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Allgemeine Auswanderungs-Zeitung. Nr. 64. Rudolstadt, 20. Dezember 1847.

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[Spaltenumbruch] gen Fußübeln unterworfen; die leichteste Verletzung dieses Körpertheiles
verursacht oft anhaltende Entzündungen, welche auf Monate hinaus
arbeitsunfähig machen. Meistentheils rühren diese Uebel von einem
kleinen Jnsecte, welches die Deutschen Sandfloh nennen, her; derselbe
nistet sich unmerklich in die Epidermis ein, wo er seine Anwesenheit
durch heftiges Jucken verräth. Versäumt man es, ihn herauszuziehen,
so pflanzt er sich mit unglaublicher Schnelligkeit fort und verursacht
Leiden, die manchmal sogar die Abnahme des Fußes nothwendig
machen. Schlangen gibt es in Menge; sie sind fast alle giftig, und
einige verursachen durch ihren Biß fast augenblicklichen Tod. Jndessen
sind solche Fälle äußerst selten, da diese Thiere nie ohne Veranlassung
angreifen, und gewöhnlich ist der Biß heilbar. Dasselbe gilt von
der Tarantel, deren Biß eine Entzündung und heftige Fieber verur-
sacht, aber auch höchst selten vorkommt. Weit lästiger, wenn auch
minder gefährlich, sind die Ameisen, welche auf den Campos vor-
zugsweise häufig sind. Sie richten in den Maisfeldern und auf den
Obstbäumen unermeßliche Verwüstungen an, und wenn sie einmal in
ein Zimmer eindringen, was übrigens selten vorkommt, so hilft es
nichts, man muß ruhig abwarten, bis sie von selbst wieder abziehen.
Dieß geschieht gewöhnlich nach einem oder zwei Tagen, nachdem sie
alles verzehrt haben, was sie auf ihrem Wege vorfinden. Wer im
Freien übernachtet, hat von den Carapatas zu leiden, einem Jnsecte
von der Größe einer Wanze, welches sich an die Haut heftet und sich
voll Blut saugt, ohne indessen Schmerzen zu verursachen. Am Mor-
gen findet man alle bloßen Stellen von diesen widerwärtigen Thier-
chen bedeckt, und nur mit Mühe kann man sich von ihnen befreien.
Sie verschwinden übrigens allerorten, wo die Wälder ausgerottet sind.
Es giebt eine größere Gattung dieses Jnsectes, welches dem Vieh sehr
nachtheilig wird und es auf die Dauer so vollständig aussaugt, daß es
unfehlbar zu Grunde geht, wenn man nicht die Vorsicht braucht, unter
das Futter kleine Quantitäten wilder Mandios zu mischen. Das Gift
dieser Pflanze tödtet das Jnsect, welches das Blut des Viehs ein-
haucht, ohne letzterem erheblich zu schaden.

Alle diese Plagen erscheinen übrigens an Ort und Stelle minder
schrecklich, als sie auf dem Papiere aussehen; man merkt und leidet
am Ende nicht mehr daran als man in Europa von ähnlichen Geißeln
gewahr wird. Ernsthafter, als die Anwesenheit der Schlangen und
Taranteln ist die Nähe der Jndianer, welche noch einen großen
Theil der von den Europäern nicht betretenen Waldungen innehaben.
Die brasilianischen Ureinwohner sind ein auf der niedrigsten Culturstufe
stehendes Jägervolk, armselig, unwissend, in elenden Hütten mit etwas
Mais und erlegtem Wilde das nackte Leben fristend. Jhre oftmals
vergifteten Pfeile, ihre Lanzen und Keulen wissen sie mit großem Ge-
schicke zu handhaben; die Europäer, welche einst ihre Hütten verbrannten
und sie wie wilde Thiere ausrotteten, hassen sie als räuberische Ein-
dringlinge und suchen sich ihrer möglichst zu entledigen. Nur ein ein-
ziger Stamm auf dem Gebirge, welcher sich zum Ackerbau gewöhnt
hat, unterhält einen freundschaftlichen Verkehr mit den Weißen. Die
Jndianer sind nur den in entlegenen Waldgegenden einsam liegenden
Gehöften gefährlich; an größere Niederlassungen wagen sie sich nie,
und auch ein einzelnes Haus lassen sie unangefochten, sobald sie sehen,
daß es gut vertheidigt ist. Wollen sie einen Ueberfall machen, so
schleichen sie Tage lang unbemerkt um das anzugreifende Haus umher;
so lange der Weiße auf seiner Hut ist, halten sie sich still, denn sie
fürchten die Gewalt seines Feuerrohrs; sobald er aber am Tage sich
dem Schlafe überläßt oder das Haus auf längere Zeit verläßt, stürzen
die Wilden über dasselbe her, stecken es in Brand, erschlagen die Männer
und führen Weiber und Kinder in die Gefangenschaft fort. Dieß
Schicksal ist mehreren Deutschen zu Theil geworden, welche sich im
sogenannten "Rosenthale" am Rio Cahy niedergelassen hatten. Wenn
Jndianer in der Nähe eines Gehöftes lauern, scheinen die Hunde von
Schrecken ergriffen wie bei der Annäherung eines Tigers; sie stoßen
ein banges Geheul aus, klemmen den Schwanz ein und kauern sich
[Spaltenumbruch] zu den Füßen ihrer Herren nieder; die Hausthiere kommen von selbst heim-
gelaufen, und am Abend hört man Stimmen wie das Geschrei des
Affen durch den Wald tönen. Wenn diese Anzeichen eintreten, so sind
die Wilden da; die Ansiedelung ist von einem Ueberfalle bedroht. Die
brasilianischen Jäger erkennen die Nähe der Jndianer an ihrem Moschus-
geruche, welcher so stark ist, wie die Ausdünstung eines wilden Thieres.
Sie greifen übrigens nur an, wenn sie die Uebermacht haben, und
fliehen stets beim Herannahen einer Gefahr. Vor einem entschlossenen
Manne, welcher sein Haus muthig vertheidigt, weichen ganze Haufen
zurück, und selbst auf offenem Felde können fünf wohlbewaffnete Weiße
leicht zwanzig Jndianern die Spitze bieten.

Die Stadt San Leopoldo, der Hauptort der Kolonie, gleicht
an Größe und Aussehen einem deutschen Dorfe. An einer langen,
geraden, mit Fußsteigen versehenen, aber ungepflasterten Straße liegen
die wohlgebauten, einstockigen Häuser, meistens Werkstätten, Kaufläden
und Schenken, einige sogar mit einem Kalkanwurfe, mit Glasfenstern
( die noch eine Seltenheit sind ) und mit Ziegeln ausstaffirt. Die meisten
Einwohner sind Deutsche, Handwerker oder durch den Handel wohl-
habend gewordene Ansiedler. Eine protestantische Kirche mit einem
deutschen, eine katholische mit einem portugiesischen Geistlichen, beide
mit Schulen versehen, bilden die geistlichen Mittelpunkte der Kolonie.
Die Behörden sind rein portugiesisch, und das Portugiesische ist daher auch
die ausschließliche Landessprache. Die von den portugiesischen Einwohnern
erwählte Municipalkammer, welche eigentlich nur die bürgerliche Ver-
waltung zu leiten hat, maßt sich auch richterliche Gewalt an, die sie
eben so schlecht ausübt wie ihre administrativen Befugnisse. Der Bezirk
San Leopoldo besitzt auch Gerichtshöfe, welche das Recht dem Meist-
bietenden verkaufen. Die portugiesischen Behörden sympathisiren sehr
schlecht mit der deutschen Bevölkerung, welche sie verachten, und die
Deutschen ihrerseits sprechen von der Autorität ihrer Obrigkeit nur
mit Achselzucken. Da die Deutschen das kürzlich ihnen gemachte An-
erbieten, sie zu naturalisiren, abgelehnt haben, so können sie keine Ver-
treter in die Municipalkammer schicken und sehen sich durch eigene Schuld
einer ganz fremden, theilnahmlosen Behörde untergeordnet, welche von
dem, was außer der Stadt vorgeht, nicht die geringste Kunde hat. Wenn
man die Kolonie mit völliger Sicherheit bereisen kann, so hat man
das nur dem friedlichen Charakter der Deutschen zu danken; denn die
portugiesische Obrigkeit würde wenig darnach fragen, wenn man Euch
auf dem Felde ermordete oder ausplünderte. Die schlimmsten Ruhe-
störer sind die kaiserlichen Soldaten, welche von Zeit zu Zeit in die
Kolonie geschickt werden, um den Landfrieden zu schützen, die aber mehr
gefürchtet werden, als Räuber und Diebe; denn sie betragen sich nicht
selten, als ob sie im Feindeslande wären.

San Leopoldo ist der Zwischenmarkt für die Waaren der Kolonie,
welche nach Porto Alegre bestimmt sind. Sie werden in verdeckte
Barken, sogenannte "Lanchons" gepackt und so von den deutschen Bauern,
welche sich sehr gut an die Flußschifffahrt gewöhnt haben, den Strom
hinab nach dem Seehafen gebracht.

Um den Zustand der deutschen Bevölkerung in San Leopoldo
kennen zu lernen, muß man die Stadt verlassen und die über die
Campos und den Urwald verstreuten ländlichen Ansiedlungen aufsuchen.
Die Gehöfte sehen von außen eben nicht einladend aus; von einem
Graben und einem weiten Zaune umgeben, innerhalb dessen das Vieh
grast, steht eine einfache Wohnung, manchmal eine bloße Hütte, mei-
stens von einigen Hunden bewacht. Vor dem Hofe, welcher gewöhn-
lich in der Nähe eines Baches liegt, erstrecken sich die Pflanzungen,
während hinter dem Hause ein Garten von Orangenbäumen mit sei-
nem dichten Laube ein undurchdringliches Schutzdach gegen die Son-
nenstrahlen bildet. Auch das Jnnere der Wohnung enthält auf den
ersten Anblick kein Zeichen von Wohlhabenheit, die Wände sind von
Lehm, das Dach von Rohr oder hölzernen Schindeln, die Fenster ohne
Scheiben. Jn manchen Häusern findet man keinen andern Fußboden,
als die natürliche feuchte Erde, keinen andern Ruhesitz als eine roh-

[Spaltenumbruch] gen Fußübeln unterworfen; die leichteste Verletzung dieses Körpertheiles
verursacht oft anhaltende Entzündungen, welche auf Monate hinaus
arbeitsunfähig machen. Meistentheils rühren diese Uebel von einem
kleinen Jnsecte, welches die Deutschen Sandfloh nennen, her; derselbe
nistet sich unmerklich in die Epidermis ein, wo er seine Anwesenheit
durch heftiges Jucken verräth. Versäumt man es, ihn herauszuziehen,
so pflanzt er sich mit unglaublicher Schnelligkeit fort und verursacht
Leiden, die manchmal sogar die Abnahme des Fußes nothwendig
machen. Schlangen gibt es in Menge; sie sind fast alle giftig, und
einige verursachen durch ihren Biß fast augenblicklichen Tod. Jndessen
sind solche Fälle äußerst selten, da diese Thiere nie ohne Veranlassung
angreifen, und gewöhnlich ist der Biß heilbar. Dasselbe gilt von
der Tarantel, deren Biß eine Entzündung und heftige Fieber verur-
sacht, aber auch höchst selten vorkommt. Weit lästiger, wenn auch
minder gefährlich, sind die Ameisen, welche auf den Campos vor-
zugsweise häufig sind. Sie richten in den Maisfeldern und auf den
Obstbäumen unermeßliche Verwüstungen an, und wenn sie einmal in
ein Zimmer eindringen, was übrigens selten vorkommt, so hilft es
nichts, man muß ruhig abwarten, bis sie von selbst wieder abziehen.
Dieß geschieht gewöhnlich nach einem oder zwei Tagen, nachdem sie
alles verzehrt haben, was sie auf ihrem Wege vorfinden. Wer im
Freien übernachtet, hat von den Carapatas zu leiden, einem Jnsecte
von der Größe einer Wanze, welches sich an die Haut heftet und sich
voll Blut saugt, ohne indessen Schmerzen zu verursachen. Am Mor-
gen findet man alle bloßen Stellen von diesen widerwärtigen Thier-
chen bedeckt, und nur mit Mühe kann man sich von ihnen befreien.
Sie verschwinden übrigens allerorten, wo die Wälder ausgerottet sind.
Es giebt eine größere Gattung dieses Jnsectes, welches dem Vieh sehr
nachtheilig wird und es auf die Dauer so vollständig aussaugt, daß es
unfehlbar zu Grunde geht, wenn man nicht die Vorsicht braucht, unter
das Futter kleine Quantitäten wilder Mandios zu mischen. Das Gift
dieser Pflanze tödtet das Jnsect, welches das Blut des Viehs ein-
haucht, ohne letzterem erheblich zu schaden.

Alle diese Plagen erscheinen übrigens an Ort und Stelle minder
schrecklich, als sie auf dem Papiere aussehen; man merkt und leidet
am Ende nicht mehr daran als man in Europa von ähnlichen Geißeln
gewahr wird. Ernsthafter, als die Anwesenheit der Schlangen und
Taranteln ist die Nähe der Jndianer, welche noch einen großen
Theil der von den Europäern nicht betretenen Waldungen innehaben.
Die brasilianischen Ureinwohner sind ein auf der niedrigsten Culturstufe
stehendes Jägervolk, armselig, unwissend, in elenden Hütten mit etwas
Mais und erlegtem Wilde das nackte Leben fristend. Jhre oftmals
vergifteten Pfeile, ihre Lanzen und Keulen wissen sie mit großem Ge-
schicke zu handhaben; die Europäer, welche einst ihre Hütten verbrannten
und sie wie wilde Thiere ausrotteten, hassen sie als räuberische Ein-
dringlinge und suchen sich ihrer möglichst zu entledigen. Nur ein ein-
ziger Stamm auf dem Gebirge, welcher sich zum Ackerbau gewöhnt
hat, unterhält einen freundschaftlichen Verkehr mit den Weißen. Die
Jndianer sind nur den in entlegenen Waldgegenden einsam liegenden
Gehöften gefährlich; an größere Niederlassungen wagen sie sich nie,
und auch ein einzelnes Haus lassen sie unangefochten, sobald sie sehen,
daß es gut vertheidigt ist. Wollen sie einen Ueberfall machen, so
schleichen sie Tage lang unbemerkt um das anzugreifende Haus umher;
so lange der Weiße auf seiner Hut ist, halten sie sich still, denn sie
fürchten die Gewalt seines Feuerrohrs; sobald er aber am Tage sich
dem Schlafe überläßt oder das Haus auf längere Zeit verläßt, stürzen
die Wilden über dasselbe her, stecken es in Brand, erschlagen die Männer
und führen Weiber und Kinder in die Gefangenschaft fort. Dieß
Schicksal ist mehreren Deutschen zu Theil geworden, welche sich im
sogenannten „Rosenthale“ am Rio Cahy niedergelassen hatten. Wenn
Jndianer in der Nähe eines Gehöftes lauern, scheinen die Hunde von
Schrecken ergriffen wie bei der Annäherung eines Tigers; sie stoßen
ein banges Geheul aus, klemmen den Schwanz ein und kauern sich
[Spaltenumbruch] zu den Füßen ihrer Herren nieder; die Hausthiere kommen von selbst heim-
gelaufen, und am Abend hört man Stimmen wie das Geschrei des
Affen durch den Wald tönen. Wenn diese Anzeichen eintreten, so sind
die Wilden da; die Ansiedelung ist von einem Ueberfalle bedroht. Die
brasilianischen Jäger erkennen die Nähe der Jndianer an ihrem Moschus-
geruche, welcher so stark ist, wie die Ausdünstung eines wilden Thieres.
Sie greifen übrigens nur an, wenn sie die Uebermacht haben, und
fliehen stets beim Herannahen einer Gefahr. Vor einem entschlossenen
Manne, welcher sein Haus muthig vertheidigt, weichen ganze Haufen
zurück, und selbst auf offenem Felde können fünf wohlbewaffnete Weiße
leicht zwanzig Jndianern die Spitze bieten.

Die Stadt San Leopoldo, der Hauptort der Kolonie, gleicht
an Größe und Aussehen einem deutschen Dorfe. An einer langen,
geraden, mit Fußsteigen versehenen, aber ungepflasterten Straße liegen
die wohlgebauten, einstockigen Häuser, meistens Werkstätten, Kaufläden
und Schenken, einige sogar mit einem Kalkanwurfe, mit Glasfenstern
( die noch eine Seltenheit sind ) und mit Ziegeln ausstaffirt. Die meisten
Einwohner sind Deutsche, Handwerker oder durch den Handel wohl-
habend gewordene Ansiedler. Eine protestantische Kirche mit einem
deutschen, eine katholische mit einem portugiesischen Geistlichen, beide
mit Schulen versehen, bilden die geistlichen Mittelpunkte der Kolonie.
Die Behörden sind rein portugiesisch, und das Portugiesische ist daher auch
die ausschließliche Landessprache. Die von den portugiesischen Einwohnern
erwählte Municipalkammer, welche eigentlich nur die bürgerliche Ver-
waltung zu leiten hat, maßt sich auch richterliche Gewalt an, die sie
eben so schlecht ausübt wie ihre administrativen Befugnisse. Der Bezirk
San Leopoldo besitzt auch Gerichtshöfe, welche das Recht dem Meist-
bietenden verkaufen. Die portugiesischen Behörden sympathisiren sehr
schlecht mit der deutschen Bevölkerung, welche sie verachten, und die
Deutschen ihrerseits sprechen von der Autorität ihrer Obrigkeit nur
mit Achselzucken. Da die Deutschen das kürzlich ihnen gemachte An-
erbieten, sie zu naturalisiren, abgelehnt haben, so können sie keine Ver-
treter in die Municipalkammer schicken und sehen sich durch eigene Schuld
einer ganz fremden, theilnahmlosen Behörde untergeordnet, welche von
dem, was außer der Stadt vorgeht, nicht die geringste Kunde hat. Wenn
man die Kolonie mit völliger Sicherheit bereisen kann, so hat man
das nur dem friedlichen Charakter der Deutschen zu danken; denn die
portugiesische Obrigkeit würde wenig darnach fragen, wenn man Euch
auf dem Felde ermordete oder ausplünderte. Die schlimmsten Ruhe-
störer sind die kaiserlichen Soldaten, welche von Zeit zu Zeit in die
Kolonie geschickt werden, um den Landfrieden zu schützen, die aber mehr
gefürchtet werden, als Räuber und Diebe; denn sie betragen sich nicht
selten, als ob sie im Feindeslande wären.

San Leopoldo ist der Zwischenmarkt für die Waaren der Kolonie,
welche nach Porto Alegre bestimmt sind. Sie werden in verdeckte
Barken, sogenannte „Lanchons“ gepackt und so von den deutschen Bauern,
welche sich sehr gut an die Flußschifffahrt gewöhnt haben, den Strom
hinab nach dem Seehafen gebracht.

Um den Zustand der deutschen Bevölkerung in San Leopoldo
kennen zu lernen, muß man die Stadt verlassen und die über die
Campos und den Urwald verstreuten ländlichen Ansiedlungen aufsuchen.
Die Gehöfte sehen von außen eben nicht einladend aus; von einem
Graben und einem weiten Zaune umgeben, innerhalb dessen das Vieh
grast, steht eine einfache Wohnung, manchmal eine bloße Hütte, mei-
stens von einigen Hunden bewacht. Vor dem Hofe, welcher gewöhn-
lich in der Nähe eines Baches liegt, erstrecken sich die Pflanzungen,
während hinter dem Hause ein Garten von Orangenbäumen mit sei-
nem dichten Laube ein undurchdringliches Schutzdach gegen die Son-
nenstrahlen bildet. Auch das Jnnere der Wohnung enthält auf den
ersten Anblick kein Zeichen von Wohlhabenheit, die Wände sind von
Lehm, das Dach von Rohr oder hölzernen Schindeln, die Fenster ohne
Scheiben. Jn manchen Häusern findet man keinen andern Fußboden,
als die natürliche feuchte Erde, keinen andern Ruhesitz als eine roh-

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Weit lästiger, wenn auch minder gefährlich, sind die Ameisen, welche auf den Campos vor- zugsweise häufig sind. Sie richten in den Maisfeldern und auf den Obstbäumen unermeßliche Verwüstungen an, und wenn sie einmal in ein Zimmer eindringen, was übrigens selten vorkommt, so hilft es nichts, man muß ruhig abwarten, bis sie von selbst wieder abziehen. Dieß geschieht gewöhnlich nach einem oder zwei Tagen, nachdem sie alles verzehrt haben, was sie auf ihrem Wege vorfinden. Wer im Freien übernachtet, hat von den Carapatas zu leiden, einem Jnsecte von der Größe einer Wanze, welches sich an die Haut heftet und sich voll Blut saugt, ohne indessen Schmerzen zu verursachen. Am Mor- gen findet man alle bloßen Stellen von diesen widerwärtigen Thier- chen bedeckt, und nur mit Mühe kann man sich von ihnen befreien. Sie verschwinden übrigens allerorten, wo die Wälder ausgerottet sind. Es giebt eine größere Gattung dieses Jnsectes, welches dem Vieh sehr nachtheilig wird und es auf die Dauer so vollständig aussaugt, daß es unfehlbar zu Grunde geht, wenn man nicht die Vorsicht braucht, unter das Futter kleine Quantitäten wilder Mandios zu mischen. Das Gift dieser Pflanze tödtet das Jnsect, welches das Blut des Viehs ein- haucht, ohne letzterem erheblich zu schaden. Alle diese Plagen erscheinen übrigens an Ort und Stelle minder schrecklich, als sie auf dem Papiere aussehen; man merkt und leidet am Ende nicht mehr daran als man in Europa von ähnlichen Geißeln gewahr wird. Ernsthafter, als die Anwesenheit der Schlangen und Taranteln ist die Nähe der Jndianer, welche noch einen großen Theil der von den Europäern nicht betretenen Waldungen innehaben. Die brasilianischen Ureinwohner sind ein auf der niedrigsten Culturstufe stehendes Jägervolk, armselig, unwissend, in elenden Hütten mit etwas Mais und erlegtem Wilde das nackte Leben fristend. Jhre oftmals vergifteten Pfeile, ihre Lanzen und Keulen wissen sie mit großem Ge- schicke zu handhaben; die Europäer, welche einst ihre Hütten verbrannten und sie wie wilde Thiere ausrotteten, hassen sie als räuberische Ein- dringlinge und suchen sich ihrer möglichst zu entledigen. Nur ein ein- ziger Stamm auf dem Gebirge, welcher sich zum Ackerbau gewöhnt hat, unterhält einen freundschaftlichen Verkehr mit den Weißen. Die Jndianer sind nur den in entlegenen Waldgegenden einsam liegenden Gehöften gefährlich; an größere Niederlassungen wagen sie sich nie, und auch ein einzelnes Haus lassen sie unangefochten, sobald sie sehen, daß es gut vertheidigt ist. Wollen sie einen Ueberfall machen, so schleichen sie Tage lang unbemerkt um das anzugreifende Haus umher; so lange der Weiße auf seiner Hut ist, halten sie sich still, denn sie fürchten die Gewalt seines Feuerrohrs; sobald er aber am Tage sich dem Schlafe überläßt oder das Haus auf längere Zeit verläßt, stürzen die Wilden über dasselbe her, stecken es in Brand, erschlagen die Männer und führen Weiber und Kinder in die Gefangenschaft fort. Dieß Schicksal ist mehreren Deutschen zu Theil geworden, welche sich im sogenannten „Rosenthale“ am Rio Cahy niedergelassen hatten. Wenn Jndianer in der Nähe eines Gehöftes lauern, scheinen die Hunde von Schrecken ergriffen wie bei der Annäherung eines Tigers; sie stoßen ein banges Geheul aus, klemmen den Schwanz ein und kauern sich zu den Füßen ihrer Herren nieder; die Hausthiere kommen von selbst heim- gelaufen, und am Abend hört man Stimmen wie das Geschrei des Affen durch den Wald tönen. Wenn diese Anzeichen eintreten, so sind die Wilden da; die Ansiedelung ist von einem Ueberfalle bedroht. Die brasilianischen Jäger erkennen die Nähe der Jndianer an ihrem Moschus- geruche, welcher so stark ist, wie die Ausdünstung eines wilden Thieres. Sie greifen übrigens nur an, wenn sie die Uebermacht haben, und fliehen stets beim Herannahen einer Gefahr. Vor einem entschlossenen Manne, welcher sein Haus muthig vertheidigt, weichen ganze Haufen zurück, und selbst auf offenem Felde können fünf wohlbewaffnete Weiße leicht zwanzig Jndianern die Spitze bieten. Die Stadt San Leopoldo, der Hauptort der Kolonie, gleicht an Größe und Aussehen einem deutschen Dorfe. An einer langen, geraden, mit Fußsteigen versehenen, aber ungepflasterten Straße liegen die wohlgebauten, einstockigen Häuser, meistens Werkstätten, Kaufläden und Schenken, einige sogar mit einem Kalkanwurfe, mit Glasfenstern ( die noch eine Seltenheit sind ) und mit Ziegeln ausstaffirt. Die meisten Einwohner sind Deutsche, Handwerker oder durch den Handel wohl- habend gewordene Ansiedler. Eine protestantische Kirche mit einem deutschen, eine katholische mit einem portugiesischen Geistlichen, beide mit Schulen versehen, bilden die geistlichen Mittelpunkte der Kolonie. Die Behörden sind rein portugiesisch, und das Portugiesische ist daher auch die ausschließliche Landessprache. Die von den portugiesischen Einwohnern erwählte Municipalkammer, welche eigentlich nur die bürgerliche Ver- waltung zu leiten hat, maßt sich auch richterliche Gewalt an, die sie eben so schlecht ausübt wie ihre administrativen Befugnisse. Der Bezirk San Leopoldo besitzt auch Gerichtshöfe, welche das Recht dem Meist- bietenden verkaufen. Die portugiesischen Behörden sympathisiren sehr schlecht mit der deutschen Bevölkerung, welche sie verachten, und die Deutschen ihrerseits sprechen von der Autorität ihrer Obrigkeit nur mit Achselzucken. Da die Deutschen das kürzlich ihnen gemachte An- erbieten, sie zu naturalisiren, abgelehnt haben, so können sie keine Ver- treter in die Municipalkammer schicken und sehen sich durch eigene Schuld einer ganz fremden, theilnahmlosen Behörde untergeordnet, welche von dem, was außer der Stadt vorgeht, nicht die geringste Kunde hat. Wenn man die Kolonie mit völliger Sicherheit bereisen kann, so hat man das nur dem friedlichen Charakter der Deutschen zu danken; denn die portugiesische Obrigkeit würde wenig darnach fragen, wenn man Euch auf dem Felde ermordete oder ausplünderte. Die schlimmsten Ruhe- störer sind die kaiserlichen Soldaten, welche von Zeit zu Zeit in die Kolonie geschickt werden, um den Landfrieden zu schützen, die aber mehr gefürchtet werden, als Räuber und Diebe; denn sie betragen sich nicht selten, als ob sie im Feindeslande wären. San Leopoldo ist der Zwischenmarkt für die Waaren der Kolonie, welche nach Porto Alegre bestimmt sind. Sie werden in verdeckte Barken, sogenannte „Lanchons“ gepackt und so von den deutschen Bauern, welche sich sehr gut an die Flußschifffahrt gewöhnt haben, den Strom hinab nach dem Seehafen gebracht. Um den Zustand der deutschen Bevölkerung in San Leopoldo kennen zu lernen, muß man die Stadt verlassen und die über die Campos und den Urwald verstreuten ländlichen Ansiedlungen aufsuchen. Die Gehöfte sehen von außen eben nicht einladend aus; von einem Graben und einem weiten Zaune umgeben, innerhalb dessen das Vieh grast, steht eine einfache Wohnung, manchmal eine bloße Hütte, mei- stens von einigen Hunden bewacht. Vor dem Hofe, welcher gewöhn- lich in der Nähe eines Baches liegt, erstrecken sich die Pflanzungen, während hinter dem Hause ein Garten von Orangenbäumen mit sei- nem dichten Laube ein undurchdringliches Schutzdach gegen die Son- nenstrahlen bildet. Auch das Jnnere der Wohnung enthält auf den ersten Anblick kein Zeichen von Wohlhabenheit, die Wände sind von Lehm, das Dach von Rohr oder hölzernen Schindeln, die Fenster ohne Scheiben. Jn manchen Häusern findet man keinen andern Fußboden, als die natürliche feuchte Erde, keinen andern Ruhesitz als eine roh-

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Zitationshilfe: Allgemeine Auswanderungs-Zeitung. Nr. 64. Rudolstadt, 20. Dezember 1847, S. 508. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_auswanderer64_1847/4>, abgerufen am 29.03.2024.