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Mährisches Tagblatt. Nr. 271, Olmütz, 28.11.1887.

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Das
"Mährische Tagblatt"
mit der illustr. Wochenbeilage
"Illustrirt. Sonntagsblatt"
erscheint mit Ausnahme der
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Ausgabe 2 Uhr Nachmittags
im Administrations-Locale
Niederring Nr. 41 neu
ober den Fleischbänken.

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Mährisches
Tagblatt.

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Die 4mal gespalten[e] Petitzei[le]
oder deren Raum 6 Kreuze[r.]




Außerhalb Olmütz überneh-
men Insertions-Aufträge:-
Heinrich Schalek, Annon-
cen Exped. in Wien, I., Woll
zeile Nr. 11, Haasensteln &
Vogler
in Wien, Prag, Buda-
pest, Berlin, Frankfurt a. M.
Hamburg, Basel und Leipzig
Alois Opellik, in Wien, Rud.
Mosse
in Wien, München u.
Berlin M. Dukes, Wien I.
Schulerstraße 8. G. L. Daube
u. Co.
Frankfurt a. M.
Adolf Steiner's Annoncen
bureau in Hamburg, sowie
sämmtl. conc. Insertions Bu-
reaus des In- u. Auslandes




Manuscripte werdeu nicht zu
rückgestellt.




Nr. 271. Olmütz, Montag den 28. November 1887. 8. Jahrgang.



[Spaltenumbruch]
Falsches Friedensgeläute.


Es ist ganz und gar nicht überraschend, daß
die Tschechen gelegentlich der Eröffnung des böh-
mischen Landtages alle ihre Friedensglocken läuten.
Es geschieht dies, um weit über die Grenzen
Böhmens hinüber, insbesondere nach Wien hin
mit diesem Friedensgebimmel über die eigentlichen
Vorgänge in Böhmen zu täuschen. Die Friedens-
liebe der Tschechen sieht ganz anders aus, wenn
man die Thaten derselben mit ihren Versicherungen
vergleicht. "Recht und Ehre" soll den Deutschen in
Böhmen zu Theil werden, so sagt das Organ
Riegers; man sehe einmal wie beide aussehen.
Gerade in jüngster Zeit ging man in Böhmen
wieder mit verdoppeltem Eifer an die Schulmacherei,
welche die Deutschen in ihren geschlossenen Ge-
bieten national zersetzen soll. Der tschechische
Landesschulrath in Prag unter dem Vorsitze des
Statthalters hat soeben tschechische Schulen in
Ossegg und Trautenau, welche von den
betreffenden deutschen Gemeinden erhalten werden
müssen, beschlossen; er hat für Krummau Para-
lellclassen, welche das Unterrichtsministerium [be-]
seitigt wissen wollte, eingeführt, und zwar vor-
läufig auf Kosten einer tschechischen Nachbargemeinde,
die im Sinne der Tschechisirungswühlereien der
Prager Tschechenführer, von denen sie bestimmt auch
das Geld dazu erhält, lieber die Kosten der
Parallelclassen in Krummau trägt, als daß sie
bei sich selbst zu Hause die nöthige tschechische
[Spaltenumbruch] Schule errichtete. Der überall geübte Schwindel,
deutsche Städte und Gemeinden durch von aus-
wärts zugeführte tschechische Schulkinder um ihr
deutsches Gepräge zu bringen und ihnen tsche-
chische Schulen aufzuhalsen siegt also ach dies-
mal wieder in Krummau. Zur weiteren Tschechi-
sirung Reichenbergs wird soeben für diese Stadt
eine "tschechische gewerbliche Fortbildungsschule" er-
richtet. Alle diese Schulen, von den Versuchen in
Türn, Töplitz und an anderen Orten ganz ab-
gesehen sind ebenso viele Angriffe auf den Bestand
und das Leben des deutschen Volkes in Böhmen.
Diese Angriffe setzen sich nun schon durch 8 Jahre hin-
durch fort und sind, wie so eben gezeigt wurde in
schönstem Gange. Die Versuche der Tschechen, die
gesammten Hilfsmittel des Landes in ihre Hand
zu bekommnn, wie sie in der "Landesbank",
"Landesausstellung," "Landesfeuerversicherung"
u. s. w. gemacht werden; die weiter fortschreitende
Tschechisirung von Amt und Gericht wie sie soeben
wieder in dem Sprachenerlasse des Prager Straf-
gerichtspräsidenten sich kundgibt: die Bestrebungen
keinen Deutschen in die Prager Stadtvertretung
gelangen zu lassen, die Bestrebungen den Deut-
schen die letzten Stellungen in der "auf Umwegen"
tschechisirten Handelskammer von Prag zu ent-
reißen, sie bei den ebenso "auf Umwegen" tsche-
chisirten Handelskammern in Pilsen und Budweis
völlig kalt zu stellen; die unverzagte Verfügung
über den deutschen Steuergulden, wie sie sich beim
Museumsbau, Nationaltheater u. s. w. kundgibt:
das sind die thatsächlichen Beweise tschechischer
Friedensliebe und tschechischer Geneigtheit den
[Spaltenumbruch] Deutschen" Recht und Ehre" zu Theil werden zu
lassen.

Wenn nun Rieger oder Lobkowitz zu dem Führer
der Deutschen laufen und ihm die Einsetzung eines
Versöhnungsausschusses von beiderseitigen Ver-
trauensmännern zur Berathung des Friedens
empfehleu, was kann er ihnen anders antworten
als mit dem Hinweise auf die fortgesetzten An-
griffe auf den Leib, den Bestand, den Athem des
deutschen Volkes in Böhmen? Wenn aber diese
vermittelnden Herren gefragt werden, ob diese
Angriffe in Hinkunft eingestellt, ob die früheren
Angriffe rückgängig gemacht werden sollen dann
antworten sie mit einem bestimmten Nein. Was
sollen also unter solchen Umständen "Verhand-
lungen"? Die Friedensliebe muß eine thätige sein;
sie müßte zuerst das zugeben, ohne was alle Ver-
sicherungen keinen Werlh haben: die Zweitheilung,
welche allein den Deutschen in Böhmen wieder
zu athmen, zu leben sich zu entwickeln, zu "sein"
erlaubte. Heute sind die Deutschen in Böhmen
Nichts weiter als die Gefangenen des böhmischen
Staatsrechtes, ein Versuchsobject für die fort-
schreitende Arbeit der Tschechisirung bei der es sich
nur darum handelt, ob sie langsamer oder schneller
möglich ist. Solchen Zustand können die Deutschen
nimmer mehr über sich ergehen lassen und sie versuchen
es jetzt mit der "Enthaltung vom Landtage" die
Bande zu sprengen, welche sie an den tschechischen
Viviscctionstisch fesseln.






[Spaltenumbruch]
Feuilleton.



Die Pfirsiche.

Nach zwanzig Jahren sah ich meinen alten
Kameraden Vital Herbelot bei einem Banket wie-
der, welches wir als ehemalige Zöglinge eines
Provinz-Lyceums veranstaltelt hatten. Diese Ver-
sammlungen gleichen sich fast alle. Es gibt Hände-
drücke, lärmende Wiedererkennungen, man duzt
sich wieder nach dem Zeitraum eines Vierteljahr-
hunderts und constatirt melancholisch die Verän-
derungen in den Physiognomien und in den Glücks-
umständen, welche die Jahre herbeigeführt haben.
Dann folgt die feierliche Rede des Präsidenten, es
beginnen die Toaste, die Erinnerungen an das
Collegium, dessen Bitterke[it]en die Zeit hinwegge-
schwemmt hat, um nur den Honig jener Tage
übrig zu lassen.

Ich war erstaunt, Vital Herbelot ganz ver-
schieden von Demjenigen zu finden, dessen An-
denken ich bewahrt hatte. Ich kannte ihn als
schmächtig, furchtsam, stets nett gekleidet, correk.
und zurückhaltend, als einen juugen Mann, der
alle die liebenswürdigen Eigenschaften eines Amts-
Aspiranten besitzt, welcher seinen Weg in der Ad-
ministration machen will, auf welchen ihn seine
Familie gestellt hat. Ich fand einen stark gebau-
ten Mann wieder, mit gebräuntem Teint, leb-
haften Blicken, mit der kräftigen Sprache eines
Menschen, der nicht gewohnt ist, seine Worte zu
berechnen. Mit seinen lurz geschuittenen Haaren,
seiner Kleidung aus englischem Tuche, seinem
graumelirten, fächerartigen Barte wies er in seiner
[Spaltenumbruch] ganzen Persönlichkeit etwas Markiges, Bestimmtes,
Uninteressirtes auf, was nicht im mindesten an
einen Beamten gemahnte.

-- Nun, frug ich ihn, was bist Du denn
geworden? Bist Du nicht mehr im öffentlichen
Dienste?

-- Nein, Alter, antwortete er, ich bin ganz
einfach Landwirth ... Ich habe eine halbe Meile
von hier entfernt in Chanteraine eine ganz nette,
Besitzung, wo ich Getreide säe und ein Weinchen
pflanze, welches Du verkosten kannst, wenn Du
mich einmal besuchst.

-- Wirklich! rief ich aus. Du, der Sohn
und Enkel von Bureaucraten. Du, den man als
Muster eines Beamten aufstellte und welchem
man eine glänzende Zuk[u]nft prophezeite, Du hast
die Flinte ins Korn geworfea?

-- Mein Got[t], ja.

-- Wie ist denn das gekommen?

-- Mein Lieber, erwiderte er lachend, die
großen Wirkungen haben oft kleine Ursachen ...
Ich gab meine Demission wegen zweier Pfirsiche.

-- Zweier Pfirsiche?

-- Nicht mehr und nicht weniger, und wenn
wir den Caffee genommen haben und Du mich
nach Chanteraine begleiten willst, werde ich Dir
das erzählen.

Nach dem Caffee verließen wir den Banket-
saal, und während wir eine Cigarre rauchten
und den Weg nach Chanterain: einschlugen, be-
gann mein Freund Vital seine Erzählung:

-- Du weißt, sagte er, daß ich ein Beam-
tenkind war und daß mein Vater der Bureaux-
Carriere nichts gleich schätzte. Kaum war ich aus
dem Gymnasium draußen, hatte er auch nichts
[Spaltenumbruch] Eiligeres zu thun, als mich in die väterliche Ad-
ministration als Ueberzähligen zu stecken. Ich
fühlte keinen besonderen Beruf dazu, schritt aber
gelehrig auf dieser großen Heerstraße der Bureau-
cratie vorwärts, wo mein Vater und Großvater
langsam, aber sicher gewandelt sind. Ich war ein
arbeitsamer Junge, disciplinirt, von der Wiege
an im Respect für die höheren Beamten erzogen
und in der Ehrfurcht, welche man den Antoritä-
ten erweisen muß. Meinen Chefs gefiel das und
ich erlangte rasch meine ersten administrativen
Grade. Als ich fünfundzwanzig Jahre alt war,
fesselte mich mein Director, der mich lieb ge-
wonnen hatte, an sein Bureau und meine Ca-
meraden beneideten mein Schicksal. Man sprach
bere[i]ts von mir als von einem zukünftigen
Oberbeamten und man weissagte mir die schönste
Zukunft. Es war zu jener Zeit, daß ich mich
verheiratete. Ich ehelichte ein junges, sehr schönes
Mädchen und was mehr werth ist als dies, ein
sehr gutes und liebenswürdiges Wesen, welches
jedoch kein Vermögen besaß. Das war ein großes
Unrecht in den Augen der Beamtenwelt, in wel-
cher ich lebte. Man ist dor[t] sehr positiv, man
sieht in der Ehe nur ein gutes Geschäft und man
stellt dabei als Regel auf, daß "wenn der Gemal
das Frühstück mitbringt, die Frau das Mittag-
mal bringen muß." Wir aber, meine Frau und
ich, hatten kaum so viel, um anständig zu nacht-
malen. Man schrie laut genug, daß ich eine
Dummheit begangen habe. Mehr als ein braver
Bürger meiner Umgebung erklärte rundwegs, daß
ich ein Narr sei und daß ich eine schöne Situa-
tion mit Füßen stoße. Trotzdem, da meine Frau
sehr lieb war und wir bescheiden lebten, ward


[Spaltenumbruch]

Das
„Mähriſche Tagblatt“
mit der illuſtr. Wochenbeilage
„Illuſtrirt. Sonntagsblatt“
erſcheint mit Ausnahme der
Sonn- und Feiertage täglich.
Ausgabe 2 Uhr Nachmittags
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Auswärts durch die Poſt:
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Mähriſches
Tagblatt.

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Vogler
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peſt, Berlin, Frankfurt a. M.
Hamburg, Baſel und Leipzig
Alois Opellik, in Wien, Rud.
Mosse
in Wien, München u.
Berlin M. Dukes, Wien I.
Schulerſtraße 8. G. L. Daube
u. Co.
Frankfurt a. M.
Adolf Steiner’s Annoncen
bureau in Hamburg, ſowie
ſämmtl. conc. Inſertions Bu-
reaus des In- u. Auslandes




Manuſcripte werdeu nicht zu
rückgeſtellt.




Nr. 271. Olmütz, Montag den 28. November 1887. 8. Jahrgang.



[Spaltenumbruch]
Falſches Friedensgeläute.


Es iſt ganz und gar nicht überraſchend, daß
die Tſchechen gelegentlich der Eröffnung des böh-
miſchen Landtages alle ihre Friedensglocken läuten.
Es geſchieht dies, um weit über die Grenzen
Böhmens hinüber, insbeſondere nach Wien hin
mit dieſem Friedensgebimmel über die eigentlichen
Vorgänge in Böhmen zu täuſchen. Die Friedens-
liebe der Tſchechen ſieht ganz anders aus, wenn
man die Thaten derſelben mit ihren Verſicherungen
vergleicht. „Recht und Ehre“ ſoll den Deutſchen in
Böhmen zu Theil werden, ſo ſagt das Organ
Riegers; man ſehe einmal wie beide ausſehen.
Gerade in jüngſter Zeit ging man in Böhmen
wieder mit verdoppeltem Eifer an die Schulmacherei,
welche die Deutſchen in ihren geſchloſſenen Ge-
bieten national zerſetzen ſoll. Der tſchechiſche
Landesſchulrath in Prag unter dem Vorſitze des
Statthalters hat ſoeben tſchechiſche Schulen in
Oſſegg und Trautenau, welche von den
betreffenden deutſchen Gemeinden erhalten werden
müſſen, beſchloſſen; er hat für Krummau Para-
lellclaſſen, welche das Unterrichtsminiſterium [be-]
ſeitigt wiſſen wollte, eingeführt, und zwar vor-
läufig auf Koſten einer tſchechiſchen Nachbargemeinde,
die im Sinne der Tſchechiſirungswühlereien der
Prager Tſchechenführer, von denen ſie beſtimmt auch
das Geld dazu erhält, lieber die Koſten der
Parallelclaſſen in Krummau trägt, als daß ſie
bei ſich ſelbſt zu Hauſe die nöthige tſchechiſche
[Spaltenumbruch] Schule errichtete. Der überall geübte Schwindel,
deutſche Städte und Gemeinden durch von aus-
wärts zugeführte tſchechiſche Schulkinder um ihr
deutſches Gepräge zu bringen und ihnen tſche-
chiſche Schulen aufzuhalſen ſiegt alſo ach dies-
mal wieder in Krummau. Zur weiteren Tſchechi-
ſirung Reichenbergs wird ſoeben für dieſe Stadt
eine „tſchechiſche gewerbliche Fortbildungsſchule“ er-
richtet. Alle dieſe Schulen, von den Verſuchen in
Türn, Töplitz und an anderen Orten ganz ab-
geſehen ſind ebenſo viele Angriffe auf den Beſtand
und das Leben des deutſchen Volkes in Böhmen.
Dieſe Angriffe ſetzen ſich nun ſchon durch 8 Jahre hin-
durch fort und ſind, wie ſo eben gezeigt wurde in
ſchönſtem Gange. Die Verſuche der Tſchechen, die
geſammten Hilfsmittel des Landes in ihre Hand
zu bekommnn, wie ſie in der „Landesbank“,
„Landesausſtellung,“ „Landesfeuerverſicherung“
u. ſ. w. gemacht werden; die weiter fortſchreitende
Tſchechiſirung von Amt und Gericht wie ſie ſoeben
wieder in dem Sprachenerlaſſe des Prager Straf-
gerichtspräſidenten ſich kundgibt: die Beſtrebungen
keinen Deutſchen in die Prager Stadtvertretung
gelangen zu laſſen, die Beſtrebungen den Deut-
ſchen die letzten Stellungen in der „auf Umwegen“
tſchechiſirten Handelskammer von Prag zu ent-
reißen, ſie bei den ebenſo „auf Umwegen“ tſche-
chiſirten Handelskammern in Pilſen und Budweis
völlig kalt zu ſtellen; die unverzagte Verfügung
über den deutſchen Steuergulden, wie ſie ſich beim
Muſeumsbau, Nationaltheater u. ſ. w. kundgibt:
das ſind die thatſächlichen Beweiſe tſchechiſcher
Friedensliebe und tſchechiſcher Geneigtheit den
[Spaltenumbruch] Deutſchen“ Recht und Ehre“ zu Theil werden zu
laſſen.

Wenn nun Rieger oder Lobkowitz zu dem Führer
der Deutſchen laufen und ihm die Einſetzung eines
Verſöhnungsausſchuſſes von beiderſeitigen Ver-
trauensmännern zur Berathung des Friedens
empfehleu, was kann er ihnen anders antworten
als mit dem Hinweiſe auf die fortgeſetzten An-
griffe auf den Leib, den Beſtand, den Athem des
deutſchen Volkes in Böhmen? Wenn aber dieſe
vermittelnden Herren gefragt werden, ob dieſe
Angriffe in Hinkunft eingeſtellt, ob die früheren
Angriffe rückgängig gemacht werden ſollen dann
antworten ſie mit einem beſtimmten Nein. Was
ſollen alſo unter ſolchen Umſtänden „Verhand-
lungen“? Die Friedensliebe muß eine thätige ſein;
ſie müßte zuerſt das zugeben, ohne was alle Ver-
ſicherungen keinen Werlh haben: die Zweitheilung,
welche allein den Deutſchen in Böhmen wieder
zu athmen, zu leben ſich zu entwickeln, zu „ſein“
erlaubte. Heute ſind die Deutſchen in Böhmen
Nichts weiter als die Gefangenen des böhmiſchen
Staatsrechtes, ein Verſuchsobject für die fort-
ſchreitende Arbeit der Tſchechiſirung bei der es ſich
nur darum handelt, ob ſie langſamer oder ſchneller
möglich iſt. Solchen Zuſtand können die Deutſchen
nimmer mehr über ſich ergehen laſſen und ſie verſuchen
es jetzt mit der „Enthaltung vom Landtage“ die
Bande zu ſprengen, welche ſie an den tſchechiſchen
Viviſcctionstiſch feſſeln.






[Spaltenumbruch]
Feuilleton.



Die Pfirſiche.

Nach zwanzig Jahren ſah ich meinen alten
Kameraden Vital Herbelot bei einem Banket wie-
der, welches wir als ehemalige Zöglinge eines
Provinz-Lyceums veranſtaltelt hatten. Dieſe Ver-
ſammlungen gleichen ſich faſt alle. Es gibt Hände-
drücke, lärmende Wiedererkennungen, man duzt
ſich wieder nach dem Zeitraum eines Vierteljahr-
hunderts und conſtatirt melancholiſch die Verän-
derungen in den Phyſiognomien und in den Glücks-
umſtänden, welche die Jahre herbeigeführt haben.
Dann folgt die feierliche Rede des Präſidenten, es
beginnen die Toaſte, die Erinnerungen an das
Collegium, deſſen Bitterke[it]en die Zeit hinwegge-
ſchwemmt hat, um nur den Honig jener Tage
übrig zu laſſen.

Ich war erſtaunt, Vital Herbelot ganz ver-
ſchieden von Demjenigen zu finden, deſſen An-
denken ich bewahrt hatte. Ich kannte ihn als
ſchmächtig, furchtſam, ſtets nett gekleidet, correk.
und zurückhaltend, als einen juugen Mann, der
alle die liebenswürdigen Eigenſchaften eines Amts-
Aſpiranten beſitzt, welcher ſeinen Weg in der Ad-
miniſtration machen will, auf welchen ihn ſeine
Familie geſtellt hat. Ich fand einen ſtark gebau-
ten Mann wieder, mit gebräuntem Teint, leb-
haften Blicken, mit der kräftigen Sprache eines
Menſchen, der nicht gewohnt iſt, ſeine Worte zu
berechnen. Mit ſeinen lurz geſchuittenen Haaren,
ſeiner Kleidung aus engliſchem Tuche, ſeinem
graumelirten, fächerartigen Barte wies er in ſeiner
[Spaltenumbruch] ganzen Perſönlichkeit etwas Markiges, Beſtimmtes,
Unintereſſirtes auf, was nicht im mindeſten an
einen Beamten gemahnte.

— Nun, frug ich ihn, was biſt Du denn
geworden? Biſt Du nicht mehr im öffentlichen
Dienſte?

— Nein, Alter, antwortete er, ich bin ganz
einfach Landwirth ... Ich habe eine halbe Meile
von hier entfernt in Chanteraine eine ganz nette,
Beſitzung, wo ich Getreide ſäe und ein Weinchen
pflanze, welches Du verkoſten kannſt, wenn Du
mich einmal beſuchſt.

— Wirklich! rief ich aus. Du, der Sohn
und Enkel von Bureaucraten. Du, den man als
Muſter eines Beamten aufſtellte und welchem
man eine glänzende Zuk[u]nft prophezeite, Du haſt
die Flinte ins Korn geworfea?

— Mein Got[t], ja.

— Wie iſt denn das gekommen?

— Mein Lieber, erwiderte er lachend, die
großen Wirkungen haben oft kleine Urſachen ...
Ich gab meine Demiſſion wegen zweier Pfirſiche.

— Zweier Pfirſiche?

— Nicht mehr und nicht weniger, und wenn
wir den Caffee genommen haben und Du mich
nach Chanteraine begleiten willſt, werde ich Dir
das erzählen.

Nach dem Caffee verließen wir den Banket-
ſaal, und während wir eine Cigarre rauchten
und den Weg nach Chanterain: einſchlugen, be-
gann mein Freund Vital ſeine Erzählung:

— Du weißt, ſagte er, daß ich ein Beam-
tenkind war und daß mein Vater der Bureaux-
Carriere nichts gleich ſchätzte. Kaum war ich aus
dem Gymnaſium draußen, hatte er auch nichts
[Spaltenumbruch] Eiligeres zu thun, als mich in die väterliche Ad-
miniſtration als Ueberzähligen zu ſtecken. Ich
fühlte keinen beſonderen Beruf dazu, ſchritt aber
gelehrig auf dieſer großen Heerſtraße der Bureau-
cratie vorwärts, wo mein Vater und Großvater
langſam, aber ſicher gewandelt ſind. Ich war ein
arbeitſamer Junge, disciplinirt, von der Wiege
an im Reſpect für die höheren Beamten erzogen
und in der Ehrfurcht, welche man den Antoritä-
ten erweiſen muß. Meinen Chefs gefiel das und
ich erlangte raſch meine erſten adminiſtrativen
Grade. Als ich fünfundzwanzig Jahre alt war,
feſſelte mich mein Director, der mich lieb ge-
wonnen hatte, an ſein Bureau und meine Ca-
meraden beneideten mein Schickſal. Man ſprach
bere[i]ts von mir als von einem zukünftigen
Oberbeamten und man weisſagte mir die ſchönſte
Zukunft. Es war zu jener Zeit, daß ich mich
verheiratete. Ich ehelichte ein junges, ſehr ſchönes
Mädchen und was mehr werth iſt als dies, ein
ſehr gutes und liebenswürdiges Weſen, welches
jedoch kein Vermögen beſaß. Das war ein großes
Unrecht in den Augen der Beamtenwelt, in wel-
cher ich lebte. Man iſt dor[t] ſehr poſitiv, man
ſieht in der Ehe nur ein gutes Geſchäft und man
ſtellt dabei als Regel auf, daß „wenn der Gemal
das Frühſtück mitbringt, die Frau das Mittag-
mal bringen muß.“ Wir aber, meine Frau und
ich, hatten kaum ſo viel, um anſtändig zu nacht-
malen. Man ſchrie laut genug, daß ich eine
Dummheit begangen habe. Mehr als ein braver
Bürger meiner Umgebung erklärte rundwegs, daß
ich ein Narr ſei und daß ich eine ſchöne Situa-
tion mit Füßen ſtoße. Trotzdem, da meine Frau
ſehr lieb war und wir beſcheiden lebten, ward


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[[1]/0001] Das „Mähriſche Tagblatt“ mit der illuſtr. Wochenbeilage „Illuſtrirt. Sonntagsblatt“ erſcheint mit Ausnahme der Sonn- und Feiertage täglich. Ausgabe 2 Uhr Nachmittags im Adminiſtrations-Locale Niederring Nr. 41 neu ober den Fleiſchbänken. Abonnement für Olmütz: Ganzjährig fl. 10.— Halbjährig fl. 5. Vierteljährig fl. 2 50 Monatlich fl. —.90 Zuſtellung ins Haus monat- lich 10 Kreuzer. Auswärts durch die Poſt: Ganzjährig fl. 14.— Halbjährig „ 7.— Vierteljährig „ 3.50 Einzelne Nummer 5 Kreuzer. Mähriſches Tagblatt. Inſertionsgebühren: Die 4mal geſpaltene Petitzeile oder deren Raum 6 Kreuzer. Außerhalb Olmütz überneh- men Inſertions-Aufträge:- Heinrich Schalek, Annon- cen Exped. in Wien, I., Woll zeile Nr. 11, Haasensteln & Vogler in Wien, Prag, Buda- peſt, Berlin, Frankfurt a. M. Hamburg, Baſel und Leipzig Alois Opellik, in Wien, Rud. Mosse in Wien, München u. Berlin M. Dukes, Wien I. Schulerſtraße 8. G. L. Daube u. Co. Frankfurt a. M. Adolf Steiner’s Annoncen bureau in Hamburg, ſowie ſämmtl. conc. Inſertions Bu- reaus des In- u. Auslandes Manuſcripte werdeu nicht zu rückgeſtellt. Nr. 271. Olmütz, Montag den 28. November 1887. 8. Jahrgang. Falſches Friedensgeläute. Olmütz, 28. November. Es iſt ganz und gar nicht überraſchend, daß die Tſchechen gelegentlich der Eröffnung des böh- miſchen Landtages alle ihre Friedensglocken läuten. Es geſchieht dies, um weit über die Grenzen Böhmens hinüber, insbeſondere nach Wien hin mit dieſem Friedensgebimmel über die eigentlichen Vorgänge in Böhmen zu täuſchen. Die Friedens- liebe der Tſchechen ſieht ganz anders aus, wenn man die Thaten derſelben mit ihren Verſicherungen vergleicht. „Recht und Ehre“ ſoll den Deutſchen in Böhmen zu Theil werden, ſo ſagt das Organ Riegers; man ſehe einmal wie beide ausſehen. Gerade in jüngſter Zeit ging man in Böhmen wieder mit verdoppeltem Eifer an die Schulmacherei, welche die Deutſchen in ihren geſchloſſenen Ge- bieten national zerſetzen ſoll. 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Zur weiteren Tſchechi- ſirung Reichenbergs wird ſoeben für dieſe Stadt eine „tſchechiſche gewerbliche Fortbildungsſchule“ er- richtet. Alle dieſe Schulen, von den Verſuchen in Türn, Töplitz und an anderen Orten ganz ab- geſehen ſind ebenſo viele Angriffe auf den Beſtand und das Leben des deutſchen Volkes in Böhmen. Dieſe Angriffe ſetzen ſich nun ſchon durch 8 Jahre hin- durch fort und ſind, wie ſo eben gezeigt wurde in ſchönſtem Gange. Die Verſuche der Tſchechen, die geſammten Hilfsmittel des Landes in ihre Hand zu bekommnn, wie ſie in der „Landesbank“, „Landesausſtellung,“ „Landesfeuerverſicherung“ u. ſ. w. gemacht werden; die weiter fortſchreitende Tſchechiſirung von Amt und Gericht wie ſie ſoeben wieder in dem Sprachenerlaſſe des Prager Straf- gerichtspräſidenten ſich kundgibt: die Beſtrebungen keinen Deutſchen in die Prager Stadtvertretung gelangen zu laſſen, die Beſtrebungen den Deut- ſchen die letzten Stellungen in der „auf Umwegen“ tſchechiſirten Handelskammer von Prag zu ent- reißen, ſie bei den ebenſo „auf Umwegen“ tſche- chiſirten Handelskammern in Pilſen und Budweis völlig kalt zu ſtellen; die unverzagte Verfügung über den deutſchen Steuergulden, wie ſie ſich beim Muſeumsbau, Nationaltheater u. ſ. w. kundgibt: das ſind die thatſächlichen Beweiſe tſchechiſcher Friedensliebe und tſchechiſcher Geneigtheit den Deutſchen“ Recht und Ehre“ zu Theil werden zu laſſen. Wenn nun Rieger oder Lobkowitz zu dem Führer der Deutſchen laufen und ihm die Einſetzung eines Verſöhnungsausſchuſſes von beiderſeitigen Ver- trauensmännern zur Berathung des Friedens empfehleu, was kann er ihnen anders antworten als mit dem Hinweiſe auf die fortgeſetzten An- griffe auf den Leib, den Beſtand, den Athem des deutſchen Volkes in Böhmen? Wenn aber dieſe vermittelnden Herren gefragt werden, ob dieſe Angriffe in Hinkunft eingeſtellt, ob die früheren Angriffe rückgängig gemacht werden ſollen dann antworten ſie mit einem beſtimmten Nein. Was ſollen alſo unter ſolchen Umſtänden „Verhand- lungen“? Die Friedensliebe muß eine thätige ſein; ſie müßte zuerſt das zugeben, ohne was alle Ver- ſicherungen keinen Werlh haben: die Zweitheilung, welche allein den Deutſchen in Böhmen wieder zu athmen, zu leben ſich zu entwickeln, zu „ſein“ erlaubte. 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Dann folgt die feierliche Rede des Präſidenten, es beginnen die Toaſte, die Erinnerungen an das Collegium, deſſen Bitterkeiten die Zeit hinwegge- ſchwemmt hat, um nur den Honig jener Tage übrig zu laſſen. Ich war erſtaunt, Vital Herbelot ganz ver- ſchieden von Demjenigen zu finden, deſſen An- denken ich bewahrt hatte. Ich kannte ihn als ſchmächtig, furchtſam, ſtets nett gekleidet, correk. und zurückhaltend, als einen juugen Mann, der alle die liebenswürdigen Eigenſchaften eines Amts- Aſpiranten beſitzt, welcher ſeinen Weg in der Ad- miniſtration machen will, auf welchen ihn ſeine Familie geſtellt hat. Ich fand einen ſtark gebau- ten Mann wieder, mit gebräuntem Teint, leb- haften Blicken, mit der kräftigen Sprache eines Menſchen, der nicht gewohnt iſt, ſeine Worte zu berechnen. Mit ſeinen lurz geſchuittenen Haaren, ſeiner Kleidung aus engliſchem Tuche, ſeinem graumelirten, fächerartigen Barte wies er in ſeiner ganzen Perſönlichkeit etwas Markiges, Beſtimmtes, Unintereſſirtes auf, was nicht im mindeſten an einen Beamten gemahnte. — Nun, frug ich ihn, was biſt Du denn geworden? Biſt Du nicht mehr im öffentlichen Dienſte? — Nein, Alter, antwortete er, ich bin ganz einfach Landwirth ... Ich habe eine halbe Meile von hier entfernt in Chanteraine eine ganz nette, Beſitzung, wo ich Getreide ſäe und ein Weinchen pflanze, welches Du verkoſten kannſt, wenn Du mich einmal beſuchſt. — Wirklich! rief ich aus. Du, der Sohn und Enkel von Bureaucraten. Du, den man als Muſter eines Beamten aufſtellte und welchem man eine glänzende Zukunft prophezeite, Du haſt die Flinte ins Korn geworfea? — Mein Gott, ja. — Wie iſt denn das gekommen? — Mein Lieber, erwiderte er lachend, die großen Wirkungen haben oft kleine Urſachen ... Ich gab meine Demiſſion wegen zweier Pfirſiche. — Zweier Pfirſiche? — Nicht mehr und nicht weniger, und wenn wir den Caffee genommen haben und Du mich nach Chanteraine begleiten willſt, werde ich Dir das erzählen. Nach dem Caffee verließen wir den Banket- ſaal, und während wir eine Cigarre rauchten und den Weg nach Chanterain: einſchlugen, be- gann mein Freund Vital ſeine Erzählung: — Du weißt, ſagte er, daß ich ein Beam- tenkind war und daß mein Vater der Bureaux- Carriere nichts gleich ſchätzte. Kaum war ich aus dem Gymnaſium draußen, hatte er auch nichts Eiligeres zu thun, als mich in die väterliche Ad- miniſtration als Ueberzähligen zu ſtecken. Ich fühlte keinen beſonderen Beruf dazu, ſchritt aber gelehrig auf dieſer großen Heerſtraße der Bureau- cratie vorwärts, wo mein Vater und Großvater langſam, aber ſicher gewandelt ſind. Ich war ein arbeitſamer Junge, disciplinirt, von der Wiege an im Reſpect für die höheren Beamten erzogen und in der Ehrfurcht, welche man den Antoritä- ten erweiſen muß. Meinen Chefs gefiel das und ich erlangte raſch meine erſten adminiſtrativen Grade. Als ich fünfundzwanzig Jahre alt war, feſſelte mich mein Director, der mich lieb ge- wonnen hatte, an ſein Bureau und meine Ca- meraden beneideten mein Schickſal. Man ſprach bereits von mir als von einem zukünftigen Oberbeamten und man weisſagte mir die ſchönſte Zukunft. Es war zu jener Zeit, daß ich mich verheiratete. Ich ehelichte ein junges, ſehr ſchönes Mädchen und was mehr werth iſt als dies, ein ſehr gutes und liebenswürdiges Weſen, welches jedoch kein Vermögen beſaß. Das war ein großes Unrecht in den Augen der Beamtenwelt, in wel- cher ich lebte. Man iſt dort ſehr poſitiv, man ſieht in der Ehe nur ein gutes Geſchäft und man ſtellt dabei als Regel auf, daß „wenn der Gemal das Frühſtück mitbringt, die Frau das Mittag- mal bringen muß.“ Wir aber, meine Frau und ich, hatten kaum ſo viel, um anſtändig zu nacht- malen. Man ſchrie laut genug, daß ich eine Dummheit begangen habe. Mehr als ein braver Bürger meiner Umgebung erklärte rundwegs, daß ich ein Narr ſei und daß ich eine ſchöne Situa- tion mit Füßen ſtoße. Trotzdem, da meine Frau ſehr lieb war und wir beſcheiden lebten, ward

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Zitationshilfe: Mährisches Tagblatt. Nr. 271, Olmütz, 28.11.1887, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_maehrisches271_1887/1>, abgerufen am 29.03.2024.