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Die Bayerische Presse. Nr. 84. Würzburg, 8. April 1850.

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[Spaltenumbruch] leitet sein. -- Dem Vernehmen nach hat das
Ministerium wegen Herrichtung der Appartements
für Abhaltung der Landtage in den verschiedenen
Kronländern bereits Einleitungen getroffen. --
Nach Mailand und der Umgegend sollen noch
20,000 M. verlegt werden. -- Nach glaub-
würdigen Nachrichten steht eine Beschlußnahme
in Betreff des längst projectirten Anlehens im
lombardisch = venetianischen Königreich in nächster
Aussicht. Dasselbe soll 40 Mill. Gulden be-
tragen, wovon die eine Hälfte in Schatzscheinen,
die andere in Silber gegen 5procentige Metalli-
ques eingezahlt werden soll. Diese Obligationen
sollen auf den Monte versichert und innerhalb
25 Jahren verlost werden. Die Aufforderung
soll vorerst zu einer freiwilligen Anleihe erfolgen,
bei deren Erfolglosigkeit man zu einer Zwangs-
Anleihe schreiten wird. Ein Theil der Gelder ist
zum Ankauf der Mailand = Venetianer Bahn be-
stimmt. -- Dem "Constitutionellen Blatt aus Böh-
men " wird aus der Lombardei geschrieben, daß
die öffentliche Sicherheit im ganzen Lande in der
beklagenswerthesten Lage ist. Kein Tag vergeht,
an dem nicht aus den Provinzen Nachrichten über
die kecksten Raubanfälle, Plünderungen, Mord-
und Todtschläge aller Art einlaufen. Selbst in
Mailand finden fast täglich sogar in den besuch-
testen Straßen Raubanfälle Statt, die man un-
geachtet aller Strenge gegen Einzelne nicht ver-
hindern kann.

Frankreich.

Paris, 30. März. Eine liberalc englische
Zeitschrift bemerkt über die dermalen französischen
Zustände: "Die im Februar 1848 entstandene
Regierungsform von Frankreich ist so weit
entfernt von einer republikanischen Verfassung,
wie irgend eine Regierungsform nur sein kann.
Frankreich trat vielmehr unter eine vielköpfige
Dictatur, unter eine despotische Oligarchie. Elf
Männer, von denen einige von einer Zeitungs-
expedition, andere von einer Pöbelrotte, die in
die Deputirtenkammer einbrach, ausgesucht und
angestellt worden waren, haben Frankreich wäh-
rend der Monate März, April und Mai 1848
mit einem Grade des Absolutismus regiert, von
dem die Geschichte sonst kein Beispiel aufzuweisen
hat. Die tyrannischsten Asiatischen oder Af-
rikanischen
Herrscher, der Kaiser von China
der König von Dahrmi oder der Aschan-
ti 's
dürfen nicht den zehnten Theil der despoti-
schen Willkür sich erlauben, welche die Elfe in
ihre hundert Tage zusammengedrängt haben. Sie
lösten die Deputirtenkammer auf. Sie verboten
den Pairs sich zu versammeln. Sie vermehrten
das stehende Heer um 200,000 Mann und er-
richteten eine neue Armee für Paris von 20,000
Mann mit doppeltem Solde. Zur Bestreitung
dieser Ausgaben erhöhten sie die direkten Steuern
um 41 Procent. Sie entbanden die Bank von
den Baarzahlungen, gaben den Banknoten einen
Zwangscours, und forderten dann der Bank ein
Darlehen von 50 Millionen ab. Sie thaten
kühne Griffe in die Sparkassen. Sie schafften
alte Abgaben ab und führten neue ein. Sie er-
klärten die Staatsverträge, auf welchen das Eu-
ropäische
Völkerrecht beruht, für erloschen. Sie
setzten Richter ab, die nach der Verfassung unab-
setzbar waren. Sie sandten Commissarien in das
Land, welche sie mit eben der absoluten Gewalt
bekleideten, welche sie sich selbst angemaßt hatten.
Kurz, sie thaten, was keine Regierung thun kann,
der noch irgend ein beschränkender oder mäßigen-
der Einfluß gegenübersteht. Sie verboten endlich
und verhinderten, so gut sie konnten, die Rückkehr
Frankreichs zu der Verfassung, unter welcher
es seit Cäsärs Zeit immer gelebt hat, die sie-
ben jammervollsten Jahre seiner Existenz ( 1792--
1799 ) allein ausgenommen. Wenn dies repu-
blikanische Regierung ist, so finden wir mehr
Freiheit in Venetianischer Aristokratie oder
im Türkischen Despotismus. Aber so groß die
Macht dieser Tyrannen war, die Rückkehr zur
Monarchie konnten sie nicht hindern. Nach noch
nicht ganz vier Monaten wurde die Monarchie
[Spaltenumbruch] -- eine wirkliche, wenn gleich eine temporäre Mo-
narchie -- in der Person des General Cavaignac
hergestellt. Und jetzt ist das monarische Element
in Frankreich vielleicht stärker als in irgend
einem europäischen Lande. Louis Napo-
leon
hat mehr wirkliche Macht als irgend ein
gleichzeitiger Herrscher, den Russischen Kaiser
allein ausgenommen. Die Franzosen sind gegen-
wärtig mehr Unterthanen eines Einzelwillens,
eines unbeschränkten und auf mehrere Jahre hin
gesetzlich unbeschränkten Einzelwillens, -- als sie
unter irgend einem Könige seit dem Tode Lud-
wigs
des Vierzehnten gewesen sind, -- mehr
Unterthanen eines Einzelwillens, als sin nament-
lich während der letzten Regierungsjasre des sehr
selbstregierenden Louis Philipp waren.

C Paris, 2. April. Der Constitutionnel ent-
hält Folgendes: Die Preßgesetzkommission hat
sich heute versammelt. Folgendes sind die Punkte,
über welche, wie man versichert, sie einig ist:
Beibehaltung des jetzigen Cautionsbe-
trages
und Verpflichtung der Journale, im Ver-
urtheilungsfalle binnen drei Tagen ihre Caution
zu ergänzen. Dieser Tage wird sie die Abgeord-
neten der Departementalpresse besonders verneh-
men. Diese werden morgen eine Sitzung haben,
um sich über die zu machenden Vorstellungen zu
einigen. -- Am 29. November 1849 wurde Cabet
vom Zuchtpolizeigerichte wegen Mißbrauch des
Vertrauens und Betrügerei zu zwei Jahren Ge-
fängniß, 50 Fr. Geldbuße und fünfjährigem Ver-
lust der bürgerlichen Rechte in contumatam ver-
urtheilt. Cabet legte dagegen Verwahrung ein.
Gestern 2. April war der anberaumte Termin.
Der Vertheidiger Cabets, Henry Celliez, verlangte
einen abermaligen Aufschub von 3 Monaten, wo
sein bis jetzt verhinderter Client mit seinem Eh-
renworte sich verpflichte, sich zu stellen. Der An-
waltssubstitut Oscaro de la Vallie ( von Girar-
din im Versailler Prozeß des Mißbrauchs der
Amtsgewalt beschuldigt ) , spricht in einer längeren
Rede dagegen. Dies Tribunal verwirft die Ein-
rede Cabets und bestätigt das Urtheil vom 29.
September. -- Wenn wir einer sonst sehr ver-
läßlichen Quelle glauben dürfen, hat die Groß-
herzogin Stephania von Baden ihren Aufenthalt
dazu benützt, die Grundlagen einer französisch-
russischen
Allianz anzubahnen. Wie sie die Ver-
mittlerin von französischer Seite ist, vertritt der
mit ihr verwandte Herzog von Leuchtenberg, den
man nächstens hier erwartet, Rußland. Die Un-
terhandlungen sind weit genug vorgerückt, um Lord
Normanby so sehr zu beunruhigen, daß er mit
dem Elysee schmollt. Die gegenwärtige Stellung
Englands und Rußlands hat viel dazu beigetra-
gen. Ein geistreicher Legitimist bemerkte auf die
Nachricht von dieser Neuigkeit, daß die Februar-
revolution nur wenige Tage vor dem Abschluß
einer Allianz zwischen Louis Philipp und Nikolaus
ausgebrochen sei. -- Die Regierung wollte, wie
wir neulich berichtet haben, alle arbeitslosen, nicht
hier gebürtigten Arbeiter und erwerblose Fremde
sammt Vagabunden plötzlich aus Paris entfernen.
Bestimmte Befehle waren gegeben, die Divisions-
generale wie die Polizeiagenten bereit, als im
Augenblick der Ausführung Gegenbefehl anlangte.

Aus dem mittägigen Frankreich, Ende März.
Jmmer mehr wohlhabende Familien verlassen un-
ser Land, um sich auswärts vor der Hand oder
auch für die Dauer niederzulassen. Verstimmung
in unsern socialen Zuständen, Mißtrauen in deren
Verbesserung sind die Ursachen dieses Auswan-
derns. Royer Collard sagte einmal: "Frankreich
wird untergehen im Mangel der Achtung vor
allem Höheren, sei es menschliche, sei es göttliche
Autorität." So ist es, diese Achtung ist aus
der Gesellschaft gewichen, zunächst aus der Fa-
milie. Jeder überschätzt seinen eigenen Werth
und maßt sich an, Andere beherrschen zu wollen;
diese Krankheit ist allen Ständen und allen Schich-
ten der Nation eigen. Zur Zeit ist noch die
Armee unsere feste Stütze; achtet man sie
auch nicht, so fürchtet man sie doch. Die Po-
litik der Nationalversammlung und der Partei
der Ordnung ist nur eine der Unthätigkeit, des
[Spaltenumbruch] Zuwartens, monarchischen Grolls ( bouderie ) ,
unzeitigen Bedauerns, der Verneinung, thatloser
Wünsche, wobei die Uebel täglich weiter um sich
greifen und nichts wesentlich Gutes geschaffen
wird. Die letzten Pariser Wahlen haben hier
allgemeines Erstaunen, tiefe Betrübniß erregt;
man begreift die Bougeoisie nicht, der doch Alles
liegen sollte an tüchtigen Vertretern. Sollte sie
so weit in ihren Vermögensumständen zurückge-
kommen sein, fragt man sich hier, und deshalb
zum Sozialismus sich neigen? Der reine Pa-
triotismus für das große, schöne Frankreich, das
nur in der Einheit bestehen kann, ist dahin, man
schwört zur rothen Republik, zum Bonapartis-
mus, Orleanismus, zur Legitimität, vor Allem und
neben Allem zum krassesten Egoismus.

Jtalien.

Turin, 1. April. Der Erzbischof von Turin,
Monfignore Fransoui, ist nun auf seinen Stuhl
hierher zurückgekehrt, zur großen Freude der großen
Mehrheit der Bewohner der Hauptstadt, welche
ihn bei seinem öffentlichen Erscheinen aus Anlaß
der kirchlichen Feierlichkeiten der verflossenen Woche
laute Beweise davon gaben. Gerade das ärgerte
aber die Demokraten, seine erbittersten Gegner,
und ein starker Haufe derselben konnte sich die
Befriedigung des Rachedurstes dafür nicht versa-
gen, indem sie am Charsamstag und Ostersonn-
tag, als er Mittags die Kathedrale verließ, mit
Zischen und Pfeifen ihn empfingen. Allgemeine
Entrüstung herrscht bei der besseren Mehrheit der
Einwohner über dieses schmachvolle Benehmen,
das übrigens bei der Rohheit dieser Partei nicht
Wunder nehmen kann.

Griechenland.

Athen, 26. März. Jn unserer Lage ist seit
meinem letzten Schreiben keine Aenderung von Be-
deutung erfolgt. Die Ungewißheit über die Zu-
kunft dauert fort, und dieses ewige Schwanken
zwischen Hoffnung und Furcht macht den Zustand
fortwährend unbehaglich. Soviel ich über die Ar-
beiten des Baron Gros erfahre, ist derselbe be-
reits zu der Ueberzeugung gelangt, daß die For-
derungen Englands, für welche sich überhaupt ei-
nige Begründung nachweisen läßt, auf sehr wenig
hinauslaufen, und wenn man zu London nicht ab-
solut und beharrlich die rohe Gewalt an die Stelle
des Rechts setzen will, so würde Griechenland mit
einem geringen Geldopfer wegkommen. Jn diesem
Sinne werden auch die Vorschläge des Baron
Gros wahrscheinlich lauten. Ob sie freilich von
englischer Seite Gehör finden, das wissen nur die
Götter, und der unermeßliche Schaden, der dem
griechischen Handel aus der Wegnahme seiner
Schiffe mit ihren Ladungen und der langen Un-
terbrechung alles Verkehrs erwachsen ist, wird doch
niemals ersetzt werden. Heute soll, wie ich höre,
die erste Besprechung zwischen Baron Gros und
dem engl. Gesandten, Hrn. Wyse, in der Sache
stattfinden. Das einzig Sichere, worauf man mit
Grund hier rechnen zu können hofft, ist, daß Ruß-
land und Frankreich eine Wiederaufnahme der Feind-
seligkeiten von Seite Englands nicht zugeben wer-
den; eine solche ist auch schon deshalb nicht wahr-
scheinlich, weil die Pfänder, welche in Händen der
Engländer sind, den Werth der engl. Forderungen
unter allen Umständen weit übersteigen. Der Han-
del liegt inzwischen fortwährend darnieder; es fehlt
das zu größeren Unternehmungen, die einer gesi-
cherten Zukunft bedürfen, nöthige Vertrauen, und
die Regierung ist durch die schwebenden politischen
Fragen nach Außen so sehr in Anspruch genommen,
daß es ihr auch beim besten Willen kaum möglich
ist, den inneren Verhältnissen des Landes jene
volle Thätigkeit zuzuwenden, welche sie erheischen,
man mag nun die Finanzwirthschaft, das Militär-
wesen oder irgend einen Zweig der Verwaltung
ins Auge fassen: überall sind Reformen dringend
geboten, und die Regierung wird auch nicht säu-
men dazu Hand anzulegen, sobald sie nur die
Hände wieder etwas frei bekömmt. Guten Ein-
druck hat es hier gemacht, daß Rußland nament-
lich auch wegen Herausgabe der gekaperten Schiffe

[Spaltenumbruch] leitet sein. -- Dem Vernehmen nach hat das
Ministerium wegen Herrichtung der Appartements
für Abhaltung der Landtage in den verschiedenen
Kronländern bereits Einleitungen getroffen. --
Nach Mailand und der Umgegend sollen noch
20,000 M. verlegt werden. -- Nach glaub-
würdigen Nachrichten steht eine Beschlußnahme
in Betreff des längst projectirten Anlehens im
lombardisch = venetianischen Königreich in nächster
Aussicht. Dasselbe soll 40 Mill. Gulden be-
tragen, wovon die eine Hälfte in Schatzscheinen,
die andere in Silber gegen 5procentige Metalli-
ques eingezahlt werden soll. Diese Obligationen
sollen auf den Monte versichert und innerhalb
25 Jahren verlost werden. Die Aufforderung
soll vorerst zu einer freiwilligen Anleihe erfolgen,
bei deren Erfolglosigkeit man zu einer Zwangs-
Anleihe schreiten wird. Ein Theil der Gelder ist
zum Ankauf der Mailand = Venetianer Bahn be-
stimmt. -- Dem „Constitutionellen Blatt aus Böh-
men “ wird aus der Lombardei geschrieben, daß
die öffentliche Sicherheit im ganzen Lande in der
beklagenswerthesten Lage ist. Kein Tag vergeht,
an dem nicht aus den Provinzen Nachrichten über
die kecksten Raubanfälle, Plünderungen, Mord-
und Todtschläge aller Art einlaufen. Selbst in
Mailand finden fast täglich sogar in den besuch-
testen Straßen Raubanfälle Statt, die man un-
geachtet aller Strenge gegen Einzelne nicht ver-
hindern kann.

Frankreich.

Paris, 30. März. Eine liberalc englische
Zeitschrift bemerkt über die dermalen französischen
Zustände: „Die im Februar 1848 entstandene
Regierungsform von Frankreich ist so weit
entfernt von einer republikanischen Verfassung,
wie irgend eine Regierungsform nur sein kann.
Frankreich trat vielmehr unter eine vielköpfige
Dictatur, unter eine despotische Oligarchie. Elf
Männer, von denen einige von einer Zeitungs-
expedition, andere von einer Pöbelrotte, die in
die Deputirtenkammer einbrach, ausgesucht und
angestellt worden waren, haben Frankreich wäh-
rend der Monate März, April und Mai 1848
mit einem Grade des Absolutismus regiert, von
dem die Geschichte sonst kein Beispiel aufzuweisen
hat. Die tyrannischsten Asiatischen oder Af-
rikanischen
Herrscher, der Kaiser von China
der König von Dahrmi oder der Aschan-
ti 's
dürfen nicht den zehnten Theil der despoti-
schen Willkür sich erlauben, welche die Elfe in
ihre hundert Tage zusammengedrängt haben. Sie
lösten die Deputirtenkammer auf. Sie verboten
den Pairs sich zu versammeln. Sie vermehrten
das stehende Heer um 200,000 Mann und er-
richteten eine neue Armee für Paris von 20,000
Mann mit doppeltem Solde. Zur Bestreitung
dieser Ausgaben erhöhten sie die direkten Steuern
um 41 Procent. Sie entbanden die Bank von
den Baarzahlungen, gaben den Banknoten einen
Zwangscours, und forderten dann der Bank ein
Darlehen von 50 Millionen ab. Sie thaten
kühne Griffe in die Sparkassen. Sie schafften
alte Abgaben ab und führten neue ein. Sie er-
klärten die Staatsverträge, auf welchen das Eu-
ropäische
Völkerrecht beruht, für erloschen. Sie
setzten Richter ab, die nach der Verfassung unab-
setzbar waren. Sie sandten Commissarien in das
Land, welche sie mit eben der absoluten Gewalt
bekleideten, welche sie sich selbst angemaßt hatten.
Kurz, sie thaten, was keine Regierung thun kann,
der noch irgend ein beschränkender oder mäßigen-
der Einfluß gegenübersteht. Sie verboten endlich
und verhinderten, so gut sie konnten, die Rückkehr
Frankreichs zu der Verfassung, unter welcher
es seit Cäsärs Zeit immer gelebt hat, die sie-
ben jammervollsten Jahre seiner Existenz ( 1792--
1799 ) allein ausgenommen. Wenn dies repu-
blikanische Regierung ist, so finden wir mehr
Freiheit in Venetianischer Aristokratie oder
im Türkischen Despotismus. Aber so groß die
Macht dieser Tyrannen war, die Rückkehr zur
Monarchie konnten sie nicht hindern. Nach noch
nicht ganz vier Monaten wurde die Monarchie
[Spaltenumbruch] -- eine wirkliche, wenn gleich eine temporäre Mo-
narchie -- in der Person des General Cavaignac
hergestellt. Und jetzt ist das monarische Element
in Frankreich vielleicht stärker als in irgend
einem europäischen Lande. Louis Napo-
leon
hat mehr wirkliche Macht als irgend ein
gleichzeitiger Herrscher, den Russischen Kaiser
allein ausgenommen. Die Franzosen sind gegen-
wärtig mehr Unterthanen eines Einzelwillens,
eines unbeschränkten und auf mehrere Jahre hin
gesetzlich unbeschränkten Einzelwillens, -- als sie
unter irgend einem Könige seit dem Tode Lud-
wigs
des Vierzehnten gewesen sind, -- mehr
Unterthanen eines Einzelwillens, als sin nament-
lich während der letzten Regierungsjasre des sehr
selbstregierenden Louis Philipp waren.

C Paris, 2. April. Der Constitutionnel ent-
hält Folgendes: Die Preßgesetzkommission hat
sich heute versammelt. Folgendes sind die Punkte,
über welche, wie man versichert, sie einig ist:
Beibehaltung des jetzigen Cautionsbe-
trages
und Verpflichtung der Journale, im Ver-
urtheilungsfalle binnen drei Tagen ihre Caution
zu ergänzen. Dieser Tage wird sie die Abgeord-
neten der Departementalpresse besonders verneh-
men. Diese werden morgen eine Sitzung haben,
um sich über die zu machenden Vorstellungen zu
einigen. -- Am 29. November 1849 wurde Cabet
vom Zuchtpolizeigerichte wegen Mißbrauch des
Vertrauens und Betrügerei zu zwei Jahren Ge-
fängniß, 50 Fr. Geldbuße und fünfjährigem Ver-
lust der bürgerlichen Rechte in contumatam ver-
urtheilt. Cabet legte dagegen Verwahrung ein.
Gestern 2. April war der anberaumte Termin.
Der Vertheidiger Cabets, Henry Celliez, verlangte
einen abermaligen Aufschub von 3 Monaten, wo
sein bis jetzt verhinderter Client mit seinem Eh-
renworte sich verpflichte, sich zu stellen. Der An-
waltssubstitut Oscaro de la Vallie ( von Girar-
din im Versailler Prozeß des Mißbrauchs der
Amtsgewalt beschuldigt ) , spricht in einer längeren
Rede dagegen. Dies Tribunal verwirft die Ein-
rede Cabets und bestätigt das Urtheil vom 29.
September. -- Wenn wir einer sonst sehr ver-
läßlichen Quelle glauben dürfen, hat die Groß-
herzogin Stephania von Baden ihren Aufenthalt
dazu benützt, die Grundlagen einer französisch-
russischen
Allianz anzubahnen. Wie sie die Ver-
mittlerin von französischer Seite ist, vertritt der
mit ihr verwandte Herzog von Leuchtenberg, den
man nächstens hier erwartet, Rußland. Die Un-
terhandlungen sind weit genug vorgerückt, um Lord
Normanby so sehr zu beunruhigen, daß er mit
dem Elysée schmollt. Die gegenwärtige Stellung
Englands und Rußlands hat viel dazu beigetra-
gen. Ein geistreicher Legitimist bemerkte auf die
Nachricht von dieser Neuigkeit, daß die Februar-
revolution nur wenige Tage vor dem Abschluß
einer Allianz zwischen Louis Philipp und Nikolaus
ausgebrochen sei. -- Die Regierung wollte, wie
wir neulich berichtet haben, alle arbeitslosen, nicht
hier gebürtigten Arbeiter und erwerblose Fremde
sammt Vagabunden plötzlich aus Paris entfernen.
Bestimmte Befehle waren gegeben, die Divisions-
generale wie die Polizeiagenten bereit, als im
Augenblick der Ausführung Gegenbefehl anlangte.

Aus dem mittägigen Frankreich, Ende März.
Jmmer mehr wohlhabende Familien verlassen un-
ser Land, um sich auswärts vor der Hand oder
auch für die Dauer niederzulassen. Verstimmung
in unsern socialen Zuständen, Mißtrauen in deren
Verbesserung sind die Ursachen dieses Auswan-
derns. Royer Collard sagte einmal: „Frankreich
wird untergehen im Mangel der Achtung vor
allem Höheren, sei es menschliche, sei es göttliche
Autorität.“ So ist es, diese Achtung ist aus
der Gesellschaft gewichen, zunächst aus der Fa-
milie. Jeder überschätzt seinen eigenen Werth
und maßt sich an, Andere beherrschen zu wollen;
diese Krankheit ist allen Ständen und allen Schich-
ten der Nation eigen. Zur Zeit ist noch die
Armee unsere feste Stütze; achtet man sie
auch nicht, so fürchtet man sie doch. Die Po-
litik der Nationalversammlung und der Partei
der Ordnung ist nur eine der Unthätigkeit, des
[Spaltenumbruch] Zuwartens, monarchischen Grolls ( bouderie ) ,
unzeitigen Bedauerns, der Verneinung, thatloser
Wünsche, wobei die Uebel täglich weiter um sich
greifen und nichts wesentlich Gutes geschaffen
wird. Die letzten Pariser Wahlen haben hier
allgemeines Erstaunen, tiefe Betrübniß erregt;
man begreift die Bougeoisie nicht, der doch Alles
liegen sollte an tüchtigen Vertretern. Sollte sie
so weit in ihren Vermögensumständen zurückge-
kommen sein, fragt man sich hier, und deshalb
zum Sozialismus sich neigen? Der reine Pa-
triotismus für das große, schöne Frankreich, das
nur in der Einheit bestehen kann, ist dahin, man
schwört zur rothen Republik, zum Bonapartis-
mus, Orleanismus, zur Legitimität, vor Allem und
neben Allem zum krassesten Egoismus.

Jtalien.

Turin, 1. April. Der Erzbischof von Turin,
Monfignore Fransoui, ist nun auf seinen Stuhl
hierher zurückgekehrt, zur großen Freude der großen
Mehrheit der Bewohner der Hauptstadt, welche
ihn bei seinem öffentlichen Erscheinen aus Anlaß
der kirchlichen Feierlichkeiten der verflossenen Woche
laute Beweise davon gaben. Gerade das ärgerte
aber die Demokraten, seine erbittersten Gegner,
und ein starker Haufe derselben konnte sich die
Befriedigung des Rachedurstes dafür nicht versa-
gen, indem sie am Charsamstag und Ostersonn-
tag, als er Mittags die Kathedrale verließ, mit
Zischen und Pfeifen ihn empfingen. Allgemeine
Entrüstung herrscht bei der besseren Mehrheit der
Einwohner über dieses schmachvolle Benehmen,
das übrigens bei der Rohheit dieser Partei nicht
Wunder nehmen kann.

Griechenland.

Athen, 26. März. Jn unserer Lage ist seit
meinem letzten Schreiben keine Aenderung von Be-
deutung erfolgt. Die Ungewißheit über die Zu-
kunft dauert fort, und dieses ewige Schwanken
zwischen Hoffnung und Furcht macht den Zustand
fortwährend unbehaglich. Soviel ich über die Ar-
beiten des Baron Gros erfahre, ist derselbe be-
reits zu der Ueberzeugung gelangt, daß die For-
derungen Englands, für welche sich überhaupt ei-
nige Begründung nachweisen läßt, auf sehr wenig
hinauslaufen, und wenn man zu London nicht ab-
solut und beharrlich die rohe Gewalt an die Stelle
des Rechts setzen will, so würde Griechenland mit
einem geringen Geldopfer wegkommen. Jn diesem
Sinne werden auch die Vorschläge des Baron
Gros wahrscheinlich lauten. Ob sie freilich von
englischer Seite Gehör finden, das wissen nur die
Götter, und der unermeßliche Schaden, der dem
griechischen Handel aus der Wegnahme seiner
Schiffe mit ihren Ladungen und der langen Un-
terbrechung alles Verkehrs erwachsen ist, wird doch
niemals ersetzt werden. Heute soll, wie ich höre,
die erste Besprechung zwischen Baron Gros und
dem engl. Gesandten, Hrn. Wyse, in der Sache
stattfinden. Das einzig Sichere, worauf man mit
Grund hier rechnen zu können hofft, ist, daß Ruß-
land und Frankreich eine Wiederaufnahme der Feind-
seligkeiten von Seite Englands nicht zugeben wer-
den; eine solche ist auch schon deshalb nicht wahr-
scheinlich, weil die Pfänder, welche in Händen der
Engländer sind, den Werth der engl. Forderungen
unter allen Umständen weit übersteigen. Der Han-
del liegt inzwischen fortwährend darnieder; es fehlt
das zu größeren Unternehmungen, die einer gesi-
cherten Zukunft bedürfen, nöthige Vertrauen, und
die Regierung ist durch die schwebenden politischen
Fragen nach Außen so sehr in Anspruch genommen,
daß es ihr auch beim besten Willen kaum möglich
ist, den inneren Verhältnissen des Landes jene
volle Thätigkeit zuzuwenden, welche sie erheischen,
man mag nun die Finanzwirthschaft, das Militär-
wesen oder irgend einen Zweig der Verwaltung
ins Auge fassen: überall sind Reformen dringend
geboten, und die Regierung wird auch nicht säu-
men dazu Hand anzulegen, sobald sie nur die
Hände wieder etwas frei bekömmt. Guten Ein-
druck hat es hier gemacht, daß Rußland nament-
lich auch wegen Herausgabe der gekaperten Schiffe

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[0003] leitet sein. -- Dem Vernehmen nach hat das Ministerium wegen Herrichtung der Appartements für Abhaltung der Landtage in den verschiedenen Kronländern bereits Einleitungen getroffen. -- Nach Mailand und der Umgegend sollen noch 20,000 M. verlegt werden. -- Nach glaub- würdigen Nachrichten steht eine Beschlußnahme in Betreff des längst projectirten Anlehens im lombardisch = venetianischen Königreich in nächster Aussicht. Dasselbe soll 40 Mill. Gulden be- tragen, wovon die eine Hälfte in Schatzscheinen, die andere in Silber gegen 5procentige Metalli- ques eingezahlt werden soll. Diese Obligationen sollen auf den Monte versichert und innerhalb 25 Jahren verlost werden. Die Aufforderung soll vorerst zu einer freiwilligen Anleihe erfolgen, bei deren Erfolglosigkeit man zu einer Zwangs- Anleihe schreiten wird. Ein Theil der Gelder ist zum Ankauf der Mailand = Venetianer Bahn be- stimmt. -- Dem „Constitutionellen Blatt aus Böh- men “ wird aus der Lombardei geschrieben, daß die öffentliche Sicherheit im ganzen Lande in der beklagenswerthesten Lage ist. Kein Tag vergeht, an dem nicht aus den Provinzen Nachrichten über die kecksten Raubanfälle, Plünderungen, Mord- und Todtschläge aller Art einlaufen. Selbst in Mailand finden fast täglich sogar in den besuch- testen Straßen Raubanfälle Statt, die man un- geachtet aller Strenge gegen Einzelne nicht ver- hindern kann. Frankreich. Paris, 30. März. Eine liberalc englische Zeitschrift bemerkt über die dermalen französischen Zustände: „Die im Februar 1848 entstandene Regierungsform von Frankreich ist so weit entfernt von einer republikanischen Verfassung, wie irgend eine Regierungsform nur sein kann. Frankreich trat vielmehr unter eine vielköpfige Dictatur, unter eine despotische Oligarchie. Elf Männer, von denen einige von einer Zeitungs- expedition, andere von einer Pöbelrotte, die in die Deputirtenkammer einbrach, ausgesucht und angestellt worden waren, haben Frankreich wäh- rend der Monate März, April und Mai 1848 mit einem Grade des Absolutismus regiert, von dem die Geschichte sonst kein Beispiel aufzuweisen hat. Die tyrannischsten Asiatischen oder Af- rikanischen Herrscher, der Kaiser von China der König von Dahrmi oder der Aschan- ti 's dürfen nicht den zehnten Theil der despoti- schen Willkür sich erlauben, welche die Elfe in ihre hundert Tage zusammengedrängt haben. Sie lösten die Deputirtenkammer auf. Sie verboten den Pairs sich zu versammeln. Sie vermehrten das stehende Heer um 200,000 Mann und er- richteten eine neue Armee für Paris von 20,000 Mann mit doppeltem Solde. Zur Bestreitung dieser Ausgaben erhöhten sie die direkten Steuern um 41 Procent. Sie entbanden die Bank von den Baarzahlungen, gaben den Banknoten einen Zwangscours, und forderten dann der Bank ein Darlehen von 50 Millionen ab. Sie thaten kühne Griffe in die Sparkassen. Sie schafften alte Abgaben ab und führten neue ein. Sie er- klärten die Staatsverträge, auf welchen das Eu- ropäische Völkerrecht beruht, für erloschen. Sie setzten Richter ab, die nach der Verfassung unab- setzbar waren. Sie sandten Commissarien in das Land, welche sie mit eben der absoluten Gewalt bekleideten, welche sie sich selbst angemaßt hatten. Kurz, sie thaten, was keine Regierung thun kann, der noch irgend ein beschränkender oder mäßigen- der Einfluß gegenübersteht. Sie verboten endlich und verhinderten, so gut sie konnten, die Rückkehr Frankreichs zu der Verfassung, unter welcher es seit Cäsärs Zeit immer gelebt hat, die sie- ben jammervollsten Jahre seiner Existenz ( 1792-- 1799 ) allein ausgenommen. Wenn dies repu- blikanische Regierung ist, so finden wir mehr Freiheit in Venetianischer Aristokratie oder im Türkischen Despotismus. Aber so groß die Macht dieser Tyrannen war, die Rückkehr zur Monarchie konnten sie nicht hindern. Nach noch nicht ganz vier Monaten wurde die Monarchie -- eine wirkliche, wenn gleich eine temporäre Mo- narchie -- in der Person des General Cavaignac hergestellt. Und jetzt ist das monarische Element in Frankreich vielleicht stärker als in irgend einem europäischen Lande. Louis Napo- leon hat mehr wirkliche Macht als irgend ein gleichzeitiger Herrscher, den Russischen Kaiser allein ausgenommen. Die Franzosen sind gegen- wärtig mehr Unterthanen eines Einzelwillens, eines unbeschränkten und auf mehrere Jahre hin gesetzlich unbeschränkten Einzelwillens, -- als sie unter irgend einem Könige seit dem Tode Lud- wigs des Vierzehnten gewesen sind, -- mehr Unterthanen eines Einzelwillens, als sin nament- lich während der letzten Regierungsjasre des sehr selbstregierenden Louis Philipp waren. C Paris, 2. April. Der Constitutionnel ent- hält Folgendes: Die Preßgesetzkommission hat sich heute versammelt. Folgendes sind die Punkte, über welche, wie man versichert, sie einig ist: Beibehaltung des jetzigen Cautionsbe- trages und Verpflichtung der Journale, im Ver- urtheilungsfalle binnen drei Tagen ihre Caution zu ergänzen. Dieser Tage wird sie die Abgeord- neten der Departementalpresse besonders verneh- men. Diese werden morgen eine Sitzung haben, um sich über die zu machenden Vorstellungen zu einigen. -- Am 29. November 1849 wurde Cabet vom Zuchtpolizeigerichte wegen Mißbrauch des Vertrauens und Betrügerei zu zwei Jahren Ge- fängniß, 50 Fr. Geldbuße und fünfjährigem Ver- lust der bürgerlichen Rechte in contumatam ver- urtheilt. Cabet legte dagegen Verwahrung ein. Gestern 2. April war der anberaumte Termin. Der Vertheidiger Cabets, Henry Celliez, verlangte einen abermaligen Aufschub von 3 Monaten, wo sein bis jetzt verhinderter Client mit seinem Eh- renworte sich verpflichte, sich zu stellen. Der An- waltssubstitut Oscaro de la Vallie ( von Girar- din im Versailler Prozeß des Mißbrauchs der Amtsgewalt beschuldigt ) , spricht in einer längeren Rede dagegen. Dies Tribunal verwirft die Ein- rede Cabets und bestätigt das Urtheil vom 29. September. -- Wenn wir einer sonst sehr ver- läßlichen Quelle glauben dürfen, hat die Groß- herzogin Stephania von Baden ihren Aufenthalt dazu benützt, die Grundlagen einer französisch- russischen Allianz anzubahnen. Wie sie die Ver- mittlerin von französischer Seite ist, vertritt der mit ihr verwandte Herzog von Leuchtenberg, den man nächstens hier erwartet, Rußland. Die Un- terhandlungen sind weit genug vorgerückt, um Lord Normanby so sehr zu beunruhigen, daß er mit dem Elysée schmollt. Die gegenwärtige Stellung Englands und Rußlands hat viel dazu beigetra- gen. Ein geistreicher Legitimist bemerkte auf die Nachricht von dieser Neuigkeit, daß die Februar- revolution nur wenige Tage vor dem Abschluß einer Allianz zwischen Louis Philipp und Nikolaus ausgebrochen sei. -- Die Regierung wollte, wie wir neulich berichtet haben, alle arbeitslosen, nicht hier gebürtigten Arbeiter und erwerblose Fremde sammt Vagabunden plötzlich aus Paris entfernen. Bestimmte Befehle waren gegeben, die Divisions- generale wie die Polizeiagenten bereit, als im Augenblick der Ausführung Gegenbefehl anlangte. Aus dem mittägigen Frankreich, Ende März. Jmmer mehr wohlhabende Familien verlassen un- ser Land, um sich auswärts vor der Hand oder auch für die Dauer niederzulassen. Verstimmung in unsern socialen Zuständen, Mißtrauen in deren Verbesserung sind die Ursachen dieses Auswan- derns. Royer Collard sagte einmal: „Frankreich wird untergehen im Mangel der Achtung vor allem Höheren, sei es menschliche, sei es göttliche Autorität.“ So ist es, diese Achtung ist aus der Gesellschaft gewichen, zunächst aus der Fa- milie. Jeder überschätzt seinen eigenen Werth und maßt sich an, Andere beherrschen zu wollen; diese Krankheit ist allen Ständen und allen Schich- ten der Nation eigen. Zur Zeit ist noch die Armee unsere feste Stütze; achtet man sie auch nicht, so fürchtet man sie doch. 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Der Erzbischof von Turin, Monfignore Fransoui, ist nun auf seinen Stuhl hierher zurückgekehrt, zur großen Freude der großen Mehrheit der Bewohner der Hauptstadt, welche ihn bei seinem öffentlichen Erscheinen aus Anlaß der kirchlichen Feierlichkeiten der verflossenen Woche laute Beweise davon gaben. Gerade das ärgerte aber die Demokraten, seine erbittersten Gegner, und ein starker Haufe derselben konnte sich die Befriedigung des Rachedurstes dafür nicht versa- gen, indem sie am Charsamstag und Ostersonn- tag, als er Mittags die Kathedrale verließ, mit Zischen und Pfeifen ihn empfingen. Allgemeine Entrüstung herrscht bei der besseren Mehrheit der Einwohner über dieses schmachvolle Benehmen, das übrigens bei der Rohheit dieser Partei nicht Wunder nehmen kann. Griechenland. Athen, 26. März. Jn unserer Lage ist seit meinem letzten Schreiben keine Aenderung von Be- deutung erfolgt. 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Der Han- del liegt inzwischen fortwährend darnieder; es fehlt das zu größeren Unternehmungen, die einer gesi- cherten Zukunft bedürfen, nöthige Vertrauen, und die Regierung ist durch die schwebenden politischen Fragen nach Außen so sehr in Anspruch genommen, daß es ihr auch beim besten Willen kaum möglich ist, den inneren Verhältnissen des Landes jene volle Thätigkeit zuzuwenden, welche sie erheischen, man mag nun die Finanzwirthschaft, das Militär- wesen oder irgend einen Zweig der Verwaltung ins Auge fassen: überall sind Reformen dringend geboten, und die Regierung wird auch nicht säu- men dazu Hand anzulegen, sobald sie nur die Hände wieder etwas frei bekömmt. Guten Ein- druck hat es hier gemacht, daß Rußland nament- lich auch wegen Herausgabe der gekaperten Schiffe

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Zitationshilfe: Die Bayerische Presse. Nr. 84. Würzburg, 8. April 1850, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_bayerische084_1850/3>, abgerufen am 19.04.2024.