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Marburger Zeitung. Nr. 93, Marburg, 04.08.1903.

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schaltungen Dienstag, Donnerstag und Samstag mittags

Die Einzelnummer kostet 10 h.




Nr. 93 Dienstag, 4. August 1903 42. Jahrgang.


[Spaltenumbruch]
Die Hochzeit von Reifnigg.

Der windische Kaplan von Reifnigg ist ein
Ehrenmann, genau so ein windischer Ehrenmann,
wie es die Koroschetz und Genossen sind; der Kaplan
von Reifnigg ist gerade so ein "Diener der römischen
Kirche", ein "Priester der Liebe", wie sämtliche
windische "Hochwürdige" von der Kouleur des
"hochwürdigen" Brandlehrers Koroschetz. Aber der
Kaplan von Reifnigg hatte bisher in der Oeffent-
lichkeit zu wenig dafür getan, um in den
Augen der windischen schwarzen Loge als vollstän-
dig gleichberechtigt mit den gerichtsbekannten "Hoch-
würdigen" zu erscheinen. Dem mußte abgeholfen
werden; der Kaplan von Reifnigg mußte den Be-
weis dafür erbringen, daß ihm die Feindschaft gegen
das deutsche Volk, gegen die deutschen Katholiken
ebenso ties im Blute liegt, als den pervakischen
Professionels. Eine Trauung einer deutschen Katho-
likin mit einem deutschen Katholiken schien ihm
hiefür der geeignetste Anlaß. Letzten Mittwoch sollte
in Reifnigg die Trauung des Frl. Loppert,
Tochter des Holzhändlers und Realitätenbesitzers Herrn
Loppert mit dem Kaufmanne und Realitätenbesitzer
Herrn Fuchshofer d. J. stattfinden. Die Ge-
nannten sind Deutsche. Merkwürdig -- vor der
Trauung "verreiste" der zuständige Pfarrer plötzlich
und nunmehr sollte der Kaplan die kirchliche Funk-
tion ausüben. Aber der Kaplan weigerte sich
entschieden, die Trauung vorzunehmen,

weil das Brautpaar ein deutsches ist; der Kaplan
erklärte, nur im windischen Idiom die Trauung
vorzunehmen. Alle Bemühungen, den Hochwürdigen
zur Durchführung des kirchlichen Aktes zu bewegen,
[Spaltenumbruch] blieben bei dem sonderbaren Diener Christis ver-
geblich. Das Brautpaar mußte sich nun an den
Pfarrer von St. Primon am Bacher, Srabotnik,
wenden, welcher den Bräutigam seinerzeit getauft
hatte. Pfarrer Srabotnik, der hiebei einen Weg von
8 Stunden (hin und zurück) zurückzulegen hatte,
führte die kirchliche Zeremonie auch anstandslos
durch. Selbstverständlich ist die Empörung in der
deutschen Bevölkerung der ganzen Gegend über diesen
ungeheuerlichen Vorgang, welcher ein helles Schlag-
licht auf die Katholizität und auf die Art, wie
nationale slovenische "Priester" ihres Priesteramtes
walten, eine außerordentliche. Aber halten wir uns
vor Augen, was gekommen wäre, wenn auch der
Herr Pfarrer von St. Primon sich nicht als katho-
lischer Priester, sondern als slovenisch-nationaler Heiß-
sporn gezeigt hätte. Wohin hätte sich dann das
Brautpaar oder dessen Eltern wenden sollen, um
einen Priester zu finden, der seine Pflicht
tut, der ein ordnungsgemäß aufgebotenes katholisches
deutsches Brautpaar traut? Weit und breit gibt
es keinen deutschen Geistlichen -- es dürfte im
ganzen Unterlande keinen einzigen geben, da sich
nicht einmal in der deutschen Stadt Marburg ein
deutscher Geistlicher befindet! Wir wüßten wohl in
einem solchen Falle einen Ausweg, der in verschiedenen
Gegenden in solchen Fällen beschritten wurde: meh-
rere Stunden von Reifnigg entfernt befindet sich ein
deutscher evangelischer Vikar, der Vikar Herr Ludwig
Mahnert, an welchen sich die beiden behufs
ihres Uebertrittes und nachheriger Trauung hätten
wenden können. Der evangelische Vikar hätte gewiß
nicht eine Sekunde gezögert, sein geistliches Amt
auszuüben ... Aber man weiß ja, welche Schwie-
[Spaltenumbruch] rigkeiten, wirkliche und suggerierte, sich einzelnen
Deutschen im Unterlande entgegentürmen, wenn sie
den ihnen feindselig gegenüberstehenden Wenden-
priestern den Rücken kehren und zurückkehren in die
evangelische Kirche, aus der ihre Väter im Drau-
tale einst durch die berüchtigten Kommissionen
mit dem Dragonersäbel hinausgetrieben wurden!

Die "Hochzeit von Reifnigg" ist typisch und
kennzeichnend für unsere Verhältnisse und Zustände
im Unterlande. Nirgends, so weit die Kultur der
Nationen in Europa reicht, ist derartiges möglich.
Im Elsaß vollzieht der deutsche Geistliche seine
kirchlichen Funktionen an Franzosen, der französische
an Deutschen, trotzdem auch dort das beiderseitige
Nationalgefühl in der Bevölkerung lebt und wirkt;
bei uns aber im Unterlande, wo mit der deutschen
Sprachgrenze auch jegliche Kultur aufhört und der
Priester an der Spitze der wildesten, leidenschaft-
lichsten, deutschfeindlichen Agitation steht, sie an-
feuernd und lenkend, da kann das Ungeheuerliche
geschehen, daß ein Wendenpriester seine deutschen
Pfarrkinder nicht trauen will, weil sie Deutsche
sind und deutsch getraut werden wollen! Nun
sage noch einer, daß wir Deutsche die "Los
von Rom"-Bewegung nicht so notwendig brau-
chen, wie ein Hungernder einen kleinen Bissen
Brot! Wenn Wendenpriester heute bereits so weit
sind, daß sie ihren deutschen Pfarrkindern die
Trauung versagen, so wird es nächstens naturgemäß
dazu kommen, daß sie auch die Taufe und das
kirchliche Begräbnis verweigern, kurz, daß sie Deutschen
gegenüber einfach streiken und dem deutschen
Pfarrkinde von der Wiege bis zum Grabe alles
das entziehen und vorenthalten, worauf der Katholik




[Spaltenumbruch]
Nachdruck verboten.
Liebe und Leidenschaft.
(40. Fortsetzung.)

"Ihrer Bitte um Freilassung des jungen
Brausedorf kann ich leider nicht willfahren", ant-
wortete er. "Es ist durch Zeugen festgestellt, daß
er mit einer Doppelflinte in den Wald gegangen
ist und es ist eine solche abgeschossen in der Nähe
der Mordstelle gefunden worden, es ist freilich der
Name Werner von Brausedorf darauf eingraviert",
der Rat behielt, während er die Worte sprach, den
Oberförster scharf im Auge.

"Da sehen Sie ja, Herr Rat", rief der Alte,
"daß Felix unschuldig ist, wenn die Doppeflinte,
die Sie gefunden, seinem Bruder gehört, so kann
er doch nicht der Mörder sein."

"Er könnte sich die Flinte von seinem Bruder
geliehen haben, was um so wahrscheinlicher wird,
als er ohne Flinte zurückgekehrt ist."

"Und auf Wahrscheinlichkeiten hin verurteilen
Sie den armen Jungen!" fuhr der Oberförster
heftig heraus. "Wenn Werners Flinte aufgefunden
ist, so liegt es doch näher --"

Er stockte, es widerstrebte seinem geraden Sinn,
einen andern zu verdächtigen, da er doch Felix für
den Mörder hielt. Sich selbst konnte er wohl für
den Liebling opfern, die Schuld auf dessen Bruder
zu wälzen vermochte er nicht.

"Daß Werner von Brausedorf den Mord be-
gangen hat", ergänzte der Rat. "Ein solcher Ver-
dacht ist allerdings erhoben worden und hat zur
[Spaltenumbruch] Verhaftung des älteren Herrn von Brausedorf
geführt."

"Werner ist auch verhaftet?"

"Er ist verhaftet und hat bereits eingestanden,
daß er den Mord begangen hat. Was sagen Sie
nun, Herr Oberförster? Beharren Sie nun noch
darauf, der Mörder zu sein?"

Einige Minuten schwieg Regler betroffen still,
war es möglich, sollte Werner die Tat wirklich
ausgeführt haben? Sollten beide Brüder zu dem-
selben Zwecke, in der gleichen Absicht ausgegangen
und der ältere dem jüngeren zuvorgekommen sein?
Aber nein, das war nicht denkbar, er wußte es
ja, er hatte Felix zur Tat aufgestachelt, niemand
als dieser hatte sie begangen, Werner bekannte sich
gleich ihm dazu, um den Bruder retten.

"Wenn Sie gleich zwei haben, die den Mord
eingestehen, warum steifen Sie sich denn darauf,
daß Felix der Schuldige sein soll?" fragte er barsch,
eine direkte Antwort vermeidend.

"Weil dieses doppelte freiwillige Bekenntnis
ein Doppelbeweis für Felix von Brausedorfs Schuld
ist", entgegnete Müller mit feinem Lächeln.

"Das ist mir zu hoch," polterte der Alte,
"aus den juristischen Spitzfindigkeiten wird ein
alter gradiger Forstmann wie unsereins nicht klug;
weil zwei sich freiwillig als die Täter melden, soll
den Mord partout ein Dritter begangen haben?"

Die Verlegenheit ließ den Oberförster schroff,
sogar grob erscheinen, Werners Geständnis machte
in seine Berechnung einen gewaltigen Querstrich;
was hatte der sich auch für Felix zu opfern? Aber
hübsch war es doch von ihm, dafür sollte er nun
[Spaltenumbruch] auch nicht in der Patsche bleiben; die Herrschaft
bedurfte nach dem Tode des alten Brausedorfs
eines jungen tatkräftigen Gebieters, wie Werner es
zu werden versprach, ein Oberförster fand sich da-
gegen alle Tage wieder, an ihm war nichts gelegen.
Regler beschloß, bei seiner Aussage zu beharren.

Müller sah, was in der Seele des alten
Mannes vorgieng und verzieh ihm sein wenig an-
gemessenes Benehmen gern.

"So will ich Ihnen die Erklärung geben",
sagte er. "Sie sowohl, wie Werner von Brause-
dorf scheinen überzeugt, daß Felix den Mord ver-
übt hat und wollen sich für ihn opfern. Wenn
aber die beiden Personen, die einem Menschen so
nahe stehen, um das für ihn zu tun, einen solchen
Verdacht gegen ihn hegen, müssen gewichtige Gründe
vorhanden sein."

"Nun drehen Sie wohl die Sache noch so,
daß wir zu Anklägern wider Felix werden",
brummte Regler grimmig.

"Allerdings ist es so. Zudem hat sich Felix
von Brausedorf bei seiner Vernehmung in eine so
große Menge Widersprüche und lügenhafte An-
gaben verstrickt, daß seine Schuld mehr als
zweifellos ist."

"Ach, der Unselige! daß er das dumme Lügen
nicht lassen kann!" murmelte der Alte vor sich
hin. "Der arme Junge! er hat sich das so an-
gewöhnt, aber da Sie nun den wirklichen Mörder
haben, so müssen Sie ihn doch freigeben", wandte sich
Regler znm Rat. "Zwei können Sie ja nicht brauchen."

"Wen bezeichnen Sie nun als den wirklichen
Mörder?"


Marburger Zeitung.



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Erſcheint jeden Dienstag, Donnerstag und
Samstag abends.

Sprechſtunden des Schriftleiters an allen Wochentagen von
11—12 Uhr vorm. und von 5—6 Uhr nachm. Poſtgaſſe 4.

Die Verwaltung befindet ſich: Poſtgaſſe 4. (Telephon-Nr. 24.)


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Wiederholung bedeutender Nachlaß. — Schluß für Ein-
ſchaltungen Dienstag, Donnerstag und Samstag mittags

Die Einzelnummer koſtet 10 h.




Nr. 93 Dienstag, 4. Auguſt 1903 42. Jahrgang.


[Spaltenumbruch]
Die Hochzeit von Reifnigg.

Der windiſche Kaplan von Reifnigg iſt ein
Ehrenmann, genau ſo ein windiſcher Ehrenmann,
wie es die Koroſchetz und Genoſſen ſind; der Kaplan
von Reifnigg iſt gerade ſo ein „Diener der römiſchen
Kirche“, ein „Prieſter der Liebe“, wie ſämtliche
windiſche „Hochwürdige“ von der Kouleur des
„hochwürdigen“ Brandlehrers Koroſchetz. Aber der
Kaplan von Reifnigg hatte bisher in der Oeffent-
lichkeit zu wenig dafür getan, um in den
Augen der windiſchen ſchwarzen Loge als vollſtän-
dig gleichberechtigt mit den gerichtsbekannten „Hoch-
würdigen“ zu erſcheinen. Dem mußte abgeholfen
werden; der Kaplan von Reifnigg mußte den Be-
weis dafür erbringen, daß ihm die Feindſchaft gegen
das deutſche Volk, gegen die deutſchen Katholiken
ebenſo tieſ im Blute liegt, als den pervakiſchen
Profeſſionels. Eine Trauung einer deutſchen Katho-
likin mit einem deutſchen Katholiken ſchien ihm
hiefür der geeignetſte Anlaß. Letzten Mittwoch ſollte
in Reifnigg die Trauung des Frl. Loppert,
Tochter des Holzhändlers und Realitätenbeſitzers Herrn
Loppert mit dem Kaufmanne und Realitätenbeſitzer
Herrn Fuchshofer d. J. ſtattfinden. Die Ge-
nannten ſind Deutſche. Merkwürdig — vor der
Trauung „verreiſte“ der zuſtändige Pfarrer plötzlich
und nunmehr ſollte der Kaplan die kirchliche Funk-
tion ausüben. Aber der Kaplan weigerte ſich
entſchieden, die Trauung vorzunehmen,

weil das Brautpaar ein deutſches iſt; der Kaplan
erklärte, nur im windiſchen Idiom die Trauung
vorzunehmen. Alle Bemühungen, den Hochwürdigen
zur Durchführung des kirchlichen Aktes zu bewegen,
[Spaltenumbruch] blieben bei dem ſonderbaren Diener Chriſtis ver-
geblich. Das Brautpaar mußte ſich nun an den
Pfarrer von St. Primon am Bacher, Srabotnik,
wenden, welcher den Bräutigam ſeinerzeit getauft
hatte. Pfarrer Srabotnik, der hiebei einen Weg von
8 Stunden (hin und zurück) zurückzulegen hatte,
führte die kirchliche Zeremonie auch anſtandslos
durch. Selbſtverſtändlich iſt die Empörung in der
deutſchen Bevölkerung der ganzen Gegend über dieſen
ungeheuerlichen Vorgang, welcher ein helles Schlag-
licht auf die Katholizität und auf die Art, wie
nationale ſloveniſche „Prieſter“ ihres Prieſteramtes
walten, eine außerordentliche. Aber halten wir uns
vor Augen, was gekommen wäre, wenn auch der
Herr Pfarrer von St. Primon ſich nicht als katho-
liſcher Prieſter, ſondern als ſloveniſch-nationaler Heiß-
ſporn gezeigt hätte. Wohin hätte ſich dann das
Brautpaar oder deſſen Eltern wenden ſollen, um
einen Prieſter zu finden, der ſeine Pflicht
tut, der ein ordnungsgemäß aufgebotenes katholiſches
deutſches Brautpaar traut? Weit und breit gibt
es keinen deutſchen Geiſtlichen — es dürfte im
ganzen Unterlande keinen einzigen geben, da ſich
nicht einmal in der deutſchen Stadt Marburg ein
deutſcher Geiſtlicher befindet! Wir wüßten wohl in
einem ſolchen Falle einen Ausweg, der in verſchiedenen
Gegenden in ſolchen Fällen beſchritten wurde: meh-
rere Stunden von Reifnigg entfernt befindet ſich ein
deutſcher evangeliſcher Vikar, der Vikar Herr Ludwig
Mahnert, an welchen ſich die beiden behufs
ihres Uebertrittes und nachheriger Trauung hätten
wenden können. Der evangeliſche Vikar hätte gewiß
nicht eine Sekunde gezögert, ſein geiſtliches Amt
auszuüben ... Aber man weiß ja, welche Schwie-
[Spaltenumbruch] rigkeiten, wirkliche und ſuggerierte, ſich einzelnen
Deutſchen im Unterlande entgegentürmen, wenn ſie
den ihnen feindſelig gegenüberſtehenden Wenden-
prieſtern den Rücken kehren und zurückkehren in die
evangeliſche Kirche, aus der ihre Väter im Drau-
tale einſt durch die berüchtigten Kommiſſionen
mit dem Dragonerſäbel hinausgetrieben wurden!

Die „Hochzeit von Reifnigg“ iſt typiſch und
kennzeichnend für unſere Verhältniſſe und Zuſtände
im Unterlande. Nirgends, ſo weit die Kultur der
Nationen in Europa reicht, iſt derartiges möglich.
Im Elſaß vollzieht der deutſche Geiſtliche ſeine
kirchlichen Funktionen an Franzoſen, der franzöſiſche
an Deutſchen, trotzdem auch dort das beiderſeitige
Nationalgefühl in der Bevölkerung lebt und wirkt;
bei uns aber im Unterlande, wo mit der deutſchen
Sprachgrenze auch jegliche Kultur aufhört und der
Prieſter an der Spitze der wildeſten, leidenſchaft-
lichſten, deutſchfeindlichen Agitation ſteht, ſie an-
feuernd und lenkend, da kann das Ungeheuerliche
geſchehen, daß ein Wendenprieſter ſeine deutſchen
Pfarrkinder nicht trauen will, weil ſie Deutſche
ſind und deutſch getraut werden wollen! Nun
ſage noch einer, daß wir Deutſche die „Los
von Rom“-Bewegung nicht ſo notwendig brau-
chen, wie ein Hungernder einen kleinen Biſſen
Brot! Wenn Wendenprieſter heute bereits ſo weit
ſind, daß ſie ihren deutſchen Pfarrkindern die
Trauung verſagen, ſo wird es nächſtens naturgemäß
dazu kommen, daß ſie auch die Taufe und das
kirchliche Begräbnis verweigern, kurz, daß ſie Deutſchen
gegenüber einfach ſtreiken und dem deutſchen
Pfarrkinde von der Wiege bis zum Grabe alles
das entziehen und vorenthalten, worauf der Katholik




[Spaltenumbruch]
Nachdruck verboten.
Liebe und Leidenſchaft.
(40. Fortſetzung.)

„Ihrer Bitte um Freilaſſung des jungen
Brauſedorf kann ich leider nicht willfahren“, ant-
wortete er. „Es iſt durch Zeugen feſtgeſtellt, daß
er mit einer Doppelflinte in den Wald gegangen
iſt und es iſt eine ſolche abgeſchoſſen in der Nähe
der Mordſtelle gefunden worden, es iſt freilich der
Name Werner von Brauſedorf darauf eingraviert“,
der Rat behielt, während er die Worte ſprach, den
Oberförſter ſcharf im Auge.

„Da ſehen Sie ja, Herr Rat“, rief der Alte,
„daß Felix unſchuldig iſt, wenn die Doppeflinte,
die Sie gefunden, ſeinem Bruder gehört, ſo kann
er doch nicht der Mörder ſein.“

„Er könnte ſich die Flinte von ſeinem Bruder
geliehen haben, was um ſo wahrſcheinlicher wird,
als er ohne Flinte zurückgekehrt iſt.“

„Und auf Wahrſcheinlichkeiten hin verurteilen
Sie den armen Jungen!“ fuhr der Oberförſter
heftig heraus. „Wenn Werners Flinte aufgefunden
iſt, ſo liegt es doch näher —“

Er ſtockte, es widerſtrebte ſeinem geraden Sinn,
einen andern zu verdächtigen, da er doch Felix für
den Mörder hielt. Sich ſelbſt konnte er wohl für
den Liebling opfern, die Schuld auf deſſen Bruder
zu wälzen vermochte er nicht.

„Daß Werner von Brauſedorf den Mord be-
gangen hat“, ergänzte der Rat. „Ein ſolcher Ver-
dacht iſt allerdings erhoben worden und hat zur
[Spaltenumbruch] Verhaftung des älteren Herrn von Brauſedorf
geführt.“

„Werner iſt auch verhaftet?“

„Er iſt verhaftet und hat bereits eingeſtanden,
daß er den Mord begangen hat. Was ſagen Sie
nun, Herr Oberförſter? Beharren Sie nun noch
darauf, der Mörder zu ſein?“

Einige Minuten ſchwieg Regler betroffen ſtill,
war es möglich, ſollte Werner die Tat wirklich
ausgeführt haben? Sollten beide Brüder zu dem-
ſelben Zwecke, in der gleichen Abſicht ausgegangen
und der ältere dem jüngeren zuvorgekommen ſein?
Aber nein, das war nicht denkbar, er wußte es
ja, er hatte Felix zur Tat aufgeſtachelt, niemand
als dieſer hatte ſie begangen, Werner bekannte ſich
gleich ihm dazu, um den Bruder retten.

„Wenn Sie gleich zwei haben, die den Mord
eingeſtehen, warum ſteifen Sie ſich denn darauf,
daß Felix der Schuldige ſein ſoll?“ fragte er barſch,
eine direkte Antwort vermeidend.

„Weil dieſes doppelte freiwillige Bekenntnis
ein Doppelbeweis für Felix von Brauſedorfs Schuld
iſt“, entgegnete Müller mit feinem Lächeln.

„Das iſt mir zu hoch,“ polterte der Alte,
„aus den juriſtiſchen Spitzfindigkeiten wird ein
alter gradiger Forſtmann wie unſereins nicht klug;
weil zwei ſich freiwillig als die Täter melden, ſoll
den Mord partout ein Dritter begangen haben?“

Die Verlegenheit ließ den Oberförſter ſchroff,
ſogar grob erſcheinen, Werners Geſtändnis machte
in ſeine Berechnung einen gewaltigen Querſtrich;
was hatte der ſich auch für Felix zu opfern? Aber
hübſch war es doch von ihm, dafür ſollte er nun
[Spaltenumbruch] auch nicht in der Patſche bleiben; die Herrſchaft
bedurfte nach dem Tode des alten Brauſedorfs
eines jungen tatkräftigen Gebieters, wie Werner es
zu werden verſprach, ein Oberförſter fand ſich da-
gegen alle Tage wieder, an ihm war nichts gelegen.
Regler beſchloß, bei ſeiner Ausſage zu beharren.

Müller ſah, was in der Seele des alten
Mannes vorgieng und verzieh ihm ſein wenig an-
gemeſſenes Benehmen gern.

„So will ich Ihnen die Erklärung geben“,
ſagte er. „Sie ſowohl, wie Werner von Brauſe-
dorf ſcheinen überzeugt, daß Felix den Mord ver-
übt hat und wollen ſich für ihn opfern. Wenn
aber die beiden Perſonen, die einem Menſchen ſo
nahe ſtehen, um das für ihn zu tun, einen ſolchen
Verdacht gegen ihn hegen, müſſen gewichtige Gründe
vorhanden ſein.“

„Nun drehen Sie wohl die Sache noch ſo,
daß wir zu Anklägern wider Felix werden“,
brummte Regler grimmig.

„Allerdings iſt es ſo. Zudem hat ſich Felix
von Brauſedorf bei ſeiner Vernehmung in eine ſo
große Menge Widerſprüche und lügenhafte An-
gaben verſtrickt, daß ſeine Schuld mehr als
zweifellos iſt.“

„Ach, der Unſelige! daß er das dumme Lügen
nicht laſſen kann!“ murmelte der Alte vor ſich
hin. „Der arme Junge! er hat ſich das ſo an-
gewöhnt, aber da Sie nun den wirklichen Mörder
haben, ſo müſſen Sie ihn doch freigeben“, wandte ſich
Regler znm Rat. „Zwei können Sie ja nicht brauchen.“

„Wen bezeichnen Sie nun als den wirklichen
Mörder?“


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[[1]/0001] Marburger Zeitung. Der Preis des Blattes beträgt: Für Marburg: Ganzjährig 12 K, halbjährig 6 K, vierteljährig 3 K, monat- lich 1 K. Bei Zuſtellung ins Haus monatlich 20 h mehr. Mit Poſtverſendung: Ganzjährig 14 K, halbjährig 7 K, vierteljährig 3 K 50 h. Das Abonnement dauert bis zur ſchriftlichen Abbeſtellung. Erſcheint jeden Dienstag, Donnerstag und Samstag abends. Sprechſtunden des Schriftleiters an allen Wochentagen von 11—12 Uhr vorm. und von 5—6 Uhr nachm. Poſtgaſſe 4. Die Verwaltung befindet ſich: Poſtgaſſe 4. (Telephon-Nr. 24.) Einſchaltungen werden im Verlage des Blattes und von allen größeren Annoncen-Expeditionen entgegengenommen Inſeratenpreis: Für die 5mal geſpaltene Zeile 12 h, bei Wiederholung bedeutender Nachlaß. — Schluß für Ein- ſchaltungen Dienstag, Donnerstag und Samstag mittags Die Einzelnummer koſtet 10 h. Nr. 93 Dienstag, 4. Auguſt 1903 42. Jahrgang. Die Hochzeit von Reifnigg. Der windiſche Kaplan von Reifnigg iſt ein Ehrenmann, genau ſo ein windiſcher Ehrenmann, wie es die Koroſchetz und Genoſſen ſind; der Kaplan von Reifnigg iſt gerade ſo ein „Diener der römiſchen Kirche“, ein „Prieſter der Liebe“, wie ſämtliche windiſche „Hochwürdige“ von der Kouleur des „hochwürdigen“ Brandlehrers Koroſchetz. Aber der Kaplan von Reifnigg hatte bisher in der Oeffent- lichkeit zu wenig dafür getan, um in den Augen der windiſchen ſchwarzen Loge als vollſtän- dig gleichberechtigt mit den gerichtsbekannten „Hoch- würdigen“ zu erſcheinen. Dem mußte abgeholfen werden; der Kaplan von Reifnigg mußte den Be- weis dafür erbringen, daß ihm die Feindſchaft gegen das deutſche Volk, gegen die deutſchen Katholiken ebenſo tieſ im Blute liegt, als den pervakiſchen Profeſſionels. Eine Trauung einer deutſchen Katho- likin mit einem deutſchen Katholiken ſchien ihm hiefür der geeignetſte Anlaß. Letzten Mittwoch ſollte in Reifnigg die Trauung des Frl. Loppert, Tochter des Holzhändlers und Realitätenbeſitzers Herrn Loppert mit dem Kaufmanne und Realitätenbeſitzer Herrn Fuchshofer d. J. ſtattfinden. Die Ge- nannten ſind Deutſche. Merkwürdig — vor der Trauung „verreiſte“ der zuſtändige Pfarrer plötzlich und nunmehr ſollte der Kaplan die kirchliche Funk- tion ausüben. Aber der Kaplan weigerte ſich entſchieden, die Trauung vorzunehmen, weil das Brautpaar ein deutſches iſt; der Kaplan erklärte, nur im windiſchen Idiom die Trauung vorzunehmen. Alle Bemühungen, den Hochwürdigen zur Durchführung des kirchlichen Aktes zu bewegen, blieben bei dem ſonderbaren Diener Chriſtis ver- geblich. Das Brautpaar mußte ſich nun an den Pfarrer von St. Primon am Bacher, Srabotnik, wenden, welcher den Bräutigam ſeinerzeit getauft hatte. Pfarrer Srabotnik, der hiebei einen Weg von 8 Stunden (hin und zurück) zurückzulegen hatte, führte die kirchliche Zeremonie auch anſtandslos durch. Selbſtverſtändlich iſt die Empörung in der deutſchen Bevölkerung der ganzen Gegend über dieſen ungeheuerlichen Vorgang, welcher ein helles Schlag- licht auf die Katholizität und auf die Art, wie nationale ſloveniſche „Prieſter“ ihres Prieſteramtes walten, eine außerordentliche. Aber halten wir uns vor Augen, was gekommen wäre, wenn auch der Herr Pfarrer von St. Primon ſich nicht als katho- liſcher Prieſter, ſondern als ſloveniſch-nationaler Heiß- ſporn gezeigt hätte. Wohin hätte ſich dann das Brautpaar oder deſſen Eltern wenden ſollen, um einen Prieſter zu finden, der ſeine Pflicht tut, der ein ordnungsgemäß aufgebotenes katholiſches deutſches Brautpaar traut? Weit und breit gibt es keinen deutſchen Geiſtlichen — es dürfte im ganzen Unterlande keinen einzigen geben, da ſich nicht einmal in der deutſchen Stadt Marburg ein deutſcher Geiſtlicher befindet! Wir wüßten wohl in einem ſolchen Falle einen Ausweg, der in verſchiedenen Gegenden in ſolchen Fällen beſchritten wurde: meh- rere Stunden von Reifnigg entfernt befindet ſich ein deutſcher evangeliſcher Vikar, der Vikar Herr Ludwig Mahnert, an welchen ſich die beiden behufs ihres Uebertrittes und nachheriger Trauung hätten wenden können. Der evangeliſche Vikar hätte gewiß nicht eine Sekunde gezögert, ſein geiſtliches Amt auszuüben ... Aber man weiß ja, welche Schwie- rigkeiten, wirkliche und ſuggerierte, ſich einzelnen Deutſchen im Unterlande entgegentürmen, wenn ſie den ihnen feindſelig gegenüberſtehenden Wenden- prieſtern den Rücken kehren und zurückkehren in die evangeliſche Kirche, aus der ihre Väter im Drau- tale einſt durch die berüchtigten Kommiſſionen mit dem Dragonerſäbel hinausgetrieben wurden! Die „Hochzeit von Reifnigg“ iſt typiſch und kennzeichnend für unſere Verhältniſſe und Zuſtände im Unterlande. Nirgends, ſo weit die Kultur der Nationen in Europa reicht, iſt derartiges möglich. Im Elſaß vollzieht der deutſche Geiſtliche ſeine kirchlichen Funktionen an Franzoſen, der franzöſiſche an Deutſchen, trotzdem auch dort das beiderſeitige Nationalgefühl in der Bevölkerung lebt und wirkt; bei uns aber im Unterlande, wo mit der deutſchen Sprachgrenze auch jegliche Kultur aufhört und der Prieſter an der Spitze der wildeſten, leidenſchaft- lichſten, deutſchfeindlichen Agitation ſteht, ſie an- feuernd und lenkend, da kann das Ungeheuerliche geſchehen, daß ein Wendenprieſter ſeine deutſchen Pfarrkinder nicht trauen will, weil ſie Deutſche ſind und deutſch getraut werden wollen! Nun ſage noch einer, daß wir Deutſche die „Los von Rom“-Bewegung nicht ſo notwendig brau- chen, wie ein Hungernder einen kleinen Biſſen Brot! Wenn Wendenprieſter heute bereits ſo weit ſind, daß ſie ihren deutſchen Pfarrkindern die Trauung verſagen, ſo wird es nächſtens naturgemäß dazu kommen, daß ſie auch die Taufe und das kirchliche Begräbnis verweigern, kurz, daß ſie Deutſchen gegenüber einfach ſtreiken und dem deutſchen Pfarrkinde von der Wiege bis zum Grabe alles das entziehen und vorenthalten, worauf der Katholik Nachdruck verboten. Liebe und Leidenſchaft. Roman von Ludwig Habicht. (40. Fortſetzung.) „Ihrer Bitte um Freilaſſung des jungen Brauſedorf kann ich leider nicht willfahren“, ant- wortete er. „Es iſt durch Zeugen feſtgeſtellt, daß er mit einer Doppelflinte in den Wald gegangen iſt und es iſt eine ſolche abgeſchoſſen in der Nähe der Mordſtelle gefunden worden, es iſt freilich der Name Werner von Brauſedorf darauf eingraviert“, der Rat behielt, während er die Worte ſprach, den Oberförſter ſcharf im Auge. „Da ſehen Sie ja, Herr Rat“, rief der Alte, „daß Felix unſchuldig iſt, wenn die Doppeflinte, die Sie gefunden, ſeinem Bruder gehört, ſo kann er doch nicht der Mörder ſein.“ „Er könnte ſich die Flinte von ſeinem Bruder geliehen haben, was um ſo wahrſcheinlicher wird, als er ohne Flinte zurückgekehrt iſt.“ „Und auf Wahrſcheinlichkeiten hin verurteilen Sie den armen Jungen!“ fuhr der Oberförſter heftig heraus. „Wenn Werners Flinte aufgefunden iſt, ſo liegt es doch näher —“ Er ſtockte, es widerſtrebte ſeinem geraden Sinn, einen andern zu verdächtigen, da er doch Felix für den Mörder hielt. Sich ſelbſt konnte er wohl für den Liebling opfern, die Schuld auf deſſen Bruder zu wälzen vermochte er nicht. „Daß Werner von Brauſedorf den Mord be- gangen hat“, ergänzte der Rat. „Ein ſolcher Ver- dacht iſt allerdings erhoben worden und hat zur Verhaftung des älteren Herrn von Brauſedorf geführt.“ „Werner iſt auch verhaftet?“ „Er iſt verhaftet und hat bereits eingeſtanden, daß er den Mord begangen hat. Was ſagen Sie nun, Herr Oberförſter? Beharren Sie nun noch darauf, der Mörder zu ſein?“ Einige Minuten ſchwieg Regler betroffen ſtill, war es möglich, ſollte Werner die Tat wirklich ausgeführt haben? Sollten beide Brüder zu dem- ſelben Zwecke, in der gleichen Abſicht ausgegangen und der ältere dem jüngeren zuvorgekommen ſein? Aber nein, das war nicht denkbar, er wußte es ja, er hatte Felix zur Tat aufgeſtachelt, niemand als dieſer hatte ſie begangen, Werner bekannte ſich gleich ihm dazu, um den Bruder retten. „Wenn Sie gleich zwei haben, die den Mord eingeſtehen, warum ſteifen Sie ſich denn darauf, daß Felix der Schuldige ſein ſoll?“ fragte er barſch, eine direkte Antwort vermeidend. „Weil dieſes doppelte freiwillige Bekenntnis ein Doppelbeweis für Felix von Brauſedorfs Schuld iſt“, entgegnete Müller mit feinem Lächeln. „Das iſt mir zu hoch,“ polterte der Alte, „aus den juriſtiſchen Spitzfindigkeiten wird ein alter gradiger Forſtmann wie unſereins nicht klug; weil zwei ſich freiwillig als die Täter melden, ſoll den Mord partout ein Dritter begangen haben?“ Die Verlegenheit ließ den Oberförſter ſchroff, ſogar grob erſcheinen, Werners Geſtändnis machte in ſeine Berechnung einen gewaltigen Querſtrich; was hatte der ſich auch für Felix zu opfern? Aber hübſch war es doch von ihm, dafür ſollte er nun auch nicht in der Patſche bleiben; die Herrſchaft bedurfte nach dem Tode des alten Brauſedorfs eines jungen tatkräftigen Gebieters, wie Werner es zu werden verſprach, ein Oberförſter fand ſich da- gegen alle Tage wieder, an ihm war nichts gelegen. Regler beſchloß, bei ſeiner Ausſage zu beharren. Müller ſah, was in der Seele des alten Mannes vorgieng und verzieh ihm ſein wenig an- gemeſſenes Benehmen gern. „So will ich Ihnen die Erklärung geben“, ſagte er. „Sie ſowohl, wie Werner von Brauſe- dorf ſcheinen überzeugt, daß Felix den Mord ver- übt hat und wollen ſich für ihn opfern. Wenn aber die beiden Perſonen, die einem Menſchen ſo nahe ſtehen, um das für ihn zu tun, einen ſolchen Verdacht gegen ihn hegen, müſſen gewichtige Gründe vorhanden ſein.“ „Nun drehen Sie wohl die Sache noch ſo, daß wir zu Anklägern wider Felix werden“, brummte Regler grimmig. „Allerdings iſt es ſo. 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Zitationshilfe: Marburger Zeitung. Nr. 93, Marburg, 04.08.1903, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_marburger93_1903/1>, abgerufen am 28.03.2024.