt denselben; Guichard desgleichen.

Dennoch wird der Antrag verworfen.

Ambert, ebenfalls ein alter Soldat wie Bedeau stellt den neuen Antrag:

"die Inkompatibilität sei weder auf die Landnach See-Armee anzuwenden."

Diese Herren möchten eine Soldatenkammer errichten. Ambert entwickelt seinen Zusatz; der alte Deville bekämpft ihn; Larabit, ebenfalls Oberst, will die Motive zu den organischen Gesetzen verschoben wissen. Damit dringt er durch und Artikel 28 ist erledigt.

Artikel 29, 30, 31, 32, 33, 34, 35, 36, 37, 38, 39, 40, 41, 42 und 43 werden rasch votirt. Dagegen bricht bei Artikel 34 der Sturm los.

Artikel 44 handelt bekanntlich vom Präsidenten der Republik. Thouret stellt den Antrag: "Kein Glied der Familien, die über Frankreich regirten, kann Präsident werden."

Dufauor, Minister des Innern, bekämpft im Namen des Amts den Antrag und derselbe wird verworfen.

Louis Napoleon ist somit nicht ausgeschlossen.

Cavaignac nimmt nach Dufaure das Wort und erklärt, daß er ganz mit der Verfassungskommission übereinstimmen, und auf Verwerfung des Thouretschen Amendements antrage.

Mit Verwerfung des Thouret'schen Antrages auf Ausschluß aller Präsidentschafts-Kandidaten aus Familien, die jemals über Frankreich regiert hätten (offenbar nur gegen Louis Bonaparte gerichtet) verlor die Debatte ihren anziehenden Charakter.

Die Art. 45, 46 und 47 werden rasch erledigt. Zu Art. 47 wird der neue Eid geschoben, den der Präsident der Republik im Angesichte der Nationalversammlung zu leisten haben wird.

Von Art. 48 bis 68 findet fast gar kein Widerspruch statt.

Art. 68 stellt die Verantwortlichkeit des Präsidenten und seiner Minister fest. Er wird indessen ohne Weiteres der Aenderung der Verfassungs-Commission gemäß angenommen.

Bis Artikel 91 durchaus nichts Erhebliches. Aber dieser Artikel und die nächstfolgenden (von der richterlichen Gewalt handelnd) setzen einen Haute-Cour, eine Art Pairshof, ein neues Justizgespenst, zur Richtung der gegen die hohe Versammlung selbst gerichteten Verbrechen ein.

Mehrere Redner vom Berge protestiren im Interesse der Maigefangenen vergebens gegen dieses moderne Gespenst. Jedoch vergebens.

Pascal (aus Dax) trägt darauf an, dieses Gespenst doch erst für die Hochverrathsverbrechen nach Promulgirung der neuen Verfassung wirken zu lassen.

Vergebens! Der Antrag wird verworfen und Barbes, Raspail und Comp von diesem Gespenst gerichtet.

Schluß der Sitzung mit Art. 91 um 6 Uhr.

Paris, 4. Nov.

Die Wahlpropaganda für den Präsidenten der Republik beschäftigt alle Gemüther. In den Ministerien herrscht eine Rührigkeit, wie wir sie seit dem Februar nicht wieder sahen. Im Kabinet Cavaignac's werden ganze Dutzende von ambulanten Zeitungsschreibern geworben, um sie in die Provinzen zu schicken, wo sie für fette Taggelder Cavaignac'sche Stimmen werben sollen.

- Dufaure, Minister des Innern, erläßt im Moniteur ein "Rundschreiben an sämmtliche Präfekten", aus dem wir folgende Stelle entnehmen:

"Herr Präfet!...... Ich mache Sie auf einen Feind aufmerksam, den Sie eifrigst bekämpfen müssen: nämlich die Theilnahmlosigkeit der Wähler. Sie werden Denjenigen, welche ein fataler Indifferentismus von der Urne fern hält, zu verstehen geben, daß sie sich eines Vergehens schuldig machen gegen sich selbst und ihr Vaterland.

In einem Augenblicke, wo eine schlechte Wahl (Louis Bonaparte, Ledru-Rollin oder Raispail?) Alles in Frage stellen kann, was die Nationalversammlung seit 6 Monaten im Interesse der Ordnung geschaffen; die ganze gesellschaftliche Ordnung ohne Vertheidigung so furchtbaren Stürmen von Neuem aussetzen kann, wie die des Monats Juni: in einem solchen Augenblick wäre die Achtlosigkeit und Theilnahmlosigkeit Derer, die ein Recht zum Votiren haben, schwer zu begreifen und sie würden eine schreckliche Verantlichkeit auf sich laden: Dieses haben Sie ihnen begreiflich zu machen u. s. w."

Paris, 2. November 1347.

Der Minister des Innern, (gez.) J. Dufaure.

- Zur Beruhigung der Börsen- und Handelswelt bringt heute der Moniteur einen zwei Spalten langen Bericht über die Arbeitsverhältnisse in den Departements. Dieser Bericht enthält nichts als allgemeine Phrasen, keine bestimmten Fakta's. Er hat im Auge des Statistikers gar keinen Werth. Am Schlusse heißt es: "Kein Zweifel, daß wenn Frankreich aus der Krisis getreten sein wird, die seit lange unter dem falschen Schein des Wohlstandes gährte und welche die Republik nicht schuf, sondern nur zum Ausbruch brachte, dann wird der Nationalhandel, durch diese harte Probe geläutert, sich fester und glänzender als je erheben."

- Folgendes sind die authentischen Worte, in denen Cavaignac gestern die Nationalversammlung bat, den Thouretschen Antrag auf Ausschluß Louis Bonaparte's von der Präsidentenwahl zu verwerfen. Nachdem er erklärt, daß er vor acht Monaten diesen Ausschuß gebilligt haben würde, schließt er: "Seit vier Monaten, wo mir die Nationalversammlung die Leitung der Regierungsgeschäfte anvertraute, fühlte ich bei jeder Gelegenheit das Bedürfniß, genau zu erforschen, welches eigentlich die Meinung des Landes sei, zu wissen, wohin es eigentlich sein Vertrauen setze? Wohlan, dieses Bedürfniß, dieser Wunsch ist jetzt zum brennenden Durste geworden. Ja, ich dürste danach, zu wissen, in wen die

Durch unvorhergesehene Umstände konnte die erste Expedition der "Neuen Rheinischen Zeitung" heute nicht vor 4 Uhr Nachmittags geschehen. Wir bitten unsere Leser daher um Entschuldigung, wenn heute durch unsere Schuld die Zeitung etwas später eintrifft.

Die Expedition der "N. Rh. Ztg."

(Hierzu eine Beilage.)

dem Empörer vereinigt, ihn unter seinen Schutz genommen und mit den so verstärkten Kräften des Verräthers sich drohend vor Wien aufgestellt, vor der Hauptstadt jener hochherzigen Nation, mit der uns Ungarn die Einheit des Monarchen, und die gleiche Gefahr des Verlustes unserer gesetzlichen Freiheiten zum treuen Bundesgenossen vereint.

Ja, damit nichts an dem vollen Maße der unerhörtesten Unbillen fehlen möge, kündigen uns Ew. Durchlaucht sich selbst als den Oberbefehlshaber der Armeen Sr. Maj. an, in die Sie auch die hochverrätherischen Streitkräfte des Jelachich aufgenommen haben. Kündigen sich hiemit zum Theilnehmer der Empörung des Baron Jelachich, zum Feinde gegen die Gesetze und den konstitutionellen Thron Ungarns an, und gehen so weit, die Offiziere der ungarischen Armee, die unter Eid zur Treue gegen die Konstitution verpflichtet sind, unter Androhung des Kriegsrechtes zum Uebergange in das Lager des Feindes des Vaterlandes verlocken zu wollen.

Ew. Durchlaucht muß es bekannt sein, daß über die ungarische Armee Se. Maj. nur unter der Gegenzeichnung des ungarischen Kriegsministers gültig verfügen kann, und daß jede anderweitige Verfügung durch das mit königlichem Eide sanktionirte Gesetz in keinem Falle berechtigt, sich welche Macht immer über die ungarische Armee anzumaßen, so daß ein ähnliches Vorhaben eine offen ausgedrückte, von Seite Ungarns durch nichts provocirte Feindseligkeit gegen unser Vaterland in sich schließt.

Diese Feindseligkeit wird noch dadurch erhöht, daß Ew. Durchlaucht die Streitkräfte des fliehenden Empörers unter Ihr Kommando genommen, und sich so zum Führer der Empörung selbst gegen Ungarns konstitutionellen Thron, seine staatliche Existenz und seine Gesetze gemacht.

Es ist demnach im Interesse des Friedens, welchen Ungarn nicht gestört, es ist im Interesse der Dynastie, daß wir ‒ obgleich zur äußersten Nothwehr gewaltig gedrungen ‒ Ew. Durchlaucht im Namen Gottes, seiner ewigen Gerechtigkeit des Völkerrechtes und der Menschenliebe auffordern, von Ihrem unrechtmäßigen Vorhaben abzustehen, die nach Oestreich fliehend eingedrungene Armee des Empörers Jelachich zu entwaffnen, und mit dem abzunehmenden Eide „nie mehr gegen Ungarn zu kämpfen“ unschädlich zu machen, und uns binnen 24 Stunden die Versicherung zu geben, gegen Ungarn nichts Feindliches versuchen zu wollen.

Was aber das angedrohte Kriegsrecht betrifft, so ist dies nach so vielen Gewaltthaten des Unrechts ein so schauderhaftes Wort, an dessen Echtheit wir im Glauben an die Menschlichkeit und Civilisation nicht glauben wollen, und geben gleichfalls Ew. Durchlaucht zu bedenken, daß derjenige vor dem unbestechbaren Richterstuhle Gottes und der Weltgeschichte dem Fluche der Menschheit verfallen würde, der im 19. Jahrhundert das Beispiel ähnlicher Barbarei des civilisirten Europa vorführen sollte. Auch müssen wir Ew. Durchlaucht erklären, daß wir im ähnlichen Falle mit tief betrübten Herzen Gleiches mit Gleichem zu vergelten nicht unterlassen können. Mögen hiebei Ew. Durchlaucht bedenken, daß Gott, der Beschützer der Gerechtigkeit, an 10,000 Gefangene in unsere Hände gegeben, darunter mehrere Generäle und Oberoffiziere. Mögen demnach Ew. Durchlaucht das Gewicht Ihres unerwarteten Wortes wohl erwägen, denn all' das Blut, das vergossen würde, fällt vor des ewigen Gottes Richterstuhle auf ihren Kopf herab.

Wir haben hiermit gesagt, was uns zu sagen Pflicht und Ehre gebot, doch erübrigt uns noch die Aufgabe Ew. Durchlaucht aufzufordern, daß Sie im Interesse des Friedens der Monarchie und im Interesse der Pflicht gegen den Thron, an dessen Fortbestand die reaktionäre Hofkamarilla mit so unheiliger Hand rüttelt, die Belagerung Wiens alsogleich aufzuheben, die freie Verbindung dieser hochherzigen Stadt mit Ungarn, deren gewaltsame Hemmung den gegenseitigen Handelsinteressen so nachtheilig ist, wieder herstellen zu lassen, und somit die Hauptstadt der Monarchie nicht zu den äußersten Schritten der Nothwehr zu zwingen, welche für den Fortbestand des Thrones, dessen Erhaltung auch zu unserer Aufgabe gehört, unabsehbare Gefährdung, und über die Monarchie namenloses Unglück herbeiführen müßten.

Wir erbitten uns durch den Parlamentär, den wir zu Ew. Durchlaucht beordernd, hiermit unter den Schutz des Völkerrechts stellen, Ew. Durchlaucht definitive Erwiederung, von der es abhängen wird, ob Ungarn Ew. Durchlaucht als Feind zu betrachten bemüßigt sein wird.

Der Gott der Gerechtigkeit möge Sie in diesem hochwichtigen Augenblicke der Entscheidung lenken.

Gegeben im Hauptquartier der ungarischen Armee zu Pahrendorf am 25. Okt. 1848.

Ludwig Koffuth, Präsident des Landesvertheidigungs-Ausschusses.

Dionys Pazmandy, Präsident der Nationalversammlung.

Lad. Csanyi, Landes-Kommissär.

Italien.

* Der so siegreich begonnene Aufstand im Veltlin und am Comersee soll, wie der Augsburger Allgemeinen unterm 31. Oktbr. aus Chur geschrieben wird, unterdrückt worden sein. 4000 Oestreicher sind nach dieser Gegend beordert worden, und sah man in Cleven dem Einrücken eines Theils dieser Truppen stündlich entgegen. Die Turiner „Concordia“ weiß einstweilen nur vom Abmarsche derselben und ihren unterwegs, namentlich gegen Frauen, ausgeübten Grausamkeiten. Die letzteren kamen auch in der Sitzung der Turiner Kammer vom 29. Okt. zur Sprache, in welcher das Ministerium über die Maßregeln, welche es Angesichts des Veltliner Aufstandes zu ergreifen gedenke, von dem Deputirten Valerio energisch interpellirt wurde. Das Ministerium gab zur Antwort, man dürfe nichts übereilen, sondern müsse das Resultat der Unterhandlungen ruhig abwarten. ‒ Inzwischen ist Wien gefallen, und der Rückschlag dieses unheilvollen Ereignisses auf Italien kann nicht ausbleiben. Vor der Hand, fürchten wir, wird er deprimirender Art sein.

In Toskana war Garibaldi den letzten Nachrichten zufolge eifrig beschäftigt, die Truppen zu organisiren. Das zuletzt gebildete Bataillon der Fremdenlegion war von General Laugier vereidet worden.

Zu Rom haben Unruhen im Ghetto stattgefunden. Ein Bürgergardist soll von Juden beleidigt worden sein, was Demonstrationen des Volksunwillens gegen das Judenquartier zur Folge hatte.

Schweiz.
Lugano, Kanton Tessin, 30. Oct., Abends 6 Uhr.

So eben geht die Nachricht ein, daß an der lombardischen Gränze in der Nähe, jedoch jenseits von Chiasso ein Scharmützel zwischen lombardischen Flüchtlingen und östreichischen Truppen stattgefunden, dessen Ausgang man noch nicht kennt. Eidgenössische Truppen sind sogleich in dieses Seitenthal hingeeilt, um, so weit es noch möglich ist, die Neutralitätsverletzung wieder gut zu machen. Die Flüchtlinge sind auf Um- und Nebenwegen an den betreffenden Ort gekommen; verhindern konnten die eidgen. Truppen dieses nicht, weil die Tessiner Regierung statt Hand in Hand mit den Repräsentanten zu gehen, den Maßregeln derselben entgegentritt und stets bemüht ist, die Wirksamkeit derselben zu lähmen. ‒ Uebrigens wäre es bei der Art und Weise, wie die Gränze beschaffen, sehr schwer gewesen, den Uebergang einzelner Flüchtlinge zu hindern. ‒ In Bellinzona hat ein Auflauf stattgefunden, weil der dortige Truppenkommandant die Flüchtlinge kontrolliren wollte; der Syndik beschwichtigte die Bürger und während der Zeit machten sich die Flüchtlinge davon. ‒ Aus Italien nichts Neues, als daß wieder neuerdings Oestreicher in Como eingerückt sind. Immer heißt es hier, jetzt wird es wieder in Italien losgehen; allein man vernimmt nicht, daß etwas geschehen sei, mit Ausnahme einzelner kleiner Scharmützel zwischen Bauern und Soldaten in den Seitenthälern, die der Sache selbst mehr schaden als nützen.

(Z. Z.)
Bern, 1. Nov.

Die am 30. October in Freiburg eröffnete Konferenz von Regierungsabgeordneten des Bisthums Lausanne und Genf ist von Genf nicht beschickt worden. Bern ist vertreten durch Stockmar und Imobersteg, Neuenburg durch Steck und Piaget, Waadt durch Drüey und Freiburg durch Schaller und Pittet.

Großbritannien.
* London, 4. November.

Wie ich Ihnen neulich schon mittheilte, steht seit dem Tode Lord George Bentincks eine Vereinigung der Partei der alten Conservativen und der Anhänger Peel's in Aussicht. Große Schwierigkeiten zeigen sich indnß noch immer, denn die Repräsentanten der Land-Interessen können sich noch nicht mit dem Gedanken befreunden, den abtrünnigen Sir Robert auf's Neue an ihrer Spitze zu sehen, und ein anderer Partei-Führer ist bis zu diesem Augenblicke noch nicht gefunden. ‒

Der Morning Advertiser giebt heute eine Aufstellung der auf Grund des neuen Armen-Gesetzes vom Jahre 1834, unterstützten Personen wonach sich herausstellt, daß im Jahre 1842: 1,299,048 Personen unterstützt wurden, und daß sich diese Anzahl bis zum Jahre 1846/47 bis auf 1,721,350 Personen vergrößerte. Die Zahl der Verbrechen stieg ungefähr in demselben Maße. ‒

Die Nachrichten aus den Manufakturdistrikten und namentlich aus Manchester lauten mit jedem Tage günstiger. Die Forderungen der Spinner wurden flotter bewilligt und in manchen Fällen hatte eine Preißerhöhung statt. Der Aufschwung des Eisenbahn-Geschäfts scheint der Hauptgrund dieser Besserung zu sein.

Die Bank von England hat ihren Disconto bis auf 3 % ermäßigt und fast durchgängig ist man der Ansicht, daß binnen Kurzem eine weitere Ermäßigung von 1/2 % statt haben wird. Bekanntlich stand der Disconto im Herbst 1845 auf 2 1/2 %. Gute Wechsel wurden schon seit mehreren Tagen zu diesem Satze in der City angenommen.

Zur Statistik der Verhandlungen des Unterhauses erhalten wir einige Beiträge durch die nach der Motion des Hrn. Brotherton gedruckten Returns über diesen Gegenstand. Danach betrug die Zahl der Stunden, welche das Unterhaus in der Session von 1847/48 saß: 1,407 1/2 ; Zahl der Stunden nach Mitternacht 134 [unleserliches Material]. Zahl der Eintragungen bei den Voten der verschiedenen Tage: 10,412. Zahl der Tage, während denen das Haus saß: 170; die Durchschnitts-Zeit per Tag: 8 Stunden 16 3/4 Minuten. Die Zahl der Abstimmungen war: 255; von diesen waren 190 vor Mitternacht; 42 nach Mitternacht.

Französische Republik.
Paris, 3. Nov.

Felix Pyat's Rede in der gestrigen Nationalversammlung über das Recht auf Arbeit ruft ein allgemeines Zetergeschrei in der konservativen Presse hervor. „Man sprach Euch neulich“, begann Pyat auf der Bühne, „von zwei Prätendenten auf die Präsidentschaft der Republik. Ich erscheine vor Euch, um Euch von einem Dritten zu sprechen ‒ der Arbeit.“ Man kann sich denken, welcher Sturm dieser Anfang in unserer Bourgeoiskammer hervorrief. „Es gibt Reiche und Arme“, sagte er weiter, „der Reichthum gehört dem Volke, möge er zum Volke zurückkehren.“ An einer andern Stelle „‥‥Wir (Proletarier) wollen weder Pariser Brodzettel, noch Buzancais'sche Guillotinenzettel‥‥ Die Februarrevolution zog auf Frankreich einen Wechsel, der unbezahlt blieb und den das Volk vier Monate nach der Ausstellung (im Juni) selbst protestirte.“

Grandin, Dufaure, Corbon und André wetteiferten mit einander auf der Bühne, um diesen Aufruf an die „wilden Leidenschaften“ zu bekämpfen. Die „Debats“ erklären geradezu, das Junifeuer glühe noch unter der Asche ‒ dasselbe sei mal éteint ‒ es müsse besser ausgelöscht werden. Der „Constitutionnel erklärt Pyat für einen sozialistischen Schwärmer oder vielmehr für einen schwärmerischen Sozialisten, der den Teufel wisse was Association heiße, der die Keckheit habe, den „Meuchelmord“ zu rechtfertigen u. s. w.

Das Geheul der übrigen Blätter hat keine Bedeutung.

‒ Wir hören diesen Vormittag, daß Cavaignac in Unterhandlung stehe, das bisherige ultrareaktionäre philippistische Blatt unter La Balette, „Assemblee Nationale“, an sich zu kaufen, um seine sehr stark gefährdete Präsidentenkandidatur zu unterstützen.

‒ Gestern wurden am Quai St. Bernard abermals 800 Kleinbürger nach Algerien eingeschifft ‒ wir sagen Kleinbürger, weil wir unter allen Emigranten nicht eine einzige Blouse bemerkten. Alle waren zu unserm Erstaunen in fast eleganten Anzügen, sowohl Männer als Frauen.

‒ Zu Oraison (Niederalpen) haben sehr bedenkliche Unruhen wegen der 45-Centimensteuer stattgefunden. Der Einmischung des Präfekten und einer Abtheilung des 22. leichten Infanterieregiments gelang es doch, die Volkswuth zu beschwichtigen, die sich unter dem Geschrei „Nieder mit den Tyrannen!“ Luft zu machen drohte. Aus einigen anderen Orten der Republik laufen ähnliche Berichte über neue Ruhestörungen ein.

‒ Seit vorgestern haben wir hier eine Art demokratischen Journalisten-Kongreß. In seiner ersten Sitzung beschloß er folgende Fragen zur Berathung in den nächsten Sitzungen zu bringen: 1) Gegenseitige politische Association aller Journale republikanischer Farbe sowohl in den Departements als in Paris. 2) Gründung einer politischen Korrespondenz auf die Grundlagen der Gegenseitigkeit hin. 3) Gründung einer Unterstützungskasse für arbeitsunfähig gewordene republikanische Journalisten. 4) Gründung einer allgemeinen Demokratenkasse. 5) Oertliches und Speciales etc.

‒ An der Barriere Dumaine speisten gestern 800 Bürger, um sich gemeinschaftlich über die Miethsfragen und andere delikate Dinge zu besprechen. Der Entrüstung des Journal des Debats nach zu urtheilen, hatte dieses Bürgerbankett einen entschieden sozialistisch kommunistischen Charakter. Man arbeitet daran, das Kleinbürgerthum vor seinem Sturze in das Proletariat mit dem Arbeitervolk auszusöhnen.

‒ Gestern wurde ein Unteroffizier in Vincennes erschossen, weil er (sich mit Unrecht bestraft fühlend) einen Offizier seiner Kompagnie am 19. Aug. erschossen hatte, der ihn zur Strafe zog, mit einem Gemeinen während des Wachtdienstes ein Glas Bier getrunken zu haben etc. Die Details dieses kriegsgerichtlichen Verfahrens sind abscheulich.

‒ Der Moniteur bringt heute wieder einen sehr niederschlagenden Bankbericht bis zum 2. Novbr. Morgens. Der Pariser Wechselverkehr fiel auf 61 Mill. Fr.; in den Sukkursalen trat dagegen eine unwesentliche Besserung ein. Die rückständigen Wechsel übersteigen immer noch die Höhe von 22 Mill. und der Baarvorrath (d. h. die Geschäftsstockung) ist in Paris von 128 Mill. auf 131,404,797 Fr. 28 Cent. und in den Sukkursalen auf 102 1/2 Millionen gestiegen! Der Staat ist noch mit der Bagtaelle von 1,755,365 Fr. gutgeschrieben. Die Börse eröffnete auf diesen Bericht hin sehr matt.

National-Versammlung. Sitzung vom 13. November. Vor Sitzungsanfang allerlei Gerüchte, z. B. Wien sei bis zum Glacis von den Windisch-Grätzschen Truppen erstürmt worden; das innere Wien könne unmöglich mehr lange widerstehen, die ungarische Armee sei verschwunden u. s. w. u. s. w. Ferner hieß es, daß sich gestern während der Pyatschen Rede folgender Vorfall ereignet habe. Leon Faucher, der berühmte Freihändler, tritt während des Pyatschen Vortrags in den Saal und ruft auf seinem Platze in der Nähe Ledru-Rollins aus: „Nun bleibt nichts als Barrikaden mehr übrig!“ Hierauf soll Ledru-Rollin ihm sarkastisch geantwortet haben, daß er (Faucher) sicher zu feig wäre, um gegen sie zu marschiren, worauf Faucher heftig gerufen habe: „Sie sind unverschämt!“ Faucher, in der Erwartung auf Pistolen gefordert zu werden, habe Leonv. Malleville und General Changarnier, ein Paar baumlange Kerle, zu Sekundanten geladen, bis heute Mittag aber vergebens auf das Kartel gewartet.

Unter diesen und ähnlichen Gesprächen in den Zugängen eröffnete Marrast um 1 Uhr die Sitzung.

Das Protokoll wird vorgelesen.

Martin Rey erklärt ziemlich plump, daß er zu den 86 Gliedern gehöre, die für das Recht auf Arbeit gestern gestimmt haben. Es würden gewiß viel mehr Glieder dafür gestimmt haben, allein die Pyatsche Redeform habe viele verletzt; darum hätten viele gegen ihre innere Ueberzeugung oder gegen ihr Gewissen gestimmt.

Marrast (böse): Aber ich gab Ihnen das Wort zu einer Protokollberichtigung und Sie erlauben sich zu sagen, daß viele Glieder gegen ihre innere Ueberzeugung gestimmt hätten. Das ist nicht erlaubt. (Zur Tagesordnung!)

An der Tagesordnung ist Artikel 28 der Verfassungsrevision, der von den Unzulässigkeiten zur Deputirtenwürde handelt und zu dem General Bedeau den Antrag stellte:

„Alle bezahlten und absetzbaren Beamten sind nicht zu Deputirten zu wählen; die unabsetzbaren oder lebenslänglichen sollen dagegen in Kadres getheilt und während ihres Mandats in Disponibilität gestellt werden.“

Lherbette bekämpft den Antrag; Payer unterstützt denselben; Guichard desgleichen.

Dennoch wird der Antrag verworfen.

Ambert, ebenfalls ein alter Soldat wie Bedeau stellt den neuen Antrag:

„die Inkompatibilität sei weder auf die Landnach See-Armee anzuwenden.“

Diese Herren möchten eine Soldatenkammer errichten. Ambert entwickelt seinen Zusatz; der alte Deville bekämpft ihn; Larabit, ebenfalls Oberst, will die Motive zu den organischen Gesetzen verschoben wissen. Damit dringt er durch und Artikel 28 ist erledigt.

Artikel 29, 30, 31, 32, 33, 34, 35, 36, 37, 38, 39, 40, 41, 42 und 43 werden rasch votirt. Dagegen bricht bei Artikel 34 der Sturm los.

Artikel 44 handelt bekanntlich vom Präsidenten der Republik. Thouret stellt den Antrag: „Kein Glied der Familien, die über Frankreich regirten, kann Präsident werden.“

Dufauor, Minister des Innern, bekämpft im Namen des Amts den Antrag und derselbe wird verworfen.

Louis Napoleon ist somit nicht ausgeschlossen.

Cavaignac nimmt nach Dufaure das Wort und erklärt, daß er ganz mit der Verfassungskommission übereinstimmen, und auf Verwerfung des Thouretschen Amendements antrage.

Mit Verwerfung des Thouret'schen Antrages auf Ausschluß aller Präsidentschafts-Kandidaten aus Familien, die jemals über Frankreich regiert hätten (offenbar nur gegen Louis Bonaparte gerichtet) verlor die Debatte ihren anziehenden Charakter.

Die Art. 45, 46 und 47 werden rasch erledigt. Zu Art. 47 wird der neue Eid geschoben, den der Präsident der Republik im Angesichte der Nationalversammlung zu leisten haben wird.

Von Art. 48 bis 68 findet fast gar kein Widerspruch statt.

Art. 68 stellt die Verantwortlichkeit des Präsidenten und seiner Minister fest. Er wird indessen ohne Weiteres der Aenderung der Verfassungs-Commission gemäß angenommen.

Bis Artikel 91 durchaus nichts Erhebliches. Aber dieser Artikel und die nächstfolgenden (von der richterlichen Gewalt handelnd) setzen einen Haute-Cour, eine Art Pairshof, ein neues Justizgespenst, zur Richtung der gegen die hohe Versammlung selbst gerichteten Verbrechen ein.

Mehrere Redner vom Berge protestiren im Interesse der Maigefangenen vergebens gegen dieses moderne Gespenst. Jedoch vergebens.

Pascal (aus Dax) trägt darauf an, dieses Gespenst doch erst für die Hochverrathsverbrechen nach Promulgirung der neuen Verfassung wirken zu lassen.

Vergebens! Der Antrag wird verworfen und Barbes, Raspail und Comp von diesem Gespenst gerichtet.

Schluß der Sitzung mit Art. 91 um 6 Uhr.

Paris, 4. Nov.

Die Wahlpropaganda für den Präsidenten der Republik beschäftigt alle Gemüther. In den Ministerien herrscht eine Rührigkeit, wie wir sie seit dem Februar nicht wieder sahen. Im Kabinet Cavaignac's werden ganze Dutzende von ambulanten Zeitungsschreibern geworben, um sie in die Provinzen zu schicken, wo sie für fette Taggelder Cavaignac'sche Stimmen werben sollen.

‒ Dufaure, Minister des Innern, erläßt im Moniteur ein „Rundschreiben an sämmtliche Präfekten“, aus dem wir folgende Stelle entnehmen:

„Herr Präfet!…… Ich mache Sie auf einen Feind aufmerksam, den Sie eifrigst bekämpfen müssen: nämlich die Theilnahmlosigkeit der Wähler. Sie werden Denjenigen, welche ein fataler Indifferentismus von der Urne fern hält, zu verstehen geben, daß sie sich eines Vergehens schuldig machen gegen sich selbst und ihr Vaterland.

In einem Augenblicke, wo eine schlechte Wahl (Louis Bonaparte, Ledru-Rollin oder Raispail?) Alles in Frage stellen kann, was die Nationalversammlung seit 6 Monaten im Interesse der Ordnung geschaffen; die ganze gesellschaftliche Ordnung ohne Vertheidigung so furchtbaren Stürmen von Neuem aussetzen kann, wie die des Monats Juni: in einem solchen Augenblick wäre die Achtlosigkeit und Theilnahmlosigkeit Derer, die ein Recht zum Votiren haben, schwer zu begreifen und sie würden eine schreckliche Verantlichkeit auf sich laden: Dieses haben Sie ihnen begreiflich zu machen u. s. w.“

Paris, 2. November 1347.

Der Minister des Innern, (gez.) J. Dufaure.

‒ Zur Beruhigung der Börsen- und Handelswelt bringt heute der Moniteur einen zwei Spalten langen Bericht über die Arbeitsverhältnisse in den Departements. Dieser Bericht enthält nichts als allgemeine Phrasen, keine bestimmten Fakta's. Er hat im Auge des Statistikers gar keinen Werth. Am Schlusse heißt es: „Kein Zweifel, daß wenn Frankreich aus der Krisis getreten sein wird, die seit lange unter dem falschen Schein des Wohlstandes gährte und welche die Republik nicht schuf, sondern nur zum Ausbruch brachte, dann wird der Nationalhandel, durch diese harte Probe geläutert, sich fester und glänzender als je erheben.“

‒ Folgendes sind die authentischen Worte, in denen Cavaignac gestern die Nationalversammlung bat, den Thouretschen Antrag auf Ausschluß Louis Bonaparte's von der Präsidentenwahl zu verwerfen. Nachdem er erklärt, daß er vor acht Monaten diesen Ausschuß gebilligt haben würde, schließt er: „Seit vier Monaten, wo mir die Nationalversammlung die Leitung der Regierungsgeschäfte anvertraute, fühlte ich bei jeder Gelegenheit das Bedürfniß, genau zu erforschen, welches eigentlich die Meinung des Landes sei, zu wissen, wohin es eigentlich sein Vertrauen setze? Wohlan, dieses Bedürfniß, dieser Wunsch ist jetzt zum brennenden Durste geworden. Ja, ich dürste danach, zu wissen, in wen die

Durch unvorhergesehene Umstände konnte die erste Expedition der „Neuen Rheinischen Zeitung“ heute nicht vor 4 Uhr Nachmittags geschehen. Wir bitten unsere Leser daher um Entschuldigung, wenn heute durch unsere Schuld die Zeitung etwas später eintrifft.

Die Expedition der „N. Rh. Ztg.“

(Hierzu eine Beilage.)

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div xml:id="ar136_020" type="jArticle">
          <p><pb facs="#f0004" n="0694"/>
dem Empörer vereinigt, ihn unter seinen Schutz genommen und mit den so verstärkten Kräften des Verräthers sich drohend vor Wien aufgestellt, vor der Hauptstadt jener hochherzigen Nation, mit der uns Ungarn die Einheit des Monarchen, und die gleiche Gefahr des Verlustes unserer gesetzlichen Freiheiten zum treuen Bundesgenossen vereint.</p>
          <p>Ja, damit nichts an dem vollen Maße der unerhörtesten Unbillen fehlen möge, kündigen uns Ew. Durchlaucht sich selbst als den Oberbefehlshaber der Armeen Sr. Maj. an, in die Sie auch die hochverrätherischen Streitkräfte des Jelachich aufgenommen haben. Kündigen sich hiemit zum Theilnehmer der Empörung des Baron Jelachich, zum Feinde gegen die Gesetze und den konstitutionellen Thron Ungarns an, und gehen so weit, die Offiziere der ungarischen Armee, die unter Eid zur Treue gegen die Konstitution verpflichtet sind, unter Androhung des Kriegsrechtes zum Uebergange in das Lager des Feindes des Vaterlandes verlocken zu wollen.</p>
          <p>Ew. Durchlaucht muß es bekannt sein, daß über die ungarische Armee Se. Maj. nur unter der Gegenzeichnung des ungarischen Kriegsministers gültig verfügen kann, und daß jede anderweitige Verfügung durch das mit königlichem Eide sanktionirte Gesetz in keinem Falle berechtigt, sich welche Macht immer über die ungarische Armee anzumaßen, so daß ein ähnliches Vorhaben eine offen ausgedrückte, von Seite Ungarns durch nichts provocirte Feindseligkeit gegen unser Vaterland in sich schließt.</p>
          <p>Diese Feindseligkeit wird noch dadurch erhöht, daß Ew. Durchlaucht die Streitkräfte des fliehenden Empörers unter Ihr Kommando genommen, und sich so zum Führer der Empörung selbst gegen Ungarns konstitutionellen Thron, seine staatliche Existenz und seine Gesetze gemacht.</p>
          <p>Es ist demnach im Interesse des Friedens, welchen Ungarn nicht gestört, es ist im Interesse der Dynastie, daß wir &#x2012; obgleich zur äußersten Nothwehr gewaltig gedrungen &#x2012; Ew. Durchlaucht im Namen Gottes, seiner ewigen Gerechtigkeit des Völkerrechtes und der Menschenliebe auffordern, von Ihrem unrechtmäßigen Vorhaben abzustehen, die nach Oestreich fliehend eingedrungene Armee des Empörers Jelachich zu entwaffnen, und mit dem abzunehmenden Eide &#x201E;nie mehr gegen Ungarn zu kämpfen&#x201C; unschädlich zu machen, und uns binnen 24 Stunden die Versicherung zu geben, gegen Ungarn nichts Feindliches versuchen zu wollen.</p>
          <p>Was aber das angedrohte Kriegsrecht betrifft, so ist dies nach so vielen Gewaltthaten des Unrechts ein so schauderhaftes Wort, an dessen Echtheit wir im Glauben an die Menschlichkeit und Civilisation nicht glauben wollen, und geben gleichfalls Ew. Durchlaucht zu bedenken, daß derjenige vor dem unbestechbaren Richterstuhle Gottes und der Weltgeschichte dem Fluche der Menschheit verfallen würde, der im 19. Jahrhundert das Beispiel ähnlicher Barbarei des civilisirten Europa vorführen sollte. Auch müssen wir Ew. Durchlaucht erklären, daß wir im ähnlichen Falle mit tief betrübten Herzen Gleiches mit Gleichem zu vergelten nicht unterlassen können. Mögen hiebei Ew. Durchlaucht bedenken, daß Gott, der Beschützer der Gerechtigkeit, an 10,000 Gefangene in unsere Hände gegeben, darunter mehrere Generäle und Oberoffiziere. Mögen demnach Ew. Durchlaucht das Gewicht Ihres unerwarteten Wortes wohl erwägen, denn all' das Blut, das vergossen würde, fällt vor des ewigen Gottes Richterstuhle auf ihren Kopf herab.</p>
          <p>Wir haben hiermit gesagt, was uns zu sagen Pflicht und Ehre gebot, doch erübrigt uns noch die Aufgabe Ew. Durchlaucht aufzufordern, daß Sie im Interesse des Friedens der Monarchie und im Interesse der Pflicht gegen den Thron, an dessen Fortbestand die reaktionäre Hofkamarilla mit so unheiliger Hand rüttelt, die Belagerung Wiens alsogleich aufzuheben, die freie Verbindung dieser hochherzigen Stadt mit Ungarn, deren gewaltsame Hemmung den gegenseitigen Handelsinteressen so nachtheilig ist, wieder herstellen zu lassen, und somit die Hauptstadt der Monarchie nicht zu den äußersten Schritten der Nothwehr zu zwingen, welche für den Fortbestand des Thrones, dessen Erhaltung auch zu unserer Aufgabe gehört, unabsehbare Gefährdung, und über die Monarchie namenloses Unglück herbeiführen müßten.</p>
          <p>Wir erbitten uns durch den Parlamentär, den wir zu Ew. Durchlaucht beordernd, hiermit unter den Schutz des Völkerrechts stellen, Ew. Durchlaucht definitive Erwiederung, von der es abhängen wird, ob Ungarn Ew. Durchlaucht als Feind zu betrachten bemüßigt sein wird.</p>
          <p>Der Gott der Gerechtigkeit möge Sie in diesem hochwichtigen Augenblicke der Entscheidung lenken.</p>
          <p>Gegeben im Hauptquartier der ungarischen Armee zu Pahrendorf am 25. Okt. 1848.</p>
          <p><hi rendition="#g">Ludwig Koffuth,</hi> Präsident des Landesvertheidigungs-Ausschusses.</p>
          <p><hi rendition="#g">Dionys Pazmandy,</hi> Präsident der Nationalversammlung.</p>
          <p><hi rendition="#g">Lad. Csanyi,</hi> Landes-Kommissär.</p>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <head>Italien.</head>
        <div xml:id="ar136_021" type="jArticle">
          <p><bibl><author>*</author></bibl> Der so siegreich begonnene Aufstand im Veltlin und am Comersee soll, wie der Augsburger Allgemeinen unterm 31. Oktbr. aus Chur geschrieben wird, unterdrückt worden sein. 4000 Oestreicher sind nach dieser Gegend beordert worden, und sah man in Cleven dem Einrücken eines Theils dieser Truppen stündlich entgegen. Die Turiner &#x201E;Concordia&#x201C; weiß einstweilen nur vom Abmarsche derselben und ihren unterwegs, namentlich gegen Frauen, ausgeübten Grausamkeiten. Die letzteren kamen auch in der Sitzung der Turiner Kammer vom 29. Okt. zur Sprache, in welcher das Ministerium über die Maßregeln, welche es Angesichts des Veltliner Aufstandes zu ergreifen gedenke, von dem Deputirten Valerio energisch interpellirt wurde. Das Ministerium gab zur Antwort, man dürfe nichts übereilen, sondern müsse das Resultat der Unterhandlungen ruhig abwarten. &#x2012; Inzwischen ist Wien gefallen, und der Rückschlag dieses unheilvollen Ereignisses auf Italien kann nicht ausbleiben. Vor der Hand, fürchten wir, wird er deprimirender Art sein.</p>
          <p>In Toskana war Garibaldi den letzten Nachrichten zufolge eifrig beschäftigt, die Truppen zu organisiren. Das zuletzt gebildete Bataillon der Fremdenlegion war von General Laugier vereidet worden.</p>
          <p>Zu Rom haben Unruhen im Ghetto stattgefunden. Ein Bürgergardist soll von Juden beleidigt worden sein, was Demonstrationen des Volksunwillens gegen das Judenquartier zur Folge hatte.</p>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <head>Schweiz.</head>
        <div xml:id="ar136_022" type="jArticle">
          <head>Lugano, Kanton Tessin, 30. Oct., Abends 6 Uhr.</head>
          <p>So eben geht die Nachricht ein, daß an der lombardischen Gränze in der Nähe, jedoch jenseits von Chiasso ein Scharmützel zwischen lombardischen Flüchtlingen und östreichischen Truppen stattgefunden, dessen Ausgang man noch nicht kennt. Eidgenössische Truppen sind sogleich in dieses Seitenthal hingeeilt, um, so weit es noch möglich ist, die Neutralitätsverletzung wieder gut zu machen. Die Flüchtlinge sind auf Um- und Nebenwegen an den betreffenden Ort gekommen; verhindern konnten die eidgen. Truppen dieses nicht, weil die Tessiner Regierung statt Hand in Hand mit den Repräsentanten zu gehen, den Maßregeln derselben entgegentritt und stets bemüht ist, die Wirksamkeit derselben zu lähmen. &#x2012; Uebrigens wäre es bei der Art und Weise, wie die Gränze beschaffen, sehr schwer gewesen, den Uebergang einzelner Flüchtlinge zu hindern. &#x2012; In <hi rendition="#g">Bellinzona</hi> hat ein Auflauf stattgefunden, weil der dortige Truppenkommandant die Flüchtlinge kontrolliren wollte; der Syndik beschwichtigte die Bürger und während der Zeit machten sich die Flüchtlinge davon. &#x2012; Aus Italien nichts Neues, als daß wieder neuerdings Oestreicher in Como eingerückt sind. Immer heißt es hier, jetzt wird es wieder in Italien losgehen; allein man vernimmt nicht, daß etwas geschehen sei, mit Ausnahme einzelner kleiner Scharmützel zwischen Bauern und Soldaten in den Seitenthälern, die der Sache selbst mehr schaden als nützen.</p>
          <bibl>(Z. Z.)</bibl>
        </div>
        <div xml:id="ar136_023" type="jArticle">
          <head>Bern, 1. Nov.</head>
          <p>Die am 30. October in Freiburg eröffnete Konferenz von Regierungsabgeordneten des Bisthums Lausanne und Genf ist von Genf nicht beschickt worden. Bern ist vertreten durch Stockmar und Imobersteg, Neuenburg durch Steck und Piaget, Waadt durch Drüey und Freiburg durch Schaller und Pittet.</p>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <head>Großbritannien.</head>
        <div xml:id="ar136_024" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> London, 4. November.</head>
          <p>Wie ich Ihnen neulich schon mittheilte, steht seit dem Tode Lord George Bentincks eine Vereinigung der Partei der alten Conservativen und der Anhänger Peel's in Aussicht. Große Schwierigkeiten zeigen sich indnß noch immer, denn die Repräsentanten der Land-Interessen können sich noch nicht mit dem Gedanken befreunden, den abtrünnigen Sir Robert auf's Neue an ihrer Spitze zu sehen, und ein anderer Partei-Führer ist bis zu diesem Augenblicke noch nicht gefunden. &#x2012;</p>
          <p>Der Morning Advertiser giebt heute eine Aufstellung der auf Grund des neuen Armen-Gesetzes vom Jahre 1834, unterstützten Personen wonach sich herausstellt, daß im Jahre 1842: 1,299,048 Personen unterstützt wurden, und daß sich diese Anzahl bis zum Jahre 1846/47 bis auf 1,721,350 Personen vergrößerte. Die Zahl der Verbrechen stieg ungefähr in demselben Maße. &#x2012;</p>
          <p>Die Nachrichten aus den Manufakturdistrikten und namentlich aus Manchester lauten mit jedem Tage günstiger. Die Forderungen der Spinner wurden flotter bewilligt und in manchen Fällen hatte eine Preißerhöhung statt. Der Aufschwung des Eisenbahn-Geschäfts scheint der Hauptgrund dieser Besserung zu sein.</p>
          <p>Die Bank von England hat ihren Disconto bis auf 3 % ermäßigt und fast durchgängig ist man der Ansicht, daß binnen Kurzem eine weitere Ermäßigung von 1/2 % statt haben wird. Bekanntlich stand der Disconto im Herbst 1845 auf 2 1/2 %. Gute Wechsel wurden schon seit mehreren Tagen zu diesem Satze in der City angenommen.</p>
          <p>Zur Statistik der Verhandlungen des Unterhauses erhalten wir einige Beiträge durch die nach der Motion des Hrn. Brotherton gedruckten Returns über diesen Gegenstand. Danach betrug die Zahl der Stunden, welche das Unterhaus in der Session von 1847/48 saß: 1,407 1/2 ; Zahl der Stunden nach Mitternacht 134 <gap reason="illegible"/>. Zahl der Eintragungen bei den Voten der verschiedenen Tage: 10,412. Zahl der Tage, während denen das Haus saß: 170; die Durchschnitts-Zeit per Tag: 8 Stunden 16 3/4 Minuten. Die Zahl der Abstimmungen war: 255; von diesen waren 190 vor Mitternacht; 42 nach Mitternacht.</p>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <head>Französische Republik.</head>
        <div xml:id="ar136_025" type="jArticle">
          <head>Paris, 3. Nov.</head>
          <p>Felix Pyat's Rede in der gestrigen Nationalversammlung über das <hi rendition="#g">Recht auf Arbeit</hi> ruft ein allgemeines Zetergeschrei in der konservativen Presse hervor. &#x201E;Man sprach Euch neulich&#x201C;, begann Pyat auf der Bühne, &#x201E;von zwei Prätendenten auf die Präsidentschaft der Republik. Ich erscheine vor Euch, um Euch von einem Dritten zu sprechen &#x2012; der <hi rendition="#g">Arbeit.&#x201C;</hi> Man kann sich denken, welcher Sturm dieser Anfang in unserer Bourgeoiskammer hervorrief. &#x201E;Es gibt Reiche und Arme&#x201C;, sagte er weiter, &#x201E;der Reichthum gehört dem Volke, möge er zum Volke zurückkehren.&#x201C; An einer andern Stelle &#x201E;&#x2025;&#x2025;Wir (Proletarier) wollen weder Pariser Brodzettel, noch Buzancais'sche Guillotinenzettel&#x2025;&#x2025; Die Februarrevolution zog auf Frankreich einen Wechsel, der unbezahlt blieb und den das Volk vier Monate nach der Ausstellung (im Juni) selbst protestirte.&#x201C;</p>
          <p>Grandin, Dufaure, Corbon und André wetteiferten mit einander auf der Bühne, um diesen Aufruf an die &#x201E;wilden Leidenschaften&#x201C; zu bekämpfen. Die &#x201E;Debats&#x201C; erklären geradezu, das Junifeuer glühe noch unter der Asche &#x2012; dasselbe sei mal éteint &#x2012; es müsse besser ausgelöscht werden. Der &#x201E;Constitutionnel erklärt Pyat für einen sozialistischen Schwärmer oder vielmehr für einen schwärmerischen Sozialisten, der den Teufel wisse was Association heiße, der die Keckheit habe, den &#x201E;Meuchelmord&#x201C; zu rechtfertigen u. s. w.</p>
          <p>Das Geheul der übrigen Blätter hat keine Bedeutung.</p>
          <p>&#x2012; Wir hören diesen Vormittag, daß Cavaignac in Unterhandlung stehe, das bisherige ultrareaktionäre philippistische Blatt unter La Balette, &#x201E;Assemblee Nationale&#x201C;, an sich zu kaufen, um seine sehr stark gefährdete Präsidentenkandidatur zu unterstützen.</p>
          <p>&#x2012; Gestern wurden am Quai St. Bernard abermals 800 Kleinbürger nach Algerien eingeschifft &#x2012; wir sagen Kleinbürger, weil wir unter allen Emigranten nicht eine einzige Blouse bemerkten. Alle waren zu unserm Erstaunen in fast eleganten Anzügen, sowohl Männer als Frauen.</p>
          <p>&#x2012; Zu Oraison (Niederalpen) haben sehr bedenkliche Unruhen wegen der 45-Centimensteuer stattgefunden. Der Einmischung des Präfekten und einer Abtheilung des 22. leichten Infanterieregiments gelang es doch, die Volkswuth zu beschwichtigen, die sich unter dem Geschrei &#x201E;Nieder mit den Tyrannen!&#x201C; Luft zu machen drohte. Aus einigen anderen Orten der Republik laufen ähnliche Berichte über neue Ruhestörungen ein.</p>
          <p>&#x2012; Seit vorgestern haben wir hier eine Art demokratischen Journalisten-Kongreß. In seiner ersten Sitzung beschloß er folgende Fragen zur Berathung in den nächsten Sitzungen zu bringen: 1) Gegenseitige politische Association aller Journale republikanischer Farbe sowohl in den Departements als in Paris. 2) Gründung einer politischen Korrespondenz auf die Grundlagen der Gegenseitigkeit hin. 3) Gründung einer Unterstützungskasse für arbeitsunfähig gewordene republikanische Journalisten. 4) Gründung einer allgemeinen Demokratenkasse. 5) Oertliches und Speciales etc.</p>
          <p>&#x2012; An der Barriere Dumaine speisten gestern 800 Bürger, um sich gemeinschaftlich über die Miethsfragen und andere delikate Dinge zu besprechen. Der Entrüstung des Journal des Debats nach zu urtheilen, hatte dieses Bürgerbankett einen entschieden sozialistisch kommunistischen Charakter. Man arbeitet daran, das Kleinbürgerthum vor seinem Sturze in das Proletariat mit dem Arbeitervolk auszusöhnen.</p>
          <p>&#x2012; Gestern wurde ein Unteroffizier in Vincennes erschossen, weil er (sich mit Unrecht bestraft fühlend) einen Offizier seiner Kompagnie am 19. Aug. erschossen hatte, der ihn zur Strafe zog, mit einem Gemeinen während des Wachtdienstes ein Glas Bier getrunken zu haben etc. Die Details dieses kriegsgerichtlichen Verfahrens sind abscheulich.</p>
          <p>&#x2012; Der <hi rendition="#g">Moniteur</hi> bringt heute wieder einen sehr niederschlagenden Bankbericht bis zum 2. Novbr. Morgens. Der Pariser Wechselverkehr fiel auf 61 Mill. Fr.; in den Sukkursalen trat dagegen eine unwesentliche Besserung ein. Die rückständigen Wechsel übersteigen immer noch die Höhe von 22 Mill. und der Baarvorrath (d. h. die Geschäftsstockung) ist in Paris von 128 Mill. auf 131,404,797 Fr. 28 Cent. und in den Sukkursalen auf 102 1/2 Millionen gestiegen! Der Staat ist noch mit der Bagtaelle von 1,755,365 Fr. gutgeschrieben. Die Börse eröffnete auf diesen Bericht hin sehr matt.</p>
          <p><hi rendition="#g">National-Versammlung.</hi> Sitzung vom 13. November. Vor Sitzungsanfang allerlei Gerüchte, z. B. Wien sei bis zum Glacis von den Windisch-Grätzschen Truppen erstürmt worden; das innere Wien könne unmöglich mehr lange widerstehen, die ungarische Armee sei verschwunden u. s. w. u. s. w. Ferner hieß es, daß sich gestern während der Pyatschen Rede folgender Vorfall ereignet habe. Leon Faucher, der berühmte Freihändler, tritt während des Pyatschen Vortrags in den Saal und ruft auf seinem Platze in der Nähe Ledru-Rollins aus: &#x201E;Nun bleibt nichts als Barrikaden mehr übrig!&#x201C; Hierauf soll Ledru-Rollin ihm sarkastisch geantwortet haben, daß er (Faucher) sicher zu feig wäre, um gegen sie zu marschiren, worauf Faucher heftig gerufen habe: &#x201E;Sie sind unverschämt!&#x201C; Faucher, in der Erwartung auf Pistolen gefordert zu werden, habe Leonv. Malleville und General Changarnier, ein Paar baumlange Kerle, zu Sekundanten geladen, bis heute Mittag aber vergebens auf das Kartel gewartet.</p>
          <p>Unter diesen und ähnlichen Gesprächen in den Zugängen eröffnete Marrast um 1 Uhr die Sitzung.</p>
          <p>Das Protokoll wird vorgelesen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Martin Rey</hi> erklärt ziemlich plump, daß er zu den 86 Gliedern gehöre, die für das Recht auf Arbeit gestern gestimmt haben. Es würden gewiß viel mehr Glieder dafür gestimmt haben, allein die Pyatsche Redeform habe viele verletzt; darum hätten viele gegen ihre innere Ueberzeugung oder gegen ihr Gewissen gestimmt.</p>
          <p><hi rendition="#g">Marrast</hi> (böse): Aber ich gab Ihnen das Wort zu einer Protokollberichtigung und Sie erlauben sich zu sagen, daß viele Glieder gegen ihre innere Ueberzeugung gestimmt hätten. Das ist nicht erlaubt. (Zur Tagesordnung!)</p>
          <p>An der Tagesordnung ist Artikel 28 der Verfassungsrevision, der von den Unzulässigkeiten zur Deputirtenwürde handelt und zu dem General Bedeau den Antrag stellte:</p>
          <p>&#x201E;Alle bezahlten und absetzbaren Beamten sind nicht zu Deputirten zu wählen; die unabsetzbaren oder lebenslänglichen sollen dagegen in Kadres getheilt und während ihres Mandats in Disponibilität gestellt werden.&#x201C;</p>
          <p><hi rendition="#g">Lherbette</hi> bekämpft den Antrag; Payer unterstützt denselben; Guichard desgleichen.</p>
          <p>Dennoch wird der Antrag verworfen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Ambert,</hi> ebenfalls ein alter Soldat wie Bedeau stellt den neuen Antrag:</p>
          <p>&#x201E;die Inkompatibilität sei weder auf die Landnach See-Armee anzuwenden.&#x201C;</p>
          <p>Diese Herren möchten eine Soldatenkammer errichten. Ambert entwickelt seinen Zusatz; der alte Deville bekämpft ihn; Larabit, ebenfalls Oberst, will die Motive zu den organischen Gesetzen verschoben wissen. Damit dringt er durch und Artikel 28 ist erledigt.</p>
          <p>Artikel 29, 30, 31, 32, 33, 34, 35, 36, 37, 38, 39, 40, 41, 42 und 43 werden rasch votirt. Dagegen bricht bei Artikel 34 der Sturm los.</p>
          <p>Artikel 44 handelt bekanntlich vom Präsidenten der Republik. Thouret stellt den Antrag: &#x201E;Kein Glied der Familien, die über Frankreich regirten, kann Präsident werden.&#x201C;</p>
          <p><hi rendition="#g">Dufauor,</hi> Minister des Innern, bekämpft im Namen des Amts den Antrag und derselbe wird verworfen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Louis Napoleon</hi> ist somit nicht ausgeschlossen.</p>
          <p>Cavaignac nimmt nach Dufaure das Wort und erklärt, daß er ganz mit der Verfassungskommission übereinstimmen, und auf Verwerfung des Thouretschen Amendements antrage.</p>
          <p>Mit Verwerfung des Thouret'schen Antrages auf Ausschluß aller Präsidentschafts-Kandidaten aus Familien, die jemals über Frankreich regiert hätten (offenbar nur gegen Louis Bonaparte gerichtet) verlor die Debatte ihren anziehenden Charakter.</p>
          <p>Die Art. 45, 46 und 47 werden rasch erledigt. Zu Art. 47 wird der neue Eid geschoben, den der Präsident der Republik im Angesichte der Nationalversammlung zu leisten haben wird.</p>
          <p>Von Art. 48 bis 68 findet fast gar kein Widerspruch statt.</p>
          <p>Art. 68 stellt die Verantwortlichkeit des Präsidenten und seiner Minister fest. Er wird indessen ohne Weiteres der Aenderung der Verfassungs-Commission gemäß angenommen.</p>
          <p>Bis Artikel 91 durchaus nichts Erhebliches. Aber dieser Artikel und die nächstfolgenden (von der richterlichen Gewalt handelnd) setzen einen Haute-Cour, eine Art Pairshof, ein neues Justizgespenst, zur Richtung der gegen die hohe Versammlung selbst gerichteten Verbrechen ein.</p>
          <p>Mehrere Redner vom Berge protestiren im Interesse der Maigefangenen vergebens gegen dieses moderne Gespenst. Jedoch vergebens.</p>
          <p>Pascal (aus Dax) trägt darauf an, dieses Gespenst doch erst für die Hochverrathsverbrechen nach Promulgirung der neuen Verfassung wirken zu lassen.</p>
          <p>Vergebens! Der Antrag wird verworfen und Barbes, Raspail und Comp von diesem Gespenst gerichtet.</p>
          <p>Schluß der Sitzung mit Art. 91 um 6 Uhr.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar136_026" type="jArticle">
          <head>Paris, 4. Nov.</head>
          <p>Die Wahlpropaganda für den Präsidenten der Republik beschäftigt alle Gemüther. In den Ministerien herrscht eine Rührigkeit, wie wir sie seit dem Februar nicht wieder sahen. Im Kabinet Cavaignac's werden ganze Dutzende von ambulanten Zeitungsschreibern geworben, um sie in die Provinzen zu schicken, wo sie für fette Taggelder Cavaignac'sche Stimmen werben sollen.</p>
          <p>&#x2012; Dufaure, Minister des Innern, erläßt im Moniteur ein &#x201E;Rundschreiben an sämmtliche Präfekten&#x201C;, aus dem wir folgende Stelle entnehmen:</p>
          <p>&#x201E;Herr Präfet!&#x2026;&#x2026; Ich mache Sie auf einen Feind aufmerksam, den Sie eifrigst bekämpfen müssen: nämlich die Theilnahmlosigkeit der Wähler. Sie werden Denjenigen, welche ein fataler Indifferentismus von der Urne fern hält, zu verstehen geben, daß sie sich eines Vergehens schuldig machen gegen sich selbst und ihr Vaterland.</p>
          <p>In einem Augenblicke, wo eine schlechte Wahl (Louis Bonaparte, Ledru-Rollin oder Raispail?) Alles in Frage stellen kann, was die Nationalversammlung seit 6 Monaten im Interesse der Ordnung geschaffen; die ganze gesellschaftliche Ordnung ohne Vertheidigung so furchtbaren Stürmen von Neuem aussetzen kann, wie die des Monats Juni: in einem solchen Augenblick wäre die Achtlosigkeit und Theilnahmlosigkeit Derer, die ein Recht zum Votiren haben, schwer zu begreifen und sie würden eine schreckliche Verantlichkeit auf sich laden: Dieses haben Sie ihnen begreiflich zu machen u. s. w.&#x201C;</p>
          <p>Paris, 2. November 1347.</p>
          <p>Der Minister des Innern, (gez.) J. Dufaure.</p>
          <p>&#x2012; Zur Beruhigung der Börsen- und Handelswelt bringt heute der Moniteur einen zwei Spalten langen Bericht über die Arbeitsverhältnisse in den Departements. Dieser Bericht enthält nichts als allgemeine Phrasen, keine bestimmten Fakta's. Er hat im Auge des Statistikers gar keinen Werth. Am Schlusse heißt es: &#x201E;Kein Zweifel, daß wenn Frankreich aus der Krisis getreten sein wird, die seit lange unter dem falschen Schein des Wohlstandes gährte und welche die Republik nicht schuf, sondern nur zum Ausbruch brachte, dann wird der Nationalhandel, durch diese harte Probe geläutert, sich fester und glänzender als je erheben.&#x201C;</p>
          <p>&#x2012; Folgendes sind die authentischen Worte, in denen Cavaignac gestern die Nationalversammlung bat, den Thouretschen Antrag auf Ausschluß Louis Bonaparte's von der Präsidentenwahl zu verwerfen. Nachdem er erklärt, daß er vor acht Monaten diesen Ausschuß gebilligt haben würde, schließt er: &#x201E;Seit vier Monaten, wo mir die Nationalversammlung die Leitung der Regierungsgeschäfte anvertraute, fühlte ich bei jeder Gelegenheit das Bedürfniß, genau zu erforschen, welches eigentlich die Meinung des Landes sei, zu wissen, wohin es eigentlich sein Vertrauen setze? Wohlan, dieses Bedürfniß, dieser Wunsch ist jetzt zum brennenden Durste geworden. Ja, ich dürste danach, zu wissen, in wen die</p>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <p> <hi rendition="#b">Durch unvorhergesehene Umstände konnte die erste Expedition der &#x201E;Neuen Rheinischen Zeitung&#x201C; heute nicht vor 4 Uhr Nachmittags geschehen. Wir bitten unsere Leser daher um Entschuldigung, wenn heute durch unsere Schuld die Zeitung etwas später eintrifft.</hi> </p>
        <p rendition="#b">Die Expedition der &#x201E;N. Rh. Ztg.&#x201C;</p>
      </div>
      <div n="1">
        <p>
          <ref type="link">(Hierzu eine Beilage.)</ref>
        </p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0694/0004] dem Empörer vereinigt, ihn unter seinen Schutz genommen und mit den so verstärkten Kräften des Verräthers sich drohend vor Wien aufgestellt, vor der Hauptstadt jener hochherzigen Nation, mit der uns Ungarn die Einheit des Monarchen, und die gleiche Gefahr des Verlustes unserer gesetzlichen Freiheiten zum treuen Bundesgenossen vereint. Ja, damit nichts an dem vollen Maße der unerhörtesten Unbillen fehlen möge, kündigen uns Ew. Durchlaucht sich selbst als den Oberbefehlshaber der Armeen Sr. Maj. an, in die Sie auch die hochverrätherischen Streitkräfte des Jelachich aufgenommen haben. Kündigen sich hiemit zum Theilnehmer der Empörung des Baron Jelachich, zum Feinde gegen die Gesetze und den konstitutionellen Thron Ungarns an, und gehen so weit, die Offiziere der ungarischen Armee, die unter Eid zur Treue gegen die Konstitution verpflichtet sind, unter Androhung des Kriegsrechtes zum Uebergange in das Lager des Feindes des Vaterlandes verlocken zu wollen. Ew. Durchlaucht muß es bekannt sein, daß über die ungarische Armee Se. Maj. nur unter der Gegenzeichnung des ungarischen Kriegsministers gültig verfügen kann, und daß jede anderweitige Verfügung durch das mit königlichem Eide sanktionirte Gesetz in keinem Falle berechtigt, sich welche Macht immer über die ungarische Armee anzumaßen, so daß ein ähnliches Vorhaben eine offen ausgedrückte, von Seite Ungarns durch nichts provocirte Feindseligkeit gegen unser Vaterland in sich schließt. Diese Feindseligkeit wird noch dadurch erhöht, daß Ew. Durchlaucht die Streitkräfte des fliehenden Empörers unter Ihr Kommando genommen, und sich so zum Führer der Empörung selbst gegen Ungarns konstitutionellen Thron, seine staatliche Existenz und seine Gesetze gemacht. Es ist demnach im Interesse des Friedens, welchen Ungarn nicht gestört, es ist im Interesse der Dynastie, daß wir ‒ obgleich zur äußersten Nothwehr gewaltig gedrungen ‒ Ew. Durchlaucht im Namen Gottes, seiner ewigen Gerechtigkeit des Völkerrechtes und der Menschenliebe auffordern, von Ihrem unrechtmäßigen Vorhaben abzustehen, die nach Oestreich fliehend eingedrungene Armee des Empörers Jelachich zu entwaffnen, und mit dem abzunehmenden Eide „nie mehr gegen Ungarn zu kämpfen“ unschädlich zu machen, und uns binnen 24 Stunden die Versicherung zu geben, gegen Ungarn nichts Feindliches versuchen zu wollen. Was aber das angedrohte Kriegsrecht betrifft, so ist dies nach so vielen Gewaltthaten des Unrechts ein so schauderhaftes Wort, an dessen Echtheit wir im Glauben an die Menschlichkeit und Civilisation nicht glauben wollen, und geben gleichfalls Ew. Durchlaucht zu bedenken, daß derjenige vor dem unbestechbaren Richterstuhle Gottes und der Weltgeschichte dem Fluche der Menschheit verfallen würde, der im 19. Jahrhundert das Beispiel ähnlicher Barbarei des civilisirten Europa vorführen sollte. Auch müssen wir Ew. Durchlaucht erklären, daß wir im ähnlichen Falle mit tief betrübten Herzen Gleiches mit Gleichem zu vergelten nicht unterlassen können. Mögen hiebei Ew. Durchlaucht bedenken, daß Gott, der Beschützer der Gerechtigkeit, an 10,000 Gefangene in unsere Hände gegeben, darunter mehrere Generäle und Oberoffiziere. Mögen demnach Ew. Durchlaucht das Gewicht Ihres unerwarteten Wortes wohl erwägen, denn all' das Blut, das vergossen würde, fällt vor des ewigen Gottes Richterstuhle auf ihren Kopf herab. Wir haben hiermit gesagt, was uns zu sagen Pflicht und Ehre gebot, doch erübrigt uns noch die Aufgabe Ew. Durchlaucht aufzufordern, daß Sie im Interesse des Friedens der Monarchie und im Interesse der Pflicht gegen den Thron, an dessen Fortbestand die reaktionäre Hofkamarilla mit so unheiliger Hand rüttelt, die Belagerung Wiens alsogleich aufzuheben, die freie Verbindung dieser hochherzigen Stadt mit Ungarn, deren gewaltsame Hemmung den gegenseitigen Handelsinteressen so nachtheilig ist, wieder herstellen zu lassen, und somit die Hauptstadt der Monarchie nicht zu den äußersten Schritten der Nothwehr zu zwingen, welche für den Fortbestand des Thrones, dessen Erhaltung auch zu unserer Aufgabe gehört, unabsehbare Gefährdung, und über die Monarchie namenloses Unglück herbeiführen müßten. Wir erbitten uns durch den Parlamentär, den wir zu Ew. Durchlaucht beordernd, hiermit unter den Schutz des Völkerrechts stellen, Ew. Durchlaucht definitive Erwiederung, von der es abhängen wird, ob Ungarn Ew. Durchlaucht als Feind zu betrachten bemüßigt sein wird. Der Gott der Gerechtigkeit möge Sie in diesem hochwichtigen Augenblicke der Entscheidung lenken. Gegeben im Hauptquartier der ungarischen Armee zu Pahrendorf am 25. Okt. 1848. Ludwig Koffuth, Präsident des Landesvertheidigungs-Ausschusses. Dionys Pazmandy, Präsident der Nationalversammlung. Lad. Csanyi, Landes-Kommissär. Italien. * Der so siegreich begonnene Aufstand im Veltlin und am Comersee soll, wie der Augsburger Allgemeinen unterm 31. Oktbr. aus Chur geschrieben wird, unterdrückt worden sein. 4000 Oestreicher sind nach dieser Gegend beordert worden, und sah man in Cleven dem Einrücken eines Theils dieser Truppen stündlich entgegen. Die Turiner „Concordia“ weiß einstweilen nur vom Abmarsche derselben und ihren unterwegs, namentlich gegen Frauen, ausgeübten Grausamkeiten. Die letzteren kamen auch in der Sitzung der Turiner Kammer vom 29. Okt. zur Sprache, in welcher das Ministerium über die Maßregeln, welche es Angesichts des Veltliner Aufstandes zu ergreifen gedenke, von dem Deputirten Valerio energisch interpellirt wurde. Das Ministerium gab zur Antwort, man dürfe nichts übereilen, sondern müsse das Resultat der Unterhandlungen ruhig abwarten. ‒ Inzwischen ist Wien gefallen, und der Rückschlag dieses unheilvollen Ereignisses auf Italien kann nicht ausbleiben. Vor der Hand, fürchten wir, wird er deprimirender Art sein. In Toskana war Garibaldi den letzten Nachrichten zufolge eifrig beschäftigt, die Truppen zu organisiren. Das zuletzt gebildete Bataillon der Fremdenlegion war von General Laugier vereidet worden. Zu Rom haben Unruhen im Ghetto stattgefunden. Ein Bürgergardist soll von Juden beleidigt worden sein, was Demonstrationen des Volksunwillens gegen das Judenquartier zur Folge hatte. Schweiz. Lugano, Kanton Tessin, 30. Oct., Abends 6 Uhr. So eben geht die Nachricht ein, daß an der lombardischen Gränze in der Nähe, jedoch jenseits von Chiasso ein Scharmützel zwischen lombardischen Flüchtlingen und östreichischen Truppen stattgefunden, dessen Ausgang man noch nicht kennt. Eidgenössische Truppen sind sogleich in dieses Seitenthal hingeeilt, um, so weit es noch möglich ist, die Neutralitätsverletzung wieder gut zu machen. Die Flüchtlinge sind auf Um- und Nebenwegen an den betreffenden Ort gekommen; verhindern konnten die eidgen. Truppen dieses nicht, weil die Tessiner Regierung statt Hand in Hand mit den Repräsentanten zu gehen, den Maßregeln derselben entgegentritt und stets bemüht ist, die Wirksamkeit derselben zu lähmen. ‒ Uebrigens wäre es bei der Art und Weise, wie die Gränze beschaffen, sehr schwer gewesen, den Uebergang einzelner Flüchtlinge zu hindern. ‒ In Bellinzona hat ein Auflauf stattgefunden, weil der dortige Truppenkommandant die Flüchtlinge kontrolliren wollte; der Syndik beschwichtigte die Bürger und während der Zeit machten sich die Flüchtlinge davon. ‒ Aus Italien nichts Neues, als daß wieder neuerdings Oestreicher in Como eingerückt sind. Immer heißt es hier, jetzt wird es wieder in Italien losgehen; allein man vernimmt nicht, daß etwas geschehen sei, mit Ausnahme einzelner kleiner Scharmützel zwischen Bauern und Soldaten in den Seitenthälern, die der Sache selbst mehr schaden als nützen. (Z. Z.) Bern, 1. Nov. Die am 30. October in Freiburg eröffnete Konferenz von Regierungsabgeordneten des Bisthums Lausanne und Genf ist von Genf nicht beschickt worden. Bern ist vertreten durch Stockmar und Imobersteg, Neuenburg durch Steck und Piaget, Waadt durch Drüey und Freiburg durch Schaller und Pittet. Großbritannien. * London, 4. November. Wie ich Ihnen neulich schon mittheilte, steht seit dem Tode Lord George Bentincks eine Vereinigung der Partei der alten Conservativen und der Anhänger Peel's in Aussicht. Große Schwierigkeiten zeigen sich indnß noch immer, denn die Repräsentanten der Land-Interessen können sich noch nicht mit dem Gedanken befreunden, den abtrünnigen Sir Robert auf's Neue an ihrer Spitze zu sehen, und ein anderer Partei-Führer ist bis zu diesem Augenblicke noch nicht gefunden. ‒ Der Morning Advertiser giebt heute eine Aufstellung der auf Grund des neuen Armen-Gesetzes vom Jahre 1834, unterstützten Personen wonach sich herausstellt, daß im Jahre 1842: 1,299,048 Personen unterstützt wurden, und daß sich diese Anzahl bis zum Jahre 1846/47 bis auf 1,721,350 Personen vergrößerte. Die Zahl der Verbrechen stieg ungefähr in demselben Maße. ‒ Die Nachrichten aus den Manufakturdistrikten und namentlich aus Manchester lauten mit jedem Tage günstiger. Die Forderungen der Spinner wurden flotter bewilligt und in manchen Fällen hatte eine Preißerhöhung statt. Der Aufschwung des Eisenbahn-Geschäfts scheint der Hauptgrund dieser Besserung zu sein. Die Bank von England hat ihren Disconto bis auf 3 % ermäßigt und fast durchgängig ist man der Ansicht, daß binnen Kurzem eine weitere Ermäßigung von 1/2 % statt haben wird. Bekanntlich stand der Disconto im Herbst 1845 auf 2 1/2 %. Gute Wechsel wurden schon seit mehreren Tagen zu diesem Satze in der City angenommen. Zur Statistik der Verhandlungen des Unterhauses erhalten wir einige Beiträge durch die nach der Motion des Hrn. Brotherton gedruckten Returns über diesen Gegenstand. Danach betrug die Zahl der Stunden, welche das Unterhaus in der Session von 1847/48 saß: 1,407 1/2 ; Zahl der Stunden nach Mitternacht 134 _ . Zahl der Eintragungen bei den Voten der verschiedenen Tage: 10,412. Zahl der Tage, während denen das Haus saß: 170; die Durchschnitts-Zeit per Tag: 8 Stunden 16 3/4 Minuten. Die Zahl der Abstimmungen war: 255; von diesen waren 190 vor Mitternacht; 42 nach Mitternacht. Französische Republik. Paris, 3. Nov. Felix Pyat's Rede in der gestrigen Nationalversammlung über das Recht auf Arbeit ruft ein allgemeines Zetergeschrei in der konservativen Presse hervor. „Man sprach Euch neulich“, begann Pyat auf der Bühne, „von zwei Prätendenten auf die Präsidentschaft der Republik. Ich erscheine vor Euch, um Euch von einem Dritten zu sprechen ‒ der Arbeit.“ Man kann sich denken, welcher Sturm dieser Anfang in unserer Bourgeoiskammer hervorrief. „Es gibt Reiche und Arme“, sagte er weiter, „der Reichthum gehört dem Volke, möge er zum Volke zurückkehren.“ An einer andern Stelle „‥‥Wir (Proletarier) wollen weder Pariser Brodzettel, noch Buzancais'sche Guillotinenzettel‥‥ Die Februarrevolution zog auf Frankreich einen Wechsel, der unbezahlt blieb und den das Volk vier Monate nach der Ausstellung (im Juni) selbst protestirte.“ Grandin, Dufaure, Corbon und André wetteiferten mit einander auf der Bühne, um diesen Aufruf an die „wilden Leidenschaften“ zu bekämpfen. Die „Debats“ erklären geradezu, das Junifeuer glühe noch unter der Asche ‒ dasselbe sei mal éteint ‒ es müsse besser ausgelöscht werden. Der „Constitutionnel erklärt Pyat für einen sozialistischen Schwärmer oder vielmehr für einen schwärmerischen Sozialisten, der den Teufel wisse was Association heiße, der die Keckheit habe, den „Meuchelmord“ zu rechtfertigen u. s. w. Das Geheul der übrigen Blätter hat keine Bedeutung. ‒ Wir hören diesen Vormittag, daß Cavaignac in Unterhandlung stehe, das bisherige ultrareaktionäre philippistische Blatt unter La Balette, „Assemblee Nationale“, an sich zu kaufen, um seine sehr stark gefährdete Präsidentenkandidatur zu unterstützen. ‒ Gestern wurden am Quai St. Bernard abermals 800 Kleinbürger nach Algerien eingeschifft ‒ wir sagen Kleinbürger, weil wir unter allen Emigranten nicht eine einzige Blouse bemerkten. Alle waren zu unserm Erstaunen in fast eleganten Anzügen, sowohl Männer als Frauen. ‒ Zu Oraison (Niederalpen) haben sehr bedenkliche Unruhen wegen der 45-Centimensteuer stattgefunden. Der Einmischung des Präfekten und einer Abtheilung des 22. leichten Infanterieregiments gelang es doch, die Volkswuth zu beschwichtigen, die sich unter dem Geschrei „Nieder mit den Tyrannen!“ Luft zu machen drohte. Aus einigen anderen Orten der Republik laufen ähnliche Berichte über neue Ruhestörungen ein. ‒ Seit vorgestern haben wir hier eine Art demokratischen Journalisten-Kongreß. In seiner ersten Sitzung beschloß er folgende Fragen zur Berathung in den nächsten Sitzungen zu bringen: 1) Gegenseitige politische Association aller Journale republikanischer Farbe sowohl in den Departements als in Paris. 2) Gründung einer politischen Korrespondenz auf die Grundlagen der Gegenseitigkeit hin. 3) Gründung einer Unterstützungskasse für arbeitsunfähig gewordene republikanische Journalisten. 4) Gründung einer allgemeinen Demokratenkasse. 5) Oertliches und Speciales etc. ‒ An der Barriere Dumaine speisten gestern 800 Bürger, um sich gemeinschaftlich über die Miethsfragen und andere delikate Dinge zu besprechen. Der Entrüstung des Journal des Debats nach zu urtheilen, hatte dieses Bürgerbankett einen entschieden sozialistisch kommunistischen Charakter. Man arbeitet daran, das Kleinbürgerthum vor seinem Sturze in das Proletariat mit dem Arbeitervolk auszusöhnen. ‒ Gestern wurde ein Unteroffizier in Vincennes erschossen, weil er (sich mit Unrecht bestraft fühlend) einen Offizier seiner Kompagnie am 19. Aug. erschossen hatte, der ihn zur Strafe zog, mit einem Gemeinen während des Wachtdienstes ein Glas Bier getrunken zu haben etc. Die Details dieses kriegsgerichtlichen Verfahrens sind abscheulich. ‒ Der Moniteur bringt heute wieder einen sehr niederschlagenden Bankbericht bis zum 2. Novbr. Morgens. Der Pariser Wechselverkehr fiel auf 61 Mill. Fr.; in den Sukkursalen trat dagegen eine unwesentliche Besserung ein. Die rückständigen Wechsel übersteigen immer noch die Höhe von 22 Mill. und der Baarvorrath (d. h. die Geschäftsstockung) ist in Paris von 128 Mill. auf 131,404,797 Fr. 28 Cent. und in den Sukkursalen auf 102 1/2 Millionen gestiegen! Der Staat ist noch mit der Bagtaelle von 1,755,365 Fr. gutgeschrieben. Die Börse eröffnete auf diesen Bericht hin sehr matt. National-Versammlung. Sitzung vom 13. November. Vor Sitzungsanfang allerlei Gerüchte, z. B. Wien sei bis zum Glacis von den Windisch-Grätzschen Truppen erstürmt worden; das innere Wien könne unmöglich mehr lange widerstehen, die ungarische Armee sei verschwunden u. s. w. u. s. w. Ferner hieß es, daß sich gestern während der Pyatschen Rede folgender Vorfall ereignet habe. Leon Faucher, der berühmte Freihändler, tritt während des Pyatschen Vortrags in den Saal und ruft auf seinem Platze in der Nähe Ledru-Rollins aus: „Nun bleibt nichts als Barrikaden mehr übrig!“ Hierauf soll Ledru-Rollin ihm sarkastisch geantwortet haben, daß er (Faucher) sicher zu feig wäre, um gegen sie zu marschiren, worauf Faucher heftig gerufen habe: „Sie sind unverschämt!“ Faucher, in der Erwartung auf Pistolen gefordert zu werden, habe Leonv. Malleville und General Changarnier, ein Paar baumlange Kerle, zu Sekundanten geladen, bis heute Mittag aber vergebens auf das Kartel gewartet. Unter diesen und ähnlichen Gesprächen in den Zugängen eröffnete Marrast um 1 Uhr die Sitzung. Das Protokoll wird vorgelesen. Martin Rey erklärt ziemlich plump, daß er zu den 86 Gliedern gehöre, die für das Recht auf Arbeit gestern gestimmt haben. Es würden gewiß viel mehr Glieder dafür gestimmt haben, allein die Pyatsche Redeform habe viele verletzt; darum hätten viele gegen ihre innere Ueberzeugung oder gegen ihr Gewissen gestimmt. Marrast (böse): Aber ich gab Ihnen das Wort zu einer Protokollberichtigung und Sie erlauben sich zu sagen, daß viele Glieder gegen ihre innere Ueberzeugung gestimmt hätten. Das ist nicht erlaubt. (Zur Tagesordnung!) An der Tagesordnung ist Artikel 28 der Verfassungsrevision, der von den Unzulässigkeiten zur Deputirtenwürde handelt und zu dem General Bedeau den Antrag stellte: „Alle bezahlten und absetzbaren Beamten sind nicht zu Deputirten zu wählen; die unabsetzbaren oder lebenslänglichen sollen dagegen in Kadres getheilt und während ihres Mandats in Disponibilität gestellt werden.“ Lherbette bekämpft den Antrag; Payer unterstützt denselben; Guichard desgleichen. Dennoch wird der Antrag verworfen. Ambert, ebenfalls ein alter Soldat wie Bedeau stellt den neuen Antrag: „die Inkompatibilität sei weder auf die Landnach See-Armee anzuwenden.“ Diese Herren möchten eine Soldatenkammer errichten. Ambert entwickelt seinen Zusatz; der alte Deville bekämpft ihn; Larabit, ebenfalls Oberst, will die Motive zu den organischen Gesetzen verschoben wissen. Damit dringt er durch und Artikel 28 ist erledigt. Artikel 29, 30, 31, 32, 33, 34, 35, 36, 37, 38, 39, 40, 41, 42 und 43 werden rasch votirt. Dagegen bricht bei Artikel 34 der Sturm los. Artikel 44 handelt bekanntlich vom Präsidenten der Republik. Thouret stellt den Antrag: „Kein Glied der Familien, die über Frankreich regirten, kann Präsident werden.“ Dufauor, Minister des Innern, bekämpft im Namen des Amts den Antrag und derselbe wird verworfen. Louis Napoleon ist somit nicht ausgeschlossen. Cavaignac nimmt nach Dufaure das Wort und erklärt, daß er ganz mit der Verfassungskommission übereinstimmen, und auf Verwerfung des Thouretschen Amendements antrage. Mit Verwerfung des Thouret'schen Antrages auf Ausschluß aller Präsidentschafts-Kandidaten aus Familien, die jemals über Frankreich regiert hätten (offenbar nur gegen Louis Bonaparte gerichtet) verlor die Debatte ihren anziehenden Charakter. Die Art. 45, 46 und 47 werden rasch erledigt. Zu Art. 47 wird der neue Eid geschoben, den der Präsident der Republik im Angesichte der Nationalversammlung zu leisten haben wird. Von Art. 48 bis 68 findet fast gar kein Widerspruch statt. Art. 68 stellt die Verantwortlichkeit des Präsidenten und seiner Minister fest. Er wird indessen ohne Weiteres der Aenderung der Verfassungs-Commission gemäß angenommen. Bis Artikel 91 durchaus nichts Erhebliches. Aber dieser Artikel und die nächstfolgenden (von der richterlichen Gewalt handelnd) setzen einen Haute-Cour, eine Art Pairshof, ein neues Justizgespenst, zur Richtung der gegen die hohe Versammlung selbst gerichteten Verbrechen ein. Mehrere Redner vom Berge protestiren im Interesse der Maigefangenen vergebens gegen dieses moderne Gespenst. Jedoch vergebens. Pascal (aus Dax) trägt darauf an, dieses Gespenst doch erst für die Hochverrathsverbrechen nach Promulgirung der neuen Verfassung wirken zu lassen. Vergebens! Der Antrag wird verworfen und Barbes, Raspail und Comp von diesem Gespenst gerichtet. Schluß der Sitzung mit Art. 91 um 6 Uhr. Paris, 4. Nov. Die Wahlpropaganda für den Präsidenten der Republik beschäftigt alle Gemüther. In den Ministerien herrscht eine Rührigkeit, wie wir sie seit dem Februar nicht wieder sahen. Im Kabinet Cavaignac's werden ganze Dutzende von ambulanten Zeitungsschreibern geworben, um sie in die Provinzen zu schicken, wo sie für fette Taggelder Cavaignac'sche Stimmen werben sollen. ‒ Dufaure, Minister des Innern, erläßt im Moniteur ein „Rundschreiben an sämmtliche Präfekten“, aus dem wir folgende Stelle entnehmen: „Herr Präfet!…… Ich mache Sie auf einen Feind aufmerksam, den Sie eifrigst bekämpfen müssen: nämlich die Theilnahmlosigkeit der Wähler. Sie werden Denjenigen, welche ein fataler Indifferentismus von der Urne fern hält, zu verstehen geben, daß sie sich eines Vergehens schuldig machen gegen sich selbst und ihr Vaterland. In einem Augenblicke, wo eine schlechte Wahl (Louis Bonaparte, Ledru-Rollin oder Raispail?) Alles in Frage stellen kann, was die Nationalversammlung seit 6 Monaten im Interesse der Ordnung geschaffen; die ganze gesellschaftliche Ordnung ohne Vertheidigung so furchtbaren Stürmen von Neuem aussetzen kann, wie die des Monats Juni: in einem solchen Augenblick wäre die Achtlosigkeit und Theilnahmlosigkeit Derer, die ein Recht zum Votiren haben, schwer zu begreifen und sie würden eine schreckliche Verantlichkeit auf sich laden: Dieses haben Sie ihnen begreiflich zu machen u. s. w.“ Paris, 2. November 1347. Der Minister des Innern, (gez.) J. Dufaure. ‒ Zur Beruhigung der Börsen- und Handelswelt bringt heute der Moniteur einen zwei Spalten langen Bericht über die Arbeitsverhältnisse in den Departements. Dieser Bericht enthält nichts als allgemeine Phrasen, keine bestimmten Fakta's. Er hat im Auge des Statistikers gar keinen Werth. Am Schlusse heißt es: „Kein Zweifel, daß wenn Frankreich aus der Krisis getreten sein wird, die seit lange unter dem falschen Schein des Wohlstandes gährte und welche die Republik nicht schuf, sondern nur zum Ausbruch brachte, dann wird der Nationalhandel, durch diese harte Probe geläutert, sich fester und glänzender als je erheben.“ ‒ Folgendes sind die authentischen Worte, in denen Cavaignac gestern die Nationalversammlung bat, den Thouretschen Antrag auf Ausschluß Louis Bonaparte's von der Präsidentenwahl zu verwerfen. Nachdem er erklärt, daß er vor acht Monaten diesen Ausschuß gebilligt haben würde, schließt er: „Seit vier Monaten, wo mir die Nationalversammlung die Leitung der Regierungsgeschäfte anvertraute, fühlte ich bei jeder Gelegenheit das Bedürfniß, genau zu erforschen, welches eigentlich die Meinung des Landes sei, zu wissen, wohin es eigentlich sein Vertrauen setze? Wohlan, dieses Bedürfniß, dieser Wunsch ist jetzt zum brennenden Durste geworden. Ja, ich dürste danach, zu wissen, in wen die Durch unvorhergesehene Umstände konnte die erste Expedition der „Neuen Rheinischen Zeitung“ heute nicht vor 4 Uhr Nachmittags geschehen. Wir bitten unsere Leser daher um Entschuldigung, wenn heute durch unsere Schuld die Zeitung etwas später eintrifft. Die Expedition der „N. Rh. Ztg.“ (Hierzu eine Beilage.)

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Marx-Engels-Gesamtausgabe: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-20T13:08:10Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML (2017-03-20T13:08:10Z)
Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat (2017-03-20T13:08:10Z)

Weitere Informationen:

Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz136_1848
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz136_1848/4
Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 136. Köln, 7. November 1848, S. 0694. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz136_1848/4>, abgerufen am 28.03.2024.