Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Auswanderungs-Zeitung. Nr. 62. Rudolstadt, 6. Dezember 1847.

Bild:
<< vorherige Seite

[Spaltenumbruch] Hr. Leopold, zwar ein Jude, aber von einer Ehrenhaftigkeit und mit
einem Herzen voll Wohlwollen, wie man seines Gleichen selten findet,
thut an vielen Einwanderern viel Gutes. Am 17. Juni reisten wir
pr. Dampfschiff weiter und kamen am 20 sten in Greenbay an. Wir
fanden am Landungsplatze eine große Volksmenge versammelt, worunter
auch unsere Freunde, welche uns aber mit diesem ersten dießjährigen
bis Greenbay gehenden Dampfschiffe noch nicht erwarteten, weil sie
viel länger auf der Reise waren. Aber die Freude, als wir vom
Schiffe stiegen, kann ich Euch nicht beschreiben; Deutsche und Ameri-
kaner beglückwünschten und umarmten uns, wir aber dankten, lobten
und priesen Gott, unsern himmlischen Vater, für seine große Güte und
Gnade und stellten auch unser ferneres Geschick seiner Obhut anheim.
Nach kurzer Rast ging ich mit dem Großvater, mit Straubel und
Albert Weise aus, das Land zu besehen, aber nicht ohne Sorge,
indem die nächsten Umgebungen von Greenbay gar nicht recht nach
meinem Sinne waren. Obgleich nun die Genannten wünschten, uns
zu Nachbarn zu bekommen, konnte ich, nachdem ich Alles gesehen hatte,
doch nicht umhin, ihnen geradeheraus zu sagen, daß es mir hier nicht
gefalle und daß wir, wenn nicht annehmlichere Grundstücke in der Nähe
feil wären, weiter reisen würden. Jch hatte aber auf dem Dampf-
schiffe im Vorüberfahren eine sehr schöne Gegend gesehen, und ging
nun dahin, um mich wo möglich daselbst anzukaufen. Zufällig waren
hier gerade mehrere Besitzungen feil, und obgleich die ganze Gegend
überaus lieblich und anmuthig, so waren doch die Vorzüge und An-
nehmlichkeiten einer Farm, welche ich zuletzt besah, so hervorstechend,
daß ich mich des Wunsches: "wenn doch der Besitzer dieser Farm
verkaufen wollte!" nicht erwehren konnte. Als wir in die Nähe seines
Hauses kamen, stand er schon neugierig vor der Thür und erkundigte
sich nach unserer Absicht, worauf er sogleich erklärte, er sei gar nicht
abgeneigt zu verkaufen, wenn seine Farm uns gefiele. Als ich die
Früchte, die in der üppigsten Pracht dastanden, noch einmal übersah,
schien mir der geforderte Preis nicht im Geringsten hoch, und schon
am folgenden Tage wurden wir Handels eins. Die ganze Farm näm-
lich mit 53 Ackern Land, wovon ungefähr ein Drittheil im herrlich-
sten Culturzustande, einer sehr schönen großen Wiese, mit sämmtlichen
Ackergeräthschaften, nebst ganzem Viehstand ( ein Paar Ochsen von
größter ungarischer Race, 2 melkende Kühe -- es stehen auch drei
melkende Kühe für einen Bürger von Greenbay hier im Futter --
2 Kalben und 4 Kälber, 1 Muttersau und 11 Läufer, ca. 50 Hühner
und 1 Kettenhund ) , endlich mit sämmtlichen Feld = und Gartenfrüchten,
wie eben alles ging und stand, für 461 Dollars ( ca. 840 pr. Thaler ) .
Schon am dritten Tage war alles so weit in Ordnung, daß wir ein-
ziehen konnten Der Kaufbrief wurde mir kostenfrei ausge-
fertigt.
Das Bürgerwerden kostete mich 6 Schillinge ( 3 / 4 Dollar ) .
Der Eid der Treue wird hier durch einen Kuß auf die Bibel besiegelt,
eine feierliche Handlung, welche das Herz nicht kalt läßt. Bei unserem
Einzuge am 5. Juli bot uns der bisherige Jnhaber auch noch sein
Hausgeräth an, wovon ich das mir Brauchbare auswählte und mit
14 Dollars bezahlte, nämlich 1 Ausziehtisch, 6 Stühle, 3 Bettstellen,
2 Schränke, 1 Commode, 1 Ofen ( bekanntlich gehören in Amerika
die Oefen nicht zu den nieth = und nagelfesten Bestandtheilen eines
Hauses, sondern jeder Hausgenosse muß seinen Bedarf an Oefen mit-
bringen ) , das eiserne Kochgeschirr, das Milchgeschirr und 2 Laternen,
alles, sowie das Wohnhaus selbst, in bestem Zustande. Letzteres ist
durchgängig von Eichenholz erbaut ( 36 Fuß lang, 20 breit, 14 hoch ) ,
die Stallung etwas leichter, weil das Vieh den ganzen Winter hin-
durch sein Futter im Freien erhält. Eine Scheune mußten wir uns
erst bauen ( 32 Fuß lang und 30 Fuß breit ) mit Bretterd[unleserliches Material]. Unsere
ganze jährliche Abgabe, welche zu Michaelis entrichtet werden muß,
besteht in nur 6 Schillingen ( 1 Thaler preuß. ) , und jeglicher Nahrungs-
sorge sind wir nunmehr überhoben. Jn unserer Waldung ( lauter
Eichen und welsche Nußbäume ) gibt's soviel dürres Holz, daß sämmt-
liche Bäcker in Blankenburg 16 -- 18 Jahre lang täglich zweimal damit
[Spaltenumbruch] backen könnten. Nach der nächsten Sägemühle habe ich 1 engl. Meile
in die Mahlmühle 6 Meilen weit. Unsere Nachbarn sind lauter freund-
liche und gutmüthige Leute; nur fällt uns die Unterhaltung mit ihnen
noch sehr schwer.

Am 27. August kamen mit dem zweiten Dampfschiffe Eduard
Rothe
und Christian Schilling aus Kleingölitz, letzterer nebst Frau,
geb. Krähmer aus Böhlscheibe, glücklich hier an, und kauften sogleich
einem Schweizer seine unmittelbar neben uns liegende Besitzung und
Zubehör ab. Das war eine Freude! Noch mehrere Farmer in unserer
Nähe zeigen sich geneigt, zu verkaufen. Das ganze 4 engl. Meilen
entfernte Greenbay, wohin wir in 3 kleinen Stunden fahren, über-
sehen wir, sowie die See, von unserer Wohnung aus; alle vorüber-
gehenden Schiffe können von uns beobachtet werden. Von Mitte Juli
bis Ende August, also in 6 Wochen, verkaufte das Landamt in Green-
bay an Einwanderer, die in der Umgegend von Milwaukie nicht
mehr unterkommen konnten und deßhalb hierher weiter reisten, für
100,000 Dollars Congreßland, den Acre zu1 1 / 4 D. Etwa 6 Meilen
von hier siedelten sich z. B. in dichter Waldung 16--18 Familien aus
Bayern an. Damit Jhr Euch einen Begriff von der Größe des hie-
sigen Acre machen könnt, habe ich meine Besitzung nach Leipziger Ruthen
zu 16 Fuß ausgemessen und den Grundriß beigefügt.

Ungeachtet völliger Religionsfreiheit und des Beisammenlebens
der verschiedensten Secten, herrscht in Amerika mehr brüderlicher Sinn
und Eintracht, als in Deutschland, wo confessionelle Uniform so beliebt ist.
Es sind 4 Kirchen mit verschiedenen gottesdienstlichen Einrichtungen in
Greenbay, aber in jeder wird vor allen Dingen die Bibel bei der
Erbauung zu Grunde gelegt. Auch wird Sonntagsschule in den Kirchen
gehalten, an welchen man die ältesten Leute Theil nehmen sieht. Die
nächste Schule ist nur eine Viertelstunde von uns entfernt, während
der Ernte aber geschlossen. Eine neue katholische Kirche wurde erst
diesen Sommer in unserer Nähe errichtet.

Es gedeihen hier Feldfrüchte aller Art, vorzüglich Weizen und
Welschkorn ( bei Euch Tirkskorn ) , welches 10 -- 12 Fuß hoch wird,
auch deutsches Korn, Erbsen, Kraut, Rüben, Zwiebeln, Kürbis, Gurken,
Salat. Gelbe Rüben haben wir so viel und schön, wie wir sie drüben
nie gebaut. Auch Obst gedeiht vortrefflich, ist aber noch nicht all-
gemein angepflanzt. Wir selbst haben bis jetzt nur 8 veredelte Aepfel-
stämmchen aufzuweisen. Wildes Obst ( darunter Wein mit kleinen sauren
Beeren, Aepfel, Pflaumen und Kirschen ) , gibt's im Walde genug, alle
Beerensorten im Ueberfluß; Johannisbeere z. B. konnten wir korbweise
abnehmen. Melisse, Pfeffermünze, Salbey, Wermuth und alle nützlichen
Kräuter wachsen hier wild. Unser Blumengarten sucht seines Gleichen;
was Jhr mit Mühe in der Stube zieht, wächst hier mit ungewohnter
Fülle unter freiem Himmel.

Jagd und Fischerei ist völlig unbeschränkt; Hochwild ist jedoch
schon sehr selten; desto mehr Federvieh gibt es. Jn einer Stunde
schießt man hinreichend Tauben und Enten für den ganzen Tag. Unser
Nachbar stellt öfters gegenüber unserer Wohnung sein Netz aus und
wir haben ihn schon manchen Fang von 30--70 P Schwere heim-
tragen sehen. Das Pfund Fisch kostet hier nur 2 Xr. Singvögel,
theils alte Bekannte ( Finken, Grasmücken, Orgler ) , theils uns noch
fremde Arten, mit prächtigem Gefieder, z. B. eine Art Canarienvögel,
beleben mit ihrer lieblichen Musik Feld und Wald. Wilde Thiere und
giftige Schlangen sind bereits völlig ausgerottet; nur gewisse Schnaken,
Musquitos genannt, sind während des Sommers eine Plage für Menschen
und Vieh.

Die zuweilen unsere Gegend durchstreifenden, von Jagd und
Fischerei lebenden Jndianer haben eine schwarzbraune Farbe und thun
Niemandem etwas zu Leide, leben vielmehr in großer Furcht vor den
Weißen. Das ganze Land um Greenbay ist, viele hundert Meilen
weit, eine von unzähligen Bächen bewässerte Hochebene. Trinkwasser
sind vorzüglich rein und gesund. Nach den von mir eingezogenen Er-
kundigungen muß das hiesige Klima durchschnittlich etwa 6 Grad wärmer

[Spaltenumbruch] Hr. Leopold, zwar ein Jude, aber von einer Ehrenhaftigkeit und mit
einem Herzen voll Wohlwollen, wie man seines Gleichen selten findet,
thut an vielen Einwanderern viel Gutes. Am 17. Juni reisten wir
pr. Dampfschiff weiter und kamen am 20 sten in Greenbay an. Wir
fanden am Landungsplatze eine große Volksmenge versammelt, worunter
auch unsere Freunde, welche uns aber mit diesem ersten dießjährigen
bis Greenbay gehenden Dampfschiffe noch nicht erwarteten, weil sie
viel länger auf der Reise waren. Aber die Freude, als wir vom
Schiffe stiegen, kann ich Euch nicht beschreiben; Deutsche und Ameri-
kaner beglückwünschten und umarmten uns, wir aber dankten, lobten
und priesen Gott, unsern himmlischen Vater, für seine große Güte und
Gnade und stellten auch unser ferneres Geschick seiner Obhut anheim.
Nach kurzer Rast ging ich mit dem Großvater, mit Straubel und
Albert Weise aus, das Land zu besehen, aber nicht ohne Sorge,
indem die nächsten Umgebungen von Greenbay gar nicht recht nach
meinem Sinne waren. Obgleich nun die Genannten wünschten, uns
zu Nachbarn zu bekommen, konnte ich, nachdem ich Alles gesehen hatte,
doch nicht umhin, ihnen geradeheraus zu sagen, daß es mir hier nicht
gefalle und daß wir, wenn nicht annehmlichere Grundstücke in der Nähe
feil wären, weiter reisen würden. Jch hatte aber auf dem Dampf-
schiffe im Vorüberfahren eine sehr schöne Gegend gesehen, und ging
nun dahin, um mich wo möglich daselbst anzukaufen. Zufällig waren
hier gerade mehrere Besitzungen feil, und obgleich die ganze Gegend
überaus lieblich und anmuthig, so waren doch die Vorzüge und An-
nehmlichkeiten einer Farm, welche ich zuletzt besah, so hervorstechend,
daß ich mich des Wunsches: „wenn doch der Besitzer dieser Farm
verkaufen wollte!“ nicht erwehren konnte. Als wir in die Nähe seines
Hauses kamen, stand er schon neugierig vor der Thür und erkundigte
sich nach unserer Absicht, worauf er sogleich erklärte, er sei gar nicht
abgeneigt zu verkaufen, wenn seine Farm uns gefiele. Als ich die
Früchte, die in der üppigsten Pracht dastanden, noch einmal übersah,
schien mir der geforderte Preis nicht im Geringsten hoch, und schon
am folgenden Tage wurden wir Handels eins. Die ganze Farm näm-
lich mit 53 Ackern Land, wovon ungefähr ein Drittheil im herrlich-
sten Culturzustande, einer sehr schönen großen Wiese, mit sämmtlichen
Ackergeräthschaften, nebst ganzem Viehstand ( ein Paar Ochsen von
größter ungarischer Raçe, 2 melkende Kühe -- es stehen auch drei
melkende Kühe für einen Bürger von Greenbay hier im Futter --
2 Kalben und 4 Kälber, 1 Muttersau und 11 Läufer, ca. 50 Hühner
und 1 Kettenhund ) , endlich mit sämmtlichen Feld = und Gartenfrüchten,
wie eben alles ging und stand, für 461 Dollars ( ca. 840 pr. Thaler ) .
Schon am dritten Tage war alles so weit in Ordnung, daß wir ein-
ziehen konnten Der Kaufbrief wurde mir kostenfrei ausge-
fertigt.
Das Bürgerwerden kostete mich 6 Schillinge ( 3 / 4 Dollar ) .
Der Eid der Treue wird hier durch einen Kuß auf die Bibel besiegelt,
eine feierliche Handlung, welche das Herz nicht kalt läßt. Bei unserem
Einzuge am 5. Juli bot uns der bisherige Jnhaber auch noch sein
Hausgeräth an, wovon ich das mir Brauchbare auswählte und mit
14 Dollars bezahlte, nämlich 1 Ausziehtisch, 6 Stühle, 3 Bettstellen,
2 Schränke, 1 Commode, 1 Ofen ( bekanntlich gehören in Amerika
die Oefen nicht zu den nieth = und nagelfesten Bestandtheilen eines
Hauses, sondern jeder Hausgenosse muß seinen Bedarf an Oefen mit-
bringen ) , das eiserne Kochgeschirr, das Milchgeschirr und 2 Laternen,
alles, sowie das Wohnhaus selbst, in bestem Zustande. Letzteres ist
durchgängig von Eichenholz erbaut ( 36 Fuß lang, 20 breit, 14 hoch ) ,
die Stallung etwas leichter, weil das Vieh den ganzen Winter hin-
durch sein Futter im Freien erhält. Eine Scheune mußten wir uns
erst bauen ( 32 Fuß lang und 30 Fuß breit ) mit Bretterd[unleserliches Material]. Unsere
ganze jährliche Abgabe, welche zu Michaelis entrichtet werden muß,
besteht in nur 6 Schillingen ( 1 Thaler preuß. ) , und jeglicher Nahrungs-
sorge sind wir nunmehr überhoben. Jn unserer Waldung ( lauter
Eichen und welsche Nußbäume ) gibt's soviel dürres Holz, daß sämmt-
liche Bäcker in Blankenburg 16 -- 18 Jahre lang täglich zweimal damit
[Spaltenumbruch] backen könnten. Nach der nächsten Sägemühle habe ich 1 engl. Meile
in die Mahlmühle 6 Meilen weit. Unsere Nachbarn sind lauter freund-
liche und gutmüthige Leute; nur fällt uns die Unterhaltung mit ihnen
noch sehr schwer.

Am 27. August kamen mit dem zweiten Dampfschiffe Eduard
Rothe
und Christian Schilling aus Kleingölitz, letzterer nebst Frau,
geb. Krähmer aus Böhlscheibe, glücklich hier an, und kauften sogleich
einem Schweizer seine unmittelbar neben uns liegende Besitzung und
Zubehör ab. Das war eine Freude! Noch mehrere Farmer in unserer
Nähe zeigen sich geneigt, zu verkaufen. Das ganze 4 engl. Meilen
entfernte Greenbay, wohin wir in 3 kleinen Stunden fahren, über-
sehen wir, sowie die See, von unserer Wohnung aus; alle vorüber-
gehenden Schiffe können von uns beobachtet werden. Von Mitte Juli
bis Ende August, also in 6 Wochen, verkaufte das Landamt in Green-
bay an Einwanderer, die in der Umgegend von Milwaukie nicht
mehr unterkommen konnten und deßhalb hierher weiter reisten, für
100,000 Dollars Congreßland, den Acre zu1 1 / 4 D. Etwa 6 Meilen
von hier siedelten sich z. B. in dichter Waldung 16--18 Familien aus
Bayern an. Damit Jhr Euch einen Begriff von der Größe des hie-
sigen Acre machen könnt, habe ich meine Besitzung nach Leipziger Ruthen
zu 16 Fuß ausgemessen und den Grundriß beigefügt.

Ungeachtet völliger Religionsfreiheit und des Beisammenlebens
der verschiedensten Secten, herrscht in Amerika mehr brüderlicher Sinn
und Eintracht, als in Deutschland, wo confessionelle Uniform so beliebt ist.
Es sind 4 Kirchen mit verschiedenen gottesdienstlichen Einrichtungen in
Greenbay, aber in jeder wird vor allen Dingen die Bibel bei der
Erbauung zu Grunde gelegt. Auch wird Sonntagsschule in den Kirchen
gehalten, an welchen man die ältesten Leute Theil nehmen sieht. Die
nächste Schule ist nur eine Viertelstunde von uns entfernt, während
der Ernte aber geschlossen. Eine neue katholische Kirche wurde erst
diesen Sommer in unserer Nähe errichtet.

Es gedeihen hier Feldfrüchte aller Art, vorzüglich Weizen und
Welschkorn ( bei Euch Tirkskorn ) , welches 10 -- 12 Fuß hoch wird,
auch deutsches Korn, Erbsen, Kraut, Rüben, Zwiebeln, Kürbis, Gurken,
Salat. Gelbe Rüben haben wir so viel und schön, wie wir sie drüben
nie gebaut. Auch Obst gedeiht vortrefflich, ist aber noch nicht all-
gemein angepflanzt. Wir selbst haben bis jetzt nur 8 veredelte Aepfel-
stämmchen aufzuweisen. Wildes Obst ( darunter Wein mit kleinen sauren
Beeren, Aepfel, Pflaumen und Kirschen ) , gibt's im Walde genug, alle
Beerensorten im Ueberfluß; Johannisbeere z. B. konnten wir korbweise
abnehmen. Melisse, Pfeffermünze, Salbey, Wermuth und alle nützlichen
Kräuter wachsen hier wild. Unser Blumengarten sucht seines Gleichen;
was Jhr mit Mühe in der Stube zieht, wächst hier mit ungewohnter
Fülle unter freiem Himmel.

Jagd und Fischerei ist völlig unbeschränkt; Hochwild ist jedoch
schon sehr selten; desto mehr Federvieh gibt es. Jn einer Stunde
schießt man hinreichend Tauben und Enten für den ganzen Tag. Unser
Nachbar stellt öfters gegenüber unserer Wohnung sein Netz aus und
wir haben ihn schon manchen Fang von 30--70 P Schwere heim-
tragen sehen. Das Pfund Fisch kostet hier nur 2 Xr. Singvögel,
theils alte Bekannte ( Finken, Grasmücken, Orgler ) , theils uns noch
fremde Arten, mit prächtigem Gefieder, z. B. eine Art Canarienvögel,
beleben mit ihrer lieblichen Musik Feld und Wald. Wilde Thiere und
giftige Schlangen sind bereits völlig ausgerottet; nur gewisse Schnaken,
Musquitos genannt, sind während des Sommers eine Plage für Menschen
und Vieh.

Die zuweilen unsere Gegend durchstreifenden, von Jagd und
Fischerei lebenden Jndianer haben eine schwarzbraune Farbe und thun
Niemandem etwas zu Leide, leben vielmehr in großer Furcht vor den
Weißen. Das ganze Land um Greenbay ist, viele hundert Meilen
weit, eine von unzähligen Bächen bewässerte Hochebene. Trinkwasser
sind vorzüglich rein und gesund. Nach den von mir eingezogenen Er-
kundigungen muß das hiesige Klima durchschnittlich etwa 6 Grad wärmer

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="letter">
        <p><pb facs="#f0003" n="491"/><cb/>
Hr. <hi rendition="#g">Leopold,</hi> zwar ein Jude, aber von einer Ehrenhaftigkeit und mit<lb/>
einem Herzen voll Wohlwollen, wie man seines Gleichen selten findet,<lb/>
thut an vielen Einwanderern viel Gutes. Am 17. Juni reisten wir<lb/><hi rendition="#aq">pr</hi>. Dampfschiff weiter und kamen am 20 sten in Greenbay an. Wir<lb/>
fanden am Landungsplatze eine große Volksmenge versammelt, worunter<lb/>
auch unsere Freunde, welche uns aber mit diesem ersten dießjährigen<lb/>
bis Greenbay gehenden Dampfschiffe noch nicht erwarteten, weil sie<lb/>
viel länger auf der Reise waren. Aber die Freude, als wir vom<lb/>
Schiffe stiegen, kann ich Euch nicht beschreiben; Deutsche und Ameri-<lb/>
kaner beglückwünschten und umarmten uns, wir aber dankten, lobten<lb/>
und priesen Gott, unsern himmlischen Vater, für seine große Güte und<lb/>
Gnade und stellten auch unser ferneres Geschick seiner Obhut anheim.<lb/>
Nach kurzer Rast ging ich mit dem Großvater, mit <hi rendition="#g">Straubel</hi> und<lb/>
Albert <hi rendition="#g">Weise</hi> aus, das Land zu besehen, aber nicht ohne Sorge,<lb/>
indem die nächsten Umgebungen von Greenbay gar nicht recht nach<lb/>
meinem Sinne waren. Obgleich nun die Genannten wünschten, uns<lb/>
zu Nachbarn zu bekommen, konnte ich, nachdem ich Alles gesehen hatte,<lb/>
doch nicht umhin, ihnen geradeheraus zu sagen, daß es mir hier nicht<lb/>
gefalle und daß wir, wenn nicht annehmlichere Grundstücke in der Nähe<lb/>
feil wären, weiter reisen würden. Jch hatte aber auf dem Dampf-<lb/>
schiffe im Vorüberfahren eine sehr schöne Gegend gesehen, und ging<lb/>
nun dahin, um mich wo möglich daselbst anzukaufen. Zufällig waren<lb/>
hier gerade mehrere Besitzungen feil, und obgleich die ganze Gegend<lb/>
überaus lieblich und anmuthig, so waren doch die Vorzüge und An-<lb/>
nehmlichkeiten einer Farm, welche ich zuletzt besah, so hervorstechend,<lb/>
daß ich mich des Wunsches: &#x201E;wenn doch der Besitzer <hi rendition="#g">dieser</hi> Farm<lb/>
verkaufen wollte!&#x201C; nicht erwehren konnte. Als wir in die Nähe seines<lb/>
Hauses kamen, stand er schon neugierig vor der Thür und erkundigte<lb/>
sich nach unserer Absicht, worauf er sogleich erklärte, er sei gar nicht<lb/>
abgeneigt zu verkaufen, wenn seine Farm uns gefiele. Als ich die<lb/>
Früchte, die in der üppigsten Pracht dastanden, noch einmal übersah,<lb/>
schien mir der geforderte Preis nicht im Geringsten hoch, und schon<lb/>
am folgenden Tage wurden wir Handels eins. Die ganze Farm näm-<lb/>
lich mit 53 Ackern Land, wovon ungefähr ein Drittheil im herrlich-<lb/>
sten Culturzustande, einer sehr schönen großen Wiese, mit sämmtlichen<lb/>
Ackergeräthschaften, nebst ganzem Viehstand ( ein Paar Ochsen von<lb/>
größter ungarischer Raçe, 2 melkende Kühe -- es stehen auch drei<lb/>
melkende Kühe für einen Bürger von Greenbay hier im Futter --<lb/>
2 Kalben und 4 Kälber, 1 Muttersau und 11 Läufer, <hi rendition="#aq">ca</hi>. 50 Hühner<lb/>
und 1 Kettenhund ) , endlich mit sämmtlichen Feld = und Gartenfrüchten,<lb/>
wie eben alles ging und stand, für 461 Dollars ( <hi rendition="#aq">ca</hi>. 840 pr. Thaler ) .<lb/>
Schon am dritten Tage war alles so weit in Ordnung, daß wir ein-<lb/>
ziehen konnten <hi rendition="#g">Der Kaufbrief wurde mir kostenfrei ausge-<lb/>
fertigt.</hi> Das Bürgerwerden kostete mich 6 Schillinge ( 3 / 4 Dollar ) .<lb/>
Der Eid der Treue wird hier durch einen Kuß auf die Bibel besiegelt,<lb/>
eine feierliche Handlung, welche das Herz nicht kalt läßt. Bei unserem<lb/>
Einzuge am 5. Juli bot uns der bisherige Jnhaber auch noch sein<lb/>
Hausgeräth an, wovon ich das mir Brauchbare auswählte und mit<lb/>
14 Dollars bezahlte, nämlich 1 Ausziehtisch, 6 Stühle, 3 Bettstellen,<lb/>
2 Schränke, 1 Commode, 1 Ofen ( bekanntlich gehören in Amerika<lb/>
die Oefen nicht zu den nieth = und nagelfesten Bestandtheilen eines<lb/>
Hauses, sondern jeder Hausgenosse muß seinen Bedarf an Oefen mit-<lb/>
bringen ) , das eiserne Kochgeschirr, das Milchgeschirr und 2 Laternen,<lb/>
alles, sowie das Wohnhaus selbst, in bestem Zustande. Letzteres ist<lb/>
durchgängig von Eichenholz erbaut ( 36 Fuß lang, 20 breit, 14 hoch ) ,<lb/>
die Stallung etwas leichter, weil das Vieh den ganzen Winter hin-<lb/>
durch sein Futter im Freien erhält. Eine Scheune mußten wir uns<lb/>
erst bauen ( 32 Fuß lang und 30 Fuß breit ) mit Bretterd<gap reason="illegible"/>. Unsere<lb/>
ganze jährliche Abgabe, welche zu Michaelis entrichtet werden muß,<lb/>
besteht in nur 6 Schillingen ( 1 Thaler preuß. ) , und jeglicher Nahrungs-<lb/>
sorge sind wir nunmehr überhoben. Jn unserer Waldung ( lauter<lb/>
Eichen und welsche Nußbäume ) gibt's soviel dürres Holz, daß sämmt-<lb/>
liche Bäcker in Blankenburg 16 -- 18 Jahre lang täglich zweimal damit<lb/><cb/>
backen könnten. Nach der nächsten Sägemühle habe ich 1 engl. Meile<lb/>
in die Mahlmühle 6 Meilen weit. Unsere Nachbarn sind lauter freund-<lb/>
liche und gutmüthige Leute; nur fällt uns die Unterhaltung mit ihnen<lb/>
noch sehr schwer.   </p><lb/>
        <p>Am 27. August kamen mit dem zweiten Dampfschiffe <hi rendition="#g">Eduard<lb/>
Rothe</hi> und <hi rendition="#g">Christian Schilling</hi> aus Kleingölitz, letzterer nebst Frau,<lb/>
geb. <hi rendition="#g">Krähmer</hi> aus Böhlscheibe, glücklich hier an, und kauften sogleich<lb/>
einem Schweizer seine unmittelbar neben uns liegende Besitzung und<lb/>
Zubehör ab. Das war eine Freude! Noch mehrere Farmer in unserer<lb/>
Nähe zeigen sich geneigt, zu verkaufen. Das ganze 4 engl. Meilen<lb/>
entfernte Greenbay, wohin wir in 3 kleinen Stunden fahren, über-<lb/>
sehen wir, sowie die See, von unserer Wohnung aus; alle vorüber-<lb/>
gehenden Schiffe können von uns beobachtet werden. Von Mitte Juli<lb/>
bis Ende August, also in 6 Wochen, verkaufte das Landamt in Green-<lb/>
bay an Einwanderer, die in der Umgegend von <hi rendition="#g">Milwaukie</hi> nicht<lb/>
mehr unterkommen konnten und deßhalb hierher weiter reisten, für<lb/>
100,000 Dollars Congreßland, den Acre zu1 1 / 4 D. Etwa 6 Meilen<lb/>
von hier siedelten sich z. B. in dichter Waldung 16--18 Familien aus<lb/>
Bayern an. Damit Jhr Euch einen Begriff von der Größe des hie-<lb/>
sigen Acre machen könnt, habe ich meine Besitzung nach Leipziger Ruthen<lb/>
zu 16 Fuß ausgemessen und den Grundriß beigefügt.   </p><lb/>
        <p>Ungeachtet völliger Religionsfreiheit und des Beisammenlebens<lb/>
der verschiedensten Secten, herrscht in Amerika mehr brüderlicher Sinn<lb/>
und Eintracht, als in Deutschland, wo confessionelle Uniform so beliebt ist.<lb/>
Es sind 4 Kirchen mit verschiedenen gottesdienstlichen Einrichtungen in<lb/>
Greenbay, aber in jeder wird vor allen Dingen die Bibel bei der<lb/>
Erbauung zu Grunde gelegt. Auch wird Sonntagsschule in den Kirchen<lb/>
gehalten, an welchen man die ältesten Leute Theil nehmen sieht. Die<lb/>
nächste Schule ist nur eine Viertelstunde von uns entfernt, während<lb/>
der Ernte aber geschlossen. Eine neue katholische Kirche wurde erst<lb/>
diesen Sommer in unserer Nähe errichtet.   </p><lb/>
        <p>Es gedeihen hier Feldfrüchte aller Art, vorzüglich Weizen und<lb/>
Welschkorn ( bei Euch Tirkskorn ) , welches 10 -- 12 Fuß hoch wird,<lb/>
auch deutsches Korn, Erbsen, Kraut, Rüben, Zwiebeln, Kürbis, Gurken,<lb/>
Salat. Gelbe Rüben haben wir so viel und schön, wie wir sie drüben<lb/>
nie gebaut. Auch Obst gedeiht vortrefflich, ist aber noch nicht all-<lb/>
gemein angepflanzt. Wir selbst haben bis jetzt nur 8 veredelte Aepfel-<lb/>
stämmchen aufzuweisen. Wildes Obst ( darunter Wein mit kleinen sauren<lb/>
Beeren, Aepfel, Pflaumen und Kirschen ) , gibt's im Walde genug, alle<lb/>
Beerensorten im Ueberfluß; Johannisbeere z. B. konnten wir korbweise<lb/>
abnehmen. Melisse, Pfeffermünze, Salbey, Wermuth und alle nützlichen<lb/>
Kräuter wachsen hier wild. Unser Blumengarten sucht seines Gleichen;<lb/>
was Jhr mit Mühe in der Stube zieht, wächst hier mit ungewohnter<lb/>
Fülle unter freiem Himmel.   </p><lb/>
        <p>Jagd und Fischerei ist völlig unbeschränkt; Hochwild ist jedoch<lb/>
schon sehr selten; desto mehr Federvieh gibt es. Jn einer Stunde<lb/>
schießt man hinreichend Tauben und Enten für den ganzen Tag. Unser<lb/>
Nachbar stellt öfters gegenüber unserer Wohnung sein Netz aus und<lb/>
wir haben ihn schon manchen Fang von 30--70 <abbr>P</abbr> Schwere heim-<lb/>
tragen sehen. Das Pfund Fisch kostet hier nur 2 Xr. Singvögel,<lb/>
theils alte Bekannte ( Finken, Grasmücken, Orgler ) , theils uns noch<lb/>
fremde Arten, mit prächtigem Gefieder, z. B. eine Art Canarienvögel,<lb/>
beleben mit ihrer lieblichen Musik Feld und Wald. Wilde Thiere und<lb/>
giftige Schlangen sind bereits völlig ausgerottet; nur gewisse Schnaken,<lb/>
Musquitos genannt, sind während des Sommers eine Plage für Menschen<lb/>
und Vieh.   </p><lb/>
        <p>Die zuweilen unsere Gegend durchstreifenden, von Jagd und<lb/>
Fischerei lebenden Jndianer haben eine schwarzbraune Farbe und thun<lb/>
Niemandem etwas zu Leide, leben vielmehr in großer Furcht vor den<lb/>
Weißen. Das ganze Land um Greenbay ist, viele hundert Meilen<lb/>
weit, eine von unzähligen Bächen bewässerte Hochebene. Trinkwasser<lb/>
sind vorzüglich rein und gesund. Nach den von mir eingezogenen Er-<lb/>
kundigungen muß das hiesige Klima durchschnittlich etwa 6 Grad wärmer<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[491/0003] Hr. Leopold, zwar ein Jude, aber von einer Ehrenhaftigkeit und mit einem Herzen voll Wohlwollen, wie man seines Gleichen selten findet, thut an vielen Einwanderern viel Gutes. Am 17. Juni reisten wir pr. Dampfschiff weiter und kamen am 20 sten in Greenbay an. Wir fanden am Landungsplatze eine große Volksmenge versammelt, worunter auch unsere Freunde, welche uns aber mit diesem ersten dießjährigen bis Greenbay gehenden Dampfschiffe noch nicht erwarteten, weil sie viel länger auf der Reise waren. Aber die Freude, als wir vom Schiffe stiegen, kann ich Euch nicht beschreiben; Deutsche und Ameri- kaner beglückwünschten und umarmten uns, wir aber dankten, lobten und priesen Gott, unsern himmlischen Vater, für seine große Güte und Gnade und stellten auch unser ferneres Geschick seiner Obhut anheim. Nach kurzer Rast ging ich mit dem Großvater, mit Straubel und Albert Weise aus, das Land zu besehen, aber nicht ohne Sorge, indem die nächsten Umgebungen von Greenbay gar nicht recht nach meinem Sinne waren. Obgleich nun die Genannten wünschten, uns zu Nachbarn zu bekommen, konnte ich, nachdem ich Alles gesehen hatte, doch nicht umhin, ihnen geradeheraus zu sagen, daß es mir hier nicht gefalle und daß wir, wenn nicht annehmlichere Grundstücke in der Nähe feil wären, weiter reisen würden. Jch hatte aber auf dem Dampf- schiffe im Vorüberfahren eine sehr schöne Gegend gesehen, und ging nun dahin, um mich wo möglich daselbst anzukaufen. Zufällig waren hier gerade mehrere Besitzungen feil, und obgleich die ganze Gegend überaus lieblich und anmuthig, so waren doch die Vorzüge und An- nehmlichkeiten einer Farm, welche ich zuletzt besah, so hervorstechend, daß ich mich des Wunsches: „wenn doch der Besitzer dieser Farm verkaufen wollte!“ nicht erwehren konnte. Als wir in die Nähe seines Hauses kamen, stand er schon neugierig vor der Thür und erkundigte sich nach unserer Absicht, worauf er sogleich erklärte, er sei gar nicht abgeneigt zu verkaufen, wenn seine Farm uns gefiele. Als ich die Früchte, die in der üppigsten Pracht dastanden, noch einmal übersah, schien mir der geforderte Preis nicht im Geringsten hoch, und schon am folgenden Tage wurden wir Handels eins. Die ganze Farm näm- lich mit 53 Ackern Land, wovon ungefähr ein Drittheil im herrlich- sten Culturzustande, einer sehr schönen großen Wiese, mit sämmtlichen Ackergeräthschaften, nebst ganzem Viehstand ( ein Paar Ochsen von größter ungarischer Raçe, 2 melkende Kühe -- es stehen auch drei melkende Kühe für einen Bürger von Greenbay hier im Futter -- 2 Kalben und 4 Kälber, 1 Muttersau und 11 Läufer, ca. 50 Hühner und 1 Kettenhund ) , endlich mit sämmtlichen Feld = und Gartenfrüchten, wie eben alles ging und stand, für 461 Dollars ( ca. 840 pr. Thaler ) . Schon am dritten Tage war alles so weit in Ordnung, daß wir ein- ziehen konnten Der Kaufbrief wurde mir kostenfrei ausge- fertigt. Das Bürgerwerden kostete mich 6 Schillinge ( 3 / 4 Dollar ) . Der Eid der Treue wird hier durch einen Kuß auf die Bibel besiegelt, eine feierliche Handlung, welche das Herz nicht kalt läßt. Bei unserem Einzuge am 5. Juli bot uns der bisherige Jnhaber auch noch sein Hausgeräth an, wovon ich das mir Brauchbare auswählte und mit 14 Dollars bezahlte, nämlich 1 Ausziehtisch, 6 Stühle, 3 Bettstellen, 2 Schränke, 1 Commode, 1 Ofen ( bekanntlich gehören in Amerika die Oefen nicht zu den nieth = und nagelfesten Bestandtheilen eines Hauses, sondern jeder Hausgenosse muß seinen Bedarf an Oefen mit- bringen ) , das eiserne Kochgeschirr, das Milchgeschirr und 2 Laternen, alles, sowie das Wohnhaus selbst, in bestem Zustande. Letzteres ist durchgängig von Eichenholz erbaut ( 36 Fuß lang, 20 breit, 14 hoch ) , die Stallung etwas leichter, weil das Vieh den ganzen Winter hin- durch sein Futter im Freien erhält. Eine Scheune mußten wir uns erst bauen ( 32 Fuß lang und 30 Fuß breit ) mit Bretterd_ . Unsere ganze jährliche Abgabe, welche zu Michaelis entrichtet werden muß, besteht in nur 6 Schillingen ( 1 Thaler preuß. ) , und jeglicher Nahrungs- sorge sind wir nunmehr überhoben. Jn unserer Waldung ( lauter Eichen und welsche Nußbäume ) gibt's soviel dürres Holz, daß sämmt- liche Bäcker in Blankenburg 16 -- 18 Jahre lang täglich zweimal damit backen könnten. Nach der nächsten Sägemühle habe ich 1 engl. Meile in die Mahlmühle 6 Meilen weit. Unsere Nachbarn sind lauter freund- liche und gutmüthige Leute; nur fällt uns die Unterhaltung mit ihnen noch sehr schwer. Am 27. August kamen mit dem zweiten Dampfschiffe Eduard Rothe und Christian Schilling aus Kleingölitz, letzterer nebst Frau, geb. Krähmer aus Böhlscheibe, glücklich hier an, und kauften sogleich einem Schweizer seine unmittelbar neben uns liegende Besitzung und Zubehör ab. Das war eine Freude! Noch mehrere Farmer in unserer Nähe zeigen sich geneigt, zu verkaufen. Das ganze 4 engl. Meilen entfernte Greenbay, wohin wir in 3 kleinen Stunden fahren, über- sehen wir, sowie die See, von unserer Wohnung aus; alle vorüber- gehenden Schiffe können von uns beobachtet werden. Von Mitte Juli bis Ende August, also in 6 Wochen, verkaufte das Landamt in Green- bay an Einwanderer, die in der Umgegend von Milwaukie nicht mehr unterkommen konnten und deßhalb hierher weiter reisten, für 100,000 Dollars Congreßland, den Acre zu1 1 / 4 D. Etwa 6 Meilen von hier siedelten sich z. B. in dichter Waldung 16--18 Familien aus Bayern an. Damit Jhr Euch einen Begriff von der Größe des hie- sigen Acre machen könnt, habe ich meine Besitzung nach Leipziger Ruthen zu 16 Fuß ausgemessen und den Grundriß beigefügt. Ungeachtet völliger Religionsfreiheit und des Beisammenlebens der verschiedensten Secten, herrscht in Amerika mehr brüderlicher Sinn und Eintracht, als in Deutschland, wo confessionelle Uniform so beliebt ist. Es sind 4 Kirchen mit verschiedenen gottesdienstlichen Einrichtungen in Greenbay, aber in jeder wird vor allen Dingen die Bibel bei der Erbauung zu Grunde gelegt. Auch wird Sonntagsschule in den Kirchen gehalten, an welchen man die ältesten Leute Theil nehmen sieht. Die nächste Schule ist nur eine Viertelstunde von uns entfernt, während der Ernte aber geschlossen. Eine neue katholische Kirche wurde erst diesen Sommer in unserer Nähe errichtet. Es gedeihen hier Feldfrüchte aller Art, vorzüglich Weizen und Welschkorn ( bei Euch Tirkskorn ) , welches 10 -- 12 Fuß hoch wird, auch deutsches Korn, Erbsen, Kraut, Rüben, Zwiebeln, Kürbis, Gurken, Salat. Gelbe Rüben haben wir so viel und schön, wie wir sie drüben nie gebaut. Auch Obst gedeiht vortrefflich, ist aber noch nicht all- gemein angepflanzt. Wir selbst haben bis jetzt nur 8 veredelte Aepfel- stämmchen aufzuweisen. Wildes Obst ( darunter Wein mit kleinen sauren Beeren, Aepfel, Pflaumen und Kirschen ) , gibt's im Walde genug, alle Beerensorten im Ueberfluß; Johannisbeere z. B. konnten wir korbweise abnehmen. Melisse, Pfeffermünze, Salbey, Wermuth und alle nützlichen Kräuter wachsen hier wild. Unser Blumengarten sucht seines Gleichen; was Jhr mit Mühe in der Stube zieht, wächst hier mit ungewohnter Fülle unter freiem Himmel. Jagd und Fischerei ist völlig unbeschränkt; Hochwild ist jedoch schon sehr selten; desto mehr Federvieh gibt es. Jn einer Stunde schießt man hinreichend Tauben und Enten für den ganzen Tag. Unser Nachbar stellt öfters gegenüber unserer Wohnung sein Netz aus und wir haben ihn schon manchen Fang von 30--70 P Schwere heim- tragen sehen. Das Pfund Fisch kostet hier nur 2 Xr. Singvögel, theils alte Bekannte ( Finken, Grasmücken, Orgler ) , theils uns noch fremde Arten, mit prächtigem Gefieder, z. B. eine Art Canarienvögel, beleben mit ihrer lieblichen Musik Feld und Wald. Wilde Thiere und giftige Schlangen sind bereits völlig ausgerottet; nur gewisse Schnaken, Musquitos genannt, sind während des Sommers eine Plage für Menschen und Vieh. Die zuweilen unsere Gegend durchstreifenden, von Jagd und Fischerei lebenden Jndianer haben eine schwarzbraune Farbe und thun Niemandem etwas zu Leide, leben vielmehr in großer Furcht vor den Weißen. Das ganze Land um Greenbay ist, viele hundert Meilen weit, eine von unzähligen Bächen bewässerte Hochebene. Trinkwasser sind vorzüglich rein und gesund. Nach den von mir eingezogenen Er- kundigungen muß das hiesige Klima durchschnittlich etwa 6 Grad wärmer

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und TEI Transkription
Peter Fankhauser: Transformation von TUSTEP nach TEI P5. Transformation von TEI P5 in das DTA TEI P5 Format.

Weitere Informationen:

Siehe Dokumentation




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_auswanderer62_1847
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_auswanderer62_1847/3
Zitationshilfe: Allgemeine Auswanderungs-Zeitung. Nr. 62. Rudolstadt, 6. Dezember 1847, S. 491. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_auswanderer62_1847/3>, abgerufen am 25.04.2024.