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Die Bayerische Presse. Nr. 132. Würzburg, 3. Juni 1850.

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Die Bayerische Presse.

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Nr. 533.

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und Gelder frei.

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Nr. 132.
Würzburg, Montag den 3. Juni. 1850.


[Beginn Spaltensatz]
Aus dem Hirtenbrief des hochw. Herrn
Fürstbischofs von Seckau

Joseph Othmar.
( Forts. und Schluß. )

Vielleicht, meine Freunde, kommen euch auch
Solche vor, welche zwar an den Verfügungen
vielerlei Bedenken finden; doch politischer Fernblick
ist nicht ihre Sache; sie sind mehr Glücksmen-
schen. Die Aufhebung des hochgepriesenen Pla-
cetum, welches ihnen der schönste Edelstein der
Krone und die stärkste Bürgschaft der Kaisermacht
ist, erfüllt sie mit Unwillen und Bangen. Eine
Menge Dinge, welche sie in Zeitungen und Ro-
manen gelesen haben, tauchen verworren in ihrer
Seele auf. Das finstere Mittelalter, meinen sie,
ist in vollem Anzuge; schon sehen sie die Bann-
bullen, die Absetzung von Königen, die spanische
Jnquisition gleich zurückkehrenden Gespenstern na-
hen, und manchem ehrlichen Manne graut es, als
ob bereits der Scheiderhaufen angezündet werde
und der Scherge die Hand nach ihm ausstrecke.
Theuere Mitbrüder! man müßte bei diesen Trau-
men lächeln, wenn es nicht kläglich wäre, daß
Katholiken von solchen Träumen heimgesucht wer-
den! des Mittelalter, welches von Wenigen ein-
seitig gepriesen und von Unzähligen einsertig ge-
schmäht wird, war eine Zeit, welche die heiligsten
Bedürfnisse des Geistes nicht nur mit tiefer Jn-
nigkeit fühlte, sondern auch als Richtschnur des
ganzen Lebens geltend machte; es suchte alle irdi-
schen Ordnungen dem ewigen Ziele, welchem der
Mensch entgegengeht, zu unterwerfen, und dieß ist
seine Größe und sein Ruhm. Aber die Gestal-
tungen, welche jenes edle Streben hervorrief, wa-
ren von Mängeln keineswegs frei und überdieß
stützten sie sich auf Entwickelungen, welche vor-
übergezogen sind mit ihren Licht= und ihren Schat-
tenseiten. Die Einheit der christlichen Welt unter
dem Papste als dem Boten eines höheren Wil-
lens und dem Kaiser, als dem gewaltigen Horte
des Rechtes war ein großer, schöner Gedanke;
aber auch damals vermochte er den schnöden Stoff
nur unvollkommen zu bemeistern und ihn jetzt aus-
führen zu wollen, wird einem Verständigen wohl
eben so wenig einfallen, als er unseren Kriegern
rathen möchte, den Harnisch anzulegen, in welchem
Gottfried von Bouillon unter den Mauern von
Jerusalem kämpfte. Die Kirche ist ein großer
Bruderband, in dessen Heiligthume die wahren
Güter der Menschheit hinterlegt sind. Nicht ver-
gebens erscholl das Wort der Verheißung: Sehet,
ich bin bei euch bis an's Ende der Welt! Das
Mittelalter konnte sich den Staat nicht anders
als getragen von der Kirche denken, und wie die
Kirche das Salböl der Heiligung über das Haupt
des irdischen Herrschers ausgoß, so glaubte auch
der irdische Herrscher sich verpflichtet, wider Jene
das Schwert zu zücken, welche das Reich Gottes
auf Erden durch Jrrthum und Spaltung zu trü-
ben suchten. So war es in der schönsten Zeit
des Mittelalters. Später mischte die Berechnung
weltlicher Machthaber sich ein. -- Aber wir ha-
ben ja auch die Kirchenstrafen wieder bekommen.
O Finsterniß, o Barbarei! Nun werden wir näch-
stens die Leute in Sack und Asche von den Kir-
chenthüren stehen sehen! Genossen meiner Sorgen
[Spaltenumbruch] und Bemühungen, ich gestehe es, ein peinliches
Gefühl der Scham ergreift mich, nicht für uns,
aber für unsere Landsleute, unter welchen so man-
cher ehrenwerthe Mann über seine eigene Kirche
so ganz und gar im Dunkeln ist. Sollte irgend
eine furchtsame Seele vor der öffentlichen Buße
bangen, so sagt ihr kühn: Kein Bischof denkt
daran, die Kirchenbuße wieder einzuführen! Jhr
lauft nicht Gefahr, der Lüge geziehen zu werden:
denn die Kirchenbuße ist entweder eine gehässige
Polizeianstalt, welche wir mit Recht ablehnen,
oder sie fordert einen sittlichen Ernst, wie er un-
serer Zeit sehr ferne steht. Was die Kirchenstra-
fen im Allgemeinen betrifft, so hat jede Gesell-
schaft das Recht, solche Mitglieder, welche die
übernommenen Pflichten verletzen, unter gewissen
Bedingungen aus ihrer Mitte auszuschließen. Die-
ser Befugniß kann und wird die Kirche sich nie-
mals begeben, weil sie sich nicht selbst für recht-
los erklären darf. -- Aber wir sind die Kinder
eines Gottes, welcher schon im alten Bunde ver-
heißen hat, daß er das geknickte Rohr nicht zer-
brechen und den glimmenden Docht nicht auslö-
schen werde; welcher schon im alten Bunde zu
den Reuigen gesprochen hat: "Wenn eure Sün-
den wie Scharlach wären, sollen sie weiß werden
wie Schnee, und wenn sie roth wie Purpur wa-
ren, sollen sie weiß werden wie Wolle!" Der
Geist der Kirche ist und war der Geist der
Milde; sie straft nur um zu heilen, nur um den
Sünder auf den Weg wahrer Buße zu leiten und
seine Seele zu retten. Wofern das Einschreiten
der äußersten Strafgewalt mehr des Schlimmen
als des Guten hervorrufen würde, überläßt sie
den Schuldigen seinem Gewissen und der stillen
Wirksamkeit im Beichtstuhle. Aber woraus schließt
man denn, daß die Bischöfe nun nach allen Sei-
ten hin den Bannstrahl versenden werden? Das
Concilium von Trient verordnet die größte Vor-
sicht in Anwendung von Kirchenstrafen; die zu
Wien versammelten Bischöfe haben sich die um-
sichtlichste Klugheit zum Gesetze gemacht. Sollte
Jemanden das Schreckbild der Kirchenstrafen äng-
stigen so ersucht ihn, einen Blick nach Belgien
hinüber zu werfen. Dort haben die Bischöfe seit
zwanzig Jahren die volle Freiheit, jede Kirchen-
strafe nach Maßgabe der Kirchengesetze anzuwen-
den, und hat man je über ihre Grausamkeit kla-
gen gehört? Uebrigens ist nicht einmal Das, was
für Belgien allenfalls passen möchte, auf unsere
Zustände anwendbar; aber unsere Zustände werden
auch in gewissenhafte Erwägung gezogen werden.
-- Die Kirche wird nicht umsonst eine Mutter
genannt. Jhr Vorbild ist der Hirt, welcher das
verirrte Schaf mit unerschöpflicher Geduld in der
Wüste sucht, ihr Meister ist Der, welcher sein
Leben hingab für seine Freunde und am Kreuze
bat für seine Feinde; Milde und Erbarmen sind
die Engel, welche sie begleiten, und die Liebe ist
die Sonne, welche über ihrem Pfade strahlt; doch
jene ächte Liebe, welche das Kleinod des Herzens
und der Lebenshauch der Menschheit ist. Die
Kirche weiß nichts von der weichlichen Sentimen-
lalität, welche mit schwächlichen Gefühlen spielt
und die Gleichgültigkeit gegen Gute und Böse
mit schillernden Redensarten bekleidet. Sie übt
und verkündet den Ernst der Ueberzeugung, die
[Spaltenumbruch] Kraft des Pflichtgefühles, die Ehrfurcht vor dem
Heiligen. Aber wenn diese Güter der Welt ab-
handen kommen, so muß sie in Schmutz und Blut
versinken. Dies wird uns nun schon im dritten
Jahre nicht durch Stimmen der Menschen, son-
dern durch die Gewalt der Ereignisse gepredigt.
Wer auch jetzt nicht Ohren hat, zu hören, der
verzichte wenigstens darauf, über die Bedürfnisse
der Zeit eine Stimme zu haben. -- Vor sechs-
zehn Jahrhunderten sprach ein Mann von seltenen
Geistesgaben, welchen man aufforderte, das Chri-
stenthum wider die Verläumdungen und Trug-
schlüsse der heidnischen Gelehrsamkeit zu vertheidi-
gen: Als unser Herr, und Heiland durch falsche
Zeugnisse angegriffen wurde, verstummte er; er
antwortete auf die Beschuldigungen nichts: denn
er war überzeugt, daß durch sein ganzes Leben
und die Werke, die er in Mitte der Juden ge-
than, die falschen Anklagen viel kräftiger wider-
legt würden, als durch irgend eine Rede gesche-
hen könnte. So werden auch die Verläumdungen
und Anschuldigungen, welche man wider die Chri-
sten und den Glauben der Kirche vorbringt, durch
die Sache selbst der Lüge überwiesen und durch
eine Lehre, welche trefflicher denn jede Schrift der
Sterblichen ist, dergestalt zernichtet, daß ihnen
kein Schatten der Wahrscheinlichkeit übrig bleibt.
Dies gilt auch von den Einrichtungen und Ge-
setzen, in welchen die Kirche von der Fürsehung
geleitet, die Ergebnisse tausendjähriger Erfahrung
niedergelegt hat. Um die ergrimmten Anklagen
der Feinde verstummen zu machen, und die Zwei-
fel und Besorgnisse von Jrregeleiteten zu zer-
streuen, gibt es kein wirksames Mittel, als daß
die Kirche, so wie sie ist, hervortrete und walte.
Dies in dem uns zugewiesenen Bereiche zu voll-
bringen, ist die Aufgabe, welche der Herr uns
vorzeichnet. Es ist ein großer Augenblick: denn
er beginnt in weit verbreiteten Ländern für die
Kirche Gottes eine neue Zeit! Noch schweben
donnerschwangere Wolken über Europa, noch gäh-
ren die Leidenschaften und Entwürfe des Verder-
bens lauern auf den günstigen Augenblick; noch
schreitet der Haß Gottes und der Pflicht mit ge-
hobener Stirne einher und prahlt mit dem Her-
annahen seines Sieges. Da winkt der Allmäch-
tige und die Hemmnisse schwinden, durch welche
viele gottergebene Bestrebungen gelähmt und ent-
muthigt wurden. Wir treten hinaus in die freien,
frischen Lüfte des kirchlichen Lebens. Was soll
nun geschehen? Um mit Wenigem Vieles zu
sagen: Das kirchliche Bewußtsein soll in der
Brust des Katholiken belebt und wahrhaft aufge-
klärt werden; der Katholik soll lernen, was es
bedeute, ein Glied zu sein an dem Leibe, dessen
Haupt Christus ist. Hat er dies gelernt, so ist
auch das Band zwischen Zeit und Ewigkeit fest
geknüpft und immer tiefer wird es sich dem Her-
zen der Gläubigen einprägen, daß das irdische
Leben eine Wanderschaft ist nach dem ewigen Va-
terlande. -- Eine schwere Last der Verantwort-
lichkeit haben jetzt vor Allem Jene zu tragen, auf
welche die Pflichten übergingen, die der Herr den
Aposteln auflegte, da er sprach: Wie mich der
Vater sandte, so sende ich euch! Die Bischöfe
haben, wie es ihr Amt erheischte, für die Rechte
der Kirche die Stimme erhoben; sie haften nun

Die Bayerische Presse.

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Fürstbischofs von Seckau

Joseph Othmar.
( Forts. und Schluß. )

Vielleicht, meine Freunde, kommen euch auch
Solche vor, welche zwar an den Verfügungen
vielerlei Bedenken finden; doch politischer Fernblick
ist nicht ihre Sache; sie sind mehr Glücksmen-
schen. Die Aufhebung des hochgepriesenen Pla-
cetum, welches ihnen der schönste Edelstein der
Krone und die stärkste Bürgschaft der Kaisermacht
ist, erfüllt sie mit Unwillen und Bangen. Eine
Menge Dinge, welche sie in Zeitungen und Ro-
manen gelesen haben, tauchen verworren in ihrer
Seele auf. Das finstere Mittelalter, meinen sie,
ist in vollem Anzuge; schon sehen sie die Bann-
bullen, die Absetzung von Königen, die spanische
Jnquisition gleich zurückkehrenden Gespenstern na-
hen, und manchem ehrlichen Manne graut es, als
ob bereits der Scheiderhaufen angezündet werde
und der Scherge die Hand nach ihm ausstrecke.
Theuere Mitbrüder! man müßte bei diesen Trau-
men lächeln, wenn es nicht kläglich wäre, daß
Katholiken von solchen Träumen heimgesucht wer-
den! des Mittelalter, welches von Wenigen ein-
seitig gepriesen und von Unzähligen einsertig ge-
schmäht wird, war eine Zeit, welche die heiligsten
Bedürfnisse des Geistes nicht nur mit tiefer Jn-
nigkeit fühlte, sondern auch als Richtschnur des
ganzen Lebens geltend machte; es suchte alle irdi-
schen Ordnungen dem ewigen Ziele, welchem der
Mensch entgegengeht, zu unterwerfen, und dieß ist
seine Größe und sein Ruhm. Aber die Gestal-
tungen, welche jenes edle Streben hervorrief, wa-
ren von Mängeln keineswegs frei und überdieß
stützten sie sich auf Entwickelungen, welche vor-
übergezogen sind mit ihren Licht= und ihren Schat-
tenseiten. Die Einheit der christlichen Welt unter
dem Papste als dem Boten eines höheren Wil-
lens und dem Kaiser, als dem gewaltigen Horte
des Rechtes war ein großer, schöner Gedanke;
aber auch damals vermochte er den schnöden Stoff
nur unvollkommen zu bemeistern und ihn jetzt aus-
führen zu wollen, wird einem Verständigen wohl
eben so wenig einfallen, als er unseren Kriegern
rathen möchte, den Harnisch anzulegen, in welchem
Gottfried von Bouillon unter den Mauern von
Jerusalem kämpfte. Die Kirche ist ein großer
Bruderband, in dessen Heiligthume die wahren
Güter der Menschheit hinterlegt sind. Nicht ver-
gebens erscholl das Wort der Verheißung: Sehet,
ich bin bei euch bis an's Ende der Welt! Das
Mittelalter konnte sich den Staat nicht anders
als getragen von der Kirche denken, und wie die
Kirche das Salböl der Heiligung über das Haupt
des irdischen Herrschers ausgoß, so glaubte auch
der irdische Herrscher sich verpflichtet, wider Jene
das Schwert zu zücken, welche das Reich Gottes
auf Erden durch Jrrthum und Spaltung zu trü-
ben suchten. So war es in der schönsten Zeit
des Mittelalters. Später mischte die Berechnung
weltlicher Machthaber sich ein. -- Aber wir ha-
ben ja auch die Kirchenstrafen wieder bekommen.
O Finsterniß, o Barbarei! Nun werden wir näch-
stens die Leute in Sack und Asche von den Kir-
chenthüren stehen sehen! Genossen meiner Sorgen
[Spaltenumbruch] und Bemühungen, ich gestehe es, ein peinliches
Gefühl der Scham ergreift mich, nicht für uns,
aber für unsere Landsleute, unter welchen so man-
cher ehrenwerthe Mann über seine eigene Kirche
so ganz und gar im Dunkeln ist. Sollte irgend
eine furchtsame Seele vor der öffentlichen Buße
bangen, so sagt ihr kühn: Kein Bischof denkt
daran, die Kirchenbuße wieder einzuführen! Jhr
lauft nicht Gefahr, der Lüge geziehen zu werden:
denn die Kirchenbuße ist entweder eine gehässige
Polizeianstalt, welche wir mit Recht ablehnen,
oder sie fordert einen sittlichen Ernst, wie er un-
serer Zeit sehr ferne steht. Was die Kirchenstra-
fen im Allgemeinen betrifft, so hat jede Gesell-
schaft das Recht, solche Mitglieder, welche die
übernommenen Pflichten verletzen, unter gewissen
Bedingungen aus ihrer Mitte auszuschließen. Die-
ser Befugniß kann und wird die Kirche sich nie-
mals begeben, weil sie sich nicht selbst für recht-
los erklären darf. -- Aber wir sind die Kinder
eines Gottes, welcher schon im alten Bunde ver-
heißen hat, daß er das geknickte Rohr nicht zer-
brechen und den glimmenden Docht nicht auslö-
schen werde; welcher schon im alten Bunde zu
den Reuigen gesprochen hat: „Wenn eure Sün-
den wie Scharlach wären, sollen sie weiß werden
wie Schnee, und wenn sie roth wie Purpur wa-
ren, sollen sie weiß werden wie Wolle!“ Der
Geist der Kirche ist und war der Geist der
Milde; sie straft nur um zu heilen, nur um den
Sünder auf den Weg wahrer Buße zu leiten und
seine Seele zu retten. Wofern das Einschreiten
der äußersten Strafgewalt mehr des Schlimmen
als des Guten hervorrufen würde, überläßt sie
den Schuldigen seinem Gewissen und der stillen
Wirksamkeit im Beichtstuhle. Aber woraus schließt
man denn, daß die Bischöfe nun nach allen Sei-
ten hin den Bannstrahl versenden werden? Das
Concilium von Trient verordnet die größte Vor-
sicht in Anwendung von Kirchenstrafen; die zu
Wien versammelten Bischöfe haben sich die um-
sichtlichste Klugheit zum Gesetze gemacht. Sollte
Jemanden das Schreckbild der Kirchenstrafen äng-
stigen so ersucht ihn, einen Blick nach Belgien
hinüber zu werfen. Dort haben die Bischöfe seit
zwanzig Jahren die volle Freiheit, jede Kirchen-
strafe nach Maßgabe der Kirchengesetze anzuwen-
den, und hat man je über ihre Grausamkeit kla-
gen gehört? Uebrigens ist nicht einmal Das, was
für Belgien allenfalls passen möchte, auf unsere
Zustände anwendbar; aber unsere Zustände werden
auch in gewissenhafte Erwägung gezogen werden.
-- Die Kirche wird nicht umsonst eine Mutter
genannt. Jhr Vorbild ist der Hirt, welcher das
verirrte Schaf mit unerschöpflicher Geduld in der
Wüste sucht, ihr Meister ist Der, welcher sein
Leben hingab für seine Freunde und am Kreuze
bat für seine Feinde; Milde und Erbarmen sind
die Engel, welche sie begleiten, und die Liebe ist
die Sonne, welche über ihrem Pfade strahlt; doch
jene ächte Liebe, welche das Kleinod des Herzens
und der Lebenshauch der Menschheit ist. Die
Kirche weiß nichts von der weichlichen Sentimen-
lalität, welche mit schwächlichen Gefühlen spielt
und die Gleichgültigkeit gegen Gute und Böse
mit schillernden Redensarten bekleidet. Sie übt
und verkündet den Ernst der Ueberzeugung, die
[Spaltenumbruch] Kraft des Pflichtgefühles, die Ehrfurcht vor dem
Heiligen. Aber wenn diese Güter der Welt ab-
handen kommen, so muß sie in Schmutz und Blut
versinken. Dies wird uns nun schon im dritten
Jahre nicht durch Stimmen der Menschen, son-
dern durch die Gewalt der Ereignisse gepredigt.
Wer auch jetzt nicht Ohren hat, zu hören, der
verzichte wenigstens darauf, über die Bedürfnisse
der Zeit eine Stimme zu haben. -- Vor sechs-
zehn Jahrhunderten sprach ein Mann von seltenen
Geistesgaben, welchen man aufforderte, das Chri-
stenthum wider die Verläumdungen und Trug-
schlüsse der heidnischen Gelehrsamkeit zu vertheidi-
gen: Als unser Herr, und Heiland durch falsche
Zeugnisse angegriffen wurde, verstummte er; er
antwortete auf die Beschuldigungen nichts: denn
er war überzeugt, daß durch sein ganzes Leben
und die Werke, die er in Mitte der Juden ge-
than, die falschen Anklagen viel kräftiger wider-
legt würden, als durch irgend eine Rede gesche-
hen könnte. So werden auch die Verläumdungen
und Anschuldigungen, welche man wider die Chri-
sten und den Glauben der Kirche vorbringt, durch
die Sache selbst der Lüge überwiesen und durch
eine Lehre, welche trefflicher denn jede Schrift der
Sterblichen ist, dergestalt zernichtet, daß ihnen
kein Schatten der Wahrscheinlichkeit übrig bleibt.
Dies gilt auch von den Einrichtungen und Ge-
setzen, in welchen die Kirche von der Fürsehung
geleitet, die Ergebnisse tausendjähriger Erfahrung
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der Feinde verstummen zu machen, und die Zwei-
fel und Besorgnisse von Jrregeleiteten zu zer-
streuen, gibt es kein wirksames Mittel, als daß
die Kirche, so wie sie ist, hervortrete und walte.
Dies in dem uns zugewiesenen Bereiche zu voll-
bringen, ist die Aufgabe, welche der Herr uns
vorzeichnet. Es ist ein großer Augenblick: denn
er beginnt in weit verbreiteten Ländern für die
Kirche Gottes eine neue Zeit! Noch schweben
donnerschwangere Wolken über Europa, noch gäh-
ren die Leidenschaften und Entwürfe des Verder-
bens lauern auf den günstigen Augenblick; noch
schreitet der Haß Gottes und der Pflicht mit ge-
hobener Stirne einher und prahlt mit dem Her-
annahen seines Sieges. Da winkt der Allmäch-
tige und die Hemmnisse schwinden, durch welche
viele gottergebene Bestrebungen gelähmt und ent-
muthigt wurden. Wir treten hinaus in die freien,
frischen Lüfte des kirchlichen Lebens. Was soll
nun geschehen? Um mit Wenigem Vieles zu
sagen: Das kirchliche Bewußtsein soll in der
Brust des Katholiken belebt und wahrhaft aufge-
klärt werden; der Katholik soll lernen, was es
bedeute, ein Glied zu sein an dem Leibe, dessen
Haupt Christus ist. Hat er dies gelernt, so ist
auch das Band zwischen Zeit und Ewigkeit fest
geknüpft und immer tiefer wird es sich dem Her-
zen der Gläubigen einprägen, daß das irdische
Leben eine Wanderschaft ist nach dem ewigen Va-
terlande. -- Eine schwere Last der Verantwort-
lichkeit haben jetzt vor Allem Jene zu tragen, auf
welche die Pflichten übergingen, die der Herr den
Aposteln auflegte, da er sprach: Wie mich der
Vater sandte, so sende ich euch! Die Bischöfe
haben, wie es ihr Amt erheischte, für die Rechte
der Kirche die Stimme erhoben; sie haften nun

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[0001] Die Bayerische Presse. Abonnement: Ganzjährig 6 fl. Halbjährig 3 fl. Vierteljährig 1 fl. 30 kr. Monatlich für die Stadt 30 kr. Eine constitutionell-monarchische Zeitung. Expedition: Jm Schenkhofe 2. Distr. Nr. 533. Einrückungsgebühr: die gespaltene Pe- titzeile oder deren Raum 3 kr. Briefe und Gelder frei. Nr. 132. Würzburg, Montag den 3. Juni. 1850. Aus dem Hirtenbrief des hochw. Herrn Fürstbischofs von Seckau Joseph Othmar. ( Forts. und Schluß. ) Vielleicht, meine Freunde, kommen euch auch Solche vor, welche zwar an den Verfügungen vielerlei Bedenken finden; doch politischer Fernblick ist nicht ihre Sache; sie sind mehr Glücksmen- schen. Die Aufhebung des hochgepriesenen Pla- cetum, welches ihnen der schönste Edelstein der Krone und die stärkste Bürgschaft der Kaisermacht ist, erfüllt sie mit Unwillen und Bangen. Eine Menge Dinge, welche sie in Zeitungen und Ro- manen gelesen haben, tauchen verworren in ihrer Seele auf. Das finstere Mittelalter, meinen sie, ist in vollem Anzuge; schon sehen sie die Bann- bullen, die Absetzung von Königen, die spanische Jnquisition gleich zurückkehrenden Gespenstern na- hen, und manchem ehrlichen Manne graut es, als ob bereits der Scheiderhaufen angezündet werde und der Scherge die Hand nach ihm ausstrecke. Theuere Mitbrüder! man müßte bei diesen Trau- men lächeln, wenn es nicht kläglich wäre, daß Katholiken von solchen Träumen heimgesucht wer- den! des Mittelalter, welches von Wenigen ein- seitig gepriesen und von Unzähligen einsertig ge- schmäht wird, war eine Zeit, welche die heiligsten Bedürfnisse des Geistes nicht nur mit tiefer Jn- nigkeit fühlte, sondern auch als Richtschnur des ganzen Lebens geltend machte; es suchte alle irdi- schen Ordnungen dem ewigen Ziele, welchem der Mensch entgegengeht, zu unterwerfen, und dieß ist seine Größe und sein Ruhm. Aber die Gestal- tungen, welche jenes edle Streben hervorrief, wa- ren von Mängeln keineswegs frei und überdieß stützten sie sich auf Entwickelungen, welche vor- übergezogen sind mit ihren Licht= und ihren Schat- tenseiten. Die Einheit der christlichen Welt unter dem Papste als dem Boten eines höheren Wil- lens und dem Kaiser, als dem gewaltigen Horte des Rechtes war ein großer, schöner Gedanke; aber auch damals vermochte er den schnöden Stoff nur unvollkommen zu bemeistern und ihn jetzt aus- führen zu wollen, wird einem Verständigen wohl eben so wenig einfallen, als er unseren Kriegern rathen möchte, den Harnisch anzulegen, in welchem Gottfried von Bouillon unter den Mauern von Jerusalem kämpfte. Die Kirche ist ein großer Bruderband, in dessen Heiligthume die wahren Güter der Menschheit hinterlegt sind. Nicht ver- gebens erscholl das Wort der Verheißung: Sehet, ich bin bei euch bis an's Ende der Welt! Das Mittelalter konnte sich den Staat nicht anders als getragen von der Kirche denken, und wie die Kirche das Salböl der Heiligung über das Haupt des irdischen Herrschers ausgoß, so glaubte auch der irdische Herrscher sich verpflichtet, wider Jene das Schwert zu zücken, welche das Reich Gottes auf Erden durch Jrrthum und Spaltung zu trü- ben suchten. So war es in der schönsten Zeit des Mittelalters. Später mischte die Berechnung weltlicher Machthaber sich ein. -- Aber wir ha- ben ja auch die Kirchenstrafen wieder bekommen. O Finsterniß, o Barbarei! Nun werden wir näch- stens die Leute in Sack und Asche von den Kir- chenthüren stehen sehen! Genossen meiner Sorgen und Bemühungen, ich gestehe es, ein peinliches Gefühl der Scham ergreift mich, nicht für uns, aber für unsere Landsleute, unter welchen so man- cher ehrenwerthe Mann über seine eigene Kirche so ganz und gar im Dunkeln ist. Sollte irgend eine furchtsame Seele vor der öffentlichen Buße bangen, so sagt ihr kühn: Kein Bischof denkt daran, die Kirchenbuße wieder einzuführen! Jhr lauft nicht Gefahr, der Lüge geziehen zu werden: denn die Kirchenbuße ist entweder eine gehässige Polizeianstalt, welche wir mit Recht ablehnen, oder sie fordert einen sittlichen Ernst, wie er un- serer Zeit sehr ferne steht. Was die Kirchenstra- fen im Allgemeinen betrifft, so hat jede Gesell- schaft das Recht, solche Mitglieder, welche die übernommenen Pflichten verletzen, unter gewissen Bedingungen aus ihrer Mitte auszuschließen. Die- ser Befugniß kann und wird die Kirche sich nie- mals begeben, weil sie sich nicht selbst für recht- los erklären darf. -- Aber wir sind die Kinder eines Gottes, welcher schon im alten Bunde ver- heißen hat, daß er das geknickte Rohr nicht zer- brechen und den glimmenden Docht nicht auslö- schen werde; welcher schon im alten Bunde zu den Reuigen gesprochen hat: „Wenn eure Sün- den wie Scharlach wären, sollen sie weiß werden wie Schnee, und wenn sie roth wie Purpur wa- ren, sollen sie weiß werden wie Wolle!“ Der Geist der Kirche ist und war der Geist der Milde; sie straft nur um zu heilen, nur um den Sünder auf den Weg wahrer Buße zu leiten und seine Seele zu retten. Wofern das Einschreiten der äußersten Strafgewalt mehr des Schlimmen als des Guten hervorrufen würde, überläßt sie den Schuldigen seinem Gewissen und der stillen Wirksamkeit im Beichtstuhle. Aber woraus schließt man denn, daß die Bischöfe nun nach allen Sei- ten hin den Bannstrahl versenden werden? Das Concilium von Trient verordnet die größte Vor- sicht in Anwendung von Kirchenstrafen; die zu Wien versammelten Bischöfe haben sich die um- sichtlichste Klugheit zum Gesetze gemacht. Sollte Jemanden das Schreckbild der Kirchenstrafen äng- stigen so ersucht ihn, einen Blick nach Belgien hinüber zu werfen. Dort haben die Bischöfe seit zwanzig Jahren die volle Freiheit, jede Kirchen- strafe nach Maßgabe der Kirchengesetze anzuwen- den, und hat man je über ihre Grausamkeit kla- gen gehört? Uebrigens ist nicht einmal Das, was für Belgien allenfalls passen möchte, auf unsere Zustände anwendbar; aber unsere Zustände werden auch in gewissenhafte Erwägung gezogen werden. -- Die Kirche wird nicht umsonst eine Mutter genannt. Jhr Vorbild ist der Hirt, welcher das verirrte Schaf mit unerschöpflicher Geduld in der Wüste sucht, ihr Meister ist Der, welcher sein Leben hingab für seine Freunde und am Kreuze bat für seine Feinde; Milde und Erbarmen sind die Engel, welche sie begleiten, und die Liebe ist die Sonne, welche über ihrem Pfade strahlt; doch jene ächte Liebe, welche das Kleinod des Herzens und der Lebenshauch der Menschheit ist. Die Kirche weiß nichts von der weichlichen Sentimen- lalität, welche mit schwächlichen Gefühlen spielt und die Gleichgültigkeit gegen Gute und Böse mit schillernden Redensarten bekleidet. Sie übt und verkündet den Ernst der Ueberzeugung, die Kraft des Pflichtgefühles, die Ehrfurcht vor dem Heiligen. Aber wenn diese Güter der Welt ab- handen kommen, so muß sie in Schmutz und Blut versinken. Dies wird uns nun schon im dritten Jahre nicht durch Stimmen der Menschen, son- dern durch die Gewalt der Ereignisse gepredigt. Wer auch jetzt nicht Ohren hat, zu hören, der verzichte wenigstens darauf, über die Bedürfnisse der Zeit eine Stimme zu haben. -- Vor sechs- zehn Jahrhunderten sprach ein Mann von seltenen Geistesgaben, welchen man aufforderte, das Chri- stenthum wider die Verläumdungen und Trug- schlüsse der heidnischen Gelehrsamkeit zu vertheidi- gen: Als unser Herr, und Heiland durch falsche Zeugnisse angegriffen wurde, verstummte er; er antwortete auf die Beschuldigungen nichts: denn er war überzeugt, daß durch sein ganzes Leben und die Werke, die er in Mitte der Juden ge- than, die falschen Anklagen viel kräftiger wider- legt würden, als durch irgend eine Rede gesche- hen könnte. So werden auch die Verläumdungen und Anschuldigungen, welche man wider die Chri- sten und den Glauben der Kirche vorbringt, durch die Sache selbst der Lüge überwiesen und durch eine Lehre, welche trefflicher denn jede Schrift der Sterblichen ist, dergestalt zernichtet, daß ihnen kein Schatten der Wahrscheinlichkeit übrig bleibt. Dies gilt auch von den Einrichtungen und Ge- setzen, in welchen die Kirche von der Fürsehung geleitet, die Ergebnisse tausendjähriger Erfahrung niedergelegt hat. Um die ergrimmten Anklagen der Feinde verstummen zu machen, und die Zwei- fel und Besorgnisse von Jrregeleiteten zu zer- streuen, gibt es kein wirksames Mittel, als daß die Kirche, so wie sie ist, hervortrete und walte. Dies in dem uns zugewiesenen Bereiche zu voll- bringen, ist die Aufgabe, welche der Herr uns vorzeichnet. Es ist ein großer Augenblick: denn er beginnt in weit verbreiteten Ländern für die Kirche Gottes eine neue Zeit! Noch schweben donnerschwangere Wolken über Europa, noch gäh- ren die Leidenschaften und Entwürfe des Verder- bens lauern auf den günstigen Augenblick; noch schreitet der Haß Gottes und der Pflicht mit ge- hobener Stirne einher und prahlt mit dem Her- annahen seines Sieges. Da winkt der Allmäch- tige und die Hemmnisse schwinden, durch welche viele gottergebene Bestrebungen gelähmt und ent- muthigt wurden. Wir treten hinaus in die freien, frischen Lüfte des kirchlichen Lebens. Was soll nun geschehen? Um mit Wenigem Vieles zu sagen: Das kirchliche Bewußtsein soll in der Brust des Katholiken belebt und wahrhaft aufge- klärt werden; der Katholik soll lernen, was es bedeute, ein Glied zu sein an dem Leibe, dessen Haupt Christus ist. Hat er dies gelernt, so ist auch das Band zwischen Zeit und Ewigkeit fest geknüpft und immer tiefer wird es sich dem Her- zen der Gläubigen einprägen, daß das irdische Leben eine Wanderschaft ist nach dem ewigen Va- terlande. -- Eine schwere Last der Verantwort- lichkeit haben jetzt vor Allem Jene zu tragen, auf welche die Pflichten übergingen, die der Herr den Aposteln auflegte, da er sprach: Wie mich der Vater sandte, so sende ich euch! Die Bischöfe haben, wie es ihr Amt erheischte, für die Rechte der Kirche die Stimme erhoben; sie haften nun

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Zitationshilfe: Die Bayerische Presse. Nr. 132. Würzburg, 3. Juni 1850, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_bayerische132_1850/1>, abgerufen am 18.04.2024.