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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 8. Köln, 8. Juni 1848.

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Neue Rheinische Zeitung.
Organ der Demokratie.
No 8. Köln, Donnerstag 8. Juni 1848.

Die "Neue Rheinische Zeitung" erscheint vom 1. Juni an täglich.

Der Abonnementspreis beträgt: Für das Vierteljahr in Köln 1 Thlr. 15 Sgr.; für alle übrigen Orte Preußens 2 Thlr. 3 Sgr. 9 Pf. Außerhalb Preußens mit Zuschlag des fremden Zeitungsporto's.

Das Abonnement für den Monat Juni kann nur unter gleichzeitiger Bestellung des nächsten Quartals (Juli, August, September) geschehen. Der Preis dieses viermonatlichen Abonnements beträgt: Für Köln 2 Thlr.; auswärts 2 Thlr. 25 Sgr.

Man abonnirt bei allen Postanstalten und Buchhandlungen des In- und Auslandes; - für Köln in der Expedition der Zeitung bei
Hrn. W. Clouth, St. Agatha 12, Köln.

Fernere Aktienzeichnungen werden entgegen genommen in der Expedition der Zeitung. Auswärtige werden gebeten, sich ebenfalls dorthin franco zu wenden.

Insertionsgebühren.

Für die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum ... 1 Sgr. 6 Pf.

Die Expedition der "Neuen Rheinischen Zeitung."

Uebersicht.

Deutschland. Köln (die Adreßfrage. - Vereinbarungsdebatten). Trier (die Untersuchungen). Düsseldorf (der Volksklub). Wesel (Empfang des Prinzen von Preußen). Dortmund (Durchfahrt des Prinzen). Berlin (Vereinbarungsdebatten. - Protest gegen den Verfassungsentwurf. - Krausnick. - Blesson. - Revolutionsfest. - Vorboten des Sturzes des Ministeriums Camphausen). Posen (neue Demarkationslinie). Frankfurt (Debatten der Nationalversammlung). Wien (Protest gegen die Prager provisorische Regierung. - Reskript an den Bürgerausschuß. - Finanzerlaß. - Suspension der Todesstrafe).

Belgien. Brüssel (die Alliance. - Die Wahlen). Lüttich (Verhaftung Tedesco's).

Französische Republik. Paris (Sitzung der Nationalversammlung vom 5. Juni. - Marrast's Dekret über die Nationalwerkstätten. - Das Journal "la Republique" über Marrast's Dekret. - Pondichery. - Maueranschlag der Arbeiter der Nationalwerkstätten. - Erklärung Louis Blancs über die Nationalwerkstätten. - Neue Journale).

Deutschland.
** Köln, 6. Juni.

In der Berliner Vereinbarungssitzung vom 2.

Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
Das tragi-komische Belgien.

Belgien ist ein schönes Land. Dies weiß Jeder. Das Land wo Milch und Faro fleußt. Das Faro ist sauer. Belgien hat Gärten und üppige Triften; auf den letztern wandeln Ochsen und Esel. Die Esel sollen nicht gescheidter sein, wie die Esel an andern Orten. - Belgien wird von Vlamländern und Wallonen bewohnt. Die erstern trinken ihr saures Faro und sprechen vlamländisch; die andern trinken lieber Bordeaux und Burgunder und drücken sich in französischer und wallonischer Sprache aus. Die Vlamländer sind namentlich sehr gute Menschen. Sie thaten noch Niemanden etwas zu leide. Im Jahre 1830 zogen sie sich vor den Holländern auf's höflichste zurück und überließen den Franzosen alle Gräuelthaten des belgischen Freiheitskrieges. Belgien ist ein gesegnetes Land; es hat Waizen und Gerste und Roggen - selbst etwas Grütze und Marmor und Quarz und Kies, und in Flandern ist der vierte Mann ein Blutarmer und in Brüssel kommen auf die Geburten der arbeitenden Klasse ein und achtzig pCt. unehliche ... Belgien hat eine ganz vorzügliche Konstitution, und jahraus, jahrein bringt die Eisenbahn viele Tausende von Leuten nach der Hauptstadt, damit sie diese famose Koustitution des belgischen Löwen, bei einem Glase Faro, an Ort und Stelle studiren können. Belgien hat auch einen König. Dieser aber ist ein Deutscher und wenn es gutes Wetter ist, da fährt er im offnen Wagen herüber von Laken nach Brüssel, und die guten, konstitutionellen Belgier stellen sich dann rechts und links an die Seiten der Straße, ziehen den Hut ab und rufen: "Guten Tag, Herr König Leopold!"

Doch im Ernst gesprochen - Belgien war vor dem 24. Februar ein wahres konstitutionelles Kanaan und wenn so ein jugendlicher Brüsseler mit Hut, Bart, Hose und nicht zu vergessen, mit einem Glase Faro zu 12 Centimen vor seinem Estaminent saß, da blickte er lächelnd nach Paris und verächtlich nach dem Rheine hinüber und trank auf das Wohlsein der großen belgischen Nation.

O, es ist gar nicht abzusehen, was aus den Belgiern geworden wäre, wenn ihnen nicht der alte pariser Schwiegervater plötzlich den schlimmsten aller Streiche gespielt und sich in so wahrhaft beunruhigender Weise aus dem Staube gemacht hätte. Das war fatal!

Die Farogläser fielen zu Dutzenden um; die längsten Gesichter wurden noch viel länger; die meisten Menschen sahen aus, als hätten sie eben Tausend Loiusd'or im Ecarte verloren; die Herzen sanken in die Hosen, die ganze nationale Kurage war verschwunden und die bleiche schlotternde Angst ritt auf den neutralen belgischen Patrioten wie ein Gespenst auf einem Kameele. Mit einem Worte, der tapfre belgische Löwe war revolutionskrank geworden; er litt am vierundzwanzigsten Februar. Er trank kein Faro mehr.

Einen Tag und eine Nacht dauerten die ersten Krämpfe, ehe man nur einmal daran dachte, wie dem armen Thiere zu helfen sei. Es war ein trauriger Anblick. Da schickte der Doctor Rogier an Hrn. van de Weyer nach London und bat ihn um Gottes Willen, auf der Stelle irgend ein Rezeptchen verschreiben zu lassen; auch an den alten Quacksalber in Wien ging ein Kurier ab, mit der Bitte nm schleunige Hülfe. Der gute Metternich versteht sich besser wie du auf die Thierkrankheiten, dachte Doctor Rogier; denn er traute nicht seiner eignen Kunst.

Während man so mit dem königlichen Thiere beschäftigt war, begingen einige jugendliche Unterthanen Sr. Majestät die konstitutionelle Unverschämtheit, die Ruhe rings um den kranken Löwen herum auf sehr bedauerliche Weise zu stören. Ohne Rücksicht auf seine hohen Leiden zu nehmen, hielten sie nicht nur sehr stürmische Versammlnngen in geschlossenen Räumen, nein, auch auf offner Straße ließen sie ihrer revolutionären Laune die Zügel schießen, so daß nicht selten das "Vive la Republique!" bis hinauf zu Nobel's Fenster klang.

Man kann sich denken, welchen Eindruck dieses lasterhafte Getöse auf die ohnehin schon gedrückte Stimmung des unglücklichen Wesens machen mußte. Nobel sah ein, daß seine erschütterte belgische Konstitution nur durch ein wahres Wunder aufrecht erhalten werden könne.

Ehe Antwort von Wien und London kam mußte etwas außerordentliches geschehen. Die Noth bricht Eisen. Nobel kam auf einen Gedanken.

Die Nachtmütze auf dem Kopf, die Tatzen in weiten schlürfenden Pantoffeln und den königlichen Schweif in melancholische Ringeln gelegt, schritt nämlich unser Leu aus seinem Gemach und trat vor die Großen seines Reiches. Es war ein feierlicher, wichtiger Augenblick, der denkwürdigste in den belgischen Analen. "Ich bin Philosoph," begann der Leu, und ein bedenkliches Zittern seiner schwachen Klauen ließ einen Ausbruch königlicher Konvulsionen befürchten. "Ich bin Philosoph," hub er abermals an, und deshalb begreife ich mein Jahrhundert. Ich sehe, daß es uns Löwen an den Kragen geht, unsre Stunde hat geschlagen. Hören Sie nicht, wie man draußen so dringend nach dem Ende meiner Regierung verlangt? Jeder Tag meines Lebens wird nur einen neuen Tag der Unruhe und Anarchie für Sie mitbringen - wozu das? Da ich dennoch sterben muß, so will ich lieber gleich zu Grunde gehn, denn ich bin ein guter, rücksichtsvoller Leu und gern zufrieden, wenn nur jeder Belgier wieder ruhig sein Glas Faro trinken kann, zu 12 Centimen ... jagen Sie mich deshalb fort, schlagen Sie mich todt, meine Herren - es ist mir Alles einerlei, es lebe Belgien! es lebe die große Nation!" Hier schwieg der Löwe und während er im Herumdrehen spöttisch und ironisch die Zunge aus dem königlichen Rachen streckte, schlug er wiederum mit seinem [Fortsetzung]

Neue Rheinische Zeitung.
Organ der Demokratie.
No 8. Köln, Donnerstag 8. Juni 1848.

Die „Neue Rheinische Zeitung“ erscheint vom 1. Juni an täglich.

Der Abonnementspreis beträgt: Für das Vierteljahr in Köln 1 Thlr. 15 Sgr.; für alle übrigen Orte Preußens 2 Thlr. 3 Sgr. 9 Pf. Außerhalb Preußens mit Zuschlag des fremden Zeitungsporto's.

Das Abonnement für den Monat Juni kann nur unter gleichzeitiger Bestellung des nächsten Quartals (Juli, August, September) geschehen. Der Preis dieses viermonatlichen Abonnements beträgt: Für Köln 2 Thlr.; auswärts 2 Thlr. 25 Sgr.

Man abonnirt bei allen Postanstalten und Buchhandlungen des In- und Auslandes; ‒ für Köln in der Expedition der Zeitung bei
Hrn. W. Clouth, St. Agatha 12, Köln.

Fernere Aktienzeichnungen werden entgegen genommen in der Expedition der Zeitung. Auswärtige werden gebeten, sich ebenfalls dorthin franco zu wenden.

Insertionsgebühren.

Für die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum … 1 Sgr. 6 Pf.

Die Expedition der „Neuen Rheinischen Zeitung.“

Uebersicht.

Deutschland. Köln (die Adreßfrage. ‒ Vereinbarungsdebatten). Trier (die Untersuchungen). Düsseldorf (der Volksklub). Wesel (Empfang des Prinzen von Preußen). Dortmund (Durchfahrt des Prinzen). Berlin (Vereinbarungsdebatten. ‒ Protest gegen den Verfassungsentwurf. ‒ Krausnick. ‒ Blesson. ‒ Revolutionsfest. ‒ Vorboten des Sturzes des Ministeriums Camphausen). Posen (neue Demarkationslinie). Frankfurt (Debatten der Nationalversammlung). Wien (Protest gegen die Prager provisorische Regierung. ‒ Reskript an den Bürgerausschuß. ‒ Finanzerlaß. ‒ Suspension der Todesstrafe).

Belgien. Brüssel (die Alliance. ‒ Die Wahlen). Lüttich (Verhaftung Tedesco's).

Französische Republik. Paris (Sitzung der Nationalversammlung vom 5. Juni. ‒ Marrast's Dekret über die Nationalwerkstätten. ‒ Das Journal „la Republique“ über Marrast's Dekret. ‒ Pondichery. ‒ Maueranschlag der Arbeiter der Nationalwerkstätten. ‒ Erklärung Louis Blancs über die Nationalwerkstätten. ‒ Neue Journale).

Deutschland.
** Köln, 6. Juni.

In der Berliner Vereinbarungssitzung vom 2.

Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
Das tragi-komische Belgien.

Belgien ist ein schönes Land. Dies weiß Jeder. Das Land wo Milch und Faro fleußt. Das Faro ist sauer. Belgien hat Gärten und üppige Triften; auf den letztern wandeln Ochsen und Esel. Die Esel sollen nicht gescheidter sein, wie die Esel an andern Orten. ‒ Belgien wird von Vlamländern und Wallonen bewohnt. Die erstern trinken ihr saures Faro und sprechen vlamländisch; die andern trinken lieber Bordeaux und Burgunder und drücken sich in französischer und wallonischer Sprache aus. Die Vlamländer sind namentlich sehr gute Menschen. Sie thaten noch Niemanden etwas zu leide. Im Jahre 1830 zogen sie sich vor den Holländern auf's höflichste zurück und überließen den Franzosen alle Gräuelthaten des belgischen Freiheitskrieges. Belgien ist ein gesegnetes Land; es hat Waizen und Gerste und Roggen ‒ selbst etwas Grütze und Marmor und Quarz und Kies, und in Flandern ist der vierte Mann ein Blutarmer und in Brüssel kommen auf die Geburten der arbeitenden Klasse ein und achtzig pCt. unehliche … Belgien hat eine ganz vorzügliche Konstitution, und jahraus, jahrein bringt die Eisenbahn viele Tausende von Leuten nach der Hauptstadt, damit sie diese famose Koustitution des belgischen Löwen, bei einem Glase Faro, an Ort und Stelle studiren können. Belgien hat auch einen König. Dieser aber ist ein Deutscher und wenn es gutes Wetter ist, da fährt er im offnen Wagen herüber von Laken nach Brüssel, und die guten, konstitutionellen Belgier stellen sich dann rechts und links an die Seiten der Straße, ziehen den Hut ab und rufen: „Guten Tag, Herr König Leopold!“

Doch im Ernst gesprochen ‒ Belgien war vor dem 24. Februar ein wahres konstitutionelles Kanaan und wenn so ein jugendlicher Brüsseler mit Hut, Bart, Hose und nicht zu vergessen, mit einem Glase Faro zu 12 Centimen vor seinem Estaminent saß, da blickte er lächelnd nach Paris und verächtlich nach dem Rheine hinüber und trank auf das Wohlsein der großen belgischen Nation.

O, es ist gar nicht abzusehen, was aus den Belgiern geworden wäre, wenn ihnen nicht der alte pariser Schwiegervater plötzlich den schlimmsten aller Streiche gespielt und sich in so wahrhaft beunruhigender Weise aus dem Staube gemacht hätte. Das war fatal!

Die Farogläser fielen zu Dutzenden um; die längsten Gesichter wurden noch viel länger; die meisten Menschen sahen aus, als hätten sie eben Tausend Loiusd'or im Ecarté verloren; die Herzen sanken in die Hosen, die ganze nationale Kurage war verschwunden und die bleiche schlotternde Angst ritt auf den neutralen belgischen Patrioten wie ein Gespenst auf einem Kameele. Mit einem Worte, der tapfre belgische Löwe war revolutionskrank geworden; er litt am vierundzwanzigsten Februar. Er trank kein Faro mehr.

Einen Tag und eine Nacht dauerten die ersten Krämpfe, ehe man nur einmal daran dachte, wie dem armen Thiere zu helfen sei. Es war ein trauriger Anblick. Da schickte der Doctor Rogier an Hrn. van de Weyer nach London und bat ihn um Gottes Willen, auf der Stelle irgend ein Rezeptchen verschreiben zu lassen; auch an den alten Quacksalber in Wien ging ein Kurier ab, mit der Bitte nm schleunige Hülfe. Der gute Metternich versteht sich besser wie du auf die Thierkrankheiten, dachte Doctor Rogier; denn er traute nicht seiner eignen Kunst.

Während man so mit dem königlichen Thiere beschäftigt war, begingen einige jugendliche Unterthanen Sr. Majestät die konstitutionelle Unverschämtheit, die Ruhe rings um den kranken Löwen herum auf sehr bedauerliche Weise zu stören. Ohne Rücksicht auf seine hohen Leiden zu nehmen, hielten sie nicht nur sehr stürmische Versammlnngen in geschlossenen Räumen, nein, auch auf offner Straße ließen sie ihrer revolutionären Laune die Zügel schießen, so daß nicht selten das „Vive la Republique!“ bis hinauf zu Nobel's Fenster klang.

Man kann sich denken, welchen Eindruck dieses lasterhafte Getöse auf die ohnehin schon gedrückte Stimmung des unglücklichen Wesens machen mußte. Nobel sah ein, daß seine erschütterte belgische Konstitution nur durch ein wahres Wunder aufrecht erhalten werden könne.

Ehe Antwort von Wien und London kam mußte etwas außerordentliches geschehen. Die Noth bricht Eisen. Nobel kam auf einen Gedanken.

Die Nachtmütze auf dem Kopf, die Tatzen in weiten schlürfenden Pantoffeln und den königlichen Schweif in melancholische Ringeln gelegt, schritt nämlich unser Leu aus seinem Gemach und trat vor die Großen seines Reiches. Es war ein feierlicher, wichtiger Augenblick, der denkwürdigste in den belgischen Analen. „Ich bin Philosoph,“ begann der Leu, und ein bedenkliches Zittern seiner schwachen Klauen ließ einen Ausbruch königlicher Konvulsionen befürchten. „Ich bin Philosoph,“ hub er abermals an, und deshalb begreife ich mein Jahrhundert. Ich sehe, daß es uns Löwen an den Kragen geht, unsre Stunde hat geschlagen. Hören Sie nicht, wie man draußen so dringend nach dem Ende meiner Regierung verlangt? Jeder Tag meines Lebens wird nur einen neuen Tag der Unruhe und Anarchie für Sie mitbringen ‒ wozu das? Da ich dennoch sterben muß, so will ich lieber gleich zu Grunde gehn, denn ich bin ein guter, rücksichtsvoller Leu und gern zufrieden, wenn nur jeder Belgier wieder ruhig sein Glas Faro trinken kann, zu 12 Centimen … jagen Sie mich deshalb fort, schlagen Sie mich todt, meine Herren ‒ es ist mir Alles einerlei, es lebe Belgien! es lebe die große Nation!“ Hier schwieg der Löwe und während er im Herumdrehen spöttisch und ironisch die Zunge aus dem königlichen Rachen streckte, schlug er wiederum mit seinem [Fortsetzung]

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          <p>Während man so mit dem königlichen Thiere beschäftigt war, begingen einige                         jugendliche Unterthanen Sr. Majestät die konstitutionelle Unverschämtheit,                         die Ruhe rings um den kranken Löwen herum auf sehr bedauerliche Weise zu                         stören. Ohne Rücksicht auf seine hohen Leiden zu nehmen, hielten sie nicht                         nur sehr stürmische Versammlnngen in geschlossenen Räumen, nein, auch auf                         offner Straße ließen sie ihrer revolutionären Laune die Zügel schießen, so                         daß nicht selten das &#x201E;Vive la Republique!&#x201C; bis hinauf zu Nobel's Fenster                         klang.</p>
          <p>Man kann sich denken, welchen Eindruck dieses lasterhafte Getöse auf die                         ohnehin schon gedrückte Stimmung des unglücklichen Wesens machen mußte.                         Nobel sah ein, daß seine erschütterte belgische Konstitution nur durch ein                         wahres Wunder aufrecht erhalten werden könne.</p>
          <p>Ehe Antwort von Wien und London kam mußte etwas außerordentliches geschehen.                         Die Noth bricht Eisen. Nobel kam auf einen Gedanken.</p>
          <p>Die Nachtmütze auf dem Kopf, die Tatzen in weiten schlürfenden Pantoffeln und                         den königlichen Schweif in melancholische Ringeln gelegt, schritt nämlich                         unser Leu aus seinem Gemach und trat vor die Großen seines Reiches. Es war                         ein feierlicher, wichtiger Augenblick, der denkwürdigste in den belgischen                         Analen. &#x201E;Ich bin Philosoph,&#x201C; begann der Leu, und ein bedenkliches Zittern                         seiner schwachen Klauen ließ einen Ausbruch königlicher Konvulsionen                         befürchten. &#x201E;Ich bin Philosoph,&#x201C; hub er abermals an, und deshalb begreife                         ich mein Jahrhundert. Ich sehe, daß es uns Löwen an den Kragen geht, unsre                         Stunde hat geschlagen. Hören Sie nicht, wie man draußen so dringend nach dem                         Ende meiner Regierung verlangt? Jeder Tag meines Lebens wird nur einen neuen                         Tag der Unruhe und Anarchie für Sie mitbringen &#x2012; wozu das? Da ich dennoch                         sterben muß, so will ich lieber gleich zu Grunde gehn, denn ich bin ein                         guter, rücksichtsvoller Leu und gern zufrieden, wenn nur jeder Belgier                         wieder ruhig sein Glas Faro trinken kann, zu 12 Centimen &#x2026; jagen Sie mich                         deshalb fort, schlagen Sie mich todt, meine Herren &#x2012; es ist mir Alles                         einerlei, es lebe Belgien! es lebe die große Nation!&#x201C; Hier schwieg der Löwe                         und während er im Herumdrehen spöttisch und ironisch die Zunge aus dem                         königlichen Rachen streckte, schlug er wiederum mit seinem <ref type="link_fsg">[Fortsetzung]</ref></p>
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[0031/0001] Neue Rheinische Zeitung.Organ der Demokratie.No 8. Köln, Donnerstag 8. Juni 1848. Die „Neue Rheinische Zeitung“ erscheint vom 1. Juni an täglich. Der Abonnementspreis beträgt: Für das Vierteljahr in Köln 1 Thlr. 15 Sgr.; für alle übrigen Orte Preußens 2 Thlr. 3 Sgr. 9 Pf. Außerhalb Preußens mit Zuschlag des fremden Zeitungsporto's. Das Abonnement für den Monat Juni kann nur unter gleichzeitiger Bestellung des nächsten Quartals (Juli, August, September) geschehen. Der Preis dieses viermonatlichen Abonnements beträgt: Für Köln 2 Thlr.; auswärts 2 Thlr. 25 Sgr. Man abonnirt bei allen Postanstalten und Buchhandlungen des In- und Auslandes; ‒ für Köln in der Expedition der Zeitung bei Hrn. W. Clouth, St. Agatha 12, Köln. Fernere Aktienzeichnungen werden entgegen genommen in der Expedition der Zeitung. Auswärtige werden gebeten, sich ebenfalls dorthin franco zu wenden. Insertionsgebühren. Für die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum … 1 Sgr. 6 Pf. Die Expedition der „Neuen Rheinischen Zeitung.“ Uebersicht. Deutschland. Köln (die Adreßfrage. ‒ Vereinbarungsdebatten). Trier (die Untersuchungen). Düsseldorf (der Volksklub). Wesel (Empfang des Prinzen von Preußen). Dortmund (Durchfahrt des Prinzen). Berlin (Vereinbarungsdebatten. ‒ Protest gegen den Verfassungsentwurf. ‒ Krausnick. ‒ Blesson. ‒ Revolutionsfest. ‒ Vorboten des Sturzes des Ministeriums Camphausen). Posen (neue Demarkationslinie). Frankfurt (Debatten der Nationalversammlung). Wien (Protest gegen die Prager provisorische Regierung. ‒ Reskript an den Bürgerausschuß. ‒ Finanzerlaß. ‒ Suspension der Todesstrafe). Belgien. Brüssel (die Alliance. ‒ Die Wahlen). Lüttich (Verhaftung Tedesco's). Französische Republik. Paris (Sitzung der Nationalversammlung vom 5. Juni. ‒ Marrast's Dekret über die Nationalwerkstätten. ‒ Das Journal „la Republique“ über Marrast's Dekret. ‒ Pondichery. ‒ Maueranschlag der Arbeiter der Nationalwerkstätten. ‒ Erklärung Louis Blancs über die Nationalwerkstätten. ‒ Neue Journale). Deutschland. ** Köln, 6. Juni. In der Berliner Vereinbarungssitzung vom 2. _ Das tragi-komische Belgien. Belgien ist ein schönes Land. Dies weiß Jeder. Das Land wo Milch und Faro fleußt. Das Faro ist sauer. Belgien hat Gärten und üppige Triften; auf den letztern wandeln Ochsen und Esel. Die Esel sollen nicht gescheidter sein, wie die Esel an andern Orten. ‒ Belgien wird von Vlamländern und Wallonen bewohnt. Die erstern trinken ihr saures Faro und sprechen vlamländisch; die andern trinken lieber Bordeaux und Burgunder und drücken sich in französischer und wallonischer Sprache aus. Die Vlamländer sind namentlich sehr gute Menschen. Sie thaten noch Niemanden etwas zu leide. Im Jahre 1830 zogen sie sich vor den Holländern auf's höflichste zurück und überließen den Franzosen alle Gräuelthaten des belgischen Freiheitskrieges. Belgien ist ein gesegnetes Land; es hat Waizen und Gerste und Roggen ‒ selbst etwas Grütze und Marmor und Quarz und Kies, und in Flandern ist der vierte Mann ein Blutarmer und in Brüssel kommen auf die Geburten der arbeitenden Klasse ein und achtzig pCt. unehliche … Belgien hat eine ganz vorzügliche Konstitution, und jahraus, jahrein bringt die Eisenbahn viele Tausende von Leuten nach der Hauptstadt, damit sie diese famose Koustitution des belgischen Löwen, bei einem Glase Faro, an Ort und Stelle studiren können. Belgien hat auch einen König. Dieser aber ist ein Deutscher und wenn es gutes Wetter ist, da fährt er im offnen Wagen herüber von Laken nach Brüssel, und die guten, konstitutionellen Belgier stellen sich dann rechts und links an die Seiten der Straße, ziehen den Hut ab und rufen: „Guten Tag, Herr König Leopold!“ Doch im Ernst gesprochen ‒ Belgien war vor dem 24. Februar ein wahres konstitutionelles Kanaan und wenn so ein jugendlicher Brüsseler mit Hut, Bart, Hose und nicht zu vergessen, mit einem Glase Faro zu 12 Centimen vor seinem Estaminent saß, da blickte er lächelnd nach Paris und verächtlich nach dem Rheine hinüber und trank auf das Wohlsein der großen belgischen Nation. O, es ist gar nicht abzusehen, was aus den Belgiern geworden wäre, wenn ihnen nicht der alte pariser Schwiegervater plötzlich den schlimmsten aller Streiche gespielt und sich in so wahrhaft beunruhigender Weise aus dem Staube gemacht hätte. Das war fatal! Die Farogläser fielen zu Dutzenden um; die längsten Gesichter wurden noch viel länger; die meisten Menschen sahen aus, als hätten sie eben Tausend Loiusd'or im Ecarté verloren; die Herzen sanken in die Hosen, die ganze nationale Kurage war verschwunden und die bleiche schlotternde Angst ritt auf den neutralen belgischen Patrioten wie ein Gespenst auf einem Kameele. Mit einem Worte, der tapfre belgische Löwe war revolutionskrank geworden; er litt am vierundzwanzigsten Februar. Er trank kein Faro mehr. Einen Tag und eine Nacht dauerten die ersten Krämpfe, ehe man nur einmal daran dachte, wie dem armen Thiere zu helfen sei. Es war ein trauriger Anblick. Da schickte der Doctor Rogier an Hrn. van de Weyer nach London und bat ihn um Gottes Willen, auf der Stelle irgend ein Rezeptchen verschreiben zu lassen; auch an den alten Quacksalber in Wien ging ein Kurier ab, mit der Bitte nm schleunige Hülfe. Der gute Metternich versteht sich besser wie du auf die Thierkrankheiten, dachte Doctor Rogier; denn er traute nicht seiner eignen Kunst. Während man so mit dem königlichen Thiere beschäftigt war, begingen einige jugendliche Unterthanen Sr. Majestät die konstitutionelle Unverschämtheit, die Ruhe rings um den kranken Löwen herum auf sehr bedauerliche Weise zu stören. Ohne Rücksicht auf seine hohen Leiden zu nehmen, hielten sie nicht nur sehr stürmische Versammlnngen in geschlossenen Räumen, nein, auch auf offner Straße ließen sie ihrer revolutionären Laune die Zügel schießen, so daß nicht selten das „Vive la Republique!“ bis hinauf zu Nobel's Fenster klang. Man kann sich denken, welchen Eindruck dieses lasterhafte Getöse auf die ohnehin schon gedrückte Stimmung des unglücklichen Wesens machen mußte. Nobel sah ein, daß seine erschütterte belgische Konstitution nur durch ein wahres Wunder aufrecht erhalten werden könne. Ehe Antwort von Wien und London kam mußte etwas außerordentliches geschehen. Die Noth bricht Eisen. Nobel kam auf einen Gedanken. Die Nachtmütze auf dem Kopf, die Tatzen in weiten schlürfenden Pantoffeln und den königlichen Schweif in melancholische Ringeln gelegt, schritt nämlich unser Leu aus seinem Gemach und trat vor die Großen seines Reiches. Es war ein feierlicher, wichtiger Augenblick, der denkwürdigste in den belgischen Analen. „Ich bin Philosoph,“ begann der Leu, und ein bedenkliches Zittern seiner schwachen Klauen ließ einen Ausbruch königlicher Konvulsionen befürchten. „Ich bin Philosoph,“ hub er abermals an, und deshalb begreife ich mein Jahrhundert. Ich sehe, daß es uns Löwen an den Kragen geht, unsre Stunde hat geschlagen. Hören Sie nicht, wie man draußen so dringend nach dem Ende meiner Regierung verlangt? Jeder Tag meines Lebens wird nur einen neuen Tag der Unruhe und Anarchie für Sie mitbringen ‒ wozu das? Da ich dennoch sterben muß, so will ich lieber gleich zu Grunde gehn, denn ich bin ein guter, rücksichtsvoller Leu und gern zufrieden, wenn nur jeder Belgier wieder ruhig sein Glas Faro trinken kann, zu 12 Centimen … jagen Sie mich deshalb fort, schlagen Sie mich todt, meine Herren ‒ es ist mir Alles einerlei, es lebe Belgien! es lebe die große Nation!“ Hier schwieg der Löwe und während er im Herumdrehen spöttisch und ironisch die Zunge aus dem königlichen Rachen streckte, schlug er wiederum mit seinem [Fortsetzung]

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 8. Köln, 8. Juni 1848, S. 0031. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz008_1848/1>, abgerufen am 28.03.2024.