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Allgemeine Auswanderungs-Zeitung. Nr. 5. Rudolstadt, 27. Oktober 1846.

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[Beginn Spaltensatz] briken, Kasinet =, Tuch =, Baumwollen = und Seidenfabrik, sind
im schönsten Flore, weil fast alle Gegenstände, die in ihnen er-
zeugt werden, den Vorzug vor den amerikanischen Fabrikaten ver-
dienen, besonders schön ist die daselbst gewonnene und verarbeitete
Seide, die der besten importirten nicht nachsteht; in den Werk-
stätten sind fleißige Hände beschäftigt, die Dampfmühle arbeitet,
die Viehställe bergen das schönste Vieh, die Anlagen werden gut
unterhalten, besonders zeichnet sich Rapp's Garten aus, wel-
cher eine große Auswahl von Blumen und Gewächsen, inländi-
schen und ausländischen, verschiedene Obstgattungen, darunter
deutsche Pflaumenbäume, Reben aus fast allen Theilen der Welt,
die mehr oder weniger gedeihen, und Grotten und Lauben ent-
hält. Alles trägt das Gepräge verständiger Anordnung, rastlosen
Fleißes und unermüdeter Ordnungsliebe; selbst das sogenannte
Museum, eine Sammlung von Natur = und Kunstmerkwürdigkeiten,
gibt Zeugniß davon, sowie nicht minder die Schafzucht, auf
welche viel Fleiß verwendet wird, und die Schäfer, die mit ihren
Hirtentaschen und Hirtenstäben, den Strickstrumpf oder eine an-
dere leichte Arbeit in den Händen, und mit ihren Schäferhunden
Dich an Deutschland erinnern.

"So weit ist Alles gut und schön und des Lobes werth.
Fragt man aber nach den Mitteln, durch welche dieß Alles in
so kurzer Zeit, in ( scheinbarer ) Eintracht und Liebe gewonnen
wurde und erhalten und vermehrt wird, so kann Niemand diese
Mittel und somit das Ganze loben; er müßte denn den Grund-
satz haben: Der Zweck heiligt das Mittel. Das Hauptmittel
ist der Mißbrauch der Religion. Rapp wendet die Religion
an, um seine Gläubigen in Geistesverdummung und absolutem
Gehorsam gegen sich zu erhalten, schlimmer noch als Bäumler,
der Leiter einer andern separatistischen Ansiedlung aus Würtemberg
in der Grafschaft Tascarawas im Staate Ohio. Rapp
predigt, daß die Welt im Argen liegt, daß er von Gott bestimmt
ist, die Welt zu erlösen, daß alle Nicht = Rappisten Kinder des
Teufels sind ec., und daß nur sie, er und seine Gläubigen, die
ihn Vater nennen, die einzigen sind, denen der Himmel aufge-
than wird. Dadurch wird es auch erklärlich, daß einer der
Vorsteher, Rapp's Liebling, seine Eltern, die nicht an Rapp
glaubten, für verloren hält und sich von ihnen gänzlich losgesagt
hat, und daß eine Rappistin, ein Mädchen von ungefähr 20
Jahren, die Verwandte im Lande besuchen und ihnen Sämereien
bringen wollte, sich mit einer Heugabel bewaffnet hatte, um, wie
sie sagte, die bösen Leute von sich abzuhalten. Er lehrt ferner,
daß der, welcher fleißig arbeite und gehorsam sei, einen guten
Platz im Himmel bekommt, und die Güte des Platzes von der
Arbeit und dem Gehorsam abhängig ist. Dort aber im Himmel
sind alle Nicht = Rappisten die Untergebenen der Gläubigen. Bei
dem Tode eines Getreuen sagte er in der Kirche: "Der gute
Bruder hat recht fleißig gearbeitet und ist recht gehorsam gewesen,
ich habe ihm aber dafür auch ein gutes Plätzchen im Himmel
ausgemacht." Kein Mitglied darf ein Buch oder eine Zeitung
lesen, die nicht erst von Rapp oder den Vorstehern approbirt ist.
Alle aber müssen stimmen, wie Rapp es haben will. Er ist un-
[Spaltenumbruch] umschränkter König und Hoherpriester; er kann lösen und binden.
Mehrere Male hat er auch schon die Gesetzgebung von Pennsyl-
vanien gebeten, ihn sammt seiner Schaar aus dem Staatsver-
bande herauszuthun, damit er nicht mehr unter den Gesetzen stehe,
was ihm natürlich abgeschlagen worden ist. Um die Gläubigen
im knechtischen Gehorsam zu erhalten, ist ein Spionsystem ein-
geführt worden. Jede unzufriedene Aeußerung wird dem Vater
sogleich hinterbracht und von ihm streng gerügt; es fürchtet sich
daher einer vor dem andern und ein jeder treibt das ihm ange-
wiesene Geschäft scheinbar unverdrossen und zufrieden. Daß aber
Alles nur auf Arbeit und Auskaufen der Zeit für die Arbeit be-
rechnet ist, beweisen auch die nach dem Plane des Vaters ge-
bauten Häuser der Oekonomiten. Die Thüren der Häuser sind
an deren Seite, niemals einander gegenüberstehend, oder nach
der Gasse, und warum dieses nicht? Dr. Julius hat die Frage
richtig beantwortet: damit die Nachbarn nicht plaudern und sich
hierdurch wechselseitig am Arbeiten hindern können. Wundere
Dich also nicht, daß die Oekonomiten so Großes in so kurzer
Zeit ausgerichtet haben. Jn Aegypten sind Pyramiden und Obe-
lisken gebaut worden. --

"Jn einer deutschen Zeitung in Cincinnati wurde die Eco-
nomy
einmal das große religiöse Gimpelbauer genannt, zur
Schande der Republick aufgebaut, indem Rapp die daselbst be-
findlichen Deutschen wie abgerichtete Vögel behandelt, welche nur
das ihnen eingelernte Lied des großen Meisters in der Verdum-
mungskunst singen dürfen. Wenn es je eine Tyrannei älterer
oder neuerer Zeit gab, sagt die Zeitung, so ist sie in jenem Gim-
pelbauer zu finden, in dem man die Menschen nicht als Men-
schen erkennen würde, hätten sie nicht die Gestalt derselben. Der
Zeitungsschreiber mag seine Ansicht selbst vertreten; ob dieß ihm
schwer wird, ist die Frage, so hart das Gesagte auch klingen
mag. Jch vertrete meine Ansicht, nämlich: daß Vater Rapp
Muster und Beispiel für solche Kolonieführer ist, welche ihre Ko-
lonisten als willenlose Arbeiter, als Maschinen zu ihren Zwecken
behandeln wollen, und, um dieß thun zu können, sie in der
möglichst größten geistigen Knechtschaft erhalten müs-
sen;
daß die Oekonomiten auf der einen Seite Muster und Beispiel
sind für solche Kolonisten, welche des täglichen Brodes, der Woh-
nung und Kleidung wegen eine solche Behandlung auf die Länge der
Zeit ertragen wollen, daß aber, wenn es gut gehen soll, ein
furchtbarer Sectengeist und strenge Abgeschlossenheit von der sün-
digen Welt erhalten werden müssen. Man verweise daher, es ist
dieß meine Bitte, durch meine Ansicht bedingt, in Deutschland nicht
mehr auf Oekonomie und Zoar als auf Musterkolonieen für
meine Landsleute, denn sie sind es eben so wenig, wie die große
Ansiedelung der Marmonen. "

So weit der Brief. Als wir von dem bekannten altluthe-
rischen Prediger Ehrenström um unsere Ansicht von Kolonieen
befragt wurden, riethen wir ihm wohlmeinend, den unglück-
seligen Plan, eine Kolonie anzulegen, fahren zu
lassen, und die Leute nicht ins Unglück zu stürzen, da
bis jetzt alle Kolonisationsversuche in Amerika geschei-

[Beginn Spaltensatz] briken, Kasinet =, Tuch =, Baumwollen = und Seidenfabrik, sind
im schönsten Flore, weil fast alle Gegenstände, die in ihnen er-
zeugt werden, den Vorzug vor den amerikanischen Fabrikaten ver-
dienen, besonders schön ist die daselbst gewonnene und verarbeitete
Seide, die der besten importirten nicht nachsteht; in den Werk-
stätten sind fleißige Hände beschäftigt, die Dampfmühle arbeitet,
die Viehställe bergen das schönste Vieh, die Anlagen werden gut
unterhalten, besonders zeichnet sich Rapp's Garten aus, wel-
cher eine große Auswahl von Blumen und Gewächsen, inländi-
schen und ausländischen, verschiedene Obstgattungen, darunter
deutsche Pflaumenbäume, Reben aus fast allen Theilen der Welt,
die mehr oder weniger gedeihen, und Grotten und Lauben ent-
hält. Alles trägt das Gepräge verständiger Anordnung, rastlosen
Fleißes und unermüdeter Ordnungsliebe; selbst das sogenannte
Museum, eine Sammlung von Natur = und Kunstmerkwürdigkeiten,
gibt Zeugniß davon, sowie nicht minder die Schafzucht, auf
welche viel Fleiß verwendet wird, und die Schäfer, die mit ihren
Hirtentaschen und Hirtenstäben, den Strickstrumpf oder eine an-
dere leichte Arbeit in den Händen, und mit ihren Schäferhunden
Dich an Deutschland erinnern.

„So weit ist Alles gut und schön und des Lobes werth.
Fragt man aber nach den Mitteln, durch welche dieß Alles in
so kurzer Zeit, in ( scheinbarer ) Eintracht und Liebe gewonnen
wurde und erhalten und vermehrt wird, so kann Niemand diese
Mittel und somit das Ganze loben; er müßte denn den Grund-
satz haben: Der Zweck heiligt das Mittel. Das Hauptmittel
ist der Mißbrauch der Religion. Rapp wendet die Religion
an, um seine Gläubigen in Geistesverdummung und absolutem
Gehorsam gegen sich zu erhalten, schlimmer noch als Bäumler,
der Leiter einer andern separatistischen Ansiedlung aus Würtemberg
in der Grafschaft Tascarawas im Staate Ohio. Rapp
predigt, daß die Welt im Argen liegt, daß er von Gott bestimmt
ist, die Welt zu erlösen, daß alle Nicht = Rappisten Kinder des
Teufels sind ec., und daß nur sie, er und seine Gläubigen, die
ihn Vater nennen, die einzigen sind, denen der Himmel aufge-
than wird. Dadurch wird es auch erklärlich, daß einer der
Vorsteher, Rapp's Liebling, seine Eltern, die nicht an Rapp
glaubten, für verloren hält und sich von ihnen gänzlich losgesagt
hat, und daß eine Rappistin, ein Mädchen von ungefähr 20
Jahren, die Verwandte im Lande besuchen und ihnen Sämereien
bringen wollte, sich mit einer Heugabel bewaffnet hatte, um, wie
sie sagte, die bösen Leute von sich abzuhalten. Er lehrt ferner,
daß der, welcher fleißig arbeite und gehorsam sei, einen guten
Platz im Himmel bekommt, und die Güte des Platzes von der
Arbeit und dem Gehorsam abhängig ist. Dort aber im Himmel
sind alle Nicht = Rappisten die Untergebenen der Gläubigen. Bei
dem Tode eines Getreuen sagte er in der Kirche: „Der gute
Bruder hat recht fleißig gearbeitet und ist recht gehorsam gewesen,
ich habe ihm aber dafür auch ein gutes Plätzchen im Himmel
ausgemacht.“ Kein Mitglied darf ein Buch oder eine Zeitung
lesen, die nicht erst von Rapp oder den Vorstehern approbirt ist.
Alle aber müssen stimmen, wie Rapp es haben will. Er ist un-
[Spaltenumbruch] umschränkter König und Hoherpriester; er kann lösen und binden.
Mehrere Male hat er auch schon die Gesetzgebung von Pennsyl-
vanien gebeten, ihn sammt seiner Schaar aus dem Staatsver-
bande herauszuthun, damit er nicht mehr unter den Gesetzen stehe,
was ihm natürlich abgeschlagen worden ist. Um die Gläubigen
im knechtischen Gehorsam zu erhalten, ist ein Spionsystem ein-
geführt worden. Jede unzufriedene Aeußerung wird dem Vater
sogleich hinterbracht und von ihm streng gerügt; es fürchtet sich
daher einer vor dem andern und ein jeder treibt das ihm ange-
wiesene Geschäft scheinbar unverdrossen und zufrieden. Daß aber
Alles nur auf Arbeit und Auskaufen der Zeit für die Arbeit be-
rechnet ist, beweisen auch die nach dem Plane des Vaters ge-
bauten Häuser der Oekonomiten. Die Thüren der Häuser sind
an deren Seite, niemals einander gegenüberstehend, oder nach
der Gasse, und warum dieses nicht? Dr. Julius hat die Frage
richtig beantwortet: damit die Nachbarn nicht plaudern und sich
hierdurch wechselseitig am Arbeiten hindern können. Wundere
Dich also nicht, daß die Oekonomiten so Großes in so kurzer
Zeit ausgerichtet haben. Jn Aegypten sind Pyramiden und Obe-
lisken gebaut worden. --

„Jn einer deutschen Zeitung in Cincinnati wurde die Eco-
nomy
einmal das große religiöse Gimpelbauer genannt, zur
Schande der Republick aufgebaut, indem Rapp die daselbst be-
findlichen Deutschen wie abgerichtete Vögel behandelt, welche nur
das ihnen eingelernte Lied des großen Meisters in der Verdum-
mungskunst singen dürfen. Wenn es je eine Tyrannei älterer
oder neuerer Zeit gab, sagt die Zeitung, so ist sie in jenem Gim-
pelbauer zu finden, in dem man die Menschen nicht als Men-
schen erkennen würde, hätten sie nicht die Gestalt derselben. Der
Zeitungsschreiber mag seine Ansicht selbst vertreten; ob dieß ihm
schwer wird, ist die Frage, so hart das Gesagte auch klingen
mag. Jch vertrete meine Ansicht, nämlich: daß Vater Rapp
Muster und Beispiel für solche Kolonieführer ist, welche ihre Ko-
lonisten als willenlose Arbeiter, als Maschinen zu ihren Zwecken
behandeln wollen, und, um dieß thun zu können, sie in der
möglichst größten geistigen Knechtschaft erhalten müs-
sen;
daß die Oekonomiten auf der einen Seite Muster und Beispiel
sind für solche Kolonisten, welche des täglichen Brodes, der Woh-
nung und Kleidung wegen eine solche Behandlung auf die Länge der
Zeit ertragen wollen, daß aber, wenn es gut gehen soll, ein
furchtbarer Sectengeist und strenge Abgeschlossenheit von der sün-
digen Welt erhalten werden müssen. Man verweise daher, es ist
dieß meine Bitte, durch meine Ansicht bedingt, in Deutschland nicht
mehr auf Oekonomie und Zoar als auf Musterkolonieen für
meine Landsleute, denn sie sind es eben so wenig, wie die große
Ansiedelung der Marmonen.

So weit der Brief. Als wir von dem bekannten altluthe-
rischen Prediger Ehrenström um unsere Ansicht von Kolonieen
befragt wurden, riethen wir ihm wohlmeinend, den unglück-
seligen Plan, eine Kolonie anzulegen, fahren zu
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Rapp wendet die Religion an, um seine Gläubigen in Geistesverdummung und absolutem Gehorsam gegen sich zu erhalten, schlimmer noch als Bäumler, der Leiter einer andern separatistischen Ansiedlung aus Würtemberg in der Grafschaft Tascarawas im Staate Ohio. Rapp predigt, daß die Welt im Argen liegt, daß er von Gott bestimmt ist, die Welt zu erlösen, daß alle Nicht = Rappisten Kinder des Teufels sind ec., und daß nur sie, er und seine Gläubigen, die ihn Vater nennen, die einzigen sind, denen der Himmel aufge- than wird. Dadurch wird es auch erklärlich, daß einer der Vorsteher, Rapp's Liebling, seine Eltern, die nicht an Rapp glaubten, für verloren hält und sich von ihnen gänzlich losgesagt hat, und daß eine Rappistin, ein Mädchen von ungefähr 20 Jahren, die Verwandte im Lande besuchen und ihnen Sämereien bringen wollte, sich mit einer Heugabel bewaffnet hatte, um, wie sie sagte, die bösen Leute von sich abzuhalten. 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Jch vertrete meine Ansicht, nämlich: daß Vater Rapp Muster und Beispiel für solche Kolonieführer ist, welche ihre Ko- lonisten als willenlose Arbeiter, als Maschinen zu ihren Zwecken behandeln wollen, und, um dieß thun zu können, sie in der möglichst größten geistigen Knechtschaft erhalten müs- sen; daß die Oekonomiten auf der einen Seite Muster und Beispiel sind für solche Kolonisten, welche des täglichen Brodes, der Woh- nung und Kleidung wegen eine solche Behandlung auf die Länge der Zeit ertragen wollen, daß aber, wenn es gut gehen soll, ein furchtbarer Sectengeist und strenge Abgeschlossenheit von der sün- digen Welt erhalten werden müssen. Man verweise daher, es ist dieß meine Bitte, durch meine Ansicht bedingt, in Deutschland nicht mehr auf Oekonomie und Zoar als auf Musterkolonieen für meine Landsleute, denn sie sind es eben so wenig, wie die große Ansiedelung der Marmonen. “ So weit der Brief. 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Zitationshilfe: Allgemeine Auswanderungs-Zeitung. Nr. 5. Rudolstadt, 27. Oktober 1846, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_auswanderer05_1846/2>, abgerufen am 29.03.2024.