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Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Nr. 116, Czernowitz, 18.05.1904.

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Czernowitzer Allgemeine Zeitung. 18. Mai 1904

[Spaltenumbruch] 61 Kinder (37 männlich und 24 weiblich). c) Nach dem
Ritus: röm.-kath. 34, gr.-kath. 18, gr.-or. 37, arm.-kath. 0,
evangalisch 7, mosaisch 34, konfessionslos 0. d) Nach dem
Alter: von der Geburt bis zum vierzehnten Lebensjahre
(Kindesalter) 61, vom vierzehnten bis zum zwanzigsten
Lebensjahre (Jugendalter) 4, vom zwanzigsten bis zum
sechzigsten Lebensjahre (Mannesalter) 41, vom sechzigsten
bis zum neunzigsten Lebensjahre (Greisenalter) 24. Tot-
geboren sind in diesem Monate 13 (7 Knaben und
6 Mädchen).

Selbstmordversuch.

Die Schauspielerin Dominika
M., die in der letzten Saison am hiesigen Stadttheater enga-
giert war, hat heute nachmittags einen Selbstmordversuch
unternommen, indem sie eine beträchtliche Dosis Kokainlösung
einnahm. Sie begab sich von ihrer Wohnung, Hauptstraße 26
gegen die Rathausstraße, wo sie (um halb 7 Uhr vorabends),
zusammenbrach. Die Polizei wurde rasch verständigt und die
Bedauernswerte, an deren Aufkommen gezweifelt wird, wurde
in die Landeskrankenanstalt überführt. Zu dem Verzweiflungs-
schritte entschloß sich Fräulein M. aus Not.

Geschäftsnachricht.

Die Firma Schmiedt und
Fontin, hier, hat die Parfümeriehandlung des Herrn Eduard
Schwarz käuflich erworben. Das Geschäft wird vorläufig
als Parfümerie weiter geführt und später eine der bestehenden
Filialen dorthin verlegt werden.

Ein verdufteter "Bräutigam".

Der Bäckergehilfe
Kalman Krattenstein entlieh gestern bei seinem Arbeit-
geber einen schwarzen Anzug, Hut und Schuhe unter dem
Vorgeben, er wolle "auf Brautschau gehen" und sich bei dieser
Gelegenheit in einem Feiertagsstaat zeigen. Als aber der
Verlobungskandidat bis zum nächsten Tage auf sich vergebens
warten ließ, stellte der Anzeiger Nachforschungen an und er-
fuhr hiebei, daß der angebliche Bräutigam unterdessen die
Stadt verlassen und sich nach Stanislau gewendet habe. Ueber
Anzeige des Beschädigten wurde die Sicherheitsbehörde in
Stanislau behufs Eruierung dieses Individuums requiriert,
welches sich h, o. auch anderer Betrügereien schuldig gemacht
haben soll.

Ein Gaunerstückchen.

Der heutige Polizei-
rapport
enthält folgende Richtigstellung: Zu
der gestern unter der Spitzmarke "Ein Gaunerstückchen"
gebrachten Meldung von einer angeblich betrügerischen Her-
auslockung von Reiseeffekten seitens eines gewissen Weideu-
feld
ist nachzutragen, daß der Anzeiger, wie sich später
herausstellte, einem bedauerlichen Irrtume zum Opfer ge-
fallen ist. -- Der angebliche Betrüger ist nämlich ein hiesiger
achtbarer Kaufmann, welchem die Weile bis zur Rückkehr
des Anzeigers an der Haltestelle der elektrischen Straßen-
bahn zu lange währte, weshalb er sich entschloß, das ihm
anvertraute Handgepäck dem diensthabenden Bahnportier zur
Aufbewahrung zu übergeben und die Fahrt in die Stadt
selbst zu unternehmen. Der Anzeiger, welcher ohne zuvor den
Bahnportier befragt zu haben, sich an die Polizei gewendet
hatte, wurde dann auf diese Unterlassung aufmerksam ge-
macht, und erhielt auf seine Nachfrage richtig vom Bahn-
portier sein Handgepäck rückgestellt.

Diebstähle.

Petro Werbicki aus Brouskoutz, welcher
laut Anzeige seines gewesenen Dienstgebers, eines Bahnwächters
in Czahor, diesem gelegentlich der Entweichung aus dem
Dienste Kleidungsstücke und Geflügel entwendet hat, wurde
gestern h. o. eruiert und in Haft genommen. -- Gestern
agnoßierten die Eheleute Ili und Maria Maniga aus
Czahor bei einem hiesigen Trödler ein gesticktes Bauernhemd
als von dem bei ihnen im März d. J. verübten Einbruchs-
diebstahle herrührend. Die eingeleiteten polizeilichen Erhebungen
ergaben, daß das beanständete Wäschestück von dem in Mana-
steriska wohnhaften Ehepaar Kuczniruk zum Verkaufe gebracht
wurde. Der Polizei vorgeführt, gestanden die Letzteren, die
seinerzeit entwendeten Kleidungsstücke von einem gewissen Iwon
Hnatiuk erworben zu haben. Kuszniruk wurde in Haft ge-
nommen, die Ausforschung des Hnatiuk wurde veranlaßt.


[Spaltenumbruch]
Czernowitzer Orpheum.

Das Orpheum hat neue
Zugkräfte erhalten, welche sich gestern abends dem Publikum
vorstellten. Unter ihnen gefiel besonders der Parodist Woller,
mit seiner Verwandlungsfähigkeit, die wahre Lachsalven her-
vorrief. Die komische Wirkung, welche der Soloscherz "Auf
der Gallerie des Burgtheaters" hervorrief, kann kaum überboten
werden. Die neue Tänzerin Jajotte, ein pikantes, graziöses
Persönchen, stattete einen Cake-Walke mit sehr viel Cherme
aus, Frau Linee debutierte mit sehr viel Erfolg als Tyro-
lienne, ihnen reihten sich die bewährten Kräfte des En-
sembles würdig an. Die Vorstellung war sehr animiert, das
Publikum in beifallslustiger Stimmung.

Funde und Verluste.

Bei der Polizei wurde eine
Börse mit Kleingeld als Fund deponiert. -- Josefine Jag-
nicka,
Roschersteg 45, brachte bei der Polizei den Verlust
ihres Dienstbotenbuches zur Anzeige.

Polizeiliches.

Verhaftet wurden 6 Individuen und
zwar: wegen Diebstahls 3, wegen Schubrückkehr 2, wegen
Trunkenheit 2.

In Chierers Pilsner Gartenrestaurant

konzertiert täglich
eine ausgezeichnete Zigeunerkapelle, die sich schon in den größten
Städten mit Erfolg hören ließ, bei freiem Entree. An Sonn- und
Feiertagen 20 Heller Entree.

Militärmusik

ist und bleibt doch das Beste. Gratis kann
man sie täglich im Bierpalast Blumengasse haben. An Sonn- und
Feiertagen 20 Heller Entree.




Korrespondenzen.


Radautz

(Aus dem Gemeinderate. -- Das
Kartell der Assekurranzen. -- Die Be-
leuchtungsfrage. -- Dilettantenabend. -- Ge-
nossenschaftskasse
VI.) Sitzung vom 4. Mai 1904.
Der Vorsitzende Dr. Brunstein bringt eine Zuschrift des
Stadtmagistrates Czernowitz bezüglich der Schaffung einer
Landeskommission zur Hebung des Fremdenverkehrs zur
Verlesung. Gemeinderat Nathan Harth hebt die Wichtigkeit
dieser Aktion hervor und beantragt, den Gemeinderat Schul-
rat Ustianowicz zum Delegierten zur Enquete in Czer-
nowitz zu wählen, was auch mit Stimmenvollzähligkeit ge-
schieht. Gemeinderat Menschel erhält sodann das Wort
und führt folgendes aus: In letzter Zeit hat die Krakauer
Versicherungsgesellschaft sämtlichen hierortigen Geschäftsleuten,
die bis nunzu bei ihr ihre Warenlager versichert hatten,
gekündigt, während die anderen fünf in der Bukowina
operierenden Feuerversicherungsgesellschaften, welche bekanntlich
seit drei Jahren kartelliert sind und gegenüber früher die
Prämiensätze um mehr als das doppelte gesteigert haben,
nur zu diesen einfach unerschwinglichen Sätzen derartige Ver-
sicherungen entgegennehmen, was aber ebenfalls einer Ab-
lehnung gleichkommt. Hingegen ist es eine bekannte Tat-
sache, daß sowohl diese als auch zahlreiche andere Gesell-
schaften sich auf den Zweig der Lebensversicherung geworfen
haben, durch ein unermeßliches Heer von Agenten, Inspektoren
etc. Stadt und Land förmlich überfluten und die Agenten
auch wirtschaftlich schwache Existenzen zu verhältnismäßig
hohen Versicherungen veranlassen. Es kann vom volkswirt-
schaftlichen Standpunkte aus nicht zugegeben werden, daß
jene Zweige der Versicherung wie gegen Brandschaden, welche
mit mehr Risiko verbunden sind, in bequemer Weise, jedoch
zum Schaden der Allgemeinheit ausgeschaltet werden. Die
Katastrophe, welche durch eine derartige Geschäftsgebarung,
durch Kartell gesteigerte Prämiensätze, sowie durch Ablehnung
von Versicherungen über eine Stadt und ihre Bevölkerung
hereinbrechen kann, ist für jedermann erkennbar. Es sei also
-- meinte GR. Menschel -- notwendig, die Aufmerksamkeit
der maßgebenden Faktoren auf diese gewiß wichtige Frage
zu lenken und müsse er noch in Erinnerung rufen, daß, als
vor einigen Jahren tatsächlich der Frage der Verländerung
oder Verstaatlichung des Versicherungswesens von maßgebender
Seite näher getreten wurde, die Privatgesellschaften eine un-
geheuere Agitation zur Hintertreibung dieser Maßregel in-
[Spaltenumbruch] ßenierten, indem über ihre Veranlassung die Versicherungs-
nehmer selbst sich in zahlreichen Kundgebungen gegen die
geplante Maßregel wendeten. Kaum wußten sich aber die
Gesellschaften von der ihnen drohenden Gefahr sicher, so
schritten sie sofort systematisch zur Kartellierung, maßlosen
Prämiensteigerung und Ablehnung der mit größerem Risiko
verbundenen Versicherungen. Schließlich bringt Redner eine
Resolution ein, die der Vorsitzende im Wege der Handels-
kammer zur Kenntnis der berufenen öffentlichen Faktoren
bringen soll, damit die Frage der Verländerung resp. Ver-
staatlichung des Versicherungswesens, welches aber alle Zweige,
sowohl die einträglichen als auch minderlukrativen umfassen
soll, ernstlich ins Auge gefaßt werde. Nach einer längeren
Debatte, an der sich die Gemeinderäte Nathan Harth,
Dr. Bierer, Miskolczy
und Ustyanowitz beteiligen,
wird diese Angelegenheit zu genauem Studium und Bericht-
erstattung spätestens in der zweitnächsten Sitzung der Rechts-
sektion zugewiesen. Endlich kommt man zur eigentlichen
Tagesordnung, zur Beleuchtungsfrage: Namens der
Beleuchtungskommission liefert Schulrat Ustyanowicz
ein ausgezeichnetes Referat, das Resultat eines langen und
mühevollen Studiums, und stellt die folgenden Schlußanträge:
1. Die Gemeindevertretung beschließt, der Frage der Ein-
führung des elektrischen Lichtes nur dann näher zu treten,
sobald Privatpersonen sich zur Einführung von 2500 Flammen
zum Preise von 3 Heller per Stunde rechtsverbindlich ver-
pflichten. 2. Behufs Vornahme der Vorarbeiten sowie der
Einteilung der erwähnten Aktion wird dem Bürgermeister
ein engeres Komitee unter Zuziehung des Gymnasialprofessors
Serfas beigegeben und ein Kredit von 200 Kronen be-
willigt. GR. Miskolczy erblickt in diesen Anträgen eine
Ablehnung des gesamten Projektes. Er beantragt, dem
Schulrat Ustyanowicz für seine mühevolle Arbeit den Dank
auszusprechen und die Offerte der Firma Schuckert-
Werke
in Wien ad acta zu legen. Dieser Antrag wird
einstimmig angenommen und die Sitzung geschlossen. --
Der unter dem Protektorate Sr. Erzbischöflichen Gnaden
Exzellenz Dr. Josef Bilczewski stehende Katholische
Männer-
und Jünglings-Leseverein veranstaltet
zugunsten seines Vereinshausbaues im Schützensaale am
Pfingstsonntag den 22. d. M. einen Dilettantenabend mit
darauffolgendem Tanzkränzchen. Kartenvorverkauf bei K. E.
Neunteufel. -- Gegenüber den in einem Czernowitzer Blatte
enthalten gewesenen Angriffen auf den Kommissär der
Genossenschaftskrankenkasse der Gruppe VI (Gehilfen und
Lehrlinge) drückte in der am 15. d. M. hier stattgefundenen
Versammlung derselben der Vorsitzende Herr Josef Kaßvan
sein Bedauern darüber aus, daß Regierungskommissär
Vyslouzil für die Mißwirtschaft in der Krankenkasse
verantwortlich gemacht wurde. Dieser habe sich vielmehr
alle erdenkliche Mühe gegeben, dem Gebaren der Kasse
nahezutreten, und als er auf Grund eingehenden und mühe-
vollen Studiums zur Ueberzeugung gelangt sei, daß die
Verhältnisse unhaltbar seien, sei die politische Behörde zur
Auflösung der genossenschaftlichen Gehilfen- und Lehrlings-
krankenkasse und zur Zuweisung der Mitglieder an die Be-
zirkskrankenkasse geschritten, noch bevor diese Maßregel öffent-
lich empfohlen wurde. Er schildert ferner die bedeutenden
Mängel in der Verwaltung der Kasse, weist nach, daß die
Existenz derselben unmöglich war und verliest hierauf die
herabgelangte Verständigung von der Auflösung. Die Ver-
sammlung erklärt sich mit dieser Verfügung nicht einver-
standen, beschließt vielmehr, sich mit den anderen Genossen-
schaften ins Einvernehmen zu setzen und den Rekurs gegen
die angeordnete Auflösung an die Landesregierung zu über-
reichen. Bei erschöpfter Tagesordnung wird die Versammlung
geschlossen. jd.

Bojau

(Beim Böllerschießenverletzt). Gestern
beim kath. Kirchweihfeste wurde Nikolaus Guschul, Kamin-
feger in Bojan und ein gewisser Janku Gusa durch Pöller-
schüsse verletzt. Ersterem flog ein Splitter gegen die Augen,
sodaß Gefahr vorhanden ist, daß derselbe vollständig erblindet.






[Spaltenumbruch]
"Die Compagnons."

(Nachdruck verboten.)

(27. Fortsetzung.)

6. Kapitel.

"Entschuldigen Sie mich," sagte der Kaufmann rasch,
"ich kann den Anblick nicht ertragen. Wenn Sie einen Zeugen
wünschen, wird Herr Schmidt Sie begleiten."

Der Richter näherte sich langsam der Tür, aber ehe er
hinausging, trat er noch einmal rasch auf den Kaufmann zu.

"Der Verdacht, welcher auf diesen jungen Mann ruht,
hat bereits mehrere Haltepunkte gefunden", flüsterte er, "aber
mir fehlen noch die Beweise, welche mir erlauben, ihn zu
verhaften. Schicken Sie zur Polizei und lassen Sie dem
Präsidenten sagen, ich bitte ihn, unverzüglich zwei Beamte
hierher zu beordern. Vielleicht habe ich, bis sie angelangt
sind, jene Beweise gefunden."

Bestürzt trat Hartwig zurück.

"Ich bitte Sie, übereilen Sie nichts," erwiderte er leise,
"bedenken Sie den Eklat --"

"Ueberlassen Sie das mir, ich werde erst dann zur
Verhastung schreiten, wenn triftige Gründe mich dazu nötigen."

Ohne eine Erwiderung abzuwarten, verließ der Richter
das Zimmer, Ernst und der Kassier folgten ihm.

"Ich weiß in der Tat nicht, was ich davon halten soll,"
wandte der junge Mann sich an den Kassier, und er sprach
absichtlich so laut, daß der Richter jedes Wort vernehmen
mußte; "die Aenlichkeit der Handschrift habe ich entdeckt,
aber selbst wenn sie festgestellt wird, -- ist das ein Beweis,
daß ich die Billets geschrieben haben muß?"

Der Kassier zuckte die Achseln.


[Spaltenumbruch]

"Und was könnte mich bewogen haben, sie zu schreiben?"
fuhr Ernst fort. "Ich finde durchaus keinen Grund dafür" --

Herr Schäfer war Ihr Nebenbuhler!" warf der Kassier
ein. "Sie wußten, daß die Hand Ihrer Verlobten ihm von
dem Vater der jungen Dame bestimmt war."--

"Wer kann das behaupten?" fuhr Ernst auf.

"Herr Hartwig sagte es Ihnen gestern Morgen."

Der Richter öffnete die Tür des Gemachs, in welchem die
Leiche des Ermordeten lag.

Er trat rasch ein; vor der schwarz behangenen Bahre
angekommen, wandte er sich um und seine kleinen forschen-
den Augen hefteten sich durchdringend auf das bleiche Antlitz
des Jünglings, dem eine innere Stimme sagte, daß er in
diesem Augenblick eine verhängnisvolle Probe zu bestehen habe.

Der Schein der brennenden Kerzen fiel auf das starre
Antlitz des Toten, -- die Züge des Buchhalters blieben ruhig
und unbewegt.

Sie haben diesen Herren schon früher gekannt?" fragte
der Richter, der, wie es schien, sich in seinen Erwartungen
getäuscht sah.

"Nein," erwiderte Ernst ruhig, "ich trat erst vor einem
Jahre in dieses Geschäft ein."

"Aber Sie wußten, ehe er zurückgekehrt war, daß Herr
Rabe ihm die Hand seiner Tochter bestimmt hatte?"

"Herr Hartwig äußerte dies als eine persönliche Ver-
mutung, auf die ich kein Gewicht legte."

"Auf die Sie kein Gewicht legten? Das widerspricht
Ihrer früheren Behauptung, Sie seien gestern Abend sehr
aufgeregt gewesen."

"Das war ich allerdings."

"Und diese Aufregung hatte doch wohl nur ihren Grund
in der Befürchtung, daß jene Vermutung sich auf Beweise
stützen könne. Ihre Behauptung, daß Sie von halb zwölf
bis zwölf Uhr spazieren gegangen sein wollen, klingt ebenfalls
[Spaltenumbruch] sehr unwahrscheinlich, und die Aehnlichkeit jener Handschrif
mit der Ihrigen bildet ein weiteres Glied in der Beweis-
kette gegen Sie. Angenommeu, ein anderer habe aus irgend
einem mir unbekannten Grunde diesen Herrn ermordet, was
könnte ihn veranlaßt haben, auch Ihnen ein solches Billet
zu schicken? Mußte er nicht befürchten, daß Sie ihn, wenn
Sie der Aufforderung, sofort ins Geschäftslokal zu kommen,
Folge leisteten, bei Ausführung des Verbrechens ertappen
würden? Sie haben geglaubt, durch dieses Billet jeden
Verdacht von sich ablenken zu können. Sie bedachten nicht,
daß gerade durch dasselbe der Verdacht" --

"Mein Herr!" fuhr Ernst, erbittert und bestürzt zugleich
über diese Schlußfolgerung gereizt auf. "Ihre Kombinationen
sind grundfalsch -- kann nicht der Mörder absichtlich mir
das Billet geschickt haben, um" --

Der Eintritt eines Polizeibeamten hinderte den jungen
Mann, den Satz zu beenden.

Der Beamte schien eine wichtige Nachricht zu bringen.
Die Hast und Aufregung, mit der er sich dem Richter
näherten, verrieten das.

"Ich suche Sie schon seit einer Stunde," sagte er,
"soeben teilte mir der Herr Polizeipräsident mit, daß ich
Sie hier finden würde."

"Was bringen Sie?" fragte der Richter hastig. "Haben
Sie eine Entdeckung gemacht, die" --

"Gestern Mittag gleich nach Tisch ist in einer hiesigen
Waffenhandlung ein Revolver gekauft worden, der Käufer
desselben hat seinen Namen angegeben, und nähere Erkun-
digungen haben ergeben, daß der Träger dieses Namens im
Geschäft der Firma Schäfer und Hartwig tätig ist."

"Ah, das ist in der Tat mehr, als ich erwarten konnte,"
sagte der Richter, in dessen Augen eine triumphierende Freude
aufleuchtete; wie heißt der Käufer?"

"Ernst Kaltenborn."

(Fortsetzung folgt.)


Czernowitzer Allgemeine Zeitung. 18. Mai 1904

[Spaltenumbruch] 61 Kinder (37 männlich und 24 weiblich). c) Nach dem
Ritus: röm.-kath. 34, gr.-kath. 18, gr.-or. 37, arm.-kath. 0,
evangaliſch 7, moſaiſch 34, konfeſſionslos 0. d) Nach dem
Alter: von der Geburt bis zum vierzehnten Lebensjahre
(Kindesalter) 61, vom vierzehnten bis zum zwanzigſten
Lebensjahre (Jugendalter) 4, vom zwanzigſten bis zum
ſechzigſten Lebensjahre (Mannesalter) 41, vom ſechzigſten
bis zum neunzigſten Lebensjahre (Greiſenalter) 24. Tot-
geboren ſind in dieſem Monate 13 (7 Knaben und
6 Mädchen).

Selbſtmordverſuch.

Die Schauſpielerin Dominika
M., die in der letzten Saiſon am hieſigen Stadttheater enga-
giert war, hat heute nachmittags einen Selbſtmordverſuch
unternommen, indem ſie eine beträchtliche Doſis Kokainlöſung
einnahm. Sie begab ſich von ihrer Wohnung, Hauptſtraße 26
gegen die Rathausſtraße, wo ſie (um halb 7 Uhr vorabends),
zuſammenbrach. Die Polizei wurde raſch verſtändigt und die
Bedauernswerte, an deren Aufkommen gezweifelt wird, wurde
in die Landeskrankenanſtalt überführt. Zu dem Verzweiflungs-
ſchritte entſchloß ſich Fräulein M. aus Not.

Geſchäftsnachricht.

Die Firma Schmiedt und
Fontin, hier, hat die Parfümeriehandlung des Herrn Eduard
Schwarz käuflich erworben. Das Geſchäft wird vorläufig
als Parfümerie weiter geführt und ſpäter eine der beſtehenden
Filialen dorthin verlegt werden.

Ein verdufteter „Bräutigam“.

Der Bäckergehilfe
Kalman Krattenſtein entlieh geſtern bei ſeinem Arbeit-
geber einen ſchwarzen Anzug, Hut und Schuhe unter dem
Vorgeben, er wolle „auf Brautſchau gehen“ und ſich bei dieſer
Gelegenheit in einem Feiertagsſtaat zeigen. Als aber der
Verlobungskandidat bis zum nächſten Tage auf ſich vergebens
warten ließ, ſtellte der Anzeiger Nachforſchungen an und er-
fuhr hiebei, daß der angebliche Bräutigam unterdeſſen die
Stadt verlaſſen und ſich nach Stanislau gewendet habe. Ueber
Anzeige des Beſchädigten wurde die Sicherheitsbehörde in
Stanislau behufs Eruierung dieſes Individuums requiriert,
welches ſich h, o. auch anderer Betrügereien ſchuldig gemacht
haben ſoll.

Ein Gaunerſtückchen.

Der heutige Polizei-
rapport
enthält folgende Richtigſtellung: Zu
der geſtern unter der Spitzmarke „Ein Gaunerſtückchen“
gebrachten Meldung von einer angeblich betrügeriſchen Her-
auslockung von Reiſeeffekten ſeitens eines gewiſſen Weideu-
feld
iſt nachzutragen, daß der Anzeiger, wie ſich ſpäter
herausſtellte, einem bedauerlichen Irrtume zum Opfer ge-
fallen iſt. — Der angebliche Betrüger iſt nämlich ein hieſiger
achtbarer Kaufmann, welchem die Weile bis zur Rückkehr
des Anzeigers an der Halteſtelle der elektriſchen Straßen-
bahn zu lange währte, weshalb er ſich entſchloß, das ihm
anvertraute Handgepäck dem dienſthabenden Bahnportier zur
Aufbewahrung zu übergeben und die Fahrt in die Stadt
ſelbſt zu unternehmen. Der Anzeiger, welcher ohne zuvor den
Bahnportier befragt zu haben, ſich an die Polizei gewendet
hatte, wurde dann auf dieſe Unterlaſſung aufmerkſam ge-
macht, und erhielt auf ſeine Nachfrage richtig vom Bahn-
portier ſein Handgepäck rückgeſtellt.

Diebſtähle.

Petro Werbicki aus Brouskoutz, welcher
laut Anzeige ſeines geweſenen Dienſtgebers, eines Bahnwächters
in Czahor, dieſem gelegentlich der Entweichung aus dem
Dienſte Kleidungsſtücke und Geflügel entwendet hat, wurde
geſtern h. o. eruiert und in Haft genommen. — Geſtern
agnoſzierten die Eheleute Ili und Maria Maniga aus
Czahor bei einem hieſigen Trödler ein geſticktes Bauernhemd
als von dem bei ihnen im März d. J. verübten Einbruchs-
diebſtahle herrührend. Die eingeleiteten polizeilichen Erhebungen
ergaben, daß das beanſtändete Wäſcheſtück von dem in Mana-
ſteriska wohnhaften Ehepaar Kuczniruk zum Verkaufe gebracht
wurde. Der Polizei vorgeführt, geſtanden die Letzteren, die
ſeinerzeit entwendeten Kleidungsſtücke von einem gewiſſen Iwon
Hnatiuk erworben zu haben. Kuszniruk wurde in Haft ge-
nommen, die Ausforſchung des Hnatiuk wurde veranlaßt.


[Spaltenumbruch]
Czernowitzer Orpheum.

Das Orpheum hat neue
Zugkräfte erhalten, welche ſich geſtern abends dem Publikum
vorſtellten. Unter ihnen gefiel beſonders der Parodiſt Woller,
mit ſeiner Verwandlungsfähigkeit, die wahre Lachſalven her-
vorrief. Die komiſche Wirkung, welche der Soloſcherz „Auf
der Gallerie des Burgtheaters“ hervorrief, kann kaum überboten
werden. Die neue Tänzerin Jajotte, ein pikantes, graziöſes
Perſönchen, ſtattete einen Cake-Walke mit ſehr viel Cherme
aus, Frau Linee debutierte mit ſehr viel Erfolg als Tyro-
lienne, ihnen reihten ſich die bewährten Kräfte des En-
ſembles würdig an. Die Vorſtellung war ſehr animiert, das
Publikum in beifallsluſtiger Stimmung.

Funde und Verluſte.

Bei der Polizei wurde eine
Börſe mit Kleingeld als Fund deponiert. — Joſefine Jag-
nicka,
Roſcherſteg 45, brachte bei der Polizei den Verluſt
ihres Dienſtbotenbuches zur Anzeige.

Polizeiliches.

Verhaftet wurden 6 Individuen und
zwar: wegen Diebſtahls 3, wegen Schubrückkehr 2, wegen
Trunkenheit 2.

In Chierers Pilsner Gartenreſtaurant

konzertiert täglich
eine ausgezeichnete Zigeunerkapelle, die ſich ſchon in den größten
Städten mit Erfolg hören ließ, bei freiem Entree. An Sonn- und
Feiertagen 20 Heller Entree.

Militärmuſik

iſt und bleibt doch das Beſte. Gratis kann
man ſie täglich im Bierpalaſt Blumengaſſe haben. An Sonn- und
Feiertagen 20 Heller Entree.




Korreſpondenzen.


Radautz

(Aus dem Gemeinderate. — Das
Kartell der Aſſekurranzen. — Die Be-
leuchtungsfrage. — Dilettantenabend. — Ge-
noſſenſchaftskaſſe
VI.) Sitzung vom 4. Mai 1904.
Der Vorſitzende Dr. Brunſtein bringt eine Zuſchrift des
Stadtmagiſtrates Czernowitz bezüglich der Schaffung einer
Landeskommiſſion zur Hebung des Fremdenverkehrs zur
Verleſung. Gemeinderat Nathan Harth hebt die Wichtigkeit
dieſer Aktion hervor und beantragt, den Gemeinderat Schul-
rat Uſtianowicz zum Delegierten zur Enquete in Czer-
nowitz zu wählen, was auch mit Stimmenvollzähligkeit ge-
ſchieht. Gemeinderat Menſchel erhält ſodann das Wort
und führt folgendes aus: In letzter Zeit hat die Krakauer
Verſicherungsgeſellſchaft ſämtlichen hierortigen Geſchäftsleuten,
die bis nunzu bei ihr ihre Warenlager verſichert hatten,
gekündigt, während die anderen fünf in der Bukowina
operierenden Feuerverſicherungsgeſellſchaften, welche bekanntlich
ſeit drei Jahren kartelliert ſind und gegenüber früher die
Prämienſätze um mehr als das doppelte geſteigert haben,
nur zu dieſen einfach unerſchwinglichen Sätzen derartige Ver-
ſicherungen entgegennehmen, was aber ebenfalls einer Ab-
lehnung gleichkommt. Hingegen iſt es eine bekannte Tat-
ſache, daß ſowohl dieſe als auch zahlreiche andere Geſell-
ſchaften ſich auf den Zweig der Lebensverſicherung geworfen
haben, durch ein unermeßliches Heer von Agenten, Inſpektoren
ꝛc. Stadt und Land förmlich überfluten und die Agenten
auch wirtſchaftlich ſchwache Exiſtenzen zu verhältnismäßig
hohen Verſicherungen veranlaſſen. Es kann vom volkswirt-
ſchaftlichen Standpunkte aus nicht zugegeben werden, daß
jene Zweige der Verſicherung wie gegen Brandſchaden, welche
mit mehr Riſiko verbunden ſind, in bequemer Weiſe, jedoch
zum Schaden der Allgemeinheit ausgeſchaltet werden. Die
Kataſtrophe, welche durch eine derartige Geſchäftsgebarung,
durch Kartell geſteigerte Prämienſätze, ſowie durch Ablehnung
von Verſicherungen über eine Stadt und ihre Bevölkerung
hereinbrechen kann, iſt für jedermann erkennbar. Es ſei alſo
— meinte GR. Menſchel — notwendig, die Aufmerkſamkeit
der maßgebenden Faktoren auf dieſe gewiß wichtige Frage
zu lenken und müſſe er noch in Erinnerung rufen, daß, als
vor einigen Jahren tatſächlich der Frage der Verländerung
oder Verſtaatlichung des Verſicherungsweſens von maßgebender
Seite näher getreten wurde, die Privatgeſellſchaften eine un-
geheuere Agitation zur Hintertreibung dieſer Maßregel in-
[Spaltenumbruch] ſzenierten, indem über ihre Veranlaſſung die Verſicherungs-
nehmer ſelbſt ſich in zahlreichen Kundgebungen gegen die
geplante Maßregel wendeten. Kaum wußten ſich aber die
Geſellſchaften von der ihnen drohenden Gefahr ſicher, ſo
ſchritten ſie ſofort ſyſtematiſch zur Kartellierung, maßloſen
Prämienſteigerung und Ablehnung der mit größerem Riſiko
verbundenen Verſicherungen. Schließlich bringt Redner eine
Reſolution ein, die der Vorſitzende im Wege der Handels-
kammer zur Kenntnis der berufenen öffentlichen Faktoren
bringen ſoll, damit die Frage der Verländerung reſp. Ver-
ſtaatlichung des Verſicherungsweſens, welches aber alle Zweige,
ſowohl die einträglichen als auch minderlukrativen umfaſſen
ſoll, ernſtlich ins Auge gefaßt werde. Nach einer längeren
Debatte, an der ſich die Gemeinderäte Nathan Harth,
Dr. Bierer, Miskolczy
und Uſtyanowitz beteiligen,
wird dieſe Angelegenheit zu genauem Studium und Bericht-
erſtattung ſpäteſtens in der zweitnächſten Sitzung der Rechts-
ſektion zugewieſen. Endlich kommt man zur eigentlichen
Tagesordnung, zur Beleuchtungsfrage: Namens der
Beleuchtungskommiſſion liefert Schulrat Uſtyanowicz
ein ausgezeichnetes Referat, das Reſultat eines langen und
mühevollen Studiums, und ſtellt die folgenden Schlußanträge:
1. Die Gemeindevertretung beſchließt, der Frage der Ein-
führung des elektriſchen Lichtes nur dann näher zu treten,
ſobald Privatperſonen ſich zur Einführung von 2500 Flammen
zum Preiſe von 3 Heller per Stunde rechtsverbindlich ver-
pflichten. 2. Behufs Vornahme der Vorarbeiten ſowie der
Einteilung der erwähnten Aktion wird dem Bürgermeiſter
ein engeres Komitee unter Zuziehung des Gymnaſialprofeſſors
Serfas beigegeben und ein Kredit von 200 Kronen be-
willigt. GR. Miskolczy erblickt in dieſen Anträgen eine
Ablehnung des geſamten Projektes. Er beantragt, dem
Schulrat Uſtyanowicz für ſeine mühevolle Arbeit den Dank
auszuſprechen und die Offerte der Firma Schuckert-
Werke
in Wien ad acta zu legen. Dieſer Antrag wird
einſtimmig angenommen und die Sitzung geſchloſſen. —
Der unter dem Protektorate Sr. Erzbiſchöflichen Gnaden
Exzellenz Dr. Joſef Bilczewski ſtehende Katholiſche
Männer-
und Jünglings-Leſeverein veranſtaltet
zugunſten ſeines Vereinshausbaues im Schützenſaale am
Pfingſtſonntag den 22. d. M. einen Dilettantenabend mit
darauffolgendem Tanzkränzchen. Kartenvorverkauf bei K. E.
Neunteufel. — Gegenüber den in einem Czernowitzer Blatte
enthalten geweſenen Angriffen auf den Kommiſſär der
Genoſſenſchaftskrankenkaſſe der Gruppe VI (Gehilfen und
Lehrlinge) drückte in der am 15. d. M. hier ſtattgefundenen
Verſammlung derſelben der Vorſitzende Herr Joſef Kaßvan
ſein Bedauern darüber aus, daß Regierungskommiſſär
Vyslouzil für die Mißwirtſchaft in der Krankenkaſſe
verantwortlich gemacht wurde. Dieſer habe ſich vielmehr
alle erdenkliche Mühe gegeben, dem Gebaren der Kaſſe
nahezutreten, und als er auf Grund eingehenden und mühe-
vollen Studiums zur Ueberzeugung gelangt ſei, daß die
Verhältniſſe unhaltbar ſeien, ſei die politiſche Behörde zur
Auflöſung der genoſſenſchaftlichen Gehilfen- und Lehrlings-
krankenkaſſe und zur Zuweiſung der Mitglieder an die Be-
zirkskrankenkaſſe geſchritten, noch bevor dieſe Maßregel öffent-
lich empfohlen wurde. Er ſchildert ferner die bedeutenden
Mängel in der Verwaltung der Kaſſe, weiſt nach, daß die
Exiſtenz derſelben unmöglich war und verlieſt hierauf die
herabgelangte Verſtändigung von der Auflöſung. Die Ver-
ſammlung erklärt ſich mit dieſer Verfügung nicht einver-
ſtanden, beſchließt vielmehr, ſich mit den anderen Genoſſen-
ſchaften ins Einvernehmen zu ſetzen und den Rekurs gegen
die angeordnete Auflöſung an die Landesregierung zu über-
reichen. Bei erſchöpfter Tagesordnung wird die Verſammlung
geſchloſſen. jd.

Bojau

(Beim Böllerſchießenverletzt). Geſtern
beim kath. Kirchweihfeſte wurde Nikolaus Guſchul, Kamin-
feger in Bojan und ein gewiſſer Janku Guſa durch Pöller-
ſchüſſe verletzt. Erſterem flog ein Splitter gegen die Augen,
ſodaß Gefahr vorhanden iſt, daß derſelbe vollſtändig erblindet.






[Spaltenumbruch]
„Die Compagnons.“

(Nachdruck verboten.)

(27. Fortſetzung.)

6. Kapitel.

„Entſchuldigen Sie mich,“ ſagte der Kaufmann raſch,
„ich kann den Anblick nicht ertragen. Wenn Sie einen Zeugen
wünſchen, wird Herr Schmidt Sie begleiten.“

Der Richter näherte ſich langſam der Tür, aber ehe er
hinausging, trat er noch einmal raſch auf den Kaufmann zu.

„Der Verdacht, welcher auf dieſen jungen Mann ruht,
hat bereits mehrere Haltepunkte gefunden“, flüſterte er, „aber
mir fehlen noch die Beweiſe, welche mir erlauben, ihn zu
verhaften. Schicken Sie zur Polizei und laſſen Sie dem
Präſidenten ſagen, ich bitte ihn, unverzüglich zwei Beamte
hierher zu beordern. Vielleicht habe ich, bis ſie angelangt
ſind, jene Beweiſe gefunden.“

Beſtürzt trat Hartwig zurück.

„Ich bitte Sie, übereilen Sie nichts,“ erwiderte er leiſe,
„bedenken Sie den Eklat —“

„Ueberlaſſen Sie das mir, ich werde erſt dann zur
Verhaſtung ſchreiten, wenn triftige Gründe mich dazu nötigen.“

Ohne eine Erwiderung abzuwarten, verließ der Richter
das Zimmer, Ernſt und der Kaſſier folgten ihm.

„Ich weiß in der Tat nicht, was ich davon halten ſoll,“
wandte der junge Mann ſich an den Kaſſier, und er ſprach
abſichtlich ſo laut, daß der Richter jedes Wort vernehmen
mußte; „die Aenlichkeit der Handſchrift habe ich entdeckt,
aber ſelbſt wenn ſie feſtgeſtellt wird, — iſt das ein Beweis,
daß ich die Billets geſchrieben haben muß?“

Der Kaſſier zuckte die Achſeln.


[Spaltenumbruch]

„Und was könnte mich bewogen haben, ſie zu ſchreiben?“
fuhr Ernſt fort. „Ich finde durchaus keinen Grund dafür“ —

Herr Schäfer war Ihr Nebenbuhler!“ warf der Kaſſier
ein. „Sie wußten, daß die Hand Ihrer Verlobten ihm von
dem Vater der jungen Dame beſtimmt war.“—

„Wer kann das behaupten?“ fuhr Ernſt auf.

„Herr Hartwig ſagte es Ihnen geſtern Morgen.“

Der Richter öffnete die Tür des Gemachs, in welchem die
Leiche des Ermordeten lag.

Er trat raſch ein; vor der ſchwarz behangenen Bahre
angekommen, wandte er ſich um und ſeine kleinen forſchen-
den Augen hefteten ſich durchdringend auf das bleiche Antlitz
des Jünglings, dem eine innere Stimme ſagte, daß er in
dieſem Augenblick eine verhängnisvolle Probe zu beſtehen habe.

Der Schein der brennenden Kerzen fiel auf das ſtarre
Antlitz des Toten, — die Züge des Buchhalters blieben ruhig
und unbewegt.

Sie haben dieſen Herren ſchon früher gekannt?“ fragte
der Richter, der, wie es ſchien, ſich in ſeinen Erwartungen
getäuſcht ſah.

„Nein,“ erwiderte Ernſt ruhig, „ich trat erſt vor einem
Jahre in dieſes Geſchäft ein.“

„Aber Sie wußten, ehe er zurückgekehrt war, daß Herr
Rabe ihm die Hand ſeiner Tochter beſtimmt hatte?“

„Herr Hartwig äußerte dies als eine perſönliche Ver-
mutung, auf die ich kein Gewicht legte.“

„Auf die Sie kein Gewicht legten? Das widerſpricht
Ihrer früheren Behauptung, Sie ſeien geſtern Abend ſehr
aufgeregt geweſen.“

„Das war ich allerdings.“

„Und dieſe Aufregung hatte doch wohl nur ihren Grund
in der Befürchtung, daß jene Vermutung ſich auf Beweiſe
ſtützen könne. Ihre Behauptung, daß Sie von halb zwölf
bis zwölf Uhr ſpazieren gegangen ſein wollen, klingt ebenfalls
[Spaltenumbruch] ſehr unwahrſcheinlich, und die Aehnlichkeit jener Handſchrif
mit der Ihrigen bildet ein weiteres Glied in der Beweis-
kette gegen Sie. Angenommeu, ein anderer habe aus irgend
einem mir unbekannten Grunde dieſen Herrn ermordet, was
könnte ihn veranlaßt haben, auch Ihnen ein ſolches Billet
zu ſchicken? Mußte er nicht befürchten, daß Sie ihn, wenn
Sie der Aufforderung, ſofort ins Geſchäftslokal zu kommen,
Folge leiſteten, bei Ausführung des Verbrechens ertappen
würden? Sie haben geglaubt, durch dieſes Billet jeden
Verdacht von ſich ablenken zu können. Sie bedachten nicht,
daß gerade durch dasſelbe der Verdacht“ —

„Mein Herr!“ fuhr Ernſt, erbittert und beſtürzt zugleich
über dieſe Schlußfolgerung gereizt auf. „Ihre Kombinationen
ſind grundfalſch — kann nicht der Mörder abſichtlich mir
das Billet geſchickt haben, um“ —

Der Eintritt eines Polizeibeamten hinderte den jungen
Mann, den Satz zu beenden.

Der Beamte ſchien eine wichtige Nachricht zu bringen.
Die Haſt und Aufregung, mit der er ſich dem Richter
näherten, verrieten das.

„Ich ſuche Sie ſchon ſeit einer Stunde,“ ſagte er,
„ſoeben teilte mir der Herr Polizeipräſident mit, daß ich
Sie hier finden würde.“

„Was bringen Sie?“ fragte der Richter haſtig. „Haben
Sie eine Entdeckung gemacht, die“ —

„Geſtern Mittag gleich nach Tiſch iſt in einer hieſigen
Waffenhandlung ein Revolver gekauft worden, der Käufer
desſelben hat ſeinen Namen angegeben, und nähere Erkun-
digungen haben ergeben, daß der Träger dieſes Namens im
Geſchäft der Firma Schäfer und Hartwig tätig iſt.“

„Ah, das iſt in der Tat mehr, als ich erwarten konnte,“
ſagte der Richter, in deſſen Augen eine triumphierende Freude
aufleuchtete; wie heißt der Käufer?“

„Ernſt Kaltenborn.“

(Fortſetzung folgt.)


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willigt. GR. <hi rendition="#g">Miskolczy</hi> erblickt in die&#x017F;en Anträgen eine<lb/>
Ablehnung des ge&#x017F;amten Projektes. Er beantragt, dem<lb/>
Schulrat U&#x017F;tyanowicz für &#x017F;eine mühevolle Arbeit den Dank<lb/>
auszu&#x017F;prechen und die Offerte der Firma <hi rendition="#g">Schuckert-<lb/>
Werke</hi> in Wien <hi rendition="#aq">ad acta</hi> zu legen. Die&#x017F;er Antrag wird<lb/>
ein&#x017F;timmig <hi rendition="#g">angenommen</hi> und die Sitzung ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en. &#x2014;<lb/>
Der unter dem Protektorate Sr. Erzbi&#x017F;chöflichen Gnaden<lb/>
Exzellenz Dr. Jo&#x017F;ef Bilczewski &#x017F;tehende <hi rendition="#g">Katholi&#x017F;che<lb/>
Männer-</hi> und <hi rendition="#g">Jünglings-Le&#x017F;everein</hi> veran&#x017F;taltet<lb/>
zugun&#x017F;ten &#x017F;eines Vereinshausbaues im Schützen&#x017F;aale am<lb/>
Pfing&#x017F;t&#x017F;onntag den 22. d. M. einen Dilettantenabend mit<lb/>
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Neunteufel. &#x2014; Gegenüber den in einem Czernowitzer Blatte<lb/>
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Lehrlinge) drückte in der am 15. d. M. hier &#x017F;tattgefundenen<lb/>
Ver&#x017F;ammlung der&#x017F;elben der Vor&#x017F;itzende Herr Jo&#x017F;ef <hi rendition="#g">Kaßvan</hi><lb/>
&#x017F;ein Bedauern darüber aus, daß Regierungskommi&#x017F;&#x017F;är<lb/><hi rendition="#g">Vyslouzil</hi> für die Mißwirt&#x017F;chaft in der Krankenka&#x017F;&#x017F;e<lb/>
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Auflö&#x017F;ung der geno&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftlichen Gehilfen- und Lehrlings-<lb/>
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Mängel in der Verwaltung der Ka&#x017F;&#x017F;e, wei&#x017F;t nach, daß die<lb/>
Exi&#x017F;tenz der&#x017F;elben unmöglich war und verlie&#x017F;t hierauf die<lb/>
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&#x017F;ammlung erklärt &#x017F;ich mit die&#x017F;er Verfügung nicht einver-<lb/>
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&#x017F;chaften ins Einvernehmen zu &#x017F;etzen und den Rekurs gegen<lb/>
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&#x201E;ich kann den Anblick nicht ertragen. Wenn Sie einen Zeugen<lb/>
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Prä&#x017F;identen &#x017F;agen, ich bitte ihn, unverzüglich zwei Beamte<lb/>
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&#x017F;ind, jene Bewei&#x017F;e gefunden.&#x201C;</p><lb/>
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&#x201E;bedenken Sie den Eklat &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
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[4/0004] Czernowitzer Allgemeine Zeitung. 18. Mai 1904 61 Kinder (37 männlich und 24 weiblich). c) Nach dem Ritus: röm.-kath. 34, gr.-kath. 18, gr.-or. 37, arm.-kath. 0, evangaliſch 7, moſaiſch 34, konfeſſionslos 0. d) Nach dem Alter: von der Geburt bis zum vierzehnten Lebensjahre (Kindesalter) 61, vom vierzehnten bis zum zwanzigſten Lebensjahre (Jugendalter) 4, vom zwanzigſten bis zum ſechzigſten Lebensjahre (Mannesalter) 41, vom ſechzigſten bis zum neunzigſten Lebensjahre (Greiſenalter) 24. Tot- geboren ſind in dieſem Monate 13 (7 Knaben und 6 Mädchen). Selbſtmordverſuch. Die Schauſpielerin Dominika M., die in der letzten Saiſon am hieſigen Stadttheater enga- giert war, hat heute nachmittags einen Selbſtmordverſuch unternommen, indem ſie eine beträchtliche Doſis Kokainlöſung einnahm. Sie begab ſich von ihrer Wohnung, Hauptſtraße 26 gegen die Rathausſtraße, wo ſie (um halb 7 Uhr vorabends), zuſammenbrach. Die Polizei wurde raſch verſtändigt und die Bedauernswerte, an deren Aufkommen gezweifelt wird, wurde in die Landeskrankenanſtalt überführt. Zu dem Verzweiflungs- ſchritte entſchloß ſich Fräulein M. aus Not. Geſchäftsnachricht. Die Firma Schmiedt und Fontin, hier, hat die Parfümeriehandlung des Herrn Eduard Schwarz käuflich erworben. Das Geſchäft wird vorläufig als Parfümerie weiter geführt und ſpäter eine der beſtehenden Filialen dorthin verlegt werden. Ein verdufteter „Bräutigam“. Der Bäckergehilfe Kalman Krattenſtein entlieh geſtern bei ſeinem Arbeit- geber einen ſchwarzen Anzug, Hut und Schuhe unter dem Vorgeben, er wolle „auf Brautſchau gehen“ und ſich bei dieſer Gelegenheit in einem Feiertagsſtaat zeigen. Als aber der Verlobungskandidat bis zum nächſten Tage auf ſich vergebens warten ließ, ſtellte der Anzeiger Nachforſchungen an und er- fuhr hiebei, daß der angebliche Bräutigam unterdeſſen die Stadt verlaſſen und ſich nach Stanislau gewendet habe. Ueber Anzeige des Beſchädigten wurde die Sicherheitsbehörde in Stanislau behufs Eruierung dieſes Individuums requiriert, welches ſich h, o. auch anderer Betrügereien ſchuldig gemacht haben ſoll. Ein Gaunerſtückchen. Der heutige Polizei- rapport enthält folgende Richtigſtellung: Zu der geſtern unter der Spitzmarke „Ein Gaunerſtückchen“ gebrachten Meldung von einer angeblich betrügeriſchen Her- auslockung von Reiſeeffekten ſeitens eines gewiſſen Weideu- feld iſt nachzutragen, daß der Anzeiger, wie ſich ſpäter herausſtellte, einem bedauerlichen Irrtume zum Opfer ge- fallen iſt. — Der angebliche Betrüger iſt nämlich ein hieſiger achtbarer Kaufmann, welchem die Weile bis zur Rückkehr des Anzeigers an der Halteſtelle der elektriſchen Straßen- bahn zu lange währte, weshalb er ſich entſchloß, das ihm anvertraute Handgepäck dem dienſthabenden Bahnportier zur Aufbewahrung zu übergeben und die Fahrt in die Stadt ſelbſt zu unternehmen. Der Anzeiger, welcher ohne zuvor den Bahnportier befragt zu haben, ſich an die Polizei gewendet hatte, wurde dann auf dieſe Unterlaſſung aufmerkſam ge- macht, und erhielt auf ſeine Nachfrage richtig vom Bahn- portier ſein Handgepäck rückgeſtellt. Diebſtähle. Petro Werbicki aus Brouskoutz, welcher laut Anzeige ſeines geweſenen Dienſtgebers, eines Bahnwächters in Czahor, dieſem gelegentlich der Entweichung aus dem Dienſte Kleidungsſtücke und Geflügel entwendet hat, wurde geſtern h. o. eruiert und in Haft genommen. — Geſtern agnoſzierten die Eheleute Ili und Maria Maniga aus Czahor bei einem hieſigen Trödler ein geſticktes Bauernhemd als von dem bei ihnen im März d. J. verübten Einbruchs- diebſtahle herrührend. Die eingeleiteten polizeilichen Erhebungen ergaben, daß das beanſtändete Wäſcheſtück von dem in Mana- ſteriska wohnhaften Ehepaar Kuczniruk zum Verkaufe gebracht wurde. Der Polizei vorgeführt, geſtanden die Letzteren, die ſeinerzeit entwendeten Kleidungsſtücke von einem gewiſſen Iwon Hnatiuk erworben zu haben. Kuszniruk wurde in Haft ge- nommen, die Ausforſchung des Hnatiuk wurde veranlaßt. Czernowitzer Orpheum. Das Orpheum hat neue Zugkräfte erhalten, welche ſich geſtern abends dem Publikum vorſtellten. Unter ihnen gefiel beſonders der Parodiſt Woller, mit ſeiner Verwandlungsfähigkeit, die wahre Lachſalven her- vorrief. Die komiſche Wirkung, welche der Soloſcherz „Auf der Gallerie des Burgtheaters“ hervorrief, kann kaum überboten werden. Die neue Tänzerin Jajotte, ein pikantes, graziöſes Perſönchen, ſtattete einen Cake-Walke mit ſehr viel Cherme aus, Frau Linee debutierte mit ſehr viel Erfolg als Tyro- lienne, ihnen reihten ſich die bewährten Kräfte des En- ſembles würdig an. Die Vorſtellung war ſehr animiert, das Publikum in beifallsluſtiger Stimmung. Funde und Verluſte. Bei der Polizei wurde eine Börſe mit Kleingeld als Fund deponiert. — Joſefine Jag- nicka, Roſcherſteg 45, brachte bei der Polizei den Verluſt ihres Dienſtbotenbuches zur Anzeige. Polizeiliches. Verhaftet wurden 6 Individuen und zwar: wegen Diebſtahls 3, wegen Schubrückkehr 2, wegen Trunkenheit 2. In Chierers Pilsner Gartenreſtaurant konzertiert täglich eine ausgezeichnete Zigeunerkapelle, die ſich ſchon in den größten Städten mit Erfolg hören ließ, bei freiem Entree. An Sonn- und Feiertagen 20 Heller Entree. Militärmuſik iſt und bleibt doch das Beſte. Gratis kann man ſie täglich im Bierpalaſt Blumengaſſe haben. An Sonn- und Feiertagen 20 Heller Entree. Korreſpondenzen. Czernowitz, 17. Mai. Radautz (Aus dem Gemeinderate. — Das Kartell der Aſſekurranzen. — Die Be- leuchtungsfrage. — Dilettantenabend. — Ge- noſſenſchaftskaſſe VI.) Sitzung vom 4. Mai 1904. Der Vorſitzende Dr. Brunſtein bringt eine Zuſchrift des Stadtmagiſtrates Czernowitz bezüglich der Schaffung einer Landeskommiſſion zur Hebung des Fremdenverkehrs zur Verleſung. Gemeinderat Nathan Harth hebt die Wichtigkeit dieſer Aktion hervor und beantragt, den Gemeinderat Schul- rat Uſtianowicz zum Delegierten zur Enquete in Czer- nowitz zu wählen, was auch mit Stimmenvollzähligkeit ge- ſchieht. Gemeinderat Menſchel erhält ſodann das Wort und führt folgendes aus: In letzter Zeit hat die Krakauer Verſicherungsgeſellſchaft ſämtlichen hierortigen Geſchäftsleuten, die bis nunzu bei ihr ihre Warenlager verſichert hatten, gekündigt, während die anderen fünf in der Bukowina operierenden Feuerverſicherungsgeſellſchaften, welche bekanntlich ſeit drei Jahren kartelliert ſind und gegenüber früher die Prämienſätze um mehr als das doppelte geſteigert haben, nur zu dieſen einfach unerſchwinglichen Sätzen derartige Ver- ſicherungen entgegennehmen, was aber ebenfalls einer Ab- lehnung gleichkommt. Hingegen iſt es eine bekannte Tat- ſache, daß ſowohl dieſe als auch zahlreiche andere Geſell- ſchaften ſich auf den Zweig der Lebensverſicherung geworfen haben, durch ein unermeßliches Heer von Agenten, Inſpektoren ꝛc. Stadt und Land förmlich überfluten und die Agenten auch wirtſchaftlich ſchwache Exiſtenzen zu verhältnismäßig hohen Verſicherungen veranlaſſen. Es kann vom volkswirt- ſchaftlichen Standpunkte aus nicht zugegeben werden, daß jene Zweige der Verſicherung wie gegen Brandſchaden, welche mit mehr Riſiko verbunden ſind, in bequemer Weiſe, jedoch zum Schaden der Allgemeinheit ausgeſchaltet werden. Die Kataſtrophe, welche durch eine derartige Geſchäftsgebarung, durch Kartell geſteigerte Prämienſätze, ſowie durch Ablehnung von Verſicherungen über eine Stadt und ihre Bevölkerung hereinbrechen kann, iſt für jedermann erkennbar. Es ſei alſo — meinte GR. Menſchel — notwendig, die Aufmerkſamkeit der maßgebenden Faktoren auf dieſe gewiß wichtige Frage zu lenken und müſſe er noch in Erinnerung rufen, daß, als vor einigen Jahren tatſächlich der Frage der Verländerung oder Verſtaatlichung des Verſicherungsweſens von maßgebender Seite näher getreten wurde, die Privatgeſellſchaften eine un- geheuere Agitation zur Hintertreibung dieſer Maßregel in- ſzenierten, indem über ihre Veranlaſſung die Verſicherungs- nehmer ſelbſt ſich in zahlreichen Kundgebungen gegen die geplante Maßregel wendeten. Kaum wußten ſich aber die Geſellſchaften von der ihnen drohenden Gefahr ſicher, ſo ſchritten ſie ſofort ſyſtematiſch zur Kartellierung, maßloſen Prämienſteigerung und Ablehnung der mit größerem Riſiko verbundenen Verſicherungen. Schließlich bringt Redner eine Reſolution ein, die der Vorſitzende im Wege der Handels- kammer zur Kenntnis der berufenen öffentlichen Faktoren bringen ſoll, damit die Frage der Verländerung reſp. Ver- ſtaatlichung des Verſicherungsweſens, welches aber alle Zweige, ſowohl die einträglichen als auch minderlukrativen umfaſſen ſoll, ernſtlich ins Auge gefaßt werde. Nach einer längeren Debatte, an der ſich die Gemeinderäte Nathan Harth, Dr. Bierer, Miskolczy und Uſtyanowitz beteiligen, wird dieſe Angelegenheit zu genauem Studium und Bericht- erſtattung ſpäteſtens in der zweitnächſten Sitzung der Rechts- ſektion zugewieſen. Endlich kommt man zur eigentlichen Tagesordnung, zur Beleuchtungsfrage: Namens der Beleuchtungskommiſſion liefert Schulrat Uſtyanowicz ein ausgezeichnetes Referat, das Reſultat eines langen und mühevollen Studiums, und ſtellt die folgenden Schlußanträge: 1. Die Gemeindevertretung beſchließt, der Frage der Ein- führung des elektriſchen Lichtes nur dann näher zu treten, ſobald Privatperſonen ſich zur Einführung von 2500 Flammen zum Preiſe von 3 Heller per Stunde rechtsverbindlich ver- pflichten. 2. Behufs Vornahme der Vorarbeiten ſowie der Einteilung der erwähnten Aktion wird dem Bürgermeiſter ein engeres Komitee unter Zuziehung des Gymnaſialprofeſſors Serfas beigegeben und ein Kredit von 200 Kronen be- willigt. GR. Miskolczy erblickt in dieſen Anträgen eine Ablehnung des geſamten Projektes. Er beantragt, dem Schulrat Uſtyanowicz für ſeine mühevolle Arbeit den Dank auszuſprechen und die Offerte der Firma Schuckert- Werke in Wien ad acta zu legen. Dieſer Antrag wird einſtimmig angenommen und die Sitzung geſchloſſen. — Der unter dem Protektorate Sr. Erzbiſchöflichen Gnaden Exzellenz Dr. Joſef Bilczewski ſtehende Katholiſche Männer- und Jünglings-Leſeverein veranſtaltet zugunſten ſeines Vereinshausbaues im Schützenſaale am Pfingſtſonntag den 22. d. M. einen Dilettantenabend mit darauffolgendem Tanzkränzchen. Kartenvorverkauf bei K. E. Neunteufel. — Gegenüber den in einem Czernowitzer Blatte enthalten geweſenen Angriffen auf den Kommiſſär der Genoſſenſchaftskrankenkaſſe der Gruppe VI (Gehilfen und Lehrlinge) drückte in der am 15. d. M. hier ſtattgefundenen Verſammlung derſelben der Vorſitzende Herr Joſef Kaßvan ſein Bedauern darüber aus, daß Regierungskommiſſär Vyslouzil für die Mißwirtſchaft in der Krankenkaſſe verantwortlich gemacht wurde. Dieſer habe ſich vielmehr alle erdenkliche Mühe gegeben, dem Gebaren der Kaſſe nahezutreten, und als er auf Grund eingehenden und mühe- vollen Studiums zur Ueberzeugung gelangt ſei, daß die Verhältniſſe unhaltbar ſeien, ſei die politiſche Behörde zur Auflöſung der genoſſenſchaftlichen Gehilfen- und Lehrlings- krankenkaſſe und zur Zuweiſung der Mitglieder an die Be- zirkskrankenkaſſe geſchritten, noch bevor dieſe Maßregel öffent- lich empfohlen wurde. Er ſchildert ferner die bedeutenden Mängel in der Verwaltung der Kaſſe, weiſt nach, daß die Exiſtenz derſelben unmöglich war und verlieſt hierauf die herabgelangte Verſtändigung von der Auflöſung. Die Ver- ſammlung erklärt ſich mit dieſer Verfügung nicht einver- ſtanden, beſchließt vielmehr, ſich mit den anderen Genoſſen- ſchaften ins Einvernehmen zu ſetzen und den Rekurs gegen die angeordnete Auflöſung an die Landesregierung zu über- reichen. Bei erſchöpfter Tagesordnung wird die Verſammlung geſchloſſen. jd. Bojau (Beim Böllerſchießenverletzt). Geſtern beim kath. Kirchweihfeſte wurde Nikolaus Guſchul, Kamin- feger in Bojan und ein gewiſſer Janku Guſa durch Pöller- ſchüſſe verletzt. Erſterem flog ein Splitter gegen die Augen, ſodaß Gefahr vorhanden iſt, daß derſelbe vollſtändig erblindet. „Die Compagnons.“ Roman von Ewald Auguſt König. (Nachdruck verboten.) (27. Fortſetzung.) 6. Kapitel. „Entſchuldigen Sie mich,“ ſagte der Kaufmann raſch, „ich kann den Anblick nicht ertragen. Wenn Sie einen Zeugen wünſchen, wird Herr Schmidt Sie begleiten.“ Der Richter näherte ſich langſam der Tür, aber ehe er hinausging, trat er noch einmal raſch auf den Kaufmann zu. „Der Verdacht, welcher auf dieſen jungen Mann ruht, hat bereits mehrere Haltepunkte gefunden“, flüſterte er, „aber mir fehlen noch die Beweiſe, welche mir erlauben, ihn zu verhaften. Schicken Sie zur Polizei und laſſen Sie dem Präſidenten ſagen, ich bitte ihn, unverzüglich zwei Beamte hierher zu beordern. Vielleicht habe ich, bis ſie angelangt ſind, jene Beweiſe gefunden.“ Beſtürzt trat Hartwig zurück. „Ich bitte Sie, übereilen Sie nichts,“ erwiderte er leiſe, „bedenken Sie den Eklat —“ „Ueberlaſſen Sie das mir, ich werde erſt dann zur Verhaſtung ſchreiten, wenn triftige Gründe mich dazu nötigen.“ Ohne eine Erwiderung abzuwarten, verließ der Richter das Zimmer, Ernſt und der Kaſſier folgten ihm. „Ich weiß in der Tat nicht, was ich davon halten ſoll,“ wandte der junge Mann ſich an den Kaſſier, und er ſprach abſichtlich ſo laut, daß der Richter jedes Wort vernehmen mußte; „die Aenlichkeit der Handſchrift habe ich entdeckt, aber ſelbſt wenn ſie feſtgeſtellt wird, — iſt das ein Beweis, daß ich die Billets geſchrieben haben muß?“ Der Kaſſier zuckte die Achſeln. „Und was könnte mich bewogen haben, ſie zu ſchreiben?“ fuhr Ernſt fort. „Ich finde durchaus keinen Grund dafür“ — Herr Schäfer war Ihr Nebenbuhler!“ warf der Kaſſier ein. „Sie wußten, daß die Hand Ihrer Verlobten ihm von dem Vater der jungen Dame beſtimmt war.“— „Wer kann das behaupten?“ fuhr Ernſt auf. „Herr Hartwig ſagte es Ihnen geſtern Morgen.“ Der Richter öffnete die Tür des Gemachs, in welchem die Leiche des Ermordeten lag. Er trat raſch ein; vor der ſchwarz behangenen Bahre angekommen, wandte er ſich um und ſeine kleinen forſchen- den Augen hefteten ſich durchdringend auf das bleiche Antlitz des Jünglings, dem eine innere Stimme ſagte, daß er in dieſem Augenblick eine verhängnisvolle Probe zu beſtehen habe. Der Schein der brennenden Kerzen fiel auf das ſtarre Antlitz des Toten, — die Züge des Buchhalters blieben ruhig und unbewegt. Sie haben dieſen Herren ſchon früher gekannt?“ fragte der Richter, der, wie es ſchien, ſich in ſeinen Erwartungen getäuſcht ſah. „Nein,“ erwiderte Ernſt ruhig, „ich trat erſt vor einem Jahre in dieſes Geſchäft ein.“ „Aber Sie wußten, ehe er zurückgekehrt war, daß Herr Rabe ihm die Hand ſeiner Tochter beſtimmt hatte?“ „Herr Hartwig äußerte dies als eine perſönliche Ver- mutung, auf die ich kein Gewicht legte.“ „Auf die Sie kein Gewicht legten? Das widerſpricht Ihrer früheren Behauptung, Sie ſeien geſtern Abend ſehr aufgeregt geweſen.“ „Das war ich allerdings.“ „Und dieſe Aufregung hatte doch wohl nur ihren Grund in der Befürchtung, daß jene Vermutung ſich auf Beweiſe ſtützen könne. Ihre Behauptung, daß Sie von halb zwölf bis zwölf Uhr ſpazieren gegangen ſein wollen, klingt ebenfalls ſehr unwahrſcheinlich, und die Aehnlichkeit jener Handſchrif mit der Ihrigen bildet ein weiteres Glied in der Beweis- kette gegen Sie. Angenommeu, ein anderer habe aus irgend einem mir unbekannten Grunde dieſen Herrn ermordet, was könnte ihn veranlaßt haben, auch Ihnen ein ſolches Billet zu ſchicken? Mußte er nicht befürchten, daß Sie ihn, wenn Sie der Aufforderung, ſofort ins Geſchäftslokal zu kommen, Folge leiſteten, bei Ausführung des Verbrechens ertappen würden? Sie haben geglaubt, durch dieſes Billet jeden Verdacht von ſich ablenken zu können. Sie bedachten nicht, daß gerade durch dasſelbe der Verdacht“ — „Mein Herr!“ fuhr Ernſt, erbittert und beſtürzt zugleich über dieſe Schlußfolgerung gereizt auf. „Ihre Kombinationen ſind grundfalſch — kann nicht der Mörder abſichtlich mir das Billet geſchickt haben, um“ — Der Eintritt eines Polizeibeamten hinderte den jungen Mann, den Satz zu beenden. Der Beamte ſchien eine wichtige Nachricht zu bringen. Die Haſt und Aufregung, mit der er ſich dem Richter näherten, verrieten das. „Ich ſuche Sie ſchon ſeit einer Stunde,“ ſagte er, „ſoeben teilte mir der Herr Polizeipräſident mit, daß ich Sie hier finden würde.“ „Was bringen Sie?“ fragte der Richter haſtig. „Haben Sie eine Entdeckung gemacht, die“ — „Geſtern Mittag gleich nach Tiſch iſt in einer hieſigen Waffenhandlung ein Revolver gekauft worden, der Käufer desſelben hat ſeinen Namen angegeben, und nähere Erkun- digungen haben ergeben, daß der Träger dieſes Namens im Geſchäft der Firma Schäfer und Hartwig tätig iſt.“ „Ah, das iſt in der Tat mehr, als ich erwarten konnte,“ ſagte der Richter, in deſſen Augen eine triumphierende Freude aufleuchtete; wie heißt der Käufer?“ „Ernſt Kaltenborn.“ (Fortſetzung folgt.)

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Benjamin Fiechter, Susanne Haaf: Bereitstellung der digitalen Textausgabe (Konvertierung in das DTA-Basisformat). (2018-01-26T13:38:42Z)
grepect GmbH: Bereitstellung der Texttranskription und Textauszeichnung. (2018-01-26T13:38:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Amelie Meister: Vorbereitung der Texttranskription und Textauszeichnung. (2018-01-26T13:38:42Z)

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Zitationshilfe: Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Nr. 116, Czernowitz, 18.05.1904, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_czernowitzer116_1904/4>, abgerufen am 28.03.2024.