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Allgemeine Auswanderungs-Zeitung. Nr. 5. Rudolstadt, 27. Oktober 1846.

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[Spaltenumbruch] völligen Ausrüstung des Schiffes contractlich bestimmten Tage
hier eintreffen, oder daß diese Ankunft jedenfalls nicht mehr als
zwei bis drei Tage später erfolge, damit ihnen noch Zeit genug
übrig bleibe, ihre Angelegenheiten mit der nöthigen Ruhe besorgen
zu können. Eine frühere Ankunft, als im Contracte bestimmt,
ist dagegen ebenfalls zu vermeiden, weil den Auswanderern sonst
vergrößerte Kosten daraus erwachsen können. Jst das Schiff bei
Ankunft der Auswanderer vollständig ausgerüstet, so müssen sie
ohne Aufenthalt an Bord genommen werden, wo Jeder die für
ihn bestimmte Schlafstelle auf einem daran hängenden Zettel be-
zeichnet finden wird. Bei unvorhergesehenen Fällen verfrühter
Ankunft der Auswanderer wird ihnen von Seiten der Unterneh-
mer Wohnung angewiesen.

8 ) Ankauf der zur Reise erforderlichen Gegenstände.

Alle Gegenstände von Belang, welche die Auswanderer be-
dürfen, müssen im Großen und nicht vereinzelt angekauft werden,
damit sie dieselben möglichst billig erlangen. Zu diesem Behufe
wird am Tage nach der Ankunft der Auswanderer eine Umfrage
angeordnet, bei welcher Gelegenheit ihnen Rath ertheilt wird,
wo sie die mangelnden Gegenstände am Besten sich verschaffen
können.    ( Fortsetzung folgt. )

Was mich treibt.
Was mich treibt zum Wandern? --
Was treibt -- die Andern!
Mein freier Wille und -- die Noth
Jst Beides mir gleich strenges Gebot.
Jch will nicht schelten, ich will nicht klagen,

Doch kann mir's einmal nicht mehr behagen.
Europa hat viel und hoch gestrebt --
Doch in vielen Stücken sich überlebt.
Amerika steht in der Jugend Blüthe
Europa fühlt sich lebensmüde.
Es hat wohl Manches noch im Kopf,
Doch der verwünschte alte Zopf,
Schiert man die Haar' auch bis ans Ohr,
Rasch wächst der Dingerts wieder hervor.
Und muß ich mich einmal lassen kujoniren,
So werd' ich's doch wen'ger empfindlich verspüren,
Sch' ich, daß fremde Hand es verrichtet,
Als solche, die mir dankverpflichtet.
Drum gebt euch keine Mühe mit mir,
Bleib' ein = für alle Mal länger nicht hier.
Nicht kann das längere Bleiben frommen
Da, wo man einmal Abschied genommen!!
Deutsche Auswanderer in Belgien.

Die Kölner Zeitung reiht an viele bereits vorhergegangene be-
zügliche Artikel unterm 29. Juli auch folgende Schilderung: Jn welcher
pflichtvergessenen und alle besseren menschlichen Gefühle verleugnenden
[Spaltenumbruch] Weise die armen Auswanderer von Transport=Unternehmern in bel-
gischen
Häfen gemißhandelt werden, beweist wiederum eine ganz neue
warnende Thatsache. Am 17. April 1846 erschien auf der Rhede
von San Miguel, einer der azorischen Jnseln, das amerikanische Schiff
"Franklin," Capitän M. H. Sawyer, um Wasser einzunehmen. Es
hatte gegen 150 Auswanderer, Männer, Frauen und Kinder aus den
deutschen Bundesstaaten und zwar meist aus Preußen aus der Gegend
von Trier an Bord, war nach New=Orleans bestimmt, und hatte den
bisherigen Weg von Antwerpen aus in 42 Tagen zurückgelegt. Ueber-
fahrt und Beköstigung war, wie üblich, vorausbezahlt. Bei der
zu San Miguel veranlaßten Untersuchung des Schiffes fand sich, daß
es nicht nur außer Stand war, die Reise fortzusetzen, sondern daß
auch die Passagiere nicht länger an Bord gelassen werden konnten,
weil das Schiff bedeutend Wasser zog, und in dringender Gefahr
des Untersinkens stand.
Die Passagiere wurden daher auf Be-
fehl des Civilgouverneurs von Ponte del Gado mit ihrem Gepäcke aus-
geschifft und in verschiedenen öffentlichen Gebäuden untergebracht. Der
Capitän des Schiffes weigerte sich, das von den Passagieren voraus-
bezahlte Ueberfahrtsgeld herauszugeben, so daß sich der preuß. Consul
auf San Miguel, Kaufmann Scholz, genöthigt sah, im Namen der
Passagiere Beschlag auf das Schiff zu legen und, um jenen ihr Recht
zu verschaffen, den Capitän gerichtlich in Anspruch zu nehmen. Der-
selbe wurde nun gezwungen, 5000 Franks von dem Passagegelde zu-
rückzuerstatten, wofür die Leute auf einem andern Schiffe vollends nach
Amerika gebracht werden sollen. Die ganze Verfahrungsweise der Unter-
nehmer zeugte von einer um so größeren Pflichtvergessenheit. als das
Schiff nach Aussage der Auswanderer schon 2 Tage nach ihrer Ab-
reise, noch im englischen Canale, anfing leck zu werden, und der
Capitän, ungeachtet der Bitten der Reisenden, in einen englischen Hafen
einzulaufen, die Reise nach einer Jnsel der Azoren fortzusetzen beharrte.
Bei der Aufbrechung des Schiffes fand sich auch der unterste Theil
desselben in einem so traurigen Zustande, daß die Rettung der Passa-
giere in der That wunderbar erscheint. Die Einwohner von San
Miguel haben sich auch bei dieser Gelegenheit der unglücklichen ganz
armen Leute aufs menschenfreundlichste angenommen.

Eine Entgegnung auf diesen Bericht bringt die Augsb. Allgem.
Zeitung, und es wäre, wie überall, auch hier unbillig, nur den Klä-
ger, nicht auch den Beklagten zu hören. Also audiatur et altera pars!

" Antwerpen, 10. Aug. Die Warnung der Kölner Zeitung
vor angeblich schlechter Behandlung in den belgischen Häfen beruht
auf den gewagtesten Behauptungen; denn es ist gewiß, daß in keinem
europäischen Hafen die Auswanderer so viel Schutz haben als in Ant-
werpen. Hier nämlich hat die Regierung sie unter die kostenlose Für-
sorge eines königl. Jnspectors gestellt; derselbe steht ihnen zur Seite
von der Ankunft an bis zum Abgang, er vertritt gewissermaßen Vor-
mundstelle, er erleichtert ihren Aufenthalt und ihre Abreise, er erscheint,
wenn nöthig, selbst bei Gericht, ihre Reise sicher zu stellen, und wacht
über die pünktlichste Ausführung der Contracte mit den Unternehmern.
Man darf sich deßhalb auf die Zeugnisse aller hiesigen Consulate be-
ziehen; sie werden das Gesagte als vollkommene Wahrheit gelten lassen.
Nächstdem sind die zahlreichen Zeugnisse der Auswanderer, die zur Ein-
sicht offen liegen, eine laute, dankbare Anerkennung des genossenen
philanthropischen Schutzes; Antwerpen empfängt daher auch einen fort-
währenden ansehnlichen Zuwachs von Auswanderern, welchen es nicht
hervorruft, sondern nur sachgemäß und vermittelnd fördert. Daß die hiesi-
gen Anstalten noch weiter verbessert werden, liegt ganz außer Zweifel; nach
allen überseeischen Einwanderungshäfen werden die regelmäßigen Schiff-
fahrtslinien vermehrt. Was das Unglück des Schiffes "Franklin" betrifft,
so war dies keineswegs die Schuld der Transportunternehmer. Denn
wie allgemein vorgeschrieben ist, war der Franklin vor seiner Abreise
allen gesetzlichen Formalitäten für Bürgschaft der Seetüchtigkeit und
Sicherstellung der Auswanderer auf der Fahrt unterworfen worden

[Spaltenumbruch] völligen Ausrüstung des Schiffes contractlich bestimmten Tage
hier eintreffen, oder daß diese Ankunft jedenfalls nicht mehr als
zwei bis drei Tage später erfolge, damit ihnen noch Zeit genug
übrig bleibe, ihre Angelegenheiten mit der nöthigen Ruhe besorgen
zu können. Eine frühere Ankunft, als im Contracte bestimmt,
ist dagegen ebenfalls zu vermeiden, weil den Auswanderern sonst
vergrößerte Kosten daraus erwachsen können. Jst das Schiff bei
Ankunft der Auswanderer vollständig ausgerüstet, so müssen sie
ohne Aufenthalt an Bord genommen werden, wo Jeder die für
ihn bestimmte Schlafstelle auf einem daran hängenden Zettel be-
zeichnet finden wird. Bei unvorhergesehenen Fällen verfrühter
Ankunft der Auswanderer wird ihnen von Seiten der Unterneh-
mer Wohnung angewiesen.

8 ) Ankauf der zur Reise erforderlichen Gegenstände.

Alle Gegenstände von Belang, welche die Auswanderer be-
dürfen, müssen im Großen und nicht vereinzelt angekauft werden,
damit sie dieselben möglichst billig erlangen. Zu diesem Behufe
wird am Tage nach der Ankunft der Auswanderer eine Umfrage
angeordnet, bei welcher Gelegenheit ihnen Rath ertheilt wird,
wo sie die mangelnden Gegenstände am Besten sich verschaffen
können.    ( Fortsetzung folgt. )

Was mich treibt.
Was mich treibt zum Wandern? --
Was treibt -- die Andern!
Mein freier Wille und -- die Noth
Jst Beides mir gleich strenges Gebot.
Jch will nicht schelten, ich will nicht klagen,

Doch kann mir's einmal nicht mehr behagen.
Europa hat viel und hoch gestrebt --
Doch in vielen Stücken sich überlebt.
Amerika steht in der Jugend Blüthe
Europa fühlt sich lebensmüde.
Es hat wohl Manches noch im Kopf,
Doch der verwünschte alte Zopf,
Schiert man die Haar' auch bis ans Ohr,
Rasch wächst der Dingerts wieder hervor.
Und muß ich mich einmal lassen kujoniren,
So werd' ich's doch wen'ger empfindlich verspüren,
Sch' ich, daß fremde Hand es verrichtet,
Als solche, die mir dankverpflichtet.
Drum gebt euch keine Mühe mit mir,
Bleib' ein = für alle Mal länger nicht hier.
Nicht kann das längere Bleiben frommen
Da, wo man einmal Abschied genommen!!
Deutsche Auswanderer in Belgien.

Die Kölner Zeitung reiht an viele bereits vorhergegangene be-
zügliche Artikel unterm 29. Juli auch folgende Schilderung: Jn welcher
pflichtvergessenen und alle besseren menschlichen Gefühle verleugnenden
[Spaltenumbruch] Weise die armen Auswanderer von Transport=Unternehmern in bel-
gischen
Häfen gemißhandelt werden, beweist wiederum eine ganz neue
warnende Thatsache. Am 17. April 1846 erschien auf der Rhede
von San Miguel, einer der azorischen Jnseln, das amerikanische Schiff
„Franklin,“ Capitän M. H. Sawyer, um Wasser einzunehmen. Es
hatte gegen 150 Auswanderer, Männer, Frauen und Kinder aus den
deutschen Bundesstaaten und zwar meist aus Preußen aus der Gegend
von Trier an Bord, war nach New=Orleans bestimmt, und hatte den
bisherigen Weg von Antwerpen aus in 42 Tagen zurückgelegt. Ueber-
fahrt und Beköstigung war, wie üblich, vorausbezahlt. Bei der
zu San Miguel veranlaßten Untersuchung des Schiffes fand sich, daß
es nicht nur außer Stand war, die Reise fortzusetzen, sondern daß
auch die Passagiere nicht länger an Bord gelassen werden konnten,
weil das Schiff bedeutend Wasser zog, und in dringender Gefahr
des Untersinkens stand.
Die Passagiere wurden daher auf Be-
fehl des Civilgouverneurs von Ponte del Gado mit ihrem Gepäcke aus-
geschifft und in verschiedenen öffentlichen Gebäuden untergebracht. Der
Capitän des Schiffes weigerte sich, das von den Passagieren voraus-
bezahlte Ueberfahrtsgeld herauszugeben, so daß sich der preuß. Consul
auf San Miguel, Kaufmann Scholz, genöthigt sah, im Namen der
Passagiere Beschlag auf das Schiff zu legen und, um jenen ihr Recht
zu verschaffen, den Capitän gerichtlich in Anspruch zu nehmen. Der-
selbe wurde nun gezwungen, 5000 Franks von dem Passagegelde zu-
rückzuerstatten, wofür die Leute auf einem andern Schiffe vollends nach
Amerika gebracht werden sollen. Die ganze Verfahrungsweise der Unter-
nehmer zeugte von einer um so größeren Pflichtvergessenheit. als das
Schiff nach Aussage der Auswanderer schon 2 Tage nach ihrer Ab-
reise, noch im englischen Canale, anfing leck zu werden, und der
Capitän, ungeachtet der Bitten der Reisenden, in einen englischen Hafen
einzulaufen, die Reise nach einer Jnsel der Azoren fortzusetzen beharrte.
Bei der Aufbrechung des Schiffes fand sich auch der unterste Theil
desselben in einem so traurigen Zustande, daß die Rettung der Passa-
giere in der That wunderbar erscheint. Die Einwohner von San
Miguel haben sich auch bei dieser Gelegenheit der unglücklichen ganz
armen Leute aufs menschenfreundlichste angenommen.

Eine Entgegnung auf diesen Bericht bringt die Augsb. Allgem.
Zeitung, und es wäre, wie überall, auch hier unbillig, nur den Klä-
ger, nicht auch den Beklagten zu hören. Also audiatur et altera pars!

Antwerpen, 10. Aug. Die Warnung der Kölner Zeitung
vor angeblich schlechter Behandlung in den belgischen Häfen beruht
auf den gewagtesten Behauptungen; denn es ist gewiß, daß in keinem
europäischen Hafen die Auswanderer so viel Schutz haben als in Ant-
werpen. Hier nämlich hat die Regierung sie unter die kostenlose Für-
sorge eines königl. Jnspectors gestellt; derselbe steht ihnen zur Seite
von der Ankunft an bis zum Abgang, er vertritt gewissermaßen Vor-
mundstelle, er erleichtert ihren Aufenthalt und ihre Abreise, er erscheint,
wenn nöthig, selbst bei Gericht, ihre Reise sicher zu stellen, und wacht
über die pünktlichste Ausführung der Contracte mit den Unternehmern.
Man darf sich deßhalb auf die Zeugnisse aller hiesigen Consulate be-
ziehen; sie werden das Gesagte als vollkommene Wahrheit gelten lassen.
Nächstdem sind die zahlreichen Zeugnisse der Auswanderer, die zur Ein-
sicht offen liegen, eine laute, dankbare Anerkennung des genossenen
philanthropischen Schutzes; Antwerpen empfängt daher auch einen fort-
währenden ansehnlichen Zuwachs von Auswanderern, welchen es nicht
hervorruft, sondern nur sachgemäß und vermittelnd fördert. Daß die hiesi-
gen Anstalten noch weiter verbessert werden, liegt ganz außer Zweifel; nach
allen überseeischen Einwanderungshäfen werden die regelmäßigen Schiff-
fahrtslinien vermehrt. Was das Unglück des Schiffes „Franklin“ betrifft,
so war dies keineswegs die Schuld der Transportunternehmer. Denn
wie allgemein vorgeschrieben ist, war der Franklin vor seiner Abreise
allen gesetzlichen Formalitäten für Bürgschaft der Seetüchtigkeit und
Sicherstellung der Auswanderer auf der Fahrt unterworfen worden

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Die Einwohner von San Miguel haben sich auch bei dieser Gelegenheit der unglücklichen ganz armen Leute aufs menschenfreundlichste angenommen. Eine Entgegnung auf diesen Bericht bringt die Augsb. Allgem. Zeitung, und es wäre, wie überall, auch hier unbillig, nur den Klä- ger, nicht auch den Beklagten zu hören. Also audiatur et altera pars! „ Antwerpen, 10. Aug. Die Warnung der Kölner Zeitung vor angeblich schlechter Behandlung in den belgischen Häfen beruht auf den gewagtesten Behauptungen; denn es ist gewiß, daß in keinem europäischen Hafen die Auswanderer so viel Schutz haben als in Ant- werpen. Hier nämlich hat die Regierung sie unter die kostenlose Für- sorge eines königl. Jnspectors gestellt; derselbe steht ihnen zur Seite von der Ankunft an bis zum Abgang, er vertritt gewissermaßen Vor- mundstelle, er erleichtert ihren Aufenthalt und ihre Abreise, er erscheint, wenn nöthig, selbst bei Gericht, ihre Reise sicher zu stellen, und wacht über die pünktlichste Ausführung der Contracte mit den Unternehmern. Man darf sich deßhalb auf die Zeugnisse aller hiesigen Consulate be- ziehen; sie werden das Gesagte als vollkommene Wahrheit gelten lassen. Nächstdem sind die zahlreichen Zeugnisse der Auswanderer, die zur Ein- sicht offen liegen, eine laute, dankbare Anerkennung des genossenen philanthropischen Schutzes; Antwerpen empfängt daher auch einen fort- währenden ansehnlichen Zuwachs von Auswanderern, welchen es nicht hervorruft, sondern nur sachgemäß und vermittelnd fördert. Daß die hiesi- gen Anstalten noch weiter verbessert werden, liegt ganz außer Zweifel; nach allen überseeischen Einwanderungshäfen werden die regelmäßigen Schiff- fahrtslinien vermehrt. Was das Unglück des Schiffes „Franklin“ betrifft, so war dies keineswegs die Schuld der Transportunternehmer. Denn wie allgemein vorgeschrieben ist, war der Franklin vor seiner Abreise allen gesetzlichen Formalitäten für Bürgschaft der Seetüchtigkeit und Sicherstellung der Auswanderer auf der Fahrt unterworfen worden

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Zitationshilfe: Allgemeine Auswanderungs-Zeitung. Nr. 5. Rudolstadt, 27. Oktober 1846, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_auswanderer05_1846/5>, abgerufen am 28.03.2024.