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Mährisches Tagblatt. Nr. 134, Olmütz, 14.06.1897.

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"Mährische Tagblatt"
erscheint mit [A]u[s]na[h]me der
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Mährisches
Tagblatt.

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nach aufliegendem Tarif.



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men Insertions-Aufträge
Heinrich Schalek, Annon-
cen-Exped. in Wien, [I]. Woll-
zeile Nr. 11, Haasenstein
& Vogler,
in Wien, Buda-
pest, Berlin, Frankfurt a. M.
Hamburg, Basel und Leipzig.
M. Dukes Nachf. Max Augen-
feld & Emerich Lessner.
Wien I., Wollzeile 6--8.
Rud. Mosse. Wien München
u. Berlin. Alois Opellik, in
Wien, G. L. Daube und Co.
Frankfurt a. M. Karolyn
Liebmann's
Annoncenbureau
in Bamburg, sowie sämmtl.
conc. Insertionsbureausdes
In- u. Auslandes
Manuscripte werden nicht
zurückgestellt.


Telephon Nr. 9.




Nr. 134 Olmütz, Montag, den 14. Juni 1897. 18. Jahrgang.


[Spaltenumbruch]
Ein Beschwichtigungsversuch.


Ein officiöses Residenzblatt veröffentlichte
Freitag einen Mahnruf zur Versöhnlichkeit, der
scheinbar an Deutsche und Tschechen zugleich ge-
richtet war, thatsächlich aber die Ersteren zur
Umkehr aufforderte, gerade als ob diese an den
heutigen unerquicklichen Zuständen die Schuld
trügen. Das officiöse Blatt treibt da eine Vogel-
straußpolitik, weche natürlich die beabsichtigte
Wirkung verfehlen muß, weil sie nicht mit den
gegebenen Thatsachen, sondern mit Fictionen
rechnet, deren Haltlosigkeit auf den ersten Blick
zu erkennen ist. Die deutschen Abgeordneten, meint
das Blatt, hätten wiederholt erklärt, daß sie zu
einer Verständigung bereit sind und, so folgert
es weiter, es wäre nunmehr ihre Aufgabe, dem
Verständigungsgedanken in der Wählerschaft Raum
zu verschaffen. Das ist nur die halbe Wahrheit;
die deutschen Abgeordneten haben zugleich, was
das officiöse Blatt verschweigt, die Bedingung
gestellt, die Sprachenverordnungen müßten zuvor
zurückgenommen werden, und bisher ist nicht das
geringste Anzeichen dafür vorhanden, daß die
Regierung gewillt sei, diese Forderung zu er-
füllen. So lange aber Graf Badeni an seinen
Verordnungen festhält, bleiben die Wege zu einer
friedlichen Auseinandersetzung verschüttet, darüber
möge man sich in Wien nicht der allergeringsten
Täuschung hingeben und dagegen werden sich alle
officiösen Beschwichtigungsversuche als vollständig
fruchtlos erweisen.

Was thun die deutschen Abgeordneten und
was muthet man ihnen officiöserseits zu? Sie
[Spaltenumbruch] treten pflichtgemäß vor die Wähler, erläutern
ihnen die im Abgeordnetenhause eingeschlagene
Politik des äußersten Widerstandes und verge-
wissern sich in Uebereinstimmung mit ihren Auf-
traggebern zu befinden. Das ist ihre Pflicht, das
müssen sie thun, anders können sie nicht handeln,
wenn sie ihrer Aufgabe als Vertreter des Volkes
und als kräftige Anwälte seiner Wünsche und
Forderungen gerecht werden sollen. Dazu kommt
ein Zweites; die deutschen Abgeordneten machen
die Wählerschaft auf die Nothwendigkeit auf-
merksam, auch fortan im äußersten Widerstande
zu verharren, bis die Abhilfe wider die wohl-
begründeten Beschwerden der Deutschen gefunden
sein wird. Das gebietet die Klugheit und die
einfachste politische Taktik, das Gegentheil wäre
der schlimmste Fehler; man legt die Rüstung
nicht ab, so lange der Kampf nicht beendigt oder
so lange nicht die sichere Aussicht vorhanden ist,
daß er durch einen ehrenvollen Frieden beigelegt
werden wird. Eine solche Aussicht besteht aber
nicht, denn vorläufig verhalten sich die Tschechen
schroff ablehnend und was die Regierung betrifft,
so bietet ihr Verhalten nicht den geringsten An-
haltspunkt, um beurtheilen zu können, ob und
inwieweit sie bereit sei, den Deutschen entgegen-
zukommen.

Wir glauben es dem officiösen Blatte gerne,
daß es ihm angenehm wäre, wenn die ent-
schlossene Stimmung, die heute die Deutschen
Oesterreichs erfüllt, erschlaffen und wenn der
Volksstamm, der sich so unvergängliche Verdienste
um den Staat erworben und dafür einen recht
zweifelhaften Lohn erhalten hat, in die frühere
falsche Gemüthlichkeit zurückfallen würde. Aber
[Spaltenumbruch] wenn das Wiener Regierungsorgan auf das
Letztere rechnet, dann rechnet es eben sehr falsch:
die deutschen Wähler wissen zu genau, was auf
dem Spiele steht, als daß sie sich aus dem
starken moralischen Bollwerk, welches sie sich
geschaffen haben, hinausdiplomatisiren ließen. Nach
den trüben Erfahrungen, die ihnen zutheil ge-
worden sind, müssen sie in der kraftvollen Ent-
schlossenheit, die sie für ihre nationale Stellung
kämpfen und im Kampfe ausharren läßt, das
einzige Rettungsmittel für die Gegenwart und
für die Zukunft erblicken. Schwäche wäre ihr
Verderben, Nachgiebigkeit in dieser Stunde wäre
der Anfang einer Reihe von Demüthigungen, deren
Ende nicht abzusehen ist. Wenn in Brünn scharfe
Worte gefallen sind, worüber das officiöse Blatt
sich sehr gekränkt zeigt, so entspricht dies durch-
aus der Sachlage; diese Worte sind der Aus-
druck der herrschenden Stimmung, und diese
Stimmung ist aus den vorliegenden Thatsachen
entstanden, sie wurde weder durch die Abgeord-
neten in die Wählerschaft getragen, noch von
dieser den Abgeordneten eingeflößt.

Das Regierungsorgan warnt die gemäßigten
Deutschen vor dem Radicalismus. Es thäte besser,
seine Warnung an die Adresse der Regierung zu
richten. Alle Reden zusammen können die Er-
regung nicht so sehr steigern, als dieß die be-
hördlichen Maßregeln der letzten Tage gethan
haben. Vereinsauflösungen, Versammlungsver-
bote, Zeitungsbeschlagnahmen und der vielbe-
sprochene Erlaß an die Landeschefs, der eine viel
tiefere Wirkung hervorgerufen hat, als man in
Wien zu ahnen scheint, sind das unrichtigste
Mittel, den Frieden herzustellen. Die Deutschen




[Spaltenumbruch]
Feuilleton.



Ein Aufgeheirateter.
Von Carl Wolf.

Die nachfolgende Erzählung entnehmen wir
dem neuesten Bande: "Tiroler Geschichten," die
soeben im Edlinger'schen Verlage zu Innsbruck
erschienen sind und die abermals das Talent des
bekannten Tiroler Humoristen im vollen Lichte
zeigen.




Hoch oben auf einer vorspringenden Nase
des Jaufen steht, wenn auch nur aus mächtigen
Baumstämmen gezimmert, ein großer Bauernhof.
Den Besitzer desselben nannte man im Thale den
"Gatterle["] (Gitterthor) Bauer.

Das kam so. Alle Felder und Wiesen waren
dicht eingezäumt, denn unten aus dem Dorfe
wurden im Sommer hindurch die Schafe und
Ziegen in den Wald auf die Weide getrieben.
Die Geißbuben aber legten lieber den Eichhörn-
chen Schlingen oder nahmen Vogelnester aus,
oder sie schwangen sich vom schlanken Gipfel einer
Fichte auf eine andere, ein recht waghalsiges,
aber eben darum bei den Bergjungen sehr be-
liebtes Spiel. Die Schafe und Ziegen schlüpfen
oft, ohne Aufsicht, von der mageren Weide gerne
auf die Wiesen und Felder des genannten Hofes.
Daher wurden diese so sorgfältig verwahrt und
alle Wege und Zugänge mit einem selbstschließenden
Gitter versehen. So entstand der Name "Gatterle-
Bauer."


[Spaltenumbruch]

Auf dem Hofe lebte eine Witwe mit ihrem
einzigen Sohne, dem einstigen Erben des nicht
unansehnlichen Anwesens. Die Bäuerin war, so
wie man zu sagen pflegt, ein gutes, braves
Hausmutterle, und auf ihrem Hofe gab es
eigentlich keine Knechte und Mägde, denn Alle
lebten im Hause zusammen, wie eine große
Familie.

Der Sohn, der "Gatterle-Hans," wie man
ihn nannte, hatte einen großen Fehler. Er war
das einzige Kind seiner schwachen Mutter. Darum
wurde er auch verhätschelt und verzogen von
frühester Jugend an. So lange der Hof stand,
war es ein einziges Mal vorgekommen, daß ein
Knecht Knall und Fall entlassen wurde. Hans
war damals fünf Jahre alt und purzelte in die
Jauchengrube. Die Weiber auf dem Hofe, allen
voran die Mutter, erhoben ein fürchterliches
Jammerschrei, als "'s Hansele", freilich nicht
gerade ein schöner Anblick, mit weit ausgespreizten
Armen dastand und ebenfalls jammerte.

Christl, der Jungknecht, nahm den triefen-
den Burschen und tauchte ihn fünf- bis sechsmal
tief in den großen Brunnentrog, trotz des Ge-
schreies der Mutter. Die Reinigung war gründ-
lich, und schmunzelnd meinte Christl: "'s Hansele
ist jetzern so sauber, wie a frisch gewasserter
Stockfisch."

Diese gewaltsame Reinigung und ganz be-
sonders der Vergleich ihres Herzenskindes mit
einem Stockfisch, das war der Bäuerin zu viel
und sie schickte den Christl aus dem Dienste;
[Spaltenumbruch] allerdings verschaffte sie ihm eine andere gute
Stelle.

Der Gatterle-Hans wurde von dieser Zeit
an in der Schule "g'wasserter Stockfisch" ge-
nannt und dieser Name blieb ihm bis in die
spätesten Jahre.

Er war sonst ein schmucker Bursche mit
blonden Haaren und blauen Augen, die fast
mädchenhaft schüchtern in die Welt schauten. Und
als um Kinn und Wange gar ein feiner, blonder
Flaum zu wachsen begann, da guckte ihn gar
manches nette Dirndl ermunternd an. Wagte er
sich einmal auf den Tanzboden, so hatte er aber
nie den Muth, eines der Dirndln aufzufordern.

Die Kramer Liesel hatte den Hans einmal
am Arme gefaßt und ihn fast gewaltsam zum
Tanz gezwungen. Hans hatte natürliche Anlage
hiezu. Die Musik, das fröhliche Dirndl an der Seite
und die lustigen Jauchzer brachten ihn in die beste
Stimmung.

Als der Schuhplattler aus war und er mit
seiner Partnerin in die Gaststube zurückschritt,
spöttelte der "Rofner-Sepp": "Liesei, hast Dir
amal a Portion Stockfisch vergunnt?" Hans
wurde erst feuerroth im Gesicht, und als er die
spöttischen Blicke ringsum auf sich gerichtet sah,
stieg ihm der "Hahn zu Kopfe," wie man in
Tirol sagt. Hurtig zog er seine Joppe ab und
warf sie in eine Ecke. Der Rofner-Sepp des-
gleichen. Die Anwesenden bildeten einen weiten
Kreis im Tanzsaale, denn es war selbstverständ-
lich, daß nach einer solchen Beleidigung nur ein
"hurtiges Schmeißen" folgen konnte. Der sonst


[Spaltenumbruch]

Das
„Mähriſche Tagblatt“
erſcheint mit [A]u[s]na[h]me der
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Tagblatt.

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& Vogler,
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peſt, Berlin, Frankfurt a. M.
Hamburg, Baſel und Leipzig.
M. Dukes Nachf. Max Augen-
feld & Emerich Leſſner.
Wien I., Wollzeile 6—8.
Rud. Mosse. Wien München
u. Berlin. Alois Opellik, in
Wien, G. L. Daube und Co.
Frankfurt a. M. Karolyn
Liebmann’s
Annoncenbureau
in Bamburg, ſowie ſämmtl.
conc. Inſertionsbureausdes
In- u. Auslandes
Manuſcripte werden nicht
zurückgeſtellt.


Telephon Nr. 9.




Nr. 134 Olmütz, Montag, den 14. Juni 1897. 18. Jahrgang.


[Spaltenumbruch]
Ein Beſchwichtigungsverſuch.


Ein officiöſes Reſidenzblatt veröffentlichte
Freitag einen Mahnruf zur Verſöhnlichkeit, der
ſcheinbar an Deutſche und Tſchechen zugleich ge-
richtet war, thatſächlich aber die Erſteren zur
Umkehr aufforderte, gerade als ob dieſe an den
heutigen unerquicklichen Zuſtänden die Schuld
trügen. Das officiöſe Blatt treibt da eine Vogel-
ſtraußpolitik, weche natürlich die beabſichtigte
Wirkung verfehlen muß, weil ſie nicht mit den
gegebenen Thatſachen, ſondern mit Fictionen
rechnet, deren Haltloſigkeit auf den erſten Blick
zu erkennen iſt. Die deutſchen Abgeordneten, meint
das Blatt, hätten wiederholt erklärt, daß ſie zu
einer Verſtändigung bereit ſind und, ſo folgert
es weiter, es wäre nunmehr ihre Aufgabe, dem
Verſtändigungsgedanken in der Wählerſchaft Raum
zu verſchaffen. Das iſt nur die halbe Wahrheit;
die deutſchen Abgeordneten haben zugleich, was
das officiöſe Blatt verſchweigt, die Bedingung
geſtellt, die Sprachenverordnungen müßten zuvor
zurückgenommen werden, und bisher iſt nicht das
geringſte Anzeichen dafür vorhanden, daß die
Regierung gewillt ſei, dieſe Forderung zu er-
füllen. So lange aber Graf Badeni an ſeinen
Verordnungen feſthält, bleiben die Wege zu einer
friedlichen Auseinanderſetzung verſchüttet, darüber
möge man ſich in Wien nicht der allergeringſten
Täuſchung hingeben und dagegen werden ſich alle
officiöſen Beſchwichtigungsverſuche als vollſtändig
fruchtlos erweiſen.

Was thun die deutſchen Abgeordneten und
was muthet man ihnen officiöſerſeits zu? Sie
[Spaltenumbruch] treten pflichtgemäß vor die Wähler, erläutern
ihnen die im Abgeordnetenhauſe eingeſchlagene
Politik des äußerſten Widerſtandes und verge-
wiſſern ſich in Uebereinſtimmung mit ihren Auf-
traggebern zu befinden. Das iſt ihre Pflicht, das
müſſen ſie thun, anders können ſie nicht handeln,
wenn ſie ihrer Aufgabe als Vertreter des Volkes
und als kräftige Anwälte ſeiner Wünſche und
Forderungen gerecht werden ſollen. Dazu kommt
ein Zweites; die deutſchen Abgeordneten machen
die Wählerſchaft auf die Nothwendigkeit auf-
merkſam, auch fortan im äußerſten Widerſtande
zu verharren, bis die Abhilfe wider die wohl-
begründeten Beſchwerden der Deutſchen gefunden
ſein wird. Das gebietet die Klugheit und die
einfachſte politiſche Taktik, das Gegentheil wäre
der ſchlimmſte Fehler; man legt die Rüſtung
nicht ab, ſo lange der Kampf nicht beendigt oder
ſo lange nicht die ſichere Ausſicht vorhanden iſt,
daß er durch einen ehrenvollen Frieden beigelegt
werden wird. Eine ſolche Ausſicht beſteht aber
nicht, denn vorläufig verhalten ſich die Tſchechen
ſchroff ablehnend und was die Regierung betrifft,
ſo bietet ihr Verhalten nicht den geringſten An-
haltspunkt, um beurtheilen zu können, ob und
inwieweit ſie bereit ſei, den Deutſchen entgegen-
zukommen.

Wir glauben es dem officiöſen Blatte gerne,
daß es ihm angenehm wäre, wenn die ent-
ſchloſſene Stimmung, die heute die Deutſchen
Oeſterreichs erfüllt, erſchlaffen und wenn der
Volksſtamm, der ſich ſo unvergängliche Verdienſte
um den Staat erworben und dafür einen recht
zweifelhaften Lohn erhalten hat, in die frühere
falſche Gemüthlichkeit zurückfallen würde. Aber
[Spaltenumbruch] wenn das Wiener Regierungsorgan auf das
Letztere rechnet, dann rechnet es eben ſehr falſch:
die deutſchen Wähler wiſſen zu genau, was auf
dem Spiele ſteht, als daß ſie ſich aus dem
ſtarken moraliſchen Bollwerk, welches ſie ſich
geſchaffen haben, hinausdiplomatiſiren ließen. Nach
den trüben Erfahrungen, die ihnen zutheil ge-
worden ſind, müſſen ſie in der kraftvollen Ent-
ſchloſſenheit, die ſie für ihre nationale Stellung
kämpfen und im Kampfe ausharren läßt, das
einzige Rettungsmittel für die Gegenwart und
für die Zukunft erblicken. Schwäche wäre ihr
Verderben, Nachgiebigkeit in dieſer Stunde wäre
der Anfang einer Reihe von Demüthigungen, deren
Ende nicht abzuſehen iſt. Wenn in Brünn ſcharfe
Worte gefallen ſind, worüber das officiöſe Blatt
ſich ſehr gekränkt zeigt, ſo entſpricht dies durch-
aus der Sachlage; dieſe Worte ſind der Aus-
druck der herrſchenden Stimmung, und dieſe
Stimmung iſt aus den vorliegenden Thatſachen
entſtanden, ſie wurde weder durch die Abgeord-
neten in die Wählerſchaft getragen, noch von
dieſer den Abgeordneten eingeflößt.

Das Regierungsorgan warnt die gemäßigten
Deutſchen vor dem Radicalismus. Es thäte beſſer,
ſeine Warnung an die Adreſſe der Regierung zu
richten. Alle Reden zuſammen können die Er-
regung nicht ſo ſehr ſteigern, als dieß die be-
hördlichen Maßregeln der letzten Tage gethan
haben. Vereinsauflöſungen, Verſammlungsver-
bote, Zeitungsbeſchlagnahmen und der vielbe-
ſprochene Erlaß an die Landeschefs, der eine viel
tiefere Wirkung hervorgerufen hat, als man in
Wien zu ahnen ſcheint, ſind das unrichtigſte
Mittel, den Frieden herzuſtellen. Die Deutſchen




[Spaltenumbruch]
Feuilleton.



Ein Aufgeheirateter.
Von Carl Wolf.

Die nachfolgende Erzählung entnehmen wir
dem neueſten Bande: „Tiroler Geſchichten,“ die
ſoeben im Edlinger’ſchen Verlage zu Innsbruck
erſchienen ſind und die abermals das Talent des
bekannten Tiroler Humoriſten im vollen Lichte
zeigen.




Hoch oben auf einer vorſpringenden Naſe
des Jaufen ſteht, wenn auch nur aus mächtigen
Baumſtämmen gezimmert, ein großer Bauernhof.
Den Beſitzer desſelben nannte man im Thale den
„Gatterle[“] (Gitterthor) Bauer.

Das kam ſo. Alle Felder und Wieſen waren
dicht eingezäumt, denn unten aus dem Dorfe
wurden im Sommer hindurch die Schafe und
Ziegen in den Wald auf die Weide getrieben.
Die Geißbuben aber legten lieber den Eichhörn-
chen Schlingen oder nahmen Vogelneſter aus,
oder ſie ſchwangen ſich vom ſchlanken Gipfel einer
Fichte auf eine andere, ein recht waghalſiges,
aber eben darum bei den Bergjungen ſehr be-
liebtes Spiel. Die Schafe und Ziegen ſchlüpfen
oft, ohne Aufſicht, von der mageren Weide gerne
auf die Wieſen und Felder des genannten Hofes.
Daher wurden dieſe ſo ſorgfältig verwahrt und
alle Wege und Zugänge mit einem ſelbſtſchließenden
Gitter verſehen. So entſtand der Name „Gatterle-
Bauer.“


[Spaltenumbruch]

Auf dem Hofe lebte eine Witwe mit ihrem
einzigen Sohne, dem einſtigen Erben des nicht
unanſehnlichen Anweſens. Die Bäuerin war, ſo
wie man zu ſagen pflegt, ein gutes, braves
Hausmutterle, und auf ihrem Hofe gab es
eigentlich keine Knechte und Mägde, denn Alle
lebten im Hauſe zuſammen, wie eine große
Familie.

Der Sohn, der „Gatterle-Hans,“ wie man
ihn nannte, hatte einen großen Fehler. Er war
das einzige Kind ſeiner ſchwachen Mutter. Darum
wurde er auch verhätſchelt und verzogen von
früheſter Jugend an. So lange der Hof ſtand,
war es ein einziges Mal vorgekommen, daß ein
Knecht Knall und Fall entlaſſen wurde. Hans
war damals fünf Jahre alt und purzelte in die
Jauchengrube. Die Weiber auf dem Hofe, allen
voran die Mutter, erhoben ein fürchterliches
Jammerſchrei, als „’s Hanſele“, freilich nicht
gerade ein ſchöner Anblick, mit weit ausgeſpreizten
Armen daſtand und ebenfalls jammerte.

Chriſtl, der Jungknecht, nahm den triefen-
den Burſchen und tauchte ihn fünf- bis ſechsmal
tief in den großen Brunnentrog, trotz des Ge-
ſchreies der Mutter. Die Reinigung war gründ-
lich, und ſchmunzelnd meinte Chriſtl: „’s Hanſele
iſt jetzern ſo ſauber, wie a friſch gewaſſerter
Stockfiſch.“

Dieſe gewaltſame Reinigung und ganz be-
ſonders der Vergleich ihres Herzenskindes mit
einem Stockfiſch, das war der Bäuerin zu viel
und ſie ſchickte den Chriſtl aus dem Dienſte;
[Spaltenumbruch] allerdings verſchaffte ſie ihm eine andere gute
Stelle.

Der Gatterle-Hans wurde von dieſer Zeit
an in der Schule „g’waſſerter Stockfiſch“ ge-
nannt und dieſer Name blieb ihm bis in die
ſpäteſten Jahre.

Er war ſonſt ein ſchmucker Burſche mit
blonden Haaren und blauen Augen, die faſt
mädchenhaft ſchüchtern in die Welt ſchauten. Und
als um Kinn und Wange gar ein feiner, blonder
Flaum zu wachſen begann, da guckte ihn gar
manches nette Dirndl ermunternd an. Wagte er
ſich einmal auf den Tanzboden, ſo hatte er aber
nie den Muth, eines der Dirndln aufzufordern.

Die Kramer Lieſel hatte den Hans einmal
am Arme gefaßt und ihn faſt gewaltſam zum
Tanz gezwungen. Hans hatte natürliche Anlage
hiezu. Die Muſik, das fröhliche Dirndl an der Seite
und die luſtigen Jauchzer brachten ihn in die beſte
Stimmung.

Als der Schuhplattler aus war und er mit
ſeiner Partnerin in die Gaſtſtube zurückſchritt,
ſpöttelte der „Rofner-Sepp“: „Lieſei, haſt Dir
amal a Portion Stockfiſch vergunnt?“ Hans
wurde erſt feuerroth im Geſicht, und als er die
ſpöttiſchen Blicke ringsum auf ſich gerichtet ſah,
ſtieg ihm der „Hahn zu Kopfe,“ wie man in
Tirol ſagt. Hurtig zog er ſeine Joppe ab und
warf ſie in eine Ecke. Der Rofner-Sepp des-
gleichen. Die Anweſenden bildeten einen weiten
Kreis im Tanzſaale, denn es war ſelbſtverſtänd-
lich, daß nach einer ſolchen Beleidigung nur ein
„hurtiges Schmeißen“ folgen konnte. Der ſonſt


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[[1]/0001] Das „Mähriſche Tagblatt“ erſcheint mit Ausnahme der Sonn- und Feiertage täglich. Ausgabe 2 Uhr Nachmittag im Adminiſtrationslocale Niederring Nr. 41 neu. Abonnement für Olmütz: Ganzjährig fl. 10.— Halbjährig „ 5.— Vierteljährig „ 2.50 Monatlich „ —·90 Zuſtellung ins Haus monat- lich 10 kr, Auswärts durch die Poſt: Ganzjährig fl. 14.— Halbjährig „ 7.— Vierteljährig „ 3.50 Einzelne Nummern 5 kr. Telephon Nr. 9. Mähriſches Tagblatt. Inſertionsgebühren nach aufliegendem Tarif. Außerhalb Olmütz überneh- men Inſertions-Aufträge Heinrich Schalek, Annon- cen-Exped. in Wien, I. Woll- zeile Nr. 11, Haasenstein & Vogler, in Wien, Buda- peſt, Berlin, Frankfurt a. M. Hamburg, Baſel und Leipzig. M. Dukes Nachf. Max Augen- feld & Emerich Leſſner. Wien I., Wollzeile 6—8. Rud. Mosse. Wien München u. Berlin. Alois Opellik, in Wien, G. L. Daube und Co. Frankfurt a. M. Karolyn Liebmann’s Annoncenbureau in Bamburg, ſowie ſämmtl. conc. Inſertionsbureausdes In- u. Auslandes Manuſcripte werden nicht zurückgeſtellt. Telephon Nr. 9. Nr. 134 Olmütz, Montag, den 14. Juni 1897. 18. Jahrgang. Ein Beſchwichtigungsverſuch. Olmütz, 14. Juni. Ein officiöſes Reſidenzblatt veröffentlichte Freitag einen Mahnruf zur Verſöhnlichkeit, der ſcheinbar an Deutſche und Tſchechen zugleich ge- richtet war, thatſächlich aber die Erſteren zur Umkehr aufforderte, gerade als ob dieſe an den heutigen unerquicklichen Zuſtänden die Schuld trügen. Das officiöſe Blatt treibt da eine Vogel- ſtraußpolitik, weche natürlich die beabſichtigte Wirkung verfehlen muß, weil ſie nicht mit den gegebenen Thatſachen, ſondern mit Fictionen rechnet, deren Haltloſigkeit auf den erſten Blick zu erkennen iſt. Die deutſchen Abgeordneten, meint das Blatt, hätten wiederholt erklärt, daß ſie zu einer Verſtändigung bereit ſind und, ſo folgert es weiter, es wäre nunmehr ihre Aufgabe, dem Verſtändigungsgedanken in der Wählerſchaft Raum zu verſchaffen. Das iſt nur die halbe Wahrheit; die deutſchen Abgeordneten haben zugleich, was das officiöſe Blatt verſchweigt, die Bedingung geſtellt, die Sprachenverordnungen müßten zuvor zurückgenommen werden, und bisher iſt nicht das geringſte Anzeichen dafür vorhanden, daß die Regierung gewillt ſei, dieſe Forderung zu er- füllen. So lange aber Graf Badeni an ſeinen Verordnungen feſthält, bleiben die Wege zu einer friedlichen Auseinanderſetzung verſchüttet, darüber möge man ſich in Wien nicht der allergeringſten Täuſchung hingeben und dagegen werden ſich alle officiöſen Beſchwichtigungsverſuche als vollſtändig fruchtlos erweiſen. Was thun die deutſchen Abgeordneten und was muthet man ihnen officiöſerſeits zu? Sie treten pflichtgemäß vor die Wähler, erläutern ihnen die im Abgeordnetenhauſe eingeſchlagene Politik des äußerſten Widerſtandes und verge- wiſſern ſich in Uebereinſtimmung mit ihren Auf- traggebern zu befinden. Das iſt ihre Pflicht, das müſſen ſie thun, anders können ſie nicht handeln, wenn ſie ihrer Aufgabe als Vertreter des Volkes und als kräftige Anwälte ſeiner Wünſche und Forderungen gerecht werden ſollen. Dazu kommt ein Zweites; die deutſchen Abgeordneten machen die Wählerſchaft auf die Nothwendigkeit auf- merkſam, auch fortan im äußerſten Widerſtande zu verharren, bis die Abhilfe wider die wohl- begründeten Beſchwerden der Deutſchen gefunden ſein wird. Das gebietet die Klugheit und die einfachſte politiſche Taktik, das Gegentheil wäre der ſchlimmſte Fehler; man legt die Rüſtung nicht ab, ſo lange der Kampf nicht beendigt oder ſo lange nicht die ſichere Ausſicht vorhanden iſt, daß er durch einen ehrenvollen Frieden beigelegt werden wird. Eine ſolche Ausſicht beſteht aber nicht, denn vorläufig verhalten ſich die Tſchechen ſchroff ablehnend und was die Regierung betrifft, ſo bietet ihr Verhalten nicht den geringſten An- haltspunkt, um beurtheilen zu können, ob und inwieweit ſie bereit ſei, den Deutſchen entgegen- zukommen. Wir glauben es dem officiöſen Blatte gerne, daß es ihm angenehm wäre, wenn die ent- ſchloſſene Stimmung, die heute die Deutſchen Oeſterreichs erfüllt, erſchlaffen und wenn der Volksſtamm, der ſich ſo unvergängliche Verdienſte um den Staat erworben und dafür einen recht zweifelhaften Lohn erhalten hat, in die frühere falſche Gemüthlichkeit zurückfallen würde. Aber wenn das Wiener Regierungsorgan auf das Letztere rechnet, dann rechnet es eben ſehr falſch: die deutſchen Wähler wiſſen zu genau, was auf dem Spiele ſteht, als daß ſie ſich aus dem ſtarken moraliſchen Bollwerk, welches ſie ſich geſchaffen haben, hinausdiplomatiſiren ließen. Nach den trüben Erfahrungen, die ihnen zutheil ge- worden ſind, müſſen ſie in der kraftvollen Ent- ſchloſſenheit, die ſie für ihre nationale Stellung kämpfen und im Kampfe ausharren läßt, das einzige Rettungsmittel für die Gegenwart und für die Zukunft erblicken. Schwäche wäre ihr Verderben, Nachgiebigkeit in dieſer Stunde wäre der Anfang einer Reihe von Demüthigungen, deren Ende nicht abzuſehen iſt. Wenn in Brünn ſcharfe Worte gefallen ſind, worüber das officiöſe Blatt ſich ſehr gekränkt zeigt, ſo entſpricht dies durch- aus der Sachlage; dieſe Worte ſind der Aus- druck der herrſchenden Stimmung, und dieſe Stimmung iſt aus den vorliegenden Thatſachen entſtanden, ſie wurde weder durch die Abgeord- neten in die Wählerſchaft getragen, noch von dieſer den Abgeordneten eingeflößt. Das Regierungsorgan warnt die gemäßigten Deutſchen vor dem Radicalismus. Es thäte beſſer, ſeine Warnung an die Adreſſe der Regierung zu richten. 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Alle Felder und Wieſen waren dicht eingezäumt, denn unten aus dem Dorfe wurden im Sommer hindurch die Schafe und Ziegen in den Wald auf die Weide getrieben. Die Geißbuben aber legten lieber den Eichhörn- chen Schlingen oder nahmen Vogelneſter aus, oder ſie ſchwangen ſich vom ſchlanken Gipfel einer Fichte auf eine andere, ein recht waghalſiges, aber eben darum bei den Bergjungen ſehr be- liebtes Spiel. Die Schafe und Ziegen ſchlüpfen oft, ohne Aufſicht, von der mageren Weide gerne auf die Wieſen und Felder des genannten Hofes. Daher wurden dieſe ſo ſorgfältig verwahrt und alle Wege und Zugänge mit einem ſelbſtſchließenden Gitter verſehen. So entſtand der Name „Gatterle- Bauer.“ Auf dem Hofe lebte eine Witwe mit ihrem einzigen Sohne, dem einſtigen Erben des nicht unanſehnlichen Anweſens. Die Bäuerin war, ſo wie man zu ſagen pflegt, ein gutes, braves Hausmutterle, und auf ihrem Hofe gab es eigentlich keine Knechte und Mägde, denn Alle lebten im Hauſe zuſammen, wie eine große Familie. 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Hans hatte natürliche Anlage hiezu. Die Muſik, das fröhliche Dirndl an der Seite und die luſtigen Jauchzer brachten ihn in die beſte Stimmung. Als der Schuhplattler aus war und er mit ſeiner Partnerin in die Gaſtſtube zurückſchritt, ſpöttelte der „Rofner-Sepp“: „Lieſei, haſt Dir amal a Portion Stockfiſch vergunnt?“ Hans wurde erſt feuerroth im Geſicht, und als er die ſpöttiſchen Blicke ringsum auf ſich gerichtet ſah, ſtieg ihm der „Hahn zu Kopfe,“ wie man in Tirol ſagt. Hurtig zog er ſeine Joppe ab und warf ſie in eine Ecke. Der Rofner-Sepp des- gleichen. Die Anweſenden bildeten einen weiten Kreis im Tanzſaale, denn es war ſelbſtverſtänd- lich, daß nach einer ſolchen Beleidigung nur ein „hurtiges Schmeißen“ folgen konnte. Der ſonſt

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grepect GmbH: Bereitstellung der Texttranskription und Textauszeichnung. (2018-01-26T15:49:55Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Amelie Meister: Vorbereitung der Texttranskription und Textauszeichnung. (2018-01-26T15:49:55Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Mährisches Tagblatt. Nr. 134, Olmütz, 14.06.1897, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_maehrisches134_1897/1>, abgerufen am 29.03.2024.