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Die Bayerische Presse. Nr. 156. Würzburg, 1. Juli 1850.

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[Spaltenumbruch] Folge des gestern Abend ihm gebrachten Fackel-
zugs folgendes Schreiben an den functionirenden
Bürgermeister ergehen lassen: "Euer Wohlgebo-
ren! Bei dem gestern stattgehabten Fackelzug, der
mir stets eine schmeichelhafte Erinnerung bleiben
wird, hatte ich nur zu beklagen, daß nicht eine
größere Anzahl Bürger der Stadt Speyer sowohl
meinen Dank, als den Ausdruck meiner Gesin-
nungen hat vernehmen können! Als ein treuer
Diener meines Herrn, unseres geliebten Königs,
habe ich die mir dargebrachte ehrenvolle Auszeich-
nung lediglich als den Dank angesehen, welchen
eine große Anzahl achtbarer Bürger der Stadt
Sr. Maj. dem König bei Verkündung der Auf-
hebung des Kriegszustandes in der Pfalz hat öf-
fentlich aussprechen wollen. Jn dieser Gesinnung
sehe ich die Bürgschaft einer schönen Zukunft, denn
zu all' den Segnungen, in deren Besitz die Pfalz
ist und unter der glorreichen Regierung unserem
König ungeschmälert erhalten wurde, gehört nichts,
um ihr Glück dauernd zu begründen, als ihr fe-
ster und inniger Anschluß an die milde und ge-
rechte Regierung, der wir uns zu erfreuen haben.
Auch ich ermahne zur Einigkeit, aber nicht im
Sinne des Widerspruchs und der Abwehr gegen
vermeintliche Angriffe von einer Seite, die an kei-
nen Angriff denkt, -- sondern im Sinne vollkom-
meuer Versöhnung und innigen Anschlusses an un-
ser gemeinsames Vaterland. Die Continuität des
Gebiets ist nur so lange ein frommer Wunsch,
bis wir es verstehen, mit unsern Herzen eine
Brücke bis in die Hofburg nach München zu
schlagen. Von dort her kommt Glück und Se-
gen und nicht von jenem ängstlichen Drängen und
Treiben, das die Pfalz wieder zu jener abschüssi-
gen Bahn unvermerkt hinzieht, auf deren schwin-
delnder Höhe sie sich nicht zu erhalten wußte! --
Sagen Sie Jhren verehrten Mitbürgern, daß
wenn ich so glücklich war, einiges Vertrauen zu
erwerben, ich auch damit das Recht erworben
habe, meinen auf langjährige Erfahrung und vor-
urtheilsfreier Beurtheilung unserer Verhältnisse ge-
gründeten Rath in die Wageschaale der öffentli-
chen Angelegenheiten der Pfalz zu legen. Halten
Sie fest am König und an der Verfassung, und
lassen Sie sich das Vertrauen nicht untergraben,
daß Sie das Wohl des Landes nur da zu suchen
haben, und daß eine jede Umwälzung, sie mag
Namen haben, welchen sie will, die Pfalz in das
Verderben stürtzen muß, ganz abgesehen davon,
daß der Uebergang von einem Zustand in den
andern solchen blutigen Zusammenstoß zur Folge
haben wird, daß ein kleines Opfer der Eitelkeit
und Selbstsucht Jhrer gegenwärtigen Parteiungen
dagegen zu Nichts zusammenschrumpft! -- Jndem
ich Euer Wohlgeboren, so wie die verehrl. Bür-
gerschaft hochachtungsvoll grüße, habe ich die Ehre,
zu bestehen Jhr ergebener Diener: ( gez. ) Karl
Theodor Fürst v. Thurn u. Taxis, Generallieu-
tenant. Speyer, 23. Juni 1850." -- Bei Ge-
legenheit des Fackelzugs hielt Se. Durchl. vom
Fenster aus eine kurze, aber eindringliche Rede an
die Versammelten, und schloß mit einem Hoch auf
Se. Maj. den König, welches von den Tausen-
den, die zugegen waren, in stürmischer Weise wie-
derholt wurde.

   

Frankfurt, 21. Juni. ( Forts. der Denkschrift
des kaiserl. österreichischen Handelsministers ec. ec. )
Gerade diese wirthschaftliche, diese continentale und
maritime Ergänzung und Abrundung, welche durch
den Zusammenschluß der österreichischen, mittel-
deutschen und norddeutschen Zollgruppen gewonnen
wird; sodann die Größe des dadurch zum freien
Austausche aller eigenen oder einmal eingeführten
Erzeugnisse erlangten Marktes, Beides wird die
Handelspolitik dieses mächtigen Zollbundes verein-
fachen und eine praktische Verständigung über das
leitende Grundprincip derselben herbeiführen. Trotz
des kurzen Bestehens des Zollvereins und seiner
im Ganzen unzweifelhaft günstigen Wirkungen
hatte sich doch bereits ein Zwiespalt der Ansichten
über das Zollsystem von der größten Schärfe und
Schroffheit in demselben festgestellt, und in der
That wäre kaum abzusehen, wie dieser Widerspruch
zur wahren Befriedigung beider Theile gelöst wer-
[Spaltenumbruch] den könnte, wenn der Zollverein auf seine jetzigen,
öconomisch engen und ungenügenden Grenzen be-
schränkt bliebe, selbst wenn es ihm gelänge, sich
einseitig nach der Nordsee auszudehnen. Der
Süden und Westen würden sich in ihrer beeng-
ten Lage gespornt fühlen, immer entschiedener auf
ein höheres Schutzsystem zu dringen; die nord-
deutschen Küstenländer würden immer abgeneigter
werden, einem solchen Verlangen nachzugeben, weil
beide Theile für ihre vorwiegende Thätigkeit bei
der fortdauernden Scheidewand gegen den gesamm-
ten Südosten keinen genügenden Spielraum er-
langten. Gegensätze aber, die nach einem Natur-
gesetze innerhalb enger Grenzen immer schroffer
werden, und entweder zu neuer Spaltung oder zu
Unterdrückung des einen Theils durch den andern
führen, können durch Erweiterung der Grenzen
überwunden und zu einem Höheren vermittelt wer-
den. Jn dem vereinigten Königreich der Nieder-
lande waren die vielfach verwandten nördlichen
und südlichen Theil zwar durch die gewichtigsten
materiellen Bande verknüpft, dennoch reichten diese
innerhalb der engen Grenzen zur Vermittelung des
in den Jnteressen vorhandenen Dualismus nicht
aus, und dieser führte weiter und weiter bis zur
Wiederabtretung Belgiens von Holland, die viel-
leicht nie erfolgt wäre, wenn das vereinigte Kö-
nigreich der Niederlande einem größeren handels-
politischen Bunde angehört hätte, in dessen weiten
Grenzen jene Gegensätze sich auszugleichen und
zu versöhnen hinlänglich Raum gefunden hätten.
Der Spielraum, den der Anschluß Oesterreichs an
den deutschen Zollbund in jeder Richtung der Ue-
berzeugung und des Verkehrs nach Osten eröff-
nete; die volkswirthschaftliche und handelspolitische
Ergänzung, welche damit nothwendig verbunden
wäre, würde jenem bedenklichen Dualismus der
Ansichten und Jnteressen thatsächlich sofort die
Spitze abbrechen, und fortan auf der gewonnenen
breiten öconomischen Grundlage den ungestörten,
der Wohlfahrt des Ganzen entsprechenden Ausbau
der einheitlichen Handelspolitik gestatten. Darum
ist es wahrscheinlich, daß die Nordseestaaten unter
den in beiden Fällen sonst gleichmäßigen Bedin-
gungen sich weit eher entschließen werden, einem
70 Mill. Bewohner umfassenden österreichisch=deut-
schen Zollverbande mit verhältnißmäßig wirksamen
Schutzzöllen für die Haupt=Jndustriezweige, als
dem Zollverein in seinem gegenwärtigen Bestande
beizutreten. Jn der That, die unbefangenen Freunde
der Handelsfreiheit müssen im mitteleuropäischen
Handelsbunde einen unendlich wichtigeren Schritt
zur wahren Verkehrsfreiheit erblicken, als in der
bloßen Ausdehnung des Zollvereins über die Nord-
seestaaten, und gerade bei festbegründeter Ueber-
zeugung von der Wahrheit ihrer Ansichten müssen
sie der wohlthätigen Wirkungen des freien Ver-
kehrs auf einem so umfassenden Territorium so
gewiß sein, daß sie aus jenem Schritte viele wei-
tere in gleicher Richtung und endlich den Sieg
ihrer Sache ableiten sollten. Andererseits müssen
aber auch die Anhänger eines rationellen Schutz-
zoll- und Reciprocitätssystems jenem großen Han-
delsbund den Vorzug geben, nicht blos, weil hier
die nationale Grundlage die breiteteste und um-
fassendste, sondern auch weil dieser Handelskörper
allein im Stande ist, jenes System zur vollstän-
digen Durchführung zu bringen. Handelsfreiheit
und Schutzzollsystem bilden nicht im Princip noth-
wendige Gegensätze, und der Kampf zwischen
Schutzzoll und Freihandel kann durch die öster-
reichisch = deutsche Zolleinigung auf befriedigende
Weise gelöst werden. Durch diese Einigung wird
dem einen wie dem andern Princip wesentlich
Rechnung getragen, denn je kleiner das Land,
desto bedenklicher wird der Schutzzoll, desto noth-
wendiger der Freihandel; je ausgedehnter dagegen
der eigene Markt, desto größer der innere Mit-
bewerb; je größer dieser, desto unmöglicher das
Monopol, desto niederer die Waarenpreise, desto
größer auch die Fähigkeit zum Mitbewerb auf
dem Weltmarkte. Auf einem engen Markte wird
der Schutzzoll zum Vorrecht der Einzelnen und
zur Bürde der Uebrigen; auf einem weiten Markte
gleicht sich dies zum Vortheil des Ganzen bald
[Spaltenumbruch] aus, der spornende Schutz erweckt die schlummern-
den Kräfte zur Thätigkeit, er verleiht den nöthi-
gen freien Spielraum zum Erstarken und gibt
dem Auslande gegenüber die fehlende Ebenbürtig-
keit. Allerdings begegnet man, auf den Stand-
punkt der Sonderinteressen hinuntersteigend, noch
manchen Befürchtungen und Conflieten. Allein
war es anders, als man in den dreißiger Jahren
zum Abschlusse der Zollvereinsverträge schritt?

   

Frankfurt, 28. Juni. Es hat mit der Union
die eigenthümliche Bewandtniß, daß sie gewöhn-
lich dann in einem abnehmenden Stadium sich be-
findet, wenn sie äußerlich in sehr glänzenden Ver-
hältnissen hervortritt. Auch gegenwärtig, wo das
Fürsten=Collegium eröffnet, Unions=Minister desig-
nirt und Herr v. Radowitz ernannt ist, dürfte
nicht alles Gold sein, was in den gothaischen
Blättern leuchtet. Gerade in diesem Momente
ist vielleicht die Sache der propagandistischen Union
schlechter als je bestellt. Preußen darf nach den
letzten Vorgängen nicht mehr die Hoffnung haben,
sich auf revolutionäre Kräfte zu stützen, es mögen
diese sich im gothaischen oder im demokratischen
Lager befinden. Die Union aber kann nur dann
durchdringen, wenn sie sich auf revolutionäre Ele-
mente stützt; denn sie ist eine Frucht und Conse-
quenz der Revolution. "Ja, es ist der Nachhall
der Revolution vom vorigen Jahre," rief Herr
Camphausen auf der Tribüne zu Berlin aus. Es
ist aber mehr als Nachhall der Revolution in der
Union, es ist eine Revolution selbst in diesem
Projekte, wo eine Verfassung für ganz Deutsch-
land einseitig hingestellt wird. Die "deutsche Union"
dieser Name bekundet ein Prinzip, welches man
nur als revolutionär bezeichnen kann. Nicht " preu-
ßische Union" nennt die preußische Regierung das
von ihr gestiftete Bündniß, Deutschland, das
ganze Deutschland, Deutschland ohne Oesterreich,
vielleicht zum Theile auch dieses, soll die Union
umfassen, den deutschen Bund soll sie ersetzen, das
ist doch wohl nur gegen den Willen der süddeut-
schen Regierungen möglich, man muß auf revo-
lutionärem Wege dahin gelangen, gleichviel, ob
sich die Revolution in Emeuten oder in Steuer-
verwilligung äußert. Dürfte aber die preußische
Regierung nach den gegenwärtigen Vorgängen
noch hoffen, die Revolution in die Hand nehmend,
sie leiten zu können? Es ist eine alte Regel, daß
die Revolution ihre eigenen Kinder frißt. Sollte
die preußische Regierung, die sich mit solcher Ver-
kennung aller nicht nur revolutionären, sondern
sogar liberaler Ansprüche benimmt, noch glauben
können, diesen Löwen als Jagdhund zu benützen?
Schon das nächste Parlament zu Erfurt würde
sie in eine Lage versetzen, aus der sie sich nur
durch eine rettende That würde ziehen können,
und Preußen dürfte bereits des Eclats genug ha-
ben, und zwar eines Eclats, der nicht gerade zu
seinem Vortheile war. Unsere Nachbarn an der
Spree haben sich daran gewöhnt, stets von der
Ehre zu sprechen; die Pariser gloire hat in Ber-
lin ihren Doppelgänger gefunden. Bei einem
Staate, der durchweg militärisch organisirt ist,
mußte auch dieser Hebel besonders in Anwendung
kommen. Die politische Ehre aber soll Preußen
nicht erlauben von seinem Wege umzukehren, so
lange nicht alle Wege zum Ziele zu gelangen,
erschöpft sind, so lange es nicht an "die Grenze
des Möglichen" gegangen ist. Jrren wir jedoch
nicht, so ist diese Grenze des Möglichen so weit
nicht, und ein "Anschwellen des Plenums," wie
es ein scharfsinniger Staatsmann nannte, nicht
mehr so ferne. Es ist jedenfalls klug von den
Leitern des preußischen Staates, jene Persönlich-
keit, welche diese Politik von Anfang an trug,
auch die letzten Versuche, von denen zu vermuthen
steht, sie würden scheitern, machen und dann diese
Persönlichkeit fallen zu lassen, damit das Cabinet
um kein theures Haupt ärmer würde, aber die
preußischen gotha'schen Organe, die seit einigen
Tagen wieder entzückt sind, thäten nach so man-
chen gemachten Erfahren doch gut, etwas weniger
laut zu jubeln. Besonders wäre dies der Deut-

[Spaltenumbruch] Folge des gestern Abend ihm gebrachten Fackel-
zugs folgendes Schreiben an den functionirenden
Bürgermeister ergehen lassen: „Euer Wohlgebo-
ren! Bei dem gestern stattgehabten Fackelzug, der
mir stets eine schmeichelhafte Erinnerung bleiben
wird, hatte ich nur zu beklagen, daß nicht eine
größere Anzahl Bürger der Stadt Speyer sowohl
meinen Dank, als den Ausdruck meiner Gesin-
nungen hat vernehmen können! Als ein treuer
Diener meines Herrn, unseres geliebten Königs,
habe ich die mir dargebrachte ehrenvolle Auszeich-
nung lediglich als den Dank angesehen, welchen
eine große Anzahl achtbarer Bürger der Stadt
Sr. Maj. dem König bei Verkündung der Auf-
hebung des Kriegszustandes in der Pfalz hat öf-
fentlich aussprechen wollen. Jn dieser Gesinnung
sehe ich die Bürgschaft einer schönen Zukunft, denn
zu all' den Segnungen, in deren Besitz die Pfalz
ist und unter der glorreichen Regierung unserem
König ungeschmälert erhalten wurde, gehört nichts,
um ihr Glück dauernd zu begründen, als ihr fe-
ster und inniger Anschluß an die milde und ge-
rechte Regierung, der wir uns zu erfreuen haben.
Auch ich ermahne zur Einigkeit, aber nicht im
Sinne des Widerspruchs und der Abwehr gegen
vermeintliche Angriffe von einer Seite, die an kei-
nen Angriff denkt, -- sondern im Sinne vollkom-
meuer Versöhnung und innigen Anschlusses an un-
ser gemeinsames Vaterland. Die Continuität des
Gebiets ist nur so lange ein frommer Wunsch,
bis wir es verstehen, mit unsern Herzen eine
Brücke bis in die Hofburg nach München zu
schlagen. Von dort her kommt Glück und Se-
gen und nicht von jenem ängstlichen Drängen und
Treiben, das die Pfalz wieder zu jener abschüssi-
gen Bahn unvermerkt hinzieht, auf deren schwin-
delnder Höhe sie sich nicht zu erhalten wußte! --
Sagen Sie Jhren verehrten Mitbürgern, daß
wenn ich so glücklich war, einiges Vertrauen zu
erwerben, ich auch damit das Recht erworben
habe, meinen auf langjährige Erfahrung und vor-
urtheilsfreier Beurtheilung unserer Verhältnisse ge-
gründeten Rath in die Wageschaale der öffentli-
chen Angelegenheiten der Pfalz zu legen. Halten
Sie fest am König und an der Verfassung, und
lassen Sie sich das Vertrauen nicht untergraben,
daß Sie das Wohl des Landes nur da zu suchen
haben, und daß eine jede Umwälzung, sie mag
Namen haben, welchen sie will, die Pfalz in das
Verderben stürtzen muß, ganz abgesehen davon,
daß der Uebergang von einem Zustand in den
andern solchen blutigen Zusammenstoß zur Folge
haben wird, daß ein kleines Opfer der Eitelkeit
und Selbstsucht Jhrer gegenwärtigen Parteiungen
dagegen zu Nichts zusammenschrumpft! -- Jndem
ich Euer Wohlgeboren, so wie die verehrl. Bür-
gerschaft hochachtungsvoll grüße, habe ich die Ehre,
zu bestehen Jhr ergebener Diener: ( gez. ) Karl
Theodor Fürst v. Thurn u. Taxis, Generallieu-
tenant. Speyer, 23. Juni 1850.“ -- Bei Ge-
legenheit des Fackelzugs hielt Se. Durchl. vom
Fenster aus eine kurze, aber eindringliche Rede an
die Versammelten, und schloß mit einem Hoch auf
Se. Maj. den König, welches von den Tausen-
den, die zugegen waren, in stürmischer Weise wie-
derholt wurde.

   

Frankfurt, 21. Juni. ( Forts. der Denkschrift
des kaiserl. österreichischen Handelsministers ec. ec. )
Gerade diese wirthschaftliche, diese continentale und
maritime Ergänzung und Abrundung, welche durch
den Zusammenschluß der österreichischen, mittel-
deutschen und norddeutschen Zollgruppen gewonnen
wird; sodann die Größe des dadurch zum freien
Austausche aller eigenen oder einmal eingeführten
Erzeugnisse erlangten Marktes, Beides wird die
Handelspolitik dieses mächtigen Zollbundes verein-
fachen und eine praktische Verständigung über das
leitende Grundprincip derselben herbeiführen. Trotz
des kurzen Bestehens des Zollvereins und seiner
im Ganzen unzweifelhaft günstigen Wirkungen
hatte sich doch bereits ein Zwiespalt der Ansichten
über das Zollsystem von der größten Schärfe und
Schroffheit in demselben festgestellt, und in der
That wäre kaum abzusehen, wie dieser Widerspruch
zur wahren Befriedigung beider Theile gelöst wer-
[Spaltenumbruch] den könnte, wenn der Zollverein auf seine jetzigen,
öconomisch engen und ungenügenden Grenzen be-
schränkt bliebe, selbst wenn es ihm gelänge, sich
einseitig nach der Nordsee auszudehnen. Der
Süden und Westen würden sich in ihrer beeng-
ten Lage gespornt fühlen, immer entschiedener auf
ein höheres Schutzsystem zu dringen; die nord-
deutschen Küstenländer würden immer abgeneigter
werden, einem solchen Verlangen nachzugeben, weil
beide Theile für ihre vorwiegende Thätigkeit bei
der fortdauernden Scheidewand gegen den gesamm-
ten Südosten keinen genügenden Spielraum er-
langten. Gegensätze aber, die nach einem Natur-
gesetze innerhalb enger Grenzen immer schroffer
werden, und entweder zu neuer Spaltung oder zu
Unterdrückung des einen Theils durch den andern
führen, können durch Erweiterung der Grenzen
überwunden und zu einem Höheren vermittelt wer-
den. Jn dem vereinigten Königreich der Nieder-
lande waren die vielfach verwandten nördlichen
und südlichen Theil zwar durch die gewichtigsten
materiellen Bande verknüpft, dennoch reichten diese
innerhalb der engen Grenzen zur Vermittelung des
in den Jnteressen vorhandenen Dualismus nicht
aus, und dieser führte weiter und weiter bis zur
Wiederabtretung Belgiens von Holland, die viel-
leicht nie erfolgt wäre, wenn das vereinigte Kö-
nigreich der Niederlande einem größeren handels-
politischen Bunde angehört hätte, in dessen weiten
Grenzen jene Gegensätze sich auszugleichen und
zu versöhnen hinlänglich Raum gefunden hätten.
Der Spielraum, den der Anschluß Oesterreichs an
den deutschen Zollbund in jeder Richtung der Ue-
berzeugung und des Verkehrs nach Osten eröff-
nete; die volkswirthschaftliche und handelspolitische
Ergänzung, welche damit nothwendig verbunden
wäre, würde jenem bedenklichen Dualismus der
Ansichten und Jnteressen thatsächlich sofort die
Spitze abbrechen, und fortan auf der gewonnenen
breiten öconomischen Grundlage den ungestörten,
der Wohlfahrt des Ganzen entsprechenden Ausbau
der einheitlichen Handelspolitik gestatten. Darum
ist es wahrscheinlich, daß die Nordseestaaten unter
den in beiden Fällen sonst gleichmäßigen Bedin-
gungen sich weit eher entschließen werden, einem
70 Mill. Bewohner umfassenden österreichisch=deut-
schen Zollverbande mit verhältnißmäßig wirksamen
Schutzzöllen für die Haupt=Jndustriezweige, als
dem Zollverein in seinem gegenwärtigen Bestande
beizutreten. Jn der That, die unbefangenen Freunde
der Handelsfreiheit müssen im mitteleuropäischen
Handelsbunde einen unendlich wichtigeren Schritt
zur wahren Verkehrsfreiheit erblicken, als in der
bloßen Ausdehnung des Zollvereins über die Nord-
seestaaten, und gerade bei festbegründeter Ueber-
zeugung von der Wahrheit ihrer Ansichten müssen
sie der wohlthätigen Wirkungen des freien Ver-
kehrs auf einem so umfassenden Territorium so
gewiß sein, daß sie aus jenem Schritte viele wei-
tere in gleicher Richtung und endlich den Sieg
ihrer Sache ableiten sollten. Andererseits müssen
aber auch die Anhänger eines rationellen Schutz-
zoll- und Reciprocitätssystems jenem großen Han-
delsbund den Vorzug geben, nicht blos, weil hier
die nationale Grundlage die breiteteste und um-
fassendste, sondern auch weil dieser Handelskörper
allein im Stande ist, jenes System zur vollstän-
digen Durchführung zu bringen. Handelsfreiheit
und Schutzzollsystem bilden nicht im Princip noth-
wendige Gegensätze, und der Kampf zwischen
Schutzzoll und Freihandel kann durch die öster-
reichisch = deutsche Zolleinigung auf befriedigende
Weise gelöst werden. Durch diese Einigung wird
dem einen wie dem andern Princip wesentlich
Rechnung getragen, denn je kleiner das Land,
desto bedenklicher wird der Schutzzoll, desto noth-
wendiger der Freihandel; je ausgedehnter dagegen
der eigene Markt, desto größer der innere Mit-
bewerb; je größer dieser, desto unmöglicher das
Monopol, desto niederer die Waarenpreise, desto
größer auch die Fähigkeit zum Mitbewerb auf
dem Weltmarkte. Auf einem engen Markte wird
der Schutzzoll zum Vorrecht der Einzelnen und
zur Bürde der Uebrigen; auf einem weiten Markte
gleicht sich dies zum Vortheil des Ganzen bald
[Spaltenumbruch] aus, der spornende Schutz erweckt die schlummern-
den Kräfte zur Thätigkeit, er verleiht den nöthi-
gen freien Spielraum zum Erstarken und gibt
dem Auslande gegenüber die fehlende Ebenbürtig-
keit. Allerdings begegnet man, auf den Stand-
punkt der Sonderinteressen hinuntersteigend, noch
manchen Befürchtungen und Conflieten. Allein
war es anders, als man in den dreißiger Jahren
zum Abschlusse der Zollvereinsverträge schritt?

   

Frankfurt, 28. Juni. Es hat mit der Union
die eigenthümliche Bewandtniß, daß sie gewöhn-
lich dann in einem abnehmenden Stadium sich be-
findet, wenn sie äußerlich in sehr glänzenden Ver-
hältnissen hervortritt. Auch gegenwärtig, wo das
Fürsten=Collegium eröffnet, Unions=Minister desig-
nirt und Herr v. Radowitz ernannt ist, dürfte
nicht alles Gold sein, was in den gothaischen
Blättern leuchtet. Gerade in diesem Momente
ist vielleicht die Sache der propagandistischen Union
schlechter als je bestellt. Preußen darf nach den
letzten Vorgängen nicht mehr die Hoffnung haben,
sich auf revolutionäre Kräfte zu stützen, es mögen
diese sich im gothaischen oder im demokratischen
Lager befinden. Die Union aber kann nur dann
durchdringen, wenn sie sich auf revolutionäre Ele-
mente stützt; denn sie ist eine Frucht und Conse-
quenz der Revolution. „Ja, es ist der Nachhall
der Revolution vom vorigen Jahre,“ rief Herr
Camphausen auf der Tribüne zu Berlin aus. Es
ist aber mehr als Nachhall der Revolution in der
Union, es ist eine Revolution selbst in diesem
Projekte, wo eine Verfassung für ganz Deutsch-
land einseitig hingestellt wird. Die „deutsche Union“
dieser Name bekundet ein Prinzip, welches man
nur als revolutionär bezeichnen kann. Nicht „ preu-
ßische Union“ nennt die preußische Regierung das
von ihr gestiftete Bündniß, Deutschland, das
ganze Deutschland, Deutschland ohne Oesterreich,
vielleicht zum Theile auch dieses, soll die Union
umfassen, den deutschen Bund soll sie ersetzen, das
ist doch wohl nur gegen den Willen der süddeut-
schen Regierungen möglich, man muß auf revo-
lutionärem Wege dahin gelangen, gleichviel, ob
sich die Revolution in Emeuten oder in Steuer-
verwilligung äußert. Dürfte aber die preußische
Regierung nach den gegenwärtigen Vorgängen
noch hoffen, die Revolution in die Hand nehmend,
sie leiten zu können? Es ist eine alte Regel, daß
die Revolution ihre eigenen Kinder frißt. Sollte
die preußische Regierung, die sich mit solcher Ver-
kennung aller nicht nur revolutionären, sondern
sogar liberaler Ansprüche benimmt, noch glauben
können, diesen Löwen als Jagdhund zu benützen?
Schon das nächste Parlament zu Erfurt würde
sie in eine Lage versetzen, aus der sie sich nur
durch eine rettende That würde ziehen können,
und Preußen dürfte bereits des Eclats genug ha-
ben, und zwar eines Eclats, der nicht gerade zu
seinem Vortheile war. Unsere Nachbarn an der
Spree haben sich daran gewöhnt, stets von der
Ehre zu sprechen; die Pariser gloire hat in Ber-
lin ihren Doppelgänger gefunden. Bei einem
Staate, der durchweg militärisch organisirt ist,
mußte auch dieser Hebel besonders in Anwendung
kommen. Die politische Ehre aber soll Preußen
nicht erlauben von seinem Wege umzukehren, so
lange nicht alle Wege zum Ziele zu gelangen,
erschöpft sind, so lange es nicht an „die Grenze
des Möglichen“ gegangen ist. Jrren wir jedoch
nicht, so ist diese Grenze des Möglichen so weit
nicht, und ein „Anschwellen des Plenums,“ wie
es ein scharfsinniger Staatsmann nannte, nicht
mehr so ferne. Es ist jedenfalls klug von den
Leitern des preußischen Staates, jene Persönlich-
keit, welche diese Politik von Anfang an trug,
auch die letzten Versuche, von denen zu vermuthen
steht, sie würden scheitern, machen und dann diese
Persönlichkeit fallen zu lassen, damit das Cabinet
um kein theures Haupt ärmer würde, aber die
preußischen gotha'schen Organe, die seit einigen
Tagen wieder entzückt sind, thäten nach so man-
chen gemachten Erfahren doch gut, etwas weniger
laut zu jubeln. Besonders wäre dies der Deut-

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[0003] Folge des gestern Abend ihm gebrachten Fackel- zugs folgendes Schreiben an den functionirenden Bürgermeister ergehen lassen: „Euer Wohlgebo- ren! Bei dem gestern stattgehabten Fackelzug, der mir stets eine schmeichelhafte Erinnerung bleiben wird, hatte ich nur zu beklagen, daß nicht eine größere Anzahl Bürger der Stadt Speyer sowohl meinen Dank, als den Ausdruck meiner Gesin- nungen hat vernehmen können! Als ein treuer Diener meines Herrn, unseres geliebten Königs, habe ich die mir dargebrachte ehrenvolle Auszeich- nung lediglich als den Dank angesehen, welchen eine große Anzahl achtbarer Bürger der Stadt Sr. Maj. dem König bei Verkündung der Auf- hebung des Kriegszustandes in der Pfalz hat öf- fentlich aussprechen wollen. Jn dieser Gesinnung sehe ich die Bürgschaft einer schönen Zukunft, denn zu all' den Segnungen, in deren Besitz die Pfalz ist und unter der glorreichen Regierung unserem König ungeschmälert erhalten wurde, gehört nichts, um ihr Glück dauernd zu begründen, als ihr fe- ster und inniger Anschluß an die milde und ge- rechte Regierung, der wir uns zu erfreuen haben. Auch ich ermahne zur Einigkeit, aber nicht im Sinne des Widerspruchs und der Abwehr gegen vermeintliche Angriffe von einer Seite, die an kei- nen Angriff denkt, -- sondern im Sinne vollkom- meuer Versöhnung und innigen Anschlusses an un- ser gemeinsames Vaterland. Die Continuität des Gebiets ist nur so lange ein frommer Wunsch, bis wir es verstehen, mit unsern Herzen eine Brücke bis in die Hofburg nach München zu schlagen. Von dort her kommt Glück und Se- gen und nicht von jenem ängstlichen Drängen und Treiben, das die Pfalz wieder zu jener abschüssi- gen Bahn unvermerkt hinzieht, auf deren schwin- delnder Höhe sie sich nicht zu erhalten wußte! -- Sagen Sie Jhren verehrten Mitbürgern, daß wenn ich so glücklich war, einiges Vertrauen zu erwerben, ich auch damit das Recht erworben habe, meinen auf langjährige Erfahrung und vor- urtheilsfreier Beurtheilung unserer Verhältnisse ge- gründeten Rath in die Wageschaale der öffentli- chen Angelegenheiten der Pfalz zu legen. Halten Sie fest am König und an der Verfassung, und lassen Sie sich das Vertrauen nicht untergraben, daß Sie das Wohl des Landes nur da zu suchen haben, und daß eine jede Umwälzung, sie mag Namen haben, welchen sie will, die Pfalz in das Verderben stürtzen muß, ganz abgesehen davon, daß der Uebergang von einem Zustand in den andern solchen blutigen Zusammenstoß zur Folge haben wird, daß ein kleines Opfer der Eitelkeit und Selbstsucht Jhrer gegenwärtigen Parteiungen dagegen zu Nichts zusammenschrumpft! -- Jndem ich Euer Wohlgeboren, so wie die verehrl. Bür- gerschaft hochachtungsvoll grüße, habe ich die Ehre, zu bestehen Jhr ergebener Diener: ( gez. ) Karl Theodor Fürst v. Thurn u. Taxis, Generallieu- tenant. Speyer, 23. Juni 1850.“ -- Bei Ge- legenheit des Fackelzugs hielt Se. Durchl. vom Fenster aus eine kurze, aber eindringliche Rede an die Versammelten, und schloß mit einem Hoch auf Se. Maj. den König, welches von den Tausen- den, die zugegen waren, in stürmischer Weise wie- derholt wurde. ( N. M. Ztg. ) Frankfurt, 21. Juni. ( Forts. der Denkschrift des kaiserl. österreichischen Handelsministers ec. ec. ) Gerade diese wirthschaftliche, diese continentale und maritime Ergänzung und Abrundung, welche durch den Zusammenschluß der österreichischen, mittel- deutschen und norddeutschen Zollgruppen gewonnen wird; sodann die Größe des dadurch zum freien Austausche aller eigenen oder einmal eingeführten Erzeugnisse erlangten Marktes, Beides wird die Handelspolitik dieses mächtigen Zollbundes verein- fachen und eine praktische Verständigung über das leitende Grundprincip derselben herbeiführen. Trotz des kurzen Bestehens des Zollvereins und seiner im Ganzen unzweifelhaft günstigen Wirkungen hatte sich doch bereits ein Zwiespalt der Ansichten über das Zollsystem von der größten Schärfe und Schroffheit in demselben festgestellt, und in der That wäre kaum abzusehen, wie dieser Widerspruch zur wahren Befriedigung beider Theile gelöst wer- den könnte, wenn der Zollverein auf seine jetzigen, öconomisch engen und ungenügenden Grenzen be- schränkt bliebe, selbst wenn es ihm gelänge, sich einseitig nach der Nordsee auszudehnen. Der Süden und Westen würden sich in ihrer beeng- ten Lage gespornt fühlen, immer entschiedener auf ein höheres Schutzsystem zu dringen; die nord- deutschen Küstenländer würden immer abgeneigter werden, einem solchen Verlangen nachzugeben, weil beide Theile für ihre vorwiegende Thätigkeit bei der fortdauernden Scheidewand gegen den gesamm- ten Südosten keinen genügenden Spielraum er- langten. Gegensätze aber, die nach einem Natur- gesetze innerhalb enger Grenzen immer schroffer werden, und entweder zu neuer Spaltung oder zu Unterdrückung des einen Theils durch den andern führen, können durch Erweiterung der Grenzen überwunden und zu einem Höheren vermittelt wer- den. Jn dem vereinigten Königreich der Nieder- lande waren die vielfach verwandten nördlichen und südlichen Theil zwar durch die gewichtigsten materiellen Bande verknüpft, dennoch reichten diese innerhalb der engen Grenzen zur Vermittelung des in den Jnteressen vorhandenen Dualismus nicht aus, und dieser führte weiter und weiter bis zur Wiederabtretung Belgiens von Holland, die viel- leicht nie erfolgt wäre, wenn das vereinigte Kö- nigreich der Niederlande einem größeren handels- politischen Bunde angehört hätte, in dessen weiten Grenzen jene Gegensätze sich auszugleichen und zu versöhnen hinlänglich Raum gefunden hätten. Der Spielraum, den der Anschluß Oesterreichs an den deutschen Zollbund in jeder Richtung der Ue- berzeugung und des Verkehrs nach Osten eröff- nete; die volkswirthschaftliche und handelspolitische Ergänzung, welche damit nothwendig verbunden wäre, würde jenem bedenklichen Dualismus der Ansichten und Jnteressen thatsächlich sofort die Spitze abbrechen, und fortan auf der gewonnenen breiten öconomischen Grundlage den ungestörten, der Wohlfahrt des Ganzen entsprechenden Ausbau der einheitlichen Handelspolitik gestatten. Darum ist es wahrscheinlich, daß die Nordseestaaten unter den in beiden Fällen sonst gleichmäßigen Bedin- gungen sich weit eher entschließen werden, einem 70 Mill. Bewohner umfassenden österreichisch=deut- schen Zollverbande mit verhältnißmäßig wirksamen Schutzzöllen für die Haupt=Jndustriezweige, als dem Zollverein in seinem gegenwärtigen Bestande beizutreten. Jn der That, die unbefangenen Freunde der Handelsfreiheit müssen im mitteleuropäischen Handelsbunde einen unendlich wichtigeren Schritt zur wahren Verkehrsfreiheit erblicken, als in der bloßen Ausdehnung des Zollvereins über die Nord- seestaaten, und gerade bei festbegründeter Ueber- zeugung von der Wahrheit ihrer Ansichten müssen sie der wohlthätigen Wirkungen des freien Ver- kehrs auf einem so umfassenden Territorium so gewiß sein, daß sie aus jenem Schritte viele wei- tere in gleicher Richtung und endlich den Sieg ihrer Sache ableiten sollten. Andererseits müssen aber auch die Anhänger eines rationellen Schutz- zoll- und Reciprocitätssystems jenem großen Han- delsbund den Vorzug geben, nicht blos, weil hier die nationale Grundlage die breiteteste und um- fassendste, sondern auch weil dieser Handelskörper allein im Stande ist, jenes System zur vollstän- digen Durchführung zu bringen. Handelsfreiheit und Schutzzollsystem bilden nicht im Princip noth- wendige Gegensätze, und der Kampf zwischen Schutzzoll und Freihandel kann durch die öster- reichisch = deutsche Zolleinigung auf befriedigende Weise gelöst werden. Durch diese Einigung wird dem einen wie dem andern Princip wesentlich Rechnung getragen, denn je kleiner das Land, desto bedenklicher wird der Schutzzoll, desto noth- wendiger der Freihandel; je ausgedehnter dagegen der eigene Markt, desto größer der innere Mit- bewerb; je größer dieser, desto unmöglicher das Monopol, desto niederer die Waarenpreise, desto größer auch die Fähigkeit zum Mitbewerb auf dem Weltmarkte. Auf einem engen Markte wird der Schutzzoll zum Vorrecht der Einzelnen und zur Bürde der Uebrigen; auf einem weiten Markte gleicht sich dies zum Vortheil des Ganzen bald aus, der spornende Schutz erweckt die schlummern- den Kräfte zur Thätigkeit, er verleiht den nöthi- gen freien Spielraum zum Erstarken und gibt dem Auslande gegenüber die fehlende Ebenbürtig- keit. Allerdings begegnet man, auf den Stand- punkt der Sonderinteressen hinuntersteigend, noch manchen Befürchtungen und Conflieten. Allein war es anders, als man in den dreißiger Jahren zum Abschlusse der Zollvereinsverträge schritt? ( Forts. folgt. ) Frankfurt, 28. Juni. Es hat mit der Union die eigenthümliche Bewandtniß, daß sie gewöhn- lich dann in einem abnehmenden Stadium sich be- findet, wenn sie äußerlich in sehr glänzenden Ver- hältnissen hervortritt. Auch gegenwärtig, wo das Fürsten=Collegium eröffnet, Unions=Minister desig- nirt und Herr v. Radowitz ernannt ist, dürfte nicht alles Gold sein, was in den gothaischen Blättern leuchtet. Gerade in diesem Momente ist vielleicht die Sache der propagandistischen Union schlechter als je bestellt. Preußen darf nach den letzten Vorgängen nicht mehr die Hoffnung haben, sich auf revolutionäre Kräfte zu stützen, es mögen diese sich im gothaischen oder im demokratischen Lager befinden. Die Union aber kann nur dann durchdringen, wenn sie sich auf revolutionäre Ele- mente stützt; denn sie ist eine Frucht und Conse- quenz der Revolution. „Ja, es ist der Nachhall der Revolution vom vorigen Jahre,“ rief Herr Camphausen auf der Tribüne zu Berlin aus. Es ist aber mehr als Nachhall der Revolution in der Union, es ist eine Revolution selbst in diesem Projekte, wo eine Verfassung für ganz Deutsch- land einseitig hingestellt wird. Die „deutsche Union“ dieser Name bekundet ein Prinzip, welches man nur als revolutionär bezeichnen kann. Nicht „ preu- ßische Union“ nennt die preußische Regierung das von ihr gestiftete Bündniß, Deutschland, das ganze Deutschland, Deutschland ohne Oesterreich, vielleicht zum Theile auch dieses, soll die Union umfassen, den deutschen Bund soll sie ersetzen, das ist doch wohl nur gegen den Willen der süddeut- schen Regierungen möglich, man muß auf revo- lutionärem Wege dahin gelangen, gleichviel, ob sich die Revolution in Emeuten oder in Steuer- verwilligung äußert. Dürfte aber die preußische Regierung nach den gegenwärtigen Vorgängen noch hoffen, die Revolution in die Hand nehmend, sie leiten zu können? Es ist eine alte Regel, daß die Revolution ihre eigenen Kinder frißt. Sollte die preußische Regierung, die sich mit solcher Ver- kennung aller nicht nur revolutionären, sondern sogar liberaler Ansprüche benimmt, noch glauben können, diesen Löwen als Jagdhund zu benützen? 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Es ist jedenfalls klug von den Leitern des preußischen Staates, jene Persönlich- keit, welche diese Politik von Anfang an trug, auch die letzten Versuche, von denen zu vermuthen steht, sie würden scheitern, machen und dann diese Persönlichkeit fallen zu lassen, damit das Cabinet um kein theures Haupt ärmer würde, aber die preußischen gotha'schen Organe, die seit einigen Tagen wieder entzückt sind, thäten nach so man- chen gemachten Erfahren doch gut, etwas weniger laut zu jubeln. Besonders wäre dies der Deut-

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Zitationshilfe: Die Bayerische Presse. Nr. 156. Würzburg, 1. Juli 1850, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_bayerische156_1850/3>, abgerufen am 25.04.2024.