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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 8. Köln, 8. Juni 1848.

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[Deutschland]
*** Köln, 7. Juni.

Die Berliner Versammlung hat also beschlossen,

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8 Trier, 5. Juni.

Unsere öde und von dem Weltverkehr so ziemlich abgeschlossene Stadt hat nach der traurigen und gleichzeitig lächerlichen Barrikaden-Geschichte eine Physionomie zum Erbarmen angenommrn. Leute, die vor 8 Tagen revolutionäre Purzelbäume schlugen, Ultraliberale, selbst Republikaner spielen wollten, schleichen sich heut mit langen fahlen Gesichtern und herunterhängenden Ohren durch die Straßen. Alles heult hier, Bourgeoisie, Militär, Beamte und vor allen die furchtbar große Masse der alten und jungen Staatspensionäre. Ach! und das Heulen aller dieser Leute klingt so schrecklich-traurig, daß einem das Herz zerspringen möchte.

Nur eine kleine Masse von Demokraten ist sich von Anfang an bis zur jetzigen Stunde treu geblieben. Trotz allen Verfolgungen und böswilligen Verdächtigungen, haben sie sich nicht irre machen lassen.

Vergangene Woche haben sie einen demokratischen Verein gegründet, in dessen Liste sich bereits über 600 Mitglieder eingetrageu haben.

Das frühere Gerede, daß man absolut das Walten eines fremdartigen künstlichen Einflusses auf die Bürger von Trier annehmen müsse, um sich das Barrikaden-Drama erklären zu können, hat so ziemlich nachgelassen, da der Verstand bei vielen wieder Herr geworden ist. Gewisse Leute, die sich in dem ersten Eifer dazu verleiten ließen, derartig faktisch durchaus unrichtige Thatsachen, in die Welt hinaus zu posaunen, gäben jetzt Vieles darum, wenn sie das Maul gehalten.

Von einer verbrecherischen Korrespondenz mit Metz hört man nun gar nichts mehr; sollte wirklich ein Brief vorliegen, so haben wir die feste Ueberzeugung, daß demselben kein anderes Motiv, als eine böswillige Mystifikation der Behörde zu Grunde liegt. Die verfolgenden Behörden, die einige Tage nach dem Fallen der Barrikaden, von nichts anderm als von Hoch- und Landesverrath, vom Strick und Galgen träumten und sprachen, sind so mäuschenstill geworden, daß man in der That nicht weiß, ob sie noch am Leben sind. Leute, die gegen Gott und die ganze Welt Anträge auf Untersuchung, ja sogar Verhaftung nahmen, sperren jetzt, nachdem bereits 230 Zeugen vernommen sind, Mund und Nasen auf, weil die Untersuchung das nicht ergeben soll, was sie mit so apodiktischer Gewißheit in die Welt hiuausgestreut haben. Einer jener Herren ist sogar so weit gegangen, die Behauptung aufzustellen, daß wenn auch die Untersuchung das gewünschte Resultat nicht liefern würde, er dennoch Kenntntß von einer verbrecherischen Korrespondenz habe, und nur aus Delikatesse gegen den, der ihm es privatim mitgetheilt, amtlich keinen Gebrauch davon machen dürfe.

Ueberhaupt sollen bei der Untersuchung gar arge Sachen vorgekommen sein, die wohl nach dem Schluß derselben, den vorgesetzten Behörden Veranlassung geben werden, für einzelne Personen nicht sehr angenehme Prozeduren einzuleiten. Ein hier erscheinendes Lokal-Blatt, selbst die Trierer Zeitung, hat bereits in einem strengen, oft äußerst lakonischen Tone, Vieles zur Sprache gebracht; gewisse Beamte scheinen aber nicht viel Luft zu haben, diese Rügen, als falsch und gehässig zu bezeichnen, sie verschlucken lieber mit Todes-Verachtung diese Pillen, und erklären, auf anonyme Artikel dürfe man nicht antworten.

Morgen reist von hier der Stellvertreter des Abgeordneten Valdenaire nach Berlin, da die Nationalversammlung über Valdenaire's Freilassung noch nicht entschieden hat. Der Stellvertreter ist der Landgerichtsrath Graeff, bei dem der Ober-Prokurator in Begleitung eines Substituten und des Untersuchungsrichters eine Haussuchung nach verbrecherischen Korrespondonzen vorgenommen, aber nichts gefunden hat; bei welcher Gelegenheit der Ober-Prokurator der allein anwesenden ganz bestürzten Hausfrau die in der That kaum glaubhafte, aber thatsächtliche Bemerkung machte: "Er nehme nur deßhalb die Haussuchung vor, um seinen lieben Collegen und Freund, der Welt gegenüber, als schuldlos hinzustellen."

Zwei Tage darauf eröffnete der Untersuchungsrichter zwei an denselben L.-G.-Rath von Metz aus kommende Briefe. Sie enthielten Familien-Angelegenheiten.

Wie wir hören, wird Herr Graeff nach dem Schluß der Akten, an den ersten Präsidenten des Rh. Appellations-Gerichtshofes, und den General-Prokurator die Bitte um Einsicht in die Akten stellen, um eine Anklage wegen Machtüberschreitung gegen gewisse Personen zu erheben.

20Wesel, 7. Juni.

Samstag Abends 7 Uhr kam der Prinz von Preußen von Arnheim kommend in Wesel an. Bereits gegen 5 Uhr war ein Dampfboot des Hrn. Stinnes von Ruhrort mit circa 700 Mann Duisburger und Ruhrorter zum Empfange und Einladung des Prinzen nach Duisbnrg zu kommen in Wesel gelandet.

Diese Anhänger des Prinzen verfügten sich sofort nach der Kommandantur in dessen innern Hofraum sie die Ankunft des Prinzen abwarteten. Das Militär wurde kommandirt, eine Stunde weit auf der Emmericher Chausse dem Wagen des Prinzen entgegen zu gehen. Als derselbe sich aber Wesel näherte, wurde er von den Bürgern mit Pfeifen begrüßt, während ihm auf dem Hofe der Kommandantur Hurrahrufe der Duisburger und Ruhrorter, so wie die Blumensträuße der Offizier- und Beamtenfrauen erwarteten.

Der Empfang der Weseler Bürger (durch Pfeifen) hatte den Prinzen so entzückt, daß er sich veranlaßt fand, auf dem Balkon der Kommandantur zu erscheinen, um sich für den ihm gewordenen Empfang zu bedanken; allein auch hier wurde er wieder mit Pfeifen begrüßt, während das Militär mit den Worten "Kinder ruft doch Hurrah," kommandirt wurde.

Nach 1 1/2stündigem Aufenthalt fuhr derselbe am Berliner Thor heraus, seine Reise weiter fortsetzend. Auf diesem Wege nahmen die Bürger Wesels durch allerlei unartige Demonstrationen wieder von ihm Abschied. Die Duisburger und Ruhrorter suchten zu gleicher Zeit sich wieder auf's Dampfboot zu begeben, um sich dadurch den Angriffen der erbitterten Weselaner zu entziehen, welche sie bis zum Schiff verfolgten.

Nur die Eile mit der sich die Duisburger und Ruhrorter fortmachten, schützte sie vor der Wuth des Volkes.

8 Dortmund, 5. Juni.

Heute Nacht zwei Uhr kam der Prinz von Preußen mit dem Deutzer Nachtzuge hier an. Man war hier von seiner Ankunft im Voraus unterrichtet. Einige Hunderte getreuer Markaner, den Landrath an der Spitze, sollen sich mit Musik, Fahnen und Stocklaternen auf dem Bahnhofe eingefunden und den Prinzen mit Lebehochs begrüßt haben. Der Landrath soll einige Worte gesprochen und der Prinz, ohne den Wagen zu verlassen, einige Worte des Dankes entgegnet haben. Dann soll die Musik: "Heil dir u. s. w." gespielt haben und schließlich das alte liebe Lied des preußischen Servilismus par excellcnce: "Ich bin ein Preuße, kennt ihr meine Farben" gesungen worden sein. Hier scheint noch Alles beim Alten geblieben zu sein - trotz alle dem. Ueber das chamäleonsartige Farbenspiel der deutschen Einigkeit könnte es Einem nachgerade recht ekel ums Herz werden.

* Berlin, 5: Juni.

Wir haben gestern eine glänzende Demonstration gemacht, vielleicht wird unsere feige Nationalversammlung, die bis jetzt weder den Muth hatte, sich für noch gegen die Revolution auszusprechen, nun eine entschiedenere Haltung annehmen! Vielleicht wird ihre Majorität es wagen, diejenigen zu brandmarken, durch deren Blut sie ihr Mandat erhalten und es könnte ihr dann gehen, wie jener Majorität Guizots, die sich auch für den Ansdruck des Volkswillens erklärte und die vom Volke an einem schönen Tage aufgehoben wurde. Wir hatten gestern einen Festzug zu Ehren der am 18. und 19. März gefallenen Helden. Alle Stände hatten sich zu demselben vereinigt : die linke Seite der konst. Versammlung, Bürgerwehr, Vereine, Klubs aller Richtungen, Gewerke, Landwehr, alle zogen sie mit klingendem Spiele, mit Fahnen und Emblemen in einem prächtigen Zuge, der drei Stunden währte, nach dem Friedrichshain, an die Gräber der Gefallenen, um hier der Revolution noch einmal zu huldigen, der Macht, aus der unsere junge, arg bedrohte Freiheit entsprossen. Es sprachen fünf Deputirte : Graf Reichenbach, Assessor Jung, Pastor Müller, Kaplan Berg und Lehrer Wander, außerdem der Schriftsetzer Born im Namen der Gewerke, Salis im Namen der Studenten, Börner für den demokratischen Klub und zuletzt noch Held. Ihre Reden enthielten die entschiedensten Protestationen gegen die Unkenstimmen aus den Provinzen, die sich gegen unsere Revolution erhoben, gegen den Betrug unserer Minister, gegen die Reaktion in der Ständeversammlung wie in dem alten Beamtenheere und wurden von dem musterhaft geordneten Volke mit dem lebendigsten Enthusiasmns aufgenommen. Der Zwiespalt zwischen Bourgoisie und Arbeitern war seit dem Erscheinen des Verfassungs-Entwurfs vergessen; beide fühlten sie sich zu einer Vereinigung genöthigt, gegenüber dem alten Feinde, der absoluten Monarchie.

14 Berlin, 3. Juni.

Die Rechte der Nationalversammlung, welche sehr stark mit Geheimeraths-Naturen gespickt ist, hat angefangen einige Gesittung an Tag zu legen. Es darf im Laufe der Diskussionen doch wenigstens der Name : Pole ausgesprochen und die vom 18. auf den 19. März Gefallenen dürfen Freiheitshelden genannt werden, was sonst auf der Rechten ein derartiges Stampfen und Rumoren veranlaßte, daß jedes Mal das Verlesen der Aufruhr-Akte eigentlich nöthig gewesen wäre. Dieser Uebergang zur Besserung läßt den Sturz des Ministeriums nicht mehr in Zweifel stellen.

- In der heutigen zehnten Sitzung der Vereinbarungsversammlung kam die Interpellation des Abg. Elsner wegen willkürlicher Verhaftungen in Schlesien zur Sprache. Hr. Elsner erzählte die im höchsten Grade gehässigen Thatsachen ausführlich; die Antwort des Justizministers Bornemann beschränke sich darauf, die Richtigkeit dieser Thatsachen anzuerkennen. Des Abg. Hanow Interpellation an denKriegsminister wegen Unregelmäßigkeit bei der Einberufung des 1. Aufgebots 1. Bataillons 12. Landw.-Inf.-Reg., erledigt sich durch die Antwort des Oberstlieutenants Briegleben als Regierungskommissärs, daß das betreffende Gesetz allerdings einer Reform bedürftig sei. - In der Valdenaireschen Wahlfache wurde der Antrag der Kommission: vorläufig bis zum Erlaß eines Gesetzes über die Unverletzlichkeit der Abgeordneten zur Tagesordnung überzugehen, von der Versammlung angenommen.

- Die Urwähler des 62. Wahlbezirks in Berlin, der konstitutionelle Klub ebendaselbst, und 208 Einwohner von Greifswalde haben gegen den Verfassungsentwurf des Herrn Camphausen protestirt. Ebenso eine Volksversammlung zu Cochstedt im Magdeburgischen.

- Der nach der Märzrevolution mit der anständigen Wendung eines "Urlaubs" abgetretene Oberbürgermeister Krausnick hat sich bei dem erfreulichen Fortschreiten der Reaktion bereis soweit wieder erholt, daß er den Stadtverordneten anzeigt, er werde nächstens sein Amt wieder antreten.

- Herr Blesson, der jetzt als Kandidat für das definitive Kommandv der Berliner Bürgerwehr auftritt, hat neulich eine Broschüre veröffentlicht: Betrachtungen über die Befugniß des Militärs an politischen Angelegenheiten des Vaterlandes Theil zu nehmen. In dieser Schrift erklärt er, daß konstitutionelle Verfassungen verderblich seien, daß das Militär nicht auf die Verfassung schwören dürfe, daß blinder Gehorsam des Soldaten einziger Ruhm und daß Beschönigung der Handlungen der Urheber einer Revolution stets eine Lüge sei etc.

- Bei dem Zug nach dem Grabe der am 18. und 19. März Gefallenen betheiligten sich der demokratische Klub (mit einer rothen Fahne), der konstitutionelle Klub, der Volksklub, der Verein für Volksrecht, der Arbeiterverein, die Studenten, die Bürgerwehr, 130 Deputirte von der Linken etc. etc. im Ganzen an 60,000 Personen. Die Demonstration ging ohne die geringste Ruhestörung vorüber.

- Bei Gelegenheit dieses Zuges fand sich Hr. Blesson, provisorischer Chef des Bürgerwehr, zu folgendem Tagesbefehl bemüßigt: "Die Herren Hauptleute haben dafür Sorge zu tragen, daß die Mannschaften heut Nachmittag sich im Bezirk halten,(!) um auf das erste Allarmzeichen auf den Allarmplatz zu rücken. Dieselben haben den Tambour und Hornisten deßhalb im Hause zu behalten. Berlin, 4. Juni 1848. Blesson, Major a. D."

Berlin, 5. Juni.

Die polnischen Abgeordneten der Vereinbarungs-Versammlung haben an den General Pfuel (v. Höllenstein) ein Antwortschreiben auf seinen Aufruf an die polnischen Landleute erlassen. Wir entnehmen diesem Schreiben Folgendes:

Zuerst protestiren sie gegen die Verdächtigungen der Grundbesitzer, die der General überall verbereitet; sodann gegen die Bezeichnung der nichtpreußischen Polen als "Fremder" und der vom Berliner Volk befreiten polnischen Revolutionäre als "zum Tode Verurtheilter". Der General behauptet, diese hätten das Volk aufgewiegelt; die polnischen Deputirten erklären: "jene vermeintlichen Aufwiegler haben keine Anstrengung gescheut, dasselbe zu beruhigen und von Gewaltthätigkeiten abzuhalten, da das Volk selbst, nachdem es sah, daß die Convention mit Füßen getreten, daß es selbst offen und überall angegriffen wurde, zur Gegenwehr und Verzweiflung getrieben worden war."

Die Behauptung: man habe dem Volke vorgespiegelt, es solle gewaltsam evangelisch gemacht werden, erklären die polnischen Deputirten ebenfalls für eine Lüge. Aber dagegen seien allerdings "Heiligenbilder, Gräber, Kirchen von zügellosen Truppen entweiht und Priester gemordet worden, wie in Kurnik, Buk, Mieciska, Kozmin, Alt-Caube etc."

Ferner heißt es: es sei falsch, daß denen, die zu den Waffen greifen würden, drei Morgen Landes versprochen worden; dies sei im Gegentheil denen zugesagt, die nach Abschluß der Convention nach Hause gehen würden. Es war also ein Pacifikationsmittel, wie die Proklamation des National-Comites vom 16. April bekundet. Das Versprechen sei übrigens schon hie und da erfüllt und werde überall erfüllt werden, "sobald das Säbelregiment aufhören werde".

Wenn Herr Pfuel den Bauern vorlüge, der König von Preußen habe sie erst zu freien Leuten gemacht, so stellen die Deputirten dem die polnische

Schweif die melancholischsten aller Ringeln und die Pforten des Gemaches schlossen sich wieder hinter seinen röthlichen Pantoffeln.

Nobel hatte erreicht, was er gewollt. Die Großen seines Reiches schwammen in Thränen der Rührung. "Nein, dieser Löwe ist kein Thier, er ist ein Mensch, ein Engel; von Nero's Zeiten bis auf den heutigen Tag gab es nie eine so hochherzige Bestie!" Also jauchzten des Reiches Großen und hinaus eilten sie, um allem Volk zu verkündigen, was sie eben vernommen.

Die guten Brüsseler waren steif wie Stockfische vor Erstaunen, als sie Alles wußten. Sie veranstalteten sofort eine Illumination mit den wenigen Lichtern die es in Brüssel giebt. "Hosiannah! Hosiannah!" klang es durch alle Straßen. "Wir haben einen Löwen, dessen Konstitution aufrecht erhalten zu werden verdient! es lebe Nobel, es lebe die große Nation!" und jeder Brüsseler griff nach seinem Schwert und nach seinem Glase Faro, zu 12 Centimen.

Der Entschluß war gefaßt. Man wollte seine nationale Unabhängigkeit und die Konstitution vertheidigen bis in den Tod, ja noch viel weiter. Alle Arrangements wurden getroffen. Monsieur le Baaaaa-ron de Chazal, zu deutsch : Herr von Scheusal, der Minister des Krieges, ließ die konstitutionellen Janitscharen zu Roß sitzen. Monsieur Hooooo-dy, zu deutsch : Herr Hody, bewaffnete die heilige Hermandat. Die Garde comique fand sich von selbst ein und ehe vierzehn Tage vergingen strotzten alle Gränzen von konstitutionellen Bärten und Bajonetten. Ganz Belgien sah aus wie ein Stachelschwein.

So weit ging alles gut; aber da kam der Schluß der Geschichte, es kam die Pointe, es kam nämlich kein Krieg. O wie schade für die tapfern Belgier! Niemanden gelüstete nach dem großen Königreiche. Von Frankreich her sandte ihnen Herr Lamartine aus der Feuersprietze seiner Beredsamkeit die kühlsten, die beruhigendsteu Versicherungen. Die Leute am Rhein tranken nach wie vor ihren ambrosischen Nierensteiner und kümmerten sich um ihre eignen Angelegenheiten. Die Holländer stopften ihre iridischen Pfeifen und spekulirten nach Indien und Amerika, und die Engländer endlich rosteten ihr Beef und brauten ihren schäumenden Porter.

Kein Hahn und kein Huhn krähte nach den muthigen Belgiern.

Da entbrannten sie in gewaltigem Zorn und fielen nicht nur über ihre eignen, von Paris heimkehrenden Landsleute, sondern namentlich über die in Brüssel wohnenden Ausländer her, um wenigstens einmal ihre Tapferkeit und ihre Brutalität durch irgend ein eklatantes Faktum zu konstatiren. Deutsche Handwerker und deutsche Gelehrte, denen man ohne weiteres in die Schuhe schob, daß sie mit einem Attentat auf den lächerlichsten Löwen aller europäischen Menagerien umgingen, wurden von den unsaubern, feilen Händen der Diener des Herrn Rogier ergriffen und nicht nur bei ihrer Arrestation, nein, auch noch in den Gefängnissen, in den trefflichen Zellen-Anstalten jenes traurigen belgischen Philantropen Ducpetiaux auf die empörendste, infamste Weise mißhandelt. Der preußische Gesandte, der bairische Gesandte, kurz, die sämmtlichen in Brüssel residirenden deutschen Gesandten thaten ihre Mäuler uicht auf! Die Revolution des März war noch nicht geschehen ...

Tage und Wochen sind seitdem. Nach ihren Heldenthaten ruhen die Belgier aus bei einem Glase Faro zu 12 Centimen. Der belgische Löwe wedelt noch immer mit seinem Schweife; er hat sich allmählig wieder etwas erholt und würde vielleicht froh und munter sein, wenn nicht die kriegerischen Gelüste des Herrn Chaaaaa-zal und des Herrn Hooooo-dy so viele Unkosten mit sich gebracht hätten, daß die guten Brüsseler bei ihren vielen Zwangsanleihen wahrscheinlich nächstens das Glas Faro nicht unter 14 Centimen kaufen können werden. Dies ist nun sehr schlimm!

Doch überlassen wir die Belgier ihrer berühmten Konstitution. Die Franzosen, die man vertrieb, sie sitzen in Paris und freuen sich ihrer Republik; und die deutschen Handwerker und Gelehrten, sie stehen wieder am Rhein und schwingen ihre grünen Römer und lachen über jene winzigen Gesellen, die der Sturm der Demokratie einst um all' ihre erbärmlichen nationalen Liebhabereien bringen wird, wenn der Deutsche und der Franke sich die republikanische Bruderhand reichen werden, trotzend allen Völkern des Erdballs und heraufbeschwörend eine Zeit der Freiheit und der Menschlichkeit.

[Deutschland]
*** Köln, 7. Juni.

Die Berliner Versammlung hat also beschlossen,

Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
8 Trier, 5. Juni.

Unsere öde und von dem Weltverkehr so ziemlich abgeschlossene Stadt hat nach der traurigen und gleichzeitig lächerlichen Barrikaden-Geschichte eine Physionomie zum Erbarmen angenommrn. Leute, die vor 8 Tagen revolutionäre Purzelbäume schlugen, Ultraliberale, selbst Republikaner spielen wollten, schleichen sich heut mit langen fahlen Gesichtern und herunterhängenden Ohren durch die Straßen. Alles heult hier, Bourgeoisie, Militär, Beamte und vor allen die furchtbar große Masse der alten und jungen Staatspensionäre. Ach! und das Heulen aller dieser Leute klingt so schrecklich-traurig, daß einem das Herz zerspringen möchte.

Nur eine kleine Masse von Demokraten ist sich von Anfang an bis zur jetzigen Stunde treu geblieben. Trotz allen Verfolgungen und böswilligen Verdächtigungen, haben sie sich nicht irre machen lassen.

Vergangene Woche haben sie einen demokratischen Verein gegründet, in dessen Liste sich bereits über 600 Mitglieder eingetrageu haben.

Das frühere Gerede, daß man absolut das Walten eines fremdartigen künstlichen Einflusses auf die Bürger von Trier annehmen müsse, um sich das Barrikaden-Drama erklären zu können, hat so ziemlich nachgelassen, da der Verstand bei vielen wieder Herr geworden ist. Gewisse Leute, die sich in dem ersten Eifer dazu verleiten ließen, derartig faktisch durchaus unrichtige Thatsachen, in die Welt hinaus zu posaunen, gäben jetzt Vieles darum, wenn sie das Maul gehalten.

Von einer verbrecherischen Korrespondenz mit Metz hört man nun gar nichts mehr; sollte wirklich ein Brief vorliegen, so haben wir die feste Ueberzeugung, daß demselben kein anderes Motiv, als eine böswillige Mystifikation der Behörde zu Grunde liegt. Die verfolgenden Behörden, die einige Tage nach dem Fallen der Barrikaden, von nichts anderm als von Hoch- und Landesverrath, vom Strick und Galgen träumten und sprachen, sind so mäuschenstill geworden, daß man in der That nicht weiß, ob sie noch am Leben sind. Leute, die gegen Gott und die ganze Welt Anträge auf Untersuchung, ja sogar Verhaftung nahmen, sperren jetzt, nachdem bereits 230 Zeugen vernommen sind, Mund und Nasen auf, weil die Untersuchung das nicht ergeben soll, was sie mit so apodiktischer Gewißheit in die Welt hiuausgestreut haben. Einer jener Herren ist sogar so weit gegangen, die Behauptung aufzustellen, daß wenn auch die Untersuchung das gewünschte Resultat nicht liefern würde, er dennoch Kenntntß von einer verbrecherischen Korrespondenz habe, und nur aus Delikatesse gegen den, der ihm es privatim mitgetheilt, amtlich keinen Gebrauch davon machen dürfe.

Ueberhaupt sollen bei der Untersuchung gar arge Sachen vorgekommen sein, die wohl nach dem Schluß derselben, den vorgesetzten Behörden Veranlassung geben werden, für einzelne Personen nicht sehr angenehme Prozeduren einzuleiten. Ein hier erscheinendes Lokal-Blatt, selbst die Trierer Zeitung, hat bereits in einem strengen, oft äußerst lakonischen Tone, Vieles zur Sprache gebracht; gewisse Beamte scheinen aber nicht viel Luft zu haben, diese Rügen, als falsch und gehässig zu bezeichnen, sie verschlucken lieber mit Todes-Verachtung diese Pillen, und erklären, auf anonyme Artikel dürfe man nicht antworten.

Morgen reist von hier der Stellvertreter des Abgeordneten Valdenaire nach Berlin, da die Nationalversammlung über Valdenaire's Freilassung noch nicht entschieden hat. Der Stellvertreter ist der Landgerichtsrath Graeff, bei dem der Ober-Prokurator in Begleitung eines Substituten und des Untersuchungsrichters eine Haussuchung nach verbrecherischen Korrespondonzen vorgenommen, aber nichts gefunden hat; bei welcher Gelegenheit der Ober-Prokurator der allein anwesenden ganz bestürzten Hausfrau die in der That kaum glaubhafte, aber thatsächtliche Bemerkung machte: „Er nehme nur deßhalb die Haussuchung vor, um seinen lieben Collegen und Freund, der Welt gegenüber, als schuldlos hinzustellen.“

Zwei Tage darauf eröffnete der Untersuchungsrichter zwei an denselben L.-G.-Rath von Metz aus kommende Briefe. Sie enthielten Familien-Angelegenheiten.

Wie wir hören, wird Herr Graeff nach dem Schluß der Akten, an den ersten Präsidenten des Rh. Appellations-Gerichtshofes, und den General-Prokurator die Bitte um Einsicht in die Akten stellen, um eine Anklage wegen Machtüberschreitung gegen gewisse Personen zu erheben.

20Wesel, 7. Juni.

Samstag Abends 7 Uhr kam der Prinz von Preußen von Arnheim kommend in Wesel an. Bereits gegen 5 Uhr war ein Dampfboot des Hrn. Stinnes von Ruhrort mit circa 700 Mann Duisburger und Ruhrorter zum Empfange und Einladung des Prinzen nach Duisbnrg zu kommen in Wesel gelandet.

Diese Anhänger des Prinzen verfügten sich sofort nach der Kommandantur in dessen innern Hofraum sie die Ankunft des Prinzen abwarteten. Das Militär wurde kommandirt, eine Stunde weit auf der Emmericher Chausse dem Wagen des Prinzen entgegen zu gehen. Als derselbe sich aber Wesel näherte, wurde er von den Bürgern mit Pfeifen begrüßt, während ihm auf dem Hofe der Kommandantur Hurrahrufe der Duisburger und Ruhrorter, so wie die Blumensträuße der Offizier- und Beamtenfrauen erwarteten.

Der Empfang der Weseler Bürger (durch Pfeifen) hatte den Prinzen so entzückt, daß er sich veranlaßt fand, auf dem Balkon der Kommandantur zu erscheinen, um sich für den ihm gewordenen Empfang zu bedanken; allein auch hier wurde er wieder mit Pfeifen begrüßt, während das Militär mit den Worten „Kinder ruft doch Hurrah,“ kommandirt wurde.

Nach 1 1/2stündigem Aufenthalt fuhr derselbe am Berliner Thor heraus, seine Reise weiter fortsetzend. Auf diesem Wege nahmen die Bürger Wesels durch allerlei unartige Demonstrationen wieder von ihm Abschied. Die Duisburger und Ruhrorter suchten zu gleicher Zeit sich wieder auf's Dampfboot zu begeben, um sich dadurch den Angriffen der erbitterten Weselaner zu entziehen, welche sie bis zum Schiff verfolgten.

Nur die Eile mit der sich die Duisburger und Ruhrorter fortmachten, schützte sie vor der Wuth des Volkes.

8 Dortmund, 5. Juni.

Heute Nacht zwei Uhr kam der Prinz von Preußen mit dem Deutzer Nachtzuge hier an. Man war hier von seiner Ankunft im Voraus unterrichtet. Einige Hunderte getreuer Markaner, den Landrath an der Spitze, sollen sich mit Musik, Fahnen und Stocklaternen auf dem Bahnhofe eingefunden und den Prinzen mit Lebehochs begrüßt haben. Der Landrath soll einige Worte gesprochen und der Prinz, ohne den Wagen zu verlassen, einige Worte des Dankes entgegnet haben. Dann soll die Musik: „Heil dir u. s. w.“ gespielt haben und schließlich das alte liebe Lied des preußischen Servilismus par excellcnce: „Ich bin ein Preuße, kennt ihr meine Farben“ gesungen worden sein. Hier scheint noch Alles beim Alten geblieben zu sein ‒ trotz alle dem. Ueber das chamäleonsartige Farbenspiel der deutschen Einigkeit könnte es Einem nachgerade recht ekel ums Herz werden.

* Berlin, 5: Juni.

Wir haben gestern eine glänzende Demonstration gemacht, vielleicht wird unsere feige Nationalversammlung, die bis jetzt weder den Muth hatte, sich für noch gegen die Revolution auszusprechen, nun eine entschiedenere Haltung annehmen! Vielleicht wird ihre Majorität es wagen, diejenigen zu brandmarken, durch deren Blut sie ihr Mandat erhalten und es könnte ihr dann gehen, wie jener Majorität Guizots, die sich auch für den Ansdruck des Volkswillens erklärte und die vom Volke an einem schönen Tage aufgehoben wurde. Wir hatten gestern einen Festzug zu Ehren der am 18. und 19. März gefallenen Helden. Alle Stände hatten sich zu demselben vereinigt : die linke Seite der konst. Versammlung, Bürgerwehr, Vereine, Klubs aller Richtungen, Gewerke, Landwehr, alle zogen sie mit klingendem Spiele, mit Fahnen und Emblemen in einem prächtigen Zuge, der drei Stunden währte, nach dem Friedrichshain, an die Gräber der Gefallenen, um hier der Revolution noch einmal zu huldigen, der Macht, aus der unsere junge, arg bedrohte Freiheit entsprossen. Es sprachen fünf Deputirte : Graf Reichenbach, Assessor Jung, Pastor Müller, Kaplan Berg und Lehrer Wander, außerdem der Schriftsetzer Born im Namen der Gewerke, Salis im Namen der Studenten, Börner für den demokratischen Klub und zuletzt noch Held. Ihre Reden enthielten die entschiedensten Protestationen gegen die Unkenstimmen aus den Provinzen, die sich gegen unsere Revolution erhoben, gegen den Betrug unserer Minister, gegen die Reaktion in der Ständeversammlung wie in dem alten Beamtenheere und wurden von dem musterhaft geordneten Volke mit dem lebendigsten Enthusiasmns aufgenommen. Der Zwiespalt zwischen Bourgoisie und Arbeitern war seit dem Erscheinen des Verfassungs-Entwurfs vergessen; beide fühlten sie sich zu einer Vereinigung genöthigt, gegenüber dem alten Feinde, der absoluten Monarchie.

14 Berlin, 3. Juni.

Die Rechte der Nationalversammlung, welche sehr stark mit Geheimeraths-Naturen gespickt ist, hat angefangen einige Gesittung an Tag zu legen. Es darf im Laufe der Diskussionen doch wenigstens der Name : Pole ausgesprochen und die vom 18. auf den 19. März Gefallenen dürfen Freiheitshelden genannt werden, was sonst auf der Rechten ein derartiges Stampfen und Rumoren veranlaßte, daß jedes Mal das Verlesen der Aufruhr-Akte eigentlich nöthig gewesen wäre. Dieser Uebergang zur Besserung läßt den Sturz des Ministeriums nicht mehr in Zweifel stellen.

‒ In der heutigen zehnten Sitzung der Vereinbarungsversammlung kam die Interpellation des Abg. Elsner wegen willkürlicher Verhaftungen in Schlesien zur Sprache. Hr. Elsner erzählte die im höchsten Grade gehässigen Thatsachen ausführlich; die Antwort des Justizministers Bornemann beschränke sich darauf, die Richtigkeit dieser Thatsachen anzuerkennen. Des Abg. Hanow Interpellation an denKriegsminister wegen Unregelmäßigkeit bei der Einberufung des 1. Aufgebots 1. Bataillons 12. Landw.-Inf.-Reg., erledigt sich durch die Antwort des Oberstlieutenants Briegleben als Regierungskommissärs, daß das betreffende Gesetz allerdings einer Reform bedürftig sei. ‒ In der Valdenaireschen Wahlfache wurde der Antrag der Kommission: vorläufig bis zum Erlaß eines Gesetzes über die Unverletzlichkeit der Abgeordneten zur Tagesordnung überzugehen, von der Versammlung angenommen.

‒ Die Urwähler des 62. Wahlbezirks in Berlin, der konstitutionelle Klub ebendaselbst, und 208 Einwohner von Greifswalde haben gegen den Verfassungsentwurf des Herrn Camphausen protestirt. Ebenso eine Volksversammlung zu Cochstedt im Magdeburgischen.

‒ Der nach der Märzrevolution mit der anständigen Wendung eines „Urlaubs“ abgetretene Oberbürgermeister Krausnick hat sich bei dem erfreulichen Fortschreiten der Reaktion bereis soweit wieder erholt, daß er den Stadtverordneten anzeigt, er werde nächstens sein Amt wieder antreten.

‒ Herr Blesson, der jetzt als Kandidat für das definitive Kommandv der Berliner Bürgerwehr auftritt, hat neulich eine Broschüre veröffentlicht: Betrachtungen über die Befugniß des Militärs an politischen Angelegenheiten des Vaterlandes Theil zu nehmen. In dieser Schrift erklärt er, daß konstitutionelle Verfassungen verderblich seien, daß das Militär nicht auf die Verfassung schwören dürfe, daß blinder Gehorsam des Soldaten einziger Ruhm und daß Beschönigung der Handlungen der Urheber einer Revolution stets eine Lüge sei etc.

‒ Bei dem Zug nach dem Grabe der am 18. und 19. März Gefallenen betheiligten sich der demokratische Klub (mit einer rothen Fahne), der konstitutionelle Klub, der Volksklub, der Verein für Volksrecht, der Arbeiterverein, die Studenten, die Bürgerwehr, 130 Deputirte von der Linken etc. etc. im Ganzen an 60,000 Personen. Die Demonstration ging ohne die geringste Ruhestörung vorüber.

‒ Bei Gelegenheit dieses Zuges fand sich Hr. Blesson, provisorischer Chef des Bürgerwehr, zu folgendem Tagesbefehl bemüßigt: „Die Herren Hauptleute haben dafür Sorge zu tragen, daß die Mannschaften heut Nachmittag sich im Bezirk halten,(!) um auf das erste Allarmzeichen auf den Allarmplatz zu rücken. Dieselben haben den Tambour und Hornisten deßhalb im Hause zu behalten. Berlin, 4. Juni 1848. Blesson, Major a. D.“

Berlin, 5. Juni.

Die polnischen Abgeordneten der Vereinbarungs-Versammlung haben an den General Pfuel (v. Höllenstein) ein Antwortschreiben auf seinen Aufruf an die polnischen Landleute erlassen. Wir entnehmen diesem Schreiben Folgendes:

Zuerst protestiren sie gegen die Verdächtigungen der Grundbesitzer, die der General überall verbereitet; sodann gegen die Bezeichnung der nichtpreußischen Polen als „Fremder“ und der vom Berliner Volk befreiten polnischen Revolutionäre als „zum Tode Verurtheilter“. Der General behauptet, diese hätten das Volk aufgewiegelt; die polnischen Deputirten erklären: „jene vermeintlichen Aufwiegler haben keine Anstrengung gescheut, dasselbe zu beruhigen und von Gewaltthätigkeiten abzuhalten, da das Volk selbst, nachdem es sah, daß die Convention mit Füßen getreten, daß es selbst offen und überall angegriffen wurde, zur Gegenwehr und Verzweiflung getrieben worden war.“

Die Behauptung: man habe dem Volke vorgespiegelt, es solle gewaltsam evangelisch gemacht werden, erklären die polnischen Deputirten ebenfalls für eine Lüge. Aber dagegen seien allerdings „Heiligenbilder, Gräber, Kirchen von zügellosen Truppen entweiht und Priester gemordet worden, wie in Kurnik, Buk, Mieciska, Kozmin, Alt-Caube etc.“

Ferner heißt es: es sei falsch, daß denen, die zu den Waffen greifen würden, drei Morgen Landes versprochen worden; dies sei im Gegentheil denen zugesagt, die nach Abschluß der Convention nach Hause gehen würden. Es war also ein Pacifikationsmittel, wie die Proklamation des National-Comités vom 16. April bekundet. Das Versprechen sei übrigens schon hie und da erfüllt und werde überall erfüllt werden, „sobald das Säbelregiment aufhören werde“.

Wenn Herr Pfuel den Bauern vorlüge, der König von Preußen habe sie erst zu freien Leuten gemacht, so stellen die Deputirten dem die polnische

Schweif die melancholischsten aller Ringeln und die Pforten des Gemaches schlossen sich wieder hinter seinen röthlichen Pantoffeln.

Nobel hatte erreicht, was er gewollt. Die Großen seines Reiches schwammen in Thränen der Rührung. „Nein, dieser Löwe ist kein Thier, er ist ein Mensch, ein Engel; von Nero's Zeiten bis auf den heutigen Tag gab es nie eine so hochherzige Bestie!“ Also jauchzten des Reiches Großen und hinaus eilten sie, um allem Volk zu verkündigen, was sie eben vernommen.

Die guten Brüsseler waren steif wie Stockfische vor Erstaunen, als sie Alles wußten. Sie veranstalteten sofort eine Illumination mit den wenigen Lichtern die es in Brüssel giebt. „Hosiannah! Hosiannah!“ klang es durch alle Straßen. „Wir haben einen Löwen, dessen Konstitution aufrecht erhalten zu werden verdient! es lebe Nobel, es lebe die große Nation!“ und jeder Brüsseler griff nach seinem Schwert und nach seinem Glase Faro, zu 12 Centimen.

Der Entschluß war gefaßt. Man wollte seine nationale Unabhängigkeit und die Konstitution vertheidigen bis in den Tod, ja noch viel weiter. Alle Arrangements wurden getroffen. Monsieur le Baaaaa‒ron de Chazal, zu deutsch : Herr von Scheusal, der Minister des Krieges, ließ die konstitutionellen Janitscharen zu Roß sitzen. Monsieur Hooooo‒dy, zu deutsch : Herr Hody, bewaffnete die heilige Hermandat. Die Garde comique fand sich von selbst ein und ehe vierzehn Tage vergingen strotzten alle Gränzen von konstitutionellen Bärten und Bajonetten. Ganz Belgien sah aus wie ein Stachelschwein.

So weit ging alles gut; aber da kam der Schluß der Geschichte, es kam die Pointe, es kam nämlich kein Krieg. O wie schade für die tapfern Belgier! Niemanden gelüstete nach dem großen Königreiche. Von Frankreich her sandte ihnen Herr Lamartine aus der Feuersprietze seiner Beredsamkeit die kühlsten, die beruhigendsteu Versicherungen. Die Leute am Rhein tranken nach wie vor ihren ambrosischen Nierensteiner und kümmerten sich um ihre eignen Angelegenheiten. Die Holländer stopften ihre iridischen Pfeifen und spekulirten nach Indien und Amerika, und die Engländer endlich rosteten ihr Beef und brauten ihren schäumenden Porter.

Kein Hahn und kein Huhn krähte nach den muthigen Belgiern.

Da entbrannten sie in gewaltigem Zorn und fielen nicht nur über ihre eignen, von Paris heimkehrenden Landsleute, sondern namentlich über die in Brüssel wohnenden Ausländer her, um wenigstens einmal ihre Tapferkeit und ihre Brutalität durch irgend ein eklatantes Faktum zu konstatiren. Deutsche Handwerker und deutsche Gelehrte, denen man ohne weiteres in die Schuhe schob, daß sie mit einem Attentat auf den lächerlichsten Löwen aller europäischen Menagerien umgingen, wurden von den unsaubern, feilen Händen der Diener des Herrn Rogier ergriffen und nicht nur bei ihrer Arrestation, nein, auch noch in den Gefängnissen, in den trefflichen Zellen-Anstalten jenes traurigen belgischen Philantropen Ducpétiaux auf die empörendste, infamste Weise mißhandelt. Der preußische Gesandte, der bairische Gesandte, kurz, die sämmtlichen in Brüssel residirenden deutschen Gesandten thaten ihre Mäuler uicht auf! Die Revolution des März war noch nicht geschehen …

Tage und Wochen sind seitdem. Nach ihren Heldenthaten ruhen die Belgier aus bei einem Glase Faro zu 12 Centimen. Der belgische Löwe wedelt noch immer mit seinem Schweife; er hat sich allmählig wieder etwas erholt und würde vielleicht froh und munter sein, wenn nicht die kriegerischen Gelüste des Herrn Chaaaaa-zal und des Herrn Hooooo-dy so viele Unkosten mit sich gebracht hätten, daß die guten Brüsseler bei ihren vielen Zwangsanleihen wahrscheinlich nächstens das Glas Faro nicht unter 14 Centimen kaufen können werden. Dies ist nun sehr schlimm!

Doch überlassen wir die Belgier ihrer berühmten Konstitution. Die Franzosen, die man vertrieb, sie sitzen in Paris und freuen sich ihrer Republik; und die deutschen Handwerker und Gelehrten, sie stehen wieder am Rhein und schwingen ihre grünen Römer und lachen über jene winzigen Gesellen, die der Sturm der Demokratie einst um all' ihre erbärmlichen nationalen Liebhabereien bringen wird, wenn der Deutsche und der Franke sich die republikanische Bruderhand reichen werden, trotzend allen Völkern des Erdballs und heraufbeschwörend eine Zeit der Freiheit und der Menschlichkeit.

<TEI>
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        <head>[Deutschland]</head>
        <div xml:id="ar008_003" type="jArticle">
          <head><bibl><author>***</author></bibl><hi rendition="#g">Köln,</hi> 7. Juni.</head>
          <p>Die Berliner Versammlung hat also beschlossen,</p>
          <gap reason="copyright"/>
        </div>
        <div xml:id="ar008_004" type="jArticle">
          <head><bibl><author>8</author></bibl><hi rendition="#g">Trier,</hi> 5. Juni.</head>
          <p>Unsere öde und von dem Weltverkehr so ziemlich abgeschlossene Stadt hat nach                         der traurigen und gleichzeitig lächerlichen Barrikaden-Geschichte eine                         Physionomie zum Erbarmen angenommrn. Leute, die vor 8 Tagen revolutionäre                         Purzelbäume schlugen, Ultraliberale, selbst Republikaner spielen wollten,                         schleichen sich heut mit langen fahlen Gesichtern und herunterhängenden                         Ohren durch die Straßen. Alles heult hier, Bourgeoisie, Militär, Beamte und                         vor allen die furchtbar große Masse der alten und jungen Staatspensionäre.                         Ach! und das Heulen aller dieser Leute klingt so schrecklich-traurig, daß                         einem das Herz zerspringen möchte.</p>
          <p>Nur eine kleine Masse von Demokraten ist sich von Anfang an bis zur jetzigen                         Stunde treu geblieben. Trotz allen Verfolgungen und böswilligen                         Verdächtigungen, haben sie sich nicht irre machen lassen.</p>
          <p>Vergangene Woche haben sie einen demokratischen Verein gegründet, in dessen                         Liste sich bereits über 600 Mitglieder eingetrageu haben.</p>
          <p>Das frühere Gerede, daß man absolut das Walten eines fremdartigen künstlichen                         Einflusses auf die Bürger von Trier annehmen müsse, um sich das                         Barrikaden-Drama erklären zu können, hat so ziemlich nachgelassen, da der                         Verstand bei vielen wieder Herr geworden ist. Gewisse Leute, die sich in dem                         ersten Eifer dazu verleiten ließen, derartig faktisch durchaus unrichtige                         Thatsachen, in die Welt hinaus zu posaunen, gäben jetzt Vieles darum, wenn                         sie das Maul gehalten.</p>
          <p>Von einer verbrecherischen Korrespondenz mit Metz hört man nun gar nichts                         mehr; sollte wirklich ein Brief vorliegen, so haben wir die feste                         Ueberzeugung, daß demselben kein anderes Motiv, als eine böswillige                         Mystifikation der Behörde zu Grunde liegt. Die verfolgenden Behörden, die                         einige Tage nach dem Fallen der Barrikaden, von nichts anderm als von Hoch-                         und Landesverrath, vom Strick und Galgen träumten und sprachen, sind so                         mäuschenstill geworden, daß man in der That nicht weiß, ob sie noch am Leben                         sind. Leute, die gegen Gott und die ganze Welt Anträge auf Untersuchung, ja                         sogar Verhaftung nahmen, sperren jetzt, nachdem bereits 230 Zeugen vernommen                         sind, Mund und Nasen auf, weil die Untersuchung das nicht ergeben soll, was                         sie mit so apodiktischer Gewißheit in die Welt hiuausgestreut haben. Einer                         jener Herren ist sogar so weit gegangen, die Behauptung aufzustellen, daß                         wenn auch die Untersuchung das gewünschte Resultat nicht liefern würde, er                         dennoch Kenntntß von einer verbrecherischen Korrespondenz habe, und nur aus                         Delikatesse gegen den, der ihm es privatim mitgetheilt, amtlich keinen                         Gebrauch davon machen dürfe.</p>
          <p>Ueberhaupt sollen bei der Untersuchung gar arge Sachen vorgekommen sein, die                         wohl nach dem Schluß derselben, den vorgesetzten Behörden Veranlassung geben                         werden, für einzelne Personen nicht sehr angenehme Prozeduren einzuleiten.                         Ein hier erscheinendes Lokal-Blatt, selbst die Trierer Zeitung, hat bereits                         in einem strengen, oft äußerst lakonischen Tone, Vieles zur Sprache                         gebracht; gewisse Beamte scheinen aber nicht viel Luft zu haben, diese                         Rügen, als falsch und gehässig zu bezeichnen, sie verschlucken lieber mit                         Todes-Verachtung diese Pillen, und erklären, auf anonyme Artikel dürfe man                         nicht antworten.</p>
          <p>Morgen reist von hier der Stellvertreter des Abgeordneten Valdenaire nach                         Berlin, da die Nationalversammlung über Valdenaire's Freilassung noch nicht                         entschieden hat. Der Stellvertreter ist der Landgerichtsrath Graeff, bei dem                         der Ober-Prokurator in Begleitung eines Substituten und des                         Untersuchungsrichters eine Haussuchung nach verbrecherischen Korrespondonzen                         vorgenommen, aber nichts gefunden hat; bei welcher Gelegenheit der                         Ober-Prokurator der allein anwesenden ganz bestürzten Hausfrau die in der                         That kaum glaubhafte, aber thatsächtliche Bemerkung machte: &#x201E;Er nehme nur                         deßhalb die Haussuchung vor, um seinen lieben Collegen und Freund, der Welt                         gegenüber, als schuldlos hinzustellen.&#x201C;</p>
          <p>Zwei Tage darauf eröffnete der Untersuchungsrichter zwei an denselben                         L.-G.-Rath von Metz aus kommende Briefe. Sie enthielten                         Familien-Angelegenheiten.</p>
          <p>Wie wir hören, wird Herr Graeff nach dem Schluß der Akten, an den ersten                         Präsidenten des Rh. Appellations-Gerichtshofes, und den General-Prokurator                         die Bitte um Einsicht in die Akten stellen, um eine Anklage wegen                         Machtüberschreitung gegen gewisse Personen zu erheben.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar008_005" type="jArticle">
          <head><bibl><author>20</author></bibl><hi rendition="#g">Wesel,</hi> 7.                         Juni.</head>
          <p>Samstag Abends 7 Uhr kam der Prinz von Preußen von Arnheim kommend in Wesel                         an. Bereits gegen 5 Uhr war ein Dampfboot des Hrn. Stinnes von Ruhrort mit                         circa 700 Mann Duisburger und Ruhrorter zum Empfange und Einladung des                         Prinzen nach Duisbnrg zu kommen in Wesel gelandet.</p>
          <p>Diese Anhänger des Prinzen verfügten sich sofort nach der Kommandantur in                         dessen innern Hofraum sie die Ankunft des Prinzen abwarteten. Das Militär                         wurde kommandirt, eine Stunde weit auf der Emmericher Chausse dem Wagen des                         Prinzen entgegen zu gehen. Als derselbe sich aber Wesel näherte, wurde er                         von den Bürgern mit Pfeifen begrüßt, während ihm auf dem Hofe der                         Kommandantur Hurrahrufe der Duisburger und Ruhrorter, so wie die                         Blumensträuße der Offizier- und Beamtenfrauen erwarteten.</p>
          <p>Der Empfang der Weseler Bürger (durch Pfeifen) hatte den Prinzen so entzückt,                         daß er sich veranlaßt fand, auf dem Balkon der Kommandantur zu erscheinen,                         um sich für den ihm gewordenen Empfang zu bedanken; allein auch hier wurde                         er wieder mit Pfeifen begrüßt, während das Militär mit den Worten &#x201E;Kinder                         ruft doch Hurrah,&#x201C; kommandirt wurde.</p>
          <p>Nach 1 1/2stündigem Aufenthalt fuhr derselbe am Berliner Thor heraus, seine                         Reise weiter fortsetzend. Auf diesem Wege nahmen die Bürger Wesels durch                         allerlei unartige Demonstrationen wieder von ihm Abschied. Die Duisburger                         und Ruhrorter suchten zu gleicher Zeit sich wieder auf's Dampfboot zu                         begeben, um sich dadurch den Angriffen der erbitterten Weselaner zu                         entziehen, welche sie bis zum Schiff verfolgten.</p>
          <p>Nur die Eile mit der sich die Duisburger und Ruhrorter fortmachten, schützte                         sie vor der Wuth des Volkes.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar008_006" type="jArticle">
          <head><bibl><author>8</author></bibl><hi rendition="#g">Dortmund,</hi> 5. Juni.</head>
          <p>Heute Nacht zwei Uhr kam der Prinz von Preußen mit dem Deutzer Nachtzuge hier                         an. Man war hier von seiner Ankunft im Voraus unterrichtet. Einige Hunderte                         getreuer Markaner, den Landrath an der Spitze, sollen sich mit Musik, Fahnen                         und Stocklaternen auf dem Bahnhofe eingefunden und den Prinzen mit Lebehochs                         begrüßt haben. Der Landrath soll einige Worte gesprochen und der Prinz, ohne                         den Wagen zu verlassen, einige Worte des Dankes entgegnet haben. Dann soll                         die Musik: &#x201E;Heil dir u. s. w.&#x201C; gespielt haben und schließlich das alte liebe                         Lied des preußischen Servilismus par excellcnce: &#x201E;Ich bin ein Preuße, kennt                         ihr meine <hi rendition="#g">Farben</hi>&#x201C; gesungen worden sein. Hier scheint                         noch Alles beim Alten geblieben zu sein &#x2012; trotz alle dem. Ueber das                         chamäleonsartige Farbenspiel der deutschen Einigkeit könnte es Einem                         nachgerade recht ekel ums Herz werden.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar008_007" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl><hi rendition="#g">Berlin,</hi> 5: Juni.</head>
          <p>Wir haben gestern eine glänzende Demonstration gemacht, vielleicht wird                         unsere feige Nationalversammlung, die bis jetzt weder den Muth hatte, sich                         für noch gegen die Revolution auszusprechen, nun eine entschiedenere Haltung                         annehmen! Vielleicht wird ihre Majorität es wagen, diejenigen zu                         brandmarken, durch deren Blut sie ihr Mandat erhalten und es könnte ihr dann                         gehen, wie jener Majorität Guizots, die sich auch für den Ansdruck des                         Volkswillens erklärte und die vom Volke an einem schönen Tage aufgehoben                         wurde. Wir hatten gestern einen Festzug zu Ehren der am 18. und 19. März                         gefallenen Helden. Alle Stände hatten sich zu demselben vereinigt : die                         linke Seite der konst. Versammlung, Bürgerwehr, Vereine, Klubs aller                         Richtungen, Gewerke, Landwehr, alle zogen sie mit klingendem Spiele, mit                         Fahnen und Emblemen in einem prächtigen Zuge, der drei Stunden währte, nach                         dem Friedrichshain, an die Gräber der Gefallenen, um hier der Revolution                         noch einmal zu huldigen, der Macht, aus der unsere junge, arg bedrohte                         Freiheit entsprossen. Es sprachen fünf Deputirte : Graf Reichenbach,                         Assessor Jung, Pastor Müller, Kaplan Berg und Lehrer Wander, außerdem der                         Schriftsetzer Born im Namen der Gewerke, Salis im Namen der Studenten,                         Börner für den demokratischen Klub und zuletzt noch Held. Ihre Reden                         enthielten die entschiedensten Protestationen gegen die Unkenstimmen aus den                         Provinzen, die sich gegen unsere Revolution erhoben, gegen den Betrug                         unserer Minister, gegen die Reaktion in der Ständeversammlung wie in dem                         alten Beamtenheere und wurden von dem musterhaft geordneten Volke mit dem                         lebendigsten Enthusiasmns aufgenommen. Der Zwiespalt zwischen Bourgoisie und                         Arbeitern war seit dem Erscheinen des Verfassungs-Entwurfs vergessen; beide                         fühlten sie sich zu einer Vereinigung genöthigt, gegenüber dem alten Feinde,                         der absoluten Monarchie.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar008_008" type="jArticle">
          <head><bibl><author>14</author></bibl><hi rendition="#g">Berlin,</hi> 3. Juni.</head>
          <p>Die Rechte der Nationalversammlung, welche sehr stark mit                         Geheimeraths-Naturen gespickt ist, hat angefangen einige Gesittung an Tag zu                         legen. Es darf im Laufe der Diskussionen doch wenigstens der Name : Pole                         ausgesprochen und die vom 18. auf den 19. März Gefallenen dürfen                         Freiheitshelden genannt werden, was sonst auf der Rechten ein derartiges                         Stampfen und Rumoren veranlaßte, daß jedes Mal das Verlesen der Aufruhr-Akte                         eigentlich nöthig gewesen wäre. Dieser Uebergang zur Besserung läßt den                         Sturz des Ministeriums nicht mehr in Zweifel stellen.</p>
          <p>&#x2012; In der heutigen zehnten Sitzung der <hi rendition="#g">Vereinbarungsversammlung</hi> kam die Interpellation des Abg. <hi rendition="#g">Elsner</hi> wegen willkürlicher Verhaftungen in Schlesien                         zur Sprache. Hr. Elsner erzählte die im höchsten Grade gehässigen Thatsachen                         ausführlich; die Antwort des Justizministers <hi rendition="#g">Bornemann</hi> beschränke sich darauf, die Richtigkeit dieser                         Thatsachen anzuerkennen. Des Abg. <hi rendition="#g">Hanow</hi> Interpellation an denKriegsminister wegen Unregelmäßigkeit bei der                         Einberufung des 1. Aufgebots 1. Bataillons 12. Landw.-Inf.-Reg., erledigt                         sich durch die Antwort des Oberstlieutenants <hi rendition="#g">Briegleben</hi> als Regierungskommissärs, daß das betreffende Gesetz                         allerdings einer Reform bedürftig sei. &#x2012; In der <hi rendition="#g">Valdenaireschen</hi> Wahlfache wurde der Antrag der Kommission:                         vorläufig bis zum Erlaß eines Gesetzes über die Unverletzlichkeit der                         Abgeordneten zur Tagesordnung überzugehen, von der Versammlung                         angenommen.</p>
          <p>&#x2012; Die Urwähler des 62. Wahlbezirks in Berlin, der konstitutionelle Klub                         ebendaselbst, und 208 Einwohner von Greifswalde haben gegen den                         Verfassungsentwurf des Herrn Camphausen protestirt. Ebenso eine                         Volksversammlung zu Cochstedt im Magdeburgischen.</p>
          <p>&#x2012; Der nach der Märzrevolution mit der anständigen Wendung eines &#x201E;Urlaubs&#x201C;                         abgetretene Oberbürgermeister Krausnick hat sich bei dem erfreulichen                         Fortschreiten der Reaktion bereis soweit wieder erholt, daß er den                         Stadtverordneten anzeigt, er werde nächstens sein Amt wieder antreten.</p>
          <p>&#x2012; Herr <hi rendition="#g">Blesson</hi>, der jetzt als Kandidat für das                         definitive Kommandv der Berliner Bürgerwehr auftritt, hat neulich eine                         Broschüre veröffentlicht: Betrachtungen über die Befugniß des Militärs an                         politischen Angelegenheiten des Vaterlandes Theil zu nehmen. In dieser                         Schrift erklärt er, daß konstitutionelle Verfassungen verderblich seien, daß                         das Militär nicht auf die Verfassung schwören dürfe, daß blinder Gehorsam                         des Soldaten einziger Ruhm und daß Beschönigung der Handlungen der Urheber                         einer Revolution stets eine Lüge sei etc.</p>
          <p>&#x2012; Bei dem Zug nach dem Grabe der am 18. und 19. März Gefallenen betheiligten                         sich der demokratische Klub (mit einer rothen Fahne), der konstitutionelle                         Klub, der Volksklub, der Verein für Volksrecht, der Arbeiterverein, die                         Studenten, die Bürgerwehr, 130 Deputirte von der Linken etc. etc. im Ganzen                         an 60,000 Personen. Die Demonstration ging ohne die geringste Ruhestörung                         vorüber.</p>
          <p>&#x2012; Bei Gelegenheit dieses Zuges fand sich Hr. <hi rendition="#g">Blesson</hi>,                         provisorischer Chef des Bürgerwehr, zu folgendem Tagesbefehl bemüßigt: &#x201E;Die                         Herren Hauptleute haben dafür Sorge zu tragen, daß die Mannschaften heut                         Nachmittag sich im Bezirk halten,(!) um auf das erste Allarmzeichen auf den                         Allarmplatz zu rücken. Dieselben haben den Tambour und Hornisten deßhalb im                         Hause zu behalten. Berlin, 4. Juni 1848. <hi rendition="#g">Blesson,</hi> Major a. D.&#x201C;</p>
        </div>
        <div xml:id="ar008_009" type="jArticle">
          <head><hi rendition="#g">Berlin,</hi> 5. Juni.</head>
          <p>Die polnischen Abgeordneten der Vereinbarungs-Versammlung haben an den                         General Pfuel (v. Höllenstein) ein Antwortschreiben auf seinen Aufruf an die                         polnischen Landleute erlassen. Wir entnehmen diesem Schreiben Folgendes:</p>
          <p>Zuerst protestiren sie gegen die Verdächtigungen der Grundbesitzer, die der                         General überall verbereitet; sodann gegen die Bezeichnung der                         nichtpreußischen Polen als &#x201E;Fremder&#x201C; und der vom Berliner Volk befreiten                         polnischen Revolutionäre als &#x201E;zum Tode Verurtheilter&#x201C;. Der General                         behauptet, diese hätten das Volk aufgewiegelt; die polnischen Deputirten                         erklären: &#x201E;jene vermeintlichen Aufwiegler haben keine Anstrengung gescheut,                         dasselbe zu beruhigen und von Gewaltthätigkeiten abzuhalten, da das Volk                         selbst, nachdem es sah, daß die Convention mit Füßen getreten, daß es selbst                         offen und überall angegriffen wurde, zur Gegenwehr und Verzweiflung                         getrieben worden war.&#x201C;</p>
          <p>Die Behauptung: man habe dem Volke vorgespiegelt, es solle gewaltsam                         evangelisch gemacht werden, erklären die polnischen Deputirten ebenfalls für                         eine Lüge. Aber dagegen seien allerdings &#x201E;Heiligenbilder, Gräber, Kirchen                         von zügellosen Truppen entweiht und Priester gemordet worden, wie in Kurnik,                         Buk, Mieciska, Kozmin, Alt-Caube etc.&#x201C;</p>
          <p>Ferner heißt es: es sei falsch, daß denen, die zu den Waffen greifen würden,                         drei Morgen Landes versprochen worden; dies sei im Gegentheil denen                         zugesagt, die nach Abschluß der Convention <hi rendition="#g">nach Hause                             gehen würden.</hi> Es war also ein Pacifikationsmittel, wie die                         Proklamation des National-Comités vom 16. April bekundet. Das Versprechen                         sei übrigens schon hie und da erfüllt und werde überall erfüllt werden,                         &#x201E;sobald das Säbelregiment aufhören werde&#x201C;.</p>
          <p>Wenn Herr Pfuel den Bauern vorlüge, der König von Preußen habe sie erst zu                         freien Leuten gemacht, so stellen die Deputirten dem die polnische</p>
        </div>
      </div>
      <div type="jFeuilleton" n="1">
        <div xml:id="ar008_009a" type="jArticle">
          <p>Schweif die melancholischsten aller Ringeln und die Pforten des Gemaches schlossen                         sich wieder hinter seinen röthlichen Pantoffeln.</p>
          <p>Nobel hatte erreicht, was er gewollt. Die Großen seines Reiches schwammen in                         Thränen der Rührung. &#x201E;Nein, dieser Löwe ist kein Thier, er ist ein Mensch,                         ein Engel; von Nero's Zeiten bis auf den heutigen Tag gab es nie eine so                         hochherzige Bestie!&#x201C; Also jauchzten des Reiches Großen und hinaus eilten                         sie, um allem Volk zu verkündigen, was sie eben vernommen.</p>
          <p>Die guten Brüsseler waren steif wie Stockfische vor Erstaunen, als sie Alles                         wußten. Sie veranstalteten sofort eine Illumination mit den wenigen Lichtern                         die es in Brüssel giebt. &#x201E;Hosiannah! Hosiannah!&#x201C; klang es durch alle                         Straßen. &#x201E;Wir haben einen Löwen, dessen Konstitution aufrecht erhalten zu                         werden verdient! es lebe Nobel, es lebe die große Nation!&#x201C; und jeder                         Brüsseler griff nach seinem Schwert und nach seinem Glase Faro, zu 12                         Centimen.</p>
          <p>Der Entschluß war gefaßt. Man wollte seine nationale Unabhängigkeit und die                         Konstitution vertheidigen bis in den Tod, ja noch viel weiter. Alle                         Arrangements wurden getroffen. Monsieur le Baaaaa&#x2012;ron de Chazal, zu deutsch                         : Herr von Scheusal, der Minister des Krieges, ließ die konstitutionellen                         Janitscharen zu Roß sitzen. Monsieur Hooooo&#x2012;dy, zu deutsch : Herr Hody,                         bewaffnete die heilige Hermandat. Die Garde comique fand sich von selbst ein                         und ehe vierzehn Tage vergingen strotzten alle Gränzen von konstitutionellen                         Bärten und Bajonetten. Ganz Belgien sah aus wie ein Stachelschwein.</p>
          <p>So weit ging alles gut; aber da kam der Schluß der Geschichte, es kam die                         Pointe, es kam nämlich kein Krieg. O wie schade für die tapfern Belgier!                         Niemanden gelüstete nach dem großen Königreiche. Von Frankreich her sandte                         ihnen Herr Lamartine aus der Feuersprietze seiner Beredsamkeit die kühlsten,                         die beruhigendsteu Versicherungen. Die Leute am Rhein tranken nach wie vor                         ihren ambrosischen Nierensteiner und kümmerten sich um ihre eignen                         Angelegenheiten. Die Holländer stopften ihre iridischen Pfeifen und                         spekulirten nach Indien und Amerika, und die Engländer endlich rosteten ihr                         Beef und brauten ihren schäumenden Porter.</p>
          <p>Kein Hahn und kein Huhn krähte nach den muthigen Belgiern.</p>
          <p>Da entbrannten sie in gewaltigem Zorn und fielen nicht nur über ihre eignen,                         von Paris heimkehrenden Landsleute, sondern namentlich über die in Brüssel                         wohnenden Ausländer her, um wenigstens einmal ihre Tapferkeit und ihre                         Brutalität durch irgend ein eklatantes Faktum zu konstatiren. Deutsche                         Handwerker und deutsche Gelehrte, denen man ohne weiteres in die Schuhe                         schob, daß sie mit einem Attentat auf den lächerlichsten Löwen aller                         europäischen Menagerien umgingen, wurden von den unsaubern, feilen Händen                         der Diener des Herrn Rogier ergriffen und nicht nur bei ihrer Arrestation,                         nein, auch noch in den Gefängnissen, in den trefflichen Zellen-Anstalten                         jenes traurigen belgischen Philantropen Ducpétiaux auf die empörendste,                         infamste Weise mißhandelt. Der preußische Gesandte, der bairische Gesandte,                         kurz, die sämmtlichen in Brüssel residirenden deutschen Gesandten thaten                         ihre Mäuler uicht auf! Die Revolution des März war noch nicht geschehen                         &#x2026;</p>
          <p>Tage und Wochen sind seitdem. Nach ihren Heldenthaten ruhen die Belgier aus                         bei einem Glase Faro zu 12 Centimen. Der belgische Löwe wedelt noch immer                         mit seinem Schweife; er hat sich allmählig wieder etwas erholt und würde                         vielleicht froh und munter sein, wenn nicht die kriegerischen Gelüste des                         Herrn Chaaaaa-zal und des Herrn Hooooo-dy so viele Unkosten mit sich                         gebracht hätten, daß die guten Brüsseler bei ihren vielen Zwangsanleihen                         wahrscheinlich nächstens das Glas Faro nicht unter 14 Centimen kaufen können                         werden. Dies ist nun sehr schlimm!</p>
          <p>Doch überlassen wir die Belgier ihrer berühmten Konstitution. Die Franzosen,                         die man vertrieb, sie sitzen in Paris und freuen sich ihrer Republik; und                         die deutschen Handwerker und Gelehrten, sie stehen wieder am Rhein und                         schwingen ihre grünen Römer und lachen über jene winzigen Gesellen, die der                         Sturm der Demokratie einst um all' ihre erbärmlichen nationalen                         Liebhabereien bringen wird, wenn der Deutsche und der Franke sich die                         republikanische Bruderhand reichen werden, trotzend allen Völkern des                         Erdballs und heraufbeschwörend eine Zeit der Freiheit und der                         Menschlichkeit.</p>
        </div>
      </div>
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</TEI>
[0032/0002] [Deutschland] *** Köln, 7. Juni. Die Berliner Versammlung hat also beschlossen, _ 8 Trier, 5. Juni. Unsere öde und von dem Weltverkehr so ziemlich abgeschlossene Stadt hat nach der traurigen und gleichzeitig lächerlichen Barrikaden-Geschichte eine Physionomie zum Erbarmen angenommrn. Leute, die vor 8 Tagen revolutionäre Purzelbäume schlugen, Ultraliberale, selbst Republikaner spielen wollten, schleichen sich heut mit langen fahlen Gesichtern und herunterhängenden Ohren durch die Straßen. Alles heult hier, Bourgeoisie, Militär, Beamte und vor allen die furchtbar große Masse der alten und jungen Staatspensionäre. Ach! und das Heulen aller dieser Leute klingt so schrecklich-traurig, daß einem das Herz zerspringen möchte. Nur eine kleine Masse von Demokraten ist sich von Anfang an bis zur jetzigen Stunde treu geblieben. Trotz allen Verfolgungen und böswilligen Verdächtigungen, haben sie sich nicht irre machen lassen. Vergangene Woche haben sie einen demokratischen Verein gegründet, in dessen Liste sich bereits über 600 Mitglieder eingetrageu haben. Das frühere Gerede, daß man absolut das Walten eines fremdartigen künstlichen Einflusses auf die Bürger von Trier annehmen müsse, um sich das Barrikaden-Drama erklären zu können, hat so ziemlich nachgelassen, da der Verstand bei vielen wieder Herr geworden ist. Gewisse Leute, die sich in dem ersten Eifer dazu verleiten ließen, derartig faktisch durchaus unrichtige Thatsachen, in die Welt hinaus zu posaunen, gäben jetzt Vieles darum, wenn sie das Maul gehalten. Von einer verbrecherischen Korrespondenz mit Metz hört man nun gar nichts mehr; sollte wirklich ein Brief vorliegen, so haben wir die feste Ueberzeugung, daß demselben kein anderes Motiv, als eine böswillige Mystifikation der Behörde zu Grunde liegt. Die verfolgenden Behörden, die einige Tage nach dem Fallen der Barrikaden, von nichts anderm als von Hoch- und Landesverrath, vom Strick und Galgen träumten und sprachen, sind so mäuschenstill geworden, daß man in der That nicht weiß, ob sie noch am Leben sind. Leute, die gegen Gott und die ganze Welt Anträge auf Untersuchung, ja sogar Verhaftung nahmen, sperren jetzt, nachdem bereits 230 Zeugen vernommen sind, Mund und Nasen auf, weil die Untersuchung das nicht ergeben soll, was sie mit so apodiktischer Gewißheit in die Welt hiuausgestreut haben. Einer jener Herren ist sogar so weit gegangen, die Behauptung aufzustellen, daß wenn auch die Untersuchung das gewünschte Resultat nicht liefern würde, er dennoch Kenntntß von einer verbrecherischen Korrespondenz habe, und nur aus Delikatesse gegen den, der ihm es privatim mitgetheilt, amtlich keinen Gebrauch davon machen dürfe. Ueberhaupt sollen bei der Untersuchung gar arge Sachen vorgekommen sein, die wohl nach dem Schluß derselben, den vorgesetzten Behörden Veranlassung geben werden, für einzelne Personen nicht sehr angenehme Prozeduren einzuleiten. Ein hier erscheinendes Lokal-Blatt, selbst die Trierer Zeitung, hat bereits in einem strengen, oft äußerst lakonischen Tone, Vieles zur Sprache gebracht; gewisse Beamte scheinen aber nicht viel Luft zu haben, diese Rügen, als falsch und gehässig zu bezeichnen, sie verschlucken lieber mit Todes-Verachtung diese Pillen, und erklären, auf anonyme Artikel dürfe man nicht antworten. Morgen reist von hier der Stellvertreter des Abgeordneten Valdenaire nach Berlin, da die Nationalversammlung über Valdenaire's Freilassung noch nicht entschieden hat. Der Stellvertreter ist der Landgerichtsrath Graeff, bei dem der Ober-Prokurator in Begleitung eines Substituten und des Untersuchungsrichters eine Haussuchung nach verbrecherischen Korrespondonzen vorgenommen, aber nichts gefunden hat; bei welcher Gelegenheit der Ober-Prokurator der allein anwesenden ganz bestürzten Hausfrau die in der That kaum glaubhafte, aber thatsächtliche Bemerkung machte: „Er nehme nur deßhalb die Haussuchung vor, um seinen lieben Collegen und Freund, der Welt gegenüber, als schuldlos hinzustellen.“ Zwei Tage darauf eröffnete der Untersuchungsrichter zwei an denselben L.-G.-Rath von Metz aus kommende Briefe. Sie enthielten Familien-Angelegenheiten. Wie wir hören, wird Herr Graeff nach dem Schluß der Akten, an den ersten Präsidenten des Rh. Appellations-Gerichtshofes, und den General-Prokurator die Bitte um Einsicht in die Akten stellen, um eine Anklage wegen Machtüberschreitung gegen gewisse Personen zu erheben. 20Wesel, 7. Juni. Samstag Abends 7 Uhr kam der Prinz von Preußen von Arnheim kommend in Wesel an. Bereits gegen 5 Uhr war ein Dampfboot des Hrn. Stinnes von Ruhrort mit circa 700 Mann Duisburger und Ruhrorter zum Empfange und Einladung des Prinzen nach Duisbnrg zu kommen in Wesel gelandet. Diese Anhänger des Prinzen verfügten sich sofort nach der Kommandantur in dessen innern Hofraum sie die Ankunft des Prinzen abwarteten. Das Militär wurde kommandirt, eine Stunde weit auf der Emmericher Chausse dem Wagen des Prinzen entgegen zu gehen. Als derselbe sich aber Wesel näherte, wurde er von den Bürgern mit Pfeifen begrüßt, während ihm auf dem Hofe der Kommandantur Hurrahrufe der Duisburger und Ruhrorter, so wie die Blumensträuße der Offizier- und Beamtenfrauen erwarteten. Der Empfang der Weseler Bürger (durch Pfeifen) hatte den Prinzen so entzückt, daß er sich veranlaßt fand, auf dem Balkon der Kommandantur zu erscheinen, um sich für den ihm gewordenen Empfang zu bedanken; allein auch hier wurde er wieder mit Pfeifen begrüßt, während das Militär mit den Worten „Kinder ruft doch Hurrah,“ kommandirt wurde. Nach 1 1/2stündigem Aufenthalt fuhr derselbe am Berliner Thor heraus, seine Reise weiter fortsetzend. Auf diesem Wege nahmen die Bürger Wesels durch allerlei unartige Demonstrationen wieder von ihm Abschied. Die Duisburger und Ruhrorter suchten zu gleicher Zeit sich wieder auf's Dampfboot zu begeben, um sich dadurch den Angriffen der erbitterten Weselaner zu entziehen, welche sie bis zum Schiff verfolgten. Nur die Eile mit der sich die Duisburger und Ruhrorter fortmachten, schützte sie vor der Wuth des Volkes. 8 Dortmund, 5. Juni. Heute Nacht zwei Uhr kam der Prinz von Preußen mit dem Deutzer Nachtzuge hier an. Man war hier von seiner Ankunft im Voraus unterrichtet. Einige Hunderte getreuer Markaner, den Landrath an der Spitze, sollen sich mit Musik, Fahnen und Stocklaternen auf dem Bahnhofe eingefunden und den Prinzen mit Lebehochs begrüßt haben. Der Landrath soll einige Worte gesprochen und der Prinz, ohne den Wagen zu verlassen, einige Worte des Dankes entgegnet haben. Dann soll die Musik: „Heil dir u. s. w.“ gespielt haben und schließlich das alte liebe Lied des preußischen Servilismus par excellcnce: „Ich bin ein Preuße, kennt ihr meine Farben“ gesungen worden sein. Hier scheint noch Alles beim Alten geblieben zu sein ‒ trotz alle dem. Ueber das chamäleonsartige Farbenspiel der deutschen Einigkeit könnte es Einem nachgerade recht ekel ums Herz werden. * Berlin, 5: Juni. Wir haben gestern eine glänzende Demonstration gemacht, vielleicht wird unsere feige Nationalversammlung, die bis jetzt weder den Muth hatte, sich für noch gegen die Revolution auszusprechen, nun eine entschiedenere Haltung annehmen! Vielleicht wird ihre Majorität es wagen, diejenigen zu brandmarken, durch deren Blut sie ihr Mandat erhalten und es könnte ihr dann gehen, wie jener Majorität Guizots, die sich auch für den Ansdruck des Volkswillens erklärte und die vom Volke an einem schönen Tage aufgehoben wurde. Wir hatten gestern einen Festzug zu Ehren der am 18. und 19. März gefallenen Helden. Alle Stände hatten sich zu demselben vereinigt : die linke Seite der konst. Versammlung, Bürgerwehr, Vereine, Klubs aller Richtungen, Gewerke, Landwehr, alle zogen sie mit klingendem Spiele, mit Fahnen und Emblemen in einem prächtigen Zuge, der drei Stunden währte, nach dem Friedrichshain, an die Gräber der Gefallenen, um hier der Revolution noch einmal zu huldigen, der Macht, aus der unsere junge, arg bedrohte Freiheit entsprossen. Es sprachen fünf Deputirte : Graf Reichenbach, Assessor Jung, Pastor Müller, Kaplan Berg und Lehrer Wander, außerdem der Schriftsetzer Born im Namen der Gewerke, Salis im Namen der Studenten, Börner für den demokratischen Klub und zuletzt noch Held. Ihre Reden enthielten die entschiedensten Protestationen gegen die Unkenstimmen aus den Provinzen, die sich gegen unsere Revolution erhoben, gegen den Betrug unserer Minister, gegen die Reaktion in der Ständeversammlung wie in dem alten Beamtenheere und wurden von dem musterhaft geordneten Volke mit dem lebendigsten Enthusiasmns aufgenommen. Der Zwiespalt zwischen Bourgoisie und Arbeitern war seit dem Erscheinen des Verfassungs-Entwurfs vergessen; beide fühlten sie sich zu einer Vereinigung genöthigt, gegenüber dem alten Feinde, der absoluten Monarchie. 14 Berlin, 3. Juni. Die Rechte der Nationalversammlung, welche sehr stark mit Geheimeraths-Naturen gespickt ist, hat angefangen einige Gesittung an Tag zu legen. Es darf im Laufe der Diskussionen doch wenigstens der Name : Pole ausgesprochen und die vom 18. auf den 19. März Gefallenen dürfen Freiheitshelden genannt werden, was sonst auf der Rechten ein derartiges Stampfen und Rumoren veranlaßte, daß jedes Mal das Verlesen der Aufruhr-Akte eigentlich nöthig gewesen wäre. Dieser Uebergang zur Besserung läßt den Sturz des Ministeriums nicht mehr in Zweifel stellen. ‒ In der heutigen zehnten Sitzung der Vereinbarungsversammlung kam die Interpellation des Abg. Elsner wegen willkürlicher Verhaftungen in Schlesien zur Sprache. Hr. Elsner erzählte die im höchsten Grade gehässigen Thatsachen ausführlich; die Antwort des Justizministers Bornemann beschränke sich darauf, die Richtigkeit dieser Thatsachen anzuerkennen. Des Abg. Hanow Interpellation an denKriegsminister wegen Unregelmäßigkeit bei der Einberufung des 1. Aufgebots 1. Bataillons 12. Landw.-Inf.-Reg., erledigt sich durch die Antwort des Oberstlieutenants Briegleben als Regierungskommissärs, daß das betreffende Gesetz allerdings einer Reform bedürftig sei. ‒ In der Valdenaireschen Wahlfache wurde der Antrag der Kommission: vorläufig bis zum Erlaß eines Gesetzes über die Unverletzlichkeit der Abgeordneten zur Tagesordnung überzugehen, von der Versammlung angenommen. ‒ Die Urwähler des 62. Wahlbezirks in Berlin, der konstitutionelle Klub ebendaselbst, und 208 Einwohner von Greifswalde haben gegen den Verfassungsentwurf des Herrn Camphausen protestirt. Ebenso eine Volksversammlung zu Cochstedt im Magdeburgischen. ‒ Der nach der Märzrevolution mit der anständigen Wendung eines „Urlaubs“ abgetretene Oberbürgermeister Krausnick hat sich bei dem erfreulichen Fortschreiten der Reaktion bereis soweit wieder erholt, daß er den Stadtverordneten anzeigt, er werde nächstens sein Amt wieder antreten. ‒ Herr Blesson, der jetzt als Kandidat für das definitive Kommandv der Berliner Bürgerwehr auftritt, hat neulich eine Broschüre veröffentlicht: Betrachtungen über die Befugniß des Militärs an politischen Angelegenheiten des Vaterlandes Theil zu nehmen. In dieser Schrift erklärt er, daß konstitutionelle Verfassungen verderblich seien, daß das Militär nicht auf die Verfassung schwören dürfe, daß blinder Gehorsam des Soldaten einziger Ruhm und daß Beschönigung der Handlungen der Urheber einer Revolution stets eine Lüge sei etc. ‒ Bei dem Zug nach dem Grabe der am 18. und 19. März Gefallenen betheiligten sich der demokratische Klub (mit einer rothen Fahne), der konstitutionelle Klub, der Volksklub, der Verein für Volksrecht, der Arbeiterverein, die Studenten, die Bürgerwehr, 130 Deputirte von der Linken etc. etc. im Ganzen an 60,000 Personen. Die Demonstration ging ohne die geringste Ruhestörung vorüber. ‒ Bei Gelegenheit dieses Zuges fand sich Hr. Blesson, provisorischer Chef des Bürgerwehr, zu folgendem Tagesbefehl bemüßigt: „Die Herren Hauptleute haben dafür Sorge zu tragen, daß die Mannschaften heut Nachmittag sich im Bezirk halten,(!) um auf das erste Allarmzeichen auf den Allarmplatz zu rücken. Dieselben haben den Tambour und Hornisten deßhalb im Hause zu behalten. Berlin, 4. Juni 1848. Blesson, Major a. D.“ Berlin, 5. Juni. Die polnischen Abgeordneten der Vereinbarungs-Versammlung haben an den General Pfuel (v. Höllenstein) ein Antwortschreiben auf seinen Aufruf an die polnischen Landleute erlassen. Wir entnehmen diesem Schreiben Folgendes: Zuerst protestiren sie gegen die Verdächtigungen der Grundbesitzer, die der General überall verbereitet; sodann gegen die Bezeichnung der nichtpreußischen Polen als „Fremder“ und der vom Berliner Volk befreiten polnischen Revolutionäre als „zum Tode Verurtheilter“. Der General behauptet, diese hätten das Volk aufgewiegelt; die polnischen Deputirten erklären: „jene vermeintlichen Aufwiegler haben keine Anstrengung gescheut, dasselbe zu beruhigen und von Gewaltthätigkeiten abzuhalten, da das Volk selbst, nachdem es sah, daß die Convention mit Füßen getreten, daß es selbst offen und überall angegriffen wurde, zur Gegenwehr und Verzweiflung getrieben worden war.“ Die Behauptung: man habe dem Volke vorgespiegelt, es solle gewaltsam evangelisch gemacht werden, erklären die polnischen Deputirten ebenfalls für eine Lüge. Aber dagegen seien allerdings „Heiligenbilder, Gräber, Kirchen von zügellosen Truppen entweiht und Priester gemordet worden, wie in Kurnik, Buk, Mieciska, Kozmin, Alt-Caube etc.“ Ferner heißt es: es sei falsch, daß denen, die zu den Waffen greifen würden, drei Morgen Landes versprochen worden; dies sei im Gegentheil denen zugesagt, die nach Abschluß der Convention nach Hause gehen würden. Es war also ein Pacifikationsmittel, wie die Proklamation des National-Comités vom 16. April bekundet. Das Versprechen sei übrigens schon hie und da erfüllt und werde überall erfüllt werden, „sobald das Säbelregiment aufhören werde“. Wenn Herr Pfuel den Bauern vorlüge, der König von Preußen habe sie erst zu freien Leuten gemacht, so stellen die Deputirten dem die polnische Schweif die melancholischsten aller Ringeln und die Pforten des Gemaches schlossen sich wieder hinter seinen röthlichen Pantoffeln. Nobel hatte erreicht, was er gewollt. Die Großen seines Reiches schwammen in Thränen der Rührung. „Nein, dieser Löwe ist kein Thier, er ist ein Mensch, ein Engel; von Nero's Zeiten bis auf den heutigen Tag gab es nie eine so hochherzige Bestie!“ Also jauchzten des Reiches Großen und hinaus eilten sie, um allem Volk zu verkündigen, was sie eben vernommen. Die guten Brüsseler waren steif wie Stockfische vor Erstaunen, als sie Alles wußten. Sie veranstalteten sofort eine Illumination mit den wenigen Lichtern die es in Brüssel giebt. „Hosiannah! Hosiannah!“ klang es durch alle Straßen. „Wir haben einen Löwen, dessen Konstitution aufrecht erhalten zu werden verdient! es lebe Nobel, es lebe die große Nation!“ und jeder Brüsseler griff nach seinem Schwert und nach seinem Glase Faro, zu 12 Centimen. Der Entschluß war gefaßt. Man wollte seine nationale Unabhängigkeit und die Konstitution vertheidigen bis in den Tod, ja noch viel weiter. Alle Arrangements wurden getroffen. Monsieur le Baaaaa‒ron de Chazal, zu deutsch : Herr von Scheusal, der Minister des Krieges, ließ die konstitutionellen Janitscharen zu Roß sitzen. Monsieur Hooooo‒dy, zu deutsch : Herr Hody, bewaffnete die heilige Hermandat. Die Garde comique fand sich von selbst ein und ehe vierzehn Tage vergingen strotzten alle Gränzen von konstitutionellen Bärten und Bajonetten. Ganz Belgien sah aus wie ein Stachelschwein. So weit ging alles gut; aber da kam der Schluß der Geschichte, es kam die Pointe, es kam nämlich kein Krieg. O wie schade für die tapfern Belgier! Niemanden gelüstete nach dem großen Königreiche. Von Frankreich her sandte ihnen Herr Lamartine aus der Feuersprietze seiner Beredsamkeit die kühlsten, die beruhigendsteu Versicherungen. Die Leute am Rhein tranken nach wie vor ihren ambrosischen Nierensteiner und kümmerten sich um ihre eignen Angelegenheiten. Die Holländer stopften ihre iridischen Pfeifen und spekulirten nach Indien und Amerika, und die Engländer endlich rosteten ihr Beef und brauten ihren schäumenden Porter. Kein Hahn und kein Huhn krähte nach den muthigen Belgiern. Da entbrannten sie in gewaltigem Zorn und fielen nicht nur über ihre eignen, von Paris heimkehrenden Landsleute, sondern namentlich über die in Brüssel wohnenden Ausländer her, um wenigstens einmal ihre Tapferkeit und ihre Brutalität durch irgend ein eklatantes Faktum zu konstatiren. Deutsche Handwerker und deutsche Gelehrte, denen man ohne weiteres in die Schuhe schob, daß sie mit einem Attentat auf den lächerlichsten Löwen aller europäischen Menagerien umgingen, wurden von den unsaubern, feilen Händen der Diener des Herrn Rogier ergriffen und nicht nur bei ihrer Arrestation, nein, auch noch in den Gefängnissen, in den trefflichen Zellen-Anstalten jenes traurigen belgischen Philantropen Ducpétiaux auf die empörendste, infamste Weise mißhandelt. Der preußische Gesandte, der bairische Gesandte, kurz, die sämmtlichen in Brüssel residirenden deutschen Gesandten thaten ihre Mäuler uicht auf! Die Revolution des März war noch nicht geschehen … Tage und Wochen sind seitdem. Nach ihren Heldenthaten ruhen die Belgier aus bei einem Glase Faro zu 12 Centimen. Der belgische Löwe wedelt noch immer mit seinem Schweife; er hat sich allmählig wieder etwas erholt und würde vielleicht froh und munter sein, wenn nicht die kriegerischen Gelüste des Herrn Chaaaaa-zal und des Herrn Hooooo-dy so viele Unkosten mit sich gebracht hätten, daß die guten Brüsseler bei ihren vielen Zwangsanleihen wahrscheinlich nächstens das Glas Faro nicht unter 14 Centimen kaufen können werden. Dies ist nun sehr schlimm! Doch überlassen wir die Belgier ihrer berühmten Konstitution. Die Franzosen, die man vertrieb, sie sitzen in Paris und freuen sich ihrer Republik; und die deutschen Handwerker und Gelehrten, sie stehen wieder am Rhein und schwingen ihre grünen Römer und lachen über jene winzigen Gesellen, die der Sturm der Demokratie einst um all' ihre erbärmlichen nationalen Liebhabereien bringen wird, wenn der Deutsche und der Franke sich die republikanische Bruderhand reichen werden, trotzend allen Völkern des Erdballs und heraufbeschwörend eine Zeit der Freiheit und der Menschlichkeit.

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 8. Köln, 8. Juni 1848, S. 0032. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz008_1848/2>, abgerufen am 29.03.2024.