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Badener Zeitung. Nr. 86, Baden (Niederösterreich), 26.10.1904.

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Badener Zeitung
(vormals Badener Bezirks-Blatt).

Abonnement Baden: Zum Abholen vierteljährig K 2·50, halbjährig K 5·--, ganzjährig K 10·--. Mit Zustellung ins Haus Baden: Vierteljährig K 3·--, halbjährig K 6·--,
ganzjährig K 12·--. Oesterreich-Ungarn: Mit Zusendung vierteljährig K 3·30, halbjährig K 6·50, ganzjährig K 13·--. Einzelne Mittwoch-Nummer 12 h., Samstag-
Nummer 16 h. -- Inserate
werden per 80 mm breite Petitzeile mit 16 h für die erste, und mit 14 h für fünf nacheinander folgende Einschaltungen berechnet, größere Aufträge
nach Uebereinkommen und können auch durch die bestehenden Annonzen-Bureaux an die Administration gerichtet werden. -- Interessante Mitteilungen, Notizen und
Korrespondenzen werden nach Uebereinkunft honoriert. -- Manuskripte werden nicht zurückgestellt. -- Redaktion und Administration: Baden, Pfarrgasse Nr. 3.
[Abbildung] Erscheint Mittwoch und Samstag früh. [Abbildung]
(Die Samstag-Nummer enthält die Gratis-Beilage "Illustriertes Unterhaltungsblatt".)




Nr. 86. Mittwoch den 26. Oktober 1904. 25. Jahrg.


[Spaltenumbruch]
Eine Wendung.

Der kommenden Reichsratstagung kann mit
einiger Spannung entgegengesehen werden; wenn
nicht alle Anzeichen trügen, so haben sich die
Tschechen entschlossen, ihre Obstruktionstaktik zu
ändern und zugunsten der Agrarier die Notstands-
vorlagen sowie Vorlagen wirtschaftlicher Natur
zur Behandlung zuzulassen.

Bekanntlich hat die Tagung des böhmischen
Landtages ein jähes Ende genommen, weil die
Tschechen sich nicht dazu verstehen wollten, die
Arbeitsfähigkeit des Landtages durch die Zu-
sicherung der Einstellung der Obstruktion im
Reichsrate zu ermöglichen. Wenn auch damals
der Abbruch der Unterhandlungen zwischen Tschechen
und Deutschen ein ziemlich jäher war und den
Anschein erweckte, als würden die Tschechen nun-
mehr umso halsstarriger auf ihrer Politik be-
harren, so konnte man doch schon damals aus
gewissen Anzeichen entnehmen, daß dem nicht so
set. Schon das Resultat der tschechischen Ver-
traueusmännerversammlung in Prag ließ darauf
schließen, daß etwas im Schoße des Jungtschechen-
klubs vorgehe. Es war ja übrigens längst kein
Geheimnis mehr, daß in dieser parlamentarischen
Vereinigung eine anfangs kleine Minorität, welche
nur aus Klubdißiplin die Obstruktion mitmachte,
zu immer größerem Einflusse sich aufschwang,
dank des unablässigen Druckes der tschechischen
Agrarier, deren Einfluß im Lande immer mehr
zunahm und die sich nachgerade als eine Gefahr
für die gesamte jungtschechische Partei darstellte.
Deshalb kam auch der beregte Vertrauensmänner-
[Spaltenumbruch] tag zu keinem Beschlusse bezüglich des Fortsetzens
der Obstruktion im Reichsrate, sondern der Klub
wählte die goldene Mittelstraße und gab den Ab-
geordneten in dieser Beziehung freie Hand. Seither
hat sich die Lage durchaus nicht zugunsten der
Jungtschechen gestaltet; der böhmische Landtag ist
arbeitsunfähig und auch die kommende Reichs-
ratssession würde sich als unmöglich in kurzer
Zeit erweisen, wenn die Jungtschechen bei ihrer
Obstruktionstaktik verblieben. Das wissen die
Jungtschechen ganz gut und darum suchen sie nach
einem Auswege, welcher sie noch halbwegs ehren-
voll aus der Sackgasse führen könnte, in welche
sie sich so halsstarrig verrannt haben.

Der Ausweg ist leicht zu finden; er liegt
in dem bedingungslosen Aufgeben der Obstruktion.
Selbstverständlich wollen die Jungtschechen den
Rückzug nicht so unvermittelt antreten, damit ihre
Niederlage nicht gar allzu offenkundig werde.
Deshalb wird gegenwärtig noch vorgeschlagen,
nur die sogenannten Notstandsvorlagen aus der
Obstruktion auszuschalten, im übrigen aber bei
der Obstruktion zu verharren. Damit hätten die
Jungtschechen keinerlei Nachgiebigkeit bewiesen und
wären doch dem Wunsche der Agrarier nachge-
kommen. Aber es genügt nicht, daß die Jung-
tschechen unter sich beschließen, was geschehen soll,
es darf auch hiebei der zweite Faktor nicht ver-
gessen werden, der in der Sache das entscheidende
Wort zu sprechen hat, und das sind die Deutschen.
Es wäre natürlich sehr bequem für die Tschechen,
einige für die Provinz Böhmen oder auch noch
für andere Kronländer wichtige Notstandsvorlagen
gnadenweise durchzulassen, dagegen aber Budget
[Spaltenumbruch] und Handelsverträge nach wie vor zu obstruieren.
Das wollen aber die Deutschen wieder durchaus
nicht; sie sind natürlich nicht abgeneigt, der Be-
ratung der Notstandsvorlage zuzustimmen, sie ver-
langen aber auch die parlamentarische Erledigung
des Budgets, der Handelsverträge, des Rekruten-
gesetzes, kurz aller jener Materien, die in einem
konstitutionellen Staatswesen die Mitwirkung der
Legislative erheischen. Ohne dieses Zugeständnis
werden die Deutschen auch nicht ihre Zustimmung
zur Hervorholung der Notstandsvorlagen geben.
Nur wenn die Tschechen ihre sämtlichen Dring-
lichkeitsanträge zurückziehen, werden auch die
Deutschen desgleichen tun. Deshalb werden sich
die Herren Tschechen wohl oder übel dazu ent-
schließen müssen, mit ihrer unsinnigen Obstruk-
tionspolitik entweder vollständig zu brechen oder
die Verantwortung für die dauernde Arbeits-
unfähigkeit des Reichsrates nach wie vor zu
tragen.

So fraglich demnach auch die Chancen heute
noch stehen, so ist es dennoch nicht ausgeschlossen,
daß es zu einer gedeihlichen Lösung des parla-
mentarischen Wirrsals komme. Allein für die
Deutschen muß hiebei noch ein ganz anderer
Faktor in Betracht gezogen werden, der bei den
gegenwärtig schwebenden Unterhandlungen wieder
einmal auf den Plan getreten ist; das sind die
Polen. Es ist bekannt, daß die Polen gegen
Schluß der vergangenen Reichsratssession schon
den Versuch einer Vermittlung zwischen Deutschen
und Tschechen machten und daß damals im Polen-
klub eine tiefe Verstimmung gegen die Regierung
deswegen entstand, weil Herr v. Körber die Polen




[Spaltenumbruch]
Feuilleton.



Amor in St. Peter.
Erzählung aus dem steirischen Gebirgsleben.

(Fortsetzung.)

Die Liebe zu Toni konnte doch nicht so urplötzlich
gekommen sein, nein, ganz sicher nicht, jetzt erst, seit
sie ihn für sich verloren sah, jetzt fühlte sie erst, daß
ihr die Liebe zu ihm tief im Herzen saß, weiß Gott
wie lange schon -- nur hatte sie es nicht gewußt.
Und da hätte sie heute mit ihm singen sollen -- du
lieber Himmel -- bis sie wieder einmal mit dem
Gesange zusammenkam, da müßte wohl ihr Herzleid
gänzlich erloschen sein und viel, viel Wasser müßte
die Laßnitz hinunterfließen bis das geschah -- wahr-
scheinlich aber auch gar nie. Und nun dachte sie an
die andere Schwarzböck Therese, ja heute fühlte sie
erst so recht den Ernst, der auf dem Ereignis vor
vierzig Jahren lag und jetzt wußte Therese erst --
warum die Mahm in den Tod gegangen.

Lange saß sie noch da und hing ihren tief-
traurigen Gedanken nach, mühsam raffte sie sich dann
auf und trat den Heimweg an.




Der Kapellenbauer wohnte mit Weib und Ge-
sinde während dieser Zeit dem Amte in der Stadt-
pfarrkirche bei. Auch der Sepp war mitgegangen,
stellte sich aber heute, ganz gegen seine Gewohnheit,
in die Nähe der Leitnerin hin und verrichtete dort
[Spaltenumbruch] seine Andacht. Als die Messe zu Ende war, folgte
er ihr auf dem Fuß, denn sie trennte sich vor der
Kirchentür dann von den ihrigen. Der Bauer suchte
mit seinen Leuten gewöhnlich ein Wirtshaus auf
bevor er nachhause ging; die Bäuerin hielt nie mit,
es war ihr ohnehin immer ein Dorn im Auge dieses
Wirtshaussitzen, aber diese Gewohnheit gab er nun
einmal nicht auf. So pflegte sie denn zumeist einige
Einkäufe zu machen und dann allein den Weg in
das Dorf zurückzulegen. Das wußte der Sepp alles.
Er ließ die ahnuugslose Bäuerin heute nicht mehr
aus dem Auge und als sie sich von ihren Leuten
getrennt hatte, da steuerte er ihr ganz keck nach;
noch hatte er sie nicht ganz erreicht, da sagte er
schon: "Leitnerin, heunt zahlt's an Wein".

"J?" Sie wandte sich jäh um als ein Bild
der Entrüstung. "J trau mi's ganze Jahr selber
koan z'trinken, oft wir i'n nachher dir einischütt'n".
Sie war sehr aufgebracht über diese Zumutung,
doch der Sepp dachte sich, mit einem Hieb fällt kein
Baum und schritt zur zweiten Attaque.

"No, no, Leitnerin, amol im Jahr zahlt's scho
oan" und dabei lachte er sie mit seinem zahnlosen
Mund recht verliebt an.

"Hiazt lass' mi scho aus mit deine Dummheit'n
und geah dein Weg", erwiderte die Bäuerin ganz
erboßt, "i han fünf Kinder dahoam, da tragt's scho
an Wein trinken -- freili wos denn!"

Diese letzte Aeußerung kam dem Sepp sehr zu
statten und sehr schlagfertig erwiderte er. "Bald na
viere, Leitnerin, und i wünsch's enk's, na, daß mit
alle sulche Freud'n derlebt's wia mit der Kathl!"

Da riß es aber die Bäuerin, welche ihm schon
in nicht mißzuverstehender Weise den Rücken gekehrt
[Spaltenumbruch] hatte, herum. "Was für Freud'n? J woaß von
koane --?"

Der Sepp setzte seine allerpfiffigste Miene auf
und blinzelte seine Festung recht vielsagend an.
"Mir ziemt, Leitnerin, i woaß mehr, als d'oag'ne
Muatter selber".

"Und was woaßt? Leicht gar was Schlecht's?"
Die Bäuerin stemmte beide Arme in die Seite und
maß den Sepp herausfordernd vom Kopf bis zu den
Füßen".

"Was Schlecht's von enkere Kinder, Leitnerin?
Dö so a kreuzbrave Muatter hamt. J han enk ja
do g'sagt von Freud'n und 's is a gar koa Wunder
net, wann d'Kathl so a groß's Glück macht, schen is s'
ja, und d'Schenheit, dö hat's von enk, Leitnerin,
und das is mehr wert wiar a so a Huab'n in
Allerheiling", sagte der Sepp, anzüglich werdend.

Die vorhin so strenge Miene der Bäuerin hellte
sich zusehends auf und als er von der Schönheit
sprach, da lächelte sie sogar. "Hiazt red' aber, Sepp!
Du hast mi net weni neugieri g'macht", sagte sie --
und in der Tat, die Leitnerin war auf das höchste
gespannt.

"Dös is a lange G'schicht, Bäuerin, und i
kann vo lauter Durscht net red'n".

Die Festung fiel. "Na, so kimm! Geah mer in
a Wirtshaus eini, durt sagst mer nachher alles, was
d' woaßt", sagte die Bäuerin, wie ausgewechselt.
"Aber na in koas, wo d' Sankt Peterer drinn' sand,
dö glabert'n sunst i bin narrisch wor'n, denn mi hat
no neamd net in ar an Wirtshaus g'sehg'n".

"Geah mer zan Tirolerwirt", sagte der Sepp,
"durt is der beste Wein", wollte er sagen, sagte
aber, sich rasch verbessernd, "der billigste".


Badener Zeitung
(vormals Badener Bezirks-Blatt).

Abonnement Baden: Zum Abholen vierteljährig K 2·50, halbjährig K 5·—, ganzjährig K 10·—. Mit Zuſtellung ins Haus Baden: Vierteljährig K 3·—, halbjährig K 6·—,
ganzjährig K 12·—. Oeſterreich-Ungarn: Mit Zuſendung vierteljährig K 3·30, halbjährig K 6·50, ganzjährig K 13·—. Einzelne Mittwoch-Nummer 12 h., Samstag-
Nummer 16 h. — Inſerate
werden per 80 mm breite Petitzeile mit 16 h für die erſte, und mit 14 h für fünf nacheinander folgende Einſchaltungen berechnet, größere Aufträge
nach Uebereinkommen und können auch durch die beſtehenden Annonzen-Bureaux an die Adminiſtration gerichtet werden. — Intereſſante Mitteilungen, Notizen und
Korreſpondenzen werden nach Uebereinkunft honoriert. — Manuſkripte werden nicht zurückgeſtellt. — Redaktion und Adminiſtration: Baden, Pfarrgaſſe Nr. 3.
[Abbildung] Erſcheint Mittwoch und Samstag früh. [Abbildung]
(Die Samstag-Nummer enthält die Gratis-Beilage „Illuſtriertes Unterhaltungsblatt“.)




Nr. 86. Mittwoch den 26. Oktober 1904. 25. Jahrg.


[Spaltenumbruch]
Eine Wendung.

Der kommenden Reichsratstagung kann mit
einiger Spannung entgegengeſehen werden; wenn
nicht alle Anzeichen trügen, ſo haben ſich die
Tſchechen entſchloſſen, ihre Obſtruktionstaktik zu
ändern und zugunſten der Agrarier die Notſtands-
vorlagen ſowie Vorlagen wirtſchaftlicher Natur
zur Behandlung zuzulaſſen.

Bekanntlich hat die Tagung des böhmiſchen
Landtages ein jähes Ende genommen, weil die
Tſchechen ſich nicht dazu verſtehen wollten, die
Arbeitsfähigkeit des Landtages durch die Zu-
ſicherung der Einſtellung der Obſtruktion im
Reichsrate zu ermöglichen. Wenn auch damals
der Abbruch der Unterhandlungen zwiſchen Tſchechen
und Deutſchen ein ziemlich jäher war und den
Anſchein erweckte, als würden die Tſchechen nun-
mehr umſo halsſtarriger auf ihrer Politik be-
harren, ſo konnte man doch ſchon damals aus
gewiſſen Anzeichen entnehmen, daß dem nicht ſo
ſet. Schon das Reſultat der tſchechiſchen Ver-
traueusmännerverſammlung in Prag ließ darauf
ſchließen, daß etwas im Schoße des Jungtſchechen-
klubs vorgehe. Es war ja übrigens längſt kein
Geheimnis mehr, daß in dieſer parlamentariſchen
Vereinigung eine anfangs kleine Minorität, welche
nur aus Klubdiſziplin die Obſtruktion mitmachte,
zu immer größerem Einfluſſe ſich aufſchwang,
dank des unabläſſigen Druckes der tſchechiſchen
Agrarier, deren Einfluß im Lande immer mehr
zunahm und die ſich nachgerade als eine Gefahr
für die geſamte jungtſchechiſche Partei darſtellte.
Deshalb kam auch der beregte Vertrauensmänner-
[Spaltenumbruch] tag zu keinem Beſchluſſe bezüglich des Fortſetzens
der Obſtruktion im Reichsrate, ſondern der Klub
wählte die goldene Mittelſtraße und gab den Ab-
geordneten in dieſer Beziehung freie Hand. Seither
hat ſich die Lage durchaus nicht zugunſten der
Jungtſchechen geſtaltet; der böhmiſche Landtag iſt
arbeitsunfähig und auch die kommende Reichs-
ratsſeſſion würde ſich als unmöglich in kurzer
Zeit erweiſen, wenn die Jungtſchechen bei ihrer
Obſtruktionstaktik verblieben. Das wiſſen die
Jungtſchechen ganz gut und darum ſuchen ſie nach
einem Auswege, welcher ſie noch halbwegs ehren-
voll aus der Sackgaſſe führen könnte, in welche
ſie ſich ſo halsſtarrig verrannt haben.

Der Ausweg iſt leicht zu finden; er liegt
in dem bedingungsloſen Aufgeben der Obſtruktion.
Selbſtverſtändlich wollen die Jungtſchechen den
Rückzug nicht ſo unvermittelt antreten, damit ihre
Niederlage nicht gar allzu offenkundig werde.
Deshalb wird gegenwärtig noch vorgeſchlagen,
nur die ſogenannten Notſtandsvorlagen aus der
Obſtruktion auszuſchalten, im übrigen aber bei
der Obſtruktion zu verharren. Damit hätten die
Jungtſchechen keinerlei Nachgiebigkeit bewieſen und
wären doch dem Wunſche der Agrarier nachge-
kommen. Aber es genügt nicht, daß die Jung-
tſchechen unter ſich beſchließen, was geſchehen ſoll,
es darf auch hiebei der zweite Faktor nicht ver-
geſſen werden, der in der Sache das entſcheidende
Wort zu ſprechen hat, und das ſind die Deutſchen.
Es wäre natürlich ſehr bequem für die Tſchechen,
einige für die Provinz Böhmen oder auch noch
für andere Kronländer wichtige Notſtandsvorlagen
gnadenweiſe durchzulaſſen, dagegen aber Budget
[Spaltenumbruch] und Handelsverträge nach wie vor zu obſtruieren.
Das wollen aber die Deutſchen wieder durchaus
nicht; ſie ſind natürlich nicht abgeneigt, der Be-
ratung der Notſtandsvorlage zuzuſtimmen, ſie ver-
langen aber auch die parlamentariſche Erledigung
des Budgets, der Handelsverträge, des Rekruten-
geſetzes, kurz aller jener Materien, die in einem
konſtitutionellen Staatsweſen die Mitwirkung der
Legislative erheiſchen. Ohne dieſes Zugeſtändnis
werden die Deutſchen auch nicht ihre Zuſtimmung
zur Hervorholung der Notſtandsvorlagen geben.
Nur wenn die Tſchechen ihre ſämtlichen Dring-
lichkeitsanträge zurückziehen, werden auch die
Deutſchen desgleichen tun. Deshalb werden ſich
die Herren Tſchechen wohl oder übel dazu ent-
ſchließen müſſen, mit ihrer unſinnigen Obſtruk-
tionspolitik entweder vollſtändig zu brechen oder
die Verantwortung für die dauernde Arbeits-
unfähigkeit des Reichsrates nach wie vor zu
tragen.

So fraglich demnach auch die Chancen heute
noch ſtehen, ſo iſt es dennoch nicht ausgeſchloſſen,
daß es zu einer gedeihlichen Löſung des parla-
mentariſchen Wirrſals komme. Allein für die
Deutſchen muß hiebei noch ein ganz anderer
Faktor in Betracht gezogen werden, der bei den
gegenwärtig ſchwebenden Unterhandlungen wieder
einmal auf den Plan getreten iſt; das ſind die
Polen. Es iſt bekannt, daß die Polen gegen
Schluß der vergangenen Reichsratsſeſſion ſchon
den Verſuch einer Vermittlung zwiſchen Deutſchen
und Tſchechen machten und daß damals im Polen-
klub eine tiefe Verſtimmung gegen die Regierung
deswegen entſtand, weil Herr v. Körber die Polen




[Spaltenumbruch]
Feuilleton.



Amor in St. Peter.
Erzählung aus dem ſteiriſchen Gebirgsleben.

(Fortſetzung.)

Die Liebe zu Toni konnte doch nicht ſo urplötzlich
gekommen ſein, nein, ganz ſicher nicht, jetzt erſt, ſeit
ſie ihn für ſich verloren ſah, jetzt fühlte ſie erſt, daß
ihr die Liebe zu ihm tief im Herzen ſaß, weiß Gott
wie lange ſchon — nur hatte ſie es nicht gewußt.
Und da hätte ſie heute mit ihm ſingen ſollen — du
lieber Himmel — bis ſie wieder einmal mit dem
Geſange zuſammenkam, da müßte wohl ihr Herzleid
gänzlich erloſchen ſein und viel, viel Waſſer müßte
die Laßnitz hinunterfließen bis das geſchah — wahr-
ſcheinlich aber auch gar nie. Und nun dachte ſie an
die andere Schwarzböck Thereſe, ja heute fühlte ſie
erſt ſo recht den Ernſt, der auf dem Ereignis vor
vierzig Jahren lag und jetzt wußte Thereſe erſt —
warum die Mahm in den Tod gegangen.

Lange ſaß ſie noch da und hing ihren tief-
traurigen Gedanken nach, mühſam raffte ſie ſich dann
auf und trat den Heimweg an.




Der Kapellenbauer wohnte mit Weib und Ge-
ſinde während dieſer Zeit dem Amte in der Stadt-
pfarrkirche bei. Auch der Sepp war mitgegangen,
ſtellte ſich aber heute, ganz gegen ſeine Gewohnheit,
in die Nähe der Leitnerin hin und verrichtete dort
[Spaltenumbruch] ſeine Andacht. Als die Meſſe zu Ende war, folgte
er ihr auf dem Fuß, denn ſie trennte ſich vor der
Kirchentür dann von den ihrigen. Der Bauer ſuchte
mit ſeinen Leuten gewöhnlich ein Wirtshaus auf
bevor er nachhauſe ging; die Bäuerin hielt nie mit,
es war ihr ohnehin immer ein Dorn im Auge dieſes
Wirtshausſitzen, aber dieſe Gewohnheit gab er nun
einmal nicht auf. So pflegte ſie denn zumeiſt einige
Einkäufe zu machen und dann allein den Weg in
das Dorf zurückzulegen. Das wußte der Sepp alles.
Er ließ die ahnuugsloſe Bäuerin heute nicht mehr
aus dem Auge und als ſie ſich von ihren Leuten
getrennt hatte, da ſteuerte er ihr ganz keck nach;
noch hatte er ſie nicht ganz erreicht, da ſagte er
ſchon: „Leitnerin, heunt zahlt’s an Wein“.

„J?“ Sie wandte ſich jäh um als ein Bild
der Entrüſtung. „J trau mi’s ganze Jahr ſelber
koan z’trinken, oft wir i’n nachher dir einiſchütt’n“.
Sie war ſehr aufgebracht über dieſe Zumutung,
doch der Sepp dachte ſich, mit einem Hieb fällt kein
Baum und ſchritt zur zweiten Attaque.

„No, no, Leitnerin, amol im Jahr zahlt’s ſcho
oan“ und dabei lachte er ſie mit ſeinem zahnloſen
Mund recht verliebt an.

„Hiazt laſſ’ mi ſcho aus mit deine Dummheit’n
und geah dein Weg“, erwiderte die Bäuerin ganz
erboßt, „i han fünf Kinder dahoam, da tragt’s ſcho
an Wein trinken — freili wos denn!“

Dieſe letzte Aeußerung kam dem Sepp ſehr zu
ſtatten und ſehr ſchlagfertig erwiderte er. „Bald na
viere, Leitnerin, und i wünſch’s enk’s, na, daß mit
alle ſulche Freud’n derlebt’s wia mit der Kathl!“

Da riß es aber die Bäuerin, welche ihm ſchon
in nicht mißzuverſtehender Weiſe den Rücken gekehrt
[Spaltenumbruch] hatte, herum. „Was für Freud’n? J woaß von
koane —?“

Der Sepp ſetzte ſeine allerpfiffigſte Miene auf
und blinzelte ſeine Feſtung recht vielſagend an.
„Mir ziemt, Leitnerin, i woaß mehr, als d’oag’ne
Muatter ſelber“.

„Und was woaßt? Leicht gar was Schlecht’s?“
Die Bäuerin ſtemmte beide Arme in die Seite und
maß den Sepp herausfordernd vom Kopf bis zu den
Füßen“.

„Was Schlecht’s von enkere Kinder, Leitnerin?
Dö ſo a kreuzbrave Muatter hamt. J han enk ja
do g’ſagt von Freud’n und ’s is a gar koa Wunder
net, wann d’Kathl ſo a groß’s Glück macht, ſchen is ſ’
ja, und d’Schenheit, dö hat’s von enk, Leitnerin,
und das is mehr wert wiar a ſo a Huab’n in
Allerheiling“, ſagte der Sepp, anzüglich werdend.

Die vorhin ſo ſtrenge Miene der Bäuerin hellte
ſich zuſehends auf und als er von der Schönheit
ſprach, da lächelte ſie ſogar. „Hiazt red’ aber, Sepp!
Du haſt mi net weni neugieri g’macht“, ſagte ſie —
und in der Tat, die Leitnerin war auf das höchſte
geſpannt.

„Dös is a lange G’ſchicht, Bäuerin, und i
kann vo lauter Durſcht net red’n“.

Die Feſtung fiel. „Na, ſo kimm! Geah mer in
a Wirtshaus eini, durt ſagſt mer nachher alles, was
d’ woaßt“, ſagte die Bäuerin, wie ausgewechſelt.
„Aber na in koas, wo d’ Sankt Peterer drinn’ ſand,
dö glabert’n ſunſt i bin narriſch wor’n, denn mi hat
no neamd net in ar an Wirtshaus g’ſehg’n“.

„Geah mer zan Tirolerwirt“, ſagte der Sepp,
„durt is der beſte Wein“, wollte er ſagen, ſagte
aber, ſich raſch verbeſſernd, „der billigſte“.


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[[1]/0001] Badener Zeitung (vormals Badener Bezirks-Blatt). Abonnement Baden: Zum Abholen vierteljährig K 2·50, halbjährig K 5·—, ganzjährig K 10·—. Mit Zuſtellung ins Haus Baden: Vierteljährig K 3·—, halbjährig K 6·—, ganzjährig K 12·—. Oeſterreich-Ungarn: Mit Zuſendung vierteljährig K 3·30, halbjährig K 6·50, ganzjährig K 13·—. Einzelne Mittwoch-Nummer 12 h., Samstag- Nummer 16 h. — Inſerate werden per 80 mm breite Petitzeile mit 16 h für die erſte, und mit 14 h für fünf nacheinander folgende Einſchaltungen berechnet, größere Aufträge nach Uebereinkommen und können auch durch die beſtehenden Annonzen-Bureaux an die Adminiſtration gerichtet werden. — Intereſſante Mitteilungen, Notizen und Korreſpondenzen werden nach Uebereinkunft honoriert. — Manuſkripte werden nicht zurückgeſtellt. — Redaktion und Adminiſtration: Baden, Pfarrgaſſe Nr. 3. [Abbildung] Erſcheint Mittwoch und Samstag früh. [Abbildung] (Die Samstag-Nummer enthält die Gratis-Beilage „Illuſtriertes Unterhaltungsblatt“.) Nr. 86. Mittwoch den 26. Oktober 1904. 25. Jahrg. Eine Wendung. Der kommenden Reichsratstagung kann mit einiger Spannung entgegengeſehen werden; wenn nicht alle Anzeichen trügen, ſo haben ſich die Tſchechen entſchloſſen, ihre Obſtruktionstaktik zu ändern und zugunſten der Agrarier die Notſtands- vorlagen ſowie Vorlagen wirtſchaftlicher Natur zur Behandlung zuzulaſſen. Bekanntlich hat die Tagung des böhmiſchen Landtages ein jähes Ende genommen, weil die Tſchechen ſich nicht dazu verſtehen wollten, die Arbeitsfähigkeit des Landtages durch die Zu- ſicherung der Einſtellung der Obſtruktion im Reichsrate zu ermöglichen. Wenn auch damals der Abbruch der Unterhandlungen zwiſchen Tſchechen und Deutſchen ein ziemlich jäher war und den Anſchein erweckte, als würden die Tſchechen nun- mehr umſo halsſtarriger auf ihrer Politik be- harren, ſo konnte man doch ſchon damals aus gewiſſen Anzeichen entnehmen, daß dem nicht ſo ſet. Schon das Reſultat der tſchechiſchen Ver- traueusmännerverſammlung in Prag ließ darauf ſchließen, daß etwas im Schoße des Jungtſchechen- klubs vorgehe. Es war ja übrigens längſt kein Geheimnis mehr, daß in dieſer parlamentariſchen Vereinigung eine anfangs kleine Minorität, welche nur aus Klubdiſziplin die Obſtruktion mitmachte, zu immer größerem Einfluſſe ſich aufſchwang, dank des unabläſſigen Druckes der tſchechiſchen Agrarier, deren Einfluß im Lande immer mehr zunahm und die ſich nachgerade als eine Gefahr für die geſamte jungtſchechiſche Partei darſtellte. Deshalb kam auch der beregte Vertrauensmänner- tag zu keinem Beſchluſſe bezüglich des Fortſetzens der Obſtruktion im Reichsrate, ſondern der Klub wählte die goldene Mittelſtraße und gab den Ab- geordneten in dieſer Beziehung freie Hand. Seither hat ſich die Lage durchaus nicht zugunſten der Jungtſchechen geſtaltet; der böhmiſche Landtag iſt arbeitsunfähig und auch die kommende Reichs- ratsſeſſion würde ſich als unmöglich in kurzer Zeit erweiſen, wenn die Jungtſchechen bei ihrer Obſtruktionstaktik verblieben. Das wiſſen die Jungtſchechen ganz gut und darum ſuchen ſie nach einem Auswege, welcher ſie noch halbwegs ehren- voll aus der Sackgaſſe führen könnte, in welche ſie ſich ſo halsſtarrig verrannt haben. Der Ausweg iſt leicht zu finden; er liegt in dem bedingungsloſen Aufgeben der Obſtruktion. Selbſtverſtändlich wollen die Jungtſchechen den Rückzug nicht ſo unvermittelt antreten, damit ihre Niederlage nicht gar allzu offenkundig werde. Deshalb wird gegenwärtig noch vorgeſchlagen, nur die ſogenannten Notſtandsvorlagen aus der Obſtruktion auszuſchalten, im übrigen aber bei der Obſtruktion zu verharren. 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Es iſt bekannt, daß die Polen gegen Schluß der vergangenen Reichsratsſeſſion ſchon den Verſuch einer Vermittlung zwiſchen Deutſchen und Tſchechen machten und daß damals im Polen- klub eine tiefe Verſtimmung gegen die Regierung deswegen entſtand, weil Herr v. Körber die Polen Feuilleton. Amor in St. Peter. Erzählung aus dem ſteiriſchen Gebirgsleben. Von Joſefine Pyrker de Felſö-Eör. (Fortſetzung.) Die Liebe zu Toni konnte doch nicht ſo urplötzlich gekommen ſein, nein, ganz ſicher nicht, jetzt erſt, ſeit ſie ihn für ſich verloren ſah, jetzt fühlte ſie erſt, daß ihr die Liebe zu ihm tief im Herzen ſaß, weiß Gott wie lange ſchon — nur hatte ſie es nicht gewußt. Und da hätte ſie heute mit ihm ſingen ſollen — du lieber Himmel — bis ſie wieder einmal mit dem Geſange zuſammenkam, da müßte wohl ihr Herzleid gänzlich erloſchen ſein und viel, viel Waſſer müßte die Laßnitz hinunterfließen bis das geſchah — wahr- ſcheinlich aber auch gar nie. Und nun dachte ſie an die andere Schwarzböck Thereſe, ja heute fühlte ſie erſt ſo recht den Ernſt, der auf dem Ereignis vor vierzig Jahren lag und jetzt wußte Thereſe erſt — warum die Mahm in den Tod gegangen. Lange ſaß ſie noch da und hing ihren tief- traurigen Gedanken nach, mühſam raffte ſie ſich dann auf und trat den Heimweg an. Der Kapellenbauer wohnte mit Weib und Ge- ſinde während dieſer Zeit dem Amte in der Stadt- pfarrkirche bei. Auch der Sepp war mitgegangen, ſtellte ſich aber heute, ganz gegen ſeine Gewohnheit, in die Nähe der Leitnerin hin und verrichtete dort ſeine Andacht. Als die Meſſe zu Ende war, folgte er ihr auf dem Fuß, denn ſie trennte ſich vor der Kirchentür dann von den ihrigen. Der Bauer ſuchte mit ſeinen Leuten gewöhnlich ein Wirtshaus auf bevor er nachhauſe ging; die Bäuerin hielt nie mit, es war ihr ohnehin immer ein Dorn im Auge dieſes Wirtshausſitzen, aber dieſe Gewohnheit gab er nun einmal nicht auf. So pflegte ſie denn zumeiſt einige Einkäufe zu machen und dann allein den Weg in das Dorf zurückzulegen. Das wußte der Sepp alles. Er ließ die ahnuugsloſe Bäuerin heute nicht mehr aus dem Auge und als ſie ſich von ihren Leuten getrennt hatte, da ſteuerte er ihr ganz keck nach; noch hatte er ſie nicht ganz erreicht, da ſagte er ſchon: „Leitnerin, heunt zahlt’s an Wein“. „J?“ Sie wandte ſich jäh um als ein Bild der Entrüſtung. „J trau mi’s ganze Jahr ſelber koan z’trinken, oft wir i’n nachher dir einiſchütt’n“. Sie war ſehr aufgebracht über dieſe Zumutung, doch der Sepp dachte ſich, mit einem Hieb fällt kein Baum und ſchritt zur zweiten Attaque. „No, no, Leitnerin, amol im Jahr zahlt’s ſcho oan“ und dabei lachte er ſie mit ſeinem zahnloſen Mund recht verliebt an. „Hiazt laſſ’ mi ſcho aus mit deine Dummheit’n und geah dein Weg“, erwiderte die Bäuerin ganz erboßt, „i han fünf Kinder dahoam, da tragt’s ſcho an Wein trinken — freili wos denn!“ Dieſe letzte Aeußerung kam dem Sepp ſehr zu ſtatten und ſehr ſchlagfertig erwiderte er. „Bald na viere, Leitnerin, und i wünſch’s enk’s, na, daß mit alle ſulche Freud’n derlebt’s wia mit der Kathl!“ Da riß es aber die Bäuerin, welche ihm ſchon in nicht mißzuverſtehender Weiſe den Rücken gekehrt hatte, herum. „Was für Freud’n? J woaß von koane —?“ Der Sepp ſetzte ſeine allerpfiffigſte Miene auf und blinzelte ſeine Feſtung recht vielſagend an. „Mir ziemt, Leitnerin, i woaß mehr, als d’oag’ne Muatter ſelber“. „Und was woaßt? Leicht gar was Schlecht’s?“ Die Bäuerin ſtemmte beide Arme in die Seite und maß den Sepp herausfordernd vom Kopf bis zu den Füßen“. „Was Schlecht’s von enkere Kinder, Leitnerin? Dö ſo a kreuzbrave Muatter hamt. J han enk ja do g’ſagt von Freud’n und ’s is a gar koa Wunder net, wann d’Kathl ſo a groß’s Glück macht, ſchen is ſ’ ja, und d’Schenheit, dö hat’s von enk, Leitnerin, und das is mehr wert wiar a ſo a Huab’n in Allerheiling“, ſagte der Sepp, anzüglich werdend. Die vorhin ſo ſtrenge Miene der Bäuerin hellte ſich zuſehends auf und als er von der Schönheit ſprach, da lächelte ſie ſogar. „Hiazt red’ aber, Sepp! Du haſt mi net weni neugieri g’macht“, ſagte ſie — und in der Tat, die Leitnerin war auf das höchſte geſpannt. „Dös is a lange G’ſchicht, Bäuerin, und i kann vo lauter Durſcht net red’n“. Die Feſtung fiel. „Na, ſo kimm! Geah mer in a Wirtshaus eini, durt ſagſt mer nachher alles, was d’ woaßt“, ſagte die Bäuerin, wie ausgewechſelt. „Aber na in koas, wo d’ Sankt Peterer drinn’ ſand, dö glabert’n ſunſt i bin narriſch wor’n, denn mi hat no neamd net in ar an Wirtshaus g’ſehg’n“. „Geah mer zan Tirolerwirt“, ſagte der Sepp, „durt is der beſte Wein“, wollte er ſagen, ſagte aber, ſich raſch verbeſſernd, „der billigſte“.

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Zitationshilfe: Badener Zeitung. Nr. 86, Baden (Niederösterreich), 26.10.1904, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_badener086_1904/1>, abgerufen am 28.03.2024.