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Badener Zeitung. Nr. 88, Baden (Niederösterreich), 02.11.1904.

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Badener Zeitung
(vormals Badener Bezirks-Blatt).

Abonnement Baden: Zum Abholen vierteljährig K 2·50, halbjährig K 5·--, ganzjährig K 10·--. Mit Zustellung ins Haus Baden: Vierteljährig K 3·--, halbjährig K 6·--,
ganzjährig K 12·--. Oesterreich-Ungarn: Mit Zusendung vierteljährig K 3·30, halbjährig K 6·50, ganzjährig K 13·--. Einzelne Mittwoch-Nummer 12 h., Samstag-
Nummer 16 h. -- Inserate
werden per 80 mm breite Petitzeile mit 16 h für die erste, und mit 14 h für fünf nacheinander folgende Einschaltungen berechnet, größere Aufträge
nach Uebereinkommen und können auch durch die bestehenden Annonzen-Bureaux an die Administration gerichtet werden. -- Interessante Mitteilungen, Notizen und
Korrespondenzen werden nach Uebereinkunft honoriert. -- Manuskripte werden nicht zurückgestellt. -- Redaktion und Administration: Baden, Pfarrgasse Nr. 3.
[Abbildung] Erscheint Mittwoch und Samstag früh. [Abbildung]
(Die Samstag-Nummer enthält die Gratis-Beilage "Illustriertes Unterhaltungsblatt".)




Nr. 88. Mittwoch, den 2. November 1904. 25. Jahrg.


[Spaltenumbruch]
Die reelle Grundlage.

Die Tschechen haben nun ihren Landsmann-
minister Professor Randa; sie erklären jedoch in
allen Tonarten, das genüge keineswegs, um sie
zu einer Aenderung ihrer Taktik oder gar ihrer
Politik zu veranlassen. Dazu müßte von Seite
der Regierung zuerst eine "reelle Grundlage",
müßten "tatsächliche Prämissen" geschaffen werden.
Uebersetzt man das aus dem nebelhaften in ein
verständliches Deutsch, so müßte man sagen, die
Tschechen verlangen außer dem Zugeständnisse des
Landsmannministers, das ihnen Dr. v. Körber,
entgegen seinen Versprechungen, einseitige nationale
Zugeständnisse nicht mehr machen zu wollen, ohne
Einvernehmen mit den Deutschen dennoch gemacht
hat, noch andere einseitige Zugeständnisse. Die
Tschechen stehen also da wo sie gestanden, als sie
zunächst die tschechische innere Amtssprache und
die tschechische Universität in Mähren begehrten,
nur daß sie diesmal keine bestimmt bezeichneten
Forderungen aufstellen, sondern bloß im allge-
meinen sagen, sie müßten etwas bekommen, sie
müßten etwas haben; ohne dem gehe es nicht,
ohne dem lassen sie Oesterreich nicht leben, nicht
zur richtigen Entwicklung gelangen.

Es ist also die alte, bekannte Postulaten-
politik, die sich nur ein wenig anders heraus-
geputzt hat. Einmal sagt sie glattweg, was sie
will, das andere Mal läßt sie uns im Zweifel
darüber, ob sie fünf Gulden oder fünfzig Gulden
haben will. So machen es die Wiener Fiaker,
wenn sie ein Fahrgast fragt was er schulde:
"Euer Gnaden wissen es ohnehin". Gibt der
[Spaltenumbruch] Gast zu wenig, dann ist der Fiaker damit selbst-
verständlich nicht zufrieden; gibt er aber genug
oder mehr als genug, dann verlangt der Fiaker
immer noch ein Trinkgeld darauf. So haben es
die Tschechen von jeher gemacht, sie haben immer
mehr wollen und bei der seit vierzig Jahrrn von
den Regierungen den Tschechen gegenüber einge-
haltenen Politik ist auch gar nicht abzusehen, daß
die Tschechen es jemals anders machen werden.
Man kann sich nun unter den reellen Grundlagen
und Prämissen viel, viel mehr vorstellen als bloß
die zwei letzten Hauptforderungen, aber auch viel
weniger Die Tschechen glauben offenbar, daß das
Entgegenkommen der Regierung mit dem Lands-
mannminister Aussichten weit über jene beiden
Forderungen hinaus eröffne. Die Regierung da-
gegen meint, die Tschechen seien bereits so mürbe,
daß sie auch weniger nehmen würden als jene
zwei Zugeständnisse, die sie als eine Vorausbe-
zahlung für die bloße Geneigtheit, mit den Deutschen
in Unterhandlungen einzutreten, verlangten. Jeder-
mann kann das eine oder das andere glauben, je
nachdem er gerade gut oder schlecht aufgelegt ist.
Die Regierung läßt verkünden, die Tschechen
würden im Reichsrate kaum weiter Obstruktion
mochen, seitdem sie wieder einen Landsmann
minister haben und die Polen verkünden, daß die
Tschechen ganz bestimmt nicht weiter obstruieren
werden. Die Tschechen aber nehmen den Lands-
mannminister hin, wie sie bisher noch jedes Zu-
geständnis hingenommen haben: sie stecken es in
den Sack und halten weiter den Hut hin.

Wer soll denn nun glauben, daß mit diefer
Neubildung des Kabinettes wirklich etwas ge-
[Spaltenumbruch] schehen sei zur Festigung unserer inneren Ver-
hältnisse oder auch nur zur Anbahnung einer
Besserung der inneren Lage? Daß die Deutschen
durch den tschechischen Landsmannminister nur
noch mißtrauischer und vorsichtiger geworden sind,
als sie es ohnehin schon infolge der jüngsten
Maßnahmen in Schlesien, Innsbruck, Dalmatien
u. s. w. waren, ist doch gewiß keine Verbesserung
der Lage in der inneren Politik, mag man auch
das Gewicht der Deutschen für Oesterreich noch
so gering berechnen und das der Slaven noch so
hoch veranschlagen. Die Unzufriedenheit der
Deutschen wird im Vergleiche zum Stirnrunzeln
der Slaven, und wäre es auch nur das der Slo-
venen, stets als das geringere Uebel angesehen,
bis endlich wieder einmal den Deutschen die un-
erschöpfliche Geduld ausgeht und sie durch die
Gewichtsschätzungen der Regierung einen dicken
Strich machen. Bis dahin wissen sich diese Re-
gierungen, wenn die Tschechen oder andere bocken
und die Dinge wieder zu dem berühmten: "Es
muß etwas geschehen", gediehen sind, stets nur
damit zu helfen, daß sie den Unzufriedenen irgend
ein Begütigungsgeschenk, sei es auf Kosten des
Staates oder des Deutschtums machen. Diesmal
kam Herrn v. Körber der Rat in den Sinn, den
Tschechen als Reichsrats-Eröffnungsfrühstück den
Landsmannminister vorzusetzen. Vielleicht hat er
dann noch zum Mittag- und Abendmahl etwas in
seinem Speisekasten; vielleicht öffnet er dessen Türe
ein wenig zum Einblick für jene, die er gewinnen
will. Jedenfalls sind die Hoffnungen der Tschechen
neu belebt und Professor Randa konnte bei seinem
Abschiede von Prag die zweite tschechische Uni-




[Spaltenumbruch]
Feuilleton.
Amor in St. Peter.
Erzählung aus dem steirischen Gebirgsleben.

(Fortsetzung.)

Der Bauer hatte vor der Türe die ganze De-
batte mitangehört und wartete gespannt auf den
Ausgang derselben; er war bis hieher entschieden an
der Seite seiner Ehehälfte, bei ihrer letzten Aeußerung
aber fuhr er empört auf und trat rasch in die Stube
hinein.

"Na, das gibt's net, daß i meine Weibsleut
alloan af an Kirchta geahn lass', das g'hört sie net,
da muaß i a dabei sein".

Weiß Gott wie sich die Bäuerin diese Aeußerung
auslegte, sie warf ihrem Gebieter ein holdseliges
Lächeln zu und sagte: "Aber Alter, i han dir die
ganz'n zwanz'g Jahr was mer verheirat' sand, do
nia koan Anlaß net geb'n", und dabei versetzte sie
ihm einen zärtlichen Schlag auf die Schulter. Der
Bauer aber war ganz zufrieden mit dieser Mißdeutung
seiner Worte und die Kirchtagsfahrt zu dreien wurde
eine beschlossene Sache.

Etwas später trafen sich die Kathl und der
Franzl beim Gartenzaun und sie erzählte ihm in
fliegender Hast das soeben Erlebte. Der Bursche aber
faßte die Sache ganz anders auf, er machte einen
Schnalzer mit der Hand in der Luft und ein Freuden-
strahl flog über sein Gesicht. "Das g'freut mi aber!
Und wann mei Schatz af'n Kirchta is, oft muaß i a
dabei sei -- i fahr mit'n Toni mit. Schatzerl oft
[Spaltenumbruch] tanz mer an Steirisch'n, daß alles pascht!" sagte er
noch in heiterster Laune, dann stoben sie ausein-
ander, denn die Leitenbäuerin ließ sich hören und
als Franzl wieder über den Hof hinüberschritt, da
sang er in seiner übermütigen Weise.

"Steirisch tanz'n kann net a Niader,

I kann's selber net, aber meine Brüader."

Das Gebaren des Burschen machte auch Kathl
wieder heiterer und in sehr wechselvoller Stimmung
ließ sie den Sonntag herankommen.

Am genannten Tage um sieben Uhr früh stand
das einspännige Steirerwägelchen des Leitenbauern
schon in Bereitschaft vor dem Hause und gleich da-
hinter der Leiterwagen des Hofbauern mit seinen
zwei Schecken.

Therese stand am Fenster ihres Stübchens, ver-
steckt hinter den hohen Topfgewächsen, und beobachtete
die Vorgänge da drüben. Vom Kapellenbauernhof
besuchte heute niemand den Kirchtag -- den beiden
Bauersleuten verbot es schon die Pietät für ihren
Sohn -- und auch Therese war trotz heftigen Zu-
redens der Hofbäuerin nicht zu bewegen, sich ihr
anzuschließen. Ja, die Schwarzböckin selbst gab sich
alle Mühe, ihre Tochter zu überreden, hoffte sie doch
von Spiel und Tanz einen günstigen Einfluß auf den
rätselhaften Gemütszustand ihres Kindes -- auch die
Hofbäuerin hatte ihre geheimen Pläne -- aber The-
rese ließ nicht ab von ihrem entschiedenen "Na" und
so verzichtete auch die Nachbarin auf das Kirchenfest
in St. Wolfgang.

Nun tat sich die Türe auf beim Leitenbauern,
die Bäuerin in großem Staat trat als die erste
heraus und auf den Wagen zu; sie trug einen dunklen
Ripsrock, eine breite, schwarze Atlasschürze, eine
[Spaltenumbruch] ebensolche Jacke mit Perlenborten benäht, und den
Kopf hob sie wie eine souveräne Fürstin. Hinter ihr
kam die Kathl. Der Sepp hatte nicht zu viel gesagt,
daß sie ein bildsauberes Deandl war, das mußte
sich selbst Therese in ihrem bitteren Haß eingestehen.
Das blendend weiße Mullhemd mit den kurzen,
bauschigen Aermeln, das Sammetmieder kleidete sie
vortrefflich und der niedere, runde Hut, der auf den
dicken Flechten saß, stand ihr allerliebst. Die schwarzen
Augen funkelten vor Vergnügen und auf den Wangen
lagerte das frische Rot der Alpenrose.

Nun kam auch der Toni heraus aus seinem
Hause und nach einigen kurzen Worten mit den
Nachbarsleuten bestieg auch er mit dem Franzl und
den anderen Dienstleuten den Wagen und fort ging
es. Therese wandte sich von dem Fenster ab, eine
Träne im Auge zerdrückend, rüstete sie sich für ihren
Kirchgang.




Die kirchlichen Zeremonien in Wolfgang waren
schon längst vorüber und im Wirtshause, das zwei
mit bunten Bändern geschmückte Nadelbäume vor
der Einfahrt als den eigentlichen Festplatz kenn-
zeichneten, ging es recht lebhaft zu. Musikklänge,
untermischt mit Händeklatschen und Füßestrampfen,
tönte einem schon von weitem entgegen und die ver-
schiedenartigsten Gerüche entströmten der Küche. Die
Jugend war schon im vollsten Tanzen begriffen und
die Alten taten sich gütlich in den Nebenräumen bei
Speise und Trank.

Ganz im hintersten Stübchen, sonst die Schlaf-
stube der Wirtsleute, von wo man nicht den geringsten
Ausblick auf den Tanzboden hatte, hatten sehr dienst-


Badener Zeitung
(vormals Badener Bezirks-Blatt).

Abonnement Baden: Zum Abholen vierteljährig K 2·50, halbjährig K 5·—, ganzjährig K 10·—. Mit Zuſtellung ins Haus Baden: Vierteljährig K 3·—, halbjährig K 6·—,
ganzjährig K 12·—. Oeſterreich-Ungarn: Mit Zuſendung vierteljährig K 3·30, halbjährig K 6·50, ganzjährig K 13·—. Einzelne Mittwoch-Nummer 12 h., Samstag-
Nummer 16 h. — Inſerate
werden per 80 mm breite Petitzeile mit 16 h für die erſte, und mit 14 h für fünf nacheinander folgende Einſchaltungen berechnet, größere Aufträge
nach Uebereinkommen und können auch durch die beſtehenden Annonzen-Bureaux an die Adminiſtration gerichtet werden. — Intereſſante Mitteilungen, Notizen und
Korreſpondenzen werden nach Uebereinkunft honoriert. — Manuſkripte werden nicht zurückgeſtellt. — Redaktion und Adminiſtration: Baden, Pfarrgaſſe Nr. 3.
[Abbildung] Erſcheint Mittwoch und Samstag früh. [Abbildung]
(Die Samstag-Nummer enthält die Gratis-Beilage „Illuſtriertes Unterhaltungsblatt“.)




Nr. 88. Mittwoch, den 2. November 1904. 25. Jahrg.


[Spaltenumbruch]
Die reelle Grundlage.

Die Tſchechen haben nun ihren Landsmann-
miniſter Profeſſor Randa; ſie erklären jedoch in
allen Tonarten, das genüge keineswegs, um ſie
zu einer Aenderung ihrer Taktik oder gar ihrer
Politik zu veranlaſſen. Dazu müßte von Seite
der Regierung zuerſt eine „reelle Grundlage“,
müßten „tatſächliche Prämiſſen“ geſchaffen werden.
Ueberſetzt man das aus dem nebelhaften in ein
verſtändliches Deutſch, ſo müßte man ſagen, die
Tſchechen verlangen außer dem Zugeſtändniſſe des
Landsmannminiſters, das ihnen Dr. v. Körber,
entgegen ſeinen Verſprechungen, einſeitige nationale
Zugeſtändniſſe nicht mehr machen zu wollen, ohne
Einvernehmen mit den Deutſchen dennoch gemacht
hat, noch andere einſeitige Zugeſtändniſſe. Die
Tſchechen ſtehen alſo da wo ſie geſtanden, als ſie
zunächſt die tſchechiſche innere Amtsſprache und
die tſchechiſche Univerſität in Mähren begehrten,
nur daß ſie diesmal keine beſtimmt bezeichneten
Forderungen aufſtellen, ſondern bloß im allge-
meinen ſagen, ſie müßten etwas bekommen, ſie
müßten etwas haben; ohne dem gehe es nicht,
ohne dem laſſen ſie Oeſterreich nicht leben, nicht
zur richtigen Entwicklung gelangen.

Es iſt alſo die alte, bekannte Poſtulaten-
politik, die ſich nur ein wenig anders heraus-
geputzt hat. Einmal ſagt ſie glattweg, was ſie
will, das andere Mal läßt ſie uns im Zweifel
darüber, ob ſie fünf Gulden oder fünfzig Gulden
haben will. So machen es die Wiener Fiaker,
wenn ſie ein Fahrgaſt fragt was er ſchulde:
„Euer Gnaden wiſſen es ohnehin“. Gibt der
[Spaltenumbruch] Gaſt zu wenig, dann iſt der Fiaker damit ſelbſt-
verſtändlich nicht zufrieden; gibt er aber genug
oder mehr als genug, dann verlangt der Fiaker
immer noch ein Trinkgeld darauf. So haben es
die Tſchechen von jeher gemacht, ſie haben immer
mehr wollen und bei der ſeit vierzig Jahrrn von
den Regierungen den Tſchechen gegenüber einge-
haltenen Politik iſt auch gar nicht abzuſehen, daß
die Tſchechen es jemals anders machen werden.
Man kann ſich nun unter den reellen Grundlagen
und Prämiſſen viel, viel mehr vorſtellen als bloß
die zwei letzten Hauptforderungen, aber auch viel
weniger Die Tſchechen glauben offenbar, daß das
Entgegenkommen der Regierung mit dem Lands-
mannminiſter Ausſichten weit über jene beiden
Forderungen hinaus eröffne. Die Regierung da-
gegen meint, die Tſchechen ſeien bereits ſo mürbe,
daß ſie auch weniger nehmen würden als jene
zwei Zugeſtändniſſe, die ſie als eine Vorausbe-
zahlung für die bloße Geneigtheit, mit den Deutſchen
in Unterhandlungen einzutreten, verlangten. Jeder-
mann kann das eine oder das andere glauben, je
nachdem er gerade gut oder ſchlecht aufgelegt iſt.
Die Regierung läßt verkünden, die Tſchechen
würden im Reichsrate kaum weiter Obſtruktion
mochen, ſeitdem ſie wieder einen Landsmann
miniſter haben und die Polen verkünden, daß die
Tſchechen ganz beſtimmt nicht weiter obſtruieren
werden. Die Tſchechen aber nehmen den Lands-
mannminiſter hin, wie ſie bisher noch jedes Zu-
geſtändnis hingenommen haben: ſie ſtecken es in
den Sack und halten weiter den Hut hin.

Wer ſoll denn nun glauben, daß mit diefer
Neubildung des Kabinettes wirklich etwas ge-
[Spaltenumbruch] ſchehen ſei zur Feſtigung unſerer inneren Ver-
hältniſſe oder auch nur zur Anbahnung einer
Beſſerung der inneren Lage? Daß die Deutſchen
durch den tſchechiſchen Landsmannminiſter nur
noch mißtrauiſcher und vorſichtiger geworden ſind,
als ſie es ohnehin ſchon infolge der jüngſten
Maßnahmen in Schleſien, Innsbruck, Dalmatien
u. ſ. w. waren, iſt doch gewiß keine Verbeſſerung
der Lage in der inneren Politik, mag man auch
das Gewicht der Deutſchen für Oeſterreich noch
ſo gering berechnen und das der Slaven noch ſo
hoch veranſchlagen. Die Unzufriedenheit der
Deutſchen wird im Vergleiche zum Stirnrunzeln
der Slaven, und wäre es auch nur das der Slo-
venen, ſtets als das geringere Uebel angeſehen,
bis endlich wieder einmal den Deutſchen die un-
erſchöpfliche Geduld ausgeht und ſie durch die
Gewichtsſchätzungen der Regierung einen dicken
Strich machen. Bis dahin wiſſen ſich dieſe Re-
gierungen, wenn die Tſchechen oder andere bocken
und die Dinge wieder zu dem berühmten: „Es
muß etwas geſchehen“, gediehen ſind, ſtets nur
damit zu helfen, daß ſie den Unzufriedenen irgend
ein Begütigungsgeſchenk, ſei es auf Koſten des
Staates oder des Deutſchtums machen. Diesmal
kam Herrn v. Körber der Rat in den Sinn, den
Tſchechen als Reichsrats-Eröffnungsfrühſtück den
Landsmannminiſter vorzuſetzen. Vielleicht hat er
dann noch zum Mittag- und Abendmahl etwas in
ſeinem Speiſekaſten; vielleicht öffnet er deſſen Türe
ein wenig zum Einblick für jene, die er gewinnen
will. Jedenfalls ſind die Hoffnungen der Tſchechen
neu belebt und Profeſſor Randa konnte bei ſeinem
Abſchiede von Prag die zweite tſchechiſche Uni-




[Spaltenumbruch]
Feuilleton.
Amor in St. Peter.
Erzählung aus dem ſteiriſchen Gebirgsleben.

(Fortſetzung.)

Der Bauer hatte vor der Türe die ganze De-
batte mitangehört und wartete geſpannt auf den
Ausgang derſelben; er war bis hieher entſchieden an
der Seite ſeiner Ehehälfte, bei ihrer letzten Aeußerung
aber fuhr er empört auf und trat raſch in die Stube
hinein.

„Na, das gibt’s net, daß i meine Weibsleut
alloan af an Kirchta geahn laſſ’, das g’hört ſie net,
da muaß i a dabei ſein“.

Weiß Gott wie ſich die Bäuerin dieſe Aeußerung
auslegte, ſie warf ihrem Gebieter ein holdſeliges
Lächeln zu und ſagte: „Aber Alter, i han dir die
ganz’n zwanz’g Jahr was mer verheirat’ ſand, do
nia koan Anlaß net geb’n“, und dabei verſetzte ſie
ihm einen zärtlichen Schlag auf die Schulter. Der
Bauer aber war ganz zufrieden mit dieſer Mißdeutung
ſeiner Worte und die Kirchtagsfahrt zu dreien wurde
eine beſchloſſene Sache.

Etwas ſpäter trafen ſich die Kathl und der
Franzl beim Gartenzaun und ſie erzählte ihm in
fliegender Haſt das ſoeben Erlebte. Der Burſche aber
faßte die Sache ganz anders auf, er machte einen
Schnalzer mit der Hand in der Luft und ein Freuden-
ſtrahl flog über ſein Geſicht. „Das g’freut mi aber!
Und wann mei Schatz af’n Kirchta is, oft muaß i a
dabei ſei — i fahr mit’n Toni mit. Schatzerl oft
[Spaltenumbruch] tanz mer an Steiriſch’n, daß alles paſcht!“ ſagte er
noch in heiterſter Laune, dann ſtoben ſie ausein-
ander, denn die Leitenbäuerin ließ ſich hören und
als Franzl wieder über den Hof hinüberſchritt, da
ſang er in ſeiner übermütigen Weiſe.

„Steiriſch tanz’n kann net a Niader,

I kann’s ſelber net, aber meine Brüader.“

Das Gebaren des Burſchen machte auch Kathl
wieder heiterer und in ſehr wechſelvoller Stimmung
ließ ſie den Sonntag herankommen.

Am genannten Tage um ſieben Uhr früh ſtand
das einſpännige Steirerwägelchen des Leitenbauern
ſchon in Bereitſchaft vor dem Hauſe und gleich da-
hinter der Leiterwagen des Hofbauern mit ſeinen
zwei Schecken.

Thereſe ſtand am Fenſter ihres Stübchens, ver-
ſteckt hinter den hohen Topfgewächſen, und beobachtete
die Vorgänge da drüben. Vom Kapellenbauernhof
beſuchte heute niemand den Kirchtag — den beiden
Bauersleuten verbot es ſchon die Pietät für ihren
Sohn — und auch Thereſe war trotz heftigen Zu-
redens der Hofbäuerin nicht zu bewegen, ſich ihr
anzuſchließen. Ja, die Schwarzböckin ſelbſt gab ſich
alle Mühe, ihre Tochter zu überreden, hoffte ſie doch
von Spiel und Tanz einen günſtigen Einfluß auf den
rätſelhaften Gemütszuſtand ihres Kindes — auch die
Hofbäuerin hatte ihre geheimen Pläne — aber The-
reſe ließ nicht ab von ihrem entſchiedenen „Na“ und
ſo verzichtete auch die Nachbarin auf das Kirchenfeſt
in St. Wolfgang.

Nun tat ſich die Türe auf beim Leitenbauern,
die Bäuerin in großem Staat trat als die erſte
heraus und auf den Wagen zu; ſie trug einen dunklen
Ripsrock, eine breite, ſchwarze Atlasſchürze, eine
[Spaltenumbruch] ebenſolche Jacke mit Perlenborten benäht, und den
Kopf hob ſie wie eine ſouveräne Fürſtin. Hinter ihr
kam die Kathl. Der Sepp hatte nicht zu viel geſagt,
daß ſie ein bildſauberes Deandl war, das mußte
ſich ſelbſt Thereſe in ihrem bitteren Haß eingeſtehen.
Das blendend weiße Mullhemd mit den kurzen,
bauſchigen Aermeln, das Sammetmieder kleidete ſie
vortrefflich und der niedere, runde Hut, der auf den
dicken Flechten ſaß, ſtand ihr allerliebſt. Die ſchwarzen
Augen funkelten vor Vergnügen und auf den Wangen
lagerte das friſche Rot der Alpenroſe.

Nun kam auch der Toni heraus aus ſeinem
Hauſe und nach einigen kurzen Worten mit den
Nachbarsleuten beſtieg auch er mit dem Franzl und
den anderen Dienſtleuten den Wagen und fort ging
es. Thereſe wandte ſich von dem Fenſter ab, eine
Träne im Auge zerdrückend, rüſtete ſie ſich für ihren
Kirchgang.




Die kirchlichen Zeremonien in Wolfgang waren
ſchon längſt vorüber und im Wirtshauſe, das zwei
mit bunten Bändern geſchmückte Nadelbäume vor
der Einfahrt als den eigentlichen Feſtplatz kenn-
zeichneten, ging es recht lebhaft zu. Muſikklänge,
untermiſcht mit Händeklatſchen und Füßeſtrampfen,
tönte einem ſchon von weitem entgegen und die ver-
ſchiedenartigſten Gerüche entſtrömten der Küche. Die
Jugend war ſchon im vollſten Tanzen begriffen und
die Alten taten ſich gütlich in den Nebenräumen bei
Speiſe und Trank.

Ganz im hinterſten Stübchen, ſonſt die Schlaf-
ſtube der Wirtsleute, von wo man nicht den geringſten
Ausblick auf den Tanzboden hatte, hatten ſehr dienſt-


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[[1]/0001] Badener Zeitung (vormals Badener Bezirks-Blatt). Abonnement Baden: Zum Abholen vierteljährig K 2·50, halbjährig K 5·—, ganzjährig K 10·—. Mit Zuſtellung ins Haus Baden: Vierteljährig K 3·—, halbjährig K 6·—, ganzjährig K 12·—. Oeſterreich-Ungarn: Mit Zuſendung vierteljährig K 3·30, halbjährig K 6·50, ganzjährig K 13·—. Einzelne Mittwoch-Nummer 12 h., Samstag- Nummer 16 h. — Inſerate werden per 80 mm breite Petitzeile mit 16 h für die erſte, und mit 14 h für fünf nacheinander folgende Einſchaltungen berechnet, größere Aufträge nach Uebereinkommen und können auch durch die beſtehenden Annonzen-Bureaux an die Adminiſtration gerichtet werden. — Intereſſante Mitteilungen, Notizen und Korreſpondenzen werden nach Uebereinkunft honoriert. — Manuſkripte werden nicht zurückgeſtellt. — Redaktion und Adminiſtration: Baden, Pfarrgaſſe Nr. 3. [Abbildung] Erſcheint Mittwoch und Samstag früh. [Abbildung] (Die Samstag-Nummer enthält die Gratis-Beilage „Illuſtriertes Unterhaltungsblatt“.) Nr. 88. Mittwoch, den 2. November 1904. 25. Jahrg. Die reelle Grundlage. Die Tſchechen haben nun ihren Landsmann- miniſter Profeſſor Randa; ſie erklären jedoch in allen Tonarten, das genüge keineswegs, um ſie zu einer Aenderung ihrer Taktik oder gar ihrer Politik zu veranlaſſen. Dazu müßte von Seite der Regierung zuerſt eine „reelle Grundlage“, müßten „tatſächliche Prämiſſen“ geſchaffen werden. Ueberſetzt man das aus dem nebelhaften in ein verſtändliches Deutſch, ſo müßte man ſagen, die Tſchechen verlangen außer dem Zugeſtändniſſe des Landsmannminiſters, das ihnen Dr. v. Körber, entgegen ſeinen Verſprechungen, einſeitige nationale Zugeſtändniſſe nicht mehr machen zu wollen, ohne Einvernehmen mit den Deutſchen dennoch gemacht hat, noch andere einſeitige Zugeſtändniſſe. Die Tſchechen ſtehen alſo da wo ſie geſtanden, als ſie zunächſt die tſchechiſche innere Amtsſprache und die tſchechiſche Univerſität in Mähren begehrten, nur daß ſie diesmal keine beſtimmt bezeichneten Forderungen aufſtellen, ſondern bloß im allge- meinen ſagen, ſie müßten etwas bekommen, ſie müßten etwas haben; ohne dem gehe es nicht, ohne dem laſſen ſie Oeſterreich nicht leben, nicht zur richtigen Entwicklung gelangen. Es iſt alſo die alte, bekannte Poſtulaten- politik, die ſich nur ein wenig anders heraus- geputzt hat. Einmal ſagt ſie glattweg, was ſie will, das andere Mal läßt ſie uns im Zweifel darüber, ob ſie fünf Gulden oder fünfzig Gulden haben will. So machen es die Wiener Fiaker, wenn ſie ein Fahrgaſt fragt was er ſchulde: „Euer Gnaden wiſſen es ohnehin“. Gibt der Gaſt zu wenig, dann iſt der Fiaker damit ſelbſt- verſtändlich nicht zufrieden; gibt er aber genug oder mehr als genug, dann verlangt der Fiaker immer noch ein Trinkgeld darauf. So haben es die Tſchechen von jeher gemacht, ſie haben immer mehr wollen und bei der ſeit vierzig Jahrrn von den Regierungen den Tſchechen gegenüber einge- haltenen Politik iſt auch gar nicht abzuſehen, daß die Tſchechen es jemals anders machen werden. Man kann ſich nun unter den reellen Grundlagen und Prämiſſen viel, viel mehr vorſtellen als bloß die zwei letzten Hauptforderungen, aber auch viel weniger Die Tſchechen glauben offenbar, daß das Entgegenkommen der Regierung mit dem Lands- mannminiſter Ausſichten weit über jene beiden Forderungen hinaus eröffne. Die Regierung da- gegen meint, die Tſchechen ſeien bereits ſo mürbe, daß ſie auch weniger nehmen würden als jene zwei Zugeſtändniſſe, die ſie als eine Vorausbe- zahlung für die bloße Geneigtheit, mit den Deutſchen in Unterhandlungen einzutreten, verlangten. Jeder- mann kann das eine oder das andere glauben, je nachdem er gerade gut oder ſchlecht aufgelegt iſt. Die Regierung läßt verkünden, die Tſchechen würden im Reichsrate kaum weiter Obſtruktion mochen, ſeitdem ſie wieder einen Landsmann miniſter haben und die Polen verkünden, daß die Tſchechen ganz beſtimmt nicht weiter obſtruieren werden. Die Tſchechen aber nehmen den Lands- mannminiſter hin, wie ſie bisher noch jedes Zu- geſtändnis hingenommen haben: ſie ſtecken es in den Sack und halten weiter den Hut hin. Wer ſoll denn nun glauben, daß mit diefer Neubildung des Kabinettes wirklich etwas ge- ſchehen ſei zur Feſtigung unſerer inneren Ver- hältniſſe oder auch nur zur Anbahnung einer Beſſerung der inneren Lage? Daß die Deutſchen durch den tſchechiſchen Landsmannminiſter nur noch mißtrauiſcher und vorſichtiger geworden ſind, als ſie es ohnehin ſchon infolge der jüngſten Maßnahmen in Schleſien, Innsbruck, Dalmatien u. ſ. w. waren, iſt doch gewiß keine Verbeſſerung der Lage in der inneren Politik, mag man auch das Gewicht der Deutſchen für Oeſterreich noch ſo gering berechnen und das der Slaven noch ſo hoch veranſchlagen. Die Unzufriedenheit der Deutſchen wird im Vergleiche zum Stirnrunzeln der Slaven, und wäre es auch nur das der Slo- venen, ſtets als das geringere Uebel angeſehen, bis endlich wieder einmal den Deutſchen die un- erſchöpfliche Geduld ausgeht und ſie durch die Gewichtsſchätzungen der Regierung einen dicken Strich machen. Bis dahin wiſſen ſich dieſe Re- gierungen, wenn die Tſchechen oder andere bocken und die Dinge wieder zu dem berühmten: „Es muß etwas geſchehen“, gediehen ſind, ſtets nur damit zu helfen, daß ſie den Unzufriedenen irgend ein Begütigungsgeſchenk, ſei es auf Koſten des Staates oder des Deutſchtums machen. Diesmal kam Herrn v. Körber der Rat in den Sinn, den Tſchechen als Reichsrats-Eröffnungsfrühſtück den Landsmannminiſter vorzuſetzen. Vielleicht hat er dann noch zum Mittag- und Abendmahl etwas in ſeinem Speiſekaſten; vielleicht öffnet er deſſen Türe ein wenig zum Einblick für jene, die er gewinnen will. Jedenfalls ſind die Hoffnungen der Tſchechen neu belebt und Profeſſor Randa konnte bei ſeinem Abſchiede von Prag die zweite tſchechiſche Uni- Feuilleton. Amor in St. Peter. Erzählung aus dem ſteiriſchen Gebirgsleben. Von Joſefine Pyrker de Felſö-Eör. (Fortſetzung.) Der Bauer hatte vor der Türe die ganze De- batte mitangehört und wartete geſpannt auf den Ausgang derſelben; er war bis hieher entſchieden an der Seite ſeiner Ehehälfte, bei ihrer letzten Aeußerung aber fuhr er empört auf und trat raſch in die Stube hinein. „Na, das gibt’s net, daß i meine Weibsleut alloan af an Kirchta geahn laſſ’, das g’hört ſie net, da muaß i a dabei ſein“. Weiß Gott wie ſich die Bäuerin dieſe Aeußerung auslegte, ſie warf ihrem Gebieter ein holdſeliges Lächeln zu und ſagte: „Aber Alter, i han dir die ganz’n zwanz’g Jahr was mer verheirat’ ſand, do nia koan Anlaß net geb’n“, und dabei verſetzte ſie ihm einen zärtlichen Schlag auf die Schulter. Der Bauer aber war ganz zufrieden mit dieſer Mißdeutung ſeiner Worte und die Kirchtagsfahrt zu dreien wurde eine beſchloſſene Sache. Etwas ſpäter trafen ſich die Kathl und der Franzl beim Gartenzaun und ſie erzählte ihm in fliegender Haſt das ſoeben Erlebte. 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Thereſe ſtand am Fenſter ihres Stübchens, ver- ſteckt hinter den hohen Topfgewächſen, und beobachtete die Vorgänge da drüben. Vom Kapellenbauernhof beſuchte heute niemand den Kirchtag — den beiden Bauersleuten verbot es ſchon die Pietät für ihren Sohn — und auch Thereſe war trotz heftigen Zu- redens der Hofbäuerin nicht zu bewegen, ſich ihr anzuſchließen. Ja, die Schwarzböckin ſelbſt gab ſich alle Mühe, ihre Tochter zu überreden, hoffte ſie doch von Spiel und Tanz einen günſtigen Einfluß auf den rätſelhaften Gemütszuſtand ihres Kindes — auch die Hofbäuerin hatte ihre geheimen Pläne — aber The- reſe ließ nicht ab von ihrem entſchiedenen „Na“ und ſo verzichtete auch die Nachbarin auf das Kirchenfeſt in St. Wolfgang. Nun tat ſich die Türe auf beim Leitenbauern, die Bäuerin in großem Staat trat als die erſte heraus und auf den Wagen zu; ſie trug einen dunklen Ripsrock, eine breite, ſchwarze Atlasſchürze, eine ebenſolche Jacke mit Perlenborten benäht, und den Kopf hob ſie wie eine ſouveräne Fürſtin. Hinter ihr kam die Kathl. Der Sepp hatte nicht zu viel geſagt, daß ſie ein bildſauberes Deandl war, das mußte ſich ſelbſt Thereſe in ihrem bitteren Haß eingeſtehen. Das blendend weiße Mullhemd mit den kurzen, bauſchigen Aermeln, das Sammetmieder kleidete ſie vortrefflich und der niedere, runde Hut, der auf den dicken Flechten ſaß, ſtand ihr allerliebſt. Die ſchwarzen Augen funkelten vor Vergnügen und auf den Wangen lagerte das friſche Rot der Alpenroſe. Nun kam auch der Toni heraus aus ſeinem Hauſe und nach einigen kurzen Worten mit den Nachbarsleuten beſtieg auch er mit dem Franzl und den anderen Dienſtleuten den Wagen und fort ging es. 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Benjamin Fiechter, Susanne Haaf: Bereitstellung der digitalen Textausgabe (Konvertierung in das DTA-Basisformat). (2018-01-26T13:38:42Z)
grepect GmbH: Bereitstellung der Texttranskription und Textauszeichnung. (2018-01-26T13:38:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Amelie Meister: Vorbereitung der Texttranskription und Textauszeichnung. (2018-01-26T13:38:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.

Weitere Informationen:

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Badener Zeitung. Nr. 88, Baden (Niederösterreich), 02.11.1904, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_badener088_1904/1>, abgerufen am 29.03.2024.