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Marburger Zeitung. Nr. 155, Marburg, 27.12.1906.

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Marburger Zeitung.



[Spaltenumbruch]

Der Preis des Blattes beträgt: Für Marburg:
Ganzjährig 12 K. halbjührig 6 K, vierteljährig 3 K, monat-
lich 1 K. Bei Zustellung ins Haus monatlich 20 h mehr.

Mit Postversendung:
Ganzjährig 14 K, halbjährig 7 K, vierteljährig 3 K 50 h.
Das Abonnement dauert bis zur schriftlichen Abbestellung.


[Spaltenumbruch]

Erscheint jeden Dienstag, Donnerstag und
Samstag abends.

Sprechstunden des Schriftleiters an allen Wochentagen von
11--12 Uhr vorm. und von 5--6 Uhr nachm.
Postgasse 4.

Die Verwaltung befindet sich: Postgasse 4. (Telephon-Nr. 24.)


[Spaltenumbruch]

Anzeigen werden im Verlage des Blattes und von
allen größeren Annoncen-Expeditionen entgegengenommen
und kostet die fünfmalgespaltene Kleinzeile 12 h.

Schluß für Einschaltungen:
Dienstag, Donnerstag, Samstag 10 Uhr vormittags.

Die Einzel[nu]mmer kostet 10 Heller.




Nr. 155 Donnerstag, 27. Dezember 1906 45. Jahrgang.


[Spaltenumbruch]
Vor dem Jahreswechsel

stehend, erinnert die "Marburger Zeitung" ihre ge-
ehrten Abnehmer an die rechtzeitige Bezugs-
erneuerung,
damit in der Zustellung keine
Unterbrechung eintrete. Die "Marburger Zei-
tung
" tritt mit dem neuen Jahre in den 46. Jahr-
gang; sie ist demnach das zweitälteste politische Blatt
in Steiermark. Diesem Umstande und ihrer streng
völkischen Haltung wie ihrer vollständigen, keinem
Parteizwange unterliegenden Unab-
hängigkeit
verdankt sie ihre Einbürgerung in
alle Stände und Berufskreise, in Stadt und Land,
verdankt sie auch ihre
stets steigende Verbreitung
nicht nur in ganz Unter- und Mittelsteier-
mark,
sondern auch bereits im Oberlande, in
Kärnten und Krain und anderen Gebieten.
Die "Marburger Zeitung" ist im Laufe der Jahre
zehnte immer mehr zu einem Bedürfnisse der
weitesten Kreise geworden und sie trägt dem Rech-
nung durch sorgfältige Bedachtnahme auf ihre
politischen, lokalen und kommunalen Teile,
sowie auf ihre Nachrichten aus allen
Orten
des Unter- und Mittellandes und darüber
hinaus. Die "Marburger Zeitung" ist aber auch
infolge ihrer alten, weiten Verbreitung, in allen
Kreisen das denkbar beste Ankündigungs-
organ
für die Geschäftswelt, für Handel- und
Verkehr und auch deshalb überall unentbehrlich.

Die Bezugseinladung wiederholend:
Schriftleitung und Verwaltung der "Marb. Zeitung".


[Spaltenumbruch]
Die Gerichts-Eroberer.


Vor einigen Tagen saßen in Laibach die
Sachverständigen im Panslavistenfache, die per-
vakischen Advokaten aus Untersteier, Krain und
Kärnten beisammen, um wieder einmal im trauten
Kreise alterprobter Sprachenhetzer und solcher, die
es werden wollen, gar beweglich darüber Klage zu
führen, daß noch nicht alles ganz verslavt sei, was
in diesen Ländern und Landesteilen im Namen des
Kaisers die Gerichtsbarkeit übt und Urteile fällt.
Daß noch nicht alles verslavt sei, sagten wir, --
denn in Wahrheit hat die Slawisierung unserer
Justiz in den letzten 20 oder 30 Jahren früher
ungeahnte Erfolge errungen und ihre Träger
scheuen sich auch gar nicht, mit offenkundiger Über-
tretung giltiger Verordnungen zu prunken. Besonders
an den Sitzen von Bezirksgerichten in kleineren
Orten Untersteiers ist die Slawisierung bereits eine
derart vollkommene geworden, daß den Häuptlingen
des Panslavismus gar nichts mehr zu wünschen
übrig bleibt; sogar der interne deutsche Sprach-
gebrauch ist fast nur mehr eine Chimäre -- es
richtet sich nach ihm, wer da will und der nicht
will, der läßt es eben bleiben. Und deshalb er-
scheinen die Behauptungen, welche bei der Ver-
sammlung des Verbandes slowenischer Advokaten
aufgestellt wurden, nur als ein Ausfluß jener alten
Pervakentaktik, die im nimmersatten Begehren die
Erfüllung ihrer letzten Machtansprüche sucht und
findet. Wir wollen nun kurz jene Auslassungen
streifen, welche bei jener Versammlung den sprachlichen
Verhältnissen in Untersteiermark gewidmet wurden.
Da hub ein bekannter slowenischer Agitator aus
Cilli, der nebenbei Advokat ist, gar kräftig zu klagen
an über die Gerichtsverhältnisse in Cilli, die noch
lange nicht nach seinem Geschmacke sind, obwohl
der dortige Bezirksrichter Dr. Erhartic ein
[Spaltenumbruch] lebendiger Beweis dafür ist, daß des Cillier poli-
tischen Advokaten redselige Klage eitel Geflunker
und Unwahrheit ist. Dann kam Dr. Rosina aus
Marburg. Dieser schilderte, wie der "Narod" be-
richtet, "die Verhältnisse im Bereiche des Mar-
burger Kreisgerichtssprengels in düsteren Farben".
Vermutlich so düster, daß in diesem Redeschatten
der Oberlandesgerichtsrat Dr. Vouschek ganz
verschwand, welcher in seinem Programm, das er
anläßlich seiner Reichsratskandidatur veröffentlichte,
die deutsche Bevölkerung in Untersteier "Fremdlinge"
nannte, welche nach dem slowenischnationalen Kate-
chismus aller echten Pervaken-Evangelisten be-
kanntlich aus dem Lande gejagt werden müssen.
"Noch schlechter", meinte Dr. Rosina, sei es in
Marburg als in Cilli. Daran mag man die Fort-
schritte messen, welche die Slawisierung beim Kreis-
gerichte Cilli bereits errungen haben muß. Aber
Dr. Rosina ließ sich, wenn man dem slowenischen
"Intelligenzblatte" glauben darf, auch zu genaueren
-- unwahren Angaben hinreißen. So behauptete
er, daß in Marburg, Pettau, Luttenberg, Ober-
radkersburg, (Friedau, wo Dr. Mohoritsch "residiert",
ließ er wohlweislich aus!) die Verhandlungen aus-
schließlich deutsch geleitet werden. Wer sich nur ein-
mal zu Verhandlungen begibt, die im Marburger
Kreisgerichte über Straffälle aus diesem Sprengel
geführt werden, versteht von ihnen zumeist kein
Wort, wenn er nicht das windische Idiom beherrscht.
Das ist die Wahrheit, die Dr. Rosina genau
kennt, die er aber nicht bekennen will, um weiter
gegen das Dasein deutscher Richter agitieren zu
können.

Damit der Tagung auch das Burleske nicht
fehle, ergriff auch der land- und gerichtsbekannte
Dr. Brumen das Wort. Sieben ganze deutsche
Adjunkten leben in "seinem" Bezirksgerichtssprengel,
das droht ihn um den Verstand zu bringen und er ist
die letzte Reserve der Gerichtseroberer!




[Spaltenumbruch]
Esther Holm.
Roman aus der nordischen Heide.

61)



(Nachdruck verboten.)

"Ich gehöre zu ihnen und bin gewohnt, aus
der Fülle zu schöpfen, -- und Du sollst mit
mir teilen.

Karin, auf deren Schultern die Vorbereitungen
zur Feier liegen, hat endlos viel zu tun, aber sie
geht still und zufrieden einher. Ist ihre Schwester
Rose doch die Einzige auf der Welt, der sie Stefano
gönnt. Im übrigen hat sie einen neuen großen
Kummer: Karin weiß von der Liebe Uwe Jens
zu Esther, und daß sie hoffnungslos für ihn ist.
Er tut ihr so furchtbar leid. Heimlich hat sie schon
zu Thomas Holm davon gesprochen, der den jungen
Baumeister hochschätzt. Er ist entschlossen, sein
Äußerstes zu tun, doch er kennt die gehaltvolle
Natur seiner Tochter und fürchtet für Uwe Jens.

An einem Frühlingstage, der so mild und
klar gewesen, als bemühe die Sonne sich, ihrem
Sorgenkinde, der halsstarrigen, rauhen Heide, das
Beste zu spenden, zog Thomas Holm Esther in
den Garten, um die neuen Anlagen mit ihr zu
besprechen.

"Sieh, Esther, ich habe dieses Jahr ein groß-
artiges Glück mit den Erdbeerpflanzen, Deiner be-
vorzugten Frucht, die gedeihen wie Unkraut. Ja,
ja, Kind, der Frühling, unser nie verlorenes Para-
dies, ist da -- und bringt uns allen seine Ge-
[Spaltenumbruch] schenke. Aber noch sehe ich nicht, daß der Frühling
auch im Herzen meiner Esther seinen Einzug hielt,
wie es doch sein sollte. Du weißt, ich meine die
Liebe! Denn was ist sie anderes, als die Frühlings-
zeit des Lebens?"

Esther errötete und sah den Vater prüfend an
-- der aber machte eine unverfängliche Miene und
machte sich an einem kümmerlichen Rosenstock zu
schaffen, auf den er stolz war, weil er, geschützt
stehend, vergangenes Jahr, vier ganze, wirkliche
Rosen gezeitigt.

"Dann ist mein Leben wie Stefanos Heimat,
ein ewiger Sommer", sagte Esther scherzend; "für
mich gibt es keine Liebe und ich will sie auch nicht
kennen lernen."

"Wird das ganz und gar in Deiner Macht
liegen, Esther?" fragte er, die blauen Augen viel-
sagend auf sie gerichtet.

"O, selbstverständlich, Vater", entgegnete sie
ausweichend, "jeder denkende Mensch ist vollständig
Herr seiner Neigungen und verborgenen Triebe und
weiß sie mit starker Hand zu unterdrücken, sobald
sie etwas den Kopf erheben und ihre Augen öffnen
möchten."

"Demnach bedeutet nach Deiner Ansicht die
Liebe wohl etwas Sündhaftes?" bemerkte er ver-
wundert, sich aus der gebückten Stellung auf-
richtend.

"Ja", antwortete Esther mit nicht sehr sicherer
Stimme, "sie ist zu gewissen Zeiten und für
Menschen, die ihre Kräfte und Befähigungen auf
bedeutende Ziele zu richten haben, zum mindesten
eine tadelnswerte Schwäche."


[Spaltenumbruch]

Thomas Holm zuckte die Achseln. Wohin
hatte Esther sich verirrt und schwer würde es bei
der Festigkeit ihres Charakters halten, die Ver-
bohrtheit solcher Anschauungen ins rechte Geleis
zu bringen!

"Deine Ansichten", bemerkte er, "erscheinen
mir doch als eine große Verirrung unserer modernen
Frauenbewegung."

Was Esther hierbei in seinen Zügen las, ver-
riet ihr, daß er das Geheimnis erkannte.

Hat Herr Karlsen Dich um die Vermittlerrolle
gebeten, Vater?" fragte sie abgewandt.

"Nein", entgegegnete er schroff, "Du redest
wider Dein eigenes besseres Wissen. Wie hart und
ungerecht Dein Irrtum und Dein blindes Vor-
urteil Dich werden ließ! Was mir von der Ange-
legenheit bekannt ist, verdanke ich Karin's An-
deutungen, die mir ihr Leid klagte, weil sie sieht,
daß zwei herrliche Menschen, die so für einander
geschaffen sind wie Uwe Jens Karlsen und Du, in
Folge solcher Begriffe Deinerseits dem Untergang
entgegengehen und das Elend eines frevelhaften zer-
störten Lebens auf sich herabbeschwören."

"Für mich gibt es keinen Untergang, wenn ich
das bekämpfe, was meinen großen Zielen hindernd
in den Weg tritt."

"Welch' ein verhängnisvoller Irrtum! O,
Esther, wie soll ich Worte finden, Dir das Sünd-
hafte, ja das Unmögliche Deines Beginnens klar-
zulegen", rief Thomas Holm voll inniger Über-
zeugung. "Ja, das Unmögliche, Esther! Denn die
echte Liebe ist gleich einem Sonnenstrahl, der dem
Menschen ins Herz dringt und es mit tausend


Marburger Zeitung.



[Spaltenumbruch]

Der Preis des Blattes beträgt: Für Marburg:
Ganzjährig 12 K. halbjührig 6 K, vierteljährig 3 K, monat-
lich 1 K. Bei Zuſtellung ins Haus monatlich 20 h mehr.

Mit Poſtverſendung:
Ganzjährig 14 K, halbjährig 7 K, vierteljährig 3 K 50 h.
Das Abonnement dauert bis zur ſchriftlichen Abbeſtellung.


[Spaltenumbruch]

Erſcheint jeden Dienstag, Donnerstag und
Samstag abends.

Sprechſtunden des Schriftleiters an allen Wochentagen von
11—12 Uhr vorm. und von 5—6 Uhr nachm.
Poſtgaſſe 4.

Die Verwaltung befindet ſich: Poſtgaſſe 4. (Telephon-Nr. 24.)


[Spaltenumbruch]

Anzeigen werden im Verlage des Blattes und von
allen größeren Annoncen-Expeditionen entgegengenommen
und koſtet die fünfmalgeſpaltene Kleinzeile 12 h.

Schluß für Einſchaltungen:
Dienstag, Donnerstag, Samstag 10 Uhr vormittags.

Die Einzel[nu]mmer koſtet 10 Heller.




Nr. 155 Donnerstag, 27. Dezember 1906 45. Jahrgang.


[Spaltenumbruch]
Vor dem Jahreswechſel

ſtehend, erinnert die „Marburger Zeitung“ ihre ge-
ehrten Abnehmer an die rechtzeitige Bezugs-
erneuerung,
damit in der Zuſtellung keine
Unterbrechung eintrete. Die „Marburger Zei-
tung
“ tritt mit dem neuen Jahre in den 46. Jahr-
gang; ſie iſt demnach das zweitälteſte politiſche Blatt
in Steiermark. Dieſem Umſtande und ihrer ſtreng
völkiſchen Haltung wie ihrer vollſtändigen, keinem
Parteizwange unterliegenden Unab-
hängigkeit
verdankt ſie ihre Einbürgerung in
alle Stände und Berufskreiſe, in Stadt und Land,
verdankt ſie auch ihre
ſtets ſteigende Verbreitung
nicht nur in ganz Unter- und Mittelſteier-
mark,
ſondern auch bereits im Oberlande, in
Kärnten und Krain und anderen Gebieten.
Die „Marburger Zeitung“ iſt im Laufe der Jahre
zehnte immer mehr zu einem Bedürfniſſe der
weiteſten Kreiſe geworden und ſie trägt dem Rech-
nung durch ſorgfältige Bedachtnahme auf ihre
politiſchen, lokalen und kommunalen Teile,
ſowie auf ihre Nachrichten aus allen
Orten
des Unter- und Mittellandes und darüber
hinaus. Die „Marburger Zeitung“ iſt aber auch
infolge ihrer alten, weiten Verbreitung, in allen
Kreiſen das denkbar beſte Ankündigungs-
organ
für die Geſchäftswelt, für Handel- und
Verkehr und auch deshalb überall unentbehrlich.

Die Bezugseinladung wiederholend:
Schriftleitung und Verwaltung der „Marb. Zeitung“.


[Spaltenumbruch]
Die Gerichts-Eroberer.


Vor einigen Tagen ſaßen in Laibach die
Sachverſtändigen im Panſlaviſtenfache, die per-
vakiſchen Advokaten aus Unterſteier, Krain und
Kärnten beiſammen, um wieder einmal im trauten
Kreiſe alterprobter Sprachenhetzer und ſolcher, die
es werden wollen, gar beweglich darüber Klage zu
führen, daß noch nicht alles ganz verſlavt ſei, was
in dieſen Ländern und Landesteilen im Namen des
Kaiſers die Gerichtsbarkeit übt und Urteile fällt.
Daß noch nicht alles verſlavt ſei, ſagten wir, —
denn in Wahrheit hat die Slawiſierung unſerer
Juſtiz in den letzten 20 oder 30 Jahren früher
ungeahnte Erfolge errungen und ihre Träger
ſcheuen ſich auch gar nicht, mit offenkundiger Über-
tretung giltiger Verordnungen zu prunken. Beſonders
an den Sitzen von Bezirksgerichten in kleineren
Orten Unterſteiers iſt die Slawiſierung bereits eine
derart vollkommene geworden, daß den Häuptlingen
des Panſlavismus gar nichts mehr zu wünſchen
übrig bleibt; ſogar der interne deutſche Sprach-
gebrauch iſt faſt nur mehr eine Chimäre — es
richtet ſich nach ihm, wer da will und der nicht
will, der läßt es eben bleiben. Und deshalb er-
ſcheinen die Behauptungen, welche bei der Ver-
ſammlung des Verbandes ſloweniſcher Advokaten
aufgeſtellt wurden, nur als ein Ausfluß jener alten
Pervakentaktik, die im nimmerſatten Begehren die
Erfüllung ihrer letzten Machtanſprüche ſucht und
findet. Wir wollen nun kurz jene Auslaſſungen
ſtreifen, welche bei jener Verſammlung den ſprachlichen
Verhältniſſen in Unterſteiermark gewidmet wurden.
Da hub ein bekannter ſloweniſcher Agitator aus
Cilli, der nebenbei Advokat iſt, gar kräftig zu klagen
an über die Gerichtsverhältniſſe in Cilli, die noch
lange nicht nach ſeinem Geſchmacke ſind, obwohl
der dortige Bezirksrichter Dr. Erhartic ein
[Spaltenumbruch] lebendiger Beweis dafür iſt, daß des Cillier poli-
tiſchen Advokaten redſelige Klage eitel Geflunker
und Unwahrheit iſt. Dann kam Dr. Roſina aus
Marburg. Dieſer ſchilderte, wie der „Narod“ be-
richtet, „die Verhältniſſe im Bereiche des Mar-
burger Kreisgerichtsſprengels in düſteren Farben“.
Vermutlich ſo düſter, daß in dieſem Redeſchatten
der Oberlandesgerichtsrat Dr. Vouſchek ganz
verſchwand, welcher in ſeinem Programm, das er
anläßlich ſeiner Reichsratskandidatur veröffentlichte,
die deutſche Bevölkerung in Unterſteier „Fremdlinge“
nannte, welche nach dem ſloweniſchnationalen Kate-
chismus aller echten Pervaken-Evangeliſten be-
kanntlich aus dem Lande gejagt werden müſſen.
„Noch ſchlechter“, meinte Dr. Roſina, ſei es in
Marburg als in Cilli. Daran mag man die Fort-
ſchritte meſſen, welche die Slawiſierung beim Kreis-
gerichte Cilli bereits errungen haben muß. Aber
Dr. Roſina ließ ſich, wenn man dem ſloweniſchen
„Intelligenzblatte“ glauben darf, auch zu genaueren
— unwahren Angaben hinreißen. So behauptete
er, daß in Marburg, Pettau, Luttenberg, Ober-
radkersburg, (Friedau, wo Dr. Mohoritſch „reſidiert“,
ließ er wohlweislich aus!) die Verhandlungen aus-
ſchließlich deutſch geleitet werden. Wer ſich nur ein-
mal zu Verhandlungen begibt, die im Marburger
Kreisgerichte über Straffälle aus dieſem Sprengel
geführt werden, verſteht von ihnen zumeiſt kein
Wort, wenn er nicht das windiſche Idiom beherrſcht.
Das iſt die Wahrheit, die Dr. Roſina genau
kennt, die er aber nicht bekennen will, um weiter
gegen das Daſein deutſcher Richter agitieren zu
können.

Damit der Tagung auch das Burleske nicht
fehle, ergriff auch der land- und gerichtsbekannte
Dr. Brumen das Wort. Sieben ganze deutſche
Adjunkten leben in „ſeinem“ Bezirksgerichtsſprengel,
das droht ihn um den Verſtand zu bringen und er iſt
die letzte Reſerve der Gerichtseroberer!




[Spaltenumbruch]
Eſther Holm.
Roman aus der nordiſchen Heide.

61)



(Nachdruck verboten.)

„Ich gehöre zu ihnen und bin gewohnt, aus
der Fülle zu ſchöpfen, — und Du ſollſt mit
mir teilen.

Karin, auf deren Schultern die Vorbereitungen
zur Feier liegen, hat endlos viel zu tun, aber ſie
geht ſtill und zufrieden einher. Iſt ihre Schweſter
Roſe doch die Einzige auf der Welt, der ſie Stefano
gönnt. Im übrigen hat ſie einen neuen großen
Kummer: Karin weiß von der Liebe Uwe Jens
zu Eſther, und daß ſie hoffnungslos für ihn iſt.
Er tut ihr ſo furchtbar leid. Heimlich hat ſie ſchon
zu Thomas Holm davon geſprochen, der den jungen
Baumeiſter hochſchätzt. Er iſt entſchloſſen, ſein
Äußerſtes zu tun, doch er kennt die gehaltvolle
Natur ſeiner Tochter und fürchtet für Uwe Jens.

An einem Frühlingstage, der ſo mild und
klar geweſen, als bemühe die Sonne ſich, ihrem
Sorgenkinde, der halsſtarrigen, rauhen Heide, das
Beſte zu ſpenden, zog Thomas Holm Eſther in
den Garten, um die neuen Anlagen mit ihr zu
beſprechen.

„Sieh, Eſther, ich habe dieſes Jahr ein groß-
artiges Glück mit den Erdbeerpflanzen, Deiner be-
vorzugten Frucht, die gedeihen wie Unkraut. Ja,
ja, Kind, der Frühling, unſer nie verlorenes Para-
dies, iſt da — und bringt uns allen ſeine Ge-
[Spaltenumbruch] ſchenke. Aber noch ſehe ich nicht, daß der Frühling
auch im Herzen meiner Eſther ſeinen Einzug hielt,
wie es doch ſein ſollte. Du weißt, ich meine die
Liebe! Denn was iſt ſie anderes, als die Frühlings-
zeit des Lebens?“

Eſther errötete und ſah den Vater prüfend an
— der aber machte eine unverfängliche Miene und
machte ſich an einem kümmerlichen Roſenſtock zu
ſchaffen, auf den er ſtolz war, weil er, geſchützt
ſtehend, vergangenes Jahr, vier ganze, wirkliche
Roſen gezeitigt.

„Dann iſt mein Leben wie Stefanos Heimat,
ein ewiger Sommer“, ſagte Eſther ſcherzend; „für
mich gibt es keine Liebe und ich will ſie auch nicht
kennen lernen.“

„Wird das ganz und gar in Deiner Macht
liegen, Eſther?“ fragte er, die blauen Augen viel-
ſagend auf ſie gerichtet.

„O, ſelbſtverſtändlich, Vater“, entgegnete ſie
ausweichend, „jeder denkende Menſch iſt vollſtändig
Herr ſeiner Neigungen und verborgenen Triebe und
weiß ſie mit ſtarker Hand zu unterdrücken, ſobald
ſie etwas den Kopf erheben und ihre Augen öffnen
möchten.“

„Demnach bedeutet nach Deiner Anſicht die
Liebe wohl etwas Sündhaftes?“ bemerkte er ver-
wundert, ſich aus der gebückten Stellung auf-
richtend.

„Ja“, antwortete Eſther mit nicht ſehr ſicherer
Stimme, „ſie iſt zu gewiſſen Zeiten und für
Menſchen, die ihre Kräfte und Befähigungen auf
bedeutende Ziele zu richten haben, zum mindeſten
eine tadelnswerte Schwäche.“


[Spaltenumbruch]

Thomas Holm zuckte die Achſeln. Wohin
hatte Eſther ſich verirrt und ſchwer würde es bei
der Feſtigkeit ihres Charakters halten, die Ver-
bohrtheit ſolcher Anſchauungen ins rechte Geleis
zu bringen!

„Deine Anſichten“, bemerkte er, „erſcheinen
mir doch als eine große Verirrung unſerer modernen
Frauenbewegung.“

Was Eſther hierbei in ſeinen Zügen las, ver-
riet ihr, daß er das Geheimnis erkannte.

Hat Herr Karlſen Dich um die Vermittlerrolle
gebeten, Vater?“ fragte ſie abgewandt.

„Nein“, entgegegnete er ſchroff, „Du redeſt
wider Dein eigenes beſſeres Wiſſen. Wie hart und
ungerecht Dein Irrtum und Dein blindes Vor-
urteil Dich werden ließ! Was mir von der Ange-
legenheit bekannt iſt, verdanke ich Karin’s An-
deutungen, die mir ihr Leid klagte, weil ſie ſieht,
daß zwei herrliche Menſchen, die ſo für einander
geſchaffen ſind wie Uwe Jens Karlſen und Du, in
Folge ſolcher Begriffe Deinerſeits dem Untergang
entgegengehen und das Elend eines frevelhaften zer-
ſtörten Lebens auf ſich herabbeſchwören.“

„Für mich gibt es keinen Untergang, wenn ich
das bekämpfe, was meinen großen Zielen hindernd
in den Weg tritt.“

„Welch’ ein verhängnisvoller Irrtum! O,
Eſther, wie ſoll ich Worte finden, Dir das Sünd-
hafte, ja das Unmögliche Deines Beginnens klar-
zulegen“, rief Thomas Holm voll inniger Über-
zeugung. „Ja, das Unmögliche, Eſther! Denn die
echte Liebe iſt gleich einem Sonnenſtrahl, der dem
Menſchen ins Herz dringt und es mit tauſend


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[[1]/0001] Marburger Zeitung. Der Preis des Blattes beträgt: Für Marburg: Ganzjährig 12 K. halbjührig 6 K, vierteljährig 3 K, monat- lich 1 K. Bei Zuſtellung ins Haus monatlich 20 h mehr. Mit Poſtverſendung: Ganzjährig 14 K, halbjährig 7 K, vierteljährig 3 K 50 h. Das Abonnement dauert bis zur ſchriftlichen Abbeſtellung. Erſcheint jeden Dienstag, Donnerstag und Samstag abends. Sprechſtunden des Schriftleiters an allen Wochentagen von 11—12 Uhr vorm. und von 5—6 Uhr nachm. Poſtgaſſe 4. Die Verwaltung befindet ſich: Poſtgaſſe 4. (Telephon-Nr. 24.) Anzeigen werden im Verlage des Blattes und von allen größeren Annoncen-Expeditionen entgegengenommen und koſtet die fünfmalgeſpaltene Kleinzeile 12 h. Schluß für Einſchaltungen: Dienstag, Donnerstag, Samstag 10 Uhr vormittags. Die Einzelnummer koſtet 10 Heller. Nr. 155 Donnerstag, 27. Dezember 1906 45. Jahrgang. Vor dem Jahreswechſel ſtehend, erinnert die „Marburger Zeitung“ ihre ge- ehrten Abnehmer an die rechtzeitige Bezugs- erneuerung, damit in der Zuſtellung keine Unterbrechung eintrete. Die „Marburger Zei- tung“ tritt mit dem neuen Jahre in den 46. Jahr- gang; ſie iſt demnach das zweitälteſte politiſche Blatt in Steiermark. Dieſem Umſtande und ihrer ſtreng völkiſchen Haltung wie ihrer vollſtändigen, keinem Parteizwange unterliegenden Unab- hängigkeit verdankt ſie ihre Einbürgerung in alle Stände und Berufskreiſe, in Stadt und Land, verdankt ſie auch ihre ſtets ſteigende Verbreitung nicht nur in ganz Unter- und Mittelſteier- mark, ſondern auch bereits im Oberlande, in Kärnten und Krain und anderen Gebieten. Die „Marburger Zeitung“ iſt im Laufe der Jahre zehnte immer mehr zu einem Bedürfniſſe der weiteſten Kreiſe geworden und ſie trägt dem Rech- nung durch ſorgfältige Bedachtnahme auf ihre politiſchen, lokalen und kommunalen Teile, ſowie auf ihre Nachrichten aus allen Orten des Unter- und Mittellandes und darüber hinaus. Die „Marburger Zeitung“ iſt aber auch infolge ihrer alten, weiten Verbreitung, in allen Kreiſen das denkbar beſte Ankündigungs- organ für die Geſchäftswelt, für Handel- und Verkehr und auch deshalb überall unentbehrlich. Die Bezugseinladung wiederholend: Schriftleitung und Verwaltung der „Marb. Zeitung“. Die Gerichts-Eroberer. Marburg, 27. Dezember. Vor einigen Tagen ſaßen in Laibach die Sachverſtändigen im Panſlaviſtenfache, die per- vakiſchen Advokaten aus Unterſteier, Krain und Kärnten beiſammen, um wieder einmal im trauten Kreiſe alterprobter Sprachenhetzer und ſolcher, die es werden wollen, gar beweglich darüber Klage zu führen, daß noch nicht alles ganz verſlavt ſei, was in dieſen Ländern und Landesteilen im Namen des Kaiſers die Gerichtsbarkeit übt und Urteile fällt. Daß noch nicht alles verſlavt ſei, ſagten wir, — denn in Wahrheit hat die Slawiſierung unſerer Juſtiz in den letzten 20 oder 30 Jahren früher ungeahnte Erfolge errungen und ihre Träger ſcheuen ſich auch gar nicht, mit offenkundiger Über- tretung giltiger Verordnungen zu prunken. Beſonders an den Sitzen von Bezirksgerichten in kleineren Orten Unterſteiers iſt die Slawiſierung bereits eine derart vollkommene geworden, daß den Häuptlingen des Panſlavismus gar nichts mehr zu wünſchen übrig bleibt; ſogar der interne deutſche Sprach- gebrauch iſt faſt nur mehr eine Chimäre — es richtet ſich nach ihm, wer da will und der nicht will, der läßt es eben bleiben. Und deshalb er- ſcheinen die Behauptungen, welche bei der Ver- ſammlung des Verbandes ſloweniſcher Advokaten aufgeſtellt wurden, nur als ein Ausfluß jener alten Pervakentaktik, die im nimmerſatten Begehren die Erfüllung ihrer letzten Machtanſprüche ſucht und findet. Wir wollen nun kurz jene Auslaſſungen ſtreifen, welche bei jener Verſammlung den ſprachlichen Verhältniſſen in Unterſteiermark gewidmet wurden. Da hub ein bekannter ſloweniſcher Agitator aus Cilli, der nebenbei Advokat iſt, gar kräftig zu klagen an über die Gerichtsverhältniſſe in Cilli, die noch lange nicht nach ſeinem Geſchmacke ſind, obwohl der dortige Bezirksrichter Dr. Erhartic ein lebendiger Beweis dafür iſt, daß des Cillier poli- tiſchen Advokaten redſelige Klage eitel Geflunker und Unwahrheit iſt. Dann kam Dr. Roſina aus Marburg. Dieſer ſchilderte, wie der „Narod“ be- richtet, „die Verhältniſſe im Bereiche des Mar- burger Kreisgerichtsſprengels in düſteren Farben“. Vermutlich ſo düſter, daß in dieſem Redeſchatten der Oberlandesgerichtsrat Dr. Vouſchek ganz verſchwand, welcher in ſeinem Programm, das er anläßlich ſeiner Reichsratskandidatur veröffentlichte, die deutſche Bevölkerung in Unterſteier „Fremdlinge“ nannte, welche nach dem ſloweniſchnationalen Kate- chismus aller echten Pervaken-Evangeliſten be- kanntlich aus dem Lande gejagt werden müſſen. „Noch ſchlechter“, meinte Dr. Roſina, ſei es in Marburg als in Cilli. Daran mag man die Fort- ſchritte meſſen, welche die Slawiſierung beim Kreis- gerichte Cilli bereits errungen haben muß. Aber Dr. Roſina ließ ſich, wenn man dem ſloweniſchen „Intelligenzblatte“ glauben darf, auch zu genaueren — unwahren Angaben hinreißen. So behauptete er, daß in Marburg, Pettau, Luttenberg, Ober- radkersburg, (Friedau, wo Dr. Mohoritſch „reſidiert“, ließ er wohlweislich aus!) die Verhandlungen aus- ſchließlich deutſch geleitet werden. Wer ſich nur ein- mal zu Verhandlungen begibt, die im Marburger Kreisgerichte über Straffälle aus dieſem Sprengel geführt werden, verſteht von ihnen zumeiſt kein Wort, wenn er nicht das windiſche Idiom beherrſcht. Das iſt die Wahrheit, die Dr. Roſina genau kennt, die er aber nicht bekennen will, um weiter gegen das Daſein deutſcher Richter agitieren zu können. Damit der Tagung auch das Burleske nicht fehle, ergriff auch der land- und gerichtsbekannte Dr. Brumen das Wort. Sieben ganze deutſche Adjunkten leben in „ſeinem“ Bezirksgerichtsſprengel, das droht ihn um den Verſtand zu bringen und er iſt die letzte Reſerve der Gerichtseroberer! N. J. Eſther Holm. Roman aus der nordiſchen Heide. Von B. Riedel-Ahrens. 61) (Nachdruck verboten.) „Ich gehöre zu ihnen und bin gewohnt, aus der Fülle zu ſchöpfen, — und Du ſollſt mit mir teilen. Karin, auf deren Schultern die Vorbereitungen zur Feier liegen, hat endlos viel zu tun, aber ſie geht ſtill und zufrieden einher. Iſt ihre Schweſter Roſe doch die Einzige auf der Welt, der ſie Stefano gönnt. Im übrigen hat ſie einen neuen großen Kummer: Karin weiß von der Liebe Uwe Jens zu Eſther, und daß ſie hoffnungslos für ihn iſt. Er tut ihr ſo furchtbar leid. Heimlich hat ſie ſchon zu Thomas Holm davon geſprochen, der den jungen Baumeiſter hochſchätzt. Er iſt entſchloſſen, ſein Äußerſtes zu tun, doch er kennt die gehaltvolle Natur ſeiner Tochter und fürchtet für Uwe Jens. An einem Frühlingstage, der ſo mild und klar geweſen, als bemühe die Sonne ſich, ihrem Sorgenkinde, der halsſtarrigen, rauhen Heide, das Beſte zu ſpenden, zog Thomas Holm Eſther in den Garten, um die neuen Anlagen mit ihr zu beſprechen. „Sieh, Eſther, ich habe dieſes Jahr ein groß- artiges Glück mit den Erdbeerpflanzen, Deiner be- vorzugten Frucht, die gedeihen wie Unkraut. Ja, ja, Kind, der Frühling, unſer nie verlorenes Para- dies, iſt da — und bringt uns allen ſeine Ge- ſchenke. Aber noch ſehe ich nicht, daß der Frühling auch im Herzen meiner Eſther ſeinen Einzug hielt, wie es doch ſein ſollte. Du weißt, ich meine die Liebe! Denn was iſt ſie anderes, als die Frühlings- zeit des Lebens?“ Eſther errötete und ſah den Vater prüfend an — der aber machte eine unverfängliche Miene und machte ſich an einem kümmerlichen Roſenſtock zu ſchaffen, auf den er ſtolz war, weil er, geſchützt ſtehend, vergangenes Jahr, vier ganze, wirkliche Roſen gezeitigt. „Dann iſt mein Leben wie Stefanos Heimat, ein ewiger Sommer“, ſagte Eſther ſcherzend; „für mich gibt es keine Liebe und ich will ſie auch nicht kennen lernen.“ „Wird das ganz und gar in Deiner Macht liegen, Eſther?“ fragte er, die blauen Augen viel- ſagend auf ſie gerichtet. „O, ſelbſtverſtändlich, Vater“, entgegnete ſie ausweichend, „jeder denkende Menſch iſt vollſtändig Herr ſeiner Neigungen und verborgenen Triebe und weiß ſie mit ſtarker Hand zu unterdrücken, ſobald ſie etwas den Kopf erheben und ihre Augen öffnen möchten.“ „Demnach bedeutet nach Deiner Anſicht die Liebe wohl etwas Sündhaftes?“ bemerkte er ver- wundert, ſich aus der gebückten Stellung auf- richtend. „Ja“, antwortete Eſther mit nicht ſehr ſicherer Stimme, „ſie iſt zu gewiſſen Zeiten und für Menſchen, die ihre Kräfte und Befähigungen auf bedeutende Ziele zu richten haben, zum mindeſten eine tadelnswerte Schwäche.“ Thomas Holm zuckte die Achſeln. 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Was mir von der Ange- legenheit bekannt iſt, verdanke ich Karin’s An- deutungen, die mir ihr Leid klagte, weil ſie ſieht, daß zwei herrliche Menſchen, die ſo für einander geſchaffen ſind wie Uwe Jens Karlſen und Du, in Folge ſolcher Begriffe Deinerſeits dem Untergang entgegengehen und das Elend eines frevelhaften zer- ſtörten Lebens auf ſich herabbeſchwören.“ „Für mich gibt es keinen Untergang, wenn ich das bekämpfe, was meinen großen Zielen hindernd in den Weg tritt.“ „Welch’ ein verhängnisvoller Irrtum! O, Eſther, wie ſoll ich Worte finden, Dir das Sünd- hafte, ja das Unmögliche Deines Beginnens klar- zulegen“, rief Thomas Holm voll inniger Über- zeugung. „Ja, das Unmögliche, Eſther! Denn die echte Liebe iſt gleich einem Sonnenſtrahl, der dem Menſchen ins Herz dringt und es mit tauſend

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Benjamin Fiechter, Susanne Haaf: Bereitstellung der digitalen Textausgabe (Konvertierung in das DTA-Basisformat). (2018-01-26T13:38:42Z)
grepect GmbH: Bereitstellung der Texttranskription und Textauszeichnung. (2018-01-26T13:38:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Amelie Meister: Vorbereitung der Texttranskription und Textauszeichnung. (2018-01-26T13:38:42Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): keine Angabe; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: keine Angabe; Silbentrennung: keine Angabe; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: keine Angabe;




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URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_marburger155_1906
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_marburger155_1906/1
Zitationshilfe: Marburger Zeitung. Nr. 155, Marburg, 27.12.1906, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_marburger155_1906/1>, abgerufen am 19.04.2024.