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Die Bayerische Presse. Nr. 214. Würzburg, 6. September 1850.

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[Spaltenumbruch] und sein Kammerdiener, mit denen er ungehin-
dert verkehren kann. Jn einem der ihm einge-
räumten Zimmer steht ein Altar, an dem er Messe
liest. Die Fenster haben die Ausficht in den Hof
des Forts, sind aber wegen der heftigen Zugluft
für den Erzbischof nur selten zugänglich. Jeder
Verkehr mit andern Personen ist sowohl ihm, als
seinem Sekretär und Kammerdiener untersagt, und
er erhält keinen andern Besuch, als den des Gou-
verneurs Cav. Alfredo de Nonnay, der ihn mit
größter Achtung behandelt. -- Er befindet sich
ziemlich wohl, ißt mit Appetit, aber wie immer
sehr mäßig; doch verursacht ihm die beengte Le-
bensweise zuweilen Kongestionen, so daß ihm schon
einmal Blutegel gesetzt werden mußten. -- Koch
und Arzt dürfen sich ihm nur in Begleitung von
Gendarmen nähern und werden beim Kommen
und beim Weggehen aufs strengste untersucht.
Selbst in den Speisen wird nach etwa verborge-
nen Korrespondenzen gesucht. Der Erzbischof be-
wahrt übrigens seine gewöhnliche Gemüthsruhe
und Heiterkeit."

Neuestes.

Kassel, 4. Sept. Nach einer Mittheilung der
"N. Hess. Ztg." ist Hr. Lometsch aus dem Mi-
nisterium geschieden und Hr. Hassenpflug hat das
Finanzministerium übernommen.

Berlin, 2. Sept. Von einem sehr bezeich-
nenden Ausdrucke der "N. Pr. Ztg." muß Akt
genommen werden. Jn einem gegen die "Const.
Ztg." gerichteten sehr kurzen Artikel nennt sie die
Weigerung Preußens, in die Bundesversammlung
einzutreten, ein "anarchisches Auftreten". Schär-
fer kann die Parteiauffassung schwerlich ansgespro-
chen werden.

Berlin, 3. Sept. Der Const. Corresp. mel-
det, daß in Folge Beschlusses des provisorischen
Fürsten=Collegiums in dessen Sitzung vom 26.
vor. Mts. sämmtliche Unions=Regierungen ihre
ablehnende Antwort auf die österreichische Einla-
dung zur Theilnahme an dem beabsichtigten Bun-
destage haben ergehen lassen.

Nach den "Wiener Blättern" ist der dänische
General de Meza, der in der Schlacht bei Jd-
stedt entscheidend wirkte, ein Jsraelit, aus Ko-
penhagen gebürtig.

London, 2. Sept. Die sterblichen Reste
Ludwig Philipps sind heute in der Capelle von
Weybridge beigesetzt worden. Eine bedeutende
Anzahl Franzosen, darunter der Marquis von
Rumigni, ehemaliger Gesandter in Brüssel; der
Baron de Bussieres, ehemaliger Gesandter in
Neapel; der Herzog von Montmorency, der Her-
zog von Guiche, der Graf Anatole, der Graf
Montesquieu und der Graf von Jarnac hatten
sich zu einer frühen Morgenstunde in Claremont
eingefunden. Auch der belgische, der spanische
und der neapolitanische Gesandte waren anwesend.
Etwa um halb 10 Uhr ward in der schwarz be-
hangenen Capelle von Claremont eine Messe ge-
lesen. Der Sarg, welcher die Leiche des Exkönigs ent-
hielt, war von 24 Kerzen umgeben. Folgende
Jnschrift befand sich auf demselben: "Louis Phi-
lippe I., König der Franzosen. Geboren zu Pa-
ris am 6. Oktober 1773; gestorben in Claremont,
in der Graft Surrey in England, am 26. Au-
gust 1850." Nach Beendigung der Messe ward
der Sarg aus der Capelle hinausgetragen von
dem Herzog von Montmonrency, dem General
Grafen d'Haudelot, dem General Baron de Ber-
thois, dem General Grafen Dumas, dem Gene-
ral Grafen von Charbonnes und dem Grafen
Friant. Bei dem sogenannten weißen Thore ward
der Sarg in den Leichenwagen gelegt. Die Haupt-
Leidtragenden waren: der Graf von Paris, der
Herzog von Nemours, der Prinz von Joinville
und der Herzog von Aumale. Um ein Viertel
nach 12 Uhr kam der Zug in Weybridge an;
10 Männer, denen etwa 100 Personen folgten,
trugen den Sarg auf ihren Schultern in die Ca-
pelle. Eine sehr große Anzahl von Franzosen,
welche warteten, konnten des beschränkten Raumes
wegen nicht zugelassen werden. Nach Abhaltung
[Spaltenumbruch] einer Messe ward der Sarg in das Grabgewölbe
gesenkt, und der Zug kehrte nach Claremont zu-
rück.

Paris, 1. Sept. Jn Toulon sind 930 Mann
französischer Truppen nach Civitavecchia eingeschifft
worden -- ein Beweis, daß das Corps im Kir-
chenstaat noch nicht zurückgezogen wird.

Paris, 2. Sept. Heute Morgens um 9 Uhr
hat der Präsident der Republik, in Begleitung
des Ministers des Jnnern, des der auswärtigen
Angelegenheiten, des Justiz= und des Marine=Mi-
nisters, Paris verlassen. -- Die Zahl der Gene-
ralräthe, welche sich für eine Revisiön der Ver-
fassung ausgesprochen haben, beläuft sich bereits
auf zwanzig.

Frankfurt, 4. Sept. Die "preußische Denk-
schrift über die Wiederherstellung des Bundes-
tags " lautet, wie folgt: Die Zwecke, welche das
kaiserl. österr. Cabinet mit der unter dem 26.
April d. J. erfolgten Berufung einer sogenannten
außerordentlichen Plenar=Bundesversammlung ver-
bunden hat, sind nicht erreicht worden und konn-
ten nicht erreicht werden. Das kaiserl. Cabinet
war auf den Vorschlag einer freien Berathung in
formloser Conferenz nicht eingegangen, hatte An-
stand genommen, zur Wiedereinsetzung der Bun-
desversammlung einzuladen und hatte zu einer
außerordentlichen Plenar=Bundesversammlung mit
der Behauptung berufen, daß diesem Rufe zu
folgen Pflicht sei. Das Recht der Berufung und
die Pflicht des Erscheinens konnten nicht anerkannt
werden. Jn der mit der Zustimmung aller deut-
schen Regierungen erloschenen Bundesversammlung
hatte der österreichische Gesandte den Vorsitz, au-
ßerhalb derselben das österr. Cabinet kein Vor-
recht. Es konnte, gleich jeder andern deutschen
Regierung, den Vorschlag machen, die Bundes-
versammlung wieder einzusetzen, es hatte kein Recht,
mit der Berufung zu dieser, die Pflicht, ihr zu
zu folgen, aufzuerlegen. Wozu aber Oesterreich
berief, war überdies nicht die Bundesversammlung,
sondern eine sogenannte außerordentliche Plenarver-
sammlung, welche das Bundesrecht nicht kennt. Nach
diesem bildet sich eine Plenarversammlung nicht
zur Berathung, nur zur Abstimmung über einen
Gegenstand, den der engere Rath erörtert hat.
Ein solcher muß einer Plenarversammlung vor-
ausgehen. Die preußische Regierung konnte ihre
zu freier Berathung angewiesenen Bevollmächtig-
ten in die im Widerspruch mit dem Rechte beru-
fene, von den Grundgesetzen des Bundesrechts
losgelöste und dennoch den Zwang desselben in
Anspruch nehmende Versammlung nicht eintreten
lassen. Gleiches wurde von einer beträchtlichen
Zahl anderer deutschen Regierungen erkannt. So
wurde denn die sogenannte Plenarversammlung
nur von einigen deutschen Regierungen beschickt,
welche in die Mitte ihrer Bevollmächtigten den
Gesandten einer Macht aufnahmen, mit der gerade
sie den Frieden auch heute noch nicht ratificirt
haben. Die Berathungen der Versammlung ha-
ben damit geendet, daß eine Commission vorschlug,
die illegale Plenarversammlung durch Umwand-
lung in einen engeren Rath zu einem legalen
Organ werden zu lassen, daß dieser Vorschlag
nicht angenommen wurde, wohl weil man erkannte,
ein an sich illegales Bundesorgan könne durch
keine aus ihm selbst hervorgeheude Verwandlung
legal werden, und daß ein anderer Weg betreten
wurde: der, dem Antrage des kaiserl. österreich.
Cabinets auf Wiederherstellung der Bundesver-
sammlung selbst sich anzuschließen, und jenes Ca-
binet um Vornahme der Einberufung zu ersuchen.
Der Plan, die deutschen Regierungen in eine so-
genannte außerordentliche Plenarversammlung zu
nöthigen und in dieser die Verfassungsfrage be-
rathen zu lassen, ist sonach aufgegeben worden.
Das kaiserliche Cabinet ist nach seinem, von den
ihm nahe stehenden Regierungen gebilligten An-
trage vorangegangen. Es hat, von den Rücksich-
ten abgesehen, welche es bis daher zurückgehalten
hatten, geradehin und ohne den Schein eines neuen
Weges, die am 12. Juli 1848 aufgelöste Bun-
[Spaltenumbruch] desversammlung wieder berufen, und der kgl. Re-
gierung in einer unter dem 16. d. M. eingegan-
genen Note eine an sämmtliche Mitglieder des
Bundes gerichtete Einladung mitgetheilt, "sich an
der auf den 1. September d. J. anberäumten
Wiedereröffnung der Bundesversammlung zu be-
theiligen." Diese Note ist Abschrift einer De-
pesche des kaiserl. Ministerpräsidenten an den k.
k. Gesandte in Berlin vom 14. d. Mts., die
frühere Circulardepesche vom 19. Juli, und ein
Abdruck der Protokolle beigefügt, welche über die
Berathungen der sogenannten Plenarversammlung
vom 7. und 8. d. M. aufgenommen worden sind.
Wegen der Begründung des von dem k. k. österr.
Cabinet eingeschlagenen Wegs wird in der Note
vom 16. d. M. auf die eben bezeichneten Anla-
gen Bezug genommen. -- Jn diesen Anlagen
wird die Behauptung aufgestellt, daß die Bundes-
versammlung rechtlich zu bestehen niemals aufge-
hört habe; hieraus wird gefolgert, daß der kais.
Hof berechtigt sei, diesem Ruf zu folgen. Es
wird daher nachzuweisen sein, daß die Bundes-
versammlung nicht blos thatsächlich, sondern auch
rechtlich zu bestehen aufgehört hat, und daß keine
Pflicht obwaltet, der Berufung zu einer Bundes-
versammlung zu folgen. Es muß erinnert wer-
den an dasjenige, was erst vor zwei Jahren ge-
schehen. Jn ihren Beschlüssen vom 10. und 30.
März 1848 hatte die Bundesversammlung die
Revision der Bundesverfassung auf "wahrhaft na-
tionaler und zeitgemäßer" Grundlage für uner-
läßlich erklärt und den Zusammentritt der deut-
schen Nationalversammlung veranlaßt. Diese be-
schloß am 28. Juli desselben Jahres ein Gesetz,
durch welches bis zur definitiven Begründung ei-
ner Regierungsgewalt für Deutschland eine pro-
visorische Centralgewalt für alle allgemeine An-
gelegenheiten der deutschen Nation bestellt, die
Centralgewalt einem Reichsverweser übertragen
werden sollte, und dieser sie durch verantwortliche
Minister auszuüben hätte. Die beschlossene Ver-
fassungsform war unzweifelhaft die eines constitu-
tionell=monarchischen Bundesstaats; ein solcher
sollte an die Stelle des völkerrechtlichen Staaten-
bundes treten. Provisorisch sollte diese Umwand-
lung nicht in dem Sinne sein, daß nach Ablauf
einer Zeit in den Staateubund mit der Bundes-
versammlung zurückzukehren sei, sondern sie sollte
dauern bis zur definitiven Feststellung eines mit
dem Provisorium auf gleicher Basis stehenden
Verhältnisses. Diese Absicht ist unzweifelhaft.
Jn dem Bundesstaate war für die Bundesver-
sammlung eine staatsrechtliche Stellung nicht zu
finden. Schon ihre Nichterwähnung würde das
Aufhören ihres Bestehens zur Folge gehabt ha-
ben. Der dreizehnte Artikel jenes Gesetzes lau-
tet aber nachdrücklich: "Mit dem Eintritt der
Wirksamkeit der provisorischen Centralgewalt hört
das Bestehen des Bundestages auf." Es ist der
Einwand erhoben worden, daß, obschon Beschlüsse
die deutsche Verfassung unmittelbar betrafen, die
Nationalversammlung sie zu fassen nicht competent
gewesen sei. Die Untersuchung über diese Frage
kann vollkommen auf sich beruhen, denn wie es
sich damit auch verhalten möge, jene Beschlüsse
haben durch die deutschen Regierungen und ihr
Verhalten ihnen gegenüber volle rechtliche Kraft
erlangt. Die kaiserl. österr. Regierung gestattete
Sr. kaiser. Hoh. dem Erzherzog Johann die Ue-
bernahme der nur durch jene Beschlüsse geschaffe-
nen Reichsverweserwürde, und erkannte Jhn mit
allen übrigen deutschen Regierungen in dieser an.
Am 12. Juli 1848 begab sich Se. kaiserl. Hoh.
der Erzherzog Johann in die Nationalversamm-
lung; in dieser wurde Jhm das Gesetz vom 28.
Juni, mit dieser Satzung über das Aufhören des
Bestehens der Bundesversammlung, vorgelesen,
und Er gab, auf die feierliche Aufforderung des
Vorsitzenden, die Erklärnng ab: "daß Er, indem
Er das Amt antrete, dies Gesetz halten und hal-
ten lassen wolle." -- Hätte die Bundesversamm-
lung ihren Rücktritt in anderm Sinne und nicht
in dem eines Aufhörens ihres Bestehens für alle
Zeit aufgefaßt, so wäre es ihre und der Regie-
rungen Pflicht gewesen, dies nach solchem Vor-

[Spaltenumbruch] und sein Kammerdiener, mit denen er ungehin-
dert verkehren kann. Jn einem der ihm einge-
räumten Zimmer steht ein Altar, an dem er Messe
liest. Die Fenster haben die Ausficht in den Hof
des Forts, sind aber wegen der heftigen Zugluft
für den Erzbischof nur selten zugänglich. Jeder
Verkehr mit andern Personen ist sowohl ihm, als
seinem Sekretär und Kammerdiener untersagt, und
er erhält keinen andern Besuch, als den des Gou-
verneurs Cav. Alfredo de Nonnay, der ihn mit
größter Achtung behandelt. -- Er befindet sich
ziemlich wohl, ißt mit Appetit, aber wie immer
sehr mäßig; doch verursacht ihm die beengte Le-
bensweise zuweilen Kongestionen, so daß ihm schon
einmal Blutegel gesetzt werden mußten. -- Koch
und Arzt dürfen sich ihm nur in Begleitung von
Gendarmen nähern und werden beim Kommen
und beim Weggehen aufs strengste untersucht.
Selbst in den Speisen wird nach etwa verborge-
nen Korrespondenzen gesucht. Der Erzbischof be-
wahrt übrigens seine gewöhnliche Gemüthsruhe
und Heiterkeit.“

Neuestes.

Kassel, 4. Sept. Nach einer Mittheilung der
„N. Hess. Ztg.“ ist Hr. Lometsch aus dem Mi-
nisterium geschieden und Hr. Hassenpflug hat das
Finanzministerium übernommen.

Berlin, 2. Sept. Von einem sehr bezeich-
nenden Ausdrucke der „N. Pr. Ztg.“ muß Akt
genommen werden. Jn einem gegen die „Const.
Ztg.“ gerichteten sehr kurzen Artikel nennt sie die
Weigerung Preußens, in die Bundesversammlung
einzutreten, ein „anarchisches Auftreten“. Schär-
fer kann die Parteiauffassung schwerlich ansgespro-
chen werden.

Berlin, 3. Sept. Der Const. Corresp. mel-
det, daß in Folge Beschlusses des provisorischen
Fürsten=Collegiums in dessen Sitzung vom 26.
vor. Mts. sämmtliche Unions=Regierungen ihre
ablehnende Antwort auf die österreichische Einla-
dung zur Theilnahme an dem beabsichtigten Bun-
destage haben ergehen lassen.

Nach den „Wiener Blättern“ ist der dänische
General de Meza, der in der Schlacht bei Jd-
stedt entscheidend wirkte, ein Jsraelit, aus Ko-
penhagen gebürtig.

London, 2. Sept. Die sterblichen Reste
Ludwig Philipps sind heute in der Capelle von
Weybridge beigesetzt worden. Eine bedeutende
Anzahl Franzosen, darunter der Marquis von
Rumigni, ehemaliger Gesandter in Brüssel; der
Baron de Bussieres, ehemaliger Gesandter in
Neapel; der Herzog von Montmorency, der Her-
zog von Guiche, der Graf Anatole, der Graf
Montesquieu und der Graf von Jarnac hatten
sich zu einer frühen Morgenstunde in Claremont
eingefunden. Auch der belgische, der spanische
und der neapolitanische Gesandte waren anwesend.
Etwa um halb 10 Uhr ward in der schwarz be-
hangenen Capelle von Claremont eine Messe ge-
lesen. Der Sarg, welcher die Leiche des Exkönigs ent-
hielt, war von 24 Kerzen umgeben. Folgende
Jnschrift befand sich auf demselben: „Louis Phi-
lippe I., König der Franzosen. Geboren zu Pa-
ris am 6. Oktober 1773; gestorben in Claremont,
in der Graft Surrey in England, am 26. Au-
gust 1850.“ Nach Beendigung der Messe ward
der Sarg aus der Capelle hinausgetragen von
dem Herzog von Montmonrency, dem General
Grafen d'Haudelot, dem General Baron de Ber-
thois, dem General Grafen Dumas, dem Gene-
ral Grafen von Charbonnes und dem Grafen
Friant. Bei dem sogenannten weißen Thore ward
der Sarg in den Leichenwagen gelegt. Die Haupt-
Leidtragenden waren: der Graf von Paris, der
Herzog von Nemours, der Prinz von Joinville
und der Herzog von Aumale. Um ein Viertel
nach 12 Uhr kam der Zug in Weybridge an;
10 Männer, denen etwa 100 Personen folgten,
trugen den Sarg auf ihren Schultern in die Ca-
pelle. Eine sehr große Anzahl von Franzosen,
welche warteten, konnten des beschränkten Raumes
wegen nicht zugelassen werden. Nach Abhaltung
[Spaltenumbruch] einer Messe ward der Sarg in das Grabgewölbe
gesenkt, und der Zug kehrte nach Claremont zu-
rück.

Paris, 1. Sept. Jn Toulon sind 930 Mann
französischer Truppen nach Civitavecchia eingeschifft
worden -- ein Beweis, daß das Corps im Kir-
chenstaat noch nicht zurückgezogen wird.

Paris, 2. Sept. Heute Morgens um 9 Uhr
hat der Präsident der Republik, in Begleitung
des Ministers des Jnnern, des der auswärtigen
Angelegenheiten, des Justiz= und des Marine=Mi-
nisters, Paris verlassen. -- Die Zahl der Gene-
ralräthe, welche sich für eine Revisiön der Ver-
fassung ausgesprochen haben, beläuft sich bereits
auf zwanzig.

Frankfurt, 4. Sept. Die „preußische Denk-
schrift über die Wiederherstellung des Bundes-
tags “ lautet, wie folgt: Die Zwecke, welche das
kaiserl. österr. Cabinet mit der unter dem 26.
April d. J. erfolgten Berufung einer sogenannten
außerordentlichen Plenar=Bundesversammlung ver-
bunden hat, sind nicht erreicht worden und konn-
ten nicht erreicht werden. Das kaiserl. Cabinet
war auf den Vorschlag einer freien Berathung in
formloser Conferenz nicht eingegangen, hatte An-
stand genommen, zur Wiedereinsetzung der Bun-
desversammlung einzuladen und hatte zu einer
außerordentlichen Plenar=Bundesversammlung mit
der Behauptung berufen, daß diesem Rufe zu
folgen Pflicht sei. Das Recht der Berufung und
die Pflicht des Erscheinens konnten nicht anerkannt
werden. Jn der mit der Zustimmung aller deut-
schen Regierungen erloschenen Bundesversammlung
hatte der österreichische Gesandte den Vorsitz, au-
ßerhalb derselben das österr. Cabinet kein Vor-
recht. Es konnte, gleich jeder andern deutschen
Regierung, den Vorschlag machen, die Bundes-
versammlung wieder einzusetzen, es hatte kein Recht,
mit der Berufung zu dieser, die Pflicht, ihr zu
zu folgen, aufzuerlegen. Wozu aber Oesterreich
berief, war überdies nicht die Bundesversammlung,
sondern eine sogenannte außerordentliche Plenarver-
sammlung, welche das Bundesrecht nicht kennt. Nach
diesem bildet sich eine Plenarversammlung nicht
zur Berathung, nur zur Abstimmung über einen
Gegenstand, den der engere Rath erörtert hat.
Ein solcher muß einer Plenarversammlung vor-
ausgehen. Die preußische Regierung konnte ihre
zu freier Berathung angewiesenen Bevollmächtig-
ten in die im Widerspruch mit dem Rechte beru-
fene, von den Grundgesetzen des Bundesrechts
losgelöste und dennoch den Zwang desselben in
Anspruch nehmende Versammlung nicht eintreten
lassen. Gleiches wurde von einer beträchtlichen
Zahl anderer deutschen Regierungen erkannt. So
wurde denn die sogenannte Plenarversammlung
nur von einigen deutschen Regierungen beschickt,
welche in die Mitte ihrer Bevollmächtigten den
Gesandten einer Macht aufnahmen, mit der gerade
sie den Frieden auch heute noch nicht ratificirt
haben. Die Berathungen der Versammlung ha-
ben damit geendet, daß eine Commission vorschlug,
die illegale Plenarversammlung durch Umwand-
lung in einen engeren Rath zu einem legalen
Organ werden zu lassen, daß dieser Vorschlag
nicht angenommen wurde, wohl weil man erkannte,
ein an sich illegales Bundesorgan könne durch
keine aus ihm selbst hervorgeheude Verwandlung
legal werden, und daß ein anderer Weg betreten
wurde: der, dem Antrage des kaiserl. österreich.
Cabinets auf Wiederherstellung der Bundesver-
sammlung selbst sich anzuschließen, und jenes Ca-
binet um Vornahme der Einberufung zu ersuchen.
Der Plan, die deutschen Regierungen in eine so-
genannte außerordentliche Plenarversammlung zu
nöthigen und in dieser die Verfassungsfrage be-
rathen zu lassen, ist sonach aufgegeben worden.
Das kaiserliche Cabinet ist nach seinem, von den
ihm nahe stehenden Regierungen gebilligten An-
trage vorangegangen. Es hat, von den Rücksich-
ten abgesehen, welche es bis daher zurückgehalten
hatten, geradehin und ohne den Schein eines neuen
Weges, die am 12. Juli 1848 aufgelöste Bun-
[Spaltenumbruch] desversammlung wieder berufen, und der kgl. Re-
gierung in einer unter dem 16. d. M. eingegan-
genen Note eine an sämmtliche Mitglieder des
Bundes gerichtete Einladung mitgetheilt, „sich an
der auf den 1. September d. J. anberäumten
Wiedereröffnung der Bundesversammlung zu be-
theiligen.“ Diese Note ist Abschrift einer De-
pesche des kaiserl. Ministerpräsidenten an den k.
k. Gesandte in Berlin vom 14. d. Mts., die
frühere Circulardepesche vom 19. Juli, und ein
Abdruck der Protokolle beigefügt, welche über die
Berathungen der sogenannten Plenarversammlung
vom 7. und 8. d. M. aufgenommen worden sind.
Wegen der Begründung des von dem k. k. österr.
Cabinet eingeschlagenen Wegs wird in der Note
vom 16. d. M. auf die eben bezeichneten Anla-
gen Bezug genommen. -- Jn diesen Anlagen
wird die Behauptung aufgestellt, daß die Bundes-
versammlung rechtlich zu bestehen niemals aufge-
hört habe; hieraus wird gefolgert, daß der kais.
Hof berechtigt sei, diesem Ruf zu folgen. Es
wird daher nachzuweisen sein, daß die Bundes-
versammlung nicht blos thatsächlich, sondern auch
rechtlich zu bestehen aufgehört hat, und daß keine
Pflicht obwaltet, der Berufung zu einer Bundes-
versammlung zu folgen. Es muß erinnert wer-
den an dasjenige, was erst vor zwei Jahren ge-
schehen. Jn ihren Beschlüssen vom 10. und 30.
März 1848 hatte die Bundesversammlung die
Revision der Bundesverfassung auf „wahrhaft na-
tionaler und zeitgemäßer“ Grundlage für uner-
läßlich erklärt und den Zusammentritt der deut-
schen Nationalversammlung veranlaßt. Diese be-
schloß am 28. Juli desselben Jahres ein Gesetz,
durch welches bis zur definitiven Begründung ei-
ner Regierungsgewalt für Deutschland eine pro-
visorische Centralgewalt für alle allgemeine An-
gelegenheiten der deutschen Nation bestellt, die
Centralgewalt einem Reichsverweser übertragen
werden sollte, und dieser sie durch verantwortliche
Minister auszuüben hätte. Die beschlossene Ver-
fassungsform war unzweifelhaft die eines constitu-
tionell=monarchischen Bundesstaats; ein solcher
sollte an die Stelle des völkerrechtlichen Staaten-
bundes treten. Provisorisch sollte diese Umwand-
lung nicht in dem Sinne sein, daß nach Ablauf
einer Zeit in den Staateubund mit der Bundes-
versammlung zurückzukehren sei, sondern sie sollte
dauern bis zur definitiven Feststellung eines mit
dem Provisorium auf gleicher Basis stehenden
Verhältnisses. Diese Absicht ist unzweifelhaft.
Jn dem Bundesstaate war für die Bundesver-
sammlung eine staatsrechtliche Stellung nicht zu
finden. Schon ihre Nichterwähnung würde das
Aufhören ihres Bestehens zur Folge gehabt ha-
ben. Der dreizehnte Artikel jenes Gesetzes lau-
tet aber nachdrücklich: „Mit dem Eintritt der
Wirksamkeit der provisorischen Centralgewalt hört
das Bestehen des Bundestages auf.“ Es ist der
Einwand erhoben worden, daß, obschon Beschlüsse
die deutsche Verfassung unmittelbar betrafen, die
Nationalversammlung sie zu fassen nicht competent
gewesen sei. Die Untersuchung über diese Frage
kann vollkommen auf sich beruhen, denn wie es
sich damit auch verhalten möge, jene Beschlüsse
haben durch die deutschen Regierungen und ihr
Verhalten ihnen gegenüber volle rechtliche Kraft
erlangt. Die kaiserl. österr. Regierung gestattete
Sr. kaiser. Hoh. dem Erzherzog Johann die Ue-
bernahme der nur durch jene Beschlüsse geschaffe-
nen Reichsverweserwürde, und erkannte Jhn mit
allen übrigen deutschen Regierungen in dieser an.
Am 12. Juli 1848 begab sich Se. kaiserl. Hoh.
der Erzherzog Johann in die Nationalversamm-
lung; in dieser wurde Jhm das Gesetz vom 28.
Juni, mit dieser Satzung über das Aufhören des
Bestehens der Bundesversammlung, vorgelesen,
und Er gab, auf die feierliche Aufforderung des
Vorsitzenden, die Erklärnng ab: „daß Er, indem
Er das Amt antrete, dies Gesetz halten und hal-
ten lassen wolle.“ -- Hätte die Bundesversamm-
lung ihren Rücktritt in anderm Sinne und nicht
in dem eines Aufhörens ihres Bestehens für alle
Zeit aufgefaßt, so wäre es ihre und der Regie-
rungen Pflicht gewesen, dies nach solchem Vor-

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[0003] und sein Kammerdiener, mit denen er ungehin- dert verkehren kann. Jn einem der ihm einge- räumten Zimmer steht ein Altar, an dem er Messe liest. Die Fenster haben die Ausficht in den Hof des Forts, sind aber wegen der heftigen Zugluft für den Erzbischof nur selten zugänglich. Jeder Verkehr mit andern Personen ist sowohl ihm, als seinem Sekretär und Kammerdiener untersagt, und er erhält keinen andern Besuch, als den des Gou- verneurs Cav. Alfredo de Nonnay, der ihn mit größter Achtung behandelt. -- Er befindet sich ziemlich wohl, ißt mit Appetit, aber wie immer sehr mäßig; doch verursacht ihm die beengte Le- bensweise zuweilen Kongestionen, so daß ihm schon einmal Blutegel gesetzt werden mußten. -- Koch und Arzt dürfen sich ihm nur in Begleitung von Gendarmen nähern und werden beim Kommen und beim Weggehen aufs strengste untersucht. Selbst in den Speisen wird nach etwa verborge- nen Korrespondenzen gesucht. Der Erzbischof be- wahrt übrigens seine gewöhnliche Gemüthsruhe und Heiterkeit.“ Neuestes. Kassel, 4. Sept. Nach einer Mittheilung der „N. Hess. Ztg.“ ist Hr. Lometsch aus dem Mi- nisterium geschieden und Hr. Hassenpflug hat das Finanzministerium übernommen. Berlin, 2. Sept. Von einem sehr bezeich- nenden Ausdrucke der „N. Pr. Ztg.“ muß Akt genommen werden. Jn einem gegen die „Const. Ztg.“ gerichteten sehr kurzen Artikel nennt sie die Weigerung Preußens, in die Bundesversammlung einzutreten, ein „anarchisches Auftreten“. Schär- fer kann die Parteiauffassung schwerlich ansgespro- chen werden. Berlin, 3. Sept. Der Const. Corresp. mel- det, daß in Folge Beschlusses des provisorischen Fürsten=Collegiums in dessen Sitzung vom 26. vor. Mts. sämmtliche Unions=Regierungen ihre ablehnende Antwort auf die österreichische Einla- dung zur Theilnahme an dem beabsichtigten Bun- destage haben ergehen lassen. Nach den „Wiener Blättern“ ist der dänische General de Meza, der in der Schlacht bei Jd- stedt entscheidend wirkte, ein Jsraelit, aus Ko- penhagen gebürtig. London, 2. Sept. Die sterblichen Reste Ludwig Philipps sind heute in der Capelle von Weybridge beigesetzt worden. Eine bedeutende Anzahl Franzosen, darunter der Marquis von Rumigni, ehemaliger Gesandter in Brüssel; der Baron de Bussieres, ehemaliger Gesandter in Neapel; der Herzog von Montmorency, der Her- zog von Guiche, der Graf Anatole, der Graf Montesquieu und der Graf von Jarnac hatten sich zu einer frühen Morgenstunde in Claremont eingefunden. Auch der belgische, der spanische und der neapolitanische Gesandte waren anwesend. Etwa um halb 10 Uhr ward in der schwarz be- hangenen Capelle von Claremont eine Messe ge- lesen. Der Sarg, welcher die Leiche des Exkönigs ent- hielt, war von 24 Kerzen umgeben. Folgende Jnschrift befand sich auf demselben: „Louis Phi- lippe I., König der Franzosen. Geboren zu Pa- ris am 6. Oktober 1773; gestorben in Claremont, in der Graft Surrey in England, am 26. Au- gust 1850.“ Nach Beendigung der Messe ward der Sarg aus der Capelle hinausgetragen von dem Herzog von Montmonrency, dem General Grafen d'Haudelot, dem General Baron de Ber- thois, dem General Grafen Dumas, dem Gene- ral Grafen von Charbonnes und dem Grafen Friant. Bei dem sogenannten weißen Thore ward der Sarg in den Leichenwagen gelegt. Die Haupt- Leidtragenden waren: der Graf von Paris, der Herzog von Nemours, der Prinz von Joinville und der Herzog von Aumale. Um ein Viertel nach 12 Uhr kam der Zug in Weybridge an; 10 Männer, denen etwa 100 Personen folgten, trugen den Sarg auf ihren Schultern in die Ca- pelle. Eine sehr große Anzahl von Franzosen, welche warteten, konnten des beschränkten Raumes wegen nicht zugelassen werden. Nach Abhaltung einer Messe ward der Sarg in das Grabgewölbe gesenkt, und der Zug kehrte nach Claremont zu- rück. Paris, 1. Sept. Jn Toulon sind 930 Mann französischer Truppen nach Civitavecchia eingeschifft worden -- ein Beweis, daß das Corps im Kir- chenstaat noch nicht zurückgezogen wird. Paris, 2. Sept. Heute Morgens um 9 Uhr hat der Präsident der Republik, in Begleitung des Ministers des Jnnern, des der auswärtigen Angelegenheiten, des Justiz= und des Marine=Mi- nisters, Paris verlassen. -- Die Zahl der Gene- ralräthe, welche sich für eine Revisiön der Ver- fassung ausgesprochen haben, beläuft sich bereits auf zwanzig. Frankfurt, 4. Sept. Die „preußische Denk- schrift über die Wiederherstellung des Bundes- tags “ lautet, wie folgt: Die Zwecke, welche das kaiserl. österr. Cabinet mit der unter dem 26. April d. J. erfolgten Berufung einer sogenannten außerordentlichen Plenar=Bundesversammlung ver- bunden hat, sind nicht erreicht worden und konn- ten nicht erreicht werden. Das kaiserl. Cabinet war auf den Vorschlag einer freien Berathung in formloser Conferenz nicht eingegangen, hatte An- stand genommen, zur Wiedereinsetzung der Bun- desversammlung einzuladen und hatte zu einer außerordentlichen Plenar=Bundesversammlung mit der Behauptung berufen, daß diesem Rufe zu folgen Pflicht sei. Das Recht der Berufung und die Pflicht des Erscheinens konnten nicht anerkannt werden. Jn der mit der Zustimmung aller deut- schen Regierungen erloschenen Bundesversammlung hatte der österreichische Gesandte den Vorsitz, au- ßerhalb derselben das österr. Cabinet kein Vor- recht. Es konnte, gleich jeder andern deutschen Regierung, den Vorschlag machen, die Bundes- versammlung wieder einzusetzen, es hatte kein Recht, mit der Berufung zu dieser, die Pflicht, ihr zu zu folgen, aufzuerlegen. Wozu aber Oesterreich berief, war überdies nicht die Bundesversammlung, sondern eine sogenannte außerordentliche Plenarver- sammlung, welche das Bundesrecht nicht kennt. Nach diesem bildet sich eine Plenarversammlung nicht zur Berathung, nur zur Abstimmung über einen Gegenstand, den der engere Rath erörtert hat. Ein solcher muß einer Plenarversammlung vor- ausgehen. Die preußische Regierung konnte ihre zu freier Berathung angewiesenen Bevollmächtig- ten in die im Widerspruch mit dem Rechte beru- fene, von den Grundgesetzen des Bundesrechts losgelöste und dennoch den Zwang desselben in Anspruch nehmende Versammlung nicht eintreten lassen. Gleiches wurde von einer beträchtlichen Zahl anderer deutschen Regierungen erkannt. So wurde denn die sogenannte Plenarversammlung nur von einigen deutschen Regierungen beschickt, welche in die Mitte ihrer Bevollmächtigten den Gesandten einer Macht aufnahmen, mit der gerade sie den Frieden auch heute noch nicht ratificirt haben. Die Berathungen der Versammlung ha- ben damit geendet, daß eine Commission vorschlug, die illegale Plenarversammlung durch Umwand- lung in einen engeren Rath zu einem legalen Organ werden zu lassen, daß dieser Vorschlag nicht angenommen wurde, wohl weil man erkannte, ein an sich illegales Bundesorgan könne durch keine aus ihm selbst hervorgeheude Verwandlung legal werden, und daß ein anderer Weg betreten wurde: der, dem Antrage des kaiserl. österreich. Cabinets auf Wiederherstellung der Bundesver- sammlung selbst sich anzuschließen, und jenes Ca- binet um Vornahme der Einberufung zu ersuchen. Der Plan, die deutschen Regierungen in eine so- genannte außerordentliche Plenarversammlung zu nöthigen und in dieser die Verfassungsfrage be- rathen zu lassen, ist sonach aufgegeben worden. Das kaiserliche Cabinet ist nach seinem, von den ihm nahe stehenden Regierungen gebilligten An- trage vorangegangen. Es hat, von den Rücksich- ten abgesehen, welche es bis daher zurückgehalten hatten, geradehin und ohne den Schein eines neuen Weges, die am 12. Juli 1848 aufgelöste Bun- desversammlung wieder berufen, und der kgl. Re- gierung in einer unter dem 16. d. M. eingegan- genen Note eine an sämmtliche Mitglieder des Bundes gerichtete Einladung mitgetheilt, „sich an der auf den 1. September d. J. anberäumten Wiedereröffnung der Bundesversammlung zu be- theiligen.“ Diese Note ist Abschrift einer De- pesche des kaiserl. Ministerpräsidenten an den k. k. Gesandte in Berlin vom 14. d. Mts., die frühere Circulardepesche vom 19. Juli, und ein Abdruck der Protokolle beigefügt, welche über die Berathungen der sogenannten Plenarversammlung vom 7. und 8. d. M. aufgenommen worden sind. Wegen der Begründung des von dem k. k. österr. Cabinet eingeschlagenen Wegs wird in der Note vom 16. d. 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Hoh. der Erzherzog Johann in die Nationalversamm- lung; in dieser wurde Jhm das Gesetz vom 28. Juni, mit dieser Satzung über das Aufhören des Bestehens der Bundesversammlung, vorgelesen, und Er gab, auf die feierliche Aufforderung des Vorsitzenden, die Erklärnng ab: „daß Er, indem Er das Amt antrete, dies Gesetz halten und hal- ten lassen wolle.“ -- Hätte die Bundesversamm- lung ihren Rücktritt in anderm Sinne und nicht in dem eines Aufhörens ihres Bestehens für alle Zeit aufgefaßt, so wäre es ihre und der Regie- rungen Pflicht gewesen, dies nach solchem Vor-

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Zitationshilfe: Die Bayerische Presse. Nr. 214. Würzburg, 6. September 1850, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_bayerische214_1850/3>, abgerufen am 29.03.2024.