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Allgemeine Zeitung. Nr. 71. Augsburg (Bayern), 12. März 1871.

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[Spaltenumbruch] zweiten, der "König Wilhelm" gar erst nach der dritten Decemberwoche
ins Dock, und da war es in Wirklichkeit hohe Zeit, denn um Weihnachten
kam mit der strengen Kälte das Eis, vor welchen man sich nach Norwegen
hätte flüchten müssen, wäre das Dock nicht noch eben rechtzeitig fertig ge-
worden. Die Hafenbaubehörde kann von Glück sagen daß ein solcher Noth-
fall nicht eingetreten ist, um ihre Langsamkeit zum Gegenstand des allge-
meinen Unmuths zu machen.

Noch weiter zurück als das Hafenbecken war, sind die dazu gehörigen
Hochbauten. Es sieht beinahe so aus als habe man an diese zu denken und
sich Geld für sie bewilligen zu lassen ganz vergessen. Nichts außer einem
Dampfkrahn und einer nothdürftigen Schmiede mit fünf oder sechs Feuern
ist vorhanden. Die Kriegsschiffe können daher im Trockendock -- in
welchem gegenwärtig der "Prinz Friedrich Karl" liegt -- nichts als sich
reinigen und frisch anstreichen lassen; für jede größere Reparatur müssen
sie nach Kiel. Wäre der Hafenbau ein Bestandtheil der Armeeverwaltung,
man kann wohl nicht zweifeln daß der Krieg ihn auch in dieser Beziehung
minder weit zurück angetroffen haben würde.

Einheitliche Leitung und eine durchgehends fachmäßig competente
Leitung -- das ist das große doppelte Erforderniß wenn die Marine sich
auf gleicher Höhe der Leistungsfähigkeit mit der nationalen Armee ent-
wickeln soll. Den besondern Oberbefehlshaber kann sie füglich entbehren;
ist er ihr beim Beginn des Kriegs ohne ersichtlichen Schaden abhanden
gekommen, so braucht er auch mit dem Frieden nicht zurückzukehren. Sein
Einfluß hat sich immer nur in sehr untergeordneten Aeußerlichkeiten be-
thätigt; abgesehen allenfalls von dem moralischen Schutze welchen seine
sociale Stellung anfänglich der zarten Pflanze gewährt haben mag. Jn
noch höherm Grade wird dieses letztere von der bisherigen Mitverwaltung
des Marineministeriums durch den preußischen Kriegsminister gelten. Aber
auch für dieses Provisorium ist mit der Erstehung des Deutschen Reiches
die Zeit vorüber. Wir bedürfen eines Mannes von Fach als Marine-
minister, dessen Autorität sich das gesammte Seewesen, Kriegs= und Han-
delsflotte, Häfen und Fahrwasser, als ein geschlossenes Ganzes unterwirft.

Damit ist keine falsche und gewaltsame Centralisation verstanden.
Jm Gegentheil, es könnte mit Vortheil den Stationschefs, Oberwerft-
directoren und Hafencapitänen etwas freierer Spielraum für ihre Verant-
wortlichkeit gegönnt werden. Der berühmte Verwaltungsgrundsatz von
welchem stramme Bureaukraten Preußens ganze Größe herleiten, daß außer-
halb der Ministerien in Berlin keine Summe von mehr als 50 Thlrn. un-
abhängig verausgabt werden darf, hat sich im allgemeinen überlebt, und ist
für Deutschlands Zukunft nicht unbedingt erforderlich. Man mag diese
Maximalgränze der selbständigen Verfügung provincieller oder sonst deta-
schirter Verwaltungschefs getrost verzehn= oder verzwanzigfachen. Der
Entschluß und die Fähigkeit vorkommenden Falls eine etwas ernstere
Verantwortlichkeit zu übernehmen werden dadurch nur wachsen.

Einheitlich sollte auch der feste und der schwimmende Theil der Küsten-
vertheidigung sowohl angeordnet als geleitet werden. Die jetzigen Strand-
batterien in Wilhelmshafen, freilich ein Werk des Augenblicks und der
Noth, sollen schwerlich den Krieg überleben. Denn wenn sie den Feind
verfehlen, treffen sie den Hafen. Man könnte nun ein festes Fort auf einer
der Sandbanke der Barre anlegen; allein dasselbe fest und sicher zu
gründen, dürfte eine verzweifelte Arbeit sein. Richtiger erscheint es daher
wohl schwimmende Batterien herzustellen welche in Verbindung mit Küsten-
batterien, Kriegsschiffen und Torpedo=Booten den Eingang zum Jade-
Kriegshafen vertheidigen.

Derartige Vorschläge werden im Schooße der obersten Marinebehör-
den bereits erwogen. Nur Schade daß fachmännische Erfahrung in diesem
entscheidenden Kreise bis jetzt so schwach vertreten ist. Ein kleines Colle-
gium älterer erfahrener See=Officiere, das die Entschließungen des Marine-
ministers durch seine Gutachten und Berichte vorbereitete, wäre dringend
zu wünschen.

Der Reichstag hat dann das verlangte Geld zu bewilligen. Aber die
einzigen Sachverständigen in seiner Mitte -- oder die sich dafür halten --
sind ein bekannter alter Volksmann und Fabrikbesitzer aus Westfalen und
ein Oberlehrer aus Stettin. Bei dem folgenreichen Ernst der demnächst
zu treffenden Entscheidungen würden wir es dem Reichstage nicht ver-
denken wenn er sich bei der Einsicht der HH. Harkort und Schmidt nicht
ganz beruhigte, sondern einige klare und energische Köpfe aus seiner Mitte
mit einer Untersuchung der Flotten= und Kriegshafenverhältnisse an Ort
und Stelle beauftragte, damit er alsdann, auf diese gestützt, seine Wahl mit
einer gewissen Zuversicht treffen könne.

Deutsches Reich.

+ München, 10 März. Se. Maj. der König hat gestern den aus
Versailles zurückgekehrten Grafen v. Bray empfangen, und heute den
Vortrag des Staatsministers des Jnnern entgegengenommen.

[Spaltenumbruch]

+ * München, 10 März. Jn einer Reihe von Journalen, unter
andern auch im heutigen Leitartikel Jhres geehrten Blattes, finden sich
detaillirte Angaben über angeblich erzielte "Abmachungen" der deut-
schen Regierungen, durch welche eine Vergrößerung Bayerns mittelst Zu-
weisung vormals französischer Gebietstheile festgestellt worden sein soll.
Mit so großer Bestimmtheit diese Nachrichten auch auftreten, erlaube ich
mir doch den Zweifel auszusprechen ob dieselben bezüglich ihrer Zuverlässig-
keit den Werth einer mehr oder minder gelungenen Combination überstei-
gen. Nach sicheren Jnformationen hat irgendwelche Beschlußnahme in
der fraglichen Richtung bis jetzt nicht stattgefunden, und konnte auch gar
nicht stattfinden, weil einerseits der definitive Friedensschluß noch nicht er-
folgt ist, andrerseits für solche Abmachungen die Zustimmung des Bundes-
raths und die Genehmigung des Reichstags eine unerläßliche Voraus-
setzung bilden würde. Wenn auch die Absicht bestehen sollte Bayern in
irgendeiner Weise für den im Jahre 1866 erlittenen Gebietsverlust zu
entschädigen, so ist jedenfalls eine Entscheidung hierüber noch in keiner
Weise getroffen, und Zeitungsnachrichten welche das Publicum bereits
über Lage, Ausdehnung und statistische Verhältnisse des Entschädigungs-
objects zu belehren wissen, kann man getrost als aus der Luft gegriffen
bezeichnen. ( Die betreffende Mittheilung kam uns von so wohl unter-
richteter und vertrauenswerther Seite zu, daß wir die vollständige Grund-
losigkeit derselben immer noch bezweifeln möchten. D. R. )

Karlsruhe, 9 März. Großherzog Friedrich ist gestern Abends
halb 10 Uhr von Versailles, wo er über vier Monate verweilte, hierher
zurückgekehrt. Der Empfang welcher dem verehrten Landesfürsten zu-
theil geworden, war dießmal ein besonders warmer und sympathischer.
Kanonendonner und Glockengeläute, welche mit dem Eintritte des Extra-
zuges in das Weichbild der Stadt ihren Anfang nahmen, sind officielle
Anordnungen die überall vorkommen; aber die endlosen Hochrufe einer
dichtgedrängten Volksmenge, als der Großherzog mit dem Erbgroßherzog
in offenem Wagen durch die reich beflaggten Straßen, da und dort von
bengalischem Feuer beleuchtet, zum Schlosse fuhr, kamen sichtlich aufrichtig
aus den über die glückliche Wiederkehr des verehrten Fürsten erfreuten
Herzen. Vor dem Schlosse sammelte sich im Scheine der Fackeln das
Feuerwehrcorps, unter Absingung patriotischer Lieder und Hochrufen,
Kopf an Kopf die Menge. Vom Balcon dankte der Großherzog an der
Seite seiner tiefergriffenen Gemahlin für den herzlichen und erhebenden
Empfang der ihm bei der Rückkehr "in seine theure Vaterstadt" zutheil ge-
worden. Mit feinem Tact deutete er hin auf die Freude für den Frieden,
der mit dem theuren Blute so vieler wackeren Streiter, "unserer Brüder,"
erkauft worden, und dann auf die Freude an dem Werk an welchem sie alle
mitgeholfen: der Entstehung des neuen Deutschen Reiches. "Diesem neuen
Deutschen Reiche" -- schloß der fürstliche Redner -- "lassen Sie uns ein
dreifaches Hoch ausbringen!" Donnernde Hochrufe antworteten; ihnen
folgten gleich lebhafte auf den Fürsten, die Frau Großherzogin, den Erb-
großherzog, auf den Deutschen Kaiser. Das Ganze machte einen erheben-
den, sympathischen Eindruck.

Darmstadt, 8 März. Die gegenwärtig gepflogenen Verhand-
lungen über verschiedene Modificationen der preußisch=hessischen Militär-
Convention vom 7 April 1867 haben, gutem Vernehmen nach, bis jetzt zu
folgenden Resultaten geführt: Hessen begibt sich der ihm durch diese Con-
vention zugestandenen Selbständigkeit der Militär = Verwaltung; das
Kriegs=Ministerium kommt in Wegfall. Aus den vier Jnfanterie=Regi-
mentern der Division, welche seither nur zwei Bataillone zählten, werden
alsbald nach dem Eintreffen der Truppen aus dem Felde drei Regimenter
( Nr. 97, 98 und 99 ) zu je drei Bataillonen ( zwei Musketier= und ein
Füsilier=Bataillon ) formirt. Das 2. Jnfanterie=Regiment, als das jüngste
der hessischen Regimenter, wird aufgelöst, und seine beiden Bataillone werden
zur Formation der dritten Bataillone des seitherigen 1. und 3. Jnfanterie-
Regiments verwendet. Das seitherige 4. Jnfanterie=Regiment erhält sein
drittes ( Füsilier= ) Bataillon durch das gleichfalls zur Auflösung kommende
2. Jäger=Bataillon. -- Wie ferner verlautet, liegt es nicht in der Absicht
die hessische Division mit der badischen zum 13. deutschen Armee=Corps zu
vereinigen; sie soll vielmehr in ihrem seitherigen Verbande beim 11. Armee-
Corps verbleiben. -- Preußischerseits wurde die Stellung eines hessischen
Jnfanterie=Regiments zur Garnison von Mainz gewünscht, und der Groß-
herzog hat sich für das vor dem Kriege dahier in Garnison befindlich gewesene
4. Jnfanterie=Regiment entschieden. ( Frkf. Z. )

Berlin, 9 März. Heute Donnerstag früh halb 8 Uhr traf der
Reichskanzler Graf Bismarck vom Kriegsschauplatz wieder hier ein. Jn
der Begleitung des Grafen befanden sich die Geh. Legationsräthe Graf
v. Bismarck=Bohlen und v. Keudell und die Legationsräthe Bucher und
Graf Hatzfeldt. Auf dem Bahnhof hatte sich ein nur wenig zahlreiches
Publicum eingefunden, da die Rückkehr des Grafen in weiteren Kreisen
nicht bekannt war. Nur die Gräfin Bismarck nebst Tochter sowie einige höhere
Staatsbeamte erwarteten die Ankunft des Zuges. Reisende welche sich gleich-
falls in dem Zuge befanden, berichteten von dem enthusiastischen Empfang
welcher dem Reichskanzler von Straßburg ab auf allen Eisenbahnstationen
zutheil wurde.* ) Graf Bismarck empfieng im Laufe des heutigen Tages die

* ) Namentlich in Mainz scheint dem Reichskanzler ein sehr enthusiastischer Empfang
bereitet worden zu sein.Ein Ueberschwänglicher berichtet darüber in der "Köln.

[Spaltenumbruch] zweiten, der „König Wilhelm“ gar erst nach der dritten Decemberwoche
ins Dock, und da war es in Wirklichkeit hohe Zeit, denn um Weihnachten
kam mit der strengen Kälte das Eis, vor welchen man sich nach Norwegen
hätte flüchten müssen, wäre das Dock nicht noch eben rechtzeitig fertig ge-
worden. Die Hafenbaubehörde kann von Glück sagen daß ein solcher Noth-
fall nicht eingetreten ist, um ihre Langsamkeit zum Gegenstand des allge-
meinen Unmuths zu machen.

Noch weiter zurück als das Hafenbecken war, sind die dazu gehörigen
Hochbauten. Es sieht beinahe so aus als habe man an diese zu denken und
sich Geld für sie bewilligen zu lassen ganz vergessen. Nichts außer einem
Dampfkrahn und einer nothdürftigen Schmiede mit fünf oder sechs Feuern
ist vorhanden. Die Kriegsschiffe können daher im Trockendock -- in
welchem gegenwärtig der „Prinz Friedrich Karl“ liegt -- nichts als sich
reinigen und frisch anstreichen lassen; für jede größere Reparatur müssen
sie nach Kiel. Wäre der Hafenbau ein Bestandtheil der Armeeverwaltung,
man kann wohl nicht zweifeln daß der Krieg ihn auch in dieser Beziehung
minder weit zurück angetroffen haben würde.

Einheitliche Leitung und eine durchgehends fachmäßig competente
Leitung -- das ist das große doppelte Erforderniß wenn die Marine sich
auf gleicher Höhe der Leistungsfähigkeit mit der nationalen Armee ent-
wickeln soll. Den besondern Oberbefehlshaber kann sie füglich entbehren;
ist er ihr beim Beginn des Kriegs ohne ersichtlichen Schaden abhanden
gekommen, so braucht er auch mit dem Frieden nicht zurückzukehren. Sein
Einfluß hat sich immer nur in sehr untergeordneten Aeußerlichkeiten be-
thätigt; abgesehen allenfalls von dem moralischen Schutze welchen seine
sociale Stellung anfänglich der zarten Pflanze gewährt haben mag. Jn
noch höherm Grade wird dieses letztere von der bisherigen Mitverwaltung
des Marineministeriums durch den preußischen Kriegsminister gelten. Aber
auch für dieses Provisorium ist mit der Erstehung des Deutschen Reiches
die Zeit vorüber. Wir bedürfen eines Mannes von Fach als Marine-
minister, dessen Autorität sich das gesammte Seewesen, Kriegs= und Han-
delsflotte, Häfen und Fahrwasser, als ein geschlossenes Ganzes unterwirft.

Damit ist keine falsche und gewaltsame Centralisation verstanden.
Jm Gegentheil, es könnte mit Vortheil den Stationschefs, Oberwerft-
directoren und Hafencapitänen etwas freierer Spielraum für ihre Verant-
wortlichkeit gegönnt werden. Der berühmte Verwaltungsgrundsatz von
welchem stramme Bureaukraten Preußens ganze Größe herleiten, daß außer-
halb der Ministerien in Berlin keine Summe von mehr als 50 Thlrn. un-
abhängig verausgabt werden darf, hat sich im allgemeinen überlebt, und ist
für Deutschlands Zukunft nicht unbedingt erforderlich. Man mag diese
Maximalgränze der selbständigen Verfügung provincieller oder sonst deta-
schirter Verwaltungschefs getrost verzehn= oder verzwanzigfachen. Der
Entschluß und die Fähigkeit vorkommenden Falls eine etwas ernstere
Verantwortlichkeit zu übernehmen werden dadurch nur wachsen.

Einheitlich sollte auch der feste und der schwimmende Theil der Küsten-
vertheidigung sowohl angeordnet als geleitet werden. Die jetzigen Strand-
batterien in Wilhelmshafen, freilich ein Werk des Augenblicks und der
Noth, sollen schwerlich den Krieg überleben. Denn wenn sie den Feind
verfehlen, treffen sie den Hafen. Man könnte nun ein festes Fort auf einer
der Sandbanke der Barre anlegen; allein dasselbe fest und sicher zu
gründen, dürfte eine verzweifelte Arbeit sein. Richtiger erscheint es daher
wohl schwimmende Batterien herzustellen welche in Verbindung mit Küsten-
batterien, Kriegsschiffen und Torpedo=Booten den Eingang zum Jade-
Kriegshafen vertheidigen.

Derartige Vorschläge werden im Schooße der obersten Marinebehör-
den bereits erwogen. Nur Schade daß fachmännische Erfahrung in diesem
entscheidenden Kreise bis jetzt so schwach vertreten ist. Ein kleines Colle-
gium älterer erfahrener See=Officiere, das die Entschließungen des Marine-
ministers durch seine Gutachten und Berichte vorbereitete, wäre dringend
zu wünschen.

Der Reichstag hat dann das verlangte Geld zu bewilligen. Aber die
einzigen Sachverständigen in seiner Mitte -- oder die sich dafür halten --
sind ein bekannter alter Volksmann und Fabrikbesitzer aus Westfalen und
ein Oberlehrer aus Stettin. Bei dem folgenreichen Ernst der demnächst
zu treffenden Entscheidungen würden wir es dem Reichstage nicht ver-
denken wenn er sich bei der Einsicht der HH. Harkort und Schmidt nicht
ganz beruhigte, sondern einige klare und energische Köpfe aus seiner Mitte
mit einer Untersuchung der Flotten= und Kriegshafenverhältnisse an Ort
und Stelle beauftragte, damit er alsdann, auf diese gestützt, seine Wahl mit
einer gewissen Zuversicht treffen könne.

Deutsches Reich.

München, 10 März. Se. Maj. der König hat gestern den aus
Versailles zurückgekehrten Grafen v. Bray empfangen, und heute den
Vortrag des Staatsministers des Jnnern entgegengenommen.

[Spaltenumbruch]

* München, 10 März. Jn einer Reihe von Journalen, unter
andern auch im heutigen Leitartikel Jhres geehrten Blattes, finden sich
detaillirte Angaben über angeblich erzielte „Abmachungen“ der deut-
schen Regierungen, durch welche eine Vergrößerung Bayerns mittelst Zu-
weisung vormals französischer Gebietstheile festgestellt worden sein soll.
Mit so großer Bestimmtheit diese Nachrichten auch auftreten, erlaube ich
mir doch den Zweifel auszusprechen ob dieselben bezüglich ihrer Zuverlässig-
keit den Werth einer mehr oder minder gelungenen Combination überstei-
gen. Nach sicheren Jnformationen hat irgendwelche Beschlußnahme in
der fraglichen Richtung bis jetzt nicht stattgefunden, und konnte auch gar
nicht stattfinden, weil einerseits der definitive Friedensschluß noch nicht er-
folgt ist, andrerseits für solche Abmachungen die Zustimmung des Bundes-
raths und die Genehmigung des Reichstags eine unerläßliche Voraus-
setzung bilden würde. Wenn auch die Absicht bestehen sollte Bayern in
irgendeiner Weise für den im Jahre 1866 erlittenen Gebietsverlust zu
entschädigen, so ist jedenfalls eine Entscheidung hierüber noch in keiner
Weise getroffen, und Zeitungsnachrichten welche das Publicum bereits
über Lage, Ausdehnung und statistische Verhältnisse des Entschädigungs-
objects zu belehren wissen, kann man getrost als aus der Luft gegriffen
bezeichnen. ( Die betreffende Mittheilung kam uns von so wohl unter-
richteter und vertrauenswerther Seite zu, daß wir die vollständige Grund-
losigkeit derselben immer noch bezweifeln möchten. D. R. )

Karlsruhe, 9 März. Großherzog Friedrich ist gestern Abends
halb 10 Uhr von Versailles, wo er über vier Monate verweilte, hierher
zurückgekehrt. Der Empfang welcher dem verehrten Landesfürsten zu-
theil geworden, war dießmal ein besonders warmer und sympathischer.
Kanonendonner und Glockengeläute, welche mit dem Eintritte des Extra-
zuges in das Weichbild der Stadt ihren Anfang nahmen, sind officielle
Anordnungen die überall vorkommen; aber die endlosen Hochrufe einer
dichtgedrängten Volksmenge, als der Großherzog mit dem Erbgroßherzog
in offenem Wagen durch die reich beflaggten Straßen, da und dort von
bengalischem Feuer beleuchtet, zum Schlosse fuhr, kamen sichtlich aufrichtig
aus den über die glückliche Wiederkehr des verehrten Fürsten erfreuten
Herzen. Vor dem Schlosse sammelte sich im Scheine der Fackeln das
Feuerwehrcorps, unter Absingung patriotischer Lieder und Hochrufen,
Kopf an Kopf die Menge. Vom Balcon dankte der Großherzog an der
Seite seiner tiefergriffenen Gemahlin für den herzlichen und erhebenden
Empfang der ihm bei der Rückkehr „in seine theure Vaterstadt“ zutheil ge-
worden. Mit feinem Tact deutete er hin auf die Freude für den Frieden,
der mit dem theuren Blute so vieler wackeren Streiter, „unserer Brüder,“
erkauft worden, und dann auf die Freude an dem Werk an welchem sie alle
mitgeholfen: der Entstehung des neuen Deutschen Reiches. „Diesem neuen
Deutschen Reiche“ -- schloß der fürstliche Redner -- „lassen Sie uns ein
dreifaches Hoch ausbringen!“ Donnernde Hochrufe antworteten; ihnen
folgten gleich lebhafte auf den Fürsten, die Frau Großherzogin, den Erb-
großherzog, auf den Deutschen Kaiser. Das Ganze machte einen erheben-
den, sympathischen Eindruck.

Darmstadt, 8 März. Die gegenwärtig gepflogenen Verhand-
lungen über verschiedene Modificationen der preußisch=hessischen Militär-
Convention vom 7 April 1867 haben, gutem Vernehmen nach, bis jetzt zu
folgenden Resultaten geführt: Hessen begibt sich der ihm durch diese Con-
vention zugestandenen Selbständigkeit der Militär = Verwaltung; das
Kriegs=Ministerium kommt in Wegfall. Aus den vier Jnfanterie=Regi-
mentern der Division, welche seither nur zwei Bataillone zählten, werden
alsbald nach dem Eintreffen der Truppen aus dem Felde drei Regimenter
( Nr. 97, 98 und 99 ) zu je drei Bataillonen ( zwei Musketier= und ein
Füsilier=Bataillon ) formirt. Das 2. Jnfanterie=Regiment, als das jüngste
der hessischen Regimenter, wird aufgelöst, und seine beiden Bataillone werden
zur Formation der dritten Bataillone des seitherigen 1. und 3. Jnfanterie-
Regiments verwendet. Das seitherige 4. Jnfanterie=Regiment erhält sein
drittes ( Füsilier= ) Bataillon durch das gleichfalls zur Auflösung kommende
2. Jäger=Bataillon. -- Wie ferner verlautet, liegt es nicht in der Absicht
die hessische Division mit der badischen zum 13. deutschen Armee=Corps zu
vereinigen; sie soll vielmehr in ihrem seitherigen Verbande beim 11. Armee-
Corps verbleiben. -- Preußischerseits wurde die Stellung eines hessischen
Jnfanterie=Regiments zur Garnison von Mainz gewünscht, und der Groß-
herzog hat sich für das vor dem Kriege dahier in Garnison befindlich gewesene
4. Jnfanterie=Regiment entschieden. ( Frkf. Z. )

Berlin, 9 März. Heute Donnerstag früh halb 8 Uhr traf der
Reichskanzler Graf Bismarck vom Kriegsschauplatz wieder hier ein. Jn
der Begleitung des Grafen befanden sich die Geh. Legationsräthe Graf
v. Bismarck=Bohlen und v. Keudell und die Legationsräthe Bucher und
Graf Hatzfeldt. Auf dem Bahnhof hatte sich ein nur wenig zahlreiches
Publicum eingefunden, da die Rückkehr des Grafen in weiteren Kreisen
nicht bekannt war. Nur die Gräfin Bismarck nebst Tochter sowie einige höhere
Staatsbeamte erwarteten die Ankunft des Zuges. Reisende welche sich gleich-
falls in dem Zuge befanden, berichteten von dem enthusiastischen Empfang
welcher dem Reichskanzler von Straßburg ab auf allen Eisenbahnstationen
zutheil wurde.* ) Graf Bismarck empfieng im Laufe des heutigen Tages die

* ) Namentlich in Mainz scheint dem Reichskanzler ein sehr enthusiastischer Empfang
bereitet worden zu sein.Ein Ueberschwänglicher berichtet darüber in der „Köln.
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[1198/0002] zweiten, der „König Wilhelm“ gar erst nach der dritten Decemberwoche ins Dock, und da war es in Wirklichkeit hohe Zeit, denn um Weihnachten kam mit der strengen Kälte das Eis, vor welchen man sich nach Norwegen hätte flüchten müssen, wäre das Dock nicht noch eben rechtzeitig fertig ge- worden. Die Hafenbaubehörde kann von Glück sagen daß ein solcher Noth- fall nicht eingetreten ist, um ihre Langsamkeit zum Gegenstand des allge- meinen Unmuths zu machen. Noch weiter zurück als das Hafenbecken war, sind die dazu gehörigen Hochbauten. Es sieht beinahe so aus als habe man an diese zu denken und sich Geld für sie bewilligen zu lassen ganz vergessen. Nichts außer einem Dampfkrahn und einer nothdürftigen Schmiede mit fünf oder sechs Feuern ist vorhanden. Die Kriegsschiffe können daher im Trockendock -- in welchem gegenwärtig der „Prinz Friedrich Karl“ liegt -- nichts als sich reinigen und frisch anstreichen lassen; für jede größere Reparatur müssen sie nach Kiel. Wäre der Hafenbau ein Bestandtheil der Armeeverwaltung, man kann wohl nicht zweifeln daß der Krieg ihn auch in dieser Beziehung minder weit zurück angetroffen haben würde. Einheitliche Leitung und eine durchgehends fachmäßig competente Leitung -- das ist das große doppelte Erforderniß wenn die Marine sich auf gleicher Höhe der Leistungsfähigkeit mit der nationalen Armee ent- wickeln soll. Den besondern Oberbefehlshaber kann sie füglich entbehren; ist er ihr beim Beginn des Kriegs ohne ersichtlichen Schaden abhanden gekommen, so braucht er auch mit dem Frieden nicht zurückzukehren. Sein Einfluß hat sich immer nur in sehr untergeordneten Aeußerlichkeiten be- thätigt; abgesehen allenfalls von dem moralischen Schutze welchen seine sociale Stellung anfänglich der zarten Pflanze gewährt haben mag. Jn noch höherm Grade wird dieses letztere von der bisherigen Mitverwaltung des Marineministeriums durch den preußischen Kriegsminister gelten. Aber auch für dieses Provisorium ist mit der Erstehung des Deutschen Reiches die Zeit vorüber. Wir bedürfen eines Mannes von Fach als Marine- minister, dessen Autorität sich das gesammte Seewesen, Kriegs= und Han- delsflotte, Häfen und Fahrwasser, als ein geschlossenes Ganzes unterwirft. Damit ist keine falsche und gewaltsame Centralisation verstanden. Jm Gegentheil, es könnte mit Vortheil den Stationschefs, Oberwerft- directoren und Hafencapitänen etwas freierer Spielraum für ihre Verant- wortlichkeit gegönnt werden. Der berühmte Verwaltungsgrundsatz von welchem stramme Bureaukraten Preußens ganze Größe herleiten, daß außer- halb der Ministerien in Berlin keine Summe von mehr als 50 Thlrn. un- abhängig verausgabt werden darf, hat sich im allgemeinen überlebt, und ist für Deutschlands Zukunft nicht unbedingt erforderlich. Man mag diese Maximalgränze der selbständigen Verfügung provincieller oder sonst deta- schirter Verwaltungschefs getrost verzehn= oder verzwanzigfachen. Der Entschluß und die Fähigkeit vorkommenden Falls eine etwas ernstere Verantwortlichkeit zu übernehmen werden dadurch nur wachsen. Einheitlich sollte auch der feste und der schwimmende Theil der Küsten- vertheidigung sowohl angeordnet als geleitet werden. Die jetzigen Strand- batterien in Wilhelmshafen, freilich ein Werk des Augenblicks und der Noth, sollen schwerlich den Krieg überleben. Denn wenn sie den Feind verfehlen, treffen sie den Hafen. Man könnte nun ein festes Fort auf einer der Sandbanke der Barre anlegen; allein dasselbe fest und sicher zu gründen, dürfte eine verzweifelte Arbeit sein. Richtiger erscheint es daher wohl schwimmende Batterien herzustellen welche in Verbindung mit Küsten- batterien, Kriegsschiffen und Torpedo=Booten den Eingang zum Jade- Kriegshafen vertheidigen. Derartige Vorschläge werden im Schooße der obersten Marinebehör- den bereits erwogen. Nur Schade daß fachmännische Erfahrung in diesem entscheidenden Kreise bis jetzt so schwach vertreten ist. Ein kleines Colle- gium älterer erfahrener See=Officiere, das die Entschließungen des Marine- ministers durch seine Gutachten und Berichte vorbereitete, wäre dringend zu wünschen. Der Reichstag hat dann das verlangte Geld zu bewilligen. Aber die einzigen Sachverständigen in seiner Mitte -- oder die sich dafür halten -- sind ein bekannter alter Volksmann und Fabrikbesitzer aus Westfalen und ein Oberlehrer aus Stettin. Bei dem folgenreichen Ernst der demnächst zu treffenden Entscheidungen würden wir es dem Reichstage nicht ver- denken wenn er sich bei der Einsicht der HH. Harkort und Schmidt nicht ganz beruhigte, sondern einige klare und energische Köpfe aus seiner Mitte mit einer Untersuchung der Flotten= und Kriegshafenverhältnisse an Ort und Stelle beauftragte, damit er alsdann, auf diese gestützt, seine Wahl mit einer gewissen Zuversicht treffen könne. Deutsches Reich. † München, 10 März. Se. Maj. der König hat gestern den aus Versailles zurückgekehrten Grafen v. Bray empfangen, und heute den Vortrag des Staatsministers des Jnnern entgegengenommen. † * München, 10 März. Jn einer Reihe von Journalen, unter andern auch im heutigen Leitartikel Jhres geehrten Blattes, finden sich detaillirte Angaben über angeblich erzielte „Abmachungen“ der deut- schen Regierungen, durch welche eine Vergrößerung Bayerns mittelst Zu- weisung vormals französischer Gebietstheile festgestellt worden sein soll. Mit so großer Bestimmtheit diese Nachrichten auch auftreten, erlaube ich mir doch den Zweifel auszusprechen ob dieselben bezüglich ihrer Zuverlässig- keit den Werth einer mehr oder minder gelungenen Combination überstei- gen. Nach sicheren Jnformationen hat irgendwelche Beschlußnahme in der fraglichen Richtung bis jetzt nicht stattgefunden, und konnte auch gar nicht stattfinden, weil einerseits der definitive Friedensschluß noch nicht er- folgt ist, andrerseits für solche Abmachungen die Zustimmung des Bundes- raths und die Genehmigung des Reichstags eine unerläßliche Voraus- setzung bilden würde. Wenn auch die Absicht bestehen sollte Bayern in irgendeiner Weise für den im Jahre 1866 erlittenen Gebietsverlust zu entschädigen, so ist jedenfalls eine Entscheidung hierüber noch in keiner Weise getroffen, und Zeitungsnachrichten welche das Publicum bereits über Lage, Ausdehnung und statistische Verhältnisse des Entschädigungs- objects zu belehren wissen, kann man getrost als aus der Luft gegriffen bezeichnen. ( Die betreffende Mittheilung kam uns von so wohl unter- richteter und vertrauenswerther Seite zu, daß wir die vollständige Grund- losigkeit derselben immer noch bezweifeln möchten. D. R. ) Karlsruhe, 9 März. Großherzog Friedrich ist gestern Abends halb 10 Uhr von Versailles, wo er über vier Monate verweilte, hierher zurückgekehrt. Der Empfang welcher dem verehrten Landesfürsten zu- theil geworden, war dießmal ein besonders warmer und sympathischer. Kanonendonner und Glockengeläute, welche mit dem Eintritte des Extra- zuges in das Weichbild der Stadt ihren Anfang nahmen, sind officielle Anordnungen die überall vorkommen; aber die endlosen Hochrufe einer dichtgedrängten Volksmenge, als der Großherzog mit dem Erbgroßherzog in offenem Wagen durch die reich beflaggten Straßen, da und dort von bengalischem Feuer beleuchtet, zum Schlosse fuhr, kamen sichtlich aufrichtig aus den über die glückliche Wiederkehr des verehrten Fürsten erfreuten Herzen. Vor dem Schlosse sammelte sich im Scheine der Fackeln das Feuerwehrcorps, unter Absingung patriotischer Lieder und Hochrufen, Kopf an Kopf die Menge. Vom Balcon dankte der Großherzog an der Seite seiner tiefergriffenen Gemahlin für den herzlichen und erhebenden Empfang der ihm bei der Rückkehr „in seine theure Vaterstadt“ zutheil ge- worden. Mit feinem Tact deutete er hin auf die Freude für den Frieden, der mit dem theuren Blute so vieler wackeren Streiter, „unserer Brüder,“ erkauft worden, und dann auf die Freude an dem Werk an welchem sie alle mitgeholfen: der Entstehung des neuen Deutschen Reiches. „Diesem neuen Deutschen Reiche“ -- schloß der fürstliche Redner -- „lassen Sie uns ein dreifaches Hoch ausbringen!“ Donnernde Hochrufe antworteten; ihnen folgten gleich lebhafte auf den Fürsten, die Frau Großherzogin, den Erb- großherzog, auf den Deutschen Kaiser. Das Ganze machte einen erheben- den, sympathischen Eindruck. ( Köln. Ztg. ) Darmstadt, 8 März. Die gegenwärtig gepflogenen Verhand- lungen über verschiedene Modificationen der preußisch=hessischen Militär- Convention vom 7 April 1867 haben, gutem Vernehmen nach, bis jetzt zu folgenden Resultaten geführt: Hessen begibt sich der ihm durch diese Con- vention zugestandenen Selbständigkeit der Militär = Verwaltung; das Kriegs=Ministerium kommt in Wegfall. Aus den vier Jnfanterie=Regi- mentern der Division, welche seither nur zwei Bataillone zählten, werden alsbald nach dem Eintreffen der Truppen aus dem Felde drei Regimenter ( Nr. 97, 98 und 99 ) zu je drei Bataillonen ( zwei Musketier= und ein Füsilier=Bataillon ) formirt. Das 2. Jnfanterie=Regiment, als das jüngste der hessischen Regimenter, wird aufgelöst, und seine beiden Bataillone werden zur Formation der dritten Bataillone des seitherigen 1. und 3. Jnfanterie- Regiments verwendet. Das seitherige 4. Jnfanterie=Regiment erhält sein drittes ( Füsilier= ) Bataillon durch das gleichfalls zur Auflösung kommende 2. Jäger=Bataillon. -- Wie ferner verlautet, liegt es nicht in der Absicht die hessische Division mit der badischen zum 13. deutschen Armee=Corps zu vereinigen; sie soll vielmehr in ihrem seitherigen Verbande beim 11. Armee- Corps verbleiben. -- Preußischerseits wurde die Stellung eines hessischen Jnfanterie=Regiments zur Garnison von Mainz gewünscht, und der Groß- herzog hat sich für das vor dem Kriege dahier in Garnison befindlich gewesene 4. Jnfanterie=Regiment entschieden. ( Frkf. Z. ) Berlin, 9 März. Heute Donnerstag früh halb 8 Uhr traf der Reichskanzler Graf Bismarck vom Kriegsschauplatz wieder hier ein. Jn der Begleitung des Grafen befanden sich die Geh. Legationsräthe Graf v. Bismarck=Bohlen und v. Keudell und die Legationsräthe Bucher und Graf Hatzfeldt. Auf dem Bahnhof hatte sich ein nur wenig zahlreiches Publicum eingefunden, da die Rückkehr des Grafen in weiteren Kreisen nicht bekannt war. Nur die Gräfin Bismarck nebst Tochter sowie einige höhere Staatsbeamte erwarteten die Ankunft des Zuges. Reisende welche sich gleich- falls in dem Zuge befanden, berichteten von dem enthusiastischen Empfang welcher dem Reichskanzler von Straßburg ab auf allen Eisenbahnstationen zutheil wurde. * ) Graf Bismarck empfieng im Laufe des heutigen Tages die * ) Namentlich in Mainz scheint dem Reichskanzler ein sehr enthusiastischer Empfang bereitet worden zu sein.Ein Ueberschwänglicher berichtet darüber in der „Köln.

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  • rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert.
  • Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert.
  • Vollständigkeit: vollständig erfasst.
  • Zeichensetzung: DTABf-getreu.



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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 71. Augsburg (Bayern), 12. März 1871, S. 1198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_augsburg71_1871/2>, abgerufen am 23.04.2024.