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Allgemeine Auswanderungs-Zeitung. Nr. 55. Rudolstadt, 18. Oktober 1847.

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[Spaltenumbruch] in Nordamerika war -- stellt der Prinz als Regel auf, und
zieht daraus wiederum den Schluß "die Amerikaner sind träge"!
Wem jedes Mittel recht ist, der wird leicht zum Ziele kommen.

Nun zum Whisky, der nicht berauschender ist, als jeder an-
dere Branntwein. Der Genuß kalten Wassers an heißen Sommer-
tagen erzeugt in Nordamerika die Cholerine und andere Krank-
heiten; daher vermischt man es mit Wein oder Branntwein, so
daß der Durst gelöscht, der Magen aber nicht erkältet wird. Daß
nun Einige in der Zugabe des berauschenden Getränkes zum
Wasser das Maaß nicht zu halten wissen, wollen wir nicht be-
streiten, können den Hrn. Verf. hieraus aber keinesweges folgern
lassen, die Trunksucht sei ein in Nordamerika ungewöhnlich stark
verbreitetes Laster. Denn es hat sich unwiderlegbar herausgestellt,
daß es verhältnißmäßig weit mehr Trunkenbolde in Deutschland
gibt als in Nordamerika, ( und in Schweden und Rußland sogar
doppelt so viele ) , obgleich Deutschland die nordamerikanischen
Freistaaten alljährlich mit einer ganz respectabeln Summe unver-
besserlicher Säufer versieht, deren sich ihre Angehörigen entledigen.

"Das Haus des Amerikaners ist ein schlechtes Blockhaus,
durch welches die Luft pfeift; seine Kleidung besteht aus dünnem
Baumwollenstoffe und ist stets zerlumpt; kein Wunder also, daß
der Nordwind, diese Lumpen durchwehend, auf den Calomel in
den Knochen keinen günstigen Einfluß hat."

Entweder ist der Solms = Braunfels'sche Prinz im Schlafe
gereiset und hat nur da die Augen geöffnet, wo ein schlechtes
Blockhaus ( soll wahrscheinlich Loghaus heißen ) stand, oder wo
ein im zerrissenen Arbeitsanzuge von der Arbeit kommender Ame-
rikaner ihm begegnete, oder er hat nicht sehen wollen; sonst hätte
er auf der Reise, die er machte, mehr als tausend gute Farm-
häuser mit wohlgekleideten Bewohnern sehen müssen. Unser Prinz
hat sich aber wohl nur nach Schattenseiten umgeschaut, und wer
gernt tanzt, dem ist bekanntlich leicht gepfiffen. Also weiter:

"Wie man in der amerikanischen Nation den Typus aller
europäischen wiederfindet, so finden sich auch die Laster aller dieser
Nationen bei derselben wieder, ohne daß die guten Eigenschaften
sich mit fortgepflanzt hätten. Der Hauptcharakterzug des Ameri-
kaners ist Gewinnsucht, die Sucht nach Geld. Diesem Mammon
opfert er Alles, -- er ist die Basis seines ganzen Wesens. Er
kennt keine Anhänglichkeit an irgend einen Gegenstand, an welchem
der Europäer, und namentlich der Deutsche mit mehr oder weniger
Liebe hängt. Das Haus der Eltern, Andenken von Freunden,
Hausthiere, welche lange und treue Dienste geleistet, -- lauter
Dinge, welche für uns Werth haben, sind dem Amerikaner feil,
wenn er Geld, Dollars, dafür einscharren kann. Alle Familien-
bande sind lockerer, loser als bei uns. Mit dem vierzehnten oder
fünfzehnten Jahre verläßt der Knabe das Haus der Eltern, um
sich ein eigenes Fortkommen zu suchen und sein Glück zu machen.
So lernt er frühzeitig berechnen, speculiren auch gelegentlich be-
trügen." -- -- -- "Es ist keine Schlechtigkeit so groß, die der
Amerikaner nicht beginge, wenn er seinen Vortheil dabei zu finden
glaubt." -- -- -- "Mit einem Worte, der Fremde kann über-
zeugt sein, daß der Amerikaner gegen ihn stets auf Betrug aus-
[Spaltenumbruch] geht und seinen Vortheil auf irgend eine Art finden wird, von
welcher der Europäer gar keine Ahnung hat."

Auf die schändliche Verleumdung, daß die Amerikaner die
Laster aller Nationen, nicht aber ihre guten Eigenschaften ange-
nommen haben, halten wir es unter unserer Würde auch nur
ein einziges Wort zu erwidern. Die Unwahrheit steht dieser
Behauptung deutlich auf die Stirn geschrieben. Früher nannte
der Prinz die Amerikaner faul, träge, hier sagt er wieder, der
Knabe verlasse mit fünfzehn Jahren das elterliche Haus, um
sein eigenes Fortkommen zu suchen. Das beweiset doch wahr-
haftig das Gegentheil von Trägheit; der Prinz sieht aber nur
Gewinnsucht darin und geht dann, in gewohnter Weise, zu fer-
neren Schlüssen über, deren Resultat dann ist, daß der ganzen
Nation Anhänglichkeit an theure Gegenstände mangele, daß mit
dem frühzeitigen "Berechnen" -- was nach seiner Darstellungs-
weise die einzige Arbeit des Amerikaners ist -- das Betrügen
von selbst komme, und daß namentlich der Fremde zum Opfer
des amerikanischen Betrügers auserkohren sei. Das genügt dem
durchlauchtigen Prinzen aber Alles noch nicht; die Amerikaner
haben sich über ihn lustig zu machen gewagt, sie dürfen daher
kein gutes Haar behalten; er nennt sie sogar nicht gastfrei!
Jn gerechter Besorgniß jedoch, daß man ihm hierfür einen unzarten
Namen beilegen möchte, erzählt er folgende Geschichte:

"Jch kam am 7. Juli 1844 um halb 11 Uhr Morgens
mit zwei Begleitern nach Washington,* ) speiste auf die angegebene
( einfache Art ) Mittags und Abends, schlief die Nacht auf der
Diele auf meiner eigenen, wollenen Decke, welche ich unter dem
Sattel hatte ( man gab mir jedoch ein Kopfkissen, um es über
den Sattel zu legen ) , und reiste am 8. Juli Abends um halb
7 Uhr wieder ab, zahlte aber nach einem Aufenthalte von 32
Stunden für 3 Mann und 3 Pferde 25 Dollars oder 62 fl.
30 Xr. rhnl."

Wir wollen diese vom Prinzen erzählte Thatsache ganz ein-
fach erklären, wollen aber einen Andern, einen Mann für uns
reden lassen, dessen Name einen so guten Klang hat, wie der irgend
eines Ehrenmannes. Herr A. H. Sörgel schreibt ( wie schon
No. 35 dieser Zeitung berichtete ) über diese Erzählung Sr. Durchl.:
O! halten wir dieses Beispiel fest und suchen wir die Motive
auf zu dieser hohen Rechnung! Jeder Amerikaner fühlt sich und
ist unumschränkter Herr in seinem Hause. Selbst die Gastwirthe
und vor allem die Texanischen, glauben, daß sie erst Menschen,
dann texanische Bürger und nach diesem Gastwirthe sind. Wenn
der Gast in einen teranischen Gasthof tritt, so wird er nicht Herr
im Hause, wie in Deutschland, sondern bleibt eben das, was er
ist: "Gast", und der Hausherr wird nicht sein kriechender, wedeln-
der, beflissener Diener, sondern bleibt immer "Hausherr!" An
jenem Tage kam der Prinz mit zwei anderen Herren in einen
Gasthof zu Washington. Die Mittagstafel war bereit und der
Prinz und seine Begleiter wurden eingeladen, Platz zu nehmen;
der Prinz refusirte an der offenen Tafel zu essen,

* ) W. in Texas.

[Spaltenumbruch] in Nordamerika war -- stellt der Prinz als Regel auf, und
zieht daraus wiederum den Schluß „die Amerikaner sind träge“!
Wem jedes Mittel recht ist, der wird leicht zum Ziele kommen.

Nun zum Whisky, der nicht berauschender ist, als jeder an-
dere Branntwein. Der Genuß kalten Wassers an heißen Sommer-
tagen erzeugt in Nordamerika die Cholerine und andere Krank-
heiten; daher vermischt man es mit Wein oder Branntwein, so
daß der Durst gelöscht, der Magen aber nicht erkältet wird. Daß
nun Einige in der Zugabe des berauschenden Getränkes zum
Wasser das Maaß nicht zu halten wissen, wollen wir nicht be-
streiten, können den Hrn. Verf. hieraus aber keinesweges folgern
lassen, die Trunksucht sei ein in Nordamerika ungewöhnlich stark
verbreitetes Laster. Denn es hat sich unwiderlegbar herausgestellt,
daß es verhältnißmäßig weit mehr Trunkenbolde in Deutschland
gibt als in Nordamerika, ( und in Schweden und Rußland sogar
doppelt so viele ) , obgleich Deutschland die nordamerikanischen
Freistaaten alljährlich mit einer ganz respectabeln Summe unver-
besserlicher Säufer versieht, deren sich ihre Angehörigen entledigen.

„Das Haus des Amerikaners ist ein schlechtes Blockhaus,
durch welches die Luft pfeift; seine Kleidung besteht aus dünnem
Baumwollenstoffe und ist stets zerlumpt; kein Wunder also, daß
der Nordwind, diese Lumpen durchwehend, auf den Calomel in
den Knochen keinen günstigen Einfluß hat.“

Entweder ist der Solms = Braunfels'sche Prinz im Schlafe
gereiset und hat nur da die Augen geöffnet, wo ein schlechtes
Blockhaus ( soll wahrscheinlich Loghaus heißen ) stand, oder wo
ein im zerrissenen Arbeitsanzuge von der Arbeit kommender Ame-
rikaner ihm begegnete, oder er hat nicht sehen wollen; sonst hätte
er auf der Reise, die er machte, mehr als tausend gute Farm-
häuser mit wohlgekleideten Bewohnern sehen müssen. Unser Prinz
hat sich aber wohl nur nach Schattenseiten umgeschaut, und wer
gernt tanzt, dem ist bekanntlich leicht gepfiffen. Also weiter:

„Wie man in der amerikanischen Nation den Typus aller
europäischen wiederfindet, so finden sich auch die Laster aller dieser
Nationen bei derselben wieder, ohne daß die guten Eigenschaften
sich mit fortgepflanzt hätten. Der Hauptcharakterzug des Ameri-
kaners ist Gewinnsucht, die Sucht nach Geld. Diesem Mammon
opfert er Alles, -- er ist die Basis seines ganzen Wesens. Er
kennt keine Anhänglichkeit an irgend einen Gegenstand, an welchem
der Europäer, und namentlich der Deutsche mit mehr oder weniger
Liebe hängt. Das Haus der Eltern, Andenken von Freunden,
Hausthiere, welche lange und treue Dienste geleistet, -- lauter
Dinge, welche für uns Werth haben, sind dem Amerikaner feil,
wenn er Geld, Dollars, dafür einscharren kann. Alle Familien-
bande sind lockerer, loser als bei uns. Mit dem vierzehnten oder
fünfzehnten Jahre verläßt der Knabe das Haus der Eltern, um
sich ein eigenes Fortkommen zu suchen und sein Glück zu machen.
So lernt er frühzeitig berechnen, speculiren auch gelegentlich be-
trügen.“ -- -- -- „Es ist keine Schlechtigkeit so groß, die der
Amerikaner nicht beginge, wenn er seinen Vortheil dabei zu finden
glaubt.“ -- -- -- „Mit einem Worte, der Fremde kann über-
zeugt sein, daß der Amerikaner gegen ihn stets auf Betrug aus-
[Spaltenumbruch] geht und seinen Vortheil auf irgend eine Art finden wird, von
welcher der Europäer gar keine Ahnung hat.“

Auf die schändliche Verleumdung, daß die Amerikaner die
Laster aller Nationen, nicht aber ihre guten Eigenschaften ange-
nommen haben, halten wir es unter unserer Würde auch nur
ein einziges Wort zu erwidern. Die Unwahrheit steht dieser
Behauptung deutlich auf die Stirn geschrieben. Früher nannte
der Prinz die Amerikaner faul, träge, hier sagt er wieder, der
Knabe verlasse mit fünfzehn Jahren das elterliche Haus, um
sein eigenes Fortkommen zu suchen. Das beweiset doch wahr-
haftig das Gegentheil von Trägheit; der Prinz sieht aber nur
Gewinnsucht darin und geht dann, in gewohnter Weise, zu fer-
neren Schlüssen über, deren Resultat dann ist, daß der ganzen
Nation Anhänglichkeit an theure Gegenstände mangele, daß mit
dem frühzeitigen „Berechnen“ -- was nach seiner Darstellungs-
weise die einzige Arbeit des Amerikaners ist -- das Betrügen
von selbst komme, und daß namentlich der Fremde zum Opfer
des amerikanischen Betrügers auserkohren sei. Das genügt dem
durchlauchtigen Prinzen aber Alles noch nicht; die Amerikaner
haben sich über ihn lustig zu machen gewagt, sie dürfen daher
kein gutes Haar behalten; er nennt sie sogar nicht gastfrei!
Jn gerechter Besorgniß jedoch, daß man ihm hierfür einen unzarten
Namen beilegen möchte, erzählt er folgende Geschichte:

„Jch kam am 7. Juli 1844 um halb 11 Uhr Morgens
mit zwei Begleitern nach Washington,* ) speiste auf die angegebene
( einfache Art ) Mittags und Abends, schlief die Nacht auf der
Diele auf meiner eigenen, wollenen Decke, welche ich unter dem
Sattel hatte ( man gab mir jedoch ein Kopfkissen, um es über
den Sattel zu legen ) , und reiste am 8. Juli Abends um halb
7 Uhr wieder ab, zahlte aber nach einem Aufenthalte von 32
Stunden für 3 Mann und 3 Pferde 25 Dollars oder 62 fl.
30 Xr. rhnl.“

Wir wollen diese vom Prinzen erzählte Thatsache ganz ein-
fach erklären, wollen aber einen Andern, einen Mann für uns
reden lassen, dessen Name einen so guten Klang hat, wie der irgend
eines Ehrenmannes. Herr A. H. Sörgel schreibt ( wie schon
No. 35 dieser Zeitung berichtete ) über diese Erzählung Sr. Durchl.:
O! halten wir dieses Beispiel fest und suchen wir die Motive
auf zu dieser hohen Rechnung! Jeder Amerikaner fühlt sich und
ist unumschränkter Herr in seinem Hause. Selbst die Gastwirthe
und vor allem die Texanischen, glauben, daß sie erst Menschen,
dann texanische Bürger und nach diesem Gastwirthe sind. Wenn
der Gast in einen teranischen Gasthof tritt, so wird er nicht Herr
im Hause, wie in Deutschland, sondern bleibt eben das, was er
ist: „Gast“, und der Hausherr wird nicht sein kriechender, wedeln-
der, beflissener Diener, sondern bleibt immer „Hausherr!“ An
jenem Tage kam der Prinz mit zwei anderen Herren in einen
Gasthof zu Washington. Die Mittagstafel war bereit und der
Prinz und seine Begleiter wurden eingeladen, Platz zu nehmen;
der Prinz refusirte an der offenen Tafel zu essen,

* ) W. in Texas.
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[429/0003] in Nordamerika war -- stellt der Prinz als Regel auf, und zieht daraus wiederum den Schluß „die Amerikaner sind träge“! Wem jedes Mittel recht ist, der wird leicht zum Ziele kommen. Nun zum Whisky, der nicht berauschender ist, als jeder an- dere Branntwein. Der Genuß kalten Wassers an heißen Sommer- tagen erzeugt in Nordamerika die Cholerine und andere Krank- heiten; daher vermischt man es mit Wein oder Branntwein, so daß der Durst gelöscht, der Magen aber nicht erkältet wird. Daß nun Einige in der Zugabe des berauschenden Getränkes zum Wasser das Maaß nicht zu halten wissen, wollen wir nicht be- streiten, können den Hrn. Verf. hieraus aber keinesweges folgern lassen, die Trunksucht sei ein in Nordamerika ungewöhnlich stark verbreitetes Laster. 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Unser Prinz hat sich aber wohl nur nach Schattenseiten umgeschaut, und wer gernt tanzt, dem ist bekanntlich leicht gepfiffen. Also weiter: „Wie man in der amerikanischen Nation den Typus aller europäischen wiederfindet, so finden sich auch die Laster aller dieser Nationen bei derselben wieder, ohne daß die guten Eigenschaften sich mit fortgepflanzt hätten. Der Hauptcharakterzug des Ameri- kaners ist Gewinnsucht, die Sucht nach Geld. Diesem Mammon opfert er Alles, -- er ist die Basis seines ganzen Wesens. Er kennt keine Anhänglichkeit an irgend einen Gegenstand, an welchem der Europäer, und namentlich der Deutsche mit mehr oder weniger Liebe hängt. Das Haus der Eltern, Andenken von Freunden, Hausthiere, welche lange und treue Dienste geleistet, -- lauter Dinge, welche für uns Werth haben, sind dem Amerikaner feil, wenn er Geld, Dollars, dafür einscharren kann. Alle Familien- bande sind lockerer, loser als bei uns. 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Früher nannte der Prinz die Amerikaner faul, träge, hier sagt er wieder, der Knabe verlasse mit fünfzehn Jahren das elterliche Haus, um sein eigenes Fortkommen zu suchen. Das beweiset doch wahr- haftig das Gegentheil von Trägheit; der Prinz sieht aber nur Gewinnsucht darin und geht dann, in gewohnter Weise, zu fer- neren Schlüssen über, deren Resultat dann ist, daß der ganzen Nation Anhänglichkeit an theure Gegenstände mangele, daß mit dem frühzeitigen „Berechnen“ -- was nach seiner Darstellungs- weise die einzige Arbeit des Amerikaners ist -- das Betrügen von selbst komme, und daß namentlich der Fremde zum Opfer des amerikanischen Betrügers auserkohren sei. Das genügt dem durchlauchtigen Prinzen aber Alles noch nicht; die Amerikaner haben sich über ihn lustig zu machen gewagt, sie dürfen daher kein gutes Haar behalten; er nennt sie sogar nicht gastfrei! 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Sörgel schreibt ( wie schon No. 35 dieser Zeitung berichtete ) über diese Erzählung Sr. Durchl.: O! halten wir dieses Beispiel fest und suchen wir die Motive auf zu dieser hohen Rechnung! Jeder Amerikaner fühlt sich und ist unumschränkter Herr in seinem Hause. Selbst die Gastwirthe und vor allem die Texanischen, glauben, daß sie erst Menschen, dann texanische Bürger und nach diesem Gastwirthe sind. Wenn der Gast in einen teranischen Gasthof tritt, so wird er nicht Herr im Hause, wie in Deutschland, sondern bleibt eben das, was er ist: „Gast“, und der Hausherr wird nicht sein kriechender, wedeln- der, beflissener Diener, sondern bleibt immer „Hausherr!“ An jenem Tage kam der Prinz mit zwei anderen Herren in einen Gasthof zu Washington. Die Mittagstafel war bereit und der Prinz und seine Begleiter wurden eingeladen, Platz zu nehmen; der Prinz refusirte an der offenen Tafel zu essen, * ) W. in Texas.

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Zitationshilfe: Allgemeine Auswanderungs-Zeitung. Nr. 55. Rudolstadt, 18. Oktober 1847, S. 429. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_auswanderer55_1847/3>, abgerufen am 20.04.2024.