Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[N. N.]: Alexander von Humboldts Vorlesungen über phÿsikalische Geographie nebst Prolegomenen über die Stellung der Gestirne. Berlin im Winter von 1827 bis 1828. [Berlin], [1827/28]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Berliner Universität, 3.11.1827–26.4.1828.]

Bild:
<< vorherige Seite

mehrer Naturkräfte durch eine Vergleichung der verschiede-
nen Wissenschaften zur Erkenntniß von Regeln zu benutzen,
die man auf diesem Wege schwerlich früher zu finden ver-
muthen konnte. So hat man aus der genauen Bestimmung
des Mondumlaufs schließen können auf die Abplattung der
Erde, auf die Unwandelbarkeit der Temperatur der ver-
schiedenen Tageszeiten, so daß man erkennt, daß in 2000 Jahren
keine Veränderung in dieser Hinsicht von 1/2° Reaumur
statt gefunden hat. Versuche mit dem Doppelspat haben
die Frage beantwortet ob das Kometenlicht, dem Kometen
oder einem fremden Körper angehört. Wer hätte früher
an solche Schlüsse wohl gedacht?

Es ist mir schwer der Wissenschaft die ich abhandeln
soll, einen guten Namen zu geben. Unbestimmt sind
die meisten Namen: Physiologie, Geognosie, Geographie;
so heißen in England die Aerzte Physiker und was wir
unter Physiker verstehen nennt der Engländer Naturphylosoph.
Kant hat für meine Vorlesungen den Titel gefunden:
Weltbeschreibung. Man pflegt neuerdings der speciellen
Geographie diese Weltbeschreibung als einen besondern
Theil voranzuschicken, den man den tellurischen Theil nennt;
so machte es z. E. Carl Ritter in seiner vergleichenden Geogra-
phie; dies ist das geistreichste Werk dieser Art, das unser
Jahrhundert geliefert; es ist die erste Schrift in der der
Einfluß dargestellt wird, den die Oberflächen-Ansicht
auf die Völker und ihre Schicksale gehabt hat.

Die Weltbeschreibung liefert die Materialien zur

mehrer Naturkräfte durch eine Vergleichung der verschiede-
nen Wissenschaften zur Erkenntniß von Regeln zu benutzen,
die man auf diesem Wege schwerlich früher zu finden ver-
muthen konnte. So hat man aus der genauen Bestim̃ung
des Mondumlaufs schließen können auf die Abplattung der
Erde, auf die Unwandelbarkeit der Temperatur der ver-
schiedenen Tageszeiten, so daß man erkennt, daß in 2000 Jahren
keine Veränderung in dieser Hinsicht von ½° Reaumur
statt gefunden hat. Versuche mit dem Doppelspat haben
die Frage beantwortet ob das Kometenlicht, dem Kometen
oder einem fremden Körper angehört. Wer hätte früher
an solche Schlüsse wohl gedacht?

Es ist mir schwer der Wissenschaft die ich abhandeln
soll, einen guten Namen zu geben. Unbestimmt sind
die meisten Namen: Phÿsiologie, Geognosie, Geographie;
so heißen in England die Aerzte Phÿsiker und was wir
unter Phÿsiker verstehen neñt der Engländer Naturphÿlosoph.
Kant hat für meine Vorlesungen den Titel gefunden:
Weltbeschreibung. Man pflegt neuerdings der speciellen
Geographie diese Weltbeschreibung als einen besondern
Theil voranzuschicken, den man den tellurischen Theil nennt;
so machte es z. E. Carl Ritter in seiner vergleichenden Geogra-
phie; dies ist das geistreichste Werk dieser Art, das unser
Jahrhundert geliefert; es ist die erste Schrift in der der
Einfluß dargestellt wird, den die Oberflächen-Ansicht
auf die Völker und ihre Schicksale gehabt hat.

Die Weltbeschreibung liefert die Materialien zur

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="session" n="5">
        <div n="1">
          <div n="2">
            <p><pb facs="#f0024" n="[18]"/>
mehrer Naturkräfte durch eine Vergleichung der verschiede-<lb/>
nen Wissenschaften zur Erkenntniß von Regeln zu benutzen,<lb/>
die man auf diesem Wege schwerlich früher zu finden ver-<lb/>
muthen konnte. So hat man aus der genauen Bestim&#x0303;ung<lb/>
des Mondumlaufs schließen können auf die Abplattung der<lb/>
Erde, auf die Unwandelbarkeit der Temperatur der ver-<lb/>
schiedenen Tageszeiten, so daß man erkennt, daß in 2000 <add place="right">Jahren</add><lb/>
keine Veränderung in dieser Hinsicht von ½° <hi rendition="#aq">Reaumur</hi><lb/>
statt gefunden hat. Versuche mit dem Doppelspat haben<lb/>
die Frage beantwortet ob das Kometenlicht, dem Kometen<lb/>
oder einem fremden Körper angehört. Wer hätte früher<lb/>
an solche Schlüsse wohl gedacht?</p><lb/>
            <p>Es ist mir schwer der Wissenschaft die ich abhandeln<lb/>
soll, einen guten Namen zu geben. Unbestimmt sind<lb/>
die meisten Namen: Phÿsiologie, Geognosie, Geographie;<lb/>
so heißen in England die Aerzte Phÿsiker und was wir<lb/>
unter Phÿsiker verstehen nen&#x0303;t der Engländer Naturphÿlosoph.<lb/><hi rendition="#aq"><persName ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-118559796 http://d-nb.info/gnd/118559796">Kant</persName></hi> hat <del rendition="#s" hand="#pencil">für meine Vorlesungen</del> den Titel gefunden:<lb/>
Weltbeschreibung. Man pflegt neuerdings der speciellen<lb/>
Geographie diese Weltbeschreibung als einen besondern<lb/>
Theil voranzuschicken, den man den tellurischen Theil nennt;<lb/>
so machte es z. E. <hi rendition="#aq"><persName ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-11860130X http://d-nb.info/gnd/11860130X">Carl Ritter</persName></hi> in seiner vergleichenden Geogra-<lb/>
phie; dies ist das geistreichste Werk dieser Art, das unser<lb/>
Jahrhundert geliefert; es ist die erste Schrift in der der<lb/>
Einfluß dargestellt wird, den die Oberflächen-Ansicht<lb/>
auf die Völker und ihre Schicksale gehabt hat.</p><lb/>
            <p>Die Weltbeschreibung liefert die Materialien zur<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[18]/0024] mehrer Naturkräfte durch eine Vergleichung der verschiede- nen Wissenschaften zur Erkenntniß von Regeln zu benutzen, die man auf diesem Wege schwerlich früher zu finden ver- muthen konnte. So hat man aus der genauen Bestim̃ung des Mondumlaufs schließen können auf die Abplattung der Erde, auf die Unwandelbarkeit der Temperatur der ver- schiedenen Tageszeiten, so daß man erkennt, daß in 2000 Jahren keine Veränderung in dieser Hinsicht von ½° Reaumur statt gefunden hat. Versuche mit dem Doppelspat haben die Frage beantwortet ob das Kometenlicht, dem Kometen oder einem fremden Körper angehört. Wer hätte früher an solche Schlüsse wohl gedacht? Es ist mir schwer der Wissenschaft die ich abhandeln soll, einen guten Namen zu geben. Unbestimmt sind die meisten Namen: Phÿsiologie, Geognosie, Geographie; so heißen in England die Aerzte Phÿsiker und was wir unter Phÿsiker verstehen neñt der Engländer Naturphÿlosoph. Kant hat für meine Vorlesungen den Titel gefunden: Weltbeschreibung. Man pflegt neuerdings der speciellen Geographie diese Weltbeschreibung als einen besondern Theil voranzuschicken, den man den tellurischen Theil nennt; so machte es z. E. Carl Ritter in seiner vergleichenden Geogra- phie; dies ist das geistreichste Werk dieser Art, das unser Jahrhundert geliefert; es ist die erste Schrift in der der Einfluß dargestellt wird, den die Oberflächen-Ansicht auf die Völker und ihre Schicksale gehabt hat. Die Weltbeschreibung liefert die Materialien zur

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christian Thomas: Herausgeber
Sandra Balck, Benjamin Fiechter, Christian Thomas: Bearbeiter
Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellen der Digitalisierungsvorlage; Bilddigitalisierung

Weitere Informationen:

Dieses Werk wurde auf der Grundlage der Transkription in Anonym (Hg.): Alexander von Humboldts Vorlesungen über physikalische Geographie nebst Prolegomenen über die Stellung der Gestirne. Berlin im Winter von 1827 bis 1828. Berlin, 1934. anhand der Vorlage geprüft und korrigiert, nach XML/TEI P5 konvertiert und gemäß dem DTA-Basisformat kodiert.

Abweichungen von den DTA-Richtlinien:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Kustoden: nicht erfasst.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_msgermqu2345_1827
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_msgermqu2345_1827/24
Zitationshilfe: [N. N.]: Alexander von Humboldts Vorlesungen über phÿsikalische Geographie nebst Prolegomenen über die Stellung der Gestirne. Berlin im Winter von 1827 bis 1828. [Berlin], [1827/28]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Berliner Universität, 3.11.1827–26.4.1828.], S. [18]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_msgermqu2345_1827/24>, abgerufen am 29.03.2024.