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Badener Zeitung. Nr. 32, Baden (Niederösterreich), 20.04.1904.

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Nr. 32. Mittwoch Badener Zeitung 20. April 1904.

[Spaltenumbruch]

armen immer weitere Kreise zu umfassen und sie als
Einnahmsquellen zu fruktifizieren. Es ist dies bei dem
leider chronischen, von Kennern der Situation längst
für unheilbar erklärten "Deckungs" defizit der Anstalten
wohl ganz begreiflich, aber deshalb für die Indu-
striellen nicht weniger unangenehm. Merkwürdig ist
nur, daß bei dem Bestreben der Unfallversicherungs-
anstalten, immer mehr Beamte in den Kreis der Ver-
sicherung einzubeziehen, das Desizit nicht nur nicht
schwinden will, sondern immer größer wird. Die
Fassung des § 1 des österreichischen Unfallversiche-
rungsgesetzes macht es den Anstalten möglich, Beamte
in die Versicherung einzubeziehen, auch wenn dieselben
absolut keinerlei Gefahr im Betriebe ausgesetzt sind.
Rekurse bleiben in solchen Fällen fast immer erfolg-
los. Wie denn anders: die erste Instanz, die Statt-
halterei läßt den Rekurs von der Anstalt begutachten
und in der zweiten Instanz, bei dem Ministerium,
geht es nicht viel besser. So hat man z. B. sämt-
liche Beamte der Wiener Niederlage einer Textilfirma,
auch die Buchhalter und Prokuristen, mit dem Hinweis
darauf für versicherungspflichtig erklärt. es könnte
einmal ein Stück Zeug herabfallen und einen Beamten
beschädigen. Allerdings müßte in diesem Falle das
Stück Zeug, allen Gesetzen der Schwerkraft zum Hohn,
hinauffallen, da sich das Warenlager zu ebener Erde
befindet, die Beamten aber im Halbstock amtieren.
Auch in diesem Falle blieben die Rekurse erfolglos
und die Versicherungsbeiträge müssen bezahlt werden,
obwohl die Unfallsgefahr der Beamten nicht größer
ist, als nach dem bekannten Sprichwort die Gefahr
für die Nase, wenn man rücklings ins Gras fällt.

Wenn nun der ungarische Entwurf alle jen[e] von
der Versicherung ausschließt, welche ein höheres Ein-
kommen als 2400 Kronen haben, so trägt er dadurch
nur der Anschauung Rechnung, daß den Beamten in
höherer Stellung auch so viel moralische Kraft und
Selbstbestimmungsrecht eingeräumt werden muß, daß
sie sich, wenn sie wirklich in Betrieben, wo eine
Gefahr vorhanden oder nicht ausgeschlossen ist, selbst
versichern. Und dieser Standpunkt ist sicherlich nur
zu billigen. Sehen wir doch, daß in Staaten, die in
wirtschaftlicher Richtung am weitesten voraus sind,
z. B. England, Amerika, für die Volksversicherung
am wenigsten vorsorgen. Selbst ist der Mann! Ein
nach moderner Anschauung geleiteter Staat darf seine
Bürger nie und nimmer bevormunden, sondern er
muß bestrebt sein, dieselben zu selbstdenkenden und
selbständigen Männern zu erziehen. Freilich, in dem
alten Oesterreich, wo auf allen Gebieten noch der
alte vormärzliche Polizeistaat wirtschaftet, scheint das
etwas zu viel verlangt!

§ 2 des ungarischen Entwurfes zählt klar und
deutlich alle jene Betriebe auf, die gesetzlich ver-
sicherungspflichtig sind. Wer sich mit Mühe die §§ 1
und 2 des österreichischen Gesetzes durch wiederholtes
[Spaltenumbruch] Studieren verständlich gemacht, der weiß noch lange
nicht, welcher Betrieb bei uns versicherungspflichtig
ist. Er muß vielmehr erst noch das Gesetz vom
20. Juli 1894, betreffend die Ausdehnung der Ver-
sicherungspflicht, ferner die Ministerialverordnung vom
18. November 1894, endlich die Erläuterungen zu
den auf die Versicherungspflicht bezüglichen Bestim-
mungen des Unfallversicherungsgesetzes, aufmerksam
studieren, und wenn er all' dies mit vieler Mühe
hinter sich hat, dann muß er den Ministerialerlaß
vom 19. Juni 1889, durch welchen diese Erläute-
rungen ergänzt werden, sich zu eigen machen. Ist ihm
auch dies gelungen, so ist noch unerläßlich, daß er
die Verordnung des Ministeriums des Innern vom
27. Juli 1894, mittelst welcher die Ausführung des
Artikels III des Gesetzes vom 20. Juli 1894, be-
treffend die Ausdehnung der Unfallversicherung und
die Frist für die von den Unternehmern versicherungs-
pflichtiger Betriebe zu erstattenden Betriebsanzeigen
festgesetzt werden, studiert.

Hat er sich durch alle diese Paragraphen, "Nach-
tragsgesetze", "Verordnungen" und "Erlässe" glücklich
durchgefressen und ist er inzwischen nicht über den
bureaukratischen Amtsstil wahnsinnig geworden, hat
er dann noch einige verwaltungsgerichtliche Entschei-
dungen studiert, die sich zudem in ein und derselben
Frage oft genug widersprechen, und ist er sonst ein
nicht unbegabter Mensch, so kann er dann vielleicht
so viel wissen, als § 2 des ungarischen Entwurfes
klar zum Ausdruck bringt. Guten Appetit!




Lokal-Nachrichten.
-- Todesfälle.

In der Nacht von Freitag
auf Samstag starb hier die Mutter des k. k. Ober-
stabsarztes Dr. Schuller, die k. k. Statthalterei-
ratswitwe Emma Schuller, im 80. Lebensjahre.
-- Samstag starb hier die k. k. Hauptmannswitwe
Frau Amalie Edle v. Leclaire im 84. Lebensjahr.
-- Der bekannte Cafetier Johann Hanslofsky
ist am 18. d. M. morgens nach kurzem Krankenlager
im 52. Lebensjahre gestorben.

-- Gemeindeausschußwahl im I. Wahl-
körper.

Die infolge Protestes angeordnete Wahl
von zwei Ausschußmännern und vier Ersatzmitgliedern
des I. Wahlkörpers wurde Montag vormittags, resp.
nachmittags vorgenommen. Von Seite der liberalen
Partei wurden die Herren k. k. Obergeometer Friedrich
Goethe und Spediteur und Hausbesitzer Cyrill
Hubler aufgestellt, während die christlichsoziale
Partei, welche seinerzeit erklärt hatte, sich der Wahl
zu enthalten und jetzt lebhaft in den Kampf eingriff,
die Herren Hotelier Rechtberger und Hausbesitzer
Rudolf Schratt aufstellte. Als gewählt ging von
60 abgegebenen Stimmen nur Herr Hubler mit
[Spaltenumbruch] 36 Stimmen hervor, während Herr Goethe mit
25 Stimmen und Herr Schratt mit 29 Stimmen
in die Stichwahl kamen, aus der wieder Herr
Schratt mit 36 Stimmen als gewählt hervorging.
Herr Obergeometer Goethe erhielt nur 18 Stimmen.
-- Bei der nachmittags vorgenommenen Ersatz-
männerwahl
wurden von 46 abgegebenen Stim-
men die Herren Rechtberger mit 34, Professor
Lechner mit 27, Alois Winbauer mit 28 und
Moriz Rollett mit 25 Stimmen gewählt. In der
Minorität blieben die Herren Biondek mit 22,
Johann Beuchl mit 20, J. Wladarz mit 18,
Dr. Smolcic mit 5 und Friedrich Goethe mit
2 Stimmen. -- Wir glauben nicht fehlzugehen, wenn
wir diesen Ausgang der Wahl dem Professoren-
Kollegium unseres Gymnasiums aufs Kerbholz schreiben.
Hoffentlich ist seinem Trias damit der Wille getan und
es kommt kein Protest mehr, damit endlich einmal
der Ausschuß sich konstituieren und die Erledigung
der Agenden stattfinden kann.

-- Kurkommissions-Sitzung.

Morgen
Donnerstag findet um 3 Uhr nachmittags eine Sitzung
der Kurkommission statt. Die Tagesordnung ist fol-
gende: 1. Vortrag des Präses; 2. Bericht und An-
trag des Insertionskomitees bezügl. Verwendung des
präliminierten Betrages von 4 000 Kr.; 3. Bericht
des Stadtbauamtes betreffend die Verbesserung der
elektrischen Beleuchtung im Kurhause; 4. Ansuchen
des Kapellmeisters Komzak um Rückvergütung des an
die Autorengesellschaft zu zahlenden jährlichen Pau-
schale; 5. Besprechung über die Tätigkeit des Kur-
taxausschusses zu Beginn der Saison.

-- Pferde-Prämiierungen.

Zur Hebung
der Pferdezucht in Niederösterreich findet im Jahre
1904 die Verteilung von Staatspreisen in den
Monaten Mai und Juni statt. Aus dem Bezirke
Baden werden Pferde des Gestütsschlages in die
Konkurrenzstation Bruck a. L. am Sonntag, den
15. Mai, zugelassen, wenn eine Anmeldung bis
längstens 5. Mai bei Herrn Bezirkstierarzt Prinz
in Bruck a. L. stattgefunden hat.

-- Mandatsmüde.

In der sonntägigen Ge-
neralversammlung der Bezirkskrankenkassa teilte der
Vorstand derselben, Herr Rudolf Schwabl, den
versammelten Delegierten mit, daß er sich wegen
Arbeitsüberbürdung gezwungen sehe, seine Vorstands-
stelle niederzulegen.

-- Mayerhofer contra Direktor Heißi-
ger.

Vergangenen Samstag fand vor dem hiesigen
Bezirksgerichte über Klage des "Historienmalers" und
"Journalisten" Mayerhofer eine Verhandlung statt,
in welcher die Zuhörer Gelegenheit hatten, Herrn
Direktor Heißiger in einer neuen Rolle mit Er-
folg debutieren zu sehen. Gegenstand der Anklage
war ein Schreiben Heißiger's an die Redaktion des
"Badener Boten", in welchem er sich nichts weniger




[Spaltenumbruch]

ihre Nester in Erdlöcher, wo sie von Füchsen und
anderen Raubtieren leicht aufgefunden werden. Die
Errichtung von Nistkästen, besonders in Obstgärten,
wird damit zur dringenden Notwendigkeit, will man
anders die Bäume vor den gefräßigen Insektenlarven
bewahren.

Wie Sie sehen, öffnet sich auf dem Gebiete des
Tierschutzes ein weites Arbeitsfeld für die Tätigkeit
des Lehrers. Manches ist ja bereits geschehen, aber
viel bleibt noch zu tun. Doch sei es nun viel oder
wenig -- was da der einzelne leistet, es ist nicht
umsonst getan.




Hedin in Gefangenschaft der Tibetaner. *)

Aus: Hedin, Im Herzen von Asien. Zwei reich illustrierteBände, eleg. geb. 20 M. Verlag von F. A. Brockhaus, Leipzig.

Nachdem wir wenigstens in unserer unmittelbaren
Nähe wieder Ruhe hatten, tauchten zwei Nomaden
auf, die uns vom nächsten Zeltdorfe Fett und sauere
Milch brachten und erklärten, daß ihr Häuptling
ihnen verboten habe, sich dafür bezahlen zu lassen.
Als wir ihnen eine Porzellantasse schenken wollten,
sagten sie, daß sie das Geschenk ohne Erlaubnis des
Häuptlings nicht annehmen könnten, kamen aber später
mit dem Bescheid wieder, daß ihm der Tausch
recht sei.


[Spaltenumbruch]

Auf diese Weise sorgten unsere Nachbarn den
ganzen Tag für unsere Unterhaltung. Die letzten und
ausdauerndsten waren jedoch vier Männer, die uns
gegen drei Uhr besuchten. Einer von ihnen war ziemlich
frech und untersuchte alle umherliegenden Sachen.
Dabei kam ein Kompaß zum Vorschein, der bei ihm
großes Interesse erregte. Er fragte, was das sei, und
erhielt eine genaue Beschreibung, wobei er sagte:

"Freilich, freilich, solche haben die Chinesen auch".

Ein paarmal zeigte er auf mich und erklärte:

"Der da ist kein Burjate".

Er war außerordentlich zudringlich und fragte,
wie es komme, daß wir diese kleine Seitenstraße
eingeschlagen hätten, statt dem großen Pilgerwege zu
folgen.

"Wißt ihr nicht, daß es euch den Kopf kosten
kann, daß ihr diesen Weg gegangen seid? Alle, die
auf diesem Wege nach Lhasa gehen, werden hinge-
richtet."

Der Lama versuchte die Situation zu retten,
indem er erklärte, daß wir die große Karawane vom
Lopnor an begleitet hätten und es unsere Absicht sei,
von hier nach Lhasa zu gehen. Der Mann erwiderte
darauf, daß nur der Gonverneur von Nakktschu die
Erlaubnis dazu erteilen könne.

Im übrigen waren sie freundlich ungezwungen
und versprachen uns morgen allerlei Lebensmittel zu
schenken. Als wir diese lästigen Spione gar nicht
loswerden konnten, gingen wir ins Zelt und legten
uns schlafen. Aber nicht einmal das half. Der Himmel
war wieder dunkel und die Wolkendecke dichter ge-
worden, und als wieder ein Platzregen herabströmte,
krochen sie alle vier in das Zelt, wo wir es selbst
unter gewöhnlichen Verhältnissen ziemlich eng hatten.
Erst in der Dämmerung gingen sie ihrer Wege.

Ich wurde bei Tagesanbruch durch das Stimmen-
[Spaltenumbruch] gewirr der ersten heute zu Besuch kommenden Tibe-
tauer geweckt. Im Laufe des Tages (7. August) kamen
sie gruppenweise, so daß wir kaum eine halbe Stunde
allein sein konnten. Beständig tauchten neue Gesichter
auf, und selten kommt derselbe Mann zweimal. Es
ist, als würde die Wache beständig abgelöst. Nur der
Dreiste von gestern machte uns auch heute einen Be-
such und schenkte uns einen Napf voll saurer Milch,
einen Sack voll trockenen, vortrefflichen Argols und
einen Blasebalg, der uns besonders nötig war.

Ein anderer Tibetaner blieb volle drei Stunden
bei uns, trank Thee und aß Tsamba mit uns, rauchte
und tat, als sei er hier zuhause. Sein Gesicht war
von einem förmlichen Urwalde schwarzer, zottiger
Haarsträhnen ohne eine Spur von Ordnung umgeben.
Die "Locken", die die Augen verdecken, sind gestutzt
und tragen keineswegs zur Verschönerung des ganzen
bei; ein Teil des Nackenhaares ist jedoch in einen
Zopf geflochten. Dieser ist unten mit einem mit Perlen
oder gefärbten Steinen besetzten Bande zusammen-
gebunden und mit einem oder mehreren "Gavo" oder
Götzenbilderfutteralen geschmückt. Beim Reiten wird
der Zopf um den Kopf oder Hut gewunden.

Dieser Mann, der nicht wieder gehen wollte, ver-
riet uns zu deutlich, daß er ein Spion war, der den
Auftrag erhalten hatte, uns in der Nähe zu beob-
achten. Er war aufrichtig genug, uns zu bitten, über
Nacht nicht durchzubrennen, da es ihm fonst das
Leben kosten würde. Nach Lhasa seien es noch fünf
Tagereisen, sagte er. Doch gibt es dorthin entschieden
auch eine organisierte reitende Post mit Pferdewechsel,
denn wir machten später ausfindig, daß ein dorthin
gesandter Eilbote in zwei Tagen Antwort brachte,
also einen Tag bis Lhasa und einen Tag von Lhasa
gebraucht hatte. Das Tal, in dem wir uns befanden,
hieß Dschallokk und der uns im Westen zunächst-
liegende Berg Bontsa.


*) Die Tibetaner haben sich bisher stets heftig gewehrt,
europäische Forschungsreisende in ihr Land h[i]neinzulassen.
Gegen den erfolgreichsten Asienforscher unserer Tage, den
Schweden Dr. Swen v. Hedin, haben sie sogar eine ganze
Armee mobil gemacht, um ihm den Durchzug nach der heiligen
Stadt Lhassa zu verwehren! Hedin's Bericht: "Im Herzen von
Asien" (F. A. Brockhaus in Leipzig), ist ein klassisches Reise-
werk mit fesselnder illustrativer Ausstattung.
Nr. 32. Mittwoch Badener Zeitung 20. April 1904.

[Spaltenumbruch]

armen immer weitere Kreiſe zu umfaſſen und ſie als
Einnahmsquellen zu fruktifizieren. Es iſt dies bei dem
leider chroniſchen, von Kennern der Situation längſt
für unheilbar erklärten „Deckungs“ defizit der Anſtalten
wohl ganz begreiflich, aber deshalb für die Indu-
ſtriellen nicht weniger unangenehm. Merkwürdig iſt
nur, daß bei dem Beſtreben der Unfallverſicherungs-
anſtalten, immer mehr Beamte in den Kreis der Ver-
ſicherung einzubeziehen, das Deſizit nicht nur nicht
ſchwinden will, ſondern immer größer wird. Die
Faſſung des § 1 des öſterreichiſchen Unfallverſiche-
rungsgeſetzes macht es den Anſtalten möglich, Beamte
in die Verſicherung einzubeziehen, auch wenn dieſelben
abſolut keinerlei Gefahr im Betriebe ausgeſetzt ſind.
Rekurſe bleiben in ſolchen Fällen faſt immer erfolg-
los. Wie denn anders: die erſte Inſtanz, die Statt-
halterei läßt den Rekurs von der Anſtalt begutachten
und in der zweiten Inſtanz, bei dem Miniſterium,
geht es nicht viel beſſer. So hat man z. B. ſämt-
liche Beamte der Wiener Niederlage einer Textilfirma,
auch die Buchhalter und Prokuriſten, mit dem Hinweis
darauf für verſicherungspflichtig erklärt. es könnte
einmal ein Stück Zeug herabfallen und einen Beamten
beſchädigen. Allerdings müßte in dieſem Falle das
Stück Zeug, allen Geſetzen der Schwerkraft zum Hohn,
hinauffallen, da ſich das Warenlager zu ebener Erde
befindet, die Beamten aber im Halbſtock amtieren.
Auch in dieſem Falle blieben die Rekurſe erfolglos
und die Verſicherungsbeiträge müſſen bezahlt werden,
obwohl die Unfallsgefahr der Beamten nicht größer
iſt, als nach dem bekannten Sprichwort die Gefahr
für die Naſe, wenn man rücklings ins Gras fällt.

Wenn nun der ungariſche Entwurf alle jen[e] von
der Verſicherung ausſchließt, welche ein höheres Ein-
kommen als 2400 Kronen haben, ſo trägt er dadurch
nur der Anſchauung Rechnung, daß den Beamten in
höherer Stellung auch ſo viel moraliſche Kraft und
Selbſtbeſtimmungsrecht eingeräumt werden muß, daß
ſie ſich, wenn ſie wirklich in Betrieben, wo eine
Gefahr vorhanden oder nicht ausgeſchloſſen iſt, ſelbſt
verſichern. Und dieſer Standpunkt iſt ſicherlich nur
zu billigen. Sehen wir doch, daß in Staaten, die in
wirtſchaftlicher Richtung am weiteſten voraus ſind,
z. B. England, Amerika, für die Volksverſicherung
am wenigſten vorſorgen. Selbſt iſt der Mann! Ein
nach moderner Anſchauung geleiteter Staat darf ſeine
Bürger nie und nimmer bevormunden, ſondern er
muß beſtrebt ſein, dieſelben zu ſelbſtdenkenden und
ſelbſtändigen Männern zu erziehen. Freilich, in dem
alten Oeſterreich, wo auf allen Gebieten noch der
alte vormärzliche Polizeiſtaat wirtſchaftet, ſcheint das
etwas zu viel verlangt!

§ 2 des ungariſchen Entwurfes zählt klar und
deutlich alle jene Betriebe auf, die geſetzlich ver-
ſicherungspflichtig ſind. Wer ſich mit Mühe die §§ 1
und 2 des öſterreichiſchen Geſetzes durch wiederholtes
[Spaltenumbruch] Studieren verſtändlich gemacht, der weiß noch lange
nicht, welcher Betrieb bei uns verſicherungspflichtig
iſt. Er muß vielmehr erſt noch das Geſetz vom
20. Juli 1894, betreffend die Ausdehnung der Ver-
ſicherungspflicht, ferner die Miniſterialverordnung vom
18. November 1894, endlich die Erläuterungen zu
den auf die Verſicherungspflicht bezüglichen Beſtim-
mungen des Unfallverſicherungsgeſetzes, aufmerkſam
ſtudieren, und wenn er all’ dies mit vieler Mühe
hinter ſich hat, dann muß er den Miniſterialerlaß
vom 19. Juni 1889, durch welchen dieſe Erläute-
rungen ergänzt werden, ſich zu eigen machen. Iſt ihm
auch dies gelungen, ſo iſt noch unerläßlich, daß er
die Verordnung des Miniſteriums des Innern vom
27. Juli 1894, mittelſt welcher die Ausführung des
Artikels III des Geſetzes vom 20. Juli 1894, be-
treffend die Ausdehnung der Unfallverſicherung und
die Friſt für die von den Unternehmern verſicherungs-
pflichtiger Betriebe zu erſtattenden Betriebsanzeigen
feſtgeſetzt werden, ſtudiert.

Hat er ſich durch alle dieſe Paragraphen, „Nach-
tragsgeſetze“, „Verordnungen“ und „Erläſſe“ glücklich
durchgefreſſen und iſt er inzwiſchen nicht über den
bureaukratiſchen Amtsſtil wahnſinnig geworden, hat
er dann noch einige verwaltungsgerichtliche Entſchei-
dungen ſtudiert, die ſich zudem in ein und derſelben
Frage oft genug widerſprechen, und iſt er ſonſt ein
nicht unbegabter Menſch, ſo kann er dann vielleicht
ſo viel wiſſen, als § 2 des ungariſchen Entwurfes
klar zum Ausdruck bringt. Guten Appetit!




Lokal-Nachrichten.
Todesfälle.

In der Nacht von Freitag
auf Samstag ſtarb hier die Mutter des k. k. Ober-
ſtabsarztes Dr. Schuller, die k. k. Statthalterei-
ratswitwe Emma Schuller, im 80. Lebensjahre.
— Samstag ſtarb hier die k. k. Hauptmannswitwe
Frau Amalie Edle v. Leclaire im 84. Lebensjahr.
— Der bekannte Cafétier Johann Hanslofsky
iſt am 18. d. M. morgens nach kurzem Krankenlager
im 52. Lebensjahre geſtorben.

Gemeindeausſchußwahl im I. Wahl-
körper.

Die infolge Proteſtes angeordnete Wahl
von zwei Ausſchußmännern und vier Erſatzmitgliedern
des I. Wahlkörpers wurde Montag vormittags, reſp.
nachmittags vorgenommen. Von Seite der liberalen
Partei wurden die Herren k. k. Obergeometer Friedrich
Goethe und Spediteur und Hausbeſitzer Cyrill
Hubler aufgeſtellt, während die chriſtlichſoziale
Partei, welche ſeinerzeit erklärt hatte, ſich der Wahl
zu enthalten und jetzt lebhaft in den Kampf eingriff,
die Herren Hotelier Rechtberger und Hausbeſitzer
Rudolf Schratt aufſtellte. Als gewählt ging von
60 abgegebenen Stimmen nur Herr Hubler mit
[Spaltenumbruch] 36 Stimmen hervor, während Herr Goethe mit
25 Stimmen und Herr Schratt mit 29 Stimmen
in die Stichwahl kamen, aus der wieder Herr
Schratt mit 36 Stimmen als gewählt hervorging.
Herr Obergeometer Goethe erhielt nur 18 Stimmen.
— Bei der nachmittags vorgenommenen Erſatz-
männerwahl
wurden von 46 abgegebenen Stim-
men die Herren Rechtberger mit 34, Profeſſor
Lechner mit 27, Alois Winbauer mit 28 und
Moriz Rollett mit 25 Stimmen gewählt. In der
Minorität blieben die Herren Biondek mit 22,
Johann Beuchl mit 20, J. Wladarz mit 18,
Dr. Smolcic mit 5 und Friedrich Goethe mit
2 Stimmen. — Wir glauben nicht fehlzugehen, wenn
wir dieſen Ausgang der Wahl dem Profeſſoren-
Kollegium unſeres Gymnaſiums aufs Kerbholz ſchreiben.
Hoffentlich iſt ſeinem Trias damit der Wille getan und
es kommt kein Proteſt mehr, damit endlich einmal
der Ausſchuß ſich konſtituieren und die Erledigung
der Agenden ſtattfinden kann.

Kurkommiſſions-Sitzung.

Morgen
Donnerstag findet um 3 Uhr nachmittags eine Sitzung
der Kurkommiſſion ſtatt. Die Tagesordnung iſt fol-
gende: 1. Vortrag des Präſes; 2. Bericht und An-
trag des Inſertionskomitees bezügl. Verwendung des
präliminierten Betrages von 4 000 Kr.; 3. Bericht
des Stadtbauamtes betreffend die Verbeſſerung der
elektriſchen Beleuchtung im Kurhauſe; 4. Anſuchen
des Kapellmeiſters Komzak um Rückvergütung des an
die Autorengeſellſchaft zu zahlenden jährlichen Pau-
ſchale; 5. Beſprechung über die Tätigkeit des Kur-
taxausſchuſſes zu Beginn der Saiſon.

Pferde-Prämiierungen.

Zur Hebung
der Pferdezucht in Niederöſterreich findet im Jahre
1904 die Verteilung von Staatspreiſen in den
Monaten Mai und Juni ſtatt. Aus dem Bezirke
Baden werden Pferde des Geſtütsſchlages in die
Konkurrenzſtation Bruck a. L. am Sonntag, den
15. Mai, zugelaſſen, wenn eine Anmeldung bis
längſtens 5. Mai bei Herrn Bezirkstierarzt Prinz
in Bruck a. L. ſtattgefunden hat.

Mandatsmüde.

In der ſonntägigen Ge-
neralverſammlung der Bezirkskrankenkaſſa teilte der
Vorſtand derſelben, Herr Rudolf Schwabl, den
verſammelten Delegierten mit, daß er ſich wegen
Arbeitsüberbürdung gezwungen ſehe, ſeine Vorſtands-
ſtelle niederzulegen.

Mayerhofer contra Direktor Heißi-
ger.

Vergangenen Samstag fand vor dem hieſigen
Bezirksgerichte über Klage des „Hiſtorienmalers“ und
„Journaliſten“ Mayerhofer eine Verhandlung ſtatt,
in welcher die Zuhörer Gelegenheit hatten, Herrn
Direktor Heißiger in einer neuen Rolle mit Er-
folg debutieren zu ſehen. Gegenſtand der Anklage
war ein Schreiben Heißiger’s an die Redaktion des
„Badener Boten“, in welchem er ſich nichts weniger




[Spaltenumbruch]

ihre Neſter in Erdlöcher, wo ſie von Füchſen und
anderen Raubtieren leicht aufgefunden werden. Die
Errichtung von Niſtkäſten, beſonders in Obſtgärten,
wird damit zur dringenden Notwendigkeit, will man
anders die Bäume vor den gefräßigen Inſektenlarven
bewahren.

Wie Sie ſehen, öffnet ſich auf dem Gebiete des
Tierſchutzes ein weites Arbeitsfeld für die Tätigkeit
des Lehrers. Manches iſt ja bereits geſchehen, aber
viel bleibt noch zu tun. Doch ſei es nun viel oder
wenig — was da der einzelne leiſtet, es iſt nicht
umſonſt getan.




Hedin in Gefangenſchaft der Tibetaner. *)

Aus: Hedin, Im Herzen von Aſien. Zwei reich illuſtrierteBände, eleg. geb. 20 M. Verlag von F. A. Brockhaus, Leipzig.

Nachdem wir wenigſtens in unſerer unmittelbaren
Nähe wieder Ruhe hatten, tauchten zwei Nomaden
auf, die uns vom nächſten Zeltdorfe Fett und ſauere
Milch brachten und erklärten, daß ihr Häuptling
ihnen verboten habe, ſich dafür bezahlen zu laſſen.
Als wir ihnen eine Porzellantaſſe ſchenken wollten,
ſagten ſie, daß ſie das Geſchenk ohne Erlaubnis des
Häuptlings nicht annehmen könnten, kamen aber ſpäter
mit dem Beſcheid wieder, daß ihm der Tauſch
recht ſei.


[Spaltenumbruch]

Auf dieſe Weiſe ſorgten unſere Nachbarn den
ganzen Tag für unſere Unterhaltung. Die letzten und
ausdauerndſten waren jedoch vier Männer, die uns
gegen drei Uhr beſuchten. Einer von ihnen war ziemlich
frech und unterſuchte alle umherliegenden Sachen.
Dabei kam ein Kompaß zum Vorſchein, der bei ihm
großes Intereſſe erregte. Er fragte, was das ſei, und
erhielt eine genaue Beſchreibung, wobei er ſagte:

„Freilich, freilich, ſolche haben die Chineſen auch“.

Ein paarmal zeigte er auf mich und erklärte:

„Der da iſt kein Burjate“.

Er war außerordentlich zudringlich und fragte,
wie es komme, daß wir dieſe kleine Seitenſtraße
eingeſchlagen hätten, ſtatt dem großen Pilgerwege zu
folgen.

„Wißt ihr nicht, daß es euch den Kopf koſten
kann, daß ihr dieſen Weg gegangen ſeid? Alle, die
auf dieſem Wege nach Lhaſa gehen, werden hinge-
richtet.“

Der Lama verſuchte die Situation zu retten,
indem er erklärte, daß wir die große Karawane vom
Lopnor an begleitet hätten und es unſere Abſicht ſei,
von hier nach Lhaſa zu gehen. Der Mann erwiderte
darauf, daß nur der Gonverneur von Nakktſchu die
Erlaubnis dazu erteilen könne.

Im übrigen waren ſie freundlich ungezwungen
und verſprachen uns morgen allerlei Lebensmittel zu
ſchenken. Als wir dieſe läſtigen Spione gar nicht
loswerden konnten, gingen wir ins Zelt und legten
uns ſchlafen. Aber nicht einmal das half. Der Himmel
war wieder dunkel und die Wolkendecke dichter ge-
worden, und als wieder ein Platzregen herabſtrömte,
krochen ſie alle vier in das Zelt, wo wir es ſelbſt
unter gewöhnlichen Verhältniſſen ziemlich eng hatten.
Erſt in der Dämmerung gingen ſie ihrer Wege.

Ich wurde bei Tagesanbruch durch das Stimmen-
[Spaltenumbruch] gewirr der erſten heute zu Beſuch kommenden Tibe-
tauer geweckt. Im Laufe des Tages (7. Auguſt) kamen
ſie gruppenweiſe, ſo daß wir kaum eine halbe Stunde
allein ſein konnten. Beſtändig tauchten neue Geſichter
auf, und ſelten kommt derſelbe Mann zweimal. Es
iſt, als würde die Wache beſtändig abgelöſt. Nur der
Dreiſte von geſtern machte uns auch heute einen Be-
ſuch und ſchenkte uns einen Napf voll ſaurer Milch,
einen Sack voll trockenen, vortrefflichen Argols und
einen Blaſebalg, der uns beſonders nötig war.

Ein anderer Tibetaner blieb volle drei Stunden
bei uns, trank Thee und aß Tſamba mit uns, rauchte
und tat, als ſei er hier zuhauſe. Sein Geſicht war
von einem förmlichen Urwalde ſchwarzer, zottiger
Haarſträhnen ohne eine Spur von Ordnung umgeben.
Die „Locken“, die die Augen verdecken, ſind geſtutzt
und tragen keineswegs zur Verſchönerung des ganzen
bei; ein Teil des Nackenhaares iſt jedoch in einen
Zopf geflochten. Dieſer iſt unten mit einem mit Perlen
oder gefärbten Steinen beſetzten Bande zuſammen-
gebunden und mit einem oder mehreren „Gavo“ oder
Götzenbilderfutteralen geſchmückt. Beim Reiten wird
der Zopf um den Kopf oder Hut gewunden.

Dieſer Mann, der nicht wieder gehen wollte, ver-
riet uns zu deutlich, daß er ein Spion war, der den
Auftrag erhalten hatte, uns in der Nähe zu beob-
achten. Er war aufrichtig genug, uns zu bitten, über
Nacht nicht durchzubrennen, da es ihm fonſt das
Leben koſten würde. Nach Lhaſa ſeien es noch fünf
Tagereiſen, ſagte er. Doch gibt es dorthin entſchieden
auch eine organiſierte reitende Poſt mit Pferdewechſel,
denn wir machten ſpäter ausfindig, daß ein dorthin
geſandter Eilbote in zwei Tagen Antwort brachte,
alſo einen Tag bis Lhaſa und einen Tag von Lhaſa
gebraucht hatte. Das Tal, in dem wir uns befanden,
hieß Dſchallokk und der uns im Weſten zunächſt-
liegende Berg Bontſa.


*) Die Tibetaner haben ſich bisher ſtets heftig gewehrt,
europäiſche Forſchungsreiſende in ihr Land h[i]neinzulaſſen.
Gegen den erfolgreichſten Aſienforſcher unſerer Tage, den
Schweden Dr. Swen v. Hedin, haben ſie ſogar eine ganze
Armee mobil gemacht, um ihm den Durchzug nach der heiligen
Stadt Lhaſſa zu verwehren! Hedin’s Bericht: „Im Herzen von
Aſien“ (F. A. Brockhaus in Leipzig), iſt ein klaſſiſches Reiſe-
werk mit feſſelnder illuſtrativer Ausſtattung.
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[3/0003] Nr. 32. Mittwoch Badener Zeitung 20. April 1904. armen immer weitere Kreiſe zu umfaſſen und ſie als Einnahmsquellen zu fruktifizieren. Es iſt dies bei dem leider chroniſchen, von Kennern der Situation längſt für unheilbar erklärten „Deckungs“ defizit der Anſtalten wohl ganz begreiflich, aber deshalb für die Indu- ſtriellen nicht weniger unangenehm. Merkwürdig iſt nur, daß bei dem Beſtreben der Unfallverſicherungs- anſtalten, immer mehr Beamte in den Kreis der Ver- ſicherung einzubeziehen, das Deſizit nicht nur nicht ſchwinden will, ſondern immer größer wird. Die Faſſung des § 1 des öſterreichiſchen Unfallverſiche- rungsgeſetzes macht es den Anſtalten möglich, Beamte in die Verſicherung einzubeziehen, auch wenn dieſelben abſolut keinerlei Gefahr im Betriebe ausgeſetzt ſind. Rekurſe bleiben in ſolchen Fällen faſt immer erfolg- los. Wie denn anders: die erſte Inſtanz, die Statt- halterei läßt den Rekurs von der Anſtalt begutachten und in der zweiten Inſtanz, bei dem Miniſterium, geht es nicht viel beſſer. So hat man z. B. ſämt- liche Beamte der Wiener Niederlage einer Textilfirma, auch die Buchhalter und Prokuriſten, mit dem Hinweis darauf für verſicherungspflichtig erklärt. es könnte einmal ein Stück Zeug herabfallen und einen Beamten beſchädigen. Allerdings müßte in dieſem Falle das Stück Zeug, allen Geſetzen der Schwerkraft zum Hohn, hinauffallen, da ſich das Warenlager zu ebener Erde befindet, die Beamten aber im Halbſtock amtieren. Auch in dieſem Falle blieben die Rekurſe erfolglos und die Verſicherungsbeiträge müſſen bezahlt werden, obwohl die Unfallsgefahr der Beamten nicht größer iſt, als nach dem bekannten Sprichwort die Gefahr für die Naſe, wenn man rücklings ins Gras fällt. Wenn nun der ungariſche Entwurf alle jene von der Verſicherung ausſchließt, welche ein höheres Ein- kommen als 2400 Kronen haben, ſo trägt er dadurch nur der Anſchauung Rechnung, daß den Beamten in höherer Stellung auch ſo viel moraliſche Kraft und Selbſtbeſtimmungsrecht eingeräumt werden muß, daß ſie ſich, wenn ſie wirklich in Betrieben, wo eine Gefahr vorhanden oder nicht ausgeſchloſſen iſt, ſelbſt verſichern. Und dieſer Standpunkt iſt ſicherlich nur zu billigen. Sehen wir doch, daß in Staaten, die in wirtſchaftlicher Richtung am weiteſten voraus ſind, z. B. England, Amerika, für die Volksverſicherung am wenigſten vorſorgen. Selbſt iſt der Mann! Ein nach moderner Anſchauung geleiteter Staat darf ſeine Bürger nie und nimmer bevormunden, ſondern er muß beſtrebt ſein, dieſelben zu ſelbſtdenkenden und ſelbſtändigen Männern zu erziehen. Freilich, in dem alten Oeſterreich, wo auf allen Gebieten noch der alte vormärzliche Polizeiſtaat wirtſchaftet, ſcheint das etwas zu viel verlangt! § 2 des ungariſchen Entwurfes zählt klar und deutlich alle jene Betriebe auf, die geſetzlich ver- ſicherungspflichtig ſind. Wer ſich mit Mühe die §§ 1 und 2 des öſterreichiſchen Geſetzes durch wiederholtes Studieren verſtändlich gemacht, der weiß noch lange nicht, welcher Betrieb bei uns verſicherungspflichtig iſt. Er muß vielmehr erſt noch das Geſetz vom 20. Juli 1894, betreffend die Ausdehnung der Ver- ſicherungspflicht, ferner die Miniſterialverordnung vom 18. November 1894, endlich die Erläuterungen zu den auf die Verſicherungspflicht bezüglichen Beſtim- mungen des Unfallverſicherungsgeſetzes, aufmerkſam ſtudieren, und wenn er all’ dies mit vieler Mühe hinter ſich hat, dann muß er den Miniſterialerlaß vom 19. Juni 1889, durch welchen dieſe Erläute- rungen ergänzt werden, ſich zu eigen machen. Iſt ihm auch dies gelungen, ſo iſt noch unerläßlich, daß er die Verordnung des Miniſteriums des Innern vom 27. Juli 1894, mittelſt welcher die Ausführung des Artikels III des Geſetzes vom 20. Juli 1894, be- treffend die Ausdehnung der Unfallverſicherung und die Friſt für die von den Unternehmern verſicherungs- pflichtiger Betriebe zu erſtattenden Betriebsanzeigen feſtgeſetzt werden, ſtudiert. Hat er ſich durch alle dieſe Paragraphen, „Nach- tragsgeſetze“, „Verordnungen“ und „Erläſſe“ glücklich durchgefreſſen und iſt er inzwiſchen nicht über den bureaukratiſchen Amtsſtil wahnſinnig geworden, hat er dann noch einige verwaltungsgerichtliche Entſchei- dungen ſtudiert, die ſich zudem in ein und derſelben Frage oft genug widerſprechen, und iſt er ſonſt ein nicht unbegabter Menſch, ſo kann er dann vielleicht ſo viel wiſſen, als § 2 des ungariſchen Entwurfes klar zum Ausdruck bringt. Guten Appetit! Lokal-Nachrichten. — Todesfälle. In der Nacht von Freitag auf Samstag ſtarb hier die Mutter des k. k. Ober- ſtabsarztes Dr. Schuller, die k. k. Statthalterei- ratswitwe Emma Schuller, im 80. Lebensjahre. — Samstag ſtarb hier die k. k. Hauptmannswitwe Frau Amalie Edle v. Leclaire im 84. Lebensjahr. — Der bekannte Cafétier Johann Hanslofsky iſt am 18. d. M. morgens nach kurzem Krankenlager im 52. Lebensjahre geſtorben. — Gemeindeausſchußwahl im I. Wahl- körper. Die infolge Proteſtes angeordnete Wahl von zwei Ausſchußmännern und vier Erſatzmitgliedern des I. Wahlkörpers wurde Montag vormittags, reſp. nachmittags vorgenommen. Von Seite der liberalen Partei wurden die Herren k. k. Obergeometer Friedrich Goethe und Spediteur und Hausbeſitzer Cyrill Hubler aufgeſtellt, während die chriſtlichſoziale Partei, welche ſeinerzeit erklärt hatte, ſich der Wahl zu enthalten und jetzt lebhaft in den Kampf eingriff, die Herren Hotelier Rechtberger und Hausbeſitzer Rudolf Schratt aufſtellte. Als gewählt ging von 60 abgegebenen Stimmen nur Herr Hubler mit 36 Stimmen hervor, während Herr Goethe mit 25 Stimmen und Herr Schratt mit 29 Stimmen in die Stichwahl kamen, aus der wieder Herr Schratt mit 36 Stimmen als gewählt hervorging. Herr Obergeometer Goethe erhielt nur 18 Stimmen. — Bei der nachmittags vorgenommenen Erſatz- männerwahl wurden von 46 abgegebenen Stim- men die Herren Rechtberger mit 34, Profeſſor Lechner mit 27, Alois Winbauer mit 28 und Moriz Rollett mit 25 Stimmen gewählt. In der Minorität blieben die Herren Biondek mit 22, Johann Beuchl mit 20, J. Wladarz mit 18, Dr. Smolcic mit 5 und Friedrich Goethe mit 2 Stimmen. — Wir glauben nicht fehlzugehen, wenn wir dieſen Ausgang der Wahl dem Profeſſoren- Kollegium unſeres Gymnaſiums aufs Kerbholz ſchreiben. Hoffentlich iſt ſeinem Trias damit der Wille getan und es kommt kein Proteſt mehr, damit endlich einmal der Ausſchuß ſich konſtituieren und die Erledigung der Agenden ſtattfinden kann. — Kurkommiſſions-Sitzung. Morgen Donnerstag findet um 3 Uhr nachmittags eine Sitzung der Kurkommiſſion ſtatt. Die Tagesordnung iſt fol- gende: 1. Vortrag des Präſes; 2. Bericht und An- trag des Inſertionskomitees bezügl. Verwendung des präliminierten Betrages von 4 000 Kr.; 3. Bericht des Stadtbauamtes betreffend die Verbeſſerung der elektriſchen Beleuchtung im Kurhauſe; 4. Anſuchen des Kapellmeiſters Komzak um Rückvergütung des an die Autorengeſellſchaft zu zahlenden jährlichen Pau- ſchale; 5. Beſprechung über die Tätigkeit des Kur- taxausſchuſſes zu Beginn der Saiſon. — Pferde-Prämiierungen. Zur Hebung der Pferdezucht in Niederöſterreich findet im Jahre 1904 die Verteilung von Staatspreiſen in den Monaten Mai und Juni ſtatt. Aus dem Bezirke Baden werden Pferde des Geſtütsſchlages in die Konkurrenzſtation Bruck a. L. am Sonntag, den 15. Mai, zugelaſſen, wenn eine Anmeldung bis längſtens 5. Mai bei Herrn Bezirkstierarzt Prinz in Bruck a. L. ſtattgefunden hat. — Mandatsmüde. In der ſonntägigen Ge- neralverſammlung der Bezirkskrankenkaſſa teilte der Vorſtand derſelben, Herr Rudolf Schwabl, den verſammelten Delegierten mit, daß er ſich wegen Arbeitsüberbürdung gezwungen ſehe, ſeine Vorſtands- ſtelle niederzulegen. — Mayerhofer contra Direktor Heißi- ger. Vergangenen Samstag fand vor dem hieſigen Bezirksgerichte über Klage des „Hiſtorienmalers“ und „Journaliſten“ Mayerhofer eine Verhandlung ſtatt, in welcher die Zuhörer Gelegenheit hatten, Herrn Direktor Heißiger in einer neuen Rolle mit Er- folg debutieren zu ſehen. Gegenſtand der Anklage war ein Schreiben Heißiger’s an die Redaktion des „Badener Boten“, in welchem er ſich nichts weniger ihre Neſter in Erdlöcher, wo ſie von Füchſen und anderen Raubtieren leicht aufgefunden werden. Die Errichtung von Niſtkäſten, beſonders in Obſtgärten, wird damit zur dringenden Notwendigkeit, will man anders die Bäume vor den gefräßigen Inſektenlarven bewahren. Wie Sie ſehen, öffnet ſich auf dem Gebiete des Tierſchutzes ein weites Arbeitsfeld für die Tätigkeit des Lehrers. Manches iſt ja bereits geſchehen, aber viel bleibt noch zu tun. Doch ſei es nun viel oder wenig — was da der einzelne leiſtet, es iſt nicht umſonſt getan. Hedin in Gefangenſchaft der Tibetaner. *) Aus: Hedin, Im Herzen von Aſien. Zwei reich illuſtrierteBände, eleg. geb. 20 M. Verlag von F. A. Brockhaus, Leipzig. Nachdem wir wenigſtens in unſerer unmittelbaren Nähe wieder Ruhe hatten, tauchten zwei Nomaden auf, die uns vom nächſten Zeltdorfe Fett und ſauere Milch brachten und erklärten, daß ihr Häuptling ihnen verboten habe, ſich dafür bezahlen zu laſſen. Als wir ihnen eine Porzellantaſſe ſchenken wollten, ſagten ſie, daß ſie das Geſchenk ohne Erlaubnis des Häuptlings nicht annehmen könnten, kamen aber ſpäter mit dem Beſcheid wieder, daß ihm der Tauſch recht ſei. Auf dieſe Weiſe ſorgten unſere Nachbarn den ganzen Tag für unſere Unterhaltung. Die letzten und ausdauerndſten waren jedoch vier Männer, die uns gegen drei Uhr beſuchten. Einer von ihnen war ziemlich frech und unterſuchte alle umherliegenden Sachen. Dabei kam ein Kompaß zum Vorſchein, der bei ihm großes Intereſſe erregte. Er fragte, was das ſei, und erhielt eine genaue Beſchreibung, wobei er ſagte: „Freilich, freilich, ſolche haben die Chineſen auch“. Ein paarmal zeigte er auf mich und erklärte: „Der da iſt kein Burjate“. Er war außerordentlich zudringlich und fragte, wie es komme, daß wir dieſe kleine Seitenſtraße eingeſchlagen hätten, ſtatt dem großen Pilgerwege zu folgen. „Wißt ihr nicht, daß es euch den Kopf koſten kann, daß ihr dieſen Weg gegangen ſeid? Alle, die auf dieſem Wege nach Lhaſa gehen, werden hinge- richtet.“ Der Lama verſuchte die Situation zu retten, indem er erklärte, daß wir die große Karawane vom Lopnor an begleitet hätten und es unſere Abſicht ſei, von hier nach Lhaſa zu gehen. Der Mann erwiderte darauf, daß nur der Gonverneur von Nakktſchu die Erlaubnis dazu erteilen könne. Im übrigen waren ſie freundlich ungezwungen und verſprachen uns morgen allerlei Lebensmittel zu ſchenken. Als wir dieſe läſtigen Spione gar nicht loswerden konnten, gingen wir ins Zelt und legten uns ſchlafen. Aber nicht einmal das half. Der Himmel war wieder dunkel und die Wolkendecke dichter ge- worden, und als wieder ein Platzregen herabſtrömte, krochen ſie alle vier in das Zelt, wo wir es ſelbſt unter gewöhnlichen Verhältniſſen ziemlich eng hatten. Erſt in der Dämmerung gingen ſie ihrer Wege. Ich wurde bei Tagesanbruch durch das Stimmen- gewirr der erſten heute zu Beſuch kommenden Tibe- tauer geweckt. Im Laufe des Tages (7. Auguſt) kamen ſie gruppenweiſe, ſo daß wir kaum eine halbe Stunde allein ſein konnten. Beſtändig tauchten neue Geſichter auf, und ſelten kommt derſelbe Mann zweimal. Es iſt, als würde die Wache beſtändig abgelöſt. Nur der Dreiſte von geſtern machte uns auch heute einen Be- ſuch und ſchenkte uns einen Napf voll ſaurer Milch, einen Sack voll trockenen, vortrefflichen Argols und einen Blaſebalg, der uns beſonders nötig war. Ein anderer Tibetaner blieb volle drei Stunden bei uns, trank Thee und aß Tſamba mit uns, rauchte und tat, als ſei er hier zuhauſe. Sein Geſicht war von einem förmlichen Urwalde ſchwarzer, zottiger Haarſträhnen ohne eine Spur von Ordnung umgeben. Die „Locken“, die die Augen verdecken, ſind geſtutzt und tragen keineswegs zur Verſchönerung des ganzen bei; ein Teil des Nackenhaares iſt jedoch in einen Zopf geflochten. Dieſer iſt unten mit einem mit Perlen oder gefärbten Steinen beſetzten Bande zuſammen- gebunden und mit einem oder mehreren „Gavo“ oder Götzenbilderfutteralen geſchmückt. Beim Reiten wird der Zopf um den Kopf oder Hut gewunden. Dieſer Mann, der nicht wieder gehen wollte, ver- riet uns zu deutlich, daß er ein Spion war, der den Auftrag erhalten hatte, uns in der Nähe zu beob- achten. Er war aufrichtig genug, uns zu bitten, über Nacht nicht durchzubrennen, da es ihm fonſt das Leben koſten würde. Nach Lhaſa ſeien es noch fünf Tagereiſen, ſagte er. Doch gibt es dorthin entſchieden auch eine organiſierte reitende Poſt mit Pferdewechſel, denn wir machten ſpäter ausfindig, daß ein dorthin geſandter Eilbote in zwei Tagen Antwort brachte, alſo einen Tag bis Lhaſa und einen Tag von Lhaſa gebraucht hatte. Das Tal, in dem wir uns befanden, hieß Dſchallokk und der uns im Weſten zunächſt- liegende Berg Bontſa. *) Die Tibetaner haben ſich bisher ſtets heftig gewehrt, europäiſche Forſchungsreiſende in ihr Land hineinzulaſſen. Gegen den erfolgreichſten Aſienforſcher unſerer Tage, den Schweden Dr. Swen v. Hedin, haben ſie ſogar eine ganze Armee mobil gemacht, um ihm den Durchzug nach der heiligen Stadt Lhaſſa zu verwehren! Hedin’s Bericht: „Im Herzen von Aſien“ (F. A. Brockhaus in Leipzig), iſt ein klaſſiſches Reiſe- werk mit feſſelnder illuſtrativer Ausſtattung.

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Zitationshilfe: Badener Zeitung. Nr. 32, Baden (Niederösterreich), 20.04.1904, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_badener032_1904/3>, abgerufen am 23.04.2024.