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Badener Zeitung. Nr. 27, Baden (Niederösterreich), 04.01.1908.

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Badener Zeitung
Deutsch-freiheitliches und unabhängiges Organ.

[Spaltenumbruch] Redaktionsschluß:
Dienstag und Freitag früh.
[Spaltenumbruch] Erscheint Mittwoch und Samstag früh.



Telephon-Anschluß Nr. 229.

[Spaltenumbruch] Unverlangt eingesandte Mannskripte
werden nicht zurückgesendet.
Abonnement Baden: Zum Abholen vierteljährig K 2·50, halbjährig K 5·--, ganzjährig K 10·--. Mit Zustellung ins Haus Baden: Vierteljährig K 3·--, halbjährig K 6--,
ganzjährig K 12·--. Oesterreich-Ungarn: Mit Zusendung vierteljährig K 3·30, halbjährig K 6·50, ganzjährig K 13·--. Einzelne Mittwoch-Nummer 12 h, Samstag-
Nummer 16 h. -- Inserate
werden per 80 mm breite Petitzeile mit 16 h für die erste, und mit 14 h für fünf nacheinander folgende Einschaltungen berechnet, größere Aufträge
nach Uebereinkommen und können auch durch die bestehenden Annonzen-Bureaus an die Administration gerichtet werden. -- Interessante Mittheilungen, Notizen und
Korrespondenzen werden nach Uebereinkunft honoriert. Manuskripte werden nicht zurückgestellt. -- Redaktion und Administration: Baden, Pfarrgasse Nr. 3.
(Die Samstag-Nummer enthält die Gratis-Beilage "Illustriertes Unterhaltungsblatt".)




Nr. 27. Mittwoch, den 1. April 1908. 29. Jahrg.


[Spaltenumbruch]
Eine Krise?

Die schwierigste aller Fragen soll durch
ein Gesetz, ein Sprachengesetz, das doch nur
ein Nationalitätengesetz sein kann, geordnet
werden. Was hat man über dieses heute so
dringend gewünschte Nationalitätengesetz nicht
schon in dem letzten halben Jahrhundert in
Oesterreich geschrieben und auch gesprochen!
Wenn man das über diesen Gegenstand be-
druckte Papier auftreiben würde, so könnte man
das gesamte Areale des österreichisch-ungari-
schen Staatsgebildes mehrfach bedecken. Alle
Nationen Oesterreichs verlangen seit Beginn
der konstitutionellen Aera ein solches Gesetz,
alle hervorragenden Staatsmänner haben
die Notwendigkeit eines solchen Gesetzes an-
erkannt. Warum ist ein solches Gesetz nicht
zustande gekommen? Der Wiener Halb-
offiziosus weiß immer alles und es ist daher
ganz natürlich, daß er auch in diesem Falle
das entscheidende Wort prägt und das-
selbe gelassen ausspricht: das Sprachen-
gesetz muß ein Gesetz sein, das die
Autorität des Volkswillens für sich
[Spaltenumbruch] hat.
Das ist eine geradezu erstaunliche Neuig-
keit! Die Autorität des Volkswillens, diese
große Resultierende in allem und jedem,
die keinem Weisen seit den sieben Weisen
Griechenlands bis zu den führenden Intellek-
tuellen der modernsten Zeit gelungen, nur an-
nähernd in einer oder der anderen der
Fragen festzustellen, soll nun in Oesterreich
das wichtigste Problem lösen!

Warum nicht? Oesterreich gilt als das
Reich der Unwahrscheinlichkeiten, vielleicht ist
daher das Unwahrscheinlichste möglich; die
Logik dieses Halboffizioses ist ja bekanntlich
ganz unantastbar. Da wissen wir uns seit
dem Ausspruch des großen politischen Halb-
offizioses so manches zu erklären. Wir haben
ausgezeichnete Staatsgrundgesetze -- man
kann sich keine besseren denken -- warum
stehen denn diese Staatsgrundgesetze
nur auf dem Papier?
Jetzt wissen wir
den Grund: weil diese Gesetze nicht die Auto-
rität des Volkswillens für sich haben! Das
ist recht schade, denn wenn diese ausgezeich-
neten Staatsgrundgesetze die Autorität des
Volkswillens für sich hätten, dann würde man
[Spaltenumbruch] ja gar keine Sprachen- und Nationalitäten-
gesetze brauchen, denn in diesen Staatsgrund-
gesetzen ist ja die Regelung dieser Angelegen-
heiten vollständig enthalten. Warum besitzen
aber diese so außerordentlich schönen Staats-
grundgesetze nicht die Autorität des Volks-
willens? Da kommen wir bei der offenen
Antwort auf die wichtigste aller österreichischen
Fragen zu einem der traurigsten Kapitel des
öffentlichen politischen Lebens in Oesterreich.
Wenn man eine Prüfung der Wähler bei der
Millionen derselben in Oesterreich über die-
sen Gegenstand vornehmen könnte, wie würde
diese Prüfung ausfallen? Wie hoch kann man
den Prozentsatz der Wähler schätzen, die über-
haupt etwas davon wissen, daß es Staats-
grundgesetze in Oesterreich überhaupt gibt?

Wenn man bei diesen Prüfungskandidaten
erfahren wollte, ob dieselben eine Ahnung
haben, daß es in einem Staate Staatsgrund-
gesetze geben muß und am Ende gar wissen
wollte, wie die Autorität des Volkswillens
zur Geltung gelangen kann, so würden nicht
nur die Herren Wähler, sondern auch ein
sehr hohes Prozent der Herren Gewählten




[Spaltenumbruch]
Fenilleton.



"Akkorde." *)
(Aus dem Tagebuche eines Unbekannten.)

(Nachdruck verboten).

VII.

Märchen.

Ein morgenländischer Fürst wünschte einen
ebenso treuen und zuverlässigen wie tüchtigen Ver-
trauten zu haben und versuchte, folgendermaßen zum
Ziele zu kommen:

Er ließ eines Abends fünf Männer seiner Re-
sidenz, die im Rufe besonderer Klugheit standen, zu
sich kommen. An den Fingern seiner Hand glänzten
fünf sehr große Diamanten. Er sagte ihnen: "Ich
habe Euch fünf hier um mich versammelt, weil ich
hoffe, daß ich von Euch die Wahrheit hören werde.
-- Ihr seht diese fünf kostbaren Diamanten? Sie
werden der Lohn Eurer Aufrichtigkeit sein. Sagt:
Was haltet ihr von meiner Macht und meinem
Ruhm?"

Vier antworteten ihm rasch auf seine Frage.
Entzückt von der Schönheit und Größe der herrlichen
Steine, schmeichelten sie ihm und priesen -- Einer
noch mehr wie der Andere -- die Macht und den
Ruhm ihres Herrn; -- sie erhoben ihn über alle
Helden der Geschichte; in begeisterten Ausdrücken
rühmten sie seine Talente und seine Tugenden, bis
sie schließlich keine Worte mehr finden konnten und
[Spaltenumbruch] ihn mit dem großen und mächtigen Gott im Himmel
verglichen.

Der König nimmt vier Diamanten von seinen
Fingern und vertheilt sie unter jene Männer. Dann
wendet er sich an den fünften und fragt ihn: "Wa-
rum schweigst Du? Sage mir auch, ich befehle es
Dir, was Du von meiner Macht und von meinem
Ruhme denkst?"

"Ich denke", antwortete er, "daß Deine Macht
Dir von Gott anvertraut ist, damit Du Deine Völker
glücklich machst, und daß er einst eine ernste Rechen-
schaft von dir fordern wird; ich denke, daß Dein
Ruhm falsch und gefährlich ist, wenn Du nur glänzen
und Deine Feinde besiegen, nicht aber alle Deine
Pflichten treu erfüllen willst."

Der König antwortete: "Ich gebe Dir den
fünften Diamanten nicht, schenke Dir aber mein
Vertrauen und meine Freundschaft. Bleibe stets bei
mir; ich habe den Freund gefunden, den ich suchte".

Am folgenden Tage kamen die andern vier
ganz bestürzt und außer sich in den Palast, um dem
König zu sagen, daß er von dem Juwelier, der ihm
diese Diamanten verkauft habe, betrogen worden sei, denn
sie wären falsch. Der König aber antwortete lachend:
"Ach, glaubt doch nicht, daß ich das nicht gewußt
hätte. Ihr habt mir falsche Lobeserhebungen gemacht,
dafür habt Ihr falsche Diamanten erhalten. Ich habe
Euch nur mit gleicher Münze bezahlt. Ihr habt
also keinen Grund, Euch zu beklagen."




Frühling.

-- es küßt der Märzwind rothe Flecke auf die
Wangen --




-- aufjauchzen wie die Amsel, die auf der
höchsten Spitze eines dürren Astes, der Morgenröthe
[Spaltenumbruch] zugewandt, das allbelebende Licht aus voller Kehle
begrüßt!




-- über die weite Trift irrlichtern Sonnenfunken
wie glitzerndes Geschmeide --




-- auf dem Friedhof schwärmen die ersten
Bienen, forschend, ob nicht aus den Trieben, die aus
den jüngsten Gräbern sprießen, schon neuer Lebens-
balsam zu holen wäre.




-- Abends leichte Nebel, von der scheidenden
Sonne in Goldstaub verwandelt --




Die weißen Lichtbäche des Mondes rinnen durch
die zartbelaubten Wipfel.




Das Schöne ist ein Attribut der Jugend. Sie
hält sich an den Aristotelischen Satz, daß Jünglinge
es mehr lieben, das Schöne zu thun, als das
Nützliche, denn sie leben mehr nach dem sittlichen
Gefühle als nach der Berechnung.




Auf dem See.

Es ist ein Frühsommerabend von berauschender
Pracht. Auf der glatten Fläche irrlichtert das Son-
nenlicht und erzittert in zarten Schuppen, -- wallt
in Feuerlinien aus oder zerfließt in blendende Licht-
inseln.




Der Orgelchoral des Kirchleins, das dort am
Ufer steht, verweht mystisch im Windhauche. Es sind
Aeolstöne, die man erlauscht. Ihr Schmeicheln ist
süß wie die Stimme der Liebe.

(Fortsetzung folgt.)




*) Siehe die Nummern 21, 22, 23, 24, 25 und 26 der
"Badener Zeitung".
Badener Zeitung
Deutſch-freiheitliches und unabhängiges Organ.

[Spaltenumbruch] Redaktionsſchluß:
Dienstag und Freitag früh.
[Spaltenumbruch] Erſcheint Mittwoch und Samstag früh.



Telephon-Anſchluß Nr. 229.

[Spaltenumbruch] Unverlangt eingeſandte Mannſkripte
werden nicht zurückgeſendet.
Abonnement Baden: Zum Abholen vierteljährig K 2·50, halbjährig K 5·—, ganzjährig K 10·—. Mit Zuſtellung ins Haus Baden: Vierteljährig K 3·—, halbjährig K 6—,
ganzjährig K 12·—. Oeſterreich-Ungarn: Mit Zuſendung vierteljährig K 3·30, halbjährig K 6·50, ganzjährig K 13·—. Einzelne Mittwoch-Nummer 12 h, Samstag-
Nummer 16 h. — Inſerate
werden per 80 mm breite Petitzeile mit 16 h für die erſte, und mit 14 h für fünf nacheinander folgende Einſchaltungen berechnet, größere Aufträge
nach Uebereinkommen und können auch durch die beſtehenden Annonzen-Bureaus an die Adminiſtration gerichtet werden. — Intereſſante Mittheilungen, Notizen und
Korreſpondenzen werden nach Uebereinkunft honoriert. Manuſkripte werden nicht zurückgeſtellt. — Redaktion und Adminiſtration: Baden, Pfarrgaſſe Nr. 3.
(Die Samstag-Nummer enthält die Gratis-Beilage „Illuſtriertes Unterhaltungsblatt“.)




Nr. 27. Mittwoch, den 1. April 1908. 29. Jahrg.


[Spaltenumbruch]
Eine Kriſe?

Die ſchwierigſte aller Fragen ſoll durch
ein Geſetz, ein Sprachengeſetz, das doch nur
ein Nationalitätengeſetz ſein kann, geordnet
werden. Was hat man über dieſes heute ſo
dringend gewünſchte Nationalitätengeſetz nicht
ſchon in dem letzten halben Jahrhundert in
Oeſterreich geſchrieben und auch geſprochen!
Wenn man das über dieſen Gegenſtand be-
druckte Papier auftreiben würde, ſo könnte man
das geſamte Areale des öſterreichiſch-ungari-
ſchen Staatsgebildes mehrfach bedecken. Alle
Nationen Oeſterreichs verlangen ſeit Beginn
der konſtitutionellen Aera ein ſolches Geſetz,
alle hervorragenden Staatsmänner haben
die Notwendigkeit eines ſolchen Geſetzes an-
erkannt. Warum iſt ein ſolches Geſetz nicht
zuſtande gekommen? Der Wiener Halb-
offizioſus weiß immer alles und es iſt daher
ganz natürlich, daß er auch in dieſem Falle
das entſcheidende Wort prägt und das-
ſelbe gelaſſen ausſpricht: das Sprachen-
geſetz muß ein Geſetz ſein, das die
Autorität des Volkswillens für ſich
[Spaltenumbruch] hat.
Das iſt eine geradezu erſtaunliche Neuig-
keit! Die Autorität des Volkswillens, dieſe
große Reſultierende in allem und jedem,
die keinem Weiſen ſeit den ſieben Weiſen
Griechenlands bis zu den führenden Intellek-
tuellen der modernſten Zeit gelungen, nur an-
nähernd in einer oder der anderen der
Fragen feſtzuſtellen, ſoll nun in Oeſterreich
das wichtigſte Problem löſen!

Warum nicht? Oeſterreich gilt als das
Reich der Unwahrſcheinlichkeiten, vielleicht iſt
daher das Unwahrſcheinlichſte möglich; die
Logik dieſes Halboffizioſes iſt ja bekanntlich
ganz unantaſtbar. Da wiſſen wir uns ſeit
dem Ausſpruch des großen politiſchen Halb-
offizioſes ſo manches zu erklären. Wir haben
ausgezeichnete Staatsgrundgeſetze — man
kann ſich keine beſſeren denken — warum
ſtehen denn dieſe Staatsgrundgeſetze
nur auf dem Papier?
Jetzt wiſſen wir
den Grund: weil dieſe Geſetze nicht die Auto-
rität des Volkswillens für ſich haben! Das
iſt recht ſchade, denn wenn dieſe ausgezeich-
neten Staatsgrundgeſetze die Autorität des
Volkswillens für ſich hätten, dann würde man
[Spaltenumbruch] ja gar keine Sprachen- und Nationalitäten-
geſetze brauchen, denn in dieſen Staatsgrund-
geſetzen iſt ja die Regelung dieſer Angelegen-
heiten vollſtändig enthalten. Warum beſitzen
aber dieſe ſo außerordentlich ſchönen Staats-
grundgeſetze nicht die Autorität des Volks-
willens? Da kommen wir bei der offenen
Antwort auf die wichtigſte aller öſterreichiſchen
Fragen zu einem der traurigſten Kapitel des
öffentlichen politiſchen Lebens in Oeſterreich.
Wenn man eine Prüfung der Wähler bei der
Millionen derſelben in Oeſterreich über die-
ſen Gegenſtand vornehmen könnte, wie würde
dieſe Prüfung ausfallen? Wie hoch kann man
den Prozentſatz der Wähler ſchätzen, die über-
haupt etwas davon wiſſen, daß es Staats-
grundgeſetze in Oeſterreich überhaupt gibt?

Wenn man bei dieſen Prüfungskandidaten
erfahren wollte, ob dieſelben eine Ahnung
haben, daß es in einem Staate Staatsgrund-
geſetze geben muß und am Ende gar wiſſen
wollte, wie die Autorität des Volkswillens
zur Geltung gelangen kann, ſo würden nicht
nur die Herren Wähler, ſondern auch ein
ſehr hohes Prozent der Herren Gewählten




[Spaltenumbruch]
Fenilleton.



„Akkorde.“ *)
(Aus dem Tagebuche eines Unbekannten.)

(Nachdruck verboten).

VII.

Märchen.

Ein morgenländiſcher Fürſt wünſchte einen
ebenſo treuen und zuverläſſigen wie tüchtigen Ver-
trauten zu haben und verſuchte, folgendermaßen zum
Ziele zu kommen:

Er ließ eines Abends fünf Männer ſeiner Re-
ſidenz, die im Rufe beſonderer Klugheit ſtanden, zu
ſich kommen. An den Fingern ſeiner Hand glänzten
fünf ſehr große Diamanten. Er ſagte ihnen: „Ich
habe Euch fünf hier um mich verſammelt, weil ich
hoffe, daß ich von Euch die Wahrheit hören werde.
— Ihr ſeht dieſe fünf koſtbaren Diamanten? Sie
werden der Lohn Eurer Aufrichtigkeit ſein. Sagt:
Was haltet ihr von meiner Macht und meinem
Ruhm?“

Vier antworteten ihm raſch auf ſeine Frage.
Entzückt von der Schönheit und Größe der herrlichen
Steine, ſchmeichelten ſie ihm und prieſen — Einer
noch mehr wie der Andere — die Macht und den
Ruhm ihres Herrn; — ſie erhoben ihn über alle
Helden der Geſchichte; in begeiſterten Ausdrücken
rühmten ſie ſeine Talente und ſeine Tugenden, bis
ſie ſchließlich keine Worte mehr finden konnten und
[Spaltenumbruch] ihn mit dem großen und mächtigen Gott im Himmel
verglichen.

Der König nimmt vier Diamanten von ſeinen
Fingern und vertheilt ſie unter jene Männer. Dann
wendet er ſich an den fünften und fragt ihn: „Wa-
rum ſchweigſt Du? Sage mir auch, ich befehle es
Dir, was Du von meiner Macht und von meinem
Ruhme denkſt?“

„Ich denke“, antwortete er, „daß Deine Macht
Dir von Gott anvertraut iſt, damit Du Deine Völker
glücklich machſt, und daß er einſt eine ernſte Rechen-
ſchaft von dir fordern wird; ich denke, daß Dein
Ruhm falſch und gefährlich iſt, wenn Du nur glänzen
und Deine Feinde beſiegen, nicht aber alle Deine
Pflichten treu erfüllen willſt.“

Der König antwortete: „Ich gebe Dir den
fünften Diamanten nicht, ſchenke Dir aber mein
Vertrauen und meine Freundſchaft. Bleibe ſtets bei
mir; ich habe den Freund gefunden, den ich ſuchte“.

Am folgenden Tage kamen die andern vier
ganz beſtürzt und außer ſich in den Palaſt, um dem
König zu ſagen, daß er von dem Juwelier, der ihm
dieſe Diamanten verkauft habe, betrogen worden ſei, denn
ſie wären falſch. Der König aber antwortete lachend:
„Ach, glaubt doch nicht, daß ich das nicht gewußt
hätte. Ihr habt mir falſche Lobeserhebungen gemacht,
dafür habt Ihr falſche Diamanten erhalten. Ich habe
Euch nur mit gleicher Münze bezahlt. Ihr habt
alſo keinen Grund, Euch zu beklagen.“




Frühling.

— es küßt der Märzwind rothe Flecke auf die
Wangen —




— aufjauchzen wie die Amſel, die auf der
höchſten Spitze eines dürren Aſtes, der Morgenröthe
[Spaltenumbruch] zugewandt, das allbelebende Licht aus voller Kehle
begrüßt!




— über die weite Trift irrlichtern Sonnenfunken
wie glitzerndes Geſchmeide —




— auf dem Friedhof ſchwärmen die erſten
Bienen, forſchend, ob nicht aus den Trieben, die aus
den jüngſten Gräbern ſprießen, ſchon neuer Lebens-
balſam zu holen wäre.




— Abends leichte Nebel, von der ſcheidenden
Sonne in Goldſtaub verwandelt —




Die weißen Lichtbäche des Mondes rinnen durch
die zartbelaubten Wipfel.




Das Schöne iſt ein Attribut der Jugend. Sie
hält ſich an den Ariſtoteliſchen Satz, daß Jünglinge
es mehr lieben, das Schöne zu thun, als das
Nützliche, denn ſie leben mehr nach dem ſittlichen
Gefühle als nach der Berechnung.




Auf dem See.

Es iſt ein Frühſommerabend von berauſchender
Pracht. Auf der glatten Fläche irrlichtert das Son-
nenlicht und erzittert in zarten Schuppen, — wallt
in Feuerlinien aus oder zerfließt in blendende Licht-
inſeln.




Der Orgelchoral des Kirchleins, das dort am
Ufer ſteht, verweht myſtiſch im Windhauche. Es ſind
Aeolstöne, die man erlauſcht. Ihr Schmeicheln iſt
ſüß wie die Stimme der Liebe.

(Fortſetzung folgt.)




*) Siehe die Nummern 21, 22, 23, 24, 25 und 26 der
„Badener Zeitung“.
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[[1]/0001] Badener Zeitung Deutſch-freiheitliches und unabhängiges Organ. Redaktionsſchluß: Dienstag und Freitag früh. Erſcheint Mittwoch und Samstag früh. Telephon-Anſchluß Nr. 229. Unverlangt eingeſandte Mannſkripte werden nicht zurückgeſendet. Abonnement Baden: Zum Abholen vierteljährig K 2·50, halbjährig K 5·—, ganzjährig K 10·—. Mit Zuſtellung ins Haus Baden: Vierteljährig K 3·—, halbjährig K 6—, ganzjährig K 12·—. Oeſterreich-Ungarn: Mit Zuſendung vierteljährig K 3·30, halbjährig K 6·50, ganzjährig K 13·—. Einzelne Mittwoch-Nummer 12 h, Samstag- Nummer 16 h. — Inſerate werden per 80 mm breite Petitzeile mit 16 h für die erſte, und mit 14 h für fünf nacheinander folgende Einſchaltungen berechnet, größere Aufträge nach Uebereinkommen und können auch durch die beſtehenden Annonzen-Bureaus an die Adminiſtration gerichtet werden. — Intereſſante Mittheilungen, Notizen und Korreſpondenzen werden nach Uebereinkunft honoriert. Manuſkripte werden nicht zurückgeſtellt. — Redaktion und Adminiſtration: Baden, Pfarrgaſſe Nr. 3. (Die Samstag-Nummer enthält die Gratis-Beilage „Illuſtriertes Unterhaltungsblatt“.) Nr. 27. Mittwoch, den 1. April 1908. 29. Jahrg. Eine Kriſe? Die ſchwierigſte aller Fragen ſoll durch ein Geſetz, ein Sprachengeſetz, das doch nur ein Nationalitätengeſetz ſein kann, geordnet werden. Was hat man über dieſes heute ſo dringend gewünſchte Nationalitätengeſetz nicht ſchon in dem letzten halben Jahrhundert in Oeſterreich geſchrieben und auch geſprochen! Wenn man das über dieſen Gegenſtand be- druckte Papier auftreiben würde, ſo könnte man das geſamte Areale des öſterreichiſch-ungari- ſchen Staatsgebildes mehrfach bedecken. Alle Nationen Oeſterreichs verlangen ſeit Beginn der konſtitutionellen Aera ein ſolches Geſetz, alle hervorragenden Staatsmänner haben die Notwendigkeit eines ſolchen Geſetzes an- erkannt. Warum iſt ein ſolches Geſetz nicht zuſtande gekommen? Der Wiener Halb- offizioſus weiß immer alles und es iſt daher ganz natürlich, daß er auch in dieſem Falle das entſcheidende Wort prägt und das- ſelbe gelaſſen ausſpricht: das Sprachen- geſetz muß ein Geſetz ſein, das die Autorität des Volkswillens für ſich hat. Das iſt eine geradezu erſtaunliche Neuig- keit! Die Autorität des Volkswillens, dieſe große Reſultierende in allem und jedem, die keinem Weiſen ſeit den ſieben Weiſen Griechenlands bis zu den führenden Intellek- tuellen der modernſten Zeit gelungen, nur an- nähernd in einer oder der anderen der Fragen feſtzuſtellen, ſoll nun in Oeſterreich das wichtigſte Problem löſen! Warum nicht? Oeſterreich gilt als das Reich der Unwahrſcheinlichkeiten, vielleicht iſt daher das Unwahrſcheinlichſte möglich; die Logik dieſes Halboffizioſes iſt ja bekanntlich ganz unantaſtbar. Da wiſſen wir uns ſeit dem Ausſpruch des großen politiſchen Halb- offizioſes ſo manches zu erklären. Wir haben ausgezeichnete Staatsgrundgeſetze — man kann ſich keine beſſeren denken — warum ſtehen denn dieſe Staatsgrundgeſetze nur auf dem Papier? Jetzt wiſſen wir den Grund: weil dieſe Geſetze nicht die Auto- rität des Volkswillens für ſich haben! Das iſt recht ſchade, denn wenn dieſe ausgezeich- neten Staatsgrundgeſetze die Autorität des Volkswillens für ſich hätten, dann würde man ja gar keine Sprachen- und Nationalitäten- geſetze brauchen, denn in dieſen Staatsgrund- geſetzen iſt ja die Regelung dieſer Angelegen- heiten vollſtändig enthalten. Warum beſitzen aber dieſe ſo außerordentlich ſchönen Staats- grundgeſetze nicht die Autorität des Volks- willens? Da kommen wir bei der offenen Antwort auf die wichtigſte aller öſterreichiſchen Fragen zu einem der traurigſten Kapitel des öffentlichen politiſchen Lebens in Oeſterreich. Wenn man eine Prüfung der Wähler bei der Millionen derſelben in Oeſterreich über die- ſen Gegenſtand vornehmen könnte, wie würde dieſe Prüfung ausfallen? Wie hoch kann man den Prozentſatz der Wähler ſchätzen, die über- haupt etwas davon wiſſen, daß es Staats- grundgeſetze in Oeſterreich überhaupt gibt? Wenn man bei dieſen Prüfungskandidaten erfahren wollte, ob dieſelben eine Ahnung haben, daß es in einem Staate Staatsgrund- geſetze geben muß und am Ende gar wiſſen wollte, wie die Autorität des Volkswillens zur Geltung gelangen kann, ſo würden nicht nur die Herren Wähler, ſondern auch ein ſehr hohes Prozent der Herren Gewählten Fenilleton. „Akkorde.“ *) (Aus dem Tagebuche eines Unbekannten.) Mitgetheilt von Paul Tauſig. (Nachdruck verboten). VII. Märchen. Ein morgenländiſcher Fürſt wünſchte einen ebenſo treuen und zuverläſſigen wie tüchtigen Ver- trauten zu haben und verſuchte, folgendermaßen zum Ziele zu kommen: Er ließ eines Abends fünf Männer ſeiner Re- ſidenz, die im Rufe beſonderer Klugheit ſtanden, zu ſich kommen. An den Fingern ſeiner Hand glänzten fünf ſehr große Diamanten. Er ſagte ihnen: „Ich habe Euch fünf hier um mich verſammelt, weil ich hoffe, daß ich von Euch die Wahrheit hören werde. — Ihr ſeht dieſe fünf koſtbaren Diamanten? Sie werden der Lohn Eurer Aufrichtigkeit ſein. Sagt: Was haltet ihr von meiner Macht und meinem Ruhm?“ Vier antworteten ihm raſch auf ſeine Frage. Entzückt von der Schönheit und Größe der herrlichen Steine, ſchmeichelten ſie ihm und prieſen — Einer noch mehr wie der Andere — die Macht und den Ruhm ihres Herrn; — ſie erhoben ihn über alle Helden der Geſchichte; in begeiſterten Ausdrücken rühmten ſie ſeine Talente und ſeine Tugenden, bis ſie ſchließlich keine Worte mehr finden konnten und ihn mit dem großen und mächtigen Gott im Himmel verglichen. Der König nimmt vier Diamanten von ſeinen Fingern und vertheilt ſie unter jene Männer. Dann wendet er ſich an den fünften und fragt ihn: „Wa- rum ſchweigſt Du? Sage mir auch, ich befehle es Dir, was Du von meiner Macht und von meinem Ruhme denkſt?“ „Ich denke“, antwortete er, „daß Deine Macht Dir von Gott anvertraut iſt, damit Du Deine Völker glücklich machſt, und daß er einſt eine ernſte Rechen- ſchaft von dir fordern wird; ich denke, daß Dein Ruhm falſch und gefährlich iſt, wenn Du nur glänzen und Deine Feinde beſiegen, nicht aber alle Deine Pflichten treu erfüllen willſt.“ Der König antwortete: „Ich gebe Dir den fünften Diamanten nicht, ſchenke Dir aber mein Vertrauen und meine Freundſchaft. Bleibe ſtets bei mir; ich habe den Freund gefunden, den ich ſuchte“. Am folgenden Tage kamen die andern vier ganz beſtürzt und außer ſich in den Palaſt, um dem König zu ſagen, daß er von dem Juwelier, der ihm dieſe Diamanten verkauft habe, betrogen worden ſei, denn ſie wären falſch. Der König aber antwortete lachend: „Ach, glaubt doch nicht, daß ich das nicht gewußt hätte. Ihr habt mir falſche Lobeserhebungen gemacht, dafür habt Ihr falſche Diamanten erhalten. Ich habe Euch nur mit gleicher Münze bezahlt. Ihr habt alſo keinen Grund, Euch zu beklagen.“ Frühling. — es küßt der Märzwind rothe Flecke auf die Wangen — — aufjauchzen wie die Amſel, die auf der höchſten Spitze eines dürren Aſtes, der Morgenröthe zugewandt, das allbelebende Licht aus voller Kehle begrüßt! — über die weite Trift irrlichtern Sonnenfunken wie glitzerndes Geſchmeide — — auf dem Friedhof ſchwärmen die erſten Bienen, forſchend, ob nicht aus den Trieben, die aus den jüngſten Gräbern ſprießen, ſchon neuer Lebens- balſam zu holen wäre. — Abends leichte Nebel, von der ſcheidenden Sonne in Goldſtaub verwandelt — Die weißen Lichtbäche des Mondes rinnen durch die zartbelaubten Wipfel. Das Schöne iſt ein Attribut der Jugend. Sie hält ſich an den Ariſtoteliſchen Satz, daß Jünglinge es mehr lieben, das Schöne zu thun, als das Nützliche, denn ſie leben mehr nach dem ſittlichen Gefühle als nach der Berechnung. Auf dem See. Es iſt ein Frühſommerabend von berauſchender Pracht. Auf der glatten Fläche irrlichtert das Son- nenlicht und erzittert in zarten Schuppen, — wallt in Feuerlinien aus oder zerfließt in blendende Licht- inſeln. Der Orgelchoral des Kirchleins, das dort am Ufer ſteht, verweht myſtiſch im Windhauche. Es ſind Aeolstöne, die man erlauſcht. Ihr Schmeicheln iſt ſüß wie die Stimme der Liebe. (Fortſetzung folgt.) *) Siehe die Nummern 21, 22, 23, 24, 25 und 26 der „Badener Zeitung“.

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Zitationshilfe: Badener Zeitung. Nr. 27, Baden (Niederösterreich), 04.01.1908, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_badener027_1908/1>, abgerufen am 28.03.2024.