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Die Bayerische Presse. Nr. 238. Würzburg, 4. Oktober 1850.

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[Spaltenumbruch] wicklung zugeführt werde, rufen wir zu: "Hütet
Euch!"

London, 30. Sept. Zum Lordmayor von
London für das nächste Jahr ist vorgestern Lord
Musgrove gewählt worden.

London, 30. Sept. Die Aufregung in Jrland
wächst zusehendes. Man fürchtet blutige Anftritte.

Paris, 30. Sept. Dem "Abend=Moniteur"
zufolge ist heute Vormittag aus Turin die Nach-
richt hier eingetroffen, daß das piemontesische Mi-
nisterium dem Könige seine Entlassung eingereicht
habe, weil es neuen Ministern das Geschäft über-
lassen wolle, ein freundschaftliches Abkommen mit
Rom zu treffen.

** Aus der Schweiz, 1. Okt. Bei uns herrscht
eine außerordentlich rege Thätigkeit, sowohl im
politischen als im gesellschaftlichen Leben. Die
verschiedenen Cantone sind mit der Remission ih-
rer Verfassung beschäftigt. Alle Städte und
Städtchen sind mit Reisenden, ganzen Familien,
und einzelnen Personen angefüllt, welche von ih-
ren größeren Reisen oder aus den Bädern zurück-
kehren. Namentlich ist es Basel, das von Frem-
den wahrhaft überfüllt ist. Die täglich ankom-
menden Postwagen und Eisenbahnzüge sind mit
Fremden aus allen Ländern angehäuft.

-- Jn Bern herrscht seit den letzten Wahlen
eine große Erbitterung zwischen den Parteien. --
Der letzte Baseler Fruchtmarkt war so bedeutend
überfüllt, daß ungeachtet starker Ankäufe kaum
die Hälfte der Zufuhr abgesetzt wurde.

Turin, 27. Sept. Bianchi=Giovini, der vor
Kurzem ausgewiesene Redakteur en chef der
"Opinione", ist gestern in contumaciam wegen
Preßvergehens zu einjähriger Gefängniß= und
2000 Fr. Geldstrafe verurtheilt worden; den
Geranten der "Opinione" traf sechsmonatliche
Gefängniß= und 1000 Fr. Geldstrafe.

Turin, 27. Sept. Der Erzbischof von
Turin, Monsignor Franzoni, ist von dem Appell-
hofe mit einer Mehrheit von 13 gegen 1 Stimme
zu lebenswieriger Verbannung verurtheilt und die
Einkünfte des Erzbisthums unter Sequester ge-
stellt worden. Das Ministerium hat bereits drei
Karabiniere nach Fenestrelle geschickt, um ihn von
dort an die Grenze zu bringen. Nach dem " Ri-
forgimento " würde Mons. Franzoni vorläufig
nach Frankreich gehen. Ein gleiches Urtheil ist
gegen den Erzbischof von Cagliari, Mons. Ma-
rongiu=Nurra, von dem dortigen Appellhofe ge-
fällt und derselbe bereits auf einem Dampfschiff
nach Civitavecchia geschafft worden.

Kassel, 1. Okt. Schluß der Erklärung des
landständischen Ausschusses in Bertreff der Verord-
nung und des Manifestes vom 28. Sept. 1850.
Als ob das Land in offenem Aufruhr sich be-
fände! Auch diese, mit der Wirklichkeit in allzu
grellem Widerspruch stehende Behauptung wird
zusammensinken; der Vorwurf des Aufruhrs kann
auf der ruhig standhaften Vertheidigung unseres
verfassungsmäßigen Rechts nicht haften. Es gibt
ober keine "Bundesversammlung", es gibt keinen
Körper mehr, welcher einen "Bundesbeschluß" zu
fassen berechtigt wäre. Der bleibende landstän-
dische Ausschuß hat dies schon in seiner Protesta-
tion gegen die Verordnung vom 23. l. M. aufs
unwiderleglichste dargethan, und die königl. preuß.
Regierung, in einer Note an die kurfürstl. Re-
gierung vom 26. Sept. l. J., hat dieselbe Ansicht
mit noch stärkerem Ausdruck bestätigt. So schlimm
steht es mit der äußeren Begründung, mit dem
Jnhalt der Verordnung aber steht es noch viel
schlimmer. Der Eingang erinnert, daß nach §.
2 der Verfassungsurkunde die Regierungsform
des Kurstaates monarchisch sei, und daß nach §.
10 der Landesherr alle Rechte der Staatsgewalt
zu verfassungsmäßiger Ausübung in sich vereinige.
Vollständig lautet der §. 2: "Die Regierungs-
form bleibt, so wie bisher, monarchisch, und es
besteht dabei eine landständische Verfassung." Die
Verfassungsurkunde aber hat eben die Bestimmung
[Spaltenumbruch] Wesen und Begriff dieser landständischen Verfas-
sung festzustellen. Zu diesem Wesen und Begriff
gehort die Theilnahme der Landstände an aller
Gesetzgebung und das landständische Steuerbewil-
ligungsrecht, aber auch der Rechtsschluß jedes ein-
zelnen Bürgers, die Unabhängigkeit der Gerichte,
die Verpflichtung aller Staatsdiener zur Aufrecht-
haltung der Landesverfassung und die selbststän-
dige Verantwortlichkett hinsichtlich ihrer Amtsver-
richtungen, welche, wenn die Landesverfassung ver-
letzt ward, sowohl von der Ständeversammlung
als dem Ausschuß bei den Strafgerichten in An-
spruch genommen werden kann. Vermöge dieser
Einrichtungen wird nicht etwa "der zum Gehor-
sam angewiesene durch seinen Widerspruch der
Befehlende", allein es bringt die "folgerechte Auf-
fassung " derselben allerdings mit sich, daß selbst
"die unterste Klasse der Diener die Ausführung"
verfassungswidriger Anordnungen hindern kann,
und zu hindern berufen ist. Der §. 146 der
Verfassungsurkunde, wonach kein Erheber zum
Einfordern von Steuern und Abgaben berechtigt
ist, wenn nicht in den deshalbigen Ausschreiben
und Verordnungen die landständische Bewilligung
besonders erwähnt ist, gibt den besten Beleg, und
wir verwarnen alle Staatsdiener, sich nicht durch
Jrrlehren bestimmen zu lassen, welche sie von den
Bahnen ihrer verantwortlichkeitsschweren Pflicht
abziehen möchten. Aber noch ganz andern, noch
viel wichtigern Bestimmungen unserer Verfassung
tritt die Verordnung vom 28. l. Mts. entgegen.
Seit dem Edict vom 26. November 1843 ist
die hessische Gesetzgebung unablässig bemüht ge-
wesen, jedem Staatsbürger den vollkommensten
Rechtsschutz, die Verfolgbarkeit aller seine priva-
ten und öffentlichen Rechte vor den Landesge-
richten und diesen selbst die größte Unabhängig-
keit und Selbstständigkeit von der Regierungsge-
walt zu sichern. Jndem die Verfassungsurkunde
( §. 123 ) bis auf jene erste Grundlage eines wah-
ren Rechtsstaats zurückgeht, ertheilt sie im §. 113
die Gewähr, daß niemand an der Betretung und
Verfolgung des Rechtswegs vor den Landesge-
richten gehindert werden soll, und spricht dabei
aus, daß die Beurtheilung, ob eine Sache zum Ge-
richtsverfahren sich eigene, dem Richter allein,
nach Maßgabe der allgemeinen Rechtsgrundsätze
und solcher Gesetze gebuhrt, welche mit Beistim-
mung des Landes werden erlassen werden. Was
aber thut die Verordnung vom 28. l. M.? Sie
verbietet den Gerichten über die rechtliche Giltig-
zeit oder Wirksamkeit der Septemberverordnungen
zu urtheilen: erklärt jedes Verfahren, welches ei-
nen gerichtlichen Ausspruch der Art veranlassen
könnte, für unstatthaft, vernichtet alle in dieser
Beziehung bereits ertheilte Erkenntnisse, erklärt
jedes deshalb abhängige Verfahren für aufgeho-
ben, und weist den Militäroberbefehlshaber an,
die aus dergleichen Rechtssprüchen etwa schon her-
vorgegangenen Folgen mit jedem ihm zu Gebot
stehenden Mitteln zu beseitigen. Der §. 114 der
Verfassungsurkunde setzt fest, daß niemand seinem
gesetzlichen Richter, sei es in bürgerlichen oder
peinlichen Fällen, entzogen werden darf, es sei
denn auf dem gesetzmaßigen Wege nach den Grund-
sätzen des bestehenden Rechts durch das zuständige
obere Gericht. Hier unterwirft die Regierung
durch eine Vollziehungsordnung, im schneidenden
Widerspruch mit den Grundsätzen des Rechts und
der Rechtssprechung, Civilpersonen den Kriegs-
gerichten in rein bürgerlichen Dingen. Nach
der Verfassungsurkunde dürfen außerordent-
liche Commissionen oder Gerichtshöfe, unter
welcher Benennung es auch sei, niemals
eingeführt werden. Welche andere Bedeutung
aber hätten die Kriegsgerichte unter solcher Vor-
aussetzung? Gegen Civilpersonen findet nach der
Verfassungsurkunde die Militärgerichtsbarkeit nur
in dem Falle, wenn der Kriegszustand erklärt ist,
und zwar nur innerhalb der gesetzlich bestimmten
Grenzen statt. Diese Grenzen sind theils in der
Verfassung selbst, theils in der Militärstrafge-
richtsordnung vom 21. März 1820 und in der
[Spaltenumbruch] Verordnung vom 22. Okt. 1830 gezogen. Die
Verordnung vom 28. überspringt sie sämmtlich,
unabgesehen, daß es dermalen für die Verhängung
des Kriegszustandes an jeder gesetzlichen Voraus-
setzung fehlt. Der §. 115 der Verfassungsur-
kunde ertheilt das unschätzbare Recht, daß niemand
anders, als in den durch Gesetze bestimmten Fäl-
len und Formen zur gerichtlichen Untersuchung ge-
zogen werden darf. Jetzt wird der Militärober-
befehlshaber, wo und woher er Kenntniß von Zu-
widerhandlungen und Vergehen bekommen mag,
die Einleitung der Untersuchung befehlen, und die
Zusammensetzung der Kriegsgerichte anordnen. So
ist durch die Verordnung vom 28. l. M. Alles
zerstort, was der Rechtssinn hessischer Fürsten für
die Sicherheit der Personen und des Eigenthums,
für die Unabhängigkeit, das Ansehen und die
Würde der ordentlichen Landesgerichte, für die
Einschränkung und Beseitigung unnatürlicher Aus-
nahmszustände seit hundert Jahren gewirkt hatte;
zerstört sind die wichtigsten und theuersten Rechte,
welche das Land mit der Verfassungsurkunde vom
5. Jan. 1831 gewonnen hatte, Recht und Ge-
rechtigkeit sollen sich dem unverhüllten Despotis-
mus beugen. Eben deshalb mußte die Verord-
nung auch die Thätigkeit der Bürgergarde und
jede Aeußerung derselben an die Anweisung des
Militäroberbefehlshabers binden und einem Jnsti-
tute alle Bedeutung entziehen, welche nach §. 40
der Verfassungsurkunde eine bleibende Landesan-
stalt sein soll. Wir aber erheben feierlichen Ein-
spruch gegen diesen ärgsten Angriff auf Verfas-
sung und Recht, auf Person und Eigenthum, Frei-
heit und Ehre unserer Mitbürger. Kassel, am 30.
Sept. 1850. Der bleibende landständische Aus-
schuß: Schwarzenberg. Kellner. Henkel. Gräfe.
Bayrhoffer.



Verantwortlicher Redakteur u. Verleger:
Franz v. Faber.



Jn der Steib' schen Buchdruckerei ( Marktgasse No. 318 )
ist so eben erschienen:

Der fränkische Hausfreund. Volkskalender für 1851. Drit-
ter Jahrgang. 4. mit farbigem Umschlage und vier
Holzschnitten. Preis gleich dem der Vorjahre.

Derselbe enthält nebst dem kirchlich=astronomischen Theile,
die Genealogie des k. Hauses, den 100jährigen Kalender,
Uebersicht der in Würzburg ankommenden und abgehendes
Posten, Briefportotarif des deutsch=österreichischen Postvereinn
Gradationsstempelnorm, Boten=, Fuhr=, und Schiffsgelegen-
heiten, Zinsenberechungstabelle zu 3,3 1 / 2, 4,4 1 / 2, und 5
pCt., Wurftabelle der Kronen= und Preußischen Thaler
und ein umfassendes Jahrmärkteverzeichniß. -- An erzählen-
dem Texte: Der Tod Melchiors von Zobel, dessen Ursache
und Folgen ( 1544--1567 ) ; der St. Kilianstag im Jahre
1850; die Schlacht bei Würzburg 1796; der Thalermann;
Mannigfaltiges ( eine Auswahl von Anekdoten ec. ) ; die
Lehnin'sche Weissagung, betreffend die Schicksale Preußens
und seiner Regenten. Schließlich als Gemeinnütziges; Mittel
gegen Vergiftungen, Verbrennungen ec.

Unter der Presse befinden sich Taschen=, Wand= und
Comptoirkalender.

Theater=Anzeige.

Sonntäg den 6. October 1850.
Der Heiraths=Antrag auf Helgoland.
Lebendes Bild in 2 Aufzügen von L. Schneider.
hierauf:
Der Kapellmeister von Venedig.
Kamische Oper in 2 Acten von Breitenstein. Zwi-
schen und nach beiden Stücken:
Ballet.
ausgeführt von der Familie Jerwitz=Lindor
und Fräul. Weidner.

Fremden=Anzeige.

Adler. Gräfner, Priv. v. Amsterdamm. Fräul. Jägel
und Schrottenlohr v. Nürnberg. Kflte: Störing v. Jserlohn.
Potzmann v. Chemnitz.

Deutscher Hof. Lechnee, Schulrath v. Posen. v.
Gollmann, m. Gat. v. Hannover. Hirsch, Tanzlehrer v.
Wiesbaden. Kümmler, Kfm. v. Magdeburg.

Kronprinz. Michel, Part. v. Schweinfurt. Hartmann
mit Gat. v. Nürnberg.

Schwan.[unleserliches Material - 8 Zeichen fehlen]Kivtofen, Kreisrath v. Berlin. Wolzenbach,
Pfarrer v. Dürlesberg. Kflte: Heim, v. Mosbach. Heim
v. Obernbreit. Hertel v. Eisfeld.

[Ende Spaltensatz]

Druck von Joseph Steib in Würzburg.

[Spaltenumbruch] wicklung zugeführt werde, rufen wir zu: „Hütet
Euch!“

London, 30. Sept. Zum Lordmayor von
London für das nächste Jahr ist vorgestern Lord
Musgrove gewählt worden.

London, 30. Sept. Die Aufregung in Jrland
wächst zusehendes. Man fürchtet blutige Anftritte.

Paris, 30. Sept. Dem „Abend=Moniteur“
zufolge ist heute Vormittag aus Turin die Nach-
richt hier eingetroffen, daß das piemontesische Mi-
nisterium dem Könige seine Entlassung eingereicht
habe, weil es neuen Ministern das Geschäft über-
lassen wolle, ein freundschaftliches Abkommen mit
Rom zu treffen.

** Aus der Schweiz, 1. Okt. Bei uns herrscht
eine außerordentlich rege Thätigkeit, sowohl im
politischen als im gesellschaftlichen Leben. Die
verschiedenen Cantone sind mit der Remission ih-
rer Verfassung beschäftigt. Alle Städte und
Städtchen sind mit Reisenden, ganzen Familien,
und einzelnen Personen angefüllt, welche von ih-
ren größeren Reisen oder aus den Bädern zurück-
kehren. Namentlich ist es Basel, das von Frem-
den wahrhaft überfüllt ist. Die täglich ankom-
menden Postwagen und Eisenbahnzüge sind mit
Fremden aus allen Ländern angehäuft.

-- Jn Bern herrscht seit den letzten Wahlen
eine große Erbitterung zwischen den Parteien. --
Der letzte Baseler Fruchtmarkt war so bedeutend
überfüllt, daß ungeachtet starker Ankäufe kaum
die Hälfte der Zufuhr abgesetzt wurde.

Turin, 27. Sept. Bianchi=Giovini, der vor
Kurzem ausgewiesene Redakteur en chef der
„Opinione“, ist gestern in contumaciam wegen
Preßvergehens zu einjähriger Gefängniß= und
2000 Fr. Geldstrafe verurtheilt worden; den
Geranten der „Opinione“ traf sechsmonatliche
Gefängniß= und 1000 Fr. Geldstrafe.

Turin, 27. Sept. Der Erzbischof von
Turin, Monsignor Franzoni, ist von dem Appell-
hofe mit einer Mehrheit von 13 gegen 1 Stimme
zu lebenswieriger Verbannung verurtheilt und die
Einkünfte des Erzbisthums unter Sequester ge-
stellt worden. Das Ministerium hat bereits drei
Karabiniere nach Fenestrelle geschickt, um ihn von
dort an die Grenze zu bringen. Nach dem „ Ri-
forgimento “ würde Mons. Franzoni vorläufig
nach Frankreich gehen. Ein gleiches Urtheil ist
gegen den Erzbischof von Cagliari, Mons. Ma-
rongiu=Nurra, von dem dortigen Appellhofe ge-
fällt und derselbe bereits auf einem Dampfschiff
nach Civitavecchia geschafft worden.

Kassel, 1. Okt. Schluß der Erklärung des
landständischen Ausschusses in Bertreff der Verord-
nung und des Manifestes vom 28. Sept. 1850.
Als ob das Land in offenem Aufruhr sich be-
fände! Auch diese, mit der Wirklichkeit in allzu
grellem Widerspruch stehende Behauptung wird
zusammensinken; der Vorwurf des Aufruhrs kann
auf der ruhig standhaften Vertheidigung unseres
verfassungsmäßigen Rechts nicht haften. Es gibt
ober keine „Bundesversammlung“, es gibt keinen
Körper mehr, welcher einen „Bundesbeschluß“ zu
fassen berechtigt wäre. Der bleibende landstän-
dische Ausschuß hat dies schon in seiner Protesta-
tion gegen die Verordnung vom 23. l. M. aufs
unwiderleglichste dargethan, und die königl. preuß.
Regierung, in einer Note an die kurfürstl. Re-
gierung vom 26. Sept. l. J., hat dieselbe Ansicht
mit noch stärkerem Ausdruck bestätigt. So schlimm
steht es mit der äußeren Begründung, mit dem
Jnhalt der Verordnung aber steht es noch viel
schlimmer. Der Eingang erinnert, daß nach §.
2 der Verfassungsurkunde die Regierungsform
des Kurstaates monarchisch sei, und daß nach §.
10 der Landesherr alle Rechte der Staatsgewalt
zu verfassungsmäßiger Ausübung in sich vereinige.
Vollständig lautet der §. 2: „Die Regierungs-
form bleibt, so wie bisher, monarchisch, und es
besteht dabei eine landständische Verfassung.“ Die
Verfassungsurkunde aber hat eben die Bestimmung
[Spaltenumbruch] Wesen und Begriff dieser landständischen Verfas-
sung festzustellen. Zu diesem Wesen und Begriff
gehort die Theilnahme der Landstände an aller
Gesetzgebung und das landständische Steuerbewil-
ligungsrecht, aber auch der Rechtsschluß jedes ein-
zelnen Bürgers, die Unabhängigkeit der Gerichte,
die Verpflichtung aller Staatsdiener zur Aufrecht-
haltung der Landesverfassung und die selbststän-
dige Verantwortlichkett hinsichtlich ihrer Amtsver-
richtungen, welche, wenn die Landesverfassung ver-
letzt ward, sowohl von der Ständeversammlung
als dem Ausschuß bei den Strafgerichten in An-
spruch genommen werden kann. Vermöge dieser
Einrichtungen wird nicht etwa „der zum Gehor-
sam angewiesene durch seinen Widerspruch der
Befehlende“, allein es bringt die „folgerechte Auf-
fassung “ derselben allerdings mit sich, daß selbst
„die unterste Klasse der Diener die Ausführung“
verfassungswidriger Anordnungen hindern kann,
und zu hindern berufen ist. Der §. 146 der
Verfassungsurkunde, wonach kein Erheber zum
Einfordern von Steuern und Abgaben berechtigt
ist, wenn nicht in den deshalbigen Ausschreiben
und Verordnungen die landständische Bewilligung
besonders erwähnt ist, gibt den besten Beleg, und
wir verwarnen alle Staatsdiener, sich nicht durch
Jrrlehren bestimmen zu lassen, welche sie von den
Bahnen ihrer verantwortlichkeitsschweren Pflicht
abziehen möchten. Aber noch ganz andern, noch
viel wichtigern Bestimmungen unserer Verfassung
tritt die Verordnung vom 28. l. Mts. entgegen.
Seit dem Edict vom 26. November 1843 ist
die hessische Gesetzgebung unablässig bemüht ge-
wesen, jedem Staatsbürger den vollkommensten
Rechtsschutz, die Verfolgbarkeit aller seine priva-
ten und öffentlichen Rechte vor den Landesge-
richten und diesen selbst die größte Unabhängig-
keit und Selbstständigkeit von der Regierungsge-
walt zu sichern. Jndem die Verfassungsurkunde
( §. 123 ) bis auf jene erste Grundlage eines wah-
ren Rechtsstaats zurückgeht, ertheilt sie im §. 113
die Gewähr, daß niemand an der Betretung und
Verfolgung des Rechtswegs vor den Landesge-
richten gehindert werden soll, und spricht dabei
aus, daß die Beurtheilung, ob eine Sache zum Ge-
richtsverfahren sich eigene, dem Richter allein,
nach Maßgabe der allgemeinen Rechtsgrundsätze
und solcher Gesetze gebuhrt, welche mit Beistim-
mung des Landes werden erlassen werden. Was
aber thut die Verordnung vom 28. l. M.? Sie
verbietet den Gerichten über die rechtliche Giltig-
zeit oder Wirksamkeit der Septemberverordnungen
zu urtheilen: erklärt jedes Verfahren, welches ei-
nen gerichtlichen Ausspruch der Art veranlassen
könnte, für unstatthaft, vernichtet alle in dieser
Beziehung bereits ertheilte Erkenntnisse, erklärt
jedes deshalb abhängige Verfahren für aufgeho-
ben, und weist den Militäroberbefehlshaber an,
die aus dergleichen Rechtssprüchen etwa schon her-
vorgegangenen Folgen mit jedem ihm zu Gebot
stehenden Mitteln zu beseitigen. Der §. 114 der
Verfassungsurkunde setzt fest, daß niemand seinem
gesetzlichen Richter, sei es in bürgerlichen oder
peinlichen Fällen, entzogen werden darf, es sei
denn auf dem gesetzmaßigen Wege nach den Grund-
sätzen des bestehenden Rechts durch das zuständige
obere Gericht. Hier unterwirft die Regierung
durch eine Vollziehungsordnung, im schneidenden
Widerspruch mit den Grundsätzen des Rechts und
der Rechtssprechung, Civilpersonen den Kriegs-
gerichten in rein bürgerlichen Dingen. Nach
der Verfassungsurkunde dürfen außerordent-
liche Commissionen oder Gerichtshöfe, unter
welcher Benennung es auch sei, niemals
eingeführt werden. Welche andere Bedeutung
aber hätten die Kriegsgerichte unter solcher Vor-
aussetzung? Gegen Civilpersonen findet nach der
Verfassungsurkunde die Militärgerichtsbarkeit nur
in dem Falle, wenn der Kriegszustand erklärt ist,
und zwar nur innerhalb der gesetzlich bestimmten
Grenzen statt. Diese Grenzen sind theils in der
Verfassung selbst, theils in der Militärstrafge-
richtsordnung vom 21. März 1820 und in der
[Spaltenumbruch] Verordnung vom 22. Okt. 1830 gezogen. Die
Verordnung vom 28. überspringt sie sämmtlich,
unabgesehen, daß es dermalen für die Verhängung
des Kriegszustandes an jeder gesetzlichen Voraus-
setzung fehlt. Der §. 115 der Verfassungsur-
kunde ertheilt das unschätzbare Recht, daß niemand
anders, als in den durch Gesetze bestimmten Fäl-
len und Formen zur gerichtlichen Untersuchung ge-
zogen werden darf. Jetzt wird der Militärober-
befehlshaber, wo und woher er Kenntniß von Zu-
widerhandlungen und Vergehen bekommen mag,
die Einleitung der Untersuchung befehlen, und die
Zusammensetzung der Kriegsgerichte anordnen. So
ist durch die Verordnung vom 28. l. M. Alles
zerstort, was der Rechtssinn hessischer Fürsten für
die Sicherheit der Personen und des Eigenthums,
für die Unabhängigkeit, das Ansehen und die
Würde der ordentlichen Landesgerichte, für die
Einschränkung und Beseitigung unnatürlicher Aus-
nahmszustände seit hundert Jahren gewirkt hatte;
zerstört sind die wichtigsten und theuersten Rechte,
welche das Land mit der Verfassungsurkunde vom
5. Jan. 1831 gewonnen hatte, Recht und Ge-
rechtigkeit sollen sich dem unverhüllten Despotis-
mus beugen. Eben deshalb mußte die Verord-
nung auch die Thätigkeit der Bürgergarde und
jede Aeußerung derselben an die Anweisung des
Militäroberbefehlshabers binden und einem Jnsti-
tute alle Bedeutung entziehen, welche nach §. 40
der Verfassungsurkunde eine bleibende Landesan-
stalt sein soll. Wir aber erheben feierlichen Ein-
spruch gegen diesen ärgsten Angriff auf Verfas-
sung und Recht, auf Person und Eigenthum, Frei-
heit und Ehre unserer Mitbürger. Kassel, am 30.
Sept. 1850. Der bleibende landständische Aus-
schuß: Schwarzenberg. Kellner. Henkel. Gräfe.
Bayrhoffer.



Verantwortlicher Redakteur u. Verleger:
Franz v. Faber.



Jn der Steib' schen Buchdruckerei ( Marktgasse No. 318 )
ist so eben erschienen:

Der fränkische Hausfreund. Volkskalender für 1851. Drit-
ter Jahrgang. 4. mit farbigem Umschlage und vier
Holzschnitten. Preis gleich dem der Vorjahre.

Derselbe enthält nebst dem kirchlich=astronomischen Theile,
die Genealogie des k. Hauses, den 100jährigen Kalender,
Uebersicht der in Würzburg ankommenden und abgehendes
Posten, Briefportotarif des deutsch=österreichischen Postvereinn
Gradationsstempelnorm, Boten=, Fuhr=, und Schiffsgelegen-
heiten, Zinsenberechungstabelle zu 3,3 1 / 2, 4,4 1 / 2, und 5
pCt., Wurftabelle der Kronen= und Preußischen Thaler
und ein umfassendes Jahrmärkteverzeichniß. -- An erzählen-
dem Texte: Der Tod Melchiors von Zobel, dessen Ursache
und Folgen ( 1544--1567 ) ; der St. Kilianstag im Jahre
1850; die Schlacht bei Würzburg 1796; der Thalermann;
Mannigfaltiges ( eine Auswahl von Anekdoten ec. ) ; die
Lehnin'sche Weissagung, betreffend die Schicksale Preußens
und seiner Regenten. Schließlich als Gemeinnütziges; Mittel
gegen Vergiftungen, Verbrennungen ec.

Unter der Presse befinden sich Taschen=, Wand= und
Comptoirkalender.

Theater=Anzeige.

Sonntäg den 6. October 1850.
Der Heiraths=Antrag auf Helgoland.
Lebendes Bild in 2 Aufzügen von L. Schneider.
hierauf:
Der Kapellmeister von Venedig.
Kamische Oper in 2 Acten von Breitenstein. Zwi-
schen und nach beiden Stücken:
Ballet.
ausgeführt von der Familie Jerwitz=Lindor
und Fräul. Weidner.

Fremden=Anzeige.

Adler. Gräfner, Priv. v. Amsterdamm. Fräul. Jägel
und Schrottenlohr v. Nürnberg. Kflte: Störing v. Jserlohn.
Potzmann v. Chemnitz.

Deutscher Hof. Lechnee, Schulrath v. Posen. v.
Gollmann, m. Gat. v. Hannover. Hirsch, Tanzlehrer v.
Wiesbaden. Kümmler, Kfm. v. Magdeburg.

Kronprinz. Michel, Part. v. Schweinfurt. Hartmann
mit Gat. v. Nürnberg.

Schwan.[unleserliches Material – 8 Zeichen fehlen]Kivtofen, Kreisrath v. Berlin. Wolzenbach,
Pfarrer v. Dürlesberg. Kflte: Heim, v. Mosbach. Heim
v. Obernbreit. Hertel v. Eisfeld.

[Ende Spaltensatz]

Druck von Joseph Steib in Würzburg.

<TEI>
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[0004] wicklung zugeführt werde, rufen wir zu: „Hütet Euch!“ London, 30. Sept. Zum Lordmayor von London für das nächste Jahr ist vorgestern Lord Musgrove gewählt worden. London, 30. Sept. Die Aufregung in Jrland wächst zusehendes. Man fürchtet blutige Anftritte. Paris, 30. Sept. Dem „Abend=Moniteur“ zufolge ist heute Vormittag aus Turin die Nach- richt hier eingetroffen, daß das piemontesische Mi- nisterium dem Könige seine Entlassung eingereicht habe, weil es neuen Ministern das Geschäft über- lassen wolle, ein freundschaftliches Abkommen mit Rom zu treffen. ** Aus der Schweiz, 1. Okt. Bei uns herrscht eine außerordentlich rege Thätigkeit, sowohl im politischen als im gesellschaftlichen Leben. Die verschiedenen Cantone sind mit der Remission ih- rer Verfassung beschäftigt. Alle Städte und Städtchen sind mit Reisenden, ganzen Familien, und einzelnen Personen angefüllt, welche von ih- ren größeren Reisen oder aus den Bädern zurück- kehren. Namentlich ist es Basel, das von Frem- den wahrhaft überfüllt ist. Die täglich ankom- menden Postwagen und Eisenbahnzüge sind mit Fremden aus allen Ländern angehäuft. -- Jn Bern herrscht seit den letzten Wahlen eine große Erbitterung zwischen den Parteien. -- Der letzte Baseler Fruchtmarkt war so bedeutend überfüllt, daß ungeachtet starker Ankäufe kaum die Hälfte der Zufuhr abgesetzt wurde. Turin, 27. Sept. Bianchi=Giovini, der vor Kurzem ausgewiesene Redakteur en chef der „Opinione“, ist gestern in contumaciam wegen Preßvergehens zu einjähriger Gefängniß= und 2000 Fr. Geldstrafe verurtheilt worden; den Geranten der „Opinione“ traf sechsmonatliche Gefängniß= und 1000 Fr. Geldstrafe. Turin, 27. Sept. Der Erzbischof von Turin, Monsignor Franzoni, ist von dem Appell- hofe mit einer Mehrheit von 13 gegen 1 Stimme zu lebenswieriger Verbannung verurtheilt und die Einkünfte des Erzbisthums unter Sequester ge- stellt worden. Das Ministerium hat bereits drei Karabiniere nach Fenestrelle geschickt, um ihn von dort an die Grenze zu bringen. Nach dem „ Ri- forgimento “ würde Mons. Franzoni vorläufig nach Frankreich gehen. Ein gleiches Urtheil ist gegen den Erzbischof von Cagliari, Mons. Ma- rongiu=Nurra, von dem dortigen Appellhofe ge- fällt und derselbe bereits auf einem Dampfschiff nach Civitavecchia geschafft worden. Kassel, 1. Okt. Schluß der Erklärung des landständischen Ausschusses in Bertreff der Verord- nung und des Manifestes vom 28. Sept. 1850. Als ob das Land in offenem Aufruhr sich be- fände! Auch diese, mit der Wirklichkeit in allzu grellem Widerspruch stehende Behauptung wird zusammensinken; der Vorwurf des Aufruhrs kann auf der ruhig standhaften Vertheidigung unseres verfassungsmäßigen Rechts nicht haften. Es gibt ober keine „Bundesversammlung“, es gibt keinen Körper mehr, welcher einen „Bundesbeschluß“ zu fassen berechtigt wäre. Der bleibende landstän- dische Ausschuß hat dies schon in seiner Protesta- tion gegen die Verordnung vom 23. l. M. aufs unwiderleglichste dargethan, und die königl. preuß. Regierung, in einer Note an die kurfürstl. Re- gierung vom 26. Sept. l. J., hat dieselbe Ansicht mit noch stärkerem Ausdruck bestätigt. So schlimm steht es mit der äußeren Begründung, mit dem Jnhalt der Verordnung aber steht es noch viel schlimmer. Der Eingang erinnert, daß nach §. 2 der Verfassungsurkunde die Regierungsform des Kurstaates monarchisch sei, und daß nach §. 10 der Landesherr alle Rechte der Staatsgewalt zu verfassungsmäßiger Ausübung in sich vereinige. Vollständig lautet der §. 2: „Die Regierungs- form bleibt, so wie bisher, monarchisch, und es besteht dabei eine landständische Verfassung.“ Die Verfassungsurkunde aber hat eben die Bestimmung Wesen und Begriff dieser landständischen Verfas- sung festzustellen. Zu diesem Wesen und Begriff gehort die Theilnahme der Landstände an aller Gesetzgebung und das landständische Steuerbewil- ligungsrecht, aber auch der Rechtsschluß jedes ein- zelnen Bürgers, die Unabhängigkeit der Gerichte, die Verpflichtung aller Staatsdiener zur Aufrecht- haltung der Landesverfassung und die selbststän- dige Verantwortlichkett hinsichtlich ihrer Amtsver- richtungen, welche, wenn die Landesverfassung ver- letzt ward, sowohl von der Ständeversammlung als dem Ausschuß bei den Strafgerichten in An- spruch genommen werden kann. Vermöge dieser Einrichtungen wird nicht etwa „der zum Gehor- sam angewiesene durch seinen Widerspruch der Befehlende“, allein es bringt die „folgerechte Auf- fassung “ derselben allerdings mit sich, daß selbst „die unterste Klasse der Diener die Ausführung“ verfassungswidriger Anordnungen hindern kann, und zu hindern berufen ist. Der §. 146 der Verfassungsurkunde, wonach kein Erheber zum Einfordern von Steuern und Abgaben berechtigt ist, wenn nicht in den deshalbigen Ausschreiben und Verordnungen die landständische Bewilligung besonders erwähnt ist, gibt den besten Beleg, und wir verwarnen alle Staatsdiener, sich nicht durch Jrrlehren bestimmen zu lassen, welche sie von den Bahnen ihrer verantwortlichkeitsschweren Pflicht abziehen möchten. Aber noch ganz andern, noch viel wichtigern Bestimmungen unserer Verfassung tritt die Verordnung vom 28. l. Mts. entgegen. Seit dem Edict vom 26. November 1843 ist die hessische Gesetzgebung unablässig bemüht ge- wesen, jedem Staatsbürger den vollkommensten Rechtsschutz, die Verfolgbarkeit aller seine priva- ten und öffentlichen Rechte vor den Landesge- richten und diesen selbst die größte Unabhängig- keit und Selbstständigkeit von der Regierungsge- walt zu sichern. Jndem die Verfassungsurkunde ( §. 123 ) bis auf jene erste Grundlage eines wah- ren Rechtsstaats zurückgeht, ertheilt sie im §. 113 die Gewähr, daß niemand an der Betretung und Verfolgung des Rechtswegs vor den Landesge- richten gehindert werden soll, und spricht dabei aus, daß die Beurtheilung, ob eine Sache zum Ge- richtsverfahren sich eigene, dem Richter allein, nach Maßgabe der allgemeinen Rechtsgrundsätze und solcher Gesetze gebuhrt, welche mit Beistim- mung des Landes werden erlassen werden. Was aber thut die Verordnung vom 28. l. M.? Sie verbietet den Gerichten über die rechtliche Giltig- zeit oder Wirksamkeit der Septemberverordnungen zu urtheilen: erklärt jedes Verfahren, welches ei- nen gerichtlichen Ausspruch der Art veranlassen könnte, für unstatthaft, vernichtet alle in dieser Beziehung bereits ertheilte Erkenntnisse, erklärt jedes deshalb abhängige Verfahren für aufgeho- ben, und weist den Militäroberbefehlshaber an, die aus dergleichen Rechtssprüchen etwa schon her- vorgegangenen Folgen mit jedem ihm zu Gebot stehenden Mitteln zu beseitigen. Der §. 114 der Verfassungsurkunde setzt fest, daß niemand seinem gesetzlichen Richter, sei es in bürgerlichen oder peinlichen Fällen, entzogen werden darf, es sei denn auf dem gesetzmaßigen Wege nach den Grund- sätzen des bestehenden Rechts durch das zuständige obere Gericht. Hier unterwirft die Regierung durch eine Vollziehungsordnung, im schneidenden Widerspruch mit den Grundsätzen des Rechts und der Rechtssprechung, Civilpersonen den Kriegs- gerichten in rein bürgerlichen Dingen. Nach der Verfassungsurkunde dürfen außerordent- liche Commissionen oder Gerichtshöfe, unter welcher Benennung es auch sei, niemals eingeführt werden. Welche andere Bedeutung aber hätten die Kriegsgerichte unter solcher Vor- aussetzung? Gegen Civilpersonen findet nach der Verfassungsurkunde die Militärgerichtsbarkeit nur in dem Falle, wenn der Kriegszustand erklärt ist, und zwar nur innerhalb der gesetzlich bestimmten Grenzen statt. Diese Grenzen sind theils in der Verfassung selbst, theils in der Militärstrafge- richtsordnung vom 21. März 1820 und in der Verordnung vom 22. Okt. 1830 gezogen. Die Verordnung vom 28. überspringt sie sämmtlich, unabgesehen, daß es dermalen für die Verhängung des Kriegszustandes an jeder gesetzlichen Voraus- setzung fehlt. Der §. 115 der Verfassungsur- kunde ertheilt das unschätzbare Recht, daß niemand anders, als in den durch Gesetze bestimmten Fäl- len und Formen zur gerichtlichen Untersuchung ge- zogen werden darf. Jetzt wird der Militärober- befehlshaber, wo und woher er Kenntniß von Zu- widerhandlungen und Vergehen bekommen mag, die Einleitung der Untersuchung befehlen, und die Zusammensetzung der Kriegsgerichte anordnen. So ist durch die Verordnung vom 28. l. M. Alles zerstort, was der Rechtssinn hessischer Fürsten für die Sicherheit der Personen und des Eigenthums, für die Unabhängigkeit, das Ansehen und die Würde der ordentlichen Landesgerichte, für die Einschränkung und Beseitigung unnatürlicher Aus- nahmszustände seit hundert Jahren gewirkt hatte; zerstört sind die wichtigsten und theuersten Rechte, welche das Land mit der Verfassungsurkunde vom 5. Jan. 1831 gewonnen hatte, Recht und Ge- rechtigkeit sollen sich dem unverhüllten Despotis- mus beugen. Eben deshalb mußte die Verord- nung auch die Thätigkeit der Bürgergarde und jede Aeußerung derselben an die Anweisung des Militäroberbefehlshabers binden und einem Jnsti- tute alle Bedeutung entziehen, welche nach §. 40 der Verfassungsurkunde eine bleibende Landesan- stalt sein soll. Wir aber erheben feierlichen Ein- spruch gegen diesen ärgsten Angriff auf Verfas- sung und Recht, auf Person und Eigenthum, Frei- heit und Ehre unserer Mitbürger. Kassel, am 30. Sept. 1850. Der bleibende landständische Aus- schuß: Schwarzenberg. Kellner. Henkel. Gräfe. Bayrhoffer. Verantwortlicher Redakteur u. Verleger: Franz v. Faber. Jn der Steib' schen Buchdruckerei ( Marktgasse No. 318 ) ist so eben erschienen: Der fränkische Hausfreund. Volkskalender für 1851. Drit- ter Jahrgang. 4. mit farbigem Umschlage und vier Holzschnitten. Preis gleich dem der Vorjahre. Derselbe enthält nebst dem kirchlich=astronomischen Theile, die Genealogie des k. Hauses, den 100jährigen Kalender, Uebersicht der in Würzburg ankommenden und abgehendes Posten, Briefportotarif des deutsch=österreichischen Postvereinn Gradationsstempelnorm, Boten=, Fuhr=, und Schiffsgelegen- heiten, Zinsenberechungstabelle zu 3,3 1 / 2, 4,4 1 / 2, und 5 pCt., Wurftabelle der Kronen= und Preußischen Thaler und ein umfassendes Jahrmärkteverzeichniß. -- An erzählen- dem Texte: Der Tod Melchiors von Zobel, dessen Ursache und Folgen ( 1544--1567 ) ; der St. Kilianstag im Jahre 1850; die Schlacht bei Würzburg 1796; der Thalermann; Mannigfaltiges ( eine Auswahl von Anekdoten ec. ) ; die Lehnin'sche Weissagung, betreffend die Schicksale Preußens und seiner Regenten. Schließlich als Gemeinnütziges; Mittel gegen Vergiftungen, Verbrennungen ec. Unter der Presse befinden sich Taschen=, Wand= und Comptoirkalender. Theater=Anzeige. Sonntäg den 6. October 1850. Der Heiraths=Antrag auf Helgoland. Lebendes Bild in 2 Aufzügen von L. Schneider. hierauf: Der Kapellmeister von Venedig. Kamische Oper in 2 Acten von Breitenstein. Zwi- schen und nach beiden Stücken: Ballet. ausgeführt von der Familie Jerwitz=Lindor und Fräul. Weidner. Fremden=Anzeige. Den 3. Oktober 1850. Adler. Gräfner, Priv. v. Amsterdamm. Fräul. Jägel und Schrottenlohr v. Nürnberg. Kflte: Störing v. Jserlohn. Potzmann v. Chemnitz. Deutscher Hof. Lechnee, Schulrath v. Posen. v. Gollmann, m. Gat. v. Hannover. Hirsch, Tanzlehrer v. Wiesbaden. Kümmler, Kfm. v. Magdeburg. Kronprinz. Michel, Part. v. Schweinfurt. Hartmann mit Gat. v. Nürnberg. Schwan.________Kivtofen, Kreisrath v. Berlin. Wolzenbach, Pfarrer v. Dürlesberg. Kflte: Heim, v. Mosbach. Heim v. Obernbreit. Hertel v. Eisfeld. Druck von Joseph Steib in Würzburg.

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Zitationshilfe: Die Bayerische Presse. Nr. 238. Würzburg, 4. Oktober 1850, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_bayerische238_1850/4>, abgerufen am 29.03.2024.