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Allgemeine Zeitung. Nr. 69. Augsburg (Bayern), 10. März 1871.

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[Spaltenumbruch] den.* ) Das bayerische Heer erhält also für seinen ruhmvollen Antheil an
dem Siegeslaufe nach Paris das Kampffeld von Weißenburg als Erinne-
rung an die dort zuerst erfochtenen Erfolge!

Der Verzicht des deutschen Reichs auf Weißenburg zu Gunsten des
Königreichs Bayern enthält nun keine Theilung der Provinz Elsaß=Lo-
thringen zwischen den Königreichen Preußen und Bayern, keine Zerreißung
des Reichslandes gleich einer Siegesbeute zwischen den Eroberern, sondern
lediglich die Rückgängigmachung der für Bayern ungünstigen Bestimmun-
gen des 1866er Friedensschlusses, einen Ausgleich für den damals erlitte-
nen Territorialverlust; wenn unter den 1866 Preußen gegenüber gestan-
denen deutschen Staaten jetzt nur Bayern einen kleinen Antheil an Elsaß-
Lothringen erhält, Württemberg, Baden, Sachsen ec. aber leer ausgehen,
so findet diese Thatsache ihre volle Erklärung in dem Umstande daß die
übrigen Staaten 1866 keinen Territorialverlust erlitten und überhaupt
damals eine mildere Behandlung als Bayern gefunden haben; zur Aus-
gleichung dieses sonst immer noch eine unangenehme Nachwirkung auf die
Aussöhnung zurücklassenden Mißverhältnisses mußte daher vor allem das
Königreich Bayern mit einer den Schmerz des Gebietsverlustes dämpfen-
den Landesvermehrung bedacht werden.

Wo anders hätte das Königreich Bayern einen Länderzuwachs erhal-
ten können als gerade an der Südgränze der Pfalz? ** )

Als 1815 die Lauterlinie zur Gränze zwischen Elsaß und der Pfalz
genommen wurde, mußten die wirthschaftlich und rechtsgeschichtlich zusam-
menhängenden Bezirke des vormals fürstbischöflich Speyer'schen Oberamts
Lauterburg, der zum Bisthum Speier gehörenden Propstei Weißenburg,
des Deutschordensamts Riedselz, der pfalz=zweibrücken'schen Kellerei Klee-
burg ec. mitunter in äußerst verkehrstörender Weise getrennt und zum un-
verkennbaren Nachtheil der Gränzbevölkerung *** ) auseinandergerissen wer-
den; leider war es der deutschen Diplomatie bei dem Pariser Friedens-
schlusse vom 20 Nov. 1815 nicht gelungen die Südgränze der Pfalz weiter
südlich zu verlegen, so daß vom Departement Nieder=Rhein bloß die vier
Cantone Bergzabern, Candel, Dahn und Landau mit 84 Gemeinden und
66,662 Seelen an die Pfalz zurückgegeben wurden.

Pfalz=Bayern blieb -- abgesehen vom Steinthal ( Ban de-la-Roche )
und von den im Ober=Rhein verlornen Aemtern Bergheim und Kaisers-
berg -- damals unentschädigt für folgende Gebietsverluste im Nieder-
Rhein: Amt Bischweiler mit 11,480 Seelen, Am Kleeburg mit 4153
Seelen, Amt Selz mit 5014 Seelen; Obergericht Lohr=Wingen mit 3570
Seelen, Oberger. Weinburg mit 738 Seelen, Oberger. Hambach=Volks-
berg mit 2521 Seelen, Oberger. Bettweiler=Dörstel mit 1363 Seelen,
Oberger. Hangweiler mit 625 Seelen, Oberger. Zillingen mit 995 See-
len, Oberger. Behrlingen = Pfalzweiler mit 2606 Seelen. Zusammen
33,065 Seelen.

Mit Rücksicht auf diese vormals bayerischen Gebietstheile und zur
Ausgleichung der 1866er Einbuße erhält nunmehr das Königreich Bayern
die Cantone Weißenburg mit 14,052 Seelen und 3 Q.=M., Lauterburg
mit 7769 Seelen und 1 Q.=M., Selz 14,645 Seelen und 3 Q.=M., Sulz
unterm Wald mit 16,130 Seelen und2 1 / 4 Q.=M., im ganzen 52,597
Seelen und9 1 / 4 Q.=M. Der Confession nach vertheilt sich die Bevölkerung
in 33,908 Katholiken, 26,316 Protestanten und 2372 Jsraeliten.

Die gedachten vier Cantone bildeten seit der neuen Verwaltungsorga-
nisation ( mit dem künftig an den elsäßischen Kreis Hagenau zurückfallen-
den Cantone Wörth ) einen eigenen Kreis und zwei Friedensgerichte
( Weißenburg=Selz und Lauterburg=Selz ) . An der Spitze des Kreises steht
als Kreisdirector ein bayerischer Verwaltungsbeamter; dessen Secretäre
und Cantonalpolizeicommissäre sind gleichfalls Bayern; der Sicherheitsdienst
wird durch bayerische Gendarmerie besorgt; auch im Steuer=, Telegraphen=,
Post= und Eisenbahndienste sind dort ziemlich viele Bayern angestellt.

Die Einfügung des ( Kreises ) Bezirksamtes Weißenburg in den pfäl-
zischen Kreisverband kann, da die beiderseitige Gesetzgebung im Civilrechte,
im Proceßrecht, zumeist auch im Gemeinderecht ec. übereinstimmt, da fer-
ner an Stelle der elsäßischen Armen = und der Heilanstalt in Hördt und
Stephansfelden die pfälzische Armenanstalt Frankenthal und die Jrren-
anstalt Klingenmünster tritt, nur wenige Schwierigkeiten hervorrufen. Der
[Spaltenumbruch] Verlust welchen Weißenburg durch die bereits von der deutschen Regie-
rung im Elsaß beschlossen gewesene Einziehung des Tribunals, des Ge-
richtsgefängnisses, des Gränzcommissariats ec. erleidet, wird durch die
Errichtung eines Rentamtes, einer Oberförsterei, eines den Bahnbetrieb
bis Hagenau übernehmenden Eisenbahnamtes, einer Baubehörde ec. und
durch eine bayerische Garnison ausgeglichen werden; vielleicht gelingt es
der Verwaltung der vereinigten Pfälzer Bahnen den schon seit den 1850er
Jahren angeregten und vom Conseil general des Niederrheins gutgeheiße-
nen Bahnbau Hagenau=Selz=Lauterburg=Wörth=Germersheim zur Aus-
führung zu bringen, da die betheiligten meist wohlhabenden Gemeinden
bereits beträchtliche Zuschüsse hiefür bewilligt haben.

Dieß wären -- im kurzen angedeutet -- die für den künftig bayerischen
Bezirk Weißenburg bevorstehenden wichtigern Aenderungen; übrigens bedarf
vorerst die bayerisch=elsäßische Gränze wegen einzelner Unregelmäßigkeiten
noch einer genauern Feststellung; die bay erischen Gränzgemeinden Bein-
heim, Kesseldorf, Niederbetschdorf, Oberbetschdorf und Surburg bilden im
Sauerbachthal eine ziemlich gerade Gränzlinie; von Surburg bis Lem-
bach wird sodann aber der Höhenzug zwischen den Thälern des Selzbaches
und des Sauerbaches, und von Lembach bis Obersteinbach der in der Rich-
tung von Ost nach West laufende Höhenzug die Gränzlinie bilden.

Was den als Gegenstand der Abtretung in Bayern weiter bezeichnet
gewesenen Landstrich zwischen Hagenau, Niederbronn, Bitsch und Wol-
münster anlangt, so scheinen allerdings in mehr als privativer Weise über
den Uebergang der Bahn Hagenau=Bitsch und der von dort über Hornbach
nach Zweibrücken zu bauenden Anschlußlinie in den Betrieb der Pfälzer
Bahnen Erhebungen gepflogen worden zu sein, und ist der bayerische Staat
als Besitzer der Kohlengruben bei St. Jngbert an dem Bau letzterer An-
schlußlinie lebhaft betheiligt; nachdem jedoch dieser Bahnbau durch einen
seitens der deutschen Regierung im Elsaß anzuerkennenden frühern Ver-
trag zwischen Bayern und Frankreich gesichert ist, so erscheinen die Jn-
teressen Bayerns hiedurch vollständig befriedigt. Es beschränkt sich daher
der bayerische Gebietszuwachs auf die oben bezeichneten vier Cantone,
deren Bevölkerung, wie dieß auch die schwache Betheiligung bei der Wahl
vom 8. v. M. zur französischen Nationalversammlung und die Nichtwahl
Gambetta's bewiesen hat, eine im ganzen nur deutschfreundliche und ent-
gegenkommende Gesinnung zeigt.

Eine die Jnteressen des Landes würdigende Regierung, welche die
freiere Gemeinde=Ordnung, das Jnstitut der Districtsräthe, die geringere
Steuerveranschlagung ec. als Morgengabe der Vermählung mit in den
neuen Staatsbund einbringt, wird kaum länger als ein Jahrzehnt brau-
chen um die neu erworbenen Landestheile mit Deutschland, Bayern und
dem pfälzischen Kreisverbande so innig zu verschmelzen, wie dieß rücksicht-
lich der 1815 zurückerhaltenen Cantone Bergzabern, Kandel, Dahn und
Landau im vollsten Maße gelungen ist, so daß dort kaum noch die leiseste
Erinnerung an die vormals französische Herrschaft fortlebt.

Deutsches Reich.

sym5 München, 8 März. Der k. FZM. Prinz Luitpold ist aus dem
Feldzuge diesen Abend im besten Wohlsein hier eingetroffen. -- Die Reservi-
sten der Jnfanterie welche sich in den Ersatzbataillonen im Dienste befinden,
sind in den nächsten Tagen in Urlaub zu entlassen -- die erste Maßnahme der
Demobilisirung der Armee in Bayern. -- Jn Betreff des von der preußischen
Regierung dem Bundesrathe des Deutschen Reiches vorgelegten Entwurfs des
Vergleichsverfahrens zur Abwendung des Gemeinschuldverfahrens hat das
Staatsministerium des Handels, und ebenso der bleibende Ausschuß des
deutschen Handelstages, ein Gutachten von der Handels = und Gewerbe-
Kammer von Oberbayern verlangt. Die Kammer hat hierüber gestern be-
rathen und dem Gesetzentwurfe freudig zugestimmt. Zwar gieng die Kam-
mer von der Voraussetzung aus daß die seit 1 Juli v. J. eingeführte
bayerische Proceßordnung, soweit sich bis jetzt ein Urtheil abgeben läßt,
Vorzüge besitzt welche ein solches Vergleichsverfahren als entbehrlich er-
scheinen lassen; sie glaubte aber dessenungeachtet der Schaffung eines allge-
meinen deutschen Gesetzes nichts in den Weg legen zu sollen, zumal ja auch
die bayerischen Staatsangehörigen welche bei nichtbayerischen Fallimenten
betheiligt sind, die Vortheile eines solchen Vergleichsverfahrens genießen
werden. Die Kammer schloß sich deßhalb dem Entwurfe mit den Modifi-
cationen an welche vom Ausschusse des deutschen Handelstages und vom
Aeltesten=Collegium in Berlin vorgeschlagen wurden. Schließlich stimmte
dieselbe noch dem Wunsche bei: daß in jenen Orten wo Handelsgerichte be-
stehen die Handelsrichter mit der Leitung des Vergleichsverfahrens, even-
tuell mit dem kaufmännischen Concursverfahren, betraut werden sollen. --
Ein Antrag der Oberpfälzer Handels= und Gewerbe=Kammer auf Gestat-
tung eines zollfreien Verkehrs mit Paketen mit Oesterreich wurde aufs
wärmste unterstützt.


* ) Wir verweisen in dieser Beziehung auf unsern gestrigen Leitartikel. D. R.
** ) Wir sehen hiebei von der Erwerbung der sächsischen Enclaven Ostheim und
Königsberg ( mit 6000 Seelen ) im Herzen Frankens vorerst noch ab, weil
wohl noch das Königreich Preußen die Herzogthümer Sachsen=Coburg und
Sachsen=Weimar durch Austauschungen bei Suhl, Gefäll und Ziegenrück ec.
zur Abtretung der fränkischen Enclaven bestimmen, und sich selbst etwa durch
die zwischen Saargemünd und Saarlouis in Rheinpreußen vorspringende
Landzunge des Cantons Forbach hiegegen schadlos halten könnte. D. E.
*** ) Die Stadtmarkung Weißenburg wurde getheilt, vom Hofgute St. German
die Südhälfte dem Elsaß, die Nordhälfte der pfälzischen Gemeinde Bobenthal
einverleibt, so daß der Hofgutsbesitzer für beide Hälften eigene Feldhüter baye-
rischer, bezw. französischer Nationalität aufstellen mußte, und in der Einfuhr
seiner Ernte über die Gränze belästigt war. D. E.

[Spaltenumbruch] den.* ) Das bayerische Heer erhält also für seinen ruhmvollen Antheil an
dem Siegeslaufe nach Paris das Kampffeld von Weißenburg als Erinne-
rung an die dort zuerst erfochtenen Erfolge!

Der Verzicht des deutschen Reichs auf Weißenburg zu Gunsten des
Königreichs Bayern enthält nun keine Theilung der Provinz Elsaß=Lo-
thringen zwischen den Königreichen Preußen und Bayern, keine Zerreißung
des Reichslandes gleich einer Siegesbeute zwischen den Eroberern, sondern
lediglich die Rückgängigmachung der für Bayern ungünstigen Bestimmun-
gen des 1866er Friedensschlusses, einen Ausgleich für den damals erlitte-
nen Territorialverlust; wenn unter den 1866 Preußen gegenüber gestan-
denen deutschen Staaten jetzt nur Bayern einen kleinen Antheil an Elsaß-
Lothringen erhält, Württemberg, Baden, Sachsen ec. aber leer ausgehen,
so findet diese Thatsache ihre volle Erklärung in dem Umstande daß die
übrigen Staaten 1866 keinen Territorialverlust erlitten und überhaupt
damals eine mildere Behandlung als Bayern gefunden haben; zur Aus-
gleichung dieses sonst immer noch eine unangenehme Nachwirkung auf die
Aussöhnung zurücklassenden Mißverhältnisses mußte daher vor allem das
Königreich Bayern mit einer den Schmerz des Gebietsverlustes dämpfen-
den Landesvermehrung bedacht werden.

Wo anders hätte das Königreich Bayern einen Länderzuwachs erhal-
ten können als gerade an der Südgränze der Pfalz? ** )

Als 1815 die Lauterlinie zur Gränze zwischen Elsaß und der Pfalz
genommen wurde, mußten die wirthschaftlich und rechtsgeschichtlich zusam-
menhängenden Bezirke des vormals fürstbischöflich Speyer'schen Oberamts
Lauterburg, der zum Bisthum Speier gehörenden Propstei Weißenburg,
des Deutschordensamts Riedselz, der pfalz=zweibrücken'schen Kellerei Klee-
burg ec. mitunter in äußerst verkehrstörender Weise getrennt und zum un-
verkennbaren Nachtheil der Gränzbevölkerung *** ) auseinandergerissen wer-
den; leider war es der deutschen Diplomatie bei dem Pariser Friedens-
schlusse vom 20 Nov. 1815 nicht gelungen die Südgränze der Pfalz weiter
südlich zu verlegen, so daß vom Departement Nieder=Rhein bloß die vier
Cantone Bergzabern, Candel, Dahn und Landau mit 84 Gemeinden und
66,662 Seelen an die Pfalz zurückgegeben wurden.

Pfalz=Bayern blieb -- abgesehen vom Steinthal ( Ban de-la-Roche )
und von den im Ober=Rhein verlornen Aemtern Bergheim und Kaisers-
berg -- damals unentschädigt für folgende Gebietsverluste im Nieder-
Rhein: Amt Bischweiler mit 11,480 Seelen, Am Kleeburg mit 4153
Seelen, Amt Selz mit 5014 Seelen; Obergericht Lohr=Wingen mit 3570
Seelen, Oberger. Weinburg mit 738 Seelen, Oberger. Hambach=Volks-
berg mit 2521 Seelen, Oberger. Bettweiler=Dörstel mit 1363 Seelen,
Oberger. Hangweiler mit 625 Seelen, Oberger. Zillingen mit 995 See-
len, Oberger. Behrlingen = Pfalzweiler mit 2606 Seelen. Zusammen
33,065 Seelen.

Mit Rücksicht auf diese vormals bayerischen Gebietstheile und zur
Ausgleichung der 1866er Einbuße erhält nunmehr das Königreich Bayern
die Cantone Weißenburg mit 14,052 Seelen und 3 Q.=M., Lauterburg
mit 7769 Seelen und 1 Q.=M., Selz 14,645 Seelen und 3 Q.=M., Sulz
unterm Wald mit 16,130 Seelen und2 1 / 4 Q.=M., im ganzen 52,597
Seelen und9 1 / 4 Q.=M. Der Confession nach vertheilt sich die Bevölkerung
in 33,908 Katholiken, 26,316 Protestanten und 2372 Jsraeliten.

Die gedachten vier Cantone bildeten seit der neuen Verwaltungsorga-
nisation ( mit dem künftig an den elsäßischen Kreis Hagenau zurückfallen-
den Cantone Wörth ) einen eigenen Kreis und zwei Friedensgerichte
( Weißenburg=Selz und Lauterburg=Selz ) . An der Spitze des Kreises steht
als Kreisdirector ein bayerischer Verwaltungsbeamter; dessen Secretäre
und Cantonalpolizeicommissäre sind gleichfalls Bayern; der Sicherheitsdienst
wird durch bayerische Gendarmerie besorgt; auch im Steuer=, Telegraphen=,
Post= und Eisenbahndienste sind dort ziemlich viele Bayern angestellt.

Die Einfügung des ( Kreises ) Bezirksamtes Weißenburg in den pfäl-
zischen Kreisverband kann, da die beiderseitige Gesetzgebung im Civilrechte,
im Proceßrecht, zumeist auch im Gemeinderecht ec. übereinstimmt, da fer-
ner an Stelle der elsäßischen Armen = und der Heilanstalt in Hördt und
Stephansfelden die pfälzische Armenanstalt Frankenthal und die Jrren-
anstalt Klingenmünster tritt, nur wenige Schwierigkeiten hervorrufen. Der
[Spaltenumbruch] Verlust welchen Weißenburg durch die bereits von der deutschen Regie-
rung im Elsaß beschlossen gewesene Einziehung des Tribunals, des Ge-
richtsgefängnisses, des Gränzcommissariats ec. erleidet, wird durch die
Errichtung eines Rentamtes, einer Oberförsterei, eines den Bahnbetrieb
bis Hagenau übernehmenden Eisenbahnamtes, einer Baubehörde ec. und
durch eine bayerische Garnison ausgeglichen werden; vielleicht gelingt es
der Verwaltung der vereinigten Pfälzer Bahnen den schon seit den 1850er
Jahren angeregten und vom Conseil géneral des Niederrheins gutgeheiße-
nen Bahnbau Hagenau=Selz=Lauterburg=Wörth=Germersheim zur Aus-
führung zu bringen, da die betheiligten meist wohlhabenden Gemeinden
bereits beträchtliche Zuschüsse hiefür bewilligt haben.

Dieß wären -- im kurzen angedeutet -- die für den künftig bayerischen
Bezirk Weißenburg bevorstehenden wichtigern Aenderungen; übrigens bedarf
vorerst die bayerisch=elsäßische Gränze wegen einzelner Unregelmäßigkeiten
noch einer genauern Feststellung; die bay erischen Gränzgemeinden Bein-
heim, Kesseldorf, Niederbetschdorf, Oberbetschdorf und Surburg bilden im
Sauerbachthal eine ziemlich gerade Gränzlinie; von Surburg bis Lem-
bach wird sodann aber der Höhenzug zwischen den Thälern des Selzbaches
und des Sauerbaches, und von Lembach bis Obersteinbach der in der Rich-
tung von Ost nach West laufende Höhenzug die Gränzlinie bilden.

Was den als Gegenstand der Abtretung in Bayern weiter bezeichnet
gewesenen Landstrich zwischen Hagenau, Niederbronn, Bitsch und Wol-
münster anlangt, so scheinen allerdings in mehr als privativer Weise über
den Uebergang der Bahn Hagenau=Bitsch und der von dort über Hornbach
nach Zweibrücken zu bauenden Anschlußlinie in den Betrieb der Pfälzer
Bahnen Erhebungen gepflogen worden zu sein, und ist der bayerische Staat
als Besitzer der Kohlengruben bei St. Jngbert an dem Bau letzterer An-
schlußlinie lebhaft betheiligt; nachdem jedoch dieser Bahnbau durch einen
seitens der deutschen Regierung im Elsaß anzuerkennenden frühern Ver-
trag zwischen Bayern und Frankreich gesichert ist, so erscheinen die Jn-
teressen Bayerns hiedurch vollständig befriedigt. Es beschränkt sich daher
der bayerische Gebietszuwachs auf die oben bezeichneten vier Cantone,
deren Bevölkerung, wie dieß auch die schwache Betheiligung bei der Wahl
vom 8. v. M. zur französischen Nationalversammlung und die Nichtwahl
Gambetta's bewiesen hat, eine im ganzen nur deutschfreundliche und ent-
gegenkommende Gesinnung zeigt.

Eine die Jnteressen des Landes würdigende Regierung, welche die
freiere Gemeinde=Ordnung, das Jnstitut der Districtsräthe, die geringere
Steuerveranschlagung ec. als Morgengabe der Vermählung mit in den
neuen Staatsbund einbringt, wird kaum länger als ein Jahrzehnt brau-
chen um die neu erworbenen Landestheile mit Deutschland, Bayern und
dem pfälzischen Kreisverbande so innig zu verschmelzen, wie dieß rücksicht-
lich der 1815 zurückerhaltenen Cantone Bergzabern, Kandel, Dahn und
Landau im vollsten Maße gelungen ist, so daß dort kaum noch die leiseste
Erinnerung an die vormals französische Herrschaft fortlebt.

Deutsches Reich.

sym5 München, 8 März. Der k. FZM. Prinz Luitpold ist aus dem
Feldzuge diesen Abend im besten Wohlsein hier eingetroffen. -- Die Reservi-
sten der Jnfanterie welche sich in den Ersatzbataillonen im Dienste befinden,
sind in den nächsten Tagen in Urlaub zu entlassen -- die erste Maßnahme der
Demobilisirung der Armee in Bayern. -- Jn Betreff des von der preußischen
Regierung dem Bundesrathe des Deutschen Reiches vorgelegten Entwurfs des
Vergleichsverfahrens zur Abwendung des Gemeinschuldverfahrens hat das
Staatsministerium des Handels, und ebenso der bleibende Ausschuß des
deutschen Handelstages, ein Gutachten von der Handels = und Gewerbe-
Kammer von Oberbayern verlangt. Die Kammer hat hierüber gestern be-
rathen und dem Gesetzentwurfe freudig zugestimmt. Zwar gieng die Kam-
mer von der Voraussetzung aus daß die seit 1 Juli v. J. eingeführte
bayerische Proceßordnung, soweit sich bis jetzt ein Urtheil abgeben läßt,
Vorzüge besitzt welche ein solches Vergleichsverfahren als entbehrlich er-
scheinen lassen; sie glaubte aber dessenungeachtet der Schaffung eines allge-
meinen deutschen Gesetzes nichts in den Weg legen zu sollen, zumal ja auch
die bayerischen Staatsangehörigen welche bei nichtbayerischen Fallimenten
betheiligt sind, die Vortheile eines solchen Vergleichsverfahrens genießen
werden. Die Kammer schloß sich deßhalb dem Entwurfe mit den Modifi-
cationen an welche vom Ausschusse des deutschen Handelstages und vom
Aeltesten=Collegium in Berlin vorgeschlagen wurden. Schließlich stimmte
dieselbe noch dem Wunsche bei: daß in jenen Orten wo Handelsgerichte be-
stehen die Handelsrichter mit der Leitung des Vergleichsverfahrens, even-
tuell mit dem kaufmännischen Concursverfahren, betraut werden sollen. --
Ein Antrag der Oberpfälzer Handels= und Gewerbe=Kammer auf Gestat-
tung eines zollfreien Verkehrs mit Paketen mit Oesterreich wurde aufs
wärmste unterstützt.


* ) Wir verweisen in dieser Beziehung auf unsern gestrigen Leitartikel. D. R.
** ) Wir sehen hiebei von der Erwerbung der sächsischen Enclaven Ostheim und
Königsberg ( mit 6000 Seelen ) im Herzen Frankens vorerst noch ab, weil
wohl noch das Königreich Preußen die Herzogthümer Sachsen=Coburg und
Sachsen=Weimar durch Austauschungen bei Suhl, Gefäll und Ziegenrück ec.
zur Abtretung der fränkischen Enclaven bestimmen, und sich selbst etwa durch
die zwischen Saargemünd und Saarlouis in Rheinpreußen vorspringende
Landzunge des Cantons Forbach hiegegen schadlos halten könnte. D. E.
*** ) Die Stadtmarkung Weißenburg wurde getheilt, vom Hofgute St. German
die Südhälfte dem Elsaß, die Nordhälfte der pfälzischen Gemeinde Bobenthal
einverleibt, so daß der Hofgutsbesitzer für beide Hälften eigene Feldhüter baye-
rischer, bezw. französischer Nationalität aufstellen mußte, und in der Einfuhr
seiner Ernte über die Gränze belästigt war. D. E.
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[1158/0002] den. * ) Das bayerische Heer erhält also für seinen ruhmvollen Antheil an dem Siegeslaufe nach Paris das Kampffeld von Weißenburg als Erinne- rung an die dort zuerst erfochtenen Erfolge! Der Verzicht des deutschen Reichs auf Weißenburg zu Gunsten des Königreichs Bayern enthält nun keine Theilung der Provinz Elsaß=Lo- thringen zwischen den Königreichen Preußen und Bayern, keine Zerreißung des Reichslandes gleich einer Siegesbeute zwischen den Eroberern, sondern lediglich die Rückgängigmachung der für Bayern ungünstigen Bestimmun- gen des 1866er Friedensschlusses, einen Ausgleich für den damals erlitte- nen Territorialverlust; wenn unter den 1866 Preußen gegenüber gestan- denen deutschen Staaten jetzt nur Bayern einen kleinen Antheil an Elsaß- Lothringen erhält, Württemberg, Baden, Sachsen ec. aber leer ausgehen, so findet diese Thatsache ihre volle Erklärung in dem Umstande daß die übrigen Staaten 1866 keinen Territorialverlust erlitten und überhaupt damals eine mildere Behandlung als Bayern gefunden haben; zur Aus- gleichung dieses sonst immer noch eine unangenehme Nachwirkung auf die Aussöhnung zurücklassenden Mißverhältnisses mußte daher vor allem das Königreich Bayern mit einer den Schmerz des Gebietsverlustes dämpfen- den Landesvermehrung bedacht werden. Wo anders hätte das Königreich Bayern einen Länderzuwachs erhal- ten können als gerade an der Südgränze der Pfalz? ** ) Als 1815 die Lauterlinie zur Gränze zwischen Elsaß und der Pfalz genommen wurde, mußten die wirthschaftlich und rechtsgeschichtlich zusam- menhängenden Bezirke des vormals fürstbischöflich Speyer'schen Oberamts Lauterburg, der zum Bisthum Speier gehörenden Propstei Weißenburg, des Deutschordensamts Riedselz, der pfalz=zweibrücken'schen Kellerei Klee- burg ec. mitunter in äußerst verkehrstörender Weise getrennt und zum un- verkennbaren Nachtheil der Gränzbevölkerung *** ) auseinandergerissen wer- den; leider war es der deutschen Diplomatie bei dem Pariser Friedens- schlusse vom 20 Nov. 1815 nicht gelungen die Südgränze der Pfalz weiter südlich zu verlegen, so daß vom Departement Nieder=Rhein bloß die vier Cantone Bergzabern, Candel, Dahn und Landau mit 84 Gemeinden und 66,662 Seelen an die Pfalz zurückgegeben wurden. Pfalz=Bayern blieb -- abgesehen vom Steinthal ( Ban de-la-Roche ) und von den im Ober=Rhein verlornen Aemtern Bergheim und Kaisers- berg -- damals unentschädigt für folgende Gebietsverluste im Nieder- Rhein: Amt Bischweiler mit 11,480 Seelen, Am Kleeburg mit 4153 Seelen, Amt Selz mit 5014 Seelen; Obergericht Lohr=Wingen mit 3570 Seelen, Oberger. Weinburg mit 738 Seelen, Oberger. Hambach=Volks- berg mit 2521 Seelen, Oberger. Bettweiler=Dörstel mit 1363 Seelen, Oberger. Hangweiler mit 625 Seelen, Oberger. Zillingen mit 995 See- len, Oberger. Behrlingen = Pfalzweiler mit 2606 Seelen. Zusammen 33,065 Seelen. Mit Rücksicht auf diese vormals bayerischen Gebietstheile und zur Ausgleichung der 1866er Einbuße erhält nunmehr das Königreich Bayern die Cantone Weißenburg mit 14,052 Seelen und 3 Q.=M., Lauterburg mit 7769 Seelen und 1 Q.=M., Selz 14,645 Seelen und 3 Q.=M., Sulz unterm Wald mit 16,130 Seelen und2 1 / 4 Q.=M., im ganzen 52,597 Seelen und9 1 / 4 Q.=M. Der Confession nach vertheilt sich die Bevölkerung in 33,908 Katholiken, 26,316 Protestanten und 2372 Jsraeliten. Die gedachten vier Cantone bildeten seit der neuen Verwaltungsorga- nisation ( mit dem künftig an den elsäßischen Kreis Hagenau zurückfallen- den Cantone Wörth ) einen eigenen Kreis und zwei Friedensgerichte ( Weißenburg=Selz und Lauterburg=Selz ) . An der Spitze des Kreises steht als Kreisdirector ein bayerischer Verwaltungsbeamter; dessen Secretäre und Cantonalpolizeicommissäre sind gleichfalls Bayern; der Sicherheitsdienst wird durch bayerische Gendarmerie besorgt; auch im Steuer=, Telegraphen=, Post= und Eisenbahndienste sind dort ziemlich viele Bayern angestellt. Die Einfügung des ( Kreises ) Bezirksamtes Weißenburg in den pfäl- zischen Kreisverband kann, da die beiderseitige Gesetzgebung im Civilrechte, im Proceßrecht, zumeist auch im Gemeinderecht ec. übereinstimmt, da fer- ner an Stelle der elsäßischen Armen = und der Heilanstalt in Hördt und Stephansfelden die pfälzische Armenanstalt Frankenthal und die Jrren- anstalt Klingenmünster tritt, nur wenige Schwierigkeiten hervorrufen. Der Verlust welchen Weißenburg durch die bereits von der deutschen Regie- rung im Elsaß beschlossen gewesene Einziehung des Tribunals, des Ge- richtsgefängnisses, des Gränzcommissariats ec. erleidet, wird durch die Errichtung eines Rentamtes, einer Oberförsterei, eines den Bahnbetrieb bis Hagenau übernehmenden Eisenbahnamtes, einer Baubehörde ec. und durch eine bayerische Garnison ausgeglichen werden; vielleicht gelingt es der Verwaltung der vereinigten Pfälzer Bahnen den schon seit den 1850er Jahren angeregten und vom Conseil géneral des Niederrheins gutgeheiße- nen Bahnbau Hagenau=Selz=Lauterburg=Wörth=Germersheim zur Aus- führung zu bringen, da die betheiligten meist wohlhabenden Gemeinden bereits beträchtliche Zuschüsse hiefür bewilligt haben. Dieß wären -- im kurzen angedeutet -- die für den künftig bayerischen Bezirk Weißenburg bevorstehenden wichtigern Aenderungen; übrigens bedarf vorerst die bayerisch=elsäßische Gränze wegen einzelner Unregelmäßigkeiten noch einer genauern Feststellung; die bay erischen Gränzgemeinden Bein- heim, Kesseldorf, Niederbetschdorf, Oberbetschdorf und Surburg bilden im Sauerbachthal eine ziemlich gerade Gränzlinie; von Surburg bis Lem- bach wird sodann aber der Höhenzug zwischen den Thälern des Selzbaches und des Sauerbaches, und von Lembach bis Obersteinbach der in der Rich- tung von Ost nach West laufende Höhenzug die Gränzlinie bilden. Was den als Gegenstand der Abtretung in Bayern weiter bezeichnet gewesenen Landstrich zwischen Hagenau, Niederbronn, Bitsch und Wol- münster anlangt, so scheinen allerdings in mehr als privativer Weise über den Uebergang der Bahn Hagenau=Bitsch und der von dort über Hornbach nach Zweibrücken zu bauenden Anschlußlinie in den Betrieb der Pfälzer Bahnen Erhebungen gepflogen worden zu sein, und ist der bayerische Staat als Besitzer der Kohlengruben bei St. Jngbert an dem Bau letzterer An- schlußlinie lebhaft betheiligt; nachdem jedoch dieser Bahnbau durch einen seitens der deutschen Regierung im Elsaß anzuerkennenden frühern Ver- trag zwischen Bayern und Frankreich gesichert ist, so erscheinen die Jn- teressen Bayerns hiedurch vollständig befriedigt. Es beschränkt sich daher der bayerische Gebietszuwachs auf die oben bezeichneten vier Cantone, deren Bevölkerung, wie dieß auch die schwache Betheiligung bei der Wahl vom 8. v. M. zur französischen Nationalversammlung und die Nichtwahl Gambetta's bewiesen hat, eine im ganzen nur deutschfreundliche und ent- gegenkommende Gesinnung zeigt. Eine die Jnteressen des Landes würdigende Regierung, welche die freiere Gemeinde=Ordnung, das Jnstitut der Districtsräthe, die geringere Steuerveranschlagung ec. als Morgengabe der Vermählung mit in den neuen Staatsbund einbringt, wird kaum länger als ein Jahrzehnt brau- chen um die neu erworbenen Landestheile mit Deutschland, Bayern und dem pfälzischen Kreisverbande so innig zu verschmelzen, wie dieß rücksicht- lich der 1815 zurückerhaltenen Cantone Bergzabern, Kandel, Dahn und Landau im vollsten Maße gelungen ist, so daß dort kaum noch die leiseste Erinnerung an die vormals französische Herrschaft fortlebt. Deutsches Reich. sym5 München, 8 März. Der k. FZM. Prinz Luitpold ist aus dem Feldzuge diesen Abend im besten Wohlsein hier eingetroffen. -- Die Reservi- sten der Jnfanterie welche sich in den Ersatzbataillonen im Dienste befinden, sind in den nächsten Tagen in Urlaub zu entlassen -- die erste Maßnahme der Demobilisirung der Armee in Bayern. -- Jn Betreff des von der preußischen Regierung dem Bundesrathe des Deutschen Reiches vorgelegten Entwurfs des Vergleichsverfahrens zur Abwendung des Gemeinschuldverfahrens hat das Staatsministerium des Handels, und ebenso der bleibende Ausschuß des deutschen Handelstages, ein Gutachten von der Handels = und Gewerbe- Kammer von Oberbayern verlangt. Die Kammer hat hierüber gestern be- rathen und dem Gesetzentwurfe freudig zugestimmt. Zwar gieng die Kam- mer von der Voraussetzung aus daß die seit 1 Juli v. J. eingeführte bayerische Proceßordnung, soweit sich bis jetzt ein Urtheil abgeben läßt, Vorzüge besitzt welche ein solches Vergleichsverfahren als entbehrlich er- scheinen lassen; sie glaubte aber dessenungeachtet der Schaffung eines allge- meinen deutschen Gesetzes nichts in den Weg legen zu sollen, zumal ja auch die bayerischen Staatsangehörigen welche bei nichtbayerischen Fallimenten betheiligt sind, die Vortheile eines solchen Vergleichsverfahrens genießen werden. Die Kammer schloß sich deßhalb dem Entwurfe mit den Modifi- cationen an welche vom Ausschusse des deutschen Handelstages und vom Aeltesten=Collegium in Berlin vorgeschlagen wurden. Schließlich stimmte dieselbe noch dem Wunsche bei: daß in jenen Orten wo Handelsgerichte be- stehen die Handelsrichter mit der Leitung des Vergleichsverfahrens, even- tuell mit dem kaufmännischen Concursverfahren, betraut werden sollen. -- Ein Antrag der Oberpfälzer Handels= und Gewerbe=Kammer auf Gestat- tung eines zollfreien Verkehrs mit Paketen mit Oesterreich wurde aufs wärmste unterstützt. * ) Wir verweisen in dieser Beziehung auf unsern gestrigen Leitartikel. D. R. ** ) Wir sehen hiebei von der Erwerbung der sächsischen Enclaven Ostheim und Königsberg ( mit 6000 Seelen ) im Herzen Frankens vorerst noch ab, weil wohl noch das Königreich Preußen die Herzogthümer Sachsen=Coburg und Sachsen=Weimar durch Austauschungen bei Suhl, Gefäll und Ziegenrück ec. zur Abtretung der fränkischen Enclaven bestimmen, und sich selbst etwa durch die zwischen Saargemünd und Saarlouis in Rheinpreußen vorspringende Landzunge des Cantons Forbach hiegegen schadlos halten könnte. D. E. *** ) Die Stadtmarkung Weißenburg wurde getheilt, vom Hofgute St. German die Südhälfte dem Elsaß, die Nordhälfte der pfälzischen Gemeinde Bobenthal einverleibt, so daß der Hofgutsbesitzer für beide Hälften eigene Feldhüter baye- rischer, bezw. französischer Nationalität aufstellen mußte, und in der Einfuhr seiner Ernte über die Gränze belästigt war. D. E.

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 69. Augsburg (Bayern), 10. März 1871, S. 1158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_augsburg69_1871/2>, abgerufen am 24.04.2024.