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Die Bayerische Presse. Nr. 224. Würzburg, 18. September 1850.

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Die Bayerische Presse.

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Eine constitutionell-monarchische Zeitung.

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Expedition: Jm Schenkhofe 2. Distr.
Nr. 533.

Einrückungsgebühr: die gespaltene Pe-
titzeile oder deren Raum 3 kr. Briefe
und Gelder frei.

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Nr. 224.
Würzburg, Mittwoch den 18. September. 1850.


[Beginn Spaltensatz]
Amtliche Nachrichten.

München, 16. Sept. Se. Maj. der König
haben Sich unterm 10. d. M. allergnädigst be-
wogen gefunden, auf die erledigte zweite Revi-
sionsbeamtenstelle am Hauptzollamte Nürnberg,
den bisherigen Revisionsbeamten, Friedrich Gräf-
ner zu Marktbreit, in seiner provisorischen Eigen-
schaft zu berufen, und die bei der Bauinspektion
in Kissingen erledigte Stelle eines Kondukteur dem
geprüften Baupraktikanten und bisherigen Verwe-
ser derselben, Ludwig Raimer aus Kempten, in
provisorischer Eigenschaft zu verleihen.

München, 17. Sept. Se. Maj. der König
haben Sich unterm 13. Sept. allergnädigst bewo-
gen gefunden, auf die bei dem Wechselgerichte
erster Jnstanz zu Schweinfurt in Erledigung ge-
kommene erste Rathsstelle den zweiten Rath Jo-
seph Weber vorrücken zu lassen, und zum zweiten
Wechselgerichtsrathe den dortigen Kreis= u. Stadt-
gerichts = Assessor Christian Ferdinand Wilhelm
Cramer zu ernennen.

Der Vorstand der Gerichts= und Polizeibe-
hörde Rothenfels, Georg Häcker, wurde tempo-
rär quieszirt und an seine Stelle der dermalige
Landgerichts=Assessor Franz Winzheimer zu Würz-
burg ernannt.



Die Justiz des Radicalismus.

Es ist Mode geworden, die Gerechtigkeit wirk-
lich blind zu machen, wenn politische Verbrecher
ihr vorgeführt werden. Aufruhr, Diebstahl, Raub
von Staats= und Privatkassen, Mord befleckten
die Jahre 1848 und 1849; von einem Walten
der Gerechtigkeit gegen die Schuldigen hört man
nichts oder spärlich etwas, dagegen viel von Frei-
sprechungen der Angeklagten, von Triumphen der
Schuldigen, die sich in Folge ihrer Lossprechung
feierten. -- Man kann daher wohl sagen, daß
die Justiz in Deutschland bald eine Schutzwehr
für politische Verbrecher geworden ist. Jn der
Schweiz ist es anders, allein noch viel schlimmer;
da ist sie ein Mittel der Verfolgung gegen die
Schuldlosen, ein Mittel zur Befriedigung der
Rache, zur Ausübung der unerhörtesten Despotie
geworden. Die Gerichte von vielen Cantonen,
namentlich in Luzern und Freiburg, sind mit den
wüthendsten und schlechtesten Parteigängern besetzt,
welche keine andere Aufgabe kennen, als ihre
Gegner zu verurtheilen. Die Sache ist an eini-
gen Orten so arg, daß, wenn nur von einem
conservativen Advokaten eine Streitsache verfoch-
ten wird, man sicher sein darf, daß sie verloren
ist. Eine conservative Partei ist vor diesen Ge-
richten vollständig rechtlos. Dieser schändliche
Mißbrauch der Justiz tritt nicht etwa blos bei
den untergeordneten Gerichten, bei den gemeinen
Parteigängern ein, sondern er ist von den obersten
Behörden, den gegenwärtigen Bundesbehörden aus-
gegangen: der Hochverrathsprozeß, von dem wir
nun sprechen wollen, ist ihr Werk. -- Dieser
Prozeß wird nun seit beinahe 3 Jahren dahinge-
schleppt, 2 Jahre ließ man ihn schlafen; man
fand nichts mehr zu untersuchen, weil man im
Besitze aller Acten des Kriegsrathes war, man
fand aber auch keinen Stoff zur Anklage. So
[Spaltenumbruch] hielt man ihn schwebend als ein Mittel zur Ver-
folgung gewisser Personen. Jn der letzten Ver-
sammlung des Nationalrathes wagte es endlich
ein Nadikaler selbst, auf das Schmähliche eines
solchen Mißbrauchs der Justiz aufmerksam zu
machen, und verlangte Beendigung des Prozesses.
Die übrige radikale Partei durfte offen diesem
Antrage nicht entgegen getreten, und so wurde
dem Bundesrathe Beschleunigung des Prozesses
empfohlen. -- Was dieser nun that, wissen wir
nicht; bemerkbar ist nur die Publikation einer Art
von Anklage in Nr. 210 der "Allg. Zeitung"
von Augsburg, welche offenbar vom Verhöramte
selber verfaßt ist. Jn dieser wird nun behauptet,
daß die Mitglieder des ehemaligen Kriegsrathes
der sieben katholischen Cantone des Verbrechens
des Hoch= und Landesverrathes oder wenigstens
eines Versuches sich schuldig gemacht haben. --
Es ist wahrhaft lächerlich, wenn man die Ankla-
gegründe liest. So werden das oftmalige Ver-
kehren des Präsidenten des Kriegsrathes mit Ge-
sandten fremder Mächte, der Ankauf von Waffen
die Herbeischaffung von einer unbedeutenden Summe
Geldes als Beweise des Landesverraths citirt.
Ein besonders großes Gewicht wird auf ein an-
gebliches Schreiben an den österr. Gesandten vom
15. Nov. 1847 gelegt, worin die Erwartung
ausgesprochen wird, daß Oesterreich in Folge An-
erkennung der rechtlichen Stellung die geeigneten
Maßregeln zur Abwendung der Unterdrückung der
sieben Cantone ergreifen werde. -- Jn diesem
Wunsche, daß man gegen Unterdrückung in Schutz
genommen werden möchte, wird kein parteiloser
rechtlich gesinnter Mensch eine Spur von etwas
Unerlaubtem finden; jeder Staat und jedes Jn-
dividuum hat das Recht, zu existiren, und wenn
es auf dieses sein Recht sich bezieht und laut den
Wunsch kand gibt, gegen diejenigen, welche seine
Existenz bedrohen, geschützt zu werden, so kann
nur politischer Wahnsinn hierin ein Verbrechen
sehen. Allein es ist gar nicht zu bezweifeln, daß,
wenn ein solcher Brief wirklich existirte, die schwei-
zer Radikalen darin den vollständigsten Beweis
des Landesverrathes erblicken. -- Dieser Brief
jedoch ist gar nicht vorhanden, sondern er ist blos
eine elende Denunciation eines Canzleibeamten,
welcher den eidg. Commissarien gleich nach dem
Einzug der Truppen in Luzern einen Fetzen Pa-
pier überreichte, von welchem er behauptet,
daß er eine Copie jenes Briefes enthalte. Weder
Original noch Concept des Briefes sind vorhan-
den. Eine solche Denunciation, die ohne allen
rechtlichen Werth ist, ist jedoch in den Augen un-
serer radikalen Bundesmatadoren ein -- Beweis.
Das zweite Aktenstück, womit man zur Zeit gro-
ßen Lärmen geschlagen hat, und das jetzt ebenfalls
als ein Beweis des Hochverrathes gegen die Mit-
glieder des Kriegsrathes aufgeführt wird, ist ein
Projekt zu einer neuen Cantonseintheilung der
Schweiz, welches die Schriftzüge des Hrn. Schult-
heiß Siegwart tragen soll. Ob das Projekt von
diesem herstammt oder nicht, ist in der Sache
gleichgültig, da es erwiesene Thatsache ist, daß in
den Protokollen des Kriegsrathes mit keiner Sylbe
desselben Erwähnung gethan wird. Nehmen wir
also selbst an, Hr. Siegwart habe wirklich solche
Pläne einer Neugestaltung der Schweiz mit sich
[Spaltenumbruch] herumzutragen und sie auf das Papier gebracht,
so liegt darin nicht einmal für ihn ein Ver-
brechen, denn so lange kein Versuch zu deren Aus-
führung gemacht wird, sind sie weiter nichts, als
eben zu Papier gebrachte Gedanken, über welche
er keinem Menschen Antwort schuldig ist. Daß
sie nur solche Gedanken waren, dafür liegt der
Beweis darin vor, daß sie von dem Kriegsrathe
nie besprochen wurden. -- Es gehört die Unver-
schämtheit eines schweizer Radikalen dazu, sogar
andere Leute für solche Gedanken oder Pläne ei-
nes Dritten verantwortlich machen zu wollen, wie
dieses in der berührten Einsendung in der "Allg.
Zeitung" geschieht, wo dieser Papierfetzen von der
Hand Hrn. Siegwart's als ein Beweis des Hoch-
verrathes gegen sämmtliche Mitglieder des Kriegs-
rathes aufgeführt wird. Um das Justizverfahren
in der Schweiz noch mehr zu charakterisiren, wol-
len wir aus diesem Prozesse noch einige Züge
hervorheben. Es darf nicht vergessen werden, daß
dieser Prozeß auf Befehl der Zwölfenmehrheit
der Tagsatzung angehoben und dessen Fortführung
von den jetzigen anbefohlen wurde. Man kann
also nicht sagen, es sei blos eine Schändlichkeit,
die einer Cantonsbehörde oder einem untergeord-
neten Beamteten zur Last fällt, sie sind Geschöpfe
der Bundesmatadoren. Der Bund von 1815
räumt der Tagsatzung gar keine Gerichtsbarkeit
ein; darum scheerte sich aber die Zwölfenmehrheit
nach Beendigung des Krieges nicht, und befahl
die Aufhebung dieses Prozesses durch die Gerichte
von Luzern. -- Es verdient bemerkt zu werden,
daß man gerade die Gerichte von Luzern hierfür
auserkor; man kannte dieselben und wußte, daß
eine Anklage einer Verurtheilung bei denselben
gleichkömmt, daß es nicht möglich ist, eine schänd-
lichere Justizbehörde aufzutreiben. -- Als Unter-
suchungsrichter wurde ein katholischer Aargauer
Oberrichter gewählt, welcher sich besondere Ver-
dienste um den Radicalismus durch seine Heuche-
lei, -- derselbe liebte früher sehr, mit dem Ro-
senkranz in der Kirche groß zu thun, -- dann
seinen Verrath der Klöster und Katholiken im
Aargau, erworben hatte. Es ist ein Mann ohne
alle wissenschaftliche Bildung, ohne Kenntniß, aber
von einer gewissen Routine, von einer außeror-
dentlichen Verschmitztheit und, was die größte Em-
pfehlung war, von einer ganz vollendeten Gewis-
senlosigkeit. -- Eine der ersten Handlungen dieses
Mannes war, daß er zwei junge Männer, welche
als Sekretäre des Kriegsrathes bisweilen fungirt
hatten, als Zeugen vor die Schranken lud, und
sie dann ins Gefängniß warf. Jn diesem, wo
sie wie die gemeinsten Verbrecher, wie Mörder
und Räuber, behandelt wurden, ließ er sie 50
Tage schmachten, ohne auf ihre Reclamation Rück-
sicht zu nehmen, vielmehr hatte er die Frechheit,
beiden ins Gesicht zu sagen, daß, wenn sie nicht
mehr angeben, als es bisher der Fall gewesen sei,
er sie noch länger behalten und schon mürbe ma-
chen werde. -- Diese Schändlichkeit ist seither in
öffentlichen Blättern dem feilen Werkzeuge der
Tyrannei von den Betreffenden vorgeworfen wor-
den, ohne daß dasselbe etwas Anderes that, als
wie ein nasser Pudel sich zu schütteln. -- Einen
dritten Sekretär, welcher aber außer seiner Ge-
walt war, verfolgte er als Schuldigen. -- Von

Die Bayerische Presse.

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wogen gefunden, auf die erledigte zweite Revi-
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den bisherigen Revisionsbeamten, Friedrich Gräf-
ner zu Marktbreit, in seiner provisorischen Eigen-
schaft zu berufen, und die bei der Bauinspektion
in Kissingen erledigte Stelle eines Kondukteur dem
geprüften Baupraktikanten und bisherigen Verwe-
ser derselben, Ludwig Raimer aus Kempten, in
provisorischer Eigenschaft zu verleihen.

München, 17. Sept. Se. Maj. der König
haben Sich unterm 13. Sept. allergnädigst bewo-
gen gefunden, auf die bei dem Wechselgerichte
erster Jnstanz zu Schweinfurt in Erledigung ge-
kommene erste Rathsstelle den zweiten Rath Jo-
seph Weber vorrücken zu lassen, und zum zweiten
Wechselgerichtsrathe den dortigen Kreis= u. Stadt-
gerichts = Assessor Christian Ferdinand Wilhelm
Cramer zu ernennen.

Der Vorstand der Gerichts= und Polizeibe-
hörde Rothenfels, Georg Häcker, wurde tempo-
rär quieszirt und an seine Stelle der dermalige
Landgerichts=Assessor Franz Winzheimer zu Würz-
burg ernannt.



Die Justiz des Radicalismus.

Es ist Mode geworden, die Gerechtigkeit wirk-
lich blind zu machen, wenn politische Verbrecher
ihr vorgeführt werden. Aufruhr, Diebstahl, Raub
von Staats= und Privatkassen, Mord befleckten
die Jahre 1848 und 1849; von einem Walten
der Gerechtigkeit gegen die Schuldigen hört man
nichts oder spärlich etwas, dagegen viel von Frei-
sprechungen der Angeklagten, von Triumphen der
Schuldigen, die sich in Folge ihrer Lossprechung
feierten. -- Man kann daher wohl sagen, daß
die Justiz in Deutschland bald eine Schutzwehr
für politische Verbrecher geworden ist. Jn der
Schweiz ist es anders, allein noch viel schlimmer;
da ist sie ein Mittel der Verfolgung gegen die
Schuldlosen, ein Mittel zur Befriedigung der
Rache, zur Ausübung der unerhörtesten Despotie
geworden. Die Gerichte von vielen Cantonen,
namentlich in Luzern und Freiburg, sind mit den
wüthendsten und schlechtesten Parteigängern besetzt,
welche keine andere Aufgabe kennen, als ihre
Gegner zu verurtheilen. Die Sache ist an eini-
gen Orten so arg, daß, wenn nur von einem
conservativen Advokaten eine Streitsache verfoch-
ten wird, man sicher sein darf, daß sie verloren
ist. Eine conservative Partei ist vor diesen Ge-
richten vollständig rechtlos. Dieser schändliche
Mißbrauch der Justiz tritt nicht etwa blos bei
den untergeordneten Gerichten, bei den gemeinen
Parteigängern ein, sondern er ist von den obersten
Behörden, den gegenwärtigen Bundesbehörden aus-
gegangen: der Hochverrathsprozeß, von dem wir
nun sprechen wollen, ist ihr Werk. -- Dieser
Prozeß wird nun seit beinahe 3 Jahren dahinge-
schleppt, 2 Jahre ließ man ihn schlafen; man
fand nichts mehr zu untersuchen, weil man im
Besitze aller Acten des Kriegsrathes war, man
fand aber auch keinen Stoff zur Anklage. So
[Spaltenumbruch] hielt man ihn schwebend als ein Mittel zur Ver-
folgung gewisser Personen. Jn der letzten Ver-
sammlung des Nationalrathes wagte es endlich
ein Nadikaler selbst, auf das Schmähliche eines
solchen Mißbrauchs der Justiz aufmerksam zu
machen, und verlangte Beendigung des Prozesses.
Die übrige radikale Partei durfte offen diesem
Antrage nicht entgegen getreten, und so wurde
dem Bundesrathe Beschleunigung des Prozesses
empfohlen. -- Was dieser nun that, wissen wir
nicht; bemerkbar ist nur die Publikation einer Art
von Anklage in Nr. 210 der „Allg. Zeitung“
von Augsburg, welche offenbar vom Verhöramte
selber verfaßt ist. Jn dieser wird nun behauptet,
daß die Mitglieder des ehemaligen Kriegsrathes
der sieben katholischen Cantone des Verbrechens
des Hoch= und Landesverrathes oder wenigstens
eines Versuches sich schuldig gemacht haben. --
Es ist wahrhaft lächerlich, wenn man die Ankla-
gegründe liest. So werden das oftmalige Ver-
kehren des Präsidenten des Kriegsrathes mit Ge-
sandten fremder Mächte, der Ankauf von Waffen
die Herbeischaffung von einer unbedeutenden Summe
Geldes als Beweise des Landesverraths citirt.
Ein besonders großes Gewicht wird auf ein an-
gebliches Schreiben an den österr. Gesandten vom
15. Nov. 1847 gelegt, worin die Erwartung
ausgesprochen wird, daß Oesterreich in Folge An-
erkennung der rechtlichen Stellung die geeigneten
Maßregeln zur Abwendung der Unterdrückung der
sieben Cantone ergreifen werde. -- Jn diesem
Wunsche, daß man gegen Unterdrückung in Schutz
genommen werden möchte, wird kein parteiloser
rechtlich gesinnter Mensch eine Spur von etwas
Unerlaubtem finden; jeder Staat und jedes Jn-
dividuum hat das Recht, zu existiren, und wenn
es auf dieses sein Recht sich bezieht und laut den
Wunsch kand gibt, gegen diejenigen, welche seine
Existenz bedrohen, geschützt zu werden, so kann
nur politischer Wahnsinn hierin ein Verbrechen
sehen. Allein es ist gar nicht zu bezweifeln, daß,
wenn ein solcher Brief wirklich existirte, die schwei-
zer Radikalen darin den vollständigsten Beweis
des Landesverrathes erblicken. -- Dieser Brief
jedoch ist gar nicht vorhanden, sondern er ist blos
eine elende Denunciation eines Canzleibeamten,
welcher den eidg. Commissarien gleich nach dem
Einzug der Truppen in Luzern einen Fetzen Pa-
pier überreichte, von welchem er behauptet,
daß er eine Copie jenes Briefes enthalte. Weder
Original noch Concept des Briefes sind vorhan-
den. Eine solche Denunciation, die ohne allen
rechtlichen Werth ist, ist jedoch in den Augen un-
serer radikalen Bundesmatadoren ein -- Beweis.
Das zweite Aktenstück, womit man zur Zeit gro-
ßen Lärmen geschlagen hat, und das jetzt ebenfalls
als ein Beweis des Hochverrathes gegen die Mit-
glieder des Kriegsrathes aufgeführt wird, ist ein
Projekt zu einer neuen Cantonseintheilung der
Schweiz, welches die Schriftzüge des Hrn. Schult-
heiß Siegwart tragen soll. Ob das Projekt von
diesem herstammt oder nicht, ist in der Sache
gleichgültig, da es erwiesene Thatsache ist, daß in
den Protokollen des Kriegsrathes mit keiner Sylbe
desselben Erwähnung gethan wird. Nehmen wir
also selbst an, Hr. Siegwart habe wirklich solche
Pläne einer Neugestaltung der Schweiz mit sich
[Spaltenumbruch] herumzutragen und sie auf das Papier gebracht,
so liegt darin nicht einmal für ihn ein Ver-
brechen, denn so lange kein Versuch zu deren Aus-
führung gemacht wird, sind sie weiter nichts, als
eben zu Papier gebrachte Gedanken, über welche
er keinem Menschen Antwort schuldig ist. Daß
sie nur solche Gedanken waren, dafür liegt der
Beweis darin vor, daß sie von dem Kriegsrathe
nie besprochen wurden. -- Es gehört die Unver-
schämtheit eines schweizer Radikalen dazu, sogar
andere Leute für solche Gedanken oder Pläne ei-
nes Dritten verantwortlich machen zu wollen, wie
dieses in der berührten Einsendung in der „Allg.
Zeitung“ geschieht, wo dieser Papierfetzen von der
Hand Hrn. Siegwart's als ein Beweis des Hoch-
verrathes gegen sämmtliche Mitglieder des Kriegs-
rathes aufgeführt wird. Um das Justizverfahren
in der Schweiz noch mehr zu charakterisiren, wol-
len wir aus diesem Prozesse noch einige Züge
hervorheben. Es darf nicht vergessen werden, daß
dieser Prozeß auf Befehl der Zwölfenmehrheit
der Tagsatzung angehoben und dessen Fortführung
von den jetzigen anbefohlen wurde. Man kann
also nicht sagen, es sei blos eine Schändlichkeit,
die einer Cantonsbehörde oder einem untergeord-
neten Beamteten zur Last fällt, sie sind Geschöpfe
der Bundesmatadoren. Der Bund von 1815
räumt der Tagsatzung gar keine Gerichtsbarkeit
ein; darum scheerte sich aber die Zwölfenmehrheit
nach Beendigung des Krieges nicht, und befahl
die Aufhebung dieses Prozesses durch die Gerichte
von Luzern. -- Es verdient bemerkt zu werden,
daß man gerade die Gerichte von Luzern hierfür
auserkor; man kannte dieselben und wußte, daß
eine Anklage einer Verurtheilung bei denselben
gleichkömmt, daß es nicht möglich ist, eine schänd-
lichere Justizbehörde aufzutreiben. -- Als Unter-
suchungsrichter wurde ein katholischer Aargauer
Oberrichter gewählt, welcher sich besondere Ver-
dienste um den Radicalismus durch seine Heuche-
lei, -- derselbe liebte früher sehr, mit dem Ro-
senkranz in der Kirche groß zu thun, -- dann
seinen Verrath der Klöster und Katholiken im
Aargau, erworben hatte. Es ist ein Mann ohne
alle wissenschaftliche Bildung, ohne Kenntniß, aber
von einer gewissen Routine, von einer außeror-
dentlichen Verschmitztheit und, was die größte Em-
pfehlung war, von einer ganz vollendeten Gewis-
senlosigkeit. -- Eine der ersten Handlungen dieses
Mannes war, daß er zwei junge Männer, welche
als Sekretäre des Kriegsrathes bisweilen fungirt
hatten, als Zeugen vor die Schranken lud, und
sie dann ins Gefängniß warf. Jn diesem, wo
sie wie die gemeinsten Verbrecher, wie Mörder
und Räuber, behandelt wurden, ließ er sie 50
Tage schmachten, ohne auf ihre Reclamation Rück-
sicht zu nehmen, vielmehr hatte er die Frechheit,
beiden ins Gesicht zu sagen, daß, wenn sie nicht
mehr angeben, als es bisher der Fall gewesen sei,
er sie noch länger behalten und schon mürbe ma-
chen werde. -- Diese Schändlichkeit ist seither in
öffentlichen Blättern dem feilen Werkzeuge der
Tyrannei von den Betreffenden vorgeworfen wor-
den, ohne daß dasselbe etwas Anderes that, als
wie ein nasser Pudel sich zu schütteln. -- Einen
dritten Sekretär, welcher aber außer seiner Ge-
walt war, verfolgte er als Schuldigen. -- Von

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[0001] Die Bayerische Presse. Abonnement: Ganzjährig 6 fl. Halbjährig 3 fl. Vierteljährig 1 fl. 30 kr. Monatlich für die Stadt 30 kr. Eine constitutionell-monarchische Zeitung. Expedition: Jm Schenkhofe 2. Distr. Nr. 533. Einrückungsgebühr: die gespaltene Pe- titzeile oder deren Raum 3 kr. Briefe und Gelder frei. Nr. 224. Würzburg, Mittwoch den 18. September. 1850. Amtliche Nachrichten. München, 16. Sept. Se. Maj. der König haben Sich unterm 10. d. M. allergnädigst be- wogen gefunden, auf die erledigte zweite Revi- sionsbeamtenstelle am Hauptzollamte Nürnberg, den bisherigen Revisionsbeamten, Friedrich Gräf- ner zu Marktbreit, in seiner provisorischen Eigen- schaft zu berufen, und die bei der Bauinspektion in Kissingen erledigte Stelle eines Kondukteur dem geprüften Baupraktikanten und bisherigen Verwe- ser derselben, Ludwig Raimer aus Kempten, in provisorischer Eigenschaft zu verleihen. München, 17. Sept. Se. Maj. der König haben Sich unterm 13. Sept. allergnädigst bewo- gen gefunden, auf die bei dem Wechselgerichte erster Jnstanz zu Schweinfurt in Erledigung ge- kommene erste Rathsstelle den zweiten Rath Jo- seph Weber vorrücken zu lassen, und zum zweiten Wechselgerichtsrathe den dortigen Kreis= u. Stadt- gerichts = Assessor Christian Ferdinand Wilhelm Cramer zu ernennen. Der Vorstand der Gerichts= und Polizeibe- hörde Rothenfels, Georg Häcker, wurde tempo- rär quieszirt und an seine Stelle der dermalige Landgerichts=Assessor Franz Winzheimer zu Würz- burg ernannt. Die Justiz des Radicalismus. Es ist Mode geworden, die Gerechtigkeit wirk- lich blind zu machen, wenn politische Verbrecher ihr vorgeführt werden. Aufruhr, Diebstahl, Raub von Staats= und Privatkassen, Mord befleckten die Jahre 1848 und 1849; von einem Walten der Gerechtigkeit gegen die Schuldigen hört man nichts oder spärlich etwas, dagegen viel von Frei- sprechungen der Angeklagten, von Triumphen der Schuldigen, die sich in Folge ihrer Lossprechung feierten. -- Man kann daher wohl sagen, daß die Justiz in Deutschland bald eine Schutzwehr für politische Verbrecher geworden ist. Jn der Schweiz ist es anders, allein noch viel schlimmer; da ist sie ein Mittel der Verfolgung gegen die Schuldlosen, ein Mittel zur Befriedigung der Rache, zur Ausübung der unerhörtesten Despotie geworden. Die Gerichte von vielen Cantonen, namentlich in Luzern und Freiburg, sind mit den wüthendsten und schlechtesten Parteigängern besetzt, welche keine andere Aufgabe kennen, als ihre Gegner zu verurtheilen. Die Sache ist an eini- gen Orten so arg, daß, wenn nur von einem conservativen Advokaten eine Streitsache verfoch- ten wird, man sicher sein darf, daß sie verloren ist. Eine conservative Partei ist vor diesen Ge- richten vollständig rechtlos. Dieser schändliche Mißbrauch der Justiz tritt nicht etwa blos bei den untergeordneten Gerichten, bei den gemeinen Parteigängern ein, sondern er ist von den obersten Behörden, den gegenwärtigen Bundesbehörden aus- gegangen: der Hochverrathsprozeß, von dem wir nun sprechen wollen, ist ihr Werk. -- Dieser Prozeß wird nun seit beinahe 3 Jahren dahinge- schleppt, 2 Jahre ließ man ihn schlafen; man fand nichts mehr zu untersuchen, weil man im Besitze aller Acten des Kriegsrathes war, man fand aber auch keinen Stoff zur Anklage. So hielt man ihn schwebend als ein Mittel zur Ver- folgung gewisser Personen. Jn der letzten Ver- sammlung des Nationalrathes wagte es endlich ein Nadikaler selbst, auf das Schmähliche eines solchen Mißbrauchs der Justiz aufmerksam zu machen, und verlangte Beendigung des Prozesses. Die übrige radikale Partei durfte offen diesem Antrage nicht entgegen getreten, und so wurde dem Bundesrathe Beschleunigung des Prozesses empfohlen. -- Was dieser nun that, wissen wir nicht; bemerkbar ist nur die Publikation einer Art von Anklage in Nr. 210 der „Allg. Zeitung“ von Augsburg, welche offenbar vom Verhöramte selber verfaßt ist. Jn dieser wird nun behauptet, daß die Mitglieder des ehemaligen Kriegsrathes der sieben katholischen Cantone des Verbrechens des Hoch= und Landesverrathes oder wenigstens eines Versuches sich schuldig gemacht haben. -- Es ist wahrhaft lächerlich, wenn man die Ankla- gegründe liest. So werden das oftmalige Ver- kehren des Präsidenten des Kriegsrathes mit Ge- sandten fremder Mächte, der Ankauf von Waffen die Herbeischaffung von einer unbedeutenden Summe Geldes als Beweise des Landesverraths citirt. Ein besonders großes Gewicht wird auf ein an- gebliches Schreiben an den österr. Gesandten vom 15. Nov. 1847 gelegt, worin die Erwartung ausgesprochen wird, daß Oesterreich in Folge An- erkennung der rechtlichen Stellung die geeigneten Maßregeln zur Abwendung der Unterdrückung der sieben Cantone ergreifen werde. -- Jn diesem Wunsche, daß man gegen Unterdrückung in Schutz genommen werden möchte, wird kein parteiloser rechtlich gesinnter Mensch eine Spur von etwas Unerlaubtem finden; jeder Staat und jedes Jn- dividuum hat das Recht, zu existiren, und wenn es auf dieses sein Recht sich bezieht und laut den Wunsch kand gibt, gegen diejenigen, welche seine Existenz bedrohen, geschützt zu werden, so kann nur politischer Wahnsinn hierin ein Verbrechen sehen. Allein es ist gar nicht zu bezweifeln, daß, wenn ein solcher Brief wirklich existirte, die schwei- zer Radikalen darin den vollständigsten Beweis des Landesverrathes erblicken. -- Dieser Brief jedoch ist gar nicht vorhanden, sondern er ist blos eine elende Denunciation eines Canzleibeamten, welcher den eidg. Commissarien gleich nach dem Einzug der Truppen in Luzern einen Fetzen Pa- pier überreichte, von welchem er behauptet, daß er eine Copie jenes Briefes enthalte. Weder Original noch Concept des Briefes sind vorhan- den. Eine solche Denunciation, die ohne allen rechtlichen Werth ist, ist jedoch in den Augen un- serer radikalen Bundesmatadoren ein -- Beweis. Das zweite Aktenstück, womit man zur Zeit gro- ßen Lärmen geschlagen hat, und das jetzt ebenfalls als ein Beweis des Hochverrathes gegen die Mit- glieder des Kriegsrathes aufgeführt wird, ist ein Projekt zu einer neuen Cantonseintheilung der Schweiz, welches die Schriftzüge des Hrn. Schult- heiß Siegwart tragen soll. Ob das Projekt von diesem herstammt oder nicht, ist in der Sache gleichgültig, da es erwiesene Thatsache ist, daß in den Protokollen des Kriegsrathes mit keiner Sylbe desselben Erwähnung gethan wird. Nehmen wir also selbst an, Hr. Siegwart habe wirklich solche Pläne einer Neugestaltung der Schweiz mit sich herumzutragen und sie auf das Papier gebracht, so liegt darin nicht einmal für ihn ein Ver- brechen, denn so lange kein Versuch zu deren Aus- führung gemacht wird, sind sie weiter nichts, als eben zu Papier gebrachte Gedanken, über welche er keinem Menschen Antwort schuldig ist. Daß sie nur solche Gedanken waren, dafür liegt der Beweis darin vor, daß sie von dem Kriegsrathe nie besprochen wurden. -- Es gehört die Unver- schämtheit eines schweizer Radikalen dazu, sogar andere Leute für solche Gedanken oder Pläne ei- nes Dritten verantwortlich machen zu wollen, wie dieses in der berührten Einsendung in der „Allg. Zeitung“ geschieht, wo dieser Papierfetzen von der Hand Hrn. Siegwart's als ein Beweis des Hoch- verrathes gegen sämmtliche Mitglieder des Kriegs- rathes aufgeführt wird. Um das Justizverfahren in der Schweiz noch mehr zu charakterisiren, wol- len wir aus diesem Prozesse noch einige Züge hervorheben. Es darf nicht vergessen werden, daß dieser Prozeß auf Befehl der Zwölfenmehrheit der Tagsatzung angehoben und dessen Fortführung von den jetzigen anbefohlen wurde. Man kann also nicht sagen, es sei blos eine Schändlichkeit, die einer Cantonsbehörde oder einem untergeord- neten Beamteten zur Last fällt, sie sind Geschöpfe der Bundesmatadoren. Der Bund von 1815 räumt der Tagsatzung gar keine Gerichtsbarkeit ein; darum scheerte sich aber die Zwölfenmehrheit nach Beendigung des Krieges nicht, und befahl die Aufhebung dieses Prozesses durch die Gerichte von Luzern. -- Es verdient bemerkt zu werden, daß man gerade die Gerichte von Luzern hierfür auserkor; man kannte dieselben und wußte, daß eine Anklage einer Verurtheilung bei denselben gleichkömmt, daß es nicht möglich ist, eine schänd- lichere Justizbehörde aufzutreiben. -- Als Unter- suchungsrichter wurde ein katholischer Aargauer Oberrichter gewählt, welcher sich besondere Ver- dienste um den Radicalismus durch seine Heuche- lei, -- derselbe liebte früher sehr, mit dem Ro- senkranz in der Kirche groß zu thun, -- dann seinen Verrath der Klöster und Katholiken im Aargau, erworben hatte. Es ist ein Mann ohne alle wissenschaftliche Bildung, ohne Kenntniß, aber von einer gewissen Routine, von einer außeror- dentlichen Verschmitztheit und, was die größte Em- pfehlung war, von einer ganz vollendeten Gewis- senlosigkeit. -- Eine der ersten Handlungen dieses Mannes war, daß er zwei junge Männer, welche als Sekretäre des Kriegsrathes bisweilen fungirt hatten, als Zeugen vor die Schranken lud, und sie dann ins Gefängniß warf. Jn diesem, wo sie wie die gemeinsten Verbrecher, wie Mörder und Räuber, behandelt wurden, ließ er sie 50 Tage schmachten, ohne auf ihre Reclamation Rück- sicht zu nehmen, vielmehr hatte er die Frechheit, beiden ins Gesicht zu sagen, daß, wenn sie nicht mehr angeben, als es bisher der Fall gewesen sei, er sie noch länger behalten und schon mürbe ma- chen werde. -- Diese Schändlichkeit ist seither in öffentlichen Blättern dem feilen Werkzeuge der Tyrannei von den Betreffenden vorgeworfen wor- den, ohne daß dasselbe etwas Anderes that, als wie ein nasser Pudel sich zu schütteln. -- Einen dritten Sekretär, welcher aber außer seiner Ge- walt war, verfolgte er als Schuldigen. -- Von

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Zitationshilfe: Die Bayerische Presse. Nr. 224. Würzburg, 18. September 1850, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_bayerische224_1850/1>, abgerufen am 29.03.2024.