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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 121. Köln, 20. Oktober 1848.

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gefaßt, und wurde in seinen einzelnen Theilen als wahrhafter Ausdruck des Volkswillens jubelnd begrüßt.

Goldmark will, da in der Zuschrift Auersperg und Jellachich zugleich unterschrieben sind, daß man die Antwort nur an Auersperg richte, denn dieser ist Kommandirender von Niederösterreich, und Jellachich unterstehe ihm.

Podhotzki beantragt einige Verbesserungen.

Pillersdorf will, man möge einige Zugeständnisse machen, einen Tag mit der Antwort warten, und bis dahin eine Prüfungskommission ernennen. (Lautes Murren).

Goldmark ist entschieden dagegen. Die Stadt hat sich nicht nur friedlich verhalten, sondern sogar noch Proviant geliefert. Von Unterhandlungen könne hier nicht die Rede sein, man müsse das Damoklesschwert nicht nur Wiens, sondern der Monarchie endlich fallen machen.

Der lebhafteste Beifall bezeugt, daß Goldmark aus der Seele des Volkes gesprochen.

Smrecker erklärt sich eben so entschieden gegen dieses Zuharren.

Fedorowitsch stellt dar, wie der Reichstag seit Beginn der Ereignisse immer legal war und pazifizirend auftrat. Als man den Kriegsminister über Jellachichs Truppen interpellirte, sagte er, dies sei eine fremde Armee. Nun kommt diese fremde Armee auf fremden Boden, und zwingt sogar zur Verpflegung. Was muß geschehen, wenn eine Armee auf neutralen Boden kommt? Sie muß die Waffen niederlegen. Dies ist völkerrechtlich und überall, ja sogar in Oesterreich 1830 mit einer fremden Armee geschehen. Jellachich muß sich entwaffnen, wenn nicht auf andere Weise sein Recht suchen.

Wir haben unter uns einen Kaiser gehabt, ein Ministerium, jetzt sind beide nicht da, aber wir sind geblieben, treu unserer Pflicht!

Außerordentliche, lebhafte Acclamation.

Wir haben Alles gethan; es hätte dem Kaiser nur einen Federzug gekostet, Friede zu machen, es ist nicht geschehen; unsere Deputation wurde kaum angehört; unsere Pflichten sind erfüllt, nun komme das Blut, das fließen sollte, über Jene, die es absichtlich hervorrufen wollen. Er ist für die Annahme des Schreibens.

Fedorowitsch wurde für seine gedrungene und wahrhaft treffliche Rede mit den anerkennendsten Zurufen der Kammer belohnt.

Das Schreiben wird mit einer von Goldmark beantragten Aenderung angenommen.

Umlauft beantragt alsogleiche Kundgebung an die Bevölkerung. Angenommen.

Schuselka sagt noch, daß der Ausschuß die Ueberlieferung des Baron Recsay für jetzt nicht gut halte, und zwar zu dessen eigenen Sicherheit. Derselbe befindet sich in Verwahrung der akademischen Legion und wird mit aller Rücksicht behandelt, so wie er sein Wohlbefinden im Convictsgebäude auch brieflich seiner Familie gemeldet hat.

Würde man ihn ins Lager abführen, so ist ein Ausbruch der Volkswuth zu fürchten, den man eben zur Sicherheit der Person des Barons hinanhalten will.

Präsident Smolka richtet nun ernste Worte an die Versammlung. Er ermahnt, wie wichtig nach solchen Beschlüssen das Wirken jedes einzelnen Mitgliedes sei, und fordert zur Thätigkeit, zum pünktlichen Erscheinen auf. Er kann auch anzeigen, daß viele Mitglieder, die sich am Anfange der Bewegung durch falsche Auffassung der Ereignisse entfernten, wieder rückkehren werden.

Wir glauben auf den ernsten Mienen der Deputirten den Schwur geschrieben gesehen zu haben, auf ihren Sitzen zu bleiben, wenns Noth thut auch zu sterben! Sie werden ihn halten, so hoffen wir, so hofft die Welt!

Ein Abg. Will auch die Ingenieurakademie unter den besonderen Schutz des Reichstags gestellt wissen.

Fedorowitsch antwortet, daß der beste Schutz, wie es sich glänzend erweist, der des Wiener Volkes sei und es keines andern bedarf. Lebhafter Beifall.

Der Abg. zieht seinen Antrag zurück, umsomehr, da ein allgemeiner Schutz bereits ausgesprochen ist.

Die Sitzung wird, da kein anderer Gegenstand vorliegt, aufgehoben (5 Uhr) Eröffnung morgen 10 Uhr.

Wien.

(Vom Banus ist folgende Zuschrift an den Reichstag gekommen.) Hoher Reichstag! Aus der Antwort, welche ich gestern die Ehre hatte an Se. Excellenz den kommandirenden Grafen Auersperg, aus Anlaß einer, von Seite des hohen Reichstages an denselben gerichteten und zweifelsohne von demselben bereits erwiederten Zuschrift zu geben, wird der hohe Reichstag die Motive, welche mich vor die Mauern Wiens geführt haben, zuverlässig mit Beruhigung entnommen haben. Ich erlaube in diesem nur noch die bestimmteste Erklärung hinzu zu geben, daß es mir eben so sehr meine eigene innigste Ueberzeugung als meine Stellung zur heiligsten Pflicht macht, die freien Institutionen unseres Vaterlandes nicht allein nicht anzutasten, sondern mit allen meinen Kräften zu schützen. Mein jetziges Verhältniß zur herrschenden Partei in Ungarn ist ja eben der Beweis für mein Streben nach Gleichberechtigung und gesetzlicher Freiheit.

Die Anarchie, die rohe Gewalt ist ein Fluch für alle Völker, und diese zu bekämpfen ist eines jeden Staatsbürgers Pflicht, und in diesem Sinne biete ich mit aller Energie des Willens und der That jeder gesetzlichen Gewalt meine Hilfe an. Der hohe Reichstag erlaube mir am Schlusse noch die Bemerkung, wie bedauerlich es wäre, wenn bei einem etwaigen Ueberschreiten der österreichischen Gränze durch die magyarischen Truppen die Gegend um Wien der Schauplatz eines blutigen Kampfes und Wien selbst den Gräueln eines verderblichen Krieges preisgegeben würde, den ich im Interesse der Menschheit und des österreichischen Gesammtvaterlandes so gerne vermieden und einen Frieden herbeigeführt wissen möchte, der auf feste Garantieen gestützt im Stande wäre, Ruhe, Ordnung und gesetzliche Freiheit, somit das glückliche Gedeihen des Kaiserstaates und aller seiner Theile unter dem Zepter unseres konstitutionellen Kaisers und Königs bleibend zu sichern.

Hauptquartier Roth-Neusiedl, den 13. Oktober 1848.

Jellachich, Feldmarschall-Lieutenant und Van.

Wien, 14. Okt.

Die A. Oestr. Z. macht folgende Bemerkung über die deutschen Gesandten: "Merkwürdig ist das Verhalten der hiesigen Gesandten deutscher Staaten. Fühlen diese Herren nicht, was ihre Pflicht ist, wissen sie nicht, daß sie Wien als deutschen Boden zu erklären und das Schwerdt des vereinigten Deutschlands in die eine Wagschale zu werfen haben, wenn in der andern die ganze Slavenwelt sich hineindrängt? Der preußische, baierische, sächsische Gesandte müssen von ihren Höfen schon Befehle erhalten haben - wie lauten sie?"

Olmütz.

Von allen Seiten strömen Truppenmärsche gegen Wien. Böhmen hat seinen Contingent gestellt. Auch aus Galizien, zumal aus dem Krakau'schen marschirt das Militär bereits ab. Die Eisenbahnbeamten verweigern jede Beförderung des Militärs, als der Anordnung des Reichstags zuwidrrlaufend. Sie geben nur der Gewalt nach, und lassen sich dann ein Certificat ausstellen, daß sie gezwungen worden sind. - Da eine hohe Militairperson die Ausstellung eines solchen Certificates nicht verantworten zu können glaubte, mußte das Regiment Khevenhüller von Olmütz aus, seine Märsche zu Fuß fortsetzen.

Olmütz.

Proklamation. Die letzten Ereignisse in Wien beweisen leider einen Zustand böswillig hervorgebrachter Aufregung, welcher alle Ordnung stört, den Gesetzen Trotz bietet und es unmöglich macht, Verfassung und Gesetze angemessen auszuarbeiten und das Eigenthum zu sichern. Dieser Zustand erfordert im Interesse eines jeden Staatsbürgers eine baldige Beendigung, die nur durch kräftige Maßregeln herbeigeführt werden kann. Die zu diesem Zwecke getroffenen militärischen Vorkehrungen sollen daher keineswegs die von Sr. Majestät unserem allergnädigsten Kaiser verliehenen Rechte schmälern oder rückgängig machen, sondern im Gegentheile jeden Einzelnen im Genuße derselben, und den Staat vor Anarchie schützen. Ich fordere daher alle rechtlich Denkenden auf, jedes hier so unbegründete Mißtrauen zu beseitigen, und durch ruhiges Verhalten die zur Förderung des allgemeinen Wohles unumgänglich nöthigen Maßregeln nicht zu stören. Olmütz, am 11. Oktober 1848. Im Auftrage Sr. Durchlaucht des kommandirenden Herrn Generalen in Böhmen, Fürsten Windischgräz: von Wyß, General-Major. Sunstenau, Feldmarschall-Lieutenant und Festungs-Kommandant.

Olmütz, 12. October.

Heute zieht eine öffentliche Kundmachung an den Straßenecken Aller Aufmerksamkeit auf sich. Sie lautet: "Nach einem so eben angelangten Schreiben des mährischschlesischen Guberniums v. 10. d. Mts. wird Se. Majestät der Kaiser sein Hoflager auf einige Zeit nach Olmütz verlegen, was hiermit den Bewohnern dieser Hauptstadt zur Kenntniß gebracht wird. Merkandin, Kreishauptmann." Der Kaiser sammt dem Hofstaate wird im erzbischöflichen Palais absteigen. Auch die Studenten berathschlagten in der Aula, und es fanden sich viele Entschlossene, die bewaffnet nach Wien ihren Collegen zu Hülfe ziehen wollten. Doch hindert sie daran das Militär, das seit einigen Tagen die Bahn besetzt hält. Wie es während der Prager Pfingsttage geschah, so scheinen auch jetzt die Wachen hier verstärkt zu werden. Die Kanoniere lustwandeln überall mit Gewehren vor ihrem Schilderhäuschen, einige Thore werden schon um 1 Uhr Abends gesperrt, die anderen erst um 10 Uhr. Der Flüchtlinge aus Wien gibt es an allen Stationen in Masse.

(C. B. a. B.)
Prag, 14. Okt.

Bekanntmachung.

Ueber die Ankunft Seiner Majestät in Olmütz hat der Olmützer Kreishauptmann dem gefertigten Vicepräsidenten mittelst einer um 9 Uhr Abends eingelangten telegraphischen Depesche Folgendes mitgetheilt:

"Seine Majestät sind unter dem größten Jubel des Volkes heut um 4 Uhr 15 Minuten Nachmittags in Olmütz eingetroffen. Durch ganz Mähren begleiteten denselben die lautesten Beweise der Liebe, Anhänglichkeit und Dankbarkeit der Städte und der Landleute, denen Se. Majestät selbst versicherten, daß ihnen jene Freiheiten, die die allerhöchste Sanktion erhalten haben, ungeschmälert belassen werden. Der Wagen Seiner Majestät des Kaisers wurde in Olmütz vom Volke gezogen."

Mecsery, k. k. Gubernial-Vicepräsident.

!!! Frankfurt, 17. Oktober.

Präsident Simson. - Anfang um 1/2 10 Uhr. -

Die Bänke der Abgeordneten, sowie Tribünen und Gallerieen sehr leer. Als Curiosum theile ich Ihnen mit, daß um 9 Uhr (der Beginnzeit der Sitzung) 9 Abgeordneten im Haus sind. - So ist es täglich. Die Tagesordnung (welche nichts Interessantes bietet) ist Folgende:

1) Berathung über den vom Abgeordneten Dröge, Namens des volkswirthschaftlichen Ausschusses, erstatteten Bericht über die von den Vorstehern der Kaufmannschaft in Stettin Stolp etc. eingegangenen Petitionen.

2) Berathung über den von Abgeordneten v. Buttel, Namens des Prioritäts- und Petitionsausschusses, erstatteten Bericht über den Antrag des Abgeordneten Bresgen, die Stellung der Abgeordneten betreffend.

3) Berathung über den vom Abgeordneten Adams, Namens des Prioritäts- und Petitions-Ausschusses, erstatteten Bericht über eingekommene Adressen, die Beschlüsse der Reichsversammlung betreffend.

4) Berathung über den vom Abgeordneten Rödinger, Namens des Prioritäts- und Petitions-Ausschusses, erstatteten Bericht, wegen der Staatsschuld des ehemaligen Königreichs Westphalen.

5) Berathung über den vom Abgeordneten Gustav Fischer, Namens des Ausschusses für Geschäftsordnung, erstatteten Bericht über mehrere Anträge auf Abänderung des §. 41 der Geschäftsordnung, die Art der Abstimmung betreffend.

Vor der Tagesordnung.

Schlössel reklamirt gegen das Protokoll: "Die Außerung Schmerlings, die er gestern am Schluß seiner Rede mitgetheilt, nehmlich "diese Canaille müssen wir herausschaffen" (auf Schmidt von Lowenberg deutend) müsse in's Protokoll aufgenommen werden. - Es erhebt sich hierüber eine heftige Debatte zwischen Schlössel, Biedermann, Bassermann, Simon von Trier, von Braning. - Herr Schlössel weicht endlich dem Toben der Versammlung, und erklärt mit Ruhe, auf die Aufnahme der Außerung in's Protokoll zu verzichten, da die Versammlung dagegen sei. - Zachariä will in's Protokoll aufgenommen: Die Außerung von Vogt gegen Schmerling: "Solche Streiche möge er künftig unterlassen." (S. gestr. Sitzung.) Zugleich spricht Zachariä seine Verwunderung darüber aus, daß Vogt nicht zur Ordnung gerufen worden ist.-

Vogt vom Platz: "Ich wünsche auch, daß diese meine Aeußerung zu Protokoll genommen werde." (Ungeheure Heiterkeit.)

Präsident theilt mit, daß ein Volksschullehrer-Congreß sich in Frankfurt konstituirt hat, der demnächst seine Sitzungen mit der Berathung über Artikel IV der Grundrechte beginnen wird. (Gelächter!)

Mehrere Berichte werden zum Druck angezeigt.

Auf einen Antrag Plathners wird der Central-Legitimationsauschuß ermächtigt, den neu eintretenden Abgeordneten auf Grund der von denselben zu überreichenden Wahlurkunden, den vorläufigen Eintritt in die National-Versammlung zu gestatten. -

Benedey und Viele stellen den dringlichen Antrag: "Alle deutschen, jetzt in Frage gestellten, Interessen in Oestreich in Schutz zu nehmen. - Alle deutschen Truppen Oestreichs nur dem Reichstag und den verantwortlichen Ministern zur Verfügung zu stellen, endlich die Reichskommissäre mit Ausführung dieser Anträge zu beauftragen. -

Zell beantragt, den Venedeischen Antrag einer Kommission von 15 Mitgliedern zu übergeben, die über diesen Antrag, und über die östreichischen Angelegenheiten uberhaupt in kürzester Frist berichte und Anträge stelle. -

Zur Begründung seiner Anträge erhält Benedey mit 162 Stimmen gegen 155 das Wort nicht. - (Also 317 Abgeordnete sind anwesend.)

Zell erhält das Wort zur Begründung der Dringlichkeit.

Zell empfiehlt seinen Antrag. Benedey: Ehe die Kommission ihre Entscheidung geben wird, wird Oestreich slawisch sein. - Deshalb möchte man wenigstens der Kommission aufgeben, binnen 24 Stunden zu berichten.- In Malmö sei man zu spät gekommen, man möchte es in Wien verhüten.(Bravo !)

Die Versammlung erklärt den Antrag von Zell für dringlich und gleich zu diskutiren.

Vinke, hält es für unmöglich, jetzt über die östreichischen Angelegenheiten in der Versammlung einen Beschluß zu fassen, es sei vorläufig mit den ministeriellen Anordnungen vollkommen genug geschehen. - Wir haben der Centralgewalt die vollziehende Gewalt gegeben, und müssen ihr im vorliegenden Falle freie Hand lassen. - Es sei eine totale Verkennung des konstitutionellen Princips, wenn die Versammlung Alles selbst in die Hand nehmen, und das Ministerium bloß zu einer ausführenden Kommission machen wolle. (Schwaches Bravo.)

Beckerath, Minister. Das Ministerium verkennt nicht, die hohe Bedeutung der Wiener Ereignisse. Die Versammlung solle allerdings ihre Theilnahme an ihnen durch irgend einen Beschluß an den Tagen legen. Dies sei keineswegs dem konstitutionellen System entgegen. (Bravo.) Gegen die Errichtung eines (nach Zell beantragten) Ausschusses habe das Ministerium nichts zu erinnere. -

Die Diskussion wird geschlossen. Der Antrag von Zell (s. oben) wird angenommen. Das Zusatz-Amendement von Benedey, "daß die Kommission binnen 48 Stunden berichte," wird verworfen. Es frägt sich nun, welche Kommission damit betraut werden soll. Man beschließt eine neue Kommission dazu zu wählen. An dieselbe Kommission geht eine Erklärung des Vereins der Deutschen in Oesterreich, die gegen Jellachich's Ueberschreiten der österreichischen Gränze protestirt

Tagesordnung.

Ueber Nro. 1 (s. oben) geht man zur motivirten Tagesordnung über.

Nro. 2 der Tagesordnung.

Bresgen beantragt: Jeder Abgeordnete zur deutschen National-Versammlung, welcher nach seinem Antritt ein Amt etc. bei der Centralgewalt oder sonst ein Amt annimmt, hat sich einer neuen Wahl zu unterwerfen.

Hierzu gehören viele Verbesserungsanträge. Der Ausschußbericht tritt Bresgens Antrage bei.

Rösler von Dels: Schon längst sei es in konstitutionellen Staaten als Prinzip anerkannt, daß im Falle eines Amtsantrittes nach dem Eintritt in eine Kammer sich der Abgeordnete einer Neuwahl unterzieht. Als Zusatz beantragt er zu erklären: "daß die Stellung eines Beamten der Centralgewalt mit der Stellung eines Abgeordneten zur National-Versammlung unverträglich sei."

Kolb aus Speyer spricht sich dagegen aus, in den hier vorliegenden Fällen Neuwahlen vorzunehmen.

Eisenmann spricht sich für das Prinzip der Neuwahlen aus. Es wäre zu wünschen, daß die Beamten der Centralgewalt überhaupt feststehender wären, und sich nicht nach der Majorität veränderten.

Biedermann erklärt zuvörderst, daß wenn ihm seine Wähler ihr Mißtrauen zu erkennen geben würden, er sofort austreten würde. (Bravo.) Dies vorausgeschickt, erklärt er sich gegen ein Gesetz, im vorliegenden Fall Neuwahlen zu veranstalten. Im Verlauf seiner Rede beschuldigt der Redner die Linke, daß gerade von ihrer Partei mehreren Abgeordneten das Mandat gekündigt sei, und dies unberücksichtig gelassen hätten. (Links schreit man so lange: Namen! Namen! bis Biedermann einen sächsischen Abgeordneten für Bamberg (Titus?) und den für Naumburg (Reinstein) namhaft macht.

Siemens ist nicht der Ansicht, daß die Wähler einen wirklichen Ausdruck hätten, um ihre Mandate den Abgeordneten abzuverlangen. Wo dies geschähe, wäre es nur ein künstlich gemachter Akt. Zur Sache selbst, spricht er für den Antrag. (Schluß! Reden!)

Vogt erklärt sich für den Antrag der Minorität des Ausschusses und den Röslerschen Antrag. Es fehlen allerdings dem Ministerium die Fäden, aus denen man Majoritäten spinnt, als z. B. die Korruption, Beamtenheere, Orden, Titel etc., aber dazu wollen wir uns gratuliren. (Bravo! Sehr gut!) Was uns aber gefährlich ist, sind die Partikularinteressen, welche durch die Beamten der Einzelstaaten, die unter uns sitzen, am meisten befördert werden. Anlangend die demokratischen Reformirungen der einzelnen Kammern, so erwiesen sich diese als falsch. Biedermann in seiner Bemerkung über die Mißtrauensvoten hätte sagen sollen, ob die der Linken überschickten Mißtrauensvoten auch von der Majorität der Wähler ausgegangen seien, wie dies bei andern Mißtrauensvoten fast mit Einstimmigkeit vorgekommen. (Man ruft: Namen! und hört von vielen Seiten: Fuchs! Fuchs wird unter Gelächter namhaft gemacht und auf Bassermann sehr deutlich hingewiesen.

Bassermann: Man sage immer von dieser Seite (links), die Centralgewalt sei ohnmächtig, und jetzt wolle man dieser ohnmächtigen Gewalt so viel Kraft zutrauen, daß Stellungen in ihr, die Fähigkeit zum Abgeordneten aufheben. Der Unterstaatssekretair ist natürlich gegen die Neuwahlen. Es sei wahrhaftig traurig, wenn man Männern, die doch früher so ausgezeichnet (wie Bassermann, Jordan etc.), jetzt immer mit Mißtrauen entgegentrete. Er selbst habe noch kein Mißtrauensvotum erhalten, aber wenn dies geschähe, würde er sich nicht wundern, denn die Zeit wäre gekommen, wo man Männer, die man früher vergöttert, jetzt mit Haß verfolgt. (Unterbrechungen links. Beim Schluß klatscht das Centrum wüthenden Beifall.)

Der Schluß der Debatte wird genehmigt.

Biedermann beantragt: In Erwägung verschiedener Dinge, zur motivirten Tagesordnung überzugehen.

Der Antrag ist bedeutend unterstützt.

Rösler und Kalb beantragen über den Biedermannschen Antrag namentliche Abstimmung.

Die motivirte Tagesordnung wird mit 217 Stimmen gegen 156 Stimmen in namentlicher Abstimmung angenommen.

Nro. 3 und 4 der Tagesordnung werden vorläufig zu Gunsten der Nro. 5(s. oben) zurückgestellt. Es handelt sich um Abänderung in den Abstimmungen.

Zu dem Antrage des Ausschusses sind 4 Verbesserungsanträge von Osterroth, Siemens, Moritz Mohl.

Die Anträge des Ausschusses lauten:

"Die Abstimmung findet in der Regel durch Aufstehen und Sitzenbleiben statt. Ist das Ergebniß nach der Ansicht des Vorsitzenden zweifelhaft, so wird die Gegenprobe gemacht. Giebt auch diese nach der Ansicht der Mehrheit des Gesammtvorstandes kein sicheres Ergebniß, so wird durch weiße und blaue Stimmzettel abgestimmt. Die weißen Zettel bejahen, die blauen verneinen. Jeder Stimmzettel muß, wenn er gültig sein soll, mit der eigenhändigen Namensunterschrift des Stimmenden und der Angabe seines Wohnortes versehen sein. Zur Theilnahme an der Abstimmung ist persönliche Anwesenheit erforderlich. Die Stimmzettel werden in Urnen gesammelt und von den Schriftführern gezählt, sogleich nach Beendigung dieses Geschäfts verkündet der Vorsitzende das Ergebniß der Abstimmung. Nachträglich wird von den Schriftführern eine Stimmliste gefertigt und dieselbe einem der nächsten stenographischen Berichte beigelegt."

Der Berichterstatter spricht für den Ausschußantrag.

Der Antrag des Ausschusses wird angenommen. (S. o.)

Ein Zusatz-Antrag von Edel: "Diese Art von Abstimmung durch Stimmzettel findet nur dann statt, wenn namentliche Abstimmung nicht verlangt ist, wird angenommen.

ad 3 der Tagesordnung hat der Ausschuß beantragt: "sämmtliche Adressen etc. - ad acta zu legen." - Der Antrag wird angenommen.

Punkt 4 der Tagesordnung. (S. oben). In einer ohne alle Theilnahme angehörten Debatte sprechen nurZiegert und der JustizministerMohl und der Berichterstatter Rödinger.

Zum Ausschußantrage werden 3 bis 4 Verbesserungsanträge gestellt. Grävell nimmt seinen Antrag auf Zureden des Präsidenten zurück - Der Antrag des Ausschusses wird aber wieder aufgenommen, und zur Verwunderung des ganzen Hauses, und zum größten Erstaunen des Herrn Grävell angenommen. Derselbe überweist die westphälische Schuldensache dem Justizminister in der Erwartung, daß auch in dieser Sache Niemand beeinträchtigt werden wird.

Scharre. Biedermann habe ihm Mißtrauensvoten in die Schuhe geschoben. Er habe diese Unwahrheit des Hrn. Biedermann widerlegen wollen. Der Vicepräsident habe ihm gegen den Brauch des Hauses und gegen die gewohnte Art und Weise des Präsidenten von Gagern ungerechterweise das Wort hierzu versagt.(Links Bravo).

Simson. Erwidert, daß streng nach der Geschäftsordnung er ein Recht dazu hatte. (Bravo).

Scharre. Er habe die Praxis des Hauses für sich. (Tumult).

Linke. Die Praxis wäre allerdings für Scharre. Es finde überhaupt hierin eine große Unregelmäßigkeit statt. - Die Versammlung erklärt sich mit dem Betragen des Vicepräsidenten einverstanden. - Die Sitzung wird um 2 Uhr geschlossen. - Nächste Sitzung Donnerstag 9 Uhr.

107 Berlin, 16. October.

Als wir heute Nachmittag gegen 2 Uhr die Versammlung der Abgeordneten verließen, wurde in der ganzen Stadt Generalmarsch geschlagen. Es hieß, daß Arbeiterunruhen im Köpnickerfelde, am neuen Kanal, ausgebrochen und auch mehr als dreißig Personen dabei von den Bürgerwehrmännern theils verwundet und theils erschossen seien. Man konnte nichts Genaues erfahren. Ich bewegte mich in der Breitenstraße, als ich in meiner Nähe feuern hörte. Kurz darauf kam aus der Roßstraße ein Bataillon Bürgerwehr in größter Unordnung hervor. Sie hatten ohne alle Veranlassung auf einen Zug der Arbeiter geschossen, welche mehrere Leichen auf einer Bahre durch die Stadt trugen. Dies Verfahren der Bürgerwehr war empörend, denn heute hatten sie augenscheinlich keinen Grund zu schießen. Aber auch im Köpnickerfelde sollen sie ohne allen Grund von der Schußwaffe Gebrauch gemacht haben. Wie man mir eben erzählte, wurde die Bürgerwehr von den Arbeitern mit einem Hoch empfangen und nur einem sogenannten "Mißverständniß" ist es zuzuschreiben, daß der Befehlshaber der Bürgerwehr voraussetzte, daß die Arbeiter die neu aufzustellende Wasserhebemaschine ebenso wie die am vergangenen Donnerstage wieder zerstören wollten.

Es ist mir noch nicht gelungen, das Nähere des ganzen Hergangs zu erfahren. Alle Läden sind geschlossen und eine Menge Menschen sind auf den Straßen und Plätzen versammelt. Fünf Bahren, auf jeder die Leiche eines erschossenen Arbeiters, werden durch die Straßen getragen und entflammen die Wuth der Arbeiter auf's Höchste. Die Bürgerwehr verhält sich jetzt ganz passiv.

Diese Vorfälle sind sehr zu bedauern und es ist schon vielfach die Vermuthung ausgesprochen worden, daß sie von der Reaktion angeregt sind. Der Zwiespalt der hierdurch zwischen einem Theile der Bürgerwehr und den Arbeitern entstanden, verhindert eine große politische Demonstration die zu morgen vom demokratischen Klub angesetzt war und nun wahrscheinlich unterbleibt. Durch die Wiener Ereignisse war eine neue politische Aufregung hervorgebracht worden, sie sollte benutzt werden; aber dazu wäre die Einigkeit der Arbeiter mit den Bürgern nothwendig gewesen, und diese Einigkeit ist nun für's Erste gebrochen.

gefaßt, und wurde in seinen einzelnen Theilen als wahrhafter Ausdruck des Volkswillens jubelnd begrüßt.

Goldmark will, da in der Zuschrift Auersperg und Jellachich zugleich unterschrieben sind, daß man die Antwort nur an Auersperg richte, denn dieser ist Kommandirender von Niederösterreich, und Jellachich unterstehe ihm.

Podhotzki beantragt einige Verbesserungen.

Pillersdorf will, man möge einige Zugeständnisse machen, einen Tag mit der Antwort warten, und bis dahin eine Prüfungskommission ernennen. (Lautes Murren).

Goldmark ist entschieden dagegen. Die Stadt hat sich nicht nur friedlich verhalten, sondern sogar noch Proviant geliefert. Von Unterhandlungen könne hier nicht die Rede sein, man müsse das Damoklesschwert nicht nur Wiens, sondern der Monarchie endlich fallen machen.

Der lebhafteste Beifall bezeugt, daß Goldmark aus der Seele des Volkes gesprochen.

Smrecker erklärt sich eben so entschieden gegen dieses Zuharren.

Fedorowitsch stellt dar, wie der Reichstag seit Beginn der Ereignisse immer legal war und pazifizirend auftrat. Als man den Kriegsminister über Jellachichs Truppen interpellirte, sagte er, dies sei eine fremde Armee. Nun kommt diese fremde Armee auf fremden Boden, und zwingt sogar zur Verpflegung. Was muß geschehen, wenn eine Armee auf neutralen Boden kommt? Sie muß die Waffen niederlegen. Dies ist völkerrechtlich und überall, ja sogar in Oesterreich 1830 mit einer fremden Armee geschehen. Jellachich muß sich entwaffnen, wenn nicht auf andere Weise sein Recht suchen.

Wir haben unter uns einen Kaiser gehabt, ein Ministerium, jetzt sind beide nicht da, aber wir sind geblieben, treu unserer Pflicht!

Außerordentliche, lebhafte Acclamation.

Wir haben Alles gethan; es hätte dem Kaiser nur einen Federzug gekostet, Friede zu machen, es ist nicht geschehen; unsere Deputation wurde kaum angehört; unsere Pflichten sind erfüllt, nun komme das Blut, das fließen sollte, über Jene, die es absichtlich hervorrufen wollen. Er ist für die Annahme des Schreibens.

Fedorowitsch wurde für seine gedrungene und wahrhaft treffliche Rede mit den anerkennendsten Zurufen der Kammer belohnt.

Das Schreiben wird mit einer von Goldmark beantragten Aenderung angenommen.

Umlauft beantragt alsogleiche Kundgebung an die Bevölkerung. Angenommen.

Schuselka sagt noch, daß der Ausschuß die Ueberlieferung des Baron Recsay für jetzt nicht gut halte, und zwar zu dessen eigenen Sicherheit. Derselbe befindet sich in Verwahrung der akademischen Legion und wird mit aller Rücksicht behandelt, so wie er sein Wohlbefinden im Convictsgebäude auch brieflich seiner Familie gemeldet hat.

Würde man ihn ins Lager abführen, so ist ein Ausbruch der Volkswuth zu fürchten, den man eben zur Sicherheit der Person des Barons hinanhalten will.

Präsident Smolka richtet nun ernste Worte an die Versammlung. Er ermahnt, wie wichtig nach solchen Beschlüssen das Wirken jedes einzelnen Mitgliedes sei, und fordert zur Thätigkeit, zum pünktlichen Erscheinen auf. Er kann auch anzeigen, daß viele Mitglieder, die sich am Anfange der Bewegung durch falsche Auffassung der Ereignisse entfernten, wieder rückkehren werden.

Wir glauben auf den ernsten Mienen der Deputirten den Schwur geschrieben gesehen zu haben, auf ihren Sitzen zu bleiben, wenns Noth thut auch zu sterben! Sie werden ihn halten, so hoffen wir, so hofft die Welt!

Ein Abg. Will auch die Ingenieurakademie unter den besonderen Schutz des Reichstags gestellt wissen.

Fedorowitsch antwortet, daß der beste Schutz, wie es sich glänzend erweist, der des Wiener Volkes sei und es keines andern bedarf. Lebhafter Beifall.

Der Abg. zieht seinen Antrag zurück, umsomehr, da ein allgemeiner Schutz bereits ausgesprochen ist.

Die Sitzung wird, da kein anderer Gegenstand vorliegt, aufgehoben (5 Uhr) Eröffnung morgen 10 Uhr.

Wien.

(Vom Banus ist folgende Zuschrift an den Reichstag gekommen.) Hoher Reichstag! Aus der Antwort, welche ich gestern die Ehre hatte an Se. Excellenz den kommandirenden Grafen Auersperg, aus Anlaß einer, von Seite des hohen Reichstages an denselben gerichteten und zweifelsohne von demselben bereits erwiederten Zuschrift zu geben, wird der hohe Reichstag die Motive, welche mich vor die Mauern Wiens geführt haben, zuverlässig mit Beruhigung entnommen haben. Ich erlaube in diesem nur noch die bestimmteste Erklärung hinzu zu geben, daß es mir eben so sehr meine eigene innigste Ueberzeugung als meine Stellung zur heiligsten Pflicht macht, die freien Institutionen unseres Vaterlandes nicht allein nicht anzutasten, sondern mit allen meinen Kräften zu schützen. Mein jetziges Verhältniß zur herrschenden Partei in Ungarn ist ja eben der Beweis für mein Streben nach Gleichberechtigung und gesetzlicher Freiheit.

Die Anarchie, die rohe Gewalt ist ein Fluch für alle Völker, und diese zu bekämpfen ist eines jeden Staatsbürgers Pflicht, und in diesem Sinne biete ich mit aller Energie des Willens und der That jeder gesetzlichen Gewalt meine Hilfe an. Der hohe Reichstag erlaube mir am Schlusse noch die Bemerkung, wie bedauerlich es wäre, wenn bei einem etwaigen Ueberschreiten der österreichischen Gränze durch die magyarischen Truppen die Gegend um Wien der Schauplatz eines blutigen Kampfes und Wien selbst den Gräueln eines verderblichen Krieges preisgegeben würde, den ich im Interesse der Menschheit und des österreichischen Gesammtvaterlandes so gerne vermieden und einen Frieden herbeigeführt wissen möchte, der auf feste Garantieen gestützt im Stande wäre, Ruhe, Ordnung und gesetzliche Freiheit, somit das glückliche Gedeihen des Kaiserstaates und aller seiner Theile unter dem Zepter unseres konstitutionellen Kaisers und Königs bleibend zu sichern.

Hauptquartier Roth-Neusiedl, den 13. Oktober 1848.

Jellachich, Feldmarschall-Lieutenant und Van.

Wien, 14. Okt.

Die A. Oestr. Z. macht folgende Bemerkung über die deutschen Gesandten: „Merkwürdig ist das Verhalten der hiesigen Gesandten deutscher Staaten. Fühlen diese Herren nicht, was ihre Pflicht ist, wissen sie nicht, daß sie Wien als deutschen Boden zu erklären und das Schwerdt des vereinigten Deutschlands in die eine Wagschale zu werfen haben, wenn in der andern die ganze Slavenwelt sich hineindrängt? Der preußische, baierische, sächsische Gesandte müssen von ihren Höfen schon Befehle erhalten haben ‒ wie lauten sie?“

Olmütz.

Von allen Seiten strömen Truppenmärsche gegen Wien. Böhmen hat seinen Contingent gestellt. Auch aus Galizien, zumal aus dem Krakau'schen marschirt das Militär bereits ab. Die Eisenbahnbeamten verweigern jede Beförderung des Militärs, als der Anordnung des Reichstags zuwidrrlaufend. Sie geben nur der Gewalt nach, und lassen sich dann ein Certificat ausstellen, daß sie gezwungen worden sind. ‒ Da eine hohe Militairperson die Ausstellung eines solchen Certificates nicht verantworten zu können glaubte, mußte das Regiment Khevenhüller von Olmütz aus, seine Märsche zu Fuß fortsetzen.

Olmütz.

Proklamation. Die letzten Ereignisse in Wien beweisen leider einen Zustand böswillig hervorgebrachter Aufregung, welcher alle Ordnung stört, den Gesetzen Trotz bietet und es unmöglich macht, Verfassung und Gesetze angemessen auszuarbeiten und das Eigenthum zu sichern. Dieser Zustand erfordert im Interesse eines jeden Staatsbürgers eine baldige Beendigung, die nur durch kräftige Maßregeln herbeigeführt werden kann. Die zu diesem Zwecke getroffenen militärischen Vorkehrungen sollen daher keineswegs die von Sr. Majestät unserem allergnädigsten Kaiser verliehenen Rechte schmälern oder rückgängig machen, sondern im Gegentheile jeden Einzelnen im Genuße derselben, und den Staat vor Anarchie schützen. Ich fordere daher alle rechtlich Denkenden auf, jedes hier so unbegründete Mißtrauen zu beseitigen, und durch ruhiges Verhalten die zur Förderung des allgemeinen Wohles unumgänglich nöthigen Maßregeln nicht zu stören. Olmütz, am 11. Oktober 1848. Im Auftrage Sr. Durchlaucht des kommandirenden Herrn Generalen in Böhmen, Fürsten Windischgräz: von Wyß, General-Major. Sunstenau, Feldmarschall-Lieutenant und Festungs-Kommandant.

Olmütz, 12. October.

Heute zieht eine öffentliche Kundmachung an den Straßenecken Aller Aufmerksamkeit auf sich. Sie lautet: „Nach einem so eben angelangten Schreiben des mährischschlesischen Guberniums v. 10. d. Mts. wird Se. Majestät der Kaiser sein Hoflager auf einige Zeit nach Olmütz verlegen, was hiermit den Bewohnern dieser Hauptstadt zur Kenntniß gebracht wird. Merkandin, Kreishauptmann.“ Der Kaiser sammt dem Hofstaate wird im erzbischöflichen Palais absteigen. Auch die Studenten berathschlagten in der Aula, und es fanden sich viele Entschlossene, die bewaffnet nach Wien ihren Collegen zu Hülfe ziehen wollten. Doch hindert sie daran das Militär, das seit einigen Tagen die Bahn besetzt hält. Wie es während der Prager Pfingsttage geschah, so scheinen auch jetzt die Wachen hier verstärkt zu werden. Die Kanoniere lustwandeln überall mit Gewehren vor ihrem Schilderhäuschen, einige Thore werden schon um 1 Uhr Abends gesperrt, die anderen erst um 10 Uhr. Der Flüchtlinge aus Wien gibt es an allen Stationen in Masse.

(C. B. a. B.)
Prag, 14. Okt.

Bekanntmachung.

Ueber die Ankunft Seiner Majestät in Olmütz hat der Olmützer Kreishauptmann dem gefertigten Vicepräsidenten mittelst einer um 9 Uhr Abends eingelangten telegraphischen Depesche Folgendes mitgetheilt:

„Seine Majestät sind unter dem größten Jubel des Volkes heut um 4 Uhr 15 Minuten Nachmittags in Olmütz eingetroffen. Durch ganz Mähren begleiteten denselben die lautesten Beweise der Liebe, Anhänglichkeit und Dankbarkeit der Städte und der Landleute, denen Se. Majestät selbst versicherten, daß ihnen jene Freiheiten, die die allerhöchste Sanktion erhalten haben, ungeschmälert belassen werden. Der Wagen Seiner Majestät des Kaisers wurde in Olmütz vom Volke gezogen.“

Mecsery, k. k. Gubernial-Vicepräsident.

!!! Frankfurt, 17. Oktober.

Präsident Simson. ‒ Anfang um 1/2 10 Uhr. ‒

Die Bänke der Abgeordneten, sowie Tribünen und Gallerieen sehr leer. Als Curiosum theile ich Ihnen mit, daß um 9 Uhr (der Beginnzeit der Sitzung) 9 Abgeordneten im Haus sind. ‒ So ist es täglich. Die Tagesordnung (welche nichts Interessantes bietet) ist Folgende:

1) Berathung über den vom Abgeordneten Dröge, Namens des volkswirthschaftlichen Ausschusses, erstatteten Bericht über die von den Vorstehern der Kaufmannschaft in Stettin Stolp etc. eingegangenen Petitionen.

2) Berathung über den von Abgeordneten v. Buttel, Namens des Prioritäts- und Petitionsausschusses, erstatteten Bericht über den Antrag des Abgeordneten Bresgen, die Stellung der Abgeordneten betreffend.

3) Berathung über den vom Abgeordneten Adams, Namens des Prioritäts- und Petitions-Ausschusses, erstatteten Bericht über eingekommene Adressen, die Beschlüsse der Reichsversammlung betreffend.

4) Berathung über den vom Abgeordneten Rödinger, Namens des Prioritäts- und Petitions-Ausschusses, erstatteten Bericht, wegen der Staatsschuld des ehemaligen Königreichs Westphalen.

5) Berathung über den vom Abgeordneten Gustav Fischer, Namens des Ausschusses für Geschäftsordnung, erstatteten Bericht über mehrere Anträge auf Abänderung des §. 41 der Geschäftsordnung, die Art der Abstimmung betreffend.

Vor der Tagesordnung.

Schlössel reklamirt gegen das Protokoll: „Die Außerung Schmerlings, die er gestern am Schluß seiner Rede mitgetheilt, nehmlich „diese Canaille müssen wir herausschaffen“ (auf Schmidt von Lowenberg deutend) müsse in's Protokoll aufgenommen werden. ‒ Es erhebt sich hierüber eine heftige Debatte zwischen Schlössel, Biedermann, Bassermann, Simon von Trier, von Braning. ‒ Herr Schlössel weicht endlich dem Toben der Versammlung, und erklärt mit Ruhe, auf die Aufnahme der Außerung in's Protokoll zu verzichten, da die Versammlung dagegen sei. ‒ Zachariä will in's Protokoll aufgenommen: Die Außerung von Vogt gegen Schmerling: „Solche Streiche möge er künftig unterlassen.“ (S. gestr. Sitzung.) Zugleich spricht Zachariä seine Verwunderung darüber aus, daß Vogt nicht zur Ordnung gerufen worden ist.‒

Vogt vom Platz: „Ich wünsche auch, daß diese meine Aeußerung zu Protokoll genommen werde.“ (Ungeheure Heiterkeit.)

Präsident theilt mit, daß ein Volksschullehrer-Congreß sich in Frankfurt konstituirt hat, der demnächst seine Sitzungen mit der Berathung über Artikel IV der Grundrechte beginnen wird. (Gelächter!)

Mehrere Berichte werden zum Druck angezeigt.

Auf einen Antrag Plathners wird der Central-Legitimationsauschuß ermächtigt, den neu eintretenden Abgeordneten auf Grund der von denselben zu überreichenden Wahlurkunden, den vorläufigen Eintritt in die National-Versammlung zu gestatten. ‒

Benedey und Viele stellen den dringlichen Antrag: „Alle deutschen, jetzt in Frage gestellten, Interessen in Oestreich in Schutz zu nehmen. ‒ Alle deutschen Truppen Oestreichs nur dem Reichstag und den verantwortlichen Ministern zur Verfügung zu stellen, endlich die Reichskommissäre mit Ausführung dieser Anträge zu beauftragen. ‒

Zell beantragt, den Venedeischen Antrag einer Kommission von 15 Mitgliedern zu übergeben, die über diesen Antrag, und über die östreichischen Angelegenheiten uberhaupt in kürzester Frist berichte und Anträge stelle. ‒

Zur Begründung seiner Anträge erhält Benedey mit 162 Stimmen gegen 155 das Wort nicht. ‒ (Also 317 Abgeordnete sind anwesend.)

Zell erhält das Wort zur Begründung der Dringlichkeit.

Zell empfiehlt seinen Antrag. Benedey: Ehe die Kommission ihre Entscheidung geben wird, wird Oestreich slawisch sein. ‒ Deshalb möchte man wenigstens der Kommission aufgeben, binnen 24 Stunden zu berichten.‒ In Malmö sei man zu spät gekommen, man möchte es in Wien verhüten.(Bravo !)

Die Versammlung erklärt den Antrag von Zell für dringlich und gleich zu diskutiren.

Vinke, hält es für unmöglich, jetzt über die östreichischen Angelegenheiten in der Versammlung einen Beschluß zu fassen, es sei vorläufig mit den ministeriellen Anordnungen vollkommen genug geschehen. ‒ Wir haben der Centralgewalt die vollziehende Gewalt gegeben, und müssen ihr im vorliegenden Falle freie Hand lassen. ‒ Es sei eine totale Verkennung des konstitutionellen Princips, wenn die Versammlung Alles selbst in die Hand nehmen, und das Ministerium bloß zu einer ausführenden Kommission machen wolle. (Schwaches Bravo.)

Beckerath, Minister. Das Ministerium verkennt nicht, die hohe Bedeutung der Wiener Ereignisse. Die Versammlung solle allerdings ihre Theilnahme an ihnen durch irgend einen Beschluß an den Tagen legen. Dies sei keineswegs dem konstitutionellen System entgegen. (Bravo.) Gegen die Errichtung eines (nach Zell beantragten) Ausschusses habe das Ministerium nichts zu erinnere. ‒

Die Diskussion wird geschlossen. Der Antrag von Zell (s. oben) wird angenommen. Das Zusatz-Amendement von Benedey, „daß die Kommission binnen 48 Stunden berichte,“ wird verworfen. Es frägt sich nun, welche Kommission damit betraut werden soll. Man beschließt eine neue Kommission dazu zu wählen. An dieselbe Kommission geht eine Erklärung des Vereins der Deutschen in Oesterreich, die gegen Jellachich's Ueberschreiten der österreichischen Gränze protestirt

Tagesordnung.

Ueber Nro. 1 (s. oben) geht man zur motivirten Tagesordnung über.

Nro. 2 der Tagesordnung.

Bresgen beantragt: Jeder Abgeordnete zur deutschen National-Versammlung, welcher nach seinem Antritt ein Amt etc. bei der Centralgewalt oder sonst ein Amt annimmt, hat sich einer neuen Wahl zu unterwerfen.

Hierzu gehören viele Verbesserungsanträge. Der Ausschußbericht tritt Bresgens Antrage bei.

Rösler von Dels: Schon längst sei es in konstitutionellen Staaten als Prinzip anerkannt, daß im Falle eines Amtsantrittes nach dem Eintritt in eine Kammer sich der Abgeordnete einer Neuwahl unterzieht. Als Zusatz beantragt er zu erklären: „daß die Stellung eines Beamten der Centralgewalt mit der Stellung eines Abgeordneten zur National-Versammlung unverträglich sei.“

Kolb aus Speyer spricht sich dagegen aus, in den hier vorliegenden Fällen Neuwahlen vorzunehmen.

Eisenmann spricht sich für das Prinzip der Neuwahlen aus. Es wäre zu wünschen, daß die Beamten der Centralgewalt überhaupt feststehender wären, und sich nicht nach der Majorität veränderten.

Biedermann erklärt zuvörderst, daß wenn ihm seine Wähler ihr Mißtrauen zu erkennen geben würden, er sofort austreten würde. (Bravo.) Dies vorausgeschickt, erklärt er sich gegen ein Gesetz, im vorliegenden Fall Neuwahlen zu veranstalten. Im Verlauf seiner Rede beschuldigt der Redner die Linke, daß gerade von ihrer Partei mehreren Abgeordneten das Mandat gekündigt sei, und dies unberücksichtig gelassen hätten. (Links schreit man so lange: Namen! Namen! bis Biedermann einen sächsischen Abgeordneten für Bamberg (Titus?) und den für Naumburg (Reinstein) namhaft macht.

Siemens ist nicht der Ansicht, daß die Wähler einen wirklichen Ausdruck hätten, um ihre Mandate den Abgeordneten abzuverlangen. Wo dies geschähe, wäre es nur ein künstlich gemachter Akt. Zur Sache selbst, spricht er für den Antrag. (Schluß! Reden!)

Vogt erklärt sich für den Antrag der Minorität des Ausschusses und den Röslerschen Antrag. Es fehlen allerdings dem Ministerium die Fäden, aus denen man Majoritäten spinnt, als z. B. die Korruption, Beamtenheere, Orden, Titel etc., aber dazu wollen wir uns gratuliren. (Bravo! Sehr gut!) Was uns aber gefährlich ist, sind die Partikularinteressen, welche durch die Beamten der Einzelstaaten, die unter uns sitzen, am meisten befördert werden. Anlangend die demokratischen Reformirungen der einzelnen Kammern, so erwiesen sich diese als falsch. Biedermann in seiner Bemerkung über die Mißtrauensvoten hätte sagen sollen, ob die der Linken überschickten Mißtrauensvoten auch von der Majorität der Wähler ausgegangen seien, wie dies bei andern Mißtrauensvoten fast mit Einstimmigkeit vorgekommen. (Man ruft: Namen! und hört von vielen Seiten: Fuchs! Fuchs wird unter Gelächter namhaft gemacht und auf Bassermann sehr deutlich hingewiesen.

Bassermann: Man sage immer von dieser Seite (links), die Centralgewalt sei ohnmächtig, und jetzt wolle man dieser ohnmächtigen Gewalt so viel Kraft zutrauen, daß Stellungen in ihr, die Fähigkeit zum Abgeordneten aufheben. Der Unterstaatssekretair ist natürlich gegen die Neuwahlen. Es sei wahrhaftig traurig, wenn man Männern, die doch früher so ausgezeichnet (wie Bassermann, Jordan etc.), jetzt immer mit Mißtrauen entgegentrete. Er selbst habe noch kein Mißtrauensvotum erhalten, aber wenn dies geschähe, würde er sich nicht wundern, denn die Zeit wäre gekommen, wo man Männer, die man früher vergöttert, jetzt mit Haß verfolgt. (Unterbrechungen links. Beim Schluß klatscht das Centrum wüthenden Beifall.)

Der Schluß der Debatte wird genehmigt.

Biedermann beantragt: In Erwägung verschiedener Dinge, zur motivirten Tagesordnung überzugehen.

Der Antrag ist bedeutend unterstützt.

Rösler und Kalb beantragen über den Biedermannschen Antrag namentliche Abstimmung.

Die motivirte Tagesordnung wird mit 217 Stimmen gegen 156 Stimmen in namentlicher Abstimmung angenommen.

Nro. 3 und 4 der Tagesordnung werden vorläufig zu Gunsten der Nro. 5(s. oben) zurückgestellt. Es handelt sich um Abänderung in den Abstimmungen.

Zu dem Antrage des Ausschusses sind 4 Verbesserungsanträge von Osterroth, Siemens, Moritz Mohl.

Die Anträge des Ausschusses lauten:

„Die Abstimmung findet in der Regel durch Aufstehen und Sitzenbleiben statt. Ist das Ergebniß nach der Ansicht des Vorsitzenden zweifelhaft, so wird die Gegenprobe gemacht. Giebt auch diese nach der Ansicht der Mehrheit des Gesammtvorstandes kein sicheres Ergebniß, so wird durch weiße und blaue Stimmzettel abgestimmt. Die weißen Zettel bejahen, die blauen verneinen. Jeder Stimmzettel muß, wenn er gültig sein soll, mit der eigenhändigen Namensunterschrift des Stimmenden und der Angabe seines Wohnortes versehen sein. Zur Theilnahme an der Abstimmung ist persönliche Anwesenheit erforderlich. Die Stimmzettel werden in Urnen gesammelt und von den Schriftführern gezählt, sogleich nach Beendigung dieses Geschäfts verkündet der Vorsitzende das Ergebniß der Abstimmung. Nachträglich wird von den Schriftführern eine Stimmliste gefertigt und dieselbe einem der nächsten stenographischen Berichte beigelegt.“

Der Berichterstatter spricht für den Ausschußantrag.

Der Antrag des Ausschusses wird angenommen. (S. o.)

Ein Zusatz-Antrag von Edel: „Diese Art von Abstimmung durch Stimmzettel findet nur dann statt, wenn namentliche Abstimmung nicht verlangt ist, wird angenommen.

ad 3 der Tagesordnung hat der Ausschuß beantragt: „sämmtliche Adressen etc. ‒ ad acta zu legen.“ ‒ Der Antrag wird angenommen.

Punkt 4 der Tagesordnung. (S. oben). In einer ohne alle Theilnahme angehörten Debatte sprechen nurZiegert und der JustizministerMohl und der Berichterstatter Rödinger.

Zum Ausschußantrage werden 3 bis 4 Verbesserungsanträge gestellt. Grävell nimmt seinen Antrag auf Zureden des Präsidenten zurück ‒ Der Antrag des Ausschusses wird aber wieder aufgenommen, und zur Verwunderung des ganzen Hauses, und zum größten Erstaunen des Herrn Grävell angenommen. Derselbe überweist die westphälische Schuldensache dem Justizminister in der Erwartung, daß auch in dieser Sache Niemand beeinträchtigt werden wird.

Scharre. Biedermann habe ihm Mißtrauensvoten in die Schuhe geschoben. Er habe diese Unwahrheit des Hrn. Biedermann widerlegen wollen. Der Vicepräsident habe ihm gegen den Brauch des Hauses und gegen die gewohnte Art und Weise des Präsidenten von Gagern ungerechterweise das Wort hierzu versagt.(Links Bravo).

Simson. Erwidert, daß streng nach der Geschäftsordnung er ein Recht dazu hatte. (Bravo).

Scharre. Er habe die Praxis des Hauses für sich. (Tumult).

Linke. Die Praxis wäre allerdings für Scharre. Es finde überhaupt hierin eine große Unregelmäßigkeit statt. ‒ Die Versammlung erklärt sich mit dem Betragen des Vicepräsidenten einverstanden. ‒ Die Sitzung wird um 2 Uhr geschlossen. ‒ Nächste Sitzung Donnerstag 9 Uhr.

107 Berlin, 16. October.

Als wir heute Nachmittag gegen 2 Uhr die Versammlung der Abgeordneten verließen, wurde in der ganzen Stadt Generalmarsch geschlagen. Es hieß, daß Arbeiterunruhen im Köpnickerfelde, am neuen Kanal, ausgebrochen und auch mehr als dreißig Personen dabei von den Bürgerwehrmännern theils verwundet und theils erschossen seien. Man konnte nichts Genaues erfahren. Ich bewegte mich in der Breitenstraße, als ich in meiner Nähe feuern hörte. Kurz darauf kam aus der Roßstraße ein Bataillon Bürgerwehr in größter Unordnung hervor. Sie hatten ohne alle Veranlassung auf einen Zug der Arbeiter geschossen, welche mehrere Leichen auf einer Bahre durch die Stadt trugen. Dies Verfahren der Bürgerwehr war empörend, denn heute hatten sie augenscheinlich keinen Grund zu schießen. Aber auch im Köpnickerfelde sollen sie ohne allen Grund von der Schußwaffe Gebrauch gemacht haben. Wie man mir eben erzählte, wurde die Bürgerwehr von den Arbeitern mit einem Hoch empfangen und nur einem sogenannten „Mißverständniß“ ist es zuzuschreiben, daß der Befehlshaber der Bürgerwehr voraussetzte, daß die Arbeiter die neu aufzustellende Wasserhebemaschine ebenso wie die am vergangenen Donnerstage wieder zerstören wollten.

Es ist mir noch nicht gelungen, das Nähere des ganzen Hergangs zu erfahren. Alle Läden sind geschlossen und eine Menge Menschen sind auf den Straßen und Plätzen versammelt. Fünf Bahren, auf jeder die Leiche eines erschossenen Arbeiters, werden durch die Straßen getragen und entflammen die Wuth der Arbeiter auf's Höchste. Die Bürgerwehr verhält sich jetzt ganz passiv.

Diese Vorfälle sind sehr zu bedauern und es ist schon vielfach die Vermuthung ausgesprochen worden, daß sie von der Reaktion angeregt sind. Der Zwiespalt der hierdurch zwischen einem Theile der Bürgerwehr und den Arbeitern entstanden, verhindert eine große politische Demonstration die zu morgen vom demokratischen Klub angesetzt war und nun wahrscheinlich unterbleibt. Durch die Wiener Ereignisse war eine neue politische Aufregung hervorgebracht worden, sie sollte benutzt werden; aber dazu wäre die Einigkeit der Arbeiter mit den Bürgern nothwendig gewesen, und diese Einigkeit ist nun für's Erste gebrochen.

<TEI>
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gefaßt, und wurde in seinen einzelnen Theilen als wahrhafter Ausdruck des Volkswillens jubelnd begrüßt.</p>
          <p><hi rendition="#g">Goldmark</hi> will, da in der Zuschrift Auersperg und Jellachich zugleich unterschrieben sind, daß man die Antwort nur an Auersperg richte, denn dieser ist Kommandirender von Niederösterreich, und Jellachich unterstehe ihm.</p>
          <p><hi rendition="#g">Podhotzki</hi> beantragt einige Verbesserungen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Pillersdorf</hi> will, man möge einige Zugeständnisse machen, einen Tag mit der Antwort warten, und bis dahin eine Prüfungskommission ernennen. (Lautes Murren).</p>
          <p><hi rendition="#g">Goldmark</hi> ist entschieden dagegen. Die Stadt hat sich nicht nur friedlich verhalten, sondern sogar noch Proviant geliefert. Von Unterhandlungen könne hier nicht die Rede sein, man müsse das Damoklesschwert nicht nur Wiens, sondern der Monarchie endlich fallen machen.</p>
          <p>Der lebhafteste Beifall bezeugt, daß Goldmark aus der Seele des Volkes gesprochen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Smrecker</hi> erklärt sich eben so entschieden gegen dieses Zuharren.</p>
          <p><hi rendition="#g">Fedorowitsch</hi> stellt dar, wie der Reichstag seit Beginn der Ereignisse immer legal war und pazifizirend auftrat. Als man den Kriegsminister über Jellachichs Truppen interpellirte, sagte er, dies sei eine fremde Armee. Nun kommt diese fremde Armee auf fremden Boden, und zwingt sogar zur Verpflegung. Was muß geschehen, wenn eine Armee auf neutralen Boden kommt? Sie muß die Waffen niederlegen. Dies ist völkerrechtlich und überall, ja sogar in Oesterreich 1830 mit einer fremden Armee geschehen. Jellachich muß sich entwaffnen, wenn nicht auf andere Weise sein Recht suchen.</p>
          <p>Wir haben unter uns einen Kaiser gehabt, ein Ministerium, jetzt sind beide nicht da, aber wir sind geblieben, treu unserer Pflicht!</p>
          <p>Außerordentliche, lebhafte Acclamation.</p>
          <p>Wir haben Alles gethan; es hätte dem Kaiser nur einen Federzug gekostet, Friede zu machen, es ist nicht geschehen; unsere Deputation wurde kaum angehört; unsere Pflichten sind erfüllt, nun komme das Blut, das fließen sollte, über Jene, die es absichtlich hervorrufen wollen. Er ist für die Annahme des Schreibens.</p>
          <p>Fedorowitsch wurde für seine gedrungene und wahrhaft treffliche Rede mit den anerkennendsten Zurufen der Kammer belohnt.</p>
          <p>Das Schreiben wird mit einer von Goldmark beantragten Aenderung angenommen.</p>
          <p>Umlauft beantragt alsogleiche Kundgebung an die Bevölkerung. Angenommen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Schuselka</hi> sagt noch, daß der Ausschuß die Ueberlieferung des Baron Recsay für jetzt nicht gut halte, und zwar zu dessen eigenen Sicherheit. Derselbe befindet sich in Verwahrung der akademischen Legion und wird mit aller Rücksicht behandelt, so wie er sein Wohlbefinden im Convictsgebäude auch brieflich seiner Familie gemeldet hat.</p>
          <p>Würde man ihn ins Lager abführen, so ist ein Ausbruch der Volkswuth zu fürchten, den man eben zur Sicherheit der Person des Barons hinanhalten will.</p>
          <p>Präsident <hi rendition="#g">Smolka</hi> richtet nun ernste Worte an die Versammlung. Er ermahnt, wie wichtig nach solchen Beschlüssen das Wirken jedes einzelnen Mitgliedes sei, und fordert zur Thätigkeit, zum pünktlichen Erscheinen auf. Er kann auch anzeigen, daß viele Mitglieder, die sich am Anfange der Bewegung durch falsche Auffassung der Ereignisse entfernten, wieder rückkehren werden.</p>
          <p>Wir glauben auf den ernsten Mienen der Deputirten den Schwur geschrieben gesehen zu haben, auf ihren Sitzen zu bleiben, wenns Noth thut auch zu sterben! Sie werden ihn halten, so hoffen wir, so hofft die Welt!</p>
          <p>Ein Abg. Will auch die Ingenieurakademie unter den besonderen Schutz des Reichstags gestellt wissen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Fedorowitsch</hi> antwortet, daß der beste Schutz, wie es sich glänzend erweist, der des Wiener Volkes sei und es keines andern bedarf. Lebhafter Beifall.</p>
          <p>Der Abg. zieht seinen Antrag zurück, umsomehr, da ein allgemeiner Schutz bereits ausgesprochen ist.</p>
          <p>Die Sitzung wird, da kein anderer Gegenstand vorliegt, aufgehoben (5 Uhr) Eröffnung morgen 10 Uhr.</p>
        </div>
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          <head>Wien.</head>
          <p>(Vom Banus ist folgende Zuschrift an den Reichstag gekommen.) Hoher Reichstag! Aus der Antwort, welche ich gestern die Ehre hatte an Se. Excellenz den kommandirenden Grafen Auersperg, aus Anlaß einer, von Seite des hohen Reichstages an denselben gerichteten und zweifelsohne von demselben bereits erwiederten Zuschrift zu geben, wird der hohe Reichstag die Motive, welche mich vor die Mauern Wiens geführt haben, zuverlässig mit Beruhigung entnommen haben. Ich erlaube in diesem nur noch die bestimmteste Erklärung hinzu zu geben, daß es mir eben so sehr meine eigene innigste Ueberzeugung als meine Stellung zur heiligsten Pflicht macht, die freien Institutionen unseres Vaterlandes nicht allein nicht anzutasten, sondern mit allen meinen Kräften zu schützen. Mein jetziges Verhältniß zur herrschenden Partei in Ungarn ist ja eben der Beweis für mein Streben nach Gleichberechtigung und gesetzlicher Freiheit.</p>
          <p>Die Anarchie, die rohe Gewalt ist ein Fluch für alle Völker, und diese zu bekämpfen ist eines jeden Staatsbürgers Pflicht, und in diesem Sinne biete ich mit aller Energie des Willens und der That jeder gesetzlichen Gewalt meine Hilfe an. Der hohe Reichstag erlaube mir am Schlusse noch die Bemerkung, wie bedauerlich es wäre, wenn bei einem etwaigen Ueberschreiten der österreichischen Gränze durch die magyarischen Truppen die Gegend um Wien der Schauplatz eines blutigen Kampfes und Wien selbst den Gräueln eines verderblichen Krieges preisgegeben würde, den ich im Interesse der Menschheit und des österreichischen Gesammtvaterlandes so gerne vermieden und einen Frieden herbeigeführt wissen möchte, der auf feste Garantieen gestützt im Stande wäre, Ruhe, Ordnung und gesetzliche Freiheit, somit das glückliche Gedeihen des Kaiserstaates und aller seiner Theile unter dem Zepter unseres konstitutionellen Kaisers und Königs bleibend zu sichern.</p>
          <p>Hauptquartier Roth-Neusiedl, den 13. Oktober 1848.</p>
          <p><hi rendition="#g">Jellachich,</hi> Feldmarschall-Lieutenant und Van.</p>
        </div>
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          <head>Wien, 14. Okt.</head>
          <p>Die A. Oestr. Z. macht folgende Bemerkung über die deutschen Gesandten: &#x201E;Merkwürdig ist das Verhalten der hiesigen Gesandten deutscher Staaten. Fühlen diese Herren nicht, was ihre Pflicht ist, wissen sie nicht, daß sie Wien als deutschen Boden zu erklären und das Schwerdt des vereinigten Deutschlands in die eine Wagschale zu werfen haben, wenn in der andern die ganze Slavenwelt sich hineindrängt? Der preußische, baierische, sächsische Gesandte müssen von ihren Höfen schon Befehle erhalten haben &#x2012; wie lauten sie?&#x201C;</p>
        </div>
        <div xml:id="ar121_011" type="jArticle">
          <head>Olmütz.</head>
          <p>Von allen Seiten strömen Truppenmärsche gegen Wien. Böhmen hat seinen Contingent gestellt. Auch aus Galizien, zumal aus dem Krakau'schen marschirt das Militär bereits ab. Die Eisenbahnbeamten verweigern jede Beförderung des Militärs, als der Anordnung des Reichstags zuwidrrlaufend. Sie geben nur der Gewalt nach, und lassen sich dann ein Certificat ausstellen, daß sie gezwungen worden sind. &#x2012; Da eine hohe Militairperson die Ausstellung eines solchen Certificates nicht verantworten zu können glaubte, mußte das Regiment Khevenhüller von Olmütz aus, seine Märsche zu Fuß fortsetzen.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar121_012" type="jArticle">
          <head>Olmütz.</head>
          <p>Proklamation. Die letzten Ereignisse in Wien beweisen leider einen Zustand böswillig hervorgebrachter Aufregung, welcher alle Ordnung stört, den Gesetzen Trotz bietet und es unmöglich macht, Verfassung und Gesetze angemessen auszuarbeiten und das Eigenthum zu sichern. Dieser Zustand erfordert im Interesse eines jeden Staatsbürgers eine baldige Beendigung, die nur durch kräftige Maßregeln herbeigeführt werden kann. Die zu diesem Zwecke getroffenen militärischen Vorkehrungen sollen daher keineswegs die von Sr. Majestät unserem allergnädigsten Kaiser verliehenen Rechte schmälern oder rückgängig machen, sondern im Gegentheile jeden Einzelnen im Genuße derselben, und den Staat vor Anarchie schützen. Ich fordere daher alle rechtlich Denkenden auf, jedes hier so unbegründete Mißtrauen zu beseitigen, und durch ruhiges Verhalten die zur Förderung des allgemeinen Wohles unumgänglich nöthigen Maßregeln nicht zu stören. Olmütz, am 11. Oktober 1848. Im Auftrage Sr. Durchlaucht des kommandirenden Herrn Generalen in Böhmen, Fürsten Windischgräz: von Wyß, General-Major. Sunstenau, Feldmarschall-Lieutenant und Festungs-Kommandant.</p>
        </div>
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          <head>Olmütz, 12. October.</head>
          <p>Heute zieht eine öffentliche Kundmachung an den Straßenecken Aller Aufmerksamkeit auf sich. Sie lautet: &#x201E;Nach einem so eben angelangten Schreiben des mährischschlesischen Guberniums v. 10. d. Mts. wird Se. Majestät der Kaiser sein Hoflager auf einige Zeit nach Olmütz verlegen, was hiermit den Bewohnern dieser Hauptstadt zur Kenntniß gebracht wird. Merkandin, Kreishauptmann.&#x201C; Der Kaiser sammt dem Hofstaate wird im erzbischöflichen Palais absteigen. Auch die Studenten berathschlagten in der Aula, und es fanden sich viele Entschlossene, die bewaffnet nach Wien ihren Collegen zu Hülfe ziehen wollten. Doch hindert sie daran das Militär, das seit einigen Tagen die Bahn besetzt hält. Wie es während der Prager Pfingsttage geschah, so scheinen auch jetzt die Wachen hier verstärkt zu werden. Die Kanoniere lustwandeln überall mit Gewehren vor ihrem Schilderhäuschen, einige Thore werden schon um 1 Uhr Abends gesperrt, die anderen erst um 10 Uhr. Der Flüchtlinge aus Wien gibt es an allen Stationen in Masse.</p>
          <bibl>(C. B. a. B.)</bibl>
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          <head>Prag, 14. Okt.</head>
          <p>Bekanntmachung.</p>
          <p>Ueber die Ankunft Seiner Majestät in Olmütz hat der Olmützer Kreishauptmann dem gefertigten Vicepräsidenten mittelst einer um 9 Uhr Abends eingelangten telegraphischen Depesche Folgendes mitgetheilt:</p>
          <p>&#x201E;Seine Majestät sind unter dem größten Jubel des Volkes heut um 4 Uhr 15 Minuten Nachmittags in Olmütz eingetroffen. Durch ganz Mähren begleiteten denselben die lautesten Beweise der Liebe, Anhänglichkeit und Dankbarkeit der Städte und der Landleute, denen Se. Majestät selbst versicherten, daß ihnen jene Freiheiten, die die allerhöchste Sanktion erhalten haben, ungeschmälert belassen werden. Der Wagen Seiner Majestät des Kaisers wurde in Olmütz vom Volke gezogen.&#x201C;</p>
          <p><hi rendition="#g">Mecsery, k. k.</hi> Gubernial-Vicepräsident.</p>
        </div>
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          <head><bibl><author>!!!</author></bibl> Frankfurt, 17. Oktober.</head>
          <p>Präsident <hi rendition="#g">Simson.</hi> &#x2012; Anfang um 1/2 10 Uhr. &#x2012;</p>
          <p>Die Bänke der Abgeordneten, sowie Tribünen und Gallerieen sehr leer. Als Curiosum theile ich Ihnen mit, daß um 9 Uhr (der Beginnzeit der Sitzung) 9 Abgeordneten im Haus sind. &#x2012; So ist es täglich. Die Tagesordnung (welche nichts Interessantes bietet) ist Folgende:</p>
          <p>1) Berathung über den vom Abgeordneten Dröge, Namens des volkswirthschaftlichen Ausschusses, erstatteten Bericht über die von den Vorstehern der Kaufmannschaft in Stettin Stolp etc. eingegangenen Petitionen.</p>
          <p>2) Berathung über den von Abgeordneten v. Buttel, Namens des Prioritäts- und Petitionsausschusses, erstatteten Bericht über den Antrag des Abgeordneten Bresgen, die Stellung der Abgeordneten betreffend.</p>
          <p>3) Berathung über den vom Abgeordneten Adams, Namens des Prioritäts- und Petitions-Ausschusses, erstatteten Bericht über eingekommene Adressen, die Beschlüsse der Reichsversammlung betreffend.</p>
          <p>4) Berathung über den vom Abgeordneten Rödinger, Namens des Prioritäts- und Petitions-Ausschusses, erstatteten Bericht, wegen der Staatsschuld des ehemaligen Königreichs Westphalen.</p>
          <p>5) Berathung über den vom Abgeordneten Gustav Fischer, Namens des Ausschusses für Geschäftsordnung, erstatteten Bericht über mehrere Anträge auf Abänderung des §. 41 der Geschäftsordnung, die Art der Abstimmung betreffend.</p>
          <p>Vor der Tagesordnung.</p>
          <p><hi rendition="#g">Schlössel</hi> reklamirt gegen das Protokoll: &#x201E;Die Außerung Schmerlings, die er gestern am Schluß seiner Rede mitgetheilt, nehmlich &#x201E;diese Canaille müssen wir herausschaffen&#x201C; (auf Schmidt von Lowenberg deutend) müsse in's Protokoll aufgenommen werden. &#x2012; Es erhebt sich hierüber eine heftige Debatte zwischen Schlössel, Biedermann, Bassermann, Simon von Trier, von Braning. &#x2012; Herr Schlössel weicht endlich dem Toben der Versammlung, und erklärt mit Ruhe, auf die Aufnahme der Außerung in's Protokoll zu verzichten, da die Versammlung dagegen sei. &#x2012; Zachariä will in's Protokoll aufgenommen: Die Außerung von Vogt gegen Schmerling: &#x201E;Solche Streiche möge er künftig unterlassen.&#x201C; (S. gestr. Sitzung.) Zugleich spricht Zachariä seine Verwunderung darüber aus, daß Vogt nicht zur Ordnung gerufen worden ist.&#x2012;</p>
          <p><hi rendition="#g">Vogt</hi> vom Platz: &#x201E;Ich wünsche auch, daß diese meine Aeußerung zu Protokoll genommen werde.&#x201C; (Ungeheure Heiterkeit.)</p>
          <p>Präsident theilt mit, daß ein Volksschullehrer-Congreß sich in Frankfurt konstituirt hat, der demnächst seine Sitzungen mit der Berathung über Artikel IV der Grundrechte beginnen wird. (Gelächter!)</p>
          <p>Mehrere Berichte werden zum Druck angezeigt.</p>
          <p>Auf einen Antrag Plathners wird der Central-Legitimationsauschuß ermächtigt, den neu eintretenden Abgeordneten auf Grund der von denselben zu überreichenden Wahlurkunden, den vorläufigen Eintritt in die National-Versammlung zu gestatten. &#x2012;</p>
          <p><hi rendition="#g">Benedey</hi> und Viele stellen den dringlichen Antrag: &#x201E;Alle deutschen, jetzt in Frage gestellten, Interessen in Oestreich in Schutz zu nehmen. &#x2012; Alle deutschen Truppen Oestreichs nur dem Reichstag und den verantwortlichen Ministern zur Verfügung zu stellen, endlich die Reichskommissäre mit Ausführung dieser Anträge zu beauftragen. &#x2012;</p>
          <p><hi rendition="#g">Zell</hi> beantragt, den Venedeischen Antrag einer Kommission von 15 Mitgliedern zu übergeben, die über diesen Antrag, und über die östreichischen Angelegenheiten uberhaupt in kürzester Frist berichte und Anträge stelle. &#x2012;</p>
          <p>Zur Begründung seiner Anträge erhält Benedey mit 162 Stimmen gegen 155 das Wort <hi rendition="#g">nicht</hi>. &#x2012; (Also 317 Abgeordnete sind anwesend.)</p>
          <p><hi rendition="#g">Zell</hi> erhält das Wort zur Begründung der Dringlichkeit.</p>
          <p><hi rendition="#g">Zell</hi> empfiehlt seinen Antrag. Benedey: Ehe die Kommission ihre Entscheidung geben wird, wird Oestreich slawisch sein. &#x2012; Deshalb möchte man wenigstens der Kommission aufgeben, binnen 24 Stunden zu berichten.&#x2012; In Malmö sei man zu spät gekommen, man möchte es in Wien verhüten.(Bravo !)</p>
          <p>Die Versammlung erklärt den Antrag von Zell für dringlich und gleich zu diskutiren.</p>
          <p><hi rendition="#g">Vinke,</hi> hält es für unmöglich, jetzt über die östreichischen Angelegenheiten in der Versammlung einen Beschluß zu fassen, es sei vorläufig mit den ministeriellen Anordnungen vollkommen genug geschehen. &#x2012; Wir haben der Centralgewalt die vollziehende Gewalt gegeben, und müssen ihr im vorliegenden Falle freie Hand lassen. &#x2012; Es sei eine totale Verkennung des konstitutionellen Princips, wenn die Versammlung Alles selbst in die Hand nehmen, und das Ministerium bloß zu einer ausführenden Kommission machen wolle. (Schwaches Bravo.)</p>
          <p><hi rendition="#g">Beckerath,</hi> Minister. Das Ministerium verkennt nicht, die hohe Bedeutung der Wiener Ereignisse. Die Versammlung solle allerdings ihre Theilnahme an ihnen durch irgend einen Beschluß an den Tagen legen. Dies sei keineswegs dem konstitutionellen System entgegen. (Bravo.) Gegen die Errichtung eines (nach Zell beantragten) Ausschusses habe das Ministerium nichts zu erinnere. &#x2012;</p>
          <p>Die Diskussion wird geschlossen. Der Antrag von Zell (s. oben) wird angenommen. Das Zusatz-Amendement von Benedey, &#x201E;daß die Kommission binnen 48 Stunden berichte,&#x201C; wird verworfen. Es frägt sich nun, welche Kommission damit betraut werden soll. Man beschließt eine neue Kommission dazu zu wählen. An dieselbe Kommission geht eine Erklärung des Vereins der Deutschen in Oesterreich, die gegen Jellachich's Ueberschreiten der österreichischen Gränze protestirt</p>
          <p>Tagesordnung.</p>
          <p>Ueber Nro. 1 (s. oben) geht man zur motivirten Tagesordnung über.</p>
          <p>Nro. 2 der Tagesordnung.</p>
          <p><hi rendition="#g">Bresgen</hi> beantragt: Jeder Abgeordnete zur deutschen National-Versammlung, welcher nach seinem Antritt ein Amt etc. bei der Centralgewalt oder sonst ein Amt annimmt, hat sich einer neuen Wahl zu unterwerfen.</p>
          <p>Hierzu gehören viele Verbesserungsanträge. Der Ausschußbericht tritt Bresgens Antrage bei.</p>
          <p><hi rendition="#g">Rösler</hi> von Dels: Schon längst sei es in konstitutionellen Staaten als Prinzip anerkannt, daß im Falle eines Amtsantrittes nach dem Eintritt in eine Kammer sich der Abgeordnete einer Neuwahl unterzieht. Als Zusatz beantragt er zu erklären: &#x201E;daß die Stellung eines Beamten der Centralgewalt mit der Stellung eines Abgeordneten zur National-Versammlung unverträglich sei.&#x201C;</p>
          <p><hi rendition="#g">Kolb</hi> aus Speyer spricht sich dagegen aus, in den hier vorliegenden Fällen Neuwahlen vorzunehmen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Eisenmann</hi> spricht sich für das Prinzip der Neuwahlen aus. Es wäre zu wünschen, daß die Beamten der Centralgewalt überhaupt feststehender wären, und sich nicht nach der Majorität veränderten.</p>
          <p><hi rendition="#g">Biedermann</hi> erklärt zuvörderst, daß wenn ihm seine Wähler ihr Mißtrauen zu erkennen geben würden, er sofort austreten würde. (Bravo.) Dies vorausgeschickt, erklärt er sich gegen ein Gesetz, im vorliegenden Fall Neuwahlen zu veranstalten. Im Verlauf seiner Rede beschuldigt der Redner die Linke, daß gerade von ihrer Partei mehreren Abgeordneten das Mandat gekündigt sei, und dies unberücksichtig gelassen hätten. (Links schreit man so lange: Namen! Namen! bis Biedermann einen sächsischen Abgeordneten für Bamberg (Titus?) und den für Naumburg (Reinstein) namhaft macht.</p>
          <p><hi rendition="#g">Siemens</hi> ist nicht der Ansicht, daß die Wähler einen wirklichen Ausdruck hätten, um ihre Mandate den Abgeordneten abzuverlangen. Wo dies geschähe, wäre es nur ein künstlich gemachter Akt. Zur Sache selbst, spricht er für den Antrag. (Schluß! Reden!)</p>
          <p><hi rendition="#g">Vogt</hi> erklärt sich für den Antrag der Minorität des Ausschusses und den Röslerschen Antrag. Es fehlen allerdings dem Ministerium die Fäden, aus denen man Majoritäten spinnt, als z. B. die Korruption, Beamtenheere, Orden, Titel etc., aber dazu wollen wir uns gratuliren. (Bravo! Sehr gut!) Was uns aber gefährlich ist, sind die Partikularinteressen, welche durch die Beamten der Einzelstaaten, die unter uns sitzen, am meisten befördert werden. Anlangend die demokratischen Reformirungen der einzelnen Kammern, so erwiesen sich diese als falsch. Biedermann in seiner Bemerkung über die Mißtrauensvoten hätte sagen sollen, ob die der Linken überschickten Mißtrauensvoten auch von der Majorität der Wähler ausgegangen seien, wie dies bei andern Mißtrauensvoten fast mit Einstimmigkeit vorgekommen. (Man ruft: Namen! und hört von vielen Seiten: Fuchs! Fuchs wird unter Gelächter namhaft gemacht und auf Bassermann sehr deutlich hingewiesen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Bassermann:</hi> Man sage immer von dieser Seite (links), die Centralgewalt sei ohnmächtig, und jetzt wolle man dieser ohnmächtigen Gewalt so viel Kraft zutrauen, daß Stellungen in ihr, die Fähigkeit zum Abgeordneten aufheben. Der Unterstaatssekretair ist natürlich gegen die Neuwahlen. Es sei wahrhaftig traurig, wenn man Männern, die doch früher so ausgezeichnet (wie Bassermann, Jordan etc.), jetzt immer mit Mißtrauen entgegentrete. Er selbst habe noch kein Mißtrauensvotum erhalten, aber wenn dies geschähe, würde er sich nicht wundern, denn die Zeit wäre gekommen, wo man Männer, die man früher vergöttert, jetzt mit Haß verfolgt. (Unterbrechungen links. Beim Schluß klatscht das Centrum wüthenden Beifall.)</p>
          <p>Der Schluß der Debatte wird genehmigt.</p>
          <p><hi rendition="#g">Biedermann</hi> beantragt: In Erwägung verschiedener Dinge, zur motivirten Tagesordnung überzugehen.</p>
          <p>Der Antrag ist bedeutend unterstützt.</p>
          <p><hi rendition="#g">Rösler</hi> und <hi rendition="#g">Kalb</hi> beantragen über den Biedermannschen Antrag namentliche Abstimmung.</p>
          <p>Die motivirte Tagesordnung wird mit 217 Stimmen gegen 156 Stimmen in namentlicher Abstimmung angenommen.</p>
          <p>Nro. 3 und 4 der Tagesordnung werden vorläufig zu Gunsten der Nro. 5(s. oben) zurückgestellt. Es handelt sich um Abänderung in den Abstimmungen.</p>
          <p>Zu dem Antrage des Ausschusses sind 4 Verbesserungsanträge von Osterroth, Siemens, Moritz Mohl.</p>
          <p>Die Anträge des Ausschusses lauten:</p>
          <p>&#x201E;Die Abstimmung findet in der Regel durch Aufstehen und Sitzenbleiben statt. Ist das Ergebniß nach der Ansicht des Vorsitzenden zweifelhaft, so wird die Gegenprobe gemacht. Giebt auch diese nach der Ansicht der Mehrheit des Gesammtvorstandes kein sicheres Ergebniß, so wird durch weiße und blaue Stimmzettel abgestimmt. Die weißen Zettel bejahen, die blauen verneinen. Jeder Stimmzettel muß, wenn er gültig sein soll, mit der eigenhändigen Namensunterschrift des Stimmenden und der Angabe seines Wohnortes versehen sein. Zur Theilnahme an der Abstimmung ist persönliche Anwesenheit erforderlich. Die Stimmzettel werden in Urnen gesammelt und von den Schriftführern gezählt, sogleich nach Beendigung dieses Geschäfts verkündet der Vorsitzende das Ergebniß der Abstimmung. Nachträglich wird von den Schriftführern eine Stimmliste gefertigt und dieselbe einem der nächsten stenographischen Berichte beigelegt.&#x201C;</p>
          <p>Der Berichterstatter spricht für den Ausschußantrag.</p>
          <p>Der Antrag des Ausschusses wird angenommen. (S. o.)</p>
          <p>Ein Zusatz-Antrag von Edel: &#x201E;Diese Art von Abstimmung durch Stimmzettel findet nur dann statt, wenn namentliche Abstimmung nicht verlangt ist, wird angenommen.</p>
          <p>ad 3 der Tagesordnung hat der Ausschuß beantragt: &#x201E;sämmtliche Adressen etc. &#x2012; ad acta zu legen.&#x201C; &#x2012; Der Antrag wird angenommen.</p>
          <p>Punkt 4 der Tagesordnung. (S. oben). In einer ohne alle Theilnahme angehörten Debatte sprechen nur<hi rendition="#g">Ziegert</hi> und der Justizminister<hi rendition="#g">Mohl</hi> und der Berichterstatter <hi rendition="#g">Rödinger.</hi> </p>
          <p>Zum Ausschußantrage werden 3 bis 4 Verbesserungsanträge gestellt. Grävell nimmt seinen Antrag auf Zureden des Präsidenten zurück &#x2012; Der Antrag des Ausschusses wird aber wieder aufgenommen, und zur Verwunderung des ganzen Hauses, und zum größten Erstaunen des Herrn Grävell angenommen. Derselbe überweist die westphälische Schuldensache dem Justizminister in der Erwartung, daß auch in dieser Sache Niemand beeinträchtigt werden wird.</p>
          <p><hi rendition="#g">Scharre.</hi> Biedermann habe ihm Mißtrauensvoten in die Schuhe geschoben. Er habe diese Unwahrheit des Hrn. Biedermann widerlegen wollen. Der Vicepräsident habe ihm gegen den Brauch des Hauses und gegen die gewohnte Art und Weise des Präsidenten von Gagern ungerechterweise das Wort hierzu versagt.(Links Bravo).</p>
          <p><hi rendition="#g">Simson.</hi> Erwidert, daß streng nach der Geschäftsordnung er ein Recht dazu hatte. (Bravo).</p>
          <p><hi rendition="#g">Scharre.</hi> Er habe die Praxis des Hauses für sich. (Tumult).</p>
          <p><hi rendition="#g">Linke.</hi> Die Praxis wäre allerdings für Scharre. Es finde überhaupt hierin eine große Unregelmäßigkeit statt. &#x2012; Die Versammlung erklärt sich mit dem Betragen des Vicepräsidenten einverstanden. &#x2012; Die Sitzung wird um 2 Uhr geschlossen. &#x2012; Nächste Sitzung Donnerstag 9 Uhr.</p>
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          <head><bibl><author>107</author></bibl> Berlin, 16. October.</head>
          <p>Als wir heute Nachmittag gegen 2 Uhr die Versammlung der Abgeordneten verließen, wurde in der ganzen Stadt Generalmarsch geschlagen. Es hieß, daß Arbeiterunruhen im Köpnickerfelde, am neuen Kanal, ausgebrochen und auch mehr als dreißig Personen dabei von den Bürgerwehrmännern theils verwundet und theils erschossen seien. Man konnte nichts Genaues erfahren. Ich bewegte mich in der Breitenstraße, als ich in meiner Nähe feuern hörte. Kurz darauf kam aus der Roßstraße ein Bataillon Bürgerwehr in größter Unordnung hervor. Sie hatten <hi rendition="#g">ohne alle Veranlassung</hi> auf einen Zug der Arbeiter geschossen, welche mehrere Leichen auf einer Bahre durch die Stadt trugen. Dies Verfahren der Bürgerwehr war empörend, denn heute hatten sie augenscheinlich keinen Grund zu schießen. Aber auch im Köpnickerfelde sollen sie ohne allen Grund von der Schußwaffe Gebrauch gemacht haben. Wie man mir eben erzählte, wurde die Bürgerwehr von den Arbeitern mit einem Hoch empfangen und nur einem sogenannten &#x201E;<hi rendition="#g">Mißverständniß</hi>&#x201C; ist es zuzuschreiben, daß der Befehlshaber der Bürgerwehr <hi rendition="#g">voraussetzte,</hi> daß die Arbeiter die neu aufzustellende Wasserhebemaschine ebenso wie die am vergangenen Donnerstage wieder zerstören wollten.</p>
          <p>Es ist mir noch nicht gelungen, das Nähere des ganzen Hergangs zu erfahren. Alle Läden sind geschlossen und eine Menge Menschen sind auf den Straßen und Plätzen versammelt. Fünf Bahren, auf jeder die Leiche eines erschossenen Arbeiters, werden durch die Straßen getragen und entflammen die Wuth der Arbeiter auf's Höchste. Die Bürgerwehr verhält sich jetzt ganz passiv.</p>
          <p>Diese Vorfälle sind sehr zu bedauern und es ist schon vielfach die Vermuthung ausgesprochen worden, daß sie von der <hi rendition="#g">Reaktion</hi> angeregt sind. Der Zwiespalt der hierdurch zwischen einem Theile der Bürgerwehr und den Arbeitern entstanden, verhindert eine große politische Demonstration die zu morgen vom demokratischen Klub angesetzt war und nun wahrscheinlich unterbleibt. Durch die Wiener Ereignisse war eine neue politische Aufregung hervorgebracht worden, sie sollte benutzt werden; aber dazu wäre die Einigkeit der Arbeiter mit den Bürgern nothwendig gewesen, und diese Einigkeit ist nun für's Erste gebrochen.</p>
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</TEI>
[0608/0002] gefaßt, und wurde in seinen einzelnen Theilen als wahrhafter Ausdruck des Volkswillens jubelnd begrüßt. Goldmark will, da in der Zuschrift Auersperg und Jellachich zugleich unterschrieben sind, daß man die Antwort nur an Auersperg richte, denn dieser ist Kommandirender von Niederösterreich, und Jellachich unterstehe ihm. Podhotzki beantragt einige Verbesserungen. Pillersdorf will, man möge einige Zugeständnisse machen, einen Tag mit der Antwort warten, und bis dahin eine Prüfungskommission ernennen. (Lautes Murren). Goldmark ist entschieden dagegen. Die Stadt hat sich nicht nur friedlich verhalten, sondern sogar noch Proviant geliefert. Von Unterhandlungen könne hier nicht die Rede sein, man müsse das Damoklesschwert nicht nur Wiens, sondern der Monarchie endlich fallen machen. Der lebhafteste Beifall bezeugt, daß Goldmark aus der Seele des Volkes gesprochen. Smrecker erklärt sich eben so entschieden gegen dieses Zuharren. Fedorowitsch stellt dar, wie der Reichstag seit Beginn der Ereignisse immer legal war und pazifizirend auftrat. Als man den Kriegsminister über Jellachichs Truppen interpellirte, sagte er, dies sei eine fremde Armee. Nun kommt diese fremde Armee auf fremden Boden, und zwingt sogar zur Verpflegung. Was muß geschehen, wenn eine Armee auf neutralen Boden kommt? Sie muß die Waffen niederlegen. Dies ist völkerrechtlich und überall, ja sogar in Oesterreich 1830 mit einer fremden Armee geschehen. Jellachich muß sich entwaffnen, wenn nicht auf andere Weise sein Recht suchen. Wir haben unter uns einen Kaiser gehabt, ein Ministerium, jetzt sind beide nicht da, aber wir sind geblieben, treu unserer Pflicht! Außerordentliche, lebhafte Acclamation. Wir haben Alles gethan; es hätte dem Kaiser nur einen Federzug gekostet, Friede zu machen, es ist nicht geschehen; unsere Deputation wurde kaum angehört; unsere Pflichten sind erfüllt, nun komme das Blut, das fließen sollte, über Jene, die es absichtlich hervorrufen wollen. Er ist für die Annahme des Schreibens. Fedorowitsch wurde für seine gedrungene und wahrhaft treffliche Rede mit den anerkennendsten Zurufen der Kammer belohnt. Das Schreiben wird mit einer von Goldmark beantragten Aenderung angenommen. Umlauft beantragt alsogleiche Kundgebung an die Bevölkerung. Angenommen. Schuselka sagt noch, daß der Ausschuß die Ueberlieferung des Baron Recsay für jetzt nicht gut halte, und zwar zu dessen eigenen Sicherheit. Derselbe befindet sich in Verwahrung der akademischen Legion und wird mit aller Rücksicht behandelt, so wie er sein Wohlbefinden im Convictsgebäude auch brieflich seiner Familie gemeldet hat. Würde man ihn ins Lager abführen, so ist ein Ausbruch der Volkswuth zu fürchten, den man eben zur Sicherheit der Person des Barons hinanhalten will. Präsident Smolka richtet nun ernste Worte an die Versammlung. Er ermahnt, wie wichtig nach solchen Beschlüssen das Wirken jedes einzelnen Mitgliedes sei, und fordert zur Thätigkeit, zum pünktlichen Erscheinen auf. Er kann auch anzeigen, daß viele Mitglieder, die sich am Anfange der Bewegung durch falsche Auffassung der Ereignisse entfernten, wieder rückkehren werden. Wir glauben auf den ernsten Mienen der Deputirten den Schwur geschrieben gesehen zu haben, auf ihren Sitzen zu bleiben, wenns Noth thut auch zu sterben! Sie werden ihn halten, so hoffen wir, so hofft die Welt! Ein Abg. Will auch die Ingenieurakademie unter den besonderen Schutz des Reichstags gestellt wissen. Fedorowitsch antwortet, daß der beste Schutz, wie es sich glänzend erweist, der des Wiener Volkes sei und es keines andern bedarf. Lebhafter Beifall. Der Abg. zieht seinen Antrag zurück, umsomehr, da ein allgemeiner Schutz bereits ausgesprochen ist. Die Sitzung wird, da kein anderer Gegenstand vorliegt, aufgehoben (5 Uhr) Eröffnung morgen 10 Uhr. Wien. (Vom Banus ist folgende Zuschrift an den Reichstag gekommen.) Hoher Reichstag! Aus der Antwort, welche ich gestern die Ehre hatte an Se. Excellenz den kommandirenden Grafen Auersperg, aus Anlaß einer, von Seite des hohen Reichstages an denselben gerichteten und zweifelsohne von demselben bereits erwiederten Zuschrift zu geben, wird der hohe Reichstag die Motive, welche mich vor die Mauern Wiens geführt haben, zuverlässig mit Beruhigung entnommen haben. Ich erlaube in diesem nur noch die bestimmteste Erklärung hinzu zu geben, daß es mir eben so sehr meine eigene innigste Ueberzeugung als meine Stellung zur heiligsten Pflicht macht, die freien Institutionen unseres Vaterlandes nicht allein nicht anzutasten, sondern mit allen meinen Kräften zu schützen. Mein jetziges Verhältniß zur herrschenden Partei in Ungarn ist ja eben der Beweis für mein Streben nach Gleichberechtigung und gesetzlicher Freiheit. Die Anarchie, die rohe Gewalt ist ein Fluch für alle Völker, und diese zu bekämpfen ist eines jeden Staatsbürgers Pflicht, und in diesem Sinne biete ich mit aller Energie des Willens und der That jeder gesetzlichen Gewalt meine Hilfe an. Der hohe Reichstag erlaube mir am Schlusse noch die Bemerkung, wie bedauerlich es wäre, wenn bei einem etwaigen Ueberschreiten der österreichischen Gränze durch die magyarischen Truppen die Gegend um Wien der Schauplatz eines blutigen Kampfes und Wien selbst den Gräueln eines verderblichen Krieges preisgegeben würde, den ich im Interesse der Menschheit und des österreichischen Gesammtvaterlandes so gerne vermieden und einen Frieden herbeigeführt wissen möchte, der auf feste Garantieen gestützt im Stande wäre, Ruhe, Ordnung und gesetzliche Freiheit, somit das glückliche Gedeihen des Kaiserstaates und aller seiner Theile unter dem Zepter unseres konstitutionellen Kaisers und Königs bleibend zu sichern. Hauptquartier Roth-Neusiedl, den 13. Oktober 1848. Jellachich, Feldmarschall-Lieutenant und Van. Wien, 14. Okt. Die A. Oestr. Z. macht folgende Bemerkung über die deutschen Gesandten: „Merkwürdig ist das Verhalten der hiesigen Gesandten deutscher Staaten. Fühlen diese Herren nicht, was ihre Pflicht ist, wissen sie nicht, daß sie Wien als deutschen Boden zu erklären und das Schwerdt des vereinigten Deutschlands in die eine Wagschale zu werfen haben, wenn in der andern die ganze Slavenwelt sich hineindrängt? Der preußische, baierische, sächsische Gesandte müssen von ihren Höfen schon Befehle erhalten haben ‒ wie lauten sie?“ Olmütz. Von allen Seiten strömen Truppenmärsche gegen Wien. Böhmen hat seinen Contingent gestellt. Auch aus Galizien, zumal aus dem Krakau'schen marschirt das Militär bereits ab. Die Eisenbahnbeamten verweigern jede Beförderung des Militärs, als der Anordnung des Reichstags zuwidrrlaufend. Sie geben nur der Gewalt nach, und lassen sich dann ein Certificat ausstellen, daß sie gezwungen worden sind. ‒ Da eine hohe Militairperson die Ausstellung eines solchen Certificates nicht verantworten zu können glaubte, mußte das Regiment Khevenhüller von Olmütz aus, seine Märsche zu Fuß fortsetzen. Olmütz. Proklamation. Die letzten Ereignisse in Wien beweisen leider einen Zustand böswillig hervorgebrachter Aufregung, welcher alle Ordnung stört, den Gesetzen Trotz bietet und es unmöglich macht, Verfassung und Gesetze angemessen auszuarbeiten und das Eigenthum zu sichern. Dieser Zustand erfordert im Interesse eines jeden Staatsbürgers eine baldige Beendigung, die nur durch kräftige Maßregeln herbeigeführt werden kann. Die zu diesem Zwecke getroffenen militärischen Vorkehrungen sollen daher keineswegs die von Sr. Majestät unserem allergnädigsten Kaiser verliehenen Rechte schmälern oder rückgängig machen, sondern im Gegentheile jeden Einzelnen im Genuße derselben, und den Staat vor Anarchie schützen. Ich fordere daher alle rechtlich Denkenden auf, jedes hier so unbegründete Mißtrauen zu beseitigen, und durch ruhiges Verhalten die zur Förderung des allgemeinen Wohles unumgänglich nöthigen Maßregeln nicht zu stören. Olmütz, am 11. Oktober 1848. Im Auftrage Sr. Durchlaucht des kommandirenden Herrn Generalen in Böhmen, Fürsten Windischgräz: von Wyß, General-Major. Sunstenau, Feldmarschall-Lieutenant und Festungs-Kommandant. Olmütz, 12. October. Heute zieht eine öffentliche Kundmachung an den Straßenecken Aller Aufmerksamkeit auf sich. Sie lautet: „Nach einem so eben angelangten Schreiben des mährischschlesischen Guberniums v. 10. d. Mts. wird Se. Majestät der Kaiser sein Hoflager auf einige Zeit nach Olmütz verlegen, was hiermit den Bewohnern dieser Hauptstadt zur Kenntniß gebracht wird. Merkandin, Kreishauptmann.“ Der Kaiser sammt dem Hofstaate wird im erzbischöflichen Palais absteigen. Auch die Studenten berathschlagten in der Aula, und es fanden sich viele Entschlossene, die bewaffnet nach Wien ihren Collegen zu Hülfe ziehen wollten. Doch hindert sie daran das Militär, das seit einigen Tagen die Bahn besetzt hält. Wie es während der Prager Pfingsttage geschah, so scheinen auch jetzt die Wachen hier verstärkt zu werden. Die Kanoniere lustwandeln überall mit Gewehren vor ihrem Schilderhäuschen, einige Thore werden schon um 1 Uhr Abends gesperrt, die anderen erst um 10 Uhr. Der Flüchtlinge aus Wien gibt es an allen Stationen in Masse. (C. B. a. B.) Prag, 14. Okt. Bekanntmachung. Ueber die Ankunft Seiner Majestät in Olmütz hat der Olmützer Kreishauptmann dem gefertigten Vicepräsidenten mittelst einer um 9 Uhr Abends eingelangten telegraphischen Depesche Folgendes mitgetheilt: „Seine Majestät sind unter dem größten Jubel des Volkes heut um 4 Uhr 15 Minuten Nachmittags in Olmütz eingetroffen. Durch ganz Mähren begleiteten denselben die lautesten Beweise der Liebe, Anhänglichkeit und Dankbarkeit der Städte und der Landleute, denen Se. Majestät selbst versicherten, daß ihnen jene Freiheiten, die die allerhöchste Sanktion erhalten haben, ungeschmälert belassen werden. Der Wagen Seiner Majestät des Kaisers wurde in Olmütz vom Volke gezogen.“ Mecsery, k. k. Gubernial-Vicepräsident. !!! Frankfurt, 17. Oktober. Präsident Simson. ‒ Anfang um 1/2 10 Uhr. ‒ Die Bänke der Abgeordneten, sowie Tribünen und Gallerieen sehr leer. Als Curiosum theile ich Ihnen mit, daß um 9 Uhr (der Beginnzeit der Sitzung) 9 Abgeordneten im Haus sind. ‒ So ist es täglich. Die Tagesordnung (welche nichts Interessantes bietet) ist Folgende: 1) Berathung über den vom Abgeordneten Dröge, Namens des volkswirthschaftlichen Ausschusses, erstatteten Bericht über die von den Vorstehern der Kaufmannschaft in Stettin Stolp etc. eingegangenen Petitionen. 2) Berathung über den von Abgeordneten v. Buttel, Namens des Prioritäts- und Petitionsausschusses, erstatteten Bericht über den Antrag des Abgeordneten Bresgen, die Stellung der Abgeordneten betreffend. 3) Berathung über den vom Abgeordneten Adams, Namens des Prioritäts- und Petitions-Ausschusses, erstatteten Bericht über eingekommene Adressen, die Beschlüsse der Reichsversammlung betreffend. 4) Berathung über den vom Abgeordneten Rödinger, Namens des Prioritäts- und Petitions-Ausschusses, erstatteten Bericht, wegen der Staatsschuld des ehemaligen Königreichs Westphalen. 5) Berathung über den vom Abgeordneten Gustav Fischer, Namens des Ausschusses für Geschäftsordnung, erstatteten Bericht über mehrere Anträge auf Abänderung des §. 41 der Geschäftsordnung, die Art der Abstimmung betreffend. Vor der Tagesordnung. Schlössel reklamirt gegen das Protokoll: „Die Außerung Schmerlings, die er gestern am Schluß seiner Rede mitgetheilt, nehmlich „diese Canaille müssen wir herausschaffen“ (auf Schmidt von Lowenberg deutend) müsse in's Protokoll aufgenommen werden. ‒ Es erhebt sich hierüber eine heftige Debatte zwischen Schlössel, Biedermann, Bassermann, Simon von Trier, von Braning. ‒ Herr Schlössel weicht endlich dem Toben der Versammlung, und erklärt mit Ruhe, auf die Aufnahme der Außerung in's Protokoll zu verzichten, da die Versammlung dagegen sei. ‒ Zachariä will in's Protokoll aufgenommen: Die Außerung von Vogt gegen Schmerling: „Solche Streiche möge er künftig unterlassen.“ (S. gestr. Sitzung.) Zugleich spricht Zachariä seine Verwunderung darüber aus, daß Vogt nicht zur Ordnung gerufen worden ist.‒ Vogt vom Platz: „Ich wünsche auch, daß diese meine Aeußerung zu Protokoll genommen werde.“ (Ungeheure Heiterkeit.) Präsident theilt mit, daß ein Volksschullehrer-Congreß sich in Frankfurt konstituirt hat, der demnächst seine Sitzungen mit der Berathung über Artikel IV der Grundrechte beginnen wird. (Gelächter!) Mehrere Berichte werden zum Druck angezeigt. Auf einen Antrag Plathners wird der Central-Legitimationsauschuß ermächtigt, den neu eintretenden Abgeordneten auf Grund der von denselben zu überreichenden Wahlurkunden, den vorläufigen Eintritt in die National-Versammlung zu gestatten. ‒ Benedey und Viele stellen den dringlichen Antrag: „Alle deutschen, jetzt in Frage gestellten, Interessen in Oestreich in Schutz zu nehmen. ‒ Alle deutschen Truppen Oestreichs nur dem Reichstag und den verantwortlichen Ministern zur Verfügung zu stellen, endlich die Reichskommissäre mit Ausführung dieser Anträge zu beauftragen. ‒ Zell beantragt, den Venedeischen Antrag einer Kommission von 15 Mitgliedern zu übergeben, die über diesen Antrag, und über die östreichischen Angelegenheiten uberhaupt in kürzester Frist berichte und Anträge stelle. ‒ Zur Begründung seiner Anträge erhält Benedey mit 162 Stimmen gegen 155 das Wort nicht. ‒ (Also 317 Abgeordnete sind anwesend.) Zell erhält das Wort zur Begründung der Dringlichkeit. Zell empfiehlt seinen Antrag. Benedey: Ehe die Kommission ihre Entscheidung geben wird, wird Oestreich slawisch sein. ‒ Deshalb möchte man wenigstens der Kommission aufgeben, binnen 24 Stunden zu berichten.‒ In Malmö sei man zu spät gekommen, man möchte es in Wien verhüten.(Bravo !) Die Versammlung erklärt den Antrag von Zell für dringlich und gleich zu diskutiren. Vinke, hält es für unmöglich, jetzt über die östreichischen Angelegenheiten in der Versammlung einen Beschluß zu fassen, es sei vorläufig mit den ministeriellen Anordnungen vollkommen genug geschehen. ‒ Wir haben der Centralgewalt die vollziehende Gewalt gegeben, und müssen ihr im vorliegenden Falle freie Hand lassen. ‒ Es sei eine totale Verkennung des konstitutionellen Princips, wenn die Versammlung Alles selbst in die Hand nehmen, und das Ministerium bloß zu einer ausführenden Kommission machen wolle. (Schwaches Bravo.) Beckerath, Minister. Das Ministerium verkennt nicht, die hohe Bedeutung der Wiener Ereignisse. Die Versammlung solle allerdings ihre Theilnahme an ihnen durch irgend einen Beschluß an den Tagen legen. Dies sei keineswegs dem konstitutionellen System entgegen. (Bravo.) Gegen die Errichtung eines (nach Zell beantragten) Ausschusses habe das Ministerium nichts zu erinnere. ‒ Die Diskussion wird geschlossen. Der Antrag von Zell (s. oben) wird angenommen. Das Zusatz-Amendement von Benedey, „daß die Kommission binnen 48 Stunden berichte,“ wird verworfen. Es frägt sich nun, welche Kommission damit betraut werden soll. Man beschließt eine neue Kommission dazu zu wählen. An dieselbe Kommission geht eine Erklärung des Vereins der Deutschen in Oesterreich, die gegen Jellachich's Ueberschreiten der österreichischen Gränze protestirt Tagesordnung. Ueber Nro. 1 (s. oben) geht man zur motivirten Tagesordnung über. Nro. 2 der Tagesordnung. Bresgen beantragt: Jeder Abgeordnete zur deutschen National-Versammlung, welcher nach seinem Antritt ein Amt etc. bei der Centralgewalt oder sonst ein Amt annimmt, hat sich einer neuen Wahl zu unterwerfen. Hierzu gehören viele Verbesserungsanträge. Der Ausschußbericht tritt Bresgens Antrage bei. Rösler von Dels: Schon längst sei es in konstitutionellen Staaten als Prinzip anerkannt, daß im Falle eines Amtsantrittes nach dem Eintritt in eine Kammer sich der Abgeordnete einer Neuwahl unterzieht. Als Zusatz beantragt er zu erklären: „daß die Stellung eines Beamten der Centralgewalt mit der Stellung eines Abgeordneten zur National-Versammlung unverträglich sei.“ Kolb aus Speyer spricht sich dagegen aus, in den hier vorliegenden Fällen Neuwahlen vorzunehmen. Eisenmann spricht sich für das Prinzip der Neuwahlen aus. Es wäre zu wünschen, daß die Beamten der Centralgewalt überhaupt feststehender wären, und sich nicht nach der Majorität veränderten. Biedermann erklärt zuvörderst, daß wenn ihm seine Wähler ihr Mißtrauen zu erkennen geben würden, er sofort austreten würde. (Bravo.) Dies vorausgeschickt, erklärt er sich gegen ein Gesetz, im vorliegenden Fall Neuwahlen zu veranstalten. Im Verlauf seiner Rede beschuldigt der Redner die Linke, daß gerade von ihrer Partei mehreren Abgeordneten das Mandat gekündigt sei, und dies unberücksichtig gelassen hätten. (Links schreit man so lange: Namen! Namen! bis Biedermann einen sächsischen Abgeordneten für Bamberg (Titus?) und den für Naumburg (Reinstein) namhaft macht. Siemens ist nicht der Ansicht, daß die Wähler einen wirklichen Ausdruck hätten, um ihre Mandate den Abgeordneten abzuverlangen. Wo dies geschähe, wäre es nur ein künstlich gemachter Akt. Zur Sache selbst, spricht er für den Antrag. (Schluß! Reden!) Vogt erklärt sich für den Antrag der Minorität des Ausschusses und den Röslerschen Antrag. Es fehlen allerdings dem Ministerium die Fäden, aus denen man Majoritäten spinnt, als z. B. die Korruption, Beamtenheere, Orden, Titel etc., aber dazu wollen wir uns gratuliren. (Bravo! Sehr gut!) Was uns aber gefährlich ist, sind die Partikularinteressen, welche durch die Beamten der Einzelstaaten, die unter uns sitzen, am meisten befördert werden. Anlangend die demokratischen Reformirungen der einzelnen Kammern, so erwiesen sich diese als falsch. Biedermann in seiner Bemerkung über die Mißtrauensvoten hätte sagen sollen, ob die der Linken überschickten Mißtrauensvoten auch von der Majorität der Wähler ausgegangen seien, wie dies bei andern Mißtrauensvoten fast mit Einstimmigkeit vorgekommen. (Man ruft: Namen! und hört von vielen Seiten: Fuchs! Fuchs wird unter Gelächter namhaft gemacht und auf Bassermann sehr deutlich hingewiesen. Bassermann: Man sage immer von dieser Seite (links), die Centralgewalt sei ohnmächtig, und jetzt wolle man dieser ohnmächtigen Gewalt so viel Kraft zutrauen, daß Stellungen in ihr, die Fähigkeit zum Abgeordneten aufheben. Der Unterstaatssekretair ist natürlich gegen die Neuwahlen. Es sei wahrhaftig traurig, wenn man Männern, die doch früher so ausgezeichnet (wie Bassermann, Jordan etc.), jetzt immer mit Mißtrauen entgegentrete. Er selbst habe noch kein Mißtrauensvotum erhalten, aber wenn dies geschähe, würde er sich nicht wundern, denn die Zeit wäre gekommen, wo man Männer, die man früher vergöttert, jetzt mit Haß verfolgt. (Unterbrechungen links. Beim Schluß klatscht das Centrum wüthenden Beifall.) Der Schluß der Debatte wird genehmigt. Biedermann beantragt: In Erwägung verschiedener Dinge, zur motivirten Tagesordnung überzugehen. Der Antrag ist bedeutend unterstützt. Rösler und Kalb beantragen über den Biedermannschen Antrag namentliche Abstimmung. Die motivirte Tagesordnung wird mit 217 Stimmen gegen 156 Stimmen in namentlicher Abstimmung angenommen. Nro. 3 und 4 der Tagesordnung werden vorläufig zu Gunsten der Nro. 5(s. oben) zurückgestellt. Es handelt sich um Abänderung in den Abstimmungen. Zu dem Antrage des Ausschusses sind 4 Verbesserungsanträge von Osterroth, Siemens, Moritz Mohl. Die Anträge des Ausschusses lauten: „Die Abstimmung findet in der Regel durch Aufstehen und Sitzenbleiben statt. Ist das Ergebniß nach der Ansicht des Vorsitzenden zweifelhaft, so wird die Gegenprobe gemacht. Giebt auch diese nach der Ansicht der Mehrheit des Gesammtvorstandes kein sicheres Ergebniß, so wird durch weiße und blaue Stimmzettel abgestimmt. Die weißen Zettel bejahen, die blauen verneinen. Jeder Stimmzettel muß, wenn er gültig sein soll, mit der eigenhändigen Namensunterschrift des Stimmenden und der Angabe seines Wohnortes versehen sein. Zur Theilnahme an der Abstimmung ist persönliche Anwesenheit erforderlich. Die Stimmzettel werden in Urnen gesammelt und von den Schriftführern gezählt, sogleich nach Beendigung dieses Geschäfts verkündet der Vorsitzende das Ergebniß der Abstimmung. Nachträglich wird von den Schriftführern eine Stimmliste gefertigt und dieselbe einem der nächsten stenographischen Berichte beigelegt.“ Der Berichterstatter spricht für den Ausschußantrag. Der Antrag des Ausschusses wird angenommen. (S. o.) Ein Zusatz-Antrag von Edel: „Diese Art von Abstimmung durch Stimmzettel findet nur dann statt, wenn namentliche Abstimmung nicht verlangt ist, wird angenommen. ad 3 der Tagesordnung hat der Ausschuß beantragt: „sämmtliche Adressen etc. ‒ ad acta zu legen.“ ‒ Der Antrag wird angenommen. Punkt 4 der Tagesordnung. (S. oben). In einer ohne alle Theilnahme angehörten Debatte sprechen nurZiegert und der JustizministerMohl und der Berichterstatter Rödinger. Zum Ausschußantrage werden 3 bis 4 Verbesserungsanträge gestellt. Grävell nimmt seinen Antrag auf Zureden des Präsidenten zurück ‒ Der Antrag des Ausschusses wird aber wieder aufgenommen, und zur Verwunderung des ganzen Hauses, und zum größten Erstaunen des Herrn Grävell angenommen. Derselbe überweist die westphälische Schuldensache dem Justizminister in der Erwartung, daß auch in dieser Sache Niemand beeinträchtigt werden wird. Scharre. Biedermann habe ihm Mißtrauensvoten in die Schuhe geschoben. Er habe diese Unwahrheit des Hrn. Biedermann widerlegen wollen. Der Vicepräsident habe ihm gegen den Brauch des Hauses und gegen die gewohnte Art und Weise des Präsidenten von Gagern ungerechterweise das Wort hierzu versagt.(Links Bravo). Simson. Erwidert, daß streng nach der Geschäftsordnung er ein Recht dazu hatte. (Bravo). Scharre. Er habe die Praxis des Hauses für sich. (Tumult). Linke. Die Praxis wäre allerdings für Scharre. Es finde überhaupt hierin eine große Unregelmäßigkeit statt. ‒ Die Versammlung erklärt sich mit dem Betragen des Vicepräsidenten einverstanden. ‒ Die Sitzung wird um 2 Uhr geschlossen. ‒ Nächste Sitzung Donnerstag 9 Uhr. 107 Berlin, 16. October. Als wir heute Nachmittag gegen 2 Uhr die Versammlung der Abgeordneten verließen, wurde in der ganzen Stadt Generalmarsch geschlagen. Es hieß, daß Arbeiterunruhen im Köpnickerfelde, am neuen Kanal, ausgebrochen und auch mehr als dreißig Personen dabei von den Bürgerwehrmännern theils verwundet und theils erschossen seien. Man konnte nichts Genaues erfahren. Ich bewegte mich in der Breitenstraße, als ich in meiner Nähe feuern hörte. Kurz darauf kam aus der Roßstraße ein Bataillon Bürgerwehr in größter Unordnung hervor. Sie hatten ohne alle Veranlassung auf einen Zug der Arbeiter geschossen, welche mehrere Leichen auf einer Bahre durch die Stadt trugen. Dies Verfahren der Bürgerwehr war empörend, denn heute hatten sie augenscheinlich keinen Grund zu schießen. Aber auch im Köpnickerfelde sollen sie ohne allen Grund von der Schußwaffe Gebrauch gemacht haben. Wie man mir eben erzählte, wurde die Bürgerwehr von den Arbeitern mit einem Hoch empfangen und nur einem sogenannten „Mißverständniß“ ist es zuzuschreiben, daß der Befehlshaber der Bürgerwehr voraussetzte, daß die Arbeiter die neu aufzustellende Wasserhebemaschine ebenso wie die am vergangenen Donnerstage wieder zerstören wollten. Es ist mir noch nicht gelungen, das Nähere des ganzen Hergangs zu erfahren. Alle Läden sind geschlossen und eine Menge Menschen sind auf den Straßen und Plätzen versammelt. Fünf Bahren, auf jeder die Leiche eines erschossenen Arbeiters, werden durch die Straßen getragen und entflammen die Wuth der Arbeiter auf's Höchste. Die Bürgerwehr verhält sich jetzt ganz passiv. Diese Vorfälle sind sehr zu bedauern und es ist schon vielfach die Vermuthung ausgesprochen worden, daß sie von der Reaktion angeregt sind. Der Zwiespalt der hierdurch zwischen einem Theile der Bürgerwehr und den Arbeitern entstanden, verhindert eine große politische Demonstration die zu morgen vom demokratischen Klub angesetzt war und nun wahrscheinlich unterbleibt. Durch die Wiener Ereignisse war eine neue politische Aufregung hervorgebracht worden, sie sollte benutzt werden; aber dazu wäre die Einigkeit der Arbeiter mit den Bürgern nothwendig gewesen, und diese Einigkeit ist nun für's Erste gebrochen.

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 121. Köln, 20. Oktober 1848, S. 0608. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz121_1848/2>, abgerufen am 19.04.2024.