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Die Bayerische Presse. Nr. 259. Würzburg, 29. Oktober 1850.

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Stuttgart, 25. Okt. Noch 10 Tage und
unsere Landesversammlung tritt zum Wiederbeginn
ihrer Arbeiten nochmals zusammen -- ohne Zweifel
das letzte Mal. Sollte sie sich auch diesmal stör-
risch zeigen, so wird ihre Auflösung nicht lange
ausbleiben, obgleich man bereits von einer noch-
maligen Vertagung spricht, die indeß schwerlich
eintreten wird. So viel man bis jetzt vernimmt,
gehen die zurückgebliebenen Commissionen einen
gefährlichen Gang, und die sogenannten Consti-
tutionellen gehen darin fast einmüthig mit den
Demokraten. Eine absolute Steuerverweigerung,
wovon sie das gefährliche an dem Beispiele von
beiden Hessen gesehen haben, nicht wagend, wollen
sie das Budget so beschneiden, daß es gar nicht
möglich ist, damit eine geordnete Staatsverwal-
tung zu führen und zugleich den Bundespflichten
zu genügen. Freilich nehmen sich diese superklu-
gen Herren heraus, die Rechtsbeständigkeit der
Bundesmilitärverfassung zu bestreiten und somit
den Militäretat auf ein Minimum herabdrücken
zu wollen, wie es den demokratischen Jnteressen
angemessen erschiene. Doch daran könnten sie sich
leicht die Finger verbrennen. Sicher ist, daß sich
unsere Regierung durch all das nicht beirren läßt,
auf ihrem als richtig erkannten Wege fortzuwan-
deln, um endlich einmal wieder zu einem geord-
neten Zustande zu gelangen.

   

Gotha, 25. Okt. Unsere Stadt befindet sich
in nicht geringer Aufregung. Vor einigen Tagen
traf nämlich hier eine telegraphische Depesche ein,
welche neben der Anfrage, ob der Herzog gegen-
wärtig in Gotha sich aufhalte, den Befehl des
preuß. Kriegsministeriums für denselben enthielt,
den Oberbefehl über eine Armeeabtheilung, dem
Vernehmen nach in Rheinpreußen, zu überneh-
men. Bekanntlich ist der Herzog in preuß. Mi-
litärdienste und hat die Charge eines Generallieu-
tenants.

   

Aus Weimar, 25. Okt. Das Regierungs-
blatt veröffentlicht jetzt das Gesetz in Betreff der
Verantwortlichkeit der Minister. Wir geben Jh-
nen für heute nur die wesentlichsten Bestimmun-
gen daraus. Eine gegen die Minister gerichtete
Anklage muß vor den aus 12 Mitgliedern be-
stehenden Staatsgerichtshof gebracht werden, zu
welchem sechs Mitglieder vom Großherzoge, sechs
von dem Landtage gewählt werden, der dieselben
aber aus den Räthen der Gerichtshöfe zu wäh-
len hat. Den Vorsitz dieses Staatsgerichtshofs
hat der Oberappellationsgerichtspräsident, der als
Vorsitzender ebenfalls eine Stimme hat. Eine
Begnadigung oder Niederschlagung der Anklage
gegen einen oder mehrere Minister kann der Groß-
herzog nur im Verein und mit Zustimmung des
Landtags durch ein mit diesem vereinbartes Ge-
setz vornehmen.

   

Hamburg, 25. Okt. Gestern passirte hier,
wie es schien incognito, der General Hahn durch, um
sich nach Kiel zur Statthalterschaft zu begeben.
Der genannte General ist, wie Sie wissen, seit
dem vorigen Jahre in den Herzogthümern eine
beliebte Persönlichkeit; man flüstert von einer ver-
traulichen Sendung, deren Jnhalt man natürlich
nicht kennt. Aber aus der Persönlichkeit des Ge-
sandten will man schließen, daß man es in Ber-
lin für nöthig gehalten habe, den Eindruck einer
unwillkommenen Sendung durch einen willkomme-
nen Gesandten zu mildern. Man bringt die Sen-
dung des General Hahn in Verbindung mit dem
Andringen der Großmächte auf Beendigung der
schleswig=holsteinischen Angelegenheit mit gewissen
Vorgängen im Schooße des preußischen Ministe-
riums, endlich mit einem beabsichtigten oder schon
getroffenen Arrangement der deutschen Frage, die
für Schleswig=Holstein nichts weniger als günstig
sein kann.

   

Hannover, 24. Okt. Die "Nieders. Ztg."
vom 22. d. enthält folgenden Artikel über die
Ministerkrisis: Das Ministerium Bennigsen, das
bekanntlich nach Außen hin bisher so ziemlich
überall Fiasco zu machen pflegte, ist nun auch im
Jnnern mit einem glänzenden Fiasco aufgetreten.
Dieses Ministerium hat den Muth, oder besser
den Uebermuth gehabt, dem Könige eine große
[Spaltenumbruch] Anzahl harter, diesen und das monarchische Prin-
zip verletzender Bedingungen ( man spricht von 30 )
vorzuschreiben, unter denen es gnädigst geruhen
würde, die süße Herrschaft für ewige Zeiten fort-
zuführen. Unter den Bedingungen soll auch eine
Art Proskriptionsliste solcher Diener, die bisher
dem König treu gedient haben, gewesen sein, fer-
ner die Forderung, den ministeriellen Anbetern
große Titel und Ehren ( z. B. Hrn. Neubourg,
wahrscheinlich wegen seiner früheren Anhänglichkeit
an den Minister Flacke und wegen der schön ge-
schriebenen Noten, die überall heitere Aufmerksam-
keit erwecken, zu verleihen, wodurch zugleich die
Nothwendigkeit entstanden wäre, die Hrn. Mini-
sterialvorstände zu Staatsministern zu machen, um
sie von ihren Hintermännern zu unterscheiden.
Dem Gerüchte nach hat der Graf Bennigsen am
verflossenen Sonnabend diese Bedingungen dem
Könige im Namen des Ministeriums ( mit Aus-
nahme des Kriegsminister Prott, der einem solchen
Coup nie gegen seinen König und Herrn beitreten
würde ) vorgetragen, jedoch die Antwort und Be-
handlung, die ein solchen Begehren verdient, ge-
funden. Graf Bennigsen wird gewiß nicht zum
zweiten Mal wagen, ein Minister bleiben zu wol-
len unter Vorschrift von Bedingungen, die einen
moralischen Todschlag gegen den Thron involvi-
ren. Denn wenn die Diener der Krone ihren
König und Herrn nöthigen wollen, die Ausübung
seiner konstitutionsmäßigen Rechte theilweise dafür,
daß die Hrn. Minister bleiben, aufzugeben, so ist
der Versuch eines moralifchen Todschlags gegen
die Krone vorhanden. Nie, nie darf der König
seinen Ministern solchen Versuch gestatten! Wir
hoffen, die Gewißheit zu haben, daß Se. Maj.
dem Grafen Bennigsen die verdiente Begegnung
habe angedeihen lassen.

Berlin, 25. Okt. Das "Corresp.=Bureau"
sagt: Nach einer Mittheilung, welche hier in gut
unterrichteten Kreisen circulirt, soll der Jnhalt der
von Preußen in Warschau gemachten Propositio-
nen zur Herbeiführung einer Einigung mit Oester-
reich im Wesentlichen auf folgende Punkte hinaus-
laufen: Aufgeben der Union und Theilnahme
an freien Conferenzen unter vollständiger Gleich-
berechtigung beider Mächte, sowie Einsetzung einer
Commission zur Beilegung der Differenzen in
Schleswig=Holstein und Hessen.

Berlin, 26. Okt. Wenn nicht alle Zeichen
trügen, so steht. trotz den Gegenversicherungen
der offiziellen Presse, eine Ministerkrisis in Aus-
sicht. Jn unterrichteten Kreisen gewinnt diese An-
sicht täglich mehr an Gewicht und Wahrscheinlich-
keit. Es ist vollkommen gegründet, daß zwischen
dem Ministerpräsidenten und dem Minister des
Jnnern schon zur Zeit des Erfurter Parlaments
hinsichtlich der Aufrechthaltung der Union Mei-
nungsverschiedenheit obwaltete und Herr v. Rado-
witz damals die Ansichten des Grafen Vranden-
burg theilte, an der Union festzuhalten! Es ist
ferner gegründet, daß zwischen dem Herrn von
Radowitz und Hrn. v. Manteuffel in dem Mi-
nisterrathe andauernde entschiedene Differenzen statt-
finden und in der nächsten Umgebung des Königs
keine Sympathien für Ersteren zur Geltung kom-
men.

   
England.

London, 19. Okt. Es ist eine bekannte Sache,
daß die "Times," so besonnen und richtig sie
vielfach in politischen Fragen urtheilen, an Be-
schränktheit und Perfidie Alles hinter sich zurück-
lassen, sobald ihre Vorurtheile gegen das arme
Jrland oder gegen den Katholizismus ins Spiel
kommen. Jhr heutiger Leitartikel über Kardinal
Wiseman überbietet beinahe alles Bisherige. Wi-
seman selbst gibt der Verfasser desselben das Zeug-
niß, er sei "eins der gelehrtesten und fähigsten
Mitglieder der römisch=katholischen Priesterschaft
in England"; gegen seine Ernennung zum Kar-
dinal hat er auch nichts einzuwenden, und erin-
nert ihn nur daran, daß England keine Würde
anerkennt, welche einem Engländer ohne ausdrück-
liche Erlaubniß der Königin von einem "fremden
Hofe" übertragen wird. Aber seine ganze Wuth
[Spaltenumbruch] läßt er an der Wiseman gleichzeitig übertragenen
Würde eines "Erzbischofs von Westminster" aus
Westminster ist ja "der Sitz des Hofes und des
Parlaments von England," an seinen Namen
knüpfen sich die ruhmreichsten Erinnerungen der
englischen Geschichte; dort sind die "Gräber un-
serer Staatsmänner, unserer Kriegshelden und
unserer Könige," -- und ein römischer Priester
wird zum Erzbischof von Westminster ernannt!
Das ist in der That "einer der gröbsten Akte
von Thorheit und Jmpertinenz, welche der römische
Hof je begangen, seit die Krone und das Volk
von England sein Joch abgeschüttelt haben!"
Nebenbei wird der heilige Vater auch belehrt, daß
Westminster nie in alten Zeiten ein Bisthum,
sondern nur ein Kloster gewesen ist; daß nur
Heinrich VIII. einmal einen Bischof von Westmin-
ster ernannt hat, und daß er sich also hierbei
einen schismatischen König zum Vorbilde genom-
men. Daß der heilige Vater diesen Schritt bloß
darum gethan, um sich für Englands Betragen
gegen ihn, namentlich für die Weigerung Pal-
merston 's, den englischen Konsul Freeborn zu Rom
abzuberufen, zu rächen, das kommt indeß auch
der "Times" unglaublich vor. Sie tröstet sich
endlich damit, "die Gesetze des Landes würden
diesen Akt nie anerkennen, und die öffentliche Mei-
nung werde ihn verlachen und desavouiren, wenn
es Seine Gnaden der Titular=Erzbischof von West-
minster für gut befinden sollte, seine Diözese zu
betreten."

London, 24. Okt. Rußland und Frankreich
haben also den ersten ernsten Schritt gethan, dem
von den drei Mächten unterzeichneten Londoner
Protokoll Geltung zu verschaffen: sie haben Eng-
land eingeladen, mit ihnen an Preußen die perem-
torische Aufforderung zu stellen, im Widerspruch
zu dem mit Dänemart abgeschlossenen Friedens-
vertrag nicht länger den Krieg in den Herzogthü-
mern Schleswig=Holstein zu begünstigen, widrigen-
falls Frankreich an den Rhein u. Rußland in Schle-
sien einrücken werde. Das brittische Ministerium
hat diesen wichtigen Gegenstand gestern in einem
Cabinetsrath in Berathung gezogen u. durch die " Ti-
mes " haben wir zuerst von dieser neuen drohen-
den Verwickelung erfahren. Sie berichtete, die
brittische Regierung habe anstatt dieser kriegeri-
schen Maßnahmen vorgeschlagen, jede der drei
Mächte solle für sich eine ernstliche Vorstellung
an die preußische Regierung ergehen lassen.

   

Schwyz, 17. Okt. Die heutige "Schwyzer
Zeitung" enthält über die jüngsten Freiburger Er-
eignisse unter der Aufschrift: "Freiburger Allarm"
folgenden Artikel: "Der nächtliche sinn= und that-
lose Spaziergang der Bauern von Remund nach
der Stadt Freiburg war so recht willkommenes
Wasser auf die Mühle jener Heuchlerpresse, welche
die Volkspetition von Freiburg so gerne ungehört
vor die Thüre weisen möchte, fürchtete sie nicht
das Sittengericht der öffentlichen Meinung. Jetzt
meint sie ein Häcklein gefunden zu haben, an dem
sie sich gegenüber dem Benehmen des freiburgischen
Volkes festhalten konne, und die Freude darob
schaut ihr aus allen Falten heraus. Diese gnä-
digen Herren und Obern scheinen, was sie allfäl-
lig zur Erfüllung der Wünsche und Begehren der
17,000 Bürger des Kantons Freiburg thun wür-
den, nur als Ausfluß ihrer Huld und Gnade an-
zusehen und halten daher jetzt dafür, durch den
Bauernauflauf von Remund sei ihre hochmögende
Huld und Gnade verwirkt worden. Eine derar-
tige Handlungsweise auf dem Gebiete des Rechts
wie der Politik verurtheilt sich selbst. Die hun-
dert oder zweihundert Bauern von Remund, oder
seien es auch dreihundert gewesen, wie die höch-
sten und daher wohl übertriebenen Angaben be-
sagen, sind nicht das ganze Freiburger Volk, und
sind nicht die 17,000 ehrenwerthen Bürger, welche
die ihnen feierlich gewährleistete, aber gewaltsam
vorenthaltene Volkssouveränetät zurückverlangen.
Und jetzt sollen 17,000 entgelten, was ein paar
Hunderte verfehlt haben mögen?! Schöne Ge-
rechtigkeit, saubere Konsequenz! "Das Geschrei

Stuttgart, 25. Okt. Noch 10 Tage und
unsere Landesversammlung tritt zum Wiederbeginn
ihrer Arbeiten nochmals zusammen -- ohne Zweifel
das letzte Mal. Sollte sie sich auch diesmal stör-
risch zeigen, so wird ihre Auflösung nicht lange
ausbleiben, obgleich man bereits von einer noch-
maligen Vertagung spricht, die indeß schwerlich
eintreten wird. So viel man bis jetzt vernimmt,
gehen die zurückgebliebenen Commissionen einen
gefährlichen Gang, und die sogenannten Consti-
tutionellen gehen darin fast einmüthig mit den
Demokraten. Eine absolute Steuerverweigerung,
wovon sie das gefährliche an dem Beispiele von
beiden Hessen gesehen haben, nicht wagend, wollen
sie das Budget so beschneiden, daß es gar nicht
möglich ist, damit eine geordnete Staatsverwal-
tung zu führen und zugleich den Bundespflichten
zu genügen. Freilich nehmen sich diese superklu-
gen Herren heraus, die Rechtsbeständigkeit der
Bundesmilitärverfassung zu bestreiten und somit
den Militäretat auf ein Minimum herabdrücken
zu wollen, wie es den demokratischen Jnteressen
angemessen erschiene. Doch daran könnten sie sich
leicht die Finger verbrennen. Sicher ist, daß sich
unsere Regierung durch all das nicht beirren läßt,
auf ihrem als richtig erkannten Wege fortzuwan-
deln, um endlich einmal wieder zu einem geord-
neten Zustande zu gelangen.

   

Gotha, 25. Okt. Unsere Stadt befindet sich
in nicht geringer Aufregung. Vor einigen Tagen
traf nämlich hier eine telegraphische Depesche ein,
welche neben der Anfrage, ob der Herzog gegen-
wärtig in Gotha sich aufhalte, den Befehl des
preuß. Kriegsministeriums für denselben enthielt,
den Oberbefehl über eine Armeeabtheilung, dem
Vernehmen nach in Rheinpreußen, zu überneh-
men. Bekanntlich ist der Herzog in preuß. Mi-
litärdienste und hat die Charge eines Generallieu-
tenants.

   

Aus Weimar, 25. Okt. Das Regierungs-
blatt veröffentlicht jetzt das Gesetz in Betreff der
Verantwortlichkeit der Minister. Wir geben Jh-
nen für heute nur die wesentlichsten Bestimmun-
gen daraus. Eine gegen die Minister gerichtete
Anklage muß vor den aus 12 Mitgliedern be-
stehenden Staatsgerichtshof gebracht werden, zu
welchem sechs Mitglieder vom Großherzoge, sechs
von dem Landtage gewählt werden, der dieselben
aber aus den Räthen der Gerichtshöfe zu wäh-
len hat. Den Vorsitz dieses Staatsgerichtshofs
hat der Oberappellationsgerichtspräsident, der als
Vorsitzender ebenfalls eine Stimme hat. Eine
Begnadigung oder Niederschlagung der Anklage
gegen einen oder mehrere Minister kann der Groß-
herzog nur im Verein und mit Zustimmung des
Landtags durch ein mit diesem vereinbartes Ge-
setz vornehmen.

   

Hamburg, 25. Okt. Gestern passirte hier,
wie es schien incognito, der General Hahn durch, um
sich nach Kiel zur Statthalterschaft zu begeben.
Der genannte General ist, wie Sie wissen, seit
dem vorigen Jahre in den Herzogthümern eine
beliebte Persönlichkeit; man flüstert von einer ver-
traulichen Sendung, deren Jnhalt man natürlich
nicht kennt. Aber aus der Persönlichkeit des Ge-
sandten will man schließen, daß man es in Ber-
lin für nöthig gehalten habe, den Eindruck einer
unwillkommenen Sendung durch einen willkomme-
nen Gesandten zu mildern. Man bringt die Sen-
dung des General Hahn in Verbindung mit dem
Andringen der Großmächte auf Beendigung der
schleswig=holsteinischen Angelegenheit mit gewissen
Vorgängen im Schooße des preußischen Ministe-
riums, endlich mit einem beabsichtigten oder schon
getroffenen Arrangement der deutschen Frage, die
für Schleswig=Holstein nichts weniger als günstig
sein kann.

   

Hannover, 24. Okt. Die „Nieders. Ztg.“
vom 22. d. enthält folgenden Artikel über die
Ministerkrisis: Das Ministerium Bennigsen, das
bekanntlich nach Außen hin bisher so ziemlich
überall Fiasco zu machen pflegte, ist nun auch im
Jnnern mit einem glänzenden Fiasco aufgetreten.
Dieses Ministerium hat den Muth, oder besser
den Uebermuth gehabt, dem Könige eine große
[Spaltenumbruch] Anzahl harter, diesen und das monarchische Prin-
zip verletzender Bedingungen ( man spricht von 30 )
vorzuschreiben, unter denen es gnädigst geruhen
würde, die süße Herrschaft für ewige Zeiten fort-
zuführen. Unter den Bedingungen soll auch eine
Art Proskriptionsliste solcher Diener, die bisher
dem König treu gedient haben, gewesen sein, fer-
ner die Forderung, den ministeriellen Anbetern
große Titel und Ehren ( z. B. Hrn. Neubourg,
wahrscheinlich wegen seiner früheren Anhänglichkeit
an den Minister Flacke und wegen der schön ge-
schriebenen Noten, die überall heitere Aufmerksam-
keit erwecken, zu verleihen, wodurch zugleich die
Nothwendigkeit entstanden wäre, die Hrn. Mini-
sterialvorstände zu Staatsministern zu machen, um
sie von ihren Hintermännern zu unterscheiden.
Dem Gerüchte nach hat der Graf Bennigsen am
verflossenen Sonnabend diese Bedingungen dem
Könige im Namen des Ministeriums ( mit Aus-
nahme des Kriegsminister Prott, der einem solchen
Coup nie gegen seinen König und Herrn beitreten
würde ) vorgetragen, jedoch die Antwort und Be-
handlung, die ein solchen Begehren verdient, ge-
funden. Graf Bennigsen wird gewiß nicht zum
zweiten Mal wagen, ein Minister bleiben zu wol-
len unter Vorschrift von Bedingungen, die einen
moralischen Todschlag gegen den Thron involvi-
ren. Denn wenn die Diener der Krone ihren
König und Herrn nöthigen wollen, die Ausübung
seiner konstitutionsmäßigen Rechte theilweise dafür,
daß die Hrn. Minister bleiben, aufzugeben, so ist
der Versuch eines moralifchen Todschlags gegen
die Krone vorhanden. Nie, nie darf der König
seinen Ministern solchen Versuch gestatten! Wir
hoffen, die Gewißheit zu haben, daß Se. Maj.
dem Grafen Bennigsen die verdiente Begegnung
habe angedeihen lassen.

Berlin, 25. Okt. Das „Corresp.=Bureau“
sagt: Nach einer Mittheilung, welche hier in gut
unterrichteten Kreisen circulirt, soll der Jnhalt der
von Preußen in Warschau gemachten Propositio-
nen zur Herbeiführung einer Einigung mit Oester-
reich im Wesentlichen auf folgende Punkte hinaus-
laufen: Aufgeben der Union und Theilnahme
an freien Conferenzen unter vollständiger Gleich-
berechtigung beider Mächte, sowie Einsetzung einer
Commission zur Beilegung der Differenzen in
Schleswig=Holstein und Hessen.

Berlin, 26. Okt. Wenn nicht alle Zeichen
trügen, so steht. trotz den Gegenversicherungen
der offiziellen Presse, eine Ministerkrisis in Aus-
sicht. Jn unterrichteten Kreisen gewinnt diese An-
sicht täglich mehr an Gewicht und Wahrscheinlich-
keit. Es ist vollkommen gegründet, daß zwischen
dem Ministerpräsidenten und dem Minister des
Jnnern schon zur Zeit des Erfurter Parlaments
hinsichtlich der Aufrechthaltung der Union Mei-
nungsverschiedenheit obwaltete und Herr v. Rado-
witz damals die Ansichten des Grafen Vranden-
burg theilte, an der Union festzuhalten! Es ist
ferner gegründet, daß zwischen dem Herrn von
Radowitz und Hrn. v. Manteuffel in dem Mi-
nisterrathe andauernde entschiedene Differenzen statt-
finden und in der nächsten Umgebung des Königs
keine Sympathien für Ersteren zur Geltung kom-
men.

   
England.

London, 19. Okt. Es ist eine bekannte Sache,
daß die „Times,“ so besonnen und richtig sie
vielfach in politischen Fragen urtheilen, an Be-
schränktheit und Perfidie Alles hinter sich zurück-
lassen, sobald ihre Vorurtheile gegen das arme
Jrland oder gegen den Katholizismus ins Spiel
kommen. Jhr heutiger Leitartikel über Kardinal
Wiseman überbietet beinahe alles Bisherige. Wi-
seman selbst gibt der Verfasser desselben das Zeug-
niß, er sei „eins der gelehrtesten und fähigsten
Mitglieder der römisch=katholischen Priesterschaft
in England“; gegen seine Ernennung zum Kar-
dinal hat er auch nichts einzuwenden, und erin-
nert ihn nur daran, daß England keine Würde
anerkennt, welche einem Engländer ohne ausdrück-
liche Erlaubniß der Königin von einem „fremden
Hofe“ übertragen wird. Aber seine ganze Wuth
[Spaltenumbruch] läßt er an der Wiseman gleichzeitig übertragenen
Würde eines „Erzbischofs von Westminster“ aus
Westminster ist ja „der Sitz des Hofes und des
Parlaments von England,“ an seinen Namen
knüpfen sich die ruhmreichsten Erinnerungen der
englischen Geschichte; dort sind die „Gräber un-
serer Staatsmänner, unserer Kriegshelden und
unserer Könige,“ -- und ein römischer Priester
wird zum Erzbischof von Westminster ernannt!
Das ist in der That „einer der gröbsten Akte
von Thorheit und Jmpertinenz, welche der römische
Hof je begangen, seit die Krone und das Volk
von England sein Joch abgeschüttelt haben!“
Nebenbei wird der heilige Vater auch belehrt, daß
Westminster nie in alten Zeiten ein Bisthum,
sondern nur ein Kloster gewesen ist; daß nur
Heinrich VIII. einmal einen Bischof von Westmin-
ster ernannt hat, und daß er sich also hierbei
einen schismatischen König zum Vorbilde genom-
men. Daß der heilige Vater diesen Schritt bloß
darum gethan, um sich für Englands Betragen
gegen ihn, namentlich für die Weigerung Pal-
merston 's, den englischen Konsul Freeborn zu Rom
abzuberufen, zu rächen, das kommt indeß auch
der „Times“ unglaublich vor. Sie tröstet sich
endlich damit, „die Gesetze des Landes würden
diesen Akt nie anerkennen, und die öffentliche Mei-
nung werde ihn verlachen und desavouiren, wenn
es Seine Gnaden der Titular=Erzbischof von West-
minster für gut befinden sollte, seine Diözese zu
betreten.“

London, 24. Okt. Rußland und Frankreich
haben also den ersten ernsten Schritt gethan, dem
von den drei Mächten unterzeichneten Londoner
Protokoll Geltung zu verschaffen: sie haben Eng-
land eingeladen, mit ihnen an Preußen die perem-
torische Aufforderung zu stellen, im Widerspruch
zu dem mit Dänemart abgeschlossenen Friedens-
vertrag nicht länger den Krieg in den Herzogthü-
mern Schleswig=Holstein zu begünstigen, widrigen-
falls Frankreich an den Rhein u. Rußland in Schle-
sien einrücken werde. Das brittische Ministerium
hat diesen wichtigen Gegenstand gestern in einem
Cabinetsrath in Berathung gezogen u. durch die „ Ti-
mes “ haben wir zuerst von dieser neuen drohen-
den Verwickelung erfahren. Sie berichtete, die
brittische Regierung habe anstatt dieser kriegeri-
schen Maßnahmen vorgeschlagen, jede der drei
Mächte solle für sich eine ernstliche Vorstellung
an die preußische Regierung ergehen lassen.

   

Schwyz, 17. Okt. Die heutige „Schwyzer
Zeitung“ enthält über die jüngsten Freiburger Er-
eignisse unter der Aufschrift: „Freiburger Allarm“
folgenden Artikel: „Der nächtliche sinn= und that-
lose Spaziergang der Bauern von Remund nach
der Stadt Freiburg war so recht willkommenes
Wasser auf die Mühle jener Heuchlerpresse, welche
die Volkspetition von Freiburg so gerne ungehört
vor die Thüre weisen möchte, fürchtete sie nicht
das Sittengericht der öffentlichen Meinung. Jetzt
meint sie ein Häcklein gefunden zu haben, an dem
sie sich gegenüber dem Benehmen des freiburgischen
Volkes festhalten konne, und die Freude darob
schaut ihr aus allen Falten heraus. Diese gnä-
digen Herren und Obern scheinen, was sie allfäl-
lig zur Erfüllung der Wünsche und Begehren der
17,000 Bürger des Kantons Freiburg thun wür-
den, nur als Ausfluß ihrer Huld und Gnade an-
zusehen und halten daher jetzt dafür, durch den
Bauernauflauf von Remund sei ihre hochmögende
Huld und Gnade verwirkt worden. Eine derar-
tige Handlungsweise auf dem Gebiete des Rechts
wie der Politik verurtheilt sich selbst. Die hun-
dert oder zweihundert Bauern von Remund, oder
seien es auch dreihundert gewesen, wie die höch-
sten und daher wohl übertriebenen Angaben be-
sagen, sind nicht das ganze Freiburger Volk, und
sind nicht die 17,000 ehrenwerthen Bürger, welche
die ihnen feierlich gewährleistete, aber gewaltsam
vorenthaltene Volkssouveränetät zurückverlangen.
Und jetzt sollen 17,000 entgelten, was ein paar
Hunderte verfehlt haben mögen?! Schöne Ge-
rechtigkeit, saubere Konsequenz! „Das Geschrei

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[0002] Stuttgart, 25. Okt. Noch 10 Tage und unsere Landesversammlung tritt zum Wiederbeginn ihrer Arbeiten nochmals zusammen -- ohne Zweifel das letzte Mal. Sollte sie sich auch diesmal stör- risch zeigen, so wird ihre Auflösung nicht lange ausbleiben, obgleich man bereits von einer noch- maligen Vertagung spricht, die indeß schwerlich eintreten wird. So viel man bis jetzt vernimmt, gehen die zurückgebliebenen Commissionen einen gefährlichen Gang, und die sogenannten Consti- tutionellen gehen darin fast einmüthig mit den Demokraten. Eine absolute Steuerverweigerung, wovon sie das gefährliche an dem Beispiele von beiden Hessen gesehen haben, nicht wagend, wollen sie das Budget so beschneiden, daß es gar nicht möglich ist, damit eine geordnete Staatsverwal- tung zu führen und zugleich den Bundespflichten zu genügen. Freilich nehmen sich diese superklu- gen Herren heraus, die Rechtsbeständigkeit der Bundesmilitärverfassung zu bestreiten und somit den Militäretat auf ein Minimum herabdrücken zu wollen, wie es den demokratischen Jnteressen angemessen erschiene. Doch daran könnten sie sich leicht die Finger verbrennen. Sicher ist, daß sich unsere Regierung durch all das nicht beirren läßt, auf ihrem als richtig erkannten Wege fortzuwan- deln, um endlich einmal wieder zu einem geord- neten Zustande zu gelangen. ( K. Z. ) Gotha, 25. Okt. Unsere Stadt befindet sich in nicht geringer Aufregung. Vor einigen Tagen traf nämlich hier eine telegraphische Depesche ein, welche neben der Anfrage, ob der Herzog gegen- wärtig in Gotha sich aufhalte, den Befehl des preuß. Kriegsministeriums für denselben enthielt, den Oberbefehl über eine Armeeabtheilung, dem Vernehmen nach in Rheinpreußen, zu überneh- men. Bekanntlich ist der Herzog in preuß. Mi- litärdienste und hat die Charge eines Generallieu- tenants. ( F. J. ) Aus Weimar, 25. Okt. Das Regierungs- blatt veröffentlicht jetzt das Gesetz in Betreff der Verantwortlichkeit der Minister. Wir geben Jh- nen für heute nur die wesentlichsten Bestimmun- gen daraus. Eine gegen die Minister gerichtete Anklage muß vor den aus 12 Mitgliedern be- stehenden Staatsgerichtshof gebracht werden, zu welchem sechs Mitglieder vom Großherzoge, sechs von dem Landtage gewählt werden, der dieselben aber aus den Räthen der Gerichtshöfe zu wäh- len hat. Den Vorsitz dieses Staatsgerichtshofs hat der Oberappellationsgerichtspräsident, der als Vorsitzender ebenfalls eine Stimme hat. Eine Begnadigung oder Niederschlagung der Anklage gegen einen oder mehrere Minister kann der Groß- herzog nur im Verein und mit Zustimmung des Landtags durch ein mit diesem vereinbartes Ge- setz vornehmen. ( L. Z. ) Hamburg, 25. Okt. Gestern passirte hier, wie es schien incognito, der General Hahn durch, um sich nach Kiel zur Statthalterschaft zu begeben. Der genannte General ist, wie Sie wissen, seit dem vorigen Jahre in den Herzogthümern eine beliebte Persönlichkeit; man flüstert von einer ver- traulichen Sendung, deren Jnhalt man natürlich nicht kennt. Aber aus der Persönlichkeit des Ge- sandten will man schließen, daß man es in Ber- lin für nöthig gehalten habe, den Eindruck einer unwillkommenen Sendung durch einen willkomme- nen Gesandten zu mildern. Man bringt die Sen- dung des General Hahn in Verbindung mit dem Andringen der Großmächte auf Beendigung der schleswig=holsteinischen Angelegenheit mit gewissen Vorgängen im Schooße des preußischen Ministe- riums, endlich mit einem beabsichtigten oder schon getroffenen Arrangement der deutschen Frage, die für Schleswig=Holstein nichts weniger als günstig sein kann. ( Nrdd. fr. Pr. ) Hannover, 24. Okt. Die „Nieders. Ztg.“ vom 22. d. enthält folgenden Artikel über die Ministerkrisis: Das Ministerium Bennigsen, das bekanntlich nach Außen hin bisher so ziemlich überall Fiasco zu machen pflegte, ist nun auch im Jnnern mit einem glänzenden Fiasco aufgetreten. Dieses Ministerium hat den Muth, oder besser den Uebermuth gehabt, dem Könige eine große Anzahl harter, diesen und das monarchische Prin- zip verletzender Bedingungen ( man spricht von 30 ) vorzuschreiben, unter denen es gnädigst geruhen würde, die süße Herrschaft für ewige Zeiten fort- zuführen. Unter den Bedingungen soll auch eine Art Proskriptionsliste solcher Diener, die bisher dem König treu gedient haben, gewesen sein, fer- ner die Forderung, den ministeriellen Anbetern große Titel und Ehren ( z. B. Hrn. Neubourg, wahrscheinlich wegen seiner früheren Anhänglichkeit an den Minister Flacke und wegen der schön ge- schriebenen Noten, die überall heitere Aufmerksam- keit erwecken, zu verleihen, wodurch zugleich die Nothwendigkeit entstanden wäre, die Hrn. Mini- sterialvorstände zu Staatsministern zu machen, um sie von ihren Hintermännern zu unterscheiden. Dem Gerüchte nach hat der Graf Bennigsen am verflossenen Sonnabend diese Bedingungen dem Könige im Namen des Ministeriums ( mit Aus- nahme des Kriegsminister Prott, der einem solchen Coup nie gegen seinen König und Herrn beitreten würde ) vorgetragen, jedoch die Antwort und Be- handlung, die ein solchen Begehren verdient, ge- funden. Graf Bennigsen wird gewiß nicht zum zweiten Mal wagen, ein Minister bleiben zu wol- len unter Vorschrift von Bedingungen, die einen moralischen Todschlag gegen den Thron involvi- ren. Denn wenn die Diener der Krone ihren König und Herrn nöthigen wollen, die Ausübung seiner konstitutionsmäßigen Rechte theilweise dafür, daß die Hrn. Minister bleiben, aufzugeben, so ist der Versuch eines moralifchen Todschlags gegen die Krone vorhanden. Nie, nie darf der König seinen Ministern solchen Versuch gestatten! Wir hoffen, die Gewißheit zu haben, daß Se. Maj. dem Grafen Bennigsen die verdiente Begegnung habe angedeihen lassen. Berlin, 25. Okt. Das „Corresp.=Bureau“ sagt: Nach einer Mittheilung, welche hier in gut unterrichteten Kreisen circulirt, soll der Jnhalt der von Preußen in Warschau gemachten Propositio- nen zur Herbeiführung einer Einigung mit Oester- reich im Wesentlichen auf folgende Punkte hinaus- laufen: Aufgeben der Union und Theilnahme an freien Conferenzen unter vollständiger Gleich- berechtigung beider Mächte, sowie Einsetzung einer Commission zur Beilegung der Differenzen in Schleswig=Holstein und Hessen. Berlin, 26. Okt. Wenn nicht alle Zeichen trügen, so steht. trotz den Gegenversicherungen der offiziellen Presse, eine Ministerkrisis in Aus- sicht. Jn unterrichteten Kreisen gewinnt diese An- sicht täglich mehr an Gewicht und Wahrscheinlich- keit. Es ist vollkommen gegründet, daß zwischen dem Ministerpräsidenten und dem Minister des Jnnern schon zur Zeit des Erfurter Parlaments hinsichtlich der Aufrechthaltung der Union Mei- nungsverschiedenheit obwaltete und Herr v. Rado- witz damals die Ansichten des Grafen Vranden- burg theilte, an der Union festzuhalten! Es ist ferner gegründet, daß zwischen dem Herrn von Radowitz und Hrn. v. Manteuffel in dem Mi- nisterrathe andauernde entschiedene Differenzen statt- finden und in der nächsten Umgebung des Königs keine Sympathien für Ersteren zur Geltung kom- men. ( L. Z. ) England. London, 19. Okt. Es ist eine bekannte Sache, daß die „Times,“ so besonnen und richtig sie vielfach in politischen Fragen urtheilen, an Be- schränktheit und Perfidie Alles hinter sich zurück- lassen, sobald ihre Vorurtheile gegen das arme Jrland oder gegen den Katholizismus ins Spiel kommen. Jhr heutiger Leitartikel über Kardinal Wiseman überbietet beinahe alles Bisherige. Wi- seman selbst gibt der Verfasser desselben das Zeug- niß, er sei „eins der gelehrtesten und fähigsten Mitglieder der römisch=katholischen Priesterschaft in England“; gegen seine Ernennung zum Kar- dinal hat er auch nichts einzuwenden, und erin- nert ihn nur daran, daß England keine Würde anerkennt, welche einem Engländer ohne ausdrück- liche Erlaubniß der Königin von einem „fremden Hofe“ übertragen wird. Aber seine ganze Wuth läßt er an der Wiseman gleichzeitig übertragenen Würde eines „Erzbischofs von Westminster“ aus Westminster ist ja „der Sitz des Hofes und des Parlaments von England,“ an seinen Namen knüpfen sich die ruhmreichsten Erinnerungen der englischen Geschichte; dort sind die „Gräber un- serer Staatsmänner, unserer Kriegshelden und unserer Könige,“ -- und ein römischer Priester wird zum Erzbischof von Westminster ernannt! Das ist in der That „einer der gröbsten Akte von Thorheit und Jmpertinenz, welche der römische Hof je begangen, seit die Krone und das Volk von England sein Joch abgeschüttelt haben!“ Nebenbei wird der heilige Vater auch belehrt, daß Westminster nie in alten Zeiten ein Bisthum, sondern nur ein Kloster gewesen ist; daß nur Heinrich VIII. einmal einen Bischof von Westmin- ster ernannt hat, und daß er sich also hierbei einen schismatischen König zum Vorbilde genom- men. Daß der heilige Vater diesen Schritt bloß darum gethan, um sich für Englands Betragen gegen ihn, namentlich für die Weigerung Pal- merston 's, den englischen Konsul Freeborn zu Rom abzuberufen, zu rächen, das kommt indeß auch der „Times“ unglaublich vor. Sie tröstet sich endlich damit, „die Gesetze des Landes würden diesen Akt nie anerkennen, und die öffentliche Mei- nung werde ihn verlachen und desavouiren, wenn es Seine Gnaden der Titular=Erzbischof von West- minster für gut befinden sollte, seine Diözese zu betreten.“ London, 24. Okt. Rußland und Frankreich haben also den ersten ernsten Schritt gethan, dem von den drei Mächten unterzeichneten Londoner Protokoll Geltung zu verschaffen: sie haben Eng- land eingeladen, mit ihnen an Preußen die perem- torische Aufforderung zu stellen, im Widerspruch zu dem mit Dänemart abgeschlossenen Friedens- vertrag nicht länger den Krieg in den Herzogthü- mern Schleswig=Holstein zu begünstigen, widrigen- falls Frankreich an den Rhein u. Rußland in Schle- sien einrücken werde. Das brittische Ministerium hat diesen wichtigen Gegenstand gestern in einem Cabinetsrath in Berathung gezogen u. durch die „ Ti- mes “ haben wir zuerst von dieser neuen drohen- den Verwickelung erfahren. Sie berichtete, die brittische Regierung habe anstatt dieser kriegeri- schen Maßnahmen vorgeschlagen, jede der drei Mächte solle für sich eine ernstliche Vorstellung an die preußische Regierung ergehen lassen. ( F. O.=P.=A.=Z. ) Schwyz, 17. Okt. Die heutige „Schwyzer Zeitung“ enthält über die jüngsten Freiburger Er- eignisse unter der Aufschrift: „Freiburger Allarm“ folgenden Artikel: „Der nächtliche sinn= und that- lose Spaziergang der Bauern von Remund nach der Stadt Freiburg war so recht willkommenes Wasser auf die Mühle jener Heuchlerpresse, welche die Volkspetition von Freiburg so gerne ungehört vor die Thüre weisen möchte, fürchtete sie nicht das Sittengericht der öffentlichen Meinung. Jetzt meint sie ein Häcklein gefunden zu haben, an dem sie sich gegenüber dem Benehmen des freiburgischen Volkes festhalten konne, und die Freude darob schaut ihr aus allen Falten heraus. Diese gnä- digen Herren und Obern scheinen, was sie allfäl- lig zur Erfüllung der Wünsche und Begehren der 17,000 Bürger des Kantons Freiburg thun wür- den, nur als Ausfluß ihrer Huld und Gnade an- zusehen und halten daher jetzt dafür, durch den Bauernauflauf von Remund sei ihre hochmögende Huld und Gnade verwirkt worden. Eine derar- tige Handlungsweise auf dem Gebiete des Rechts wie der Politik verurtheilt sich selbst. Die hun- dert oder zweihundert Bauern von Remund, oder seien es auch dreihundert gewesen, wie die höch- sten und daher wohl übertriebenen Angaben be- sagen, sind nicht das ganze Freiburger Volk, und sind nicht die 17,000 ehrenwerthen Bürger, welche die ihnen feierlich gewährleistete, aber gewaltsam vorenthaltene Volkssouveränetät zurückverlangen. Und jetzt sollen 17,000 entgelten, was ein paar Hunderte verfehlt haben mögen?! Schöne Ge- rechtigkeit, saubere Konsequenz! „Das Geschrei

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Zitationshilfe: Die Bayerische Presse. Nr. 259. Würzburg, 29. Oktober 1850, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_bayerische259_1850/2>, abgerufen am 19.04.2024.