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Allgemeine Auswanderungs-Zeitung. Nr. 33. Rudolstadt, 18. Mai 1847.

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[Spaltenumbruch] von wissenschaftlich Gebildeten ganz entbehren. Wo noch, wie
dort, das materielle Jnteresse vorherrscht, muß das Geistige in den
Hintergrund treten, und seine eigenen Collegien, Akademien und
Universitäten sind hinreichend für diesen dort weniger gefühlten
Mangel. Ein rüstiger Arm und ein Sack voll Geld gilt dort
weit mehr und bringt oft weit mehr ein, als die Gelehrsamkeit.
Da, wo noch Wüsten bewohnbar zu machen, der Erde noch ver-
borgene Schätze abzugewinnen sind, wird nicht leicht derjenige
geehrt und genährt, dessen Hand nur die Feder zu führen weiß,
und dessen Körper zu schwach ist, um Art, Spaten und Dresch-
flegel zu handbaben.

Jch will warnen, ich will Diesen oder Jenen auf das auf-
merksam machen, was ihm dort begegnen könne, damit es ihm
nicht unerwartet komme, und ihn vielleicht zu Boden drücke. Aber
ich will auch der Wahrheit die Ehre geben, ich will gern be-
kennen, daß die aufgestellte Regel gar viele Ausnahmen hat.
Jch habe deutsche Aerzte in den größern Städten kennen gelernt,
welche schöne Praris hatten und in reichen Umständen waren,
und ich zweifle nicht, daß es einem Arzte oder Chirurgen nicht
schwer werden wird, auch im Busche ein zwar sehr beschwerliches,
aber gutes Brod zu finden. Die zwei lutherischen deutschen Pre-
diger in Philadelphia, wovon der eine früher Jurist, der andere
Katholik war, waren Deutsche, hochgeehrt und reich besoldet,
und wie ich bereits in jenem Aufsatze erwähnt habe, wurden
noch bei meiner Anwesenheit einige meiner Bekannten aus nie-
drigen oder ganz entgegengesetzten Geschäften als Seelsorger zu
Landgemeinden berufen. Uebrigens schändet Arbeit dort nicht.
Keine Gemeinde wird einen Anstoß daran finden, ihren Geist-
lichen von der Straßenarbeit weg anzustellen, wenn dieser nur
sonst sein Amt verrichten kann und als ein braver Mann bekannt
ist. Ob übrigens das Amt eines Geistlichen immer ein sehr be-
neidenswerthes Loos ist, darüber wage ich keine Meinung aus-
zusprechen, da ein verehrungswerther Mitarbeiter an diesem Blatte
dieses weit besser als ich, beurtheilen kann.

Nur so viel will ich bekräftigen und behaupten, daß fast
alle aus dem sogenannten Herrenstande, wenn sie nicht dorthin
berufen oder durch hinreichendes Vermögen auf längere Zeit für
Nahrungssorgen gesichert sind, eine schwere Schule durchzumachen
haben, in welcher Viele unterliegen. Herr Krafft wird sich,
wenn er selbst dorthin geht, durch den Augenschein überzeugen,
ob ich gelogen, ob ich übertrieben habe.

Jch wünsche ihm übrigens zu seinem Unternehmen von ganzer
Seele Glück; möchte alles das Ungemach, von welchem ich ohne
Rücksicht auf ihn gesprochen habe, ihm fern bleiben!

   
Correspondenz.

   

Eine Begebenheit, die der Auswanderung wahrscheinlich
eine neue Richtung geben wird und für den Augenblick eine
große Verwirrung in derselben hervorgebracht hat, ist das Ver-
bot der amerikanischen Regierung oder vielmehr die Bekannt-
machung der Bedingungen, unter welchen die Einwanderung in
den Ver. Staaten gestattet ist. Wenn nun aber einerseits in
allen Auswanderungsprojecten hierdurch eine Störung entstanden
ist, so könnte es vielleicht auf der andern Seite nicht ohne Nutzen
sein, daß die Auswanderer einige Zeit bedenken können, auf
welche Art sie die Reise wohlfeiler machen und sich dadurch der
Habsucht der Agenten und Schiffsrheder entziehen können. --

Ob nun auch sonst diese Bekanntmachung der nordamerika-
nischen Regierung noch andere Folgen haben wird, steht zu er-
[Spaltenumbruch] warten; was wir derselben aber jetzt entnehmen, ist das frei-
müthige Geständniß der egoistischen Kaufmannsseele: " wir
können eure Menschenlieferungen für den Augen-
blick nicht brauchen, weil wir mit dieser Waare über-
führt und nicht geneigt sind, dieselbe aus unsern
Mitteln ins Junere des Landes zu spediren.
" -- Und
doch sind es die Männer und Söhne dieser deutschen Auswan-
derer, auf die sich das Kriegsglück der Ver. Staaten stützt; die
sich als Freiwillige, auf eigene Kosten bewaffnet, zur Armee be-
geben und deren Muth und Thaten die nationale Eigenliebe der
Anglo = Amerikaner nicht leugnen noch verschweigen kann! Und
diese muthigen deutschen Kämpfer sollten nicht das Recht haben
zu sagen: "was wir für euch thun, das vergeltet unsern armen
Landsleuten, die aus Europa ankommen und die vielleicht nicht
Geld genug mitbringen, um euren Anforderungen an dieselben
Genüge zu leisten?" --

Andererseits drängt sich aber auch bei jedem die Frage auf:
was werden die deutschen Regierungen thun, um ihre Auswan-
derer gegen diese schmachvolle Zurückweisung ihrer braven Mit-
bürger in Schutz zu nehmen und denselben eine Genugthuung
zu verschaffen? oder will man vielleicht den Augenblick erwarten,
wo es der amerikanischen Regierung beliebt, neue Transporte
von Menschenlieferungen zu erlauben, und was wird bis dahin
mit den vielen Hunderten von Familien geschehen, die jetzt schon
alles verkauft und sich reisefertig gemacht hatten? Soll denn
diese einseitige und parteiische Beurtheilung der südamerikanischen
Verhältnisse noch immer fortdauern und vergißt man denn ab-
sichtlich, von Ländern zu sprechen und deren Namen zu erwähnen,
die eben so groß als die Ver. Staaten sind, wo die Ankommen-
den keine Abgaben für fremde Armenhäuser und Hospitäler zu
erstatten haben, und wo sie nicht vor ungesunden Gegenden und
Spitzbuben aller Art gewarnt werden müssen? Es ist ja niemals
zu spät, eine irrige Ansicht zu verbessern, vorzüglich wenn viel-
leicht dadurch das Glück so vieler Menschen entspringen kann,
und es ist gewiß kein Grund dazu, ein schönes Land zu ignoriren,
wenn ein paar Hamburger oder Bremer Schiffsrheder erklären,
daß sie mit jenem Land in keinem Handelsverkehr stehen, weil sie
für ihre Schiffe nicht die nöthige Rückfracht dort vorfinden. Für
ein Handelshaus mag dieses wohl ein Grund sein, ob aber die
Regierungen und die Vereine, die durch viele und schöne Worte
und Versprechungen, sich für die Beschützer und Beförderer der
deutschen Auswanderung auszugeben bemüht sind, oder ob, ehe
man eine Entscheidung nimmt, man erst die Berichte aus Teras
erwarten will und so die Auswanderer noch ein Jahr in Angst
und Ungewißheit läßt, dieses wird uns die nächste Zeit wohl
lehren; mir scheint es aber dem deutschen Nationalgefühl enteh-
rend und kränkend, daß ein Staat, der sein Aufblühen und seinen
Wohlstand gerade diesen Deutschen größtentheils zu verdanken
hat, die demselben ihr Blut und Vermögen opferten, sich auf
einmal beikommen läßt, durch willkürliche Verordnungen das Un-
glück so mancher Familie zu veranlassen, als wenn er der einzige
wäre, in welchem man durch Fleiß und Beharrlichkeit sein Glück
machen könne.

Das heißt denn doch wirklich die deutsche Langmuth und Geduld
auf eine harte Probe stellen und es wäre wol zu versuchen, ob denn
niemand den Muth habe, den Egoismus dieser Kaufleute dadurch
zu bestrafen, daß die deutsche Auswanderung sich von ihren Ver-
ordnungen unabhängig mache und derselben eine andere Richtung
gegeben würde. Wir werden sehen, ob die Lenker und Rathge-
ber der deutschen Auswanderungsangelegenheit derselben Ansicht
sind, und ob sie die Nothwendigkeit des augenblicklichen Einschrei-
tens und der Abhülfe der bedrängten Lage so vieler Familien
erkennen werden.

[Spaltenumbruch] von wissenschaftlich Gebildeten ganz entbehren. Wo noch, wie
dort, das materielle Jnteresse vorherrscht, muß das Geistige in den
Hintergrund treten, und seine eigenen Collegien, Akademien und
Universitäten sind hinreichend für diesen dort weniger gefühlten
Mangel. Ein rüstiger Arm und ein Sack voll Geld gilt dort
weit mehr und bringt oft weit mehr ein, als die Gelehrsamkeit.
Da, wo noch Wüsten bewohnbar zu machen, der Erde noch ver-
borgene Schätze abzugewinnen sind, wird nicht leicht derjenige
geehrt und genährt, dessen Hand nur die Feder zu führen weiß,
und dessen Körper zu schwach ist, um Art, Spaten und Dresch-
flegel zu handbaben.

Jch will warnen, ich will Diesen oder Jenen auf das auf-
merksam machen, was ihm dort begegnen könne, damit es ihm
nicht unerwartet komme, und ihn vielleicht zu Boden drücke. Aber
ich will auch der Wahrheit die Ehre geben, ich will gern be-
kennen, daß die aufgestellte Regel gar viele Ausnahmen hat.
Jch habe deutsche Aerzte in den größern Städten kennen gelernt,
welche schöne Praris hatten und in reichen Umständen waren,
und ich zweifle nicht, daß es einem Arzte oder Chirurgen nicht
schwer werden wird, auch im Busche ein zwar sehr beschwerliches,
aber gutes Brod zu finden. Die zwei lutherischen deutschen Pre-
diger in Philadelphia, wovon der eine früher Jurist, der andere
Katholik war, waren Deutsche, hochgeehrt und reich besoldet,
und wie ich bereits in jenem Aufsatze erwähnt habe, wurden
noch bei meiner Anwesenheit einige meiner Bekannten aus nie-
drigen oder ganz entgegengesetzten Geschäften als Seelsorger zu
Landgemeinden berufen. Uebrigens schändet Arbeit dort nicht.
Keine Gemeinde wird einen Anstoß daran finden, ihren Geist-
lichen von der Straßenarbeit weg anzustellen, wenn dieser nur
sonst sein Amt verrichten kann und als ein braver Mann bekannt
ist. Ob übrigens das Amt eines Geistlichen immer ein sehr be-
neidenswerthes Loos ist, darüber wage ich keine Meinung aus-
zusprechen, da ein verehrungswerther Mitarbeiter an diesem Blatte
dieses weit besser als ich, beurtheilen kann.

Nur so viel will ich bekräftigen und behaupten, daß fast
alle aus dem sogenannten Herrenstande, wenn sie nicht dorthin
berufen oder durch hinreichendes Vermögen auf längere Zeit für
Nahrungssorgen gesichert sind, eine schwere Schule durchzumachen
haben, in welcher Viele unterliegen. Herr Krafft wird sich,
wenn er selbst dorthin geht, durch den Augenschein überzeugen,
ob ich gelogen, ob ich übertrieben habe.

Jch wünsche ihm übrigens zu seinem Unternehmen von ganzer
Seele Glück; möchte alles das Ungemach, von welchem ich ohne
Rücksicht auf ihn gesprochen habe, ihm fern bleiben!

   
Correspondenz.

   

Eine Begebenheit, die der Auswanderung wahrscheinlich
eine neue Richtung geben wird und für den Augenblick eine
große Verwirrung in derselben hervorgebracht hat, ist das Ver-
bot der amerikanischen Regierung oder vielmehr die Bekannt-
machung der Bedingungen, unter welchen die Einwanderung in
den Ver. Staaten gestattet ist. Wenn nun aber einerseits in
allen Auswanderungsprojecten hierdurch eine Störung entstanden
ist, so könnte es vielleicht auf der andern Seite nicht ohne Nutzen
sein, daß die Auswanderer einige Zeit bedenken können, auf
welche Art sie die Reise wohlfeiler machen und sich dadurch der
Habsucht der Agenten und Schiffsrheder entziehen können. --

Ob nun auch sonst diese Bekanntmachung der nordamerika-
nischen Regierung noch andere Folgen haben wird, steht zu er-
[Spaltenumbruch] warten; was wir derselben aber jetzt entnehmen, ist das frei-
müthige Geständniß der egoistischen Kaufmannsseele: „ wir
können eure Menschenlieferungen für den Augen-
blick nicht brauchen, weil wir mit dieser Waare über-
führt und nicht geneigt sind, dieselbe aus unsern
Mitteln ins Junere des Landes zu spediren.
“ -- Und
doch sind es die Männer und Söhne dieser deutschen Auswan-
derer, auf die sich das Kriegsglück der Ver. Staaten stützt; die
sich als Freiwillige, auf eigene Kosten bewaffnet, zur Armee be-
geben und deren Muth und Thaten die nationale Eigenliebe der
Anglo = Amerikaner nicht leugnen noch verschweigen kann! Und
diese muthigen deutschen Kämpfer sollten nicht das Recht haben
zu sagen: „was wir für euch thun, das vergeltet unsern armen
Landsleuten, die aus Europa ankommen und die vielleicht nicht
Geld genug mitbringen, um euren Anforderungen an dieselben
Genüge zu leisten?“ --

Andererseits drängt sich aber auch bei jedem die Frage auf:
was werden die deutschen Regierungen thun, um ihre Auswan-
derer gegen diese schmachvolle Zurückweisung ihrer braven Mit-
bürger in Schutz zu nehmen und denselben eine Genugthuung
zu verschaffen? oder will man vielleicht den Augenblick erwarten,
wo es der amerikanischen Regierung beliebt, neue Transporte
von Menschenlieferungen zu erlauben, und was wird bis dahin
mit den vielen Hunderten von Familien geschehen, die jetzt schon
alles verkauft und sich reisefertig gemacht hatten? Soll denn
diese einseitige und parteiische Beurtheilung der südamerikanischen
Verhältnisse noch immer fortdauern und vergißt man denn ab-
sichtlich, von Ländern zu sprechen und deren Namen zu erwähnen,
die eben so groß als die Ver. Staaten sind, wo die Ankommen-
den keine Abgaben für fremde Armenhäuser und Hospitäler zu
erstatten haben, und wo sie nicht vor ungesunden Gegenden und
Spitzbuben aller Art gewarnt werden müssen? Es ist ja niemals
zu spät, eine irrige Ansicht zu verbessern, vorzüglich wenn viel-
leicht dadurch das Glück so vieler Menschen entspringen kann,
und es ist gewiß kein Grund dazu, ein schönes Land zu ignoriren,
wenn ein paar Hamburger oder Bremer Schiffsrheder erklären,
daß sie mit jenem Land in keinem Handelsverkehr stehen, weil sie
für ihre Schiffe nicht die nöthige Rückfracht dort vorfinden. Für
ein Handelshaus mag dieses wohl ein Grund sein, ob aber die
Regierungen und die Vereine, die durch viele und schöne Worte
und Versprechungen, sich für die Beschützer und Beförderer der
deutschen Auswanderung auszugeben bemüht sind, oder ob, ehe
man eine Entscheidung nimmt, man erst die Berichte aus Teras
erwarten will und so die Auswanderer noch ein Jahr in Angst
und Ungewißheit läßt, dieses wird uns die nächste Zeit wohl
lehren; mir scheint es aber dem deutschen Nationalgefühl enteh-
rend und kränkend, daß ein Staat, der sein Aufblühen und seinen
Wohlstand gerade diesen Deutschen größtentheils zu verdanken
hat, die demselben ihr Blut und Vermögen opferten, sich auf
einmal beikommen läßt, durch willkürliche Verordnungen das Un-
glück so mancher Familie zu veranlassen, als wenn er der einzige
wäre, in welchem man durch Fleiß und Beharrlichkeit sein Glück
machen könne.

Das heißt denn doch wirklich die deutsche Langmuth und Geduld
auf eine harte Probe stellen und es wäre wol zu versuchen, ob denn
niemand den Muth habe, den Egoismus dieser Kaufleute dadurch
zu bestrafen, daß die deutsche Auswanderung sich von ihren Ver-
ordnungen unabhängig mache und derselben eine andere Richtung
gegeben würde. Wir werden sehen, ob die Lenker und Rathge-
ber der deutschen Auswanderungsangelegenheit derselben Ansicht
sind, und ob sie die Nothwendigkeit des augenblicklichen Einschrei-
tens und der Abhülfe der bedrängten Lage so vieler Familien
erkennen werden.

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Jch habe deutsche Aerzte in den größern Städten kennen gelernt, welche schöne Praris hatten und in reichen Umständen waren, und ich zweifle nicht, daß es einem Arzte oder Chirurgen nicht schwer werden wird, auch im Busche ein zwar sehr beschwerliches, aber gutes Brod zu finden. Die zwei lutherischen deutschen Pre- diger in Philadelphia, wovon der eine früher Jurist, der andere Katholik war, waren Deutsche, hochgeehrt und reich besoldet, und wie ich bereits in jenem Aufsatze erwähnt habe, wurden noch bei meiner Anwesenheit einige meiner Bekannten aus nie- drigen oder ganz entgegengesetzten Geschäften als Seelsorger zu Landgemeinden berufen. Uebrigens schändet Arbeit dort nicht. Keine Gemeinde wird einen Anstoß daran finden, ihren Geist- lichen von der Straßenarbeit weg anzustellen, wenn dieser nur sonst sein Amt verrichten kann und als ein braver Mann bekannt ist. Ob übrigens das Amt eines Geistlichen immer ein sehr be- neidenswerthes Loos ist, darüber wage ich keine Meinung aus- zusprechen, da ein verehrungswerther Mitarbeiter an diesem Blatte dieses weit besser als ich, beurtheilen kann. Nur so viel will ich bekräftigen und behaupten, daß fast alle aus dem sogenannten Herrenstande, wenn sie nicht dorthin berufen oder durch hinreichendes Vermögen auf längere Zeit für Nahrungssorgen gesichert sind, eine schwere Schule durchzumachen haben, in welcher Viele unterliegen. Herr Krafft wird sich, wenn er selbst dorthin geht, durch den Augenschein überzeugen, ob ich gelogen, ob ich übertrieben habe. Jch wünsche ihm übrigens zu seinem Unternehmen von ganzer Seele Glück; möchte alles das Ungemach, von welchem ich ohne Rücksicht auf ihn gesprochen habe, ihm fern bleiben! G. F. Streckfuß. Correspondenz. Weinheim, den 3. Mai 1847. Eine Begebenheit, die der Auswanderung wahrscheinlich eine neue Richtung geben wird und für den Augenblick eine große Verwirrung in derselben hervorgebracht hat, ist das Ver- bot der amerikanischen Regierung oder vielmehr die Bekannt- machung der Bedingungen, unter welchen die Einwanderung in den Ver. Staaten gestattet ist. Wenn nun aber einerseits in allen Auswanderungsprojecten hierdurch eine Störung entstanden ist, so könnte es vielleicht auf der andern Seite nicht ohne Nutzen sein, daß die Auswanderer einige Zeit bedenken können, auf welche Art sie die Reise wohlfeiler machen und sich dadurch der Habsucht der Agenten und Schiffsrheder entziehen können. -- Ob nun auch sonst diese Bekanntmachung der nordamerika- nischen Regierung noch andere Folgen haben wird, steht zu er- warten; was wir derselben aber jetzt entnehmen, ist das frei- müthige Geständniß der egoistischen Kaufmannsseele: „ wir können eure Menschenlieferungen für den Augen- blick nicht brauchen, weil wir mit dieser Waare über- führt und nicht geneigt sind, dieselbe aus unsern Mitteln ins Junere des Landes zu spediren. “ -- Und doch sind es die Männer und Söhne dieser deutschen Auswan- derer, auf die sich das Kriegsglück der Ver. 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Und diese muthigen deutschen Kämpfer sollten nicht das Recht haben zu sagen: „was wir für euch thun, das vergeltet unsern armen Landsleuten, die aus Europa ankommen und die vielleicht nicht Geld genug mitbringen, um euren Anforderungen an dieselben Genüge zu leisten?“ -- Andererseits drängt sich aber auch bei jedem die Frage auf: was werden die deutschen Regierungen thun, um ihre Auswan- derer gegen diese schmachvolle Zurückweisung ihrer braven Mit- bürger in Schutz zu nehmen und denselben eine Genugthuung zu verschaffen? oder will man vielleicht den Augenblick erwarten, wo es der amerikanischen Regierung beliebt, neue Transporte von Menschenlieferungen zu erlauben, und was wird bis dahin mit den vielen Hunderten von Familien geschehen, die jetzt schon alles verkauft und sich reisefertig gemacht hatten? Soll denn diese einseitige und parteiische Beurtheilung der südamerikanischen Verhältnisse noch immer fortdauern und vergißt man denn ab- sichtlich, von Ländern zu sprechen und deren Namen zu erwähnen, die eben so groß als die Ver. Staaten sind, wo die Ankommen- den keine Abgaben für fremde Armenhäuser und Hospitäler zu erstatten haben, und wo sie nicht vor ungesunden Gegenden und Spitzbuben aller Art gewarnt werden müssen? Es ist ja niemals zu spät, eine irrige Ansicht zu verbessern, vorzüglich wenn viel- leicht dadurch das Glück so vieler Menschen entspringen kann, und es ist gewiß kein Grund dazu, ein schönes Land zu ignoriren, wenn ein paar Hamburger oder Bremer Schiffsrheder erklären, daß sie mit jenem Land in keinem Handelsverkehr stehen, weil sie für ihre Schiffe nicht die nöthige Rückfracht dort vorfinden. Für ein Handelshaus mag dieses wohl ein Grund sein, ob aber die Regierungen und die Vereine, die durch viele und schöne Worte und Versprechungen, sich für die Beschützer und Beförderer der deutschen Auswanderung auszugeben bemüht sind, oder ob, ehe man eine Entscheidung nimmt, man erst die Berichte aus Teras erwarten will und so die Auswanderer noch ein Jahr in Angst und Ungewißheit läßt, dieses wird uns die nächste Zeit wohl lehren; mir scheint es aber dem deutschen Nationalgefühl enteh- rend und kränkend, daß ein Staat, der sein Aufblühen und seinen Wohlstand gerade diesen Deutschen größtentheils zu verdanken hat, die demselben ihr Blut und Vermögen opferten, sich auf einmal beikommen läßt, durch willkürliche Verordnungen das Un- glück so mancher Familie zu veranlassen, als wenn er der einzige wäre, in welchem man durch Fleiß und Beharrlichkeit sein Glück machen könne. Das heißt denn doch wirklich die deutsche Langmuth und Geduld auf eine harte Probe stellen und es wäre wol zu versuchen, ob denn niemand den Muth habe, den Egoismus dieser Kaufleute dadurch zu bestrafen, daß die deutsche Auswanderung sich von ihren Ver- ordnungen unabhängig mache und derselben eine andere Richtung gegeben würde. Wir werden sehen, ob die Lenker und Rathge- ber der deutschen Auswanderungsangelegenheit derselben Ansicht sind, und ob sie die Nothwendigkeit des augenblicklichen Einschrei- tens und der Abhülfe der bedrängten Lage so vieler Familien erkennen werden.

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Zitationshilfe: Allgemeine Auswanderungs-Zeitung. Nr. 33. Rudolstadt, 18. Mai 1847, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_auswanderer33_1847/3>, abgerufen am 18.04.2024.