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Die Bayerische Presse. Nr. 137. Würzburg, 8. Juni 1850.

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[Spaltenumbruch] daher mit Wiedereinberufung der frühern Stände
behufs der Feststellung eines definitiven Wahlge-
setzes zu verfahren sei. Da jedoch ein großer
Theil der Gründe, die im Jahr 1848 für Ein-
schaltung des gewählten Auswegs sprachen, auch
Jahr 1849 noch unverändert fortbestanden, so
hielten Se. Maj. der König auf den Rath ihrer
verantwortlichen Minister sich verpflichtel, noch
einmal den Versuch zu machen, ob auf Grund
der provisorischen Gesetze vom 15. Novbr. 1848
eine Versammlung gewählt werden könne, deren
entschiedene Mehrheit die dringende Nothwendig-
keit, unsere provisorischen Zustände rasch zu be-
enden und bald ein definitives Wahlgesetz zu
Stande zu bringen, richtig erkennen würde. Auch
diese Hoffnung ist nicht in Erfüllung gegangen.
Befanden sich unter den Mitgliedern der im No-
vember v. J. zusammengetretenen Kammern auch
nicht wenige wahre Freunde des Vaterlandes, so
waren doch die andern Parteien in den Kammern
so zahlreich vertreten, daß sie, wenn auch
nicht die Mehrheit in allen Punkten, doch Kraft
genug hatten, um die definitive Erledigung der
wichtigsten, jetzt obschwebenden Fragen zu ver-
hindern.

   

Hannover, 3. Juni. Jn der heutigen Sitz-
ung der zweiten Kammer stellte der Abgeordnete
Bueren den Antrag: "Die Stände beschließen,
der königl. Regierung in Bezug auf die deutschen
Angelegenheiten Folgendes zu erklären: 1 ) Daß
sie die alte deutsche Bundesverfassung und die
ihr zu Grunde liegenden, von den deutschen Für-
sten einseitig, ohne Zuziehung der Volksvertretung,
mithin ohne alle rechtliche Wirkung abgeschlossenen
deutschen Bundesverträge als von Anfang an
nichtig und jedenfalls als durch die Bundesbe-
schlüsse des Reichstags vom Jahre 1848 und
1849 völlig aufgehoben betrachten; 2 ) daß sie
den jetzt, angeblich zum Zweck der Umgestaltung
der deutschen Reichsgewalt und Reichsverfassung
ohne Zuziehung einer allgemeinen Volksvertretung,
wieder unter sich verhandelnden deutschen Fürsten
und freien Städten alles und jedes Recht ab-
sprechen, eine deutsche Reichsverfassung und Reichs-
gewalt auch selbst nur vorläufig festzustellen und
einzusetzen; 3 ) daß sie vielmehr lediglich und all-
ein einer, nach den rechtzeiltig feststehenden Grund-
sätzen des allgemeinen Wahlrechts zu berufenden
allgemeinen deutschen Volksvertretung das Recht
zuerkennen können, eine endgiltige Reichsverfassung
und Reichsgewalt für ganz Deutschland zu schaf-
fen; 4 ) daß sie daher die königl. Regierung er-
suchen und ermächtigen, mit allen ihren Kräften
dahin zu wirken, eine solche allgemeine deutsche
constituirende Reichsversammlung baldigst ins Le-
ben zu rufen." Dieser Antrag wurde genügend
unterstützt und in die Tagesordnung eingetragen.

Wien, 2. Juni. Der "Lloyd" schildert in
seiner heutigen Numer den Eindruck, den die
Nachricht von preuß. Kriegsrüstungen auf die
Oesterreicher gemacht: "Preußen rüste, diese Mel-
dung brachte uns eine telegraphische Depesche aus
Berlin. Der Eindruck, welchen die Nachricht, daß
ein Armee = Corps zwischen Erfurt und Torgau,
und ein anderes an der böhmischen Grenze aufge-
stellt werde, in Wien hervorbrachte, war ungefähr
so tief, als wenn man berichtet hätte, daß der
Herr des himmlischen Reichs seine Truppen sam-
mele, um Rußland zu erobern. Selbst die Börse,
welche doch in Hinsicht starker Nerven und gesun-
den Verstandes nicht die oberste Stellung bei uns
einnimmt, weigerte sich, in den leisesten Schrecken
zu gerathen. Aus patriotischem Trotz ließ sie so-
gar die Metalliques ein wenig steigen und das
Silber=Agio ein wenig fallen. Der Glaube an
die friedlichen Absichten unseres nördlichen Nach-
bars ist bei uns so fest gewurzelt, daß weder
Rüstungen noch Drohungen sie leicht erschüttern
können. Dieser Gleichmuth des Volks beweist uns
auch, wie tief Jeder von der Nothwendigkeit über-
zeugt ist, welche gebieterisch den beiden deutschen
Großmächten die Verpflichtung des Friedens, wenn
auch nicht die zur Eintracht auferlegt. Allen di-
plomatischen Noten zum Trotz glaubt man doch,
daß die Jnteressen der beiden Staaten solidarisch
[Spaltenumbruch] miteinander verbunden sind, und daß die Gewalt
der Umstände, nicht die der Waffen, Preußen drän-
gen wird, die Vortheile aufzugeben, welche es hin-
ter dem Rücken Oesterreichs, als dieses im Kampf
mit äussern und innern Feinden begriffen war, zu-
sammenraffte. Die Ecksteine der Union sind be-
reits aus ihren Lagen gewichen, ohne daß ein
Schwertstreich gefallen wäre, und warum sollten
die halbaufgeführten Wände nicht nachstürtzen, ohne
daß äussere Gewalt sie zum Falle brächte? Preußen
vermochte nicht seinen Bau zu Stande zu bringen,
als Oesterreich es gewähren ließ, wird es ihm
etwa besser gelingen, falls er dasselbe geradezu
zum bewaffneten Widerstand aufforderte? Das
preußische Heer wird wahrscheinlich einige Früh-
lingsmanöver in einer schönen Gegend ausführen
wollen, und wir erwarten, daß österr. Offiziere
dann ihre Waffengefährten nachbarlich besuchen
werden, um die Haltung und Rüstung des be-
freundeten Heeres zu bewundern."

Berlin, 30. Mai. Von hier läßt sich der
"Lloyd" folgende Nachrichten über die Kriegsge-
rüchte mittheilen: "Wie die Weise des Ausdrucks,
so hat auch der Gang der Jdeen, selbst in den-
jenigen Blättern, die nicht unmittelbar einem der
Extreme angehören, in der neuesten Zeit einen
großen Umschwung erfahren. Noch vor einigen
Monaten oder vielleicht noch sogar vor einigen
Wochen protestirten sie nicht allein feierlich gegen
jede Einmischung Rußlands in die Angelegenhei-
ten Deutschlands, sondern die an unseren Gren-
zen cantonirenden russischen Truppen waren in ih-
ren Augen die Häscher der Reaction und die von
der Politik der Fürsten ausersehenen Werkzeuge,
um die Freiheit Deutschlands zu unterdrücken und
den Absolutismus wieder auf alle Throne Euro-
pas zu setzen. Und jetzt, welch' ein Unterschied!
weist man auf einmal der russ. Regierung aus
eigener Machtvollkommenheit einen wichtigen Ein-
fluß auf die Politik Preußens in der deutschen
Angelegenheit an. Ja, man geht noch weiter,
man erwartet das Heil der Union nur von die-
ser Seite her. Ganz natürlich aber läßt man
dabei Rußland gegen Oesterreich feindlich auftre-
ten und in kategorischen Noten die Unmöglichkeit
ausdrücken, die Präsidialbefugnisse Oesterreichs in
der Bundesversammlung und den beabsichtigten
Eintritt des gesammten Kaiserstaates in den deut-
schen Bund anzuerkennen. Alle diese Aufstellun-
gen, Angaben und Aussprüche kommen aus einer
und derselben Küche, es ist ein leeres Geschwätz,
eine Masse von Phrasen, die sich in die wenigen
Worte auflösen läßt: "Rußland ist bemüht, die
zwischen Preußen und Oesterreich in Bezug auf
die deutsche Frage eingetretenen Differenzen auf
jede mögliche Weise auszugleichen." Das ist der
Hauptzweck der Conferenzen, die sich in Warschau
vorbereiten, und auf die man mit um so größe-
rer Spannung blickt, als bis jetzt weder durch die
Fürstenversammlung, noch durch die hier gepfloge-
nen Verhandlungen ihrer verantwortlichen Mini-
ster der Weg noch aufgefunden worden ist, der
Vereinbarung um ein Bedeutendes näher zu kom-
men. Wenn man aber dem Kaiser Nikolaus eine
ganz besondere Vorliebe für die Union beilegt,
und ihn blos ihr zu Liebe die Rolle des Ver-
mittlers übernehmen läßt, so ist dieses wieder eine
ebenso willkürliche, als ungenaue Auslegung; denn
der Kaiser von Rußland ist durchdrungen von der
Ueberzeugung, daß eine Vereinbarung der beiden
großen deutschen Mächte in diesem Augenblicke den
Umständen in Frankreich und den daraus mögli-
cherweise entspringenden Eventualitäten gegenüber
keine Verzögerung mehr erleidet. Diese Ueberzeu-
gung aber hat nicht blos der Czar, sondern ganz
in demselben vollen Maße der Kaiser von Oester-
reich und der König von Preußen. Der Letztere
drückt sie unumwunden in seiner ersten Ansprache
an die hier versammelten Fürsten mit klaren Wor-
ten aus, als er sagte: "Die Freundschaft mit
Oesterreich ist die erste Bedingung eines siegrei-
chen Kampfes gegen die Revolution." Jn dieser
Erklärung liegt zugleich eine sehr richtige Nach-
weisung des Standpunktes, von dem die unauf-
hörlich von Neuem verbreiteten Gerüchte über
[Spaltenumbruch] Kriegsrüstungen und die gegenseitigen Anfeindun-
gen herabkommen. Wenn nun aber diese Partei
das Schicksal der Union in die Hände des Prin-
zen von Preußen durch seine Mission nach War-
schau legt, so kann sie vollkommen überzeugt sein,
daß gerade dieser das Princip des Friedens mit
Oesterreich vollkommen festhält, da er überall der
Revolution entgegentritt, ihr niemals aber in die
Hände arbeitet."

Berlin, 4. Juni. Von Seiten der englischen
Regierung ist nunmehr dem hiesigen Ministerium
mitgetheilt worden, daß man allerdings in Lon-
don jetzt zur Ueberzeugung gekommen sei, daß
von den daselbst weilenden Flüchtlingen in gehei-
men Zusammenkünften "hochverrätherische Pläne
gegen die Fürsten" besprochen würden Die Po-
lizeibehörde in London habe sich daher veranlaßt
gesehen, ein wachsames Auge auf diese Flüchtlinge
zu richten, um den in den geheimen Zusammen-
künften derselben gepredigten auf Königsmord
hinzielenden Lehren entgegenzutreten. -- Gestern
ist hier der Maschinenbauarbeiterverein auf Grund
der vorgefundenen Papiere und Schießmaterialien
aufgelöst worden. Die republikanische Richtung
dieses Vereins ist nach den vorliegenden Schrift-
stücken nicht mehr zweifelhaft. Die Pechkränze
von ungewöhnlicher Größe, die man gefunden
hat, sind von Sachverständigen untersucht worden,
welche die Wirkung derselben als verheerend für
Bauwerke schildern. -- Vorgestern hat von ka-
tholischer Seite die erste öffentliche Pro-
cession
von Berlin nach der Kirche zu Span-
dau stattgefunden. Es hatten sich gegen 1200
Katholiken daran betheiligt. Der Probst, Herr
von Ketteler führte die Procession im geistlichen
Ornat. Keine Störung ist vorgekommen.

Frankreich.

C Paris, 5. Juni. Der Antrag, welchen
gestern der Finanzminister einbrachte: die Erhal-
tungskosten des Präsidenten der Republik auf drei
Millionen zu erhöhen, hat nicht nur der republi-
kanischen Partei, sondern auch einem großen Theil
der gemäßigten Fractionen mißfallen. Der Zu-
fall, daß dieser Antrag gerade unmittelbar nach
der Promulgation des Wahlgesetzes erfolgt; daß
man eine sehr beträchtliche Erhöhung seines Ge-
halts gerade einen Tag nach dem Artikel des
Constitutionel, es werde der Präsident fortan mit
der Majorität in schönster Eintracht leben, ver-
langt, erzeugt Verstimmung. Das Volksgewissen
sträube sich gegen solche Zufälle. Von der Ver-
letzung der Constitution wird nicht mehr gespro-
chen. Die arme Constitution bestimmt in ihrem
62. Art.: "Der Präsident der Republik erhält
einen Gehalt von 600,000 Fr." Allerdings ist
die Constitution in possierlicher Gewissenhaftigkeit
geachtet. Der Finanzminister weist die constitu-
tionellen 600,000 Fr. zurück. Er beantragt nur
noch außerdem 3 Mill. Repräsentations = Kosten,
Summa 3,600,000 Franken. Damit braucht
man sich nicht mehr vor der Tuilerie zu schämen.
-- Während der gestrigen Sitzung bot der Con-
ferenzsaal der Nationalversammlung ein merkwür-
diges Schauspiel dar. Sobald die Datationsfrage
bekannt war, sahen sich die Mitglieder der Majo-
rität überrascht und bestürzt an. Die Minister
wurden mit allen möglichen Vorwürfen überhäuft.
Achselzuckend erwiderten sie, es sei nichts zu ma-
chen und eine höhere Gewalt zwinge sie. Man
sagte, das Elysee habe1 1 / 2 Millionen Schulden
und die Gläubiger wären nachgerade unverschämt.
Theilweile bemerkte man sogar, die Vorlage die-
ses Entwurfes am Tage nach Verkündigung der
Wahlreform könne auf den Verkauf einer Unter-
schrift gedeutet werden. Namentlich Mol e und
Montalembert gaben sich die äußerste Mühe, we-
nigstens eine Vertagung zu erwirken. Die Mon-
tagne soll einen Augenblick im Sinne gehabt ha-
ben, Verweisung des Gesetzes an die Unterstütz-
ungskommission zu beantragen. Das Gesetz wurde
gestern darum erst am Schluß der Sitzung einge-
bracht, weil der Finanzminister Verwerfung der
Rentenstempelung durchsetzen wollte und ihm daher
daran gelegen war, die Majorität bei Laune zu

[Spaltenumbruch] daher mit Wiedereinberufung der frühern Stände
behufs der Feststellung eines definitiven Wahlge-
setzes zu verfahren sei. Da jedoch ein großer
Theil der Gründe, die im Jahr 1848 für Ein-
schaltung des gewählten Auswegs sprachen, auch
Jahr 1849 noch unverändert fortbestanden, so
hielten Se. Maj. der König auf den Rath ihrer
verantwortlichen Minister sich verpflichtel, noch
einmal den Versuch zu machen, ob auf Grund
der provisorischen Gesetze vom 15. Novbr. 1848
eine Versammlung gewählt werden könne, deren
entschiedene Mehrheit die dringende Nothwendig-
keit, unsere provisorischen Zustände rasch zu be-
enden und bald ein definitives Wahlgesetz zu
Stande zu bringen, richtig erkennen würde. Auch
diese Hoffnung ist nicht in Erfüllung gegangen.
Befanden sich unter den Mitgliedern der im No-
vember v. J. zusammengetretenen Kammern auch
nicht wenige wahre Freunde des Vaterlandes, so
waren doch die andern Parteien in den Kammern
so zahlreich vertreten, daß sie, wenn auch
nicht die Mehrheit in allen Punkten, doch Kraft
genug hatten, um die definitive Erledigung der
wichtigsten, jetzt obschwebenden Fragen zu ver-
hindern.

   

Hannover, 3. Juni. Jn der heutigen Sitz-
ung der zweiten Kammer stellte der Abgeordnete
Bueren den Antrag: „Die Stände beschließen,
der königl. Regierung in Bezug auf die deutschen
Angelegenheiten Folgendes zu erklären: 1 ) Daß
sie die alte deutsche Bundesverfassung und die
ihr zu Grunde liegenden, von den deutschen Für-
sten einseitig, ohne Zuziehung der Volksvertretung,
mithin ohne alle rechtliche Wirkung abgeschlossenen
deutschen Bundesverträge als von Anfang an
nichtig und jedenfalls als durch die Bundesbe-
schlüsse des Reichstags vom Jahre 1848 und
1849 völlig aufgehoben betrachten; 2 ) daß sie
den jetzt, angeblich zum Zweck der Umgestaltung
der deutschen Reichsgewalt und Reichsverfassung
ohne Zuziehung einer allgemeinen Volksvertretung,
wieder unter sich verhandelnden deutschen Fürsten
und freien Städten alles und jedes Recht ab-
sprechen, eine deutsche Reichsverfassung und Reichs-
gewalt auch selbst nur vorläufig festzustellen und
einzusetzen; 3 ) daß sie vielmehr lediglich und all-
ein einer, nach den rechtzeiltig feststehenden Grund-
sätzen des allgemeinen Wahlrechts zu berufenden
allgemeinen deutschen Volksvertretung das Recht
zuerkennen können, eine endgiltige Reichsverfassung
und Reichsgewalt für ganz Deutschland zu schaf-
fen; 4 ) daß sie daher die königl. Regierung er-
suchen und ermächtigen, mit allen ihren Kräften
dahin zu wirken, eine solche allgemeine deutsche
constituirende Reichsversammlung baldigst ins Le-
ben zu rufen.“ Dieser Antrag wurde genügend
unterstützt und in die Tagesordnung eingetragen.

Wien, 2. Juni. Der „Lloyd“ schildert in
seiner heutigen Numer den Eindruck, den die
Nachricht von preuß. Kriegsrüstungen auf die
Oesterreicher gemacht: „Preußen rüste, diese Mel-
dung brachte uns eine telegraphische Depesche aus
Berlin. Der Eindruck, welchen die Nachricht, daß
ein Armee = Corps zwischen Erfurt und Torgau,
und ein anderes an der böhmischen Grenze aufge-
stellt werde, in Wien hervorbrachte, war ungefähr
so tief, als wenn man berichtet hätte, daß der
Herr des himmlischen Reichs seine Truppen sam-
mele, um Rußland zu erobern. Selbst die Börse,
welche doch in Hinsicht starker Nerven und gesun-
den Verstandes nicht die oberste Stellung bei uns
einnimmt, weigerte sich, in den leisesten Schrecken
zu gerathen. Aus patriotischem Trotz ließ sie so-
gar die Metalliques ein wenig steigen und das
Silber=Agio ein wenig fallen. Der Glaube an
die friedlichen Absichten unseres nördlichen Nach-
bars ist bei uns so fest gewurzelt, daß weder
Rüstungen noch Drohungen sie leicht erschüttern
können. Dieser Gleichmuth des Volks beweist uns
auch, wie tief Jeder von der Nothwendigkeit über-
zeugt ist, welche gebieterisch den beiden deutschen
Großmächten die Verpflichtung des Friedens, wenn
auch nicht die zur Eintracht auferlegt. Allen di-
plomatischen Noten zum Trotz glaubt man doch,
daß die Jnteressen der beiden Staaten solidarisch
[Spaltenumbruch] miteinander verbunden sind, und daß die Gewalt
der Umstände, nicht die der Waffen, Preußen drän-
gen wird, die Vortheile aufzugeben, welche es hin-
ter dem Rücken Oesterreichs, als dieses im Kampf
mit äussern und innern Feinden begriffen war, zu-
sammenraffte. Die Ecksteine der Union sind be-
reits aus ihren Lagen gewichen, ohne daß ein
Schwertstreich gefallen wäre, und warum sollten
die halbaufgeführten Wände nicht nachstürtzen, ohne
daß äussere Gewalt sie zum Falle brächte? Preußen
vermochte nicht seinen Bau zu Stande zu bringen,
als Oesterreich es gewähren ließ, wird es ihm
etwa besser gelingen, falls er dasselbe geradezu
zum bewaffneten Widerstand aufforderte? Das
preußische Heer wird wahrscheinlich einige Früh-
lingsmanöver in einer schönen Gegend ausführen
wollen, und wir erwarten, daß österr. Offiziere
dann ihre Waffengefährten nachbarlich besuchen
werden, um die Haltung und Rüstung des be-
freundeten Heeres zu bewundern.“

Berlin, 30. Mai. Von hier läßt sich der
„Lloyd“ folgende Nachrichten über die Kriegsge-
rüchte mittheilen: „Wie die Weise des Ausdrucks,
so hat auch der Gang der Jdeen, selbst in den-
jenigen Blättern, die nicht unmittelbar einem der
Extreme angehören, in der neuesten Zeit einen
großen Umschwung erfahren. Noch vor einigen
Monaten oder vielleicht noch sogar vor einigen
Wochen protestirten sie nicht allein feierlich gegen
jede Einmischung Rußlands in die Angelegenhei-
ten Deutschlands, sondern die an unseren Gren-
zen cantonirenden russischen Truppen waren in ih-
ren Augen die Häscher der Reaction und die von
der Politik der Fürsten ausersehenen Werkzeuge,
um die Freiheit Deutschlands zu unterdrücken und
den Absolutismus wieder auf alle Throne Euro-
pas zu setzen. Und jetzt, welch' ein Unterschied!
weist man auf einmal der russ. Regierung aus
eigener Machtvollkommenheit einen wichtigen Ein-
fluß auf die Politik Preußens in der deutschen
Angelegenheit an. Ja, man geht noch weiter,
man erwartet das Heil der Union nur von die-
ser Seite her. Ganz natürlich aber läßt man
dabei Rußland gegen Oesterreich feindlich auftre-
ten und in kategorischen Noten die Unmöglichkeit
ausdrücken, die Präsidialbefugnisse Oesterreichs in
der Bundesversammlung und den beabsichtigten
Eintritt des gesammten Kaiserstaates in den deut-
schen Bund anzuerkennen. Alle diese Aufstellun-
gen, Angaben und Aussprüche kommen aus einer
und derselben Küche, es ist ein leeres Geschwätz,
eine Masse von Phrasen, die sich in die wenigen
Worte auflösen läßt: „Rußland ist bemüht, die
zwischen Preußen und Oesterreich in Bezug auf
die deutsche Frage eingetretenen Differenzen auf
jede mögliche Weise auszugleichen.“ Das ist der
Hauptzweck der Conferenzen, die sich in Warschau
vorbereiten, und auf die man mit um so größe-
rer Spannung blickt, als bis jetzt weder durch die
Fürstenversammlung, noch durch die hier gepfloge-
nen Verhandlungen ihrer verantwortlichen Mini-
ster der Weg noch aufgefunden worden ist, der
Vereinbarung um ein Bedeutendes näher zu kom-
men. Wenn man aber dem Kaiser Nikolaus eine
ganz besondere Vorliebe für die Union beilegt,
und ihn blos ihr zu Liebe die Rolle des Ver-
mittlers übernehmen läßt, so ist dieses wieder eine
ebenso willkürliche, als ungenaue Auslegung; denn
der Kaiser von Rußland ist durchdrungen von der
Ueberzeugung, daß eine Vereinbarung der beiden
großen deutschen Mächte in diesem Augenblicke den
Umständen in Frankreich und den daraus mögli-
cherweise entspringenden Eventualitäten gegenüber
keine Verzögerung mehr erleidet. Diese Ueberzeu-
gung aber hat nicht blos der Czar, sondern ganz
in demselben vollen Maße der Kaiser von Oester-
reich und der König von Preußen. Der Letztere
drückt sie unumwunden in seiner ersten Ansprache
an die hier versammelten Fürsten mit klaren Wor-
ten aus, als er sagte: „Die Freundschaft mit
Oesterreich ist die erste Bedingung eines siegrei-
chen Kampfes gegen die Revolution.“ Jn dieser
Erklärung liegt zugleich eine sehr richtige Nach-
weisung des Standpunktes, von dem die unauf-
hörlich von Neuem verbreiteten Gerüchte über
[Spaltenumbruch] Kriegsrüstungen und die gegenseitigen Anfeindun-
gen herabkommen. Wenn nun aber diese Partei
das Schicksal der Union in die Hände des Prin-
zen von Preußen durch seine Mission nach War-
schau legt, so kann sie vollkommen überzeugt sein,
daß gerade dieser das Princip des Friedens mit
Oesterreich vollkommen festhält, da er überall der
Revolution entgegentritt, ihr niemals aber in die
Hände arbeitet.“

Berlin, 4. Juni. Von Seiten der englischen
Regierung ist nunmehr dem hiesigen Ministerium
mitgetheilt worden, daß man allerdings in Lon-
don jetzt zur Ueberzeugung gekommen sei, daß
von den daselbst weilenden Flüchtlingen in gehei-
men Zusammenkünften „hochverrätherische Pläne
gegen die Fürsten“ besprochen würden Die Po-
lizeibehörde in London habe sich daher veranlaßt
gesehen, ein wachsames Auge auf diese Flüchtlinge
zu richten, um den in den geheimen Zusammen-
künften derselben gepredigten auf Königsmord
hinzielenden Lehren entgegenzutreten. -- Gestern
ist hier der Maschinenbauarbeiterverein auf Grund
der vorgefundenen Papiere und Schießmaterialien
aufgelöst worden. Die republikanische Richtung
dieses Vereins ist nach den vorliegenden Schrift-
stücken nicht mehr zweifelhaft. Die Pechkränze
von ungewöhnlicher Größe, die man gefunden
hat, sind von Sachverständigen untersucht worden,
welche die Wirkung derselben als verheerend für
Bauwerke schildern. -- Vorgestern hat von ka-
tholischer Seite die erste öffentliche Pro-
cession
von Berlin nach der Kirche zu Span-
dau stattgefunden. Es hatten sich gegen 1200
Katholiken daran betheiligt. Der Probst, Herr
von Ketteler führte die Procession im geistlichen
Ornat. Keine Störung ist vorgekommen.

Frankreich.

C Paris, 5. Juni. Der Antrag, welchen
gestern der Finanzminister einbrachte: die Erhal-
tungskosten des Präsidenten der Republik auf drei
Millionen zu erhöhen, hat nicht nur der republi-
kanischen Partei, sondern auch einem großen Theil
der gemäßigten Fractionen mißfallen. Der Zu-
fall, daß dieser Antrag gerade unmittelbar nach
der Promulgation des Wahlgesetzes erfolgt; daß
man eine sehr beträchtliche Erhöhung seines Ge-
halts gerade einen Tag nach dem Artikel des
Constitutionel, es werde der Präsident fortan mit
der Majorität in schönster Eintracht leben, ver-
langt, erzeugt Verstimmung. Das Volksgewissen
sträube sich gegen solche Zufälle. Von der Ver-
letzung der Constitution wird nicht mehr gespro-
chen. Die arme Constitution bestimmt in ihrem
62. Art.: „Der Präsident der Republik erhält
einen Gehalt von 600,000 Fr.“ Allerdings ist
die Constitution in possierlicher Gewissenhaftigkeit
geachtet. Der Finanzminister weist die constitu-
tionellen 600,000 Fr. zurück. Er beantragt nur
noch außerdem 3 Mill. Repräsentations = Kosten,
Summa 3,600,000 Franken. Damit braucht
man sich nicht mehr vor der Tuilerie zu schämen.
-- Während der gestrigen Sitzung bot der Con-
ferenzsaal der Nationalversammlung ein merkwür-
diges Schauspiel dar. Sobald die Datationsfrage
bekannt war, sahen sich die Mitglieder der Majo-
rität überrascht und bestürzt an. Die Minister
wurden mit allen möglichen Vorwürfen überhäuft.
Achselzuckend erwiderten sie, es sei nichts zu ma-
chen und eine höhere Gewalt zwinge sie. Man
sagte, das Elysee habe1 1 / 2 Millionen Schulden
und die Gläubiger wären nachgerade unverschämt.
Theilweile bemerkte man sogar, die Vorlage die-
ses Entwurfes am Tage nach Verkündigung der
Wahlreform könne auf den Verkauf einer Unter-
schrift gedeutet werden. Namentlich Mol é und
Montalembert gaben sich die äußerste Mühe, we-
nigstens eine Vertagung zu erwirken. Die Mon-
tagne soll einen Augenblick im Sinne gehabt ha-
ben, Verweisung des Gesetzes an die Unterstütz-
ungskommission zu beantragen. Das Gesetz wurde
gestern darum erst am Schluß der Sitzung einge-
bracht, weil der Finanzminister Verwerfung der
Rentenstempelung durchsetzen wollte und ihm daher
daran gelegen war, die Majorität bei Laune zu

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[0003] daher mit Wiedereinberufung der frühern Stände behufs der Feststellung eines definitiven Wahlge- setzes zu verfahren sei. Da jedoch ein großer Theil der Gründe, die im Jahr 1848 für Ein- schaltung des gewählten Auswegs sprachen, auch Jahr 1849 noch unverändert fortbestanden, so hielten Se. Maj. der König auf den Rath ihrer verantwortlichen Minister sich verpflichtel, noch einmal den Versuch zu machen, ob auf Grund der provisorischen Gesetze vom 15. Novbr. 1848 eine Versammlung gewählt werden könne, deren entschiedene Mehrheit die dringende Nothwendig- keit, unsere provisorischen Zustände rasch zu be- enden und bald ein definitives Wahlgesetz zu Stande zu bringen, richtig erkennen würde. Auch diese Hoffnung ist nicht in Erfüllung gegangen. Befanden sich unter den Mitgliedern der im No- vember v. J. zusammengetretenen Kammern auch nicht wenige wahre Freunde des Vaterlandes, so waren doch die andern Parteien in den Kammern so zahlreich vertreten, daß sie, wenn auch nicht die Mehrheit in allen Punkten, doch Kraft genug hatten, um die definitive Erledigung der wichtigsten, jetzt obschwebenden Fragen zu ver- hindern. ( Schluß folgt. ) Hannover, 3. Juni. Jn der heutigen Sitz- ung der zweiten Kammer stellte der Abgeordnete Bueren den Antrag: „Die Stände beschließen, der königl. Regierung in Bezug auf die deutschen Angelegenheiten Folgendes zu erklären: 1 ) Daß sie die alte deutsche Bundesverfassung und die ihr zu Grunde liegenden, von den deutschen Für- sten einseitig, ohne Zuziehung der Volksvertretung, mithin ohne alle rechtliche Wirkung abgeschlossenen deutschen Bundesverträge als von Anfang an nichtig und jedenfalls als durch die Bundesbe- schlüsse des Reichstags vom Jahre 1848 und 1849 völlig aufgehoben betrachten; 2 ) daß sie den jetzt, angeblich zum Zweck der Umgestaltung der deutschen Reichsgewalt und Reichsverfassung ohne Zuziehung einer allgemeinen Volksvertretung, wieder unter sich verhandelnden deutschen Fürsten und freien Städten alles und jedes Recht ab- sprechen, eine deutsche Reichsverfassung und Reichs- gewalt auch selbst nur vorläufig festzustellen und einzusetzen; 3 ) daß sie vielmehr lediglich und all- ein einer, nach den rechtzeiltig feststehenden Grund- sätzen des allgemeinen Wahlrechts zu berufenden allgemeinen deutschen Volksvertretung das Recht zuerkennen können, eine endgiltige Reichsverfassung und Reichsgewalt für ganz Deutschland zu schaf- fen; 4 ) daß sie daher die königl. Regierung er- suchen und ermächtigen, mit allen ihren Kräften dahin zu wirken, eine solche allgemeine deutsche constituirende Reichsversammlung baldigst ins Le- ben zu rufen.“ Dieser Antrag wurde genügend unterstützt und in die Tagesordnung eingetragen. Wien, 2. Juni. Der „Lloyd“ schildert in seiner heutigen Numer den Eindruck, den die Nachricht von preuß. Kriegsrüstungen auf die Oesterreicher gemacht: „Preußen rüste, diese Mel- dung brachte uns eine telegraphische Depesche aus Berlin. Der Eindruck, welchen die Nachricht, daß ein Armee = Corps zwischen Erfurt und Torgau, und ein anderes an der böhmischen Grenze aufge- stellt werde, in Wien hervorbrachte, war ungefähr so tief, als wenn man berichtet hätte, daß der Herr des himmlischen Reichs seine Truppen sam- mele, um Rußland zu erobern. Selbst die Börse, welche doch in Hinsicht starker Nerven und gesun- den Verstandes nicht die oberste Stellung bei uns einnimmt, weigerte sich, in den leisesten Schrecken zu gerathen. Aus patriotischem Trotz ließ sie so- gar die Metalliques ein wenig steigen und das Silber=Agio ein wenig fallen. Der Glaube an die friedlichen Absichten unseres nördlichen Nach- bars ist bei uns so fest gewurzelt, daß weder Rüstungen noch Drohungen sie leicht erschüttern können. Dieser Gleichmuth des Volks beweist uns auch, wie tief Jeder von der Nothwendigkeit über- zeugt ist, welche gebieterisch den beiden deutschen Großmächten die Verpflichtung des Friedens, wenn auch nicht die zur Eintracht auferlegt. Allen di- plomatischen Noten zum Trotz glaubt man doch, daß die Jnteressen der beiden Staaten solidarisch miteinander verbunden sind, und daß die Gewalt der Umstände, nicht die der Waffen, Preußen drän- gen wird, die Vortheile aufzugeben, welche es hin- ter dem Rücken Oesterreichs, als dieses im Kampf mit äussern und innern Feinden begriffen war, zu- sammenraffte. Die Ecksteine der Union sind be- reits aus ihren Lagen gewichen, ohne daß ein Schwertstreich gefallen wäre, und warum sollten die halbaufgeführten Wände nicht nachstürtzen, ohne daß äussere Gewalt sie zum Falle brächte? Preußen vermochte nicht seinen Bau zu Stande zu bringen, als Oesterreich es gewähren ließ, wird es ihm etwa besser gelingen, falls er dasselbe geradezu zum bewaffneten Widerstand aufforderte? Das preußische Heer wird wahrscheinlich einige Früh- lingsmanöver in einer schönen Gegend ausführen wollen, und wir erwarten, daß österr. Offiziere dann ihre Waffengefährten nachbarlich besuchen werden, um die Haltung und Rüstung des be- freundeten Heeres zu bewundern.“ Berlin, 30. Mai. Von hier läßt sich der „Lloyd“ folgende Nachrichten über die Kriegsge- rüchte mittheilen: „Wie die Weise des Ausdrucks, so hat auch der Gang der Jdeen, selbst in den- jenigen Blättern, die nicht unmittelbar einem der Extreme angehören, in der neuesten Zeit einen großen Umschwung erfahren. Noch vor einigen Monaten oder vielleicht noch sogar vor einigen Wochen protestirten sie nicht allein feierlich gegen jede Einmischung Rußlands in die Angelegenhei- ten Deutschlands, sondern die an unseren Gren- zen cantonirenden russischen Truppen waren in ih- ren Augen die Häscher der Reaction und die von der Politik der Fürsten ausersehenen Werkzeuge, um die Freiheit Deutschlands zu unterdrücken und den Absolutismus wieder auf alle Throne Euro- pas zu setzen. Und jetzt, welch' ein Unterschied! weist man auf einmal der russ. Regierung aus eigener Machtvollkommenheit einen wichtigen Ein- fluß auf die Politik Preußens in der deutschen Angelegenheit an. Ja, man geht noch weiter, man erwartet das Heil der Union nur von die- ser Seite her. Ganz natürlich aber läßt man dabei Rußland gegen Oesterreich feindlich auftre- ten und in kategorischen Noten die Unmöglichkeit ausdrücken, die Präsidialbefugnisse Oesterreichs in der Bundesversammlung und den beabsichtigten Eintritt des gesammten Kaiserstaates in den deut- schen Bund anzuerkennen. Alle diese Aufstellun- gen, Angaben und Aussprüche kommen aus einer und derselben Küche, es ist ein leeres Geschwätz, eine Masse von Phrasen, die sich in die wenigen Worte auflösen läßt: „Rußland ist bemüht, die zwischen Preußen und Oesterreich in Bezug auf die deutsche Frage eingetretenen Differenzen auf jede mögliche Weise auszugleichen.“ Das ist der Hauptzweck der Conferenzen, die sich in Warschau vorbereiten, und auf die man mit um so größe- rer Spannung blickt, als bis jetzt weder durch die Fürstenversammlung, noch durch die hier gepfloge- nen Verhandlungen ihrer verantwortlichen Mini- ster der Weg noch aufgefunden worden ist, der Vereinbarung um ein Bedeutendes näher zu kom- men. Wenn man aber dem Kaiser Nikolaus eine ganz besondere Vorliebe für die Union beilegt, und ihn blos ihr zu Liebe die Rolle des Ver- mittlers übernehmen läßt, so ist dieses wieder eine ebenso willkürliche, als ungenaue Auslegung; denn der Kaiser von Rußland ist durchdrungen von der Ueberzeugung, daß eine Vereinbarung der beiden großen deutschen Mächte in diesem Augenblicke den Umständen in Frankreich und den daraus mögli- cherweise entspringenden Eventualitäten gegenüber keine Verzögerung mehr erleidet. Diese Ueberzeu- gung aber hat nicht blos der Czar, sondern ganz in demselben vollen Maße der Kaiser von Oester- reich und der König von Preußen. Der Letztere drückt sie unumwunden in seiner ersten Ansprache an die hier versammelten Fürsten mit klaren Wor- ten aus, als er sagte: „Die Freundschaft mit Oesterreich ist die erste Bedingung eines siegrei- chen Kampfes gegen die Revolution.“ Jn dieser Erklärung liegt zugleich eine sehr richtige Nach- weisung des Standpunktes, von dem die unauf- hörlich von Neuem verbreiteten Gerüchte über Kriegsrüstungen und die gegenseitigen Anfeindun- gen herabkommen. Wenn nun aber diese Partei das Schicksal der Union in die Hände des Prin- zen von Preußen durch seine Mission nach War- schau legt, so kann sie vollkommen überzeugt sein, daß gerade dieser das Princip des Friedens mit Oesterreich vollkommen festhält, da er überall der Revolution entgegentritt, ihr niemals aber in die Hände arbeitet.“ Berlin, 4. Juni. Von Seiten der englischen Regierung ist nunmehr dem hiesigen Ministerium mitgetheilt worden, daß man allerdings in Lon- don jetzt zur Ueberzeugung gekommen sei, daß von den daselbst weilenden Flüchtlingen in gehei- men Zusammenkünften „hochverrätherische Pläne gegen die Fürsten“ besprochen würden Die Po- lizeibehörde in London habe sich daher veranlaßt gesehen, ein wachsames Auge auf diese Flüchtlinge zu richten, um den in den geheimen Zusammen- künften derselben gepredigten auf Königsmord hinzielenden Lehren entgegenzutreten. -- Gestern ist hier der Maschinenbauarbeiterverein auf Grund der vorgefundenen Papiere und Schießmaterialien aufgelöst worden. Die republikanische Richtung dieses Vereins ist nach den vorliegenden Schrift- stücken nicht mehr zweifelhaft. Die Pechkränze von ungewöhnlicher Größe, die man gefunden hat, sind von Sachverständigen untersucht worden, welche die Wirkung derselben als verheerend für Bauwerke schildern. -- Vorgestern hat von ka- tholischer Seite die erste öffentliche Pro- cession von Berlin nach der Kirche zu Span- dau stattgefunden. Es hatten sich gegen 1200 Katholiken daran betheiligt. Der Probst, Herr von Ketteler führte die Procession im geistlichen Ornat. Keine Störung ist vorgekommen. Frankreich. C Paris, 5. Juni. Der Antrag, welchen gestern der Finanzminister einbrachte: die Erhal- tungskosten des Präsidenten der Republik auf drei Millionen zu erhöhen, hat nicht nur der republi- kanischen Partei, sondern auch einem großen Theil der gemäßigten Fractionen mißfallen. Der Zu- fall, daß dieser Antrag gerade unmittelbar nach der Promulgation des Wahlgesetzes erfolgt; daß man eine sehr beträchtliche Erhöhung seines Ge- halts gerade einen Tag nach dem Artikel des Constitutionel, es werde der Präsident fortan mit der Majorität in schönster Eintracht leben, ver- langt, erzeugt Verstimmung. Das Volksgewissen sträube sich gegen solche Zufälle. Von der Ver- letzung der Constitution wird nicht mehr gespro- chen. Die arme Constitution bestimmt in ihrem 62. Art.: „Der Präsident der Republik erhält einen Gehalt von 600,000 Fr.“ Allerdings ist die Constitution in possierlicher Gewissenhaftigkeit geachtet. Der Finanzminister weist die constitu- tionellen 600,000 Fr. zurück. Er beantragt nur noch außerdem 3 Mill. Repräsentations = Kosten, Summa 3,600,000 Franken. Damit braucht man sich nicht mehr vor der Tuilerie zu schämen. -- Während der gestrigen Sitzung bot der Con- ferenzsaal der Nationalversammlung ein merkwür- diges Schauspiel dar. Sobald die Datationsfrage bekannt war, sahen sich die Mitglieder der Majo- rität überrascht und bestürzt an. Die Minister wurden mit allen möglichen Vorwürfen überhäuft. Achselzuckend erwiderten sie, es sei nichts zu ma- chen und eine höhere Gewalt zwinge sie. Man sagte, das Elysee habe1 1 / 2 Millionen Schulden und die Gläubiger wären nachgerade unverschämt. Theilweile bemerkte man sogar, die Vorlage die- ses Entwurfes am Tage nach Verkündigung der Wahlreform könne auf den Verkauf einer Unter- schrift gedeutet werden. Namentlich Mol é und Montalembert gaben sich die äußerste Mühe, we- nigstens eine Vertagung zu erwirken. Die Mon- tagne soll einen Augenblick im Sinne gehabt ha- ben, Verweisung des Gesetzes an die Unterstütz- ungskommission zu beantragen. Das Gesetz wurde gestern darum erst am Schluß der Sitzung einge- bracht, weil der Finanzminister Verwerfung der Rentenstempelung durchsetzen wollte und ihm daher daran gelegen war, die Majorität bei Laune zu

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Zitationshilfe: Die Bayerische Presse. Nr. 137. Würzburg, 8. Juni 1850, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_bayerische137_1850/3>, abgerufen am 29.03.2024.