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Allgemeine Zeitung. Nr. 68. Augsburg (Bayern), 9. März 1871.

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[Spaltenumbruch] die römischen uns modernen Menschen immer am nächsten stehen werden,
und unter ihnen ist Livius der welcher mit unserer Zeit die meisten Berüh-
rungen hat. Tacitus ist vielleicht ein ebenso großes Talent wie Livius,
aber er hat Rom nur in seinem beginnenden Verfall und von seiner dunkeln
Seite her gekannt. Seine Geschichte enthält einzelne große sittliche Züge,
die aber nur in Opposition zu dem überall herrschenden Verderben hervor-
treten. Sie sind wie Blitze die einen Abgrund erhellen. Die römische
Kaisergeschichte ist, ungeachtet einzelner Lichtpunkte, als Ganzes betrachtet
das Nachtstück im Leben der Menschheit. Tacitus, der große Darsteller
dieser Epoche, eignet sich deßhalb weniger als Livius für die Jugend, deren
Anschauungsweise durch das Vorführen moralischer und politischer Jdeale,
an denen die ersten Jahrhunderte der römischen Republik so reich gewesen
sind, gebildet werden muß, aber nicht durch eine übergroße Fülle von tra-
gischen Gräueln, wie unter den Kaisern, verdüstert werden darf.

Niebuhr sagt einmal daß das was ihn zur römischen Geschichte gezogen
habe, besonders der Umstand gewesen sei daß kein anderes Volk alter und
neuer Zeit sich so vollständig ausgelebt und alle Seiten des Daseins so
charakteristisch entwickelt habe. Er hätte noch hinzusetzen können -- und dieß
ist für uns wohl das wichtigste -- daß kein anderes Volk auf die Nachwelt
einen so tiefen und unauslöschlichen Eindruck wie das römische zurückge-
lassen hat. Der Ursprung der romanischen Nationen weist auf die Sieben-
hügelstadt zurück; von dort aus ist ein großer Theil der Erde christianisirt
worden; die katholische Kirche hat von da ihre Sprache und gar manches
in den Formen ihres Cultus entlehnt. Die Fundamente zu fast allen
civil=, staats= und völkerrechtlichen Bestimmungen sind im alten Rom zu
suchen. Und wie vieles ist nicht in unserer heutigen Sprache und An-
schauungsweise aus jener Zeit auf uns übergegangen! Namen und Be-
griffe die jetzt in jedermanns Munde sind, Republik, Senat, Senatscon-
sult, Patricier, Plebejer, Plebiscit, Comitien, Census, Proletarier u. s. w.,
sind von den Römern zu uns gekommen und haben eine erneuerte Bedeu-
tung gefunden. Selbst die verderbteste Form des römischen Staatslebens,
der Cäsarismus, ist in dem französischen Kaiserthum wieder aufgelebt.

Paul Goldschmidts "Geschichten aus Livius" umfassen die römische
Historie von Anfang an bis zur Zerstörung Carthago's. Die Lücken in
Livius sind aus Polybius, Dionys von Halicarnaß, Plutarch und Appian
ergänzt worden. Das Ganze ist musterhaft klar und fließend geschrieben.
Man wird nie, was die Form betrifft, durch Härten oder Unbeholfenheiten
erinnert daß es eine Uebersetzung ist, und doch scheint durch sie der eigen-
thümliche Farbenton des Originals wieder. Deßhalb werden auch die
Leser welche mit den Quellen der alten römischen Geschichte bekannt sind,
diese treue und geschmackvolle Uebertragung mit Befriedigung aus der
Hand legen. Der gebildeten Jugend können diese "Geschichten aus Livius,"
wegen des Reichthums an Jdeen und Thatsachen die sie enthalten, und
der reinen schönen Darstellung halber, nicht genug empfohlen werden.

Neueste Posten.

x München, 8 März. Der Minister des Auswärtigen, Graf
Bray, ist gestern aus Versailles hieher zurückgekehrt. Ob derselbe auch an
den Friedensunterhandlungen in Brüssel theilnehmen wird, ist noch unbe-
stimmt. -- Die Ankunft des Prinzen Luitpold wird heut Abends erwartet.
Jn dem Palast des Prinzen sind alle Vorbereitungen zu einem feierlichen
Empfange getroffen. -- Alle in Bayern internirten französischen Gefangenen
aus dem Civilstand ( Francs=Tireurs ) , Mobilgarden und Nationalgarden,
erhalten die Erlaubniß sofort in ihre Heimath zurückzukehren, wenn sie die
hiezu nöthigen Mittel besitzen. Die Unbemittelten der genannten Kategorien
werden später auf Kosten der franz. Regierung in ihre Heimath befördert,
und erst hierauf wird der Transport der gefangenen Linientruppen erfolgen.
-- Die k. bayer. Regierung hat den von der Schweiz für die aus Paris aus-
gewiesenen bayerischen Staatsangehörigen verausgabten Betrag von
49,211 Frcs. 29 Cent. der Eidgenossenschaft bereits zurückerstattet. Bei
diesem Anlasse hat der bayerische Geschäftsträger der Schweiz, deren Be-
hörden und Consulaten in Frankreich für die bethätigte freundnachbarliche
Hülfe die aufrichtigste Anerkennung und den wärmsten Dank ausgesprochen.
-- Der Rath im Ministerium des Jnnern C. v. Nar, bis zum Beginn des
gegenwärtigen Landtages lange Jahre Mitglied der Kammer der Abge-
ordneten, bekannt durch seine Erfahrungen und literarischen Leistungen im
Gebiete der Administration, ist im Alter von 64 Jahren gestorben.

* Augsburg, 8 März. Eine neuerliche Meldung über die noch
ausstehenden Wahlen läßt nur noch das Ergebniß in Kitzingen unentschie-
den, wo "wahrscheinlich" Kaufmann Fischer von Marktbreit ( lib. ) die
Oberhand behalten werde. Jn Lohr ist Fürst Karl Löwenstein=Rosenberg
( patr. ) mit 7424 von 13,960 Stimmen, in Deggendorf Frhr. v. Hafen-
brädl ( patr. ) , in Rothenburg a. T. Dr. Marq. Barth ( lib. ) mit 9601 von
11,645 Stimmen, in Erlangen=Fürth Professor Marquardsen ( lib. ) definitiv
gewählt.

* Breslau, 6 März. Aus Anlaß der in verschiedenen Blättern
gegen den Hrn. Fürstbischof Dr. Förster erfolgten Angriffe hatte kürzlich
[Spaltenumbruch] eine Versammlung von Katholiken beschlossen demselben eine Ergebenheits-
Adresse darzubringen. Die Ueberreichung dieser Adresse fand gestern unter
Betheiligung von weit über 1000 Katholiken, welche in feierlichem Zuge
sich nach der fürstbischöflichen Residenz begaben, durch eine Deputation
statt. Der Fürstbischof sprach den Anwesenden seinen Dank aus, indem
er auf die der Kirche bevorstehenden Anfeindungen hinwies, und ertheilte
schließlich seinen Segen.

Straßburg. 6 März. Jhre kk. HH. die Großherzoge von Mecklen-
burg=Schwerin und Oldenburg, der Herzog von Meiningen und der Land-
graf von Hessen sind gestern auf der Rückkehr vom Kriegsschauplatz durch
unsere Stadt gekommen. -- J. k. H. die Frau Großherzogin von Baden
weilte heute incognito in Straßburg. -- Die HH. Graf Bray, Baron
Wächter und Staatsminister Jolly, welche als Vertreter der süddeutschen
Staaten die Friedenspräliminarien unterzeichnet haben, treffen heute
Abend auf der Rückreise nach Deutschland hier ein. -- Die Leiche des ver-
storbenen Maires Hrn. Küß wird heute Abend von Bordeaux hier ankom-
men. ( Straßb. Ztg. )

Verschiedenes.

sym10 Wien, 5 März. Jn hiesigen literarischen Kreisen wird einer neuen
Dichtung von dem sowohl durch seine deutschen als durch seine italienischen
Dichtungen in weitern Kreisen bekannten Cajetan Cerri, die eben unter dem
Titel " Gottlieb, ein Stillleben " bei Engelmann in Leipzig erschienen,
Aufmerksamkeit geschenkt, was hier bei Erscheinungen die nicht durch An-
preisungen hinaufgeschraubt wurden, namentlich in unserer bewegten Zeit, viel
sagen will. Vielleicht ist es gerade seine Anspruchslosigkeit welcher der Dichter
diese Beachtung zunächst verdankt, die dieses "Stillleben" aber auch wirklich
verdient. Der Gegensatz eines unbekümmert um das Treiben der modernen
Gesellschaft und ihre Corruption sich bescheiden seiner Kunst hingebenden Dichters
zu dem geschäftigen Leben der Großstadt, in welcher das Streben rasch reich
und bekannt zu werden auf der Tagesordnung steht, ist ein so großer, daß seine
Schilderung -- und dieser sind die warm empfundenen Verse dieser Jdylle, in
welcher der Dichter sich selbst zu schildern scheint, gewidmet -- eine tiefe Wirkung
machen muß. Diese Wirkung wird dadurch gefördert daß sich in der Dichtung
mit der idealistischen Verherrlichung des dichterischen Schaffens, dem der "arme
Poet" lebt, eine herbe Geißelung des realistischen Zugs paart der sich in unserem
socialen und literarischen Leben kundgibt.

Telegraphische Berichte.

( * ) Paris, 6 März. Die Behörden treffen energische Vorsichts-
maßregeln, um der Wiederkehr von Unordnungen vorzubeugen. Die
Rückkehr der mobilisirten Nationalgarde in die Departements hat heute
begonnen. Die zur Verstärkung der Garnison bestimmten Truppen sind
eingetroffen.

( * ) Paris, 7 März, Morgens. Die "Amtszeitung" veröffentlicht
einen Tagesbefehl des Generals Aurelles de Paladine, worin er die guten
Bürger auffordert ihn zu unterstützen. Ordnung allein könne den Wohl-
stand zurückführen. Er sei entschlossen jeden Angriff auf die öffentliche
Ordnung energisch zurückzuweisen. -- Das "J. de Debats " weist nach
daß die Störer der Ordnung in der gegenwärtigen Lage und diejenigen
welche die Wiederaufnahme der Ordnung hindern, die wahren Feinde der
Republik seien. -- Dem "Electeur Libre" zufolge ist die Lage besser. Es
sei zu hoffen daß das allgemeine Verlangen nach Ruhe und Arbeit der
Aufregung bald ein Ende machen werde.

* Paris, 8 März. ( Officiell. ) Der Finanzminister Pouyer=Quer-
tier ist hier eingetroffen.

( * ) Bordeaux, 7 März. Nationalversammlung. Jules Favre er-
klärt mittelst Schreibens daß er die Wahl für das Rhone=Departement an-
nehme. Auf Verlangen Germains, bezüglich der von der Bank von Frank-
reich erhobenen Darlehen wieder den gesetzlichen Zustand herbeizuführen
erklärt der Minister Jules Simon: die Negierung beschäftige sich lebhaft
damit in jeder Beziehung wieder die gesetzliche Ordnung zurückzuführen.
Ein Deputirter beantragt daß der den occupirten Departements durch
Contributionen und Verwüstungen zugefügte Schaden von ganz Frank-
reich zu tragen sei. Hierauf werden die Wahlprüfungen fortgesetzt. Be-
züglich der Wahlen im Departement Vaucluse beschließt die Versammlung
Untersuchung, worauf sämmtliche Deputirte dieses Departements ihre
Mandate niederlegen. Nächste Sitzung morgen. Tagesordnung: Ge-
neraldebatte über die Gültigkeit der Wahlen von Präfecten.

* Lille, 8 März. Gestern Morgen begann in Roubaix ein Strike
unter den Arbeitern, der heute größere Ausdehnung annahm aus Anlaß
der Einstellung der während der Kriegszeit gezahlten Unterstützungen.
Ernsthafte Unordnungen sind nicht vorgefallen. Die Nationalgarden pa-
trouilliren. Truppen der hiesigen Besatzung sind bereit nöthigenfalls nach
Roubaix abzugehen. Jn den Arrondissements Douai und Lille ist die
Rinderseuche ausgebrochen.

( * ) Orleans, 6 März. Heute fand unter dem Vorsitze des Bischofs
Dupanloup eine Versammlung der Orleanisten und Legitimisten statt, um
eine Vereinigung der beiden Zweige der Bourbons anzustreben.

[Spaltenumbruch] die römischen uns modernen Menschen immer am nächsten stehen werden,
und unter ihnen ist Livius der welcher mit unserer Zeit die meisten Berüh-
rungen hat. Tacitus ist vielleicht ein ebenso großes Talent wie Livius,
aber er hat Rom nur in seinem beginnenden Verfall und von seiner dunkeln
Seite her gekannt. Seine Geschichte enthält einzelne große sittliche Züge,
die aber nur in Opposition zu dem überall herrschenden Verderben hervor-
treten. Sie sind wie Blitze die einen Abgrund erhellen. Die römische
Kaisergeschichte ist, ungeachtet einzelner Lichtpunkte, als Ganzes betrachtet
das Nachtstück im Leben der Menschheit. Tacitus, der große Darsteller
dieser Epoche, eignet sich deßhalb weniger als Livius für die Jugend, deren
Anschauungsweise durch das Vorführen moralischer und politischer Jdeale,
an denen die ersten Jahrhunderte der römischen Republik so reich gewesen
sind, gebildet werden muß, aber nicht durch eine übergroße Fülle von tra-
gischen Gräueln, wie unter den Kaisern, verdüstert werden darf.

Niebuhr sagt einmal daß das was ihn zur römischen Geschichte gezogen
habe, besonders der Umstand gewesen sei daß kein anderes Volk alter und
neuer Zeit sich so vollständig ausgelebt und alle Seiten des Daseins so
charakteristisch entwickelt habe. Er hätte noch hinzusetzen können -- und dieß
ist für uns wohl das wichtigste -- daß kein anderes Volk auf die Nachwelt
einen so tiefen und unauslöschlichen Eindruck wie das römische zurückge-
lassen hat. Der Ursprung der romanischen Nationen weist auf die Sieben-
hügelstadt zurück; von dort aus ist ein großer Theil der Erde christianisirt
worden; die katholische Kirche hat von da ihre Sprache und gar manches
in den Formen ihres Cultus entlehnt. Die Fundamente zu fast allen
civil=, staats= und völkerrechtlichen Bestimmungen sind im alten Rom zu
suchen. Und wie vieles ist nicht in unserer heutigen Sprache und An-
schauungsweise aus jener Zeit auf uns übergegangen! Namen und Be-
griffe die jetzt in jedermanns Munde sind, Republik, Senat, Senatscon-
sult, Patricier, Plebejer, Plebiscit, Comitien, Census, Proletarier u. s. w.,
sind von den Römern zu uns gekommen und haben eine erneuerte Bedeu-
tung gefunden. Selbst die verderbteste Form des römischen Staatslebens,
der Cäsarismus, ist in dem französischen Kaiserthum wieder aufgelebt.

Paul Goldschmidts „Geschichten aus Livius“ umfassen die römische
Historie von Anfang an bis zur Zerstörung Carthago's. Die Lücken in
Livius sind aus Polybius, Dionys von Halicarnaß, Plutarch und Appian
ergänzt worden. Das Ganze ist musterhaft klar und fließend geschrieben.
Man wird nie, was die Form betrifft, durch Härten oder Unbeholfenheiten
erinnert daß es eine Uebersetzung ist, und doch scheint durch sie der eigen-
thümliche Farbenton des Originals wieder. Deßhalb werden auch die
Leser welche mit den Quellen der alten römischen Geschichte bekannt sind,
diese treue und geschmackvolle Uebertragung mit Befriedigung aus der
Hand legen. Der gebildeten Jugend können diese „Geschichten aus Livius,“
wegen des Reichthums an Jdeen und Thatsachen die sie enthalten, und
der reinen schönen Darstellung halber, nicht genug empfohlen werden.

Neueste Posten.

× München, 8 März. Der Minister des Auswärtigen, Graf
Bray, ist gestern aus Versailles hieher zurückgekehrt. Ob derselbe auch an
den Friedensunterhandlungen in Brüssel theilnehmen wird, ist noch unbe-
stimmt. -- Die Ankunft des Prinzen Luitpold wird heut Abends erwartet.
Jn dem Palast des Prinzen sind alle Vorbereitungen zu einem feierlichen
Empfange getroffen. -- Alle in Bayern internirten französischen Gefangenen
aus dem Civilstand ( Francs=Tireurs ) , Mobilgarden und Nationalgarden,
erhalten die Erlaubniß sofort in ihre Heimath zurückzukehren, wenn sie die
hiezu nöthigen Mittel besitzen. Die Unbemittelten der genannten Kategorien
werden später auf Kosten der franz. Regierung in ihre Heimath befördert,
und erst hierauf wird der Transport der gefangenen Linientruppen erfolgen.
-- Die k. bayer. Regierung hat den von der Schweiz für die aus Paris aus-
gewiesenen bayerischen Staatsangehörigen verausgabten Betrag von
49,211 Frcs. 29 Cent. der Eidgenossenschaft bereits zurückerstattet. Bei
diesem Anlasse hat der bayerische Geschäftsträger der Schweiz, deren Be-
hörden und Consulaten in Frankreich für die bethätigte freundnachbarliche
Hülfe die aufrichtigste Anerkennung und den wärmsten Dank ausgesprochen.
-- Der Rath im Ministerium des Jnnern C. v. Nar, bis zum Beginn des
gegenwärtigen Landtages lange Jahre Mitglied der Kammer der Abge-
ordneten, bekannt durch seine Erfahrungen und literarischen Leistungen im
Gebiete der Administration, ist im Alter von 64 Jahren gestorben.

* Augsburg, 8 März. Eine neuerliche Meldung über die noch
ausstehenden Wahlen läßt nur noch das Ergebniß in Kitzingen unentschie-
den, wo „wahrscheinlich“ Kaufmann Fischer von Marktbreit ( lib. ) die
Oberhand behalten werde. Jn Lohr ist Fürst Karl Löwenstein=Rosenberg
( patr. ) mit 7424 von 13,960 Stimmen, in Deggendorf Frhr. v. Hafen-
brädl ( patr. ) , in Rothenburg a. T. Dr. Marq. Barth ( lib. ) mit 9601 von
11,645 Stimmen, in Erlangen=Fürth Professor Marquardsen ( lib. ) definitiv
gewählt.

* Breslau, 6 März. Aus Anlaß der in verschiedenen Blättern
gegen den Hrn. Fürstbischof Dr. Förster erfolgten Angriffe hatte kürzlich
[Spaltenumbruch] eine Versammlung von Katholiken beschlossen demselben eine Ergebenheits-
Adresse darzubringen. Die Ueberreichung dieser Adresse fand gestern unter
Betheiligung von weit über 1000 Katholiken, welche in feierlichem Zuge
sich nach der fürstbischöflichen Residenz begaben, durch eine Deputation
statt. Der Fürstbischof sprach den Anwesenden seinen Dank aus, indem
er auf die der Kirche bevorstehenden Anfeindungen hinwies, und ertheilte
schließlich seinen Segen.

Straßburg. 6 März. Jhre kk. HH. die Großherzoge von Mecklen-
burg=Schwerin und Oldenburg, der Herzog von Meiningen und der Land-
graf von Hessen sind gestern auf der Rückkehr vom Kriegsschauplatz durch
unsere Stadt gekommen. -- J. k. H. die Frau Großherzogin von Baden
weilte heute incognito in Straßburg. -- Die HH. Graf Bray, Baron
Wächter und Staatsminister Jolly, welche als Vertreter der süddeutschen
Staaten die Friedenspräliminarien unterzeichnet haben, treffen heute
Abend auf der Rückreise nach Deutschland hier ein. -- Die Leiche des ver-
storbenen Maires Hrn. Küß wird heute Abend von Bordeaux hier ankom-
men. ( Straßb. Ztg. )

Verschiedenes.

sym10 Wien, 5 März. Jn hiesigen literarischen Kreisen wird einer neuen
Dichtung von dem sowohl durch seine deutschen als durch seine italienischen
Dichtungen in weitern Kreisen bekannten Cajetan Cerri, die eben unter dem
Titel „ Gottlieb, ein Stillleben “ bei Engelmann in Leipzig erschienen,
Aufmerksamkeit geschenkt, was hier bei Erscheinungen die nicht durch An-
preisungen hinaufgeschraubt wurden, namentlich in unserer bewegten Zeit, viel
sagen will. Vielleicht ist es gerade seine Anspruchslosigkeit welcher der Dichter
diese Beachtung zunächst verdankt, die dieses „Stillleben“ aber auch wirklich
verdient. Der Gegensatz eines unbekümmert um das Treiben der modernen
Gesellschaft und ihre Corruption sich bescheiden seiner Kunst hingebenden Dichters
zu dem geschäftigen Leben der Großstadt, in welcher das Streben rasch reich
und bekannt zu werden auf der Tagesordnung steht, ist ein so großer, daß seine
Schilderung -- und dieser sind die warm empfundenen Verse dieser Jdylle, in
welcher der Dichter sich selbst zu schildern scheint, gewidmet -- eine tiefe Wirkung
machen muß. Diese Wirkung wird dadurch gefördert daß sich in der Dichtung
mit der idealistischen Verherrlichung des dichterischen Schaffens, dem der „arme
Poet“ lebt, eine herbe Geißelung des realistischen Zugs paart der sich in unserem
socialen und literarischen Leben kundgibt.

Telegraphische Berichte.

( * ) Paris, 6 März. Die Behörden treffen energische Vorsichts-
maßregeln, um der Wiederkehr von Unordnungen vorzubeugen. Die
Rückkehr der mobilisirten Nationalgarde in die Departements hat heute
begonnen. Die zur Verstärkung der Garnison bestimmten Truppen sind
eingetroffen.

( * ) Paris, 7 März, Morgens. Die „Amtszeitung“ veröffentlicht
einen Tagesbefehl des Generals Aurelles de Paladine, worin er die guten
Bürger auffordert ihn zu unterstützen. Ordnung allein könne den Wohl-
stand zurückführen. Er sei entschlossen jeden Angriff auf die öffentliche
Ordnung energisch zurückzuweisen. -- Das „J. de Débats “ weist nach
daß die Störer der Ordnung in der gegenwärtigen Lage und diejenigen
welche die Wiederaufnahme der Ordnung hindern, die wahren Feinde der
Republik seien. -- Dem „Electeur Libre“ zufolge ist die Lage besser. Es
sei zu hoffen daß das allgemeine Verlangen nach Ruhe und Arbeit der
Aufregung bald ein Ende machen werde.

* Paris, 8 März. ( Officiell. ) Der Finanzminister Pouyer=Quer-
tier ist hier eingetroffen.

( * ) Bordeaux, 7 März. Nationalversammlung. Jules Favre er-
klärt mittelst Schreibens daß er die Wahl für das Rhone=Departement an-
nehme. Auf Verlangen Germains, bezüglich der von der Bank von Frank-
reich erhobenen Darlehen wieder den gesetzlichen Zustand herbeizuführen
erklärt der Minister Jules Simon: die Negierung beschäftige sich lebhaft
damit in jeder Beziehung wieder die gesetzliche Ordnung zurückzuführen.
Ein Deputirter beantragt daß der den occupirten Departements durch
Contributionen und Verwüstungen zugefügte Schaden von ganz Frank-
reich zu tragen sei. Hierauf werden die Wahlprüfungen fortgesetzt. Be-
züglich der Wahlen im Departement Vaucluse beschließt die Versammlung
Untersuchung, worauf sämmtliche Deputirte dieses Departements ihre
Mandate niederlegen. Nächste Sitzung morgen. Tagesordnung: Ge-
neraldebatte über die Gültigkeit der Wahlen von Präfecten.

* Lille, 8 März. Gestern Morgen begann in Roubaix ein Strike
unter den Arbeitern, der heute größere Ausdehnung annahm aus Anlaß
der Einstellung der während der Kriegszeit gezahlten Unterstützungen.
Ernsthafte Unordnungen sind nicht vorgefallen. Die Nationalgarden pa-
trouilliren. Truppen der hiesigen Besatzung sind bereit nöthigenfalls nach
Roubaix abzugehen. Jn den Arrondissements Douai und Lille ist die
Rinderseuche ausgebrochen.

( * ) Orleans, 6 März. Heute fand unter dem Vorsitze des Bischofs
Dupanloup eine Versammlung der Orleanisten und Legitimisten statt, um
eine Vereinigung der beiden Zweige der Bourbons anzustreben.

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[1148/0012] die römischen uns modernen Menschen immer am nächsten stehen werden, und unter ihnen ist Livius der welcher mit unserer Zeit die meisten Berüh- rungen hat. Tacitus ist vielleicht ein ebenso großes Talent wie Livius, aber er hat Rom nur in seinem beginnenden Verfall und von seiner dunkeln Seite her gekannt. Seine Geschichte enthält einzelne große sittliche Züge, die aber nur in Opposition zu dem überall herrschenden Verderben hervor- treten. Sie sind wie Blitze die einen Abgrund erhellen. Die römische Kaisergeschichte ist, ungeachtet einzelner Lichtpunkte, als Ganzes betrachtet das Nachtstück im Leben der Menschheit. Tacitus, der große Darsteller dieser Epoche, eignet sich deßhalb weniger als Livius für die Jugend, deren Anschauungsweise durch das Vorführen moralischer und politischer Jdeale, an denen die ersten Jahrhunderte der römischen Republik so reich gewesen sind, gebildet werden muß, aber nicht durch eine übergroße Fülle von tra- gischen Gräueln, wie unter den Kaisern, verdüstert werden darf. Niebuhr sagt einmal daß das was ihn zur römischen Geschichte gezogen habe, besonders der Umstand gewesen sei daß kein anderes Volk alter und neuer Zeit sich so vollständig ausgelebt und alle Seiten des Daseins so charakteristisch entwickelt habe. Er hätte noch hinzusetzen können -- und dieß ist für uns wohl das wichtigste -- daß kein anderes Volk auf die Nachwelt einen so tiefen und unauslöschlichen Eindruck wie das römische zurückge- lassen hat. Der Ursprung der romanischen Nationen weist auf die Sieben- hügelstadt zurück; von dort aus ist ein großer Theil der Erde christianisirt worden; die katholische Kirche hat von da ihre Sprache und gar manches in den Formen ihres Cultus entlehnt. Die Fundamente zu fast allen civil=, staats= und völkerrechtlichen Bestimmungen sind im alten Rom zu suchen. Und wie vieles ist nicht in unserer heutigen Sprache und An- schauungsweise aus jener Zeit auf uns übergegangen! Namen und Be- griffe die jetzt in jedermanns Munde sind, Republik, Senat, Senatscon- sult, Patricier, Plebejer, Plebiscit, Comitien, Census, Proletarier u. s. w., sind von den Römern zu uns gekommen und haben eine erneuerte Bedeu- tung gefunden. Selbst die verderbteste Form des römischen Staatslebens, der Cäsarismus, ist in dem französischen Kaiserthum wieder aufgelebt. Paul Goldschmidts „Geschichten aus Livius“ umfassen die römische Historie von Anfang an bis zur Zerstörung Carthago's. Die Lücken in Livius sind aus Polybius, Dionys von Halicarnaß, Plutarch und Appian ergänzt worden. Das Ganze ist musterhaft klar und fließend geschrieben. Man wird nie, was die Form betrifft, durch Härten oder Unbeholfenheiten erinnert daß es eine Uebersetzung ist, und doch scheint durch sie der eigen- thümliche Farbenton des Originals wieder. Deßhalb werden auch die Leser welche mit den Quellen der alten römischen Geschichte bekannt sind, diese treue und geschmackvolle Uebertragung mit Befriedigung aus der Hand legen. Der gebildeten Jugend können diese „Geschichten aus Livius,“ wegen des Reichthums an Jdeen und Thatsachen die sie enthalten, und der reinen schönen Darstellung halber, nicht genug empfohlen werden. Neueste Posten. × München, 8 März. Der Minister des Auswärtigen, Graf Bray, ist gestern aus Versailles hieher zurückgekehrt. Ob derselbe auch an den Friedensunterhandlungen in Brüssel theilnehmen wird, ist noch unbe- stimmt. -- Die Ankunft des Prinzen Luitpold wird heut Abends erwartet. Jn dem Palast des Prinzen sind alle Vorbereitungen zu einem feierlichen Empfange getroffen. -- Alle in Bayern internirten französischen Gefangenen aus dem Civilstand ( Francs=Tireurs ) , Mobilgarden und Nationalgarden, erhalten die Erlaubniß sofort in ihre Heimath zurückzukehren, wenn sie die hiezu nöthigen Mittel besitzen. Die Unbemittelten der genannten Kategorien werden später auf Kosten der franz. Regierung in ihre Heimath befördert, und erst hierauf wird der Transport der gefangenen Linientruppen erfolgen. -- Die k. bayer. Regierung hat den von der Schweiz für die aus Paris aus- gewiesenen bayerischen Staatsangehörigen verausgabten Betrag von 49,211 Frcs. 29 Cent. der Eidgenossenschaft bereits zurückerstattet. Bei diesem Anlasse hat der bayerische Geschäftsträger der Schweiz, deren Be- hörden und Consulaten in Frankreich für die bethätigte freundnachbarliche Hülfe die aufrichtigste Anerkennung und den wärmsten Dank ausgesprochen. -- Der Rath im Ministerium des Jnnern C. v. Nar, bis zum Beginn des gegenwärtigen Landtages lange Jahre Mitglied der Kammer der Abge- ordneten, bekannt durch seine Erfahrungen und literarischen Leistungen im Gebiete der Administration, ist im Alter von 64 Jahren gestorben. * Augsburg, 8 März. Eine neuerliche Meldung über die noch ausstehenden Wahlen läßt nur noch das Ergebniß in Kitzingen unentschie- den, wo „wahrscheinlich“ Kaufmann Fischer von Marktbreit ( lib. ) die Oberhand behalten werde. Jn Lohr ist Fürst Karl Löwenstein=Rosenberg ( patr. ) mit 7424 von 13,960 Stimmen, in Deggendorf Frhr. v. Hafen- brädl ( patr. ) , in Rothenburg a. T. Dr. Marq. Barth ( lib. ) mit 9601 von 11,645 Stimmen, in Erlangen=Fürth Professor Marquardsen ( lib. ) definitiv gewählt. * Breslau, 6 März. Aus Anlaß der in verschiedenen Blättern gegen den Hrn. Fürstbischof Dr. Förster erfolgten Angriffe hatte kürzlich eine Versammlung von Katholiken beschlossen demselben eine Ergebenheits- Adresse darzubringen. Die Ueberreichung dieser Adresse fand gestern unter Betheiligung von weit über 1000 Katholiken, welche in feierlichem Zuge sich nach der fürstbischöflichen Residenz begaben, durch eine Deputation statt. Der Fürstbischof sprach den Anwesenden seinen Dank aus, indem er auf die der Kirche bevorstehenden Anfeindungen hinwies, und ertheilte schließlich seinen Segen. Straßburg. 6 März. Jhre kk. HH. die Großherzoge von Mecklen- burg=Schwerin und Oldenburg, der Herzog von Meiningen und der Land- graf von Hessen sind gestern auf der Rückkehr vom Kriegsschauplatz durch unsere Stadt gekommen. -- J. k. H. die Frau Großherzogin von Baden weilte heute incognito in Straßburg. -- Die HH. Graf Bray, Baron Wächter und Staatsminister Jolly, welche als Vertreter der süddeutschen Staaten die Friedenspräliminarien unterzeichnet haben, treffen heute Abend auf der Rückreise nach Deutschland hier ein. -- Die Leiche des ver- storbenen Maires Hrn. Küß wird heute Abend von Bordeaux hier ankom- men. ( Straßb. Ztg. ) Verschiedenes. sym10 Wien, 5 März. Jn hiesigen literarischen Kreisen wird einer neuen Dichtung von dem sowohl durch seine deutschen als durch seine italienischen Dichtungen in weitern Kreisen bekannten Cajetan Cerri, die eben unter dem Titel „ Gottlieb, ein Stillleben “ bei Engelmann in Leipzig erschienen, Aufmerksamkeit geschenkt, was hier bei Erscheinungen die nicht durch An- preisungen hinaufgeschraubt wurden, namentlich in unserer bewegten Zeit, viel sagen will. Vielleicht ist es gerade seine Anspruchslosigkeit welcher der Dichter diese Beachtung zunächst verdankt, die dieses „Stillleben“ aber auch wirklich verdient. Der Gegensatz eines unbekümmert um das Treiben der modernen Gesellschaft und ihre Corruption sich bescheiden seiner Kunst hingebenden Dichters zu dem geschäftigen Leben der Großstadt, in welcher das Streben rasch reich und bekannt zu werden auf der Tagesordnung steht, ist ein so großer, daß seine Schilderung -- und dieser sind die warm empfundenen Verse dieser Jdylle, in welcher der Dichter sich selbst zu schildern scheint, gewidmet -- eine tiefe Wirkung machen muß. Diese Wirkung wird dadurch gefördert daß sich in der Dichtung mit der idealistischen Verherrlichung des dichterischen Schaffens, dem der „arme Poet“ lebt, eine herbe Geißelung des realistischen Zugs paart der sich in unserem socialen und literarischen Leben kundgibt. Telegraphische Berichte. ( * ) Paris, 6 März. Die Behörden treffen energische Vorsichts- maßregeln, um der Wiederkehr von Unordnungen vorzubeugen. Die Rückkehr der mobilisirten Nationalgarde in die Departements hat heute begonnen. Die zur Verstärkung der Garnison bestimmten Truppen sind eingetroffen. ( * ) Paris, 7 März, Morgens. Die „Amtszeitung“ veröffentlicht einen Tagesbefehl des Generals Aurelles de Paladine, worin er die guten Bürger auffordert ihn zu unterstützen. Ordnung allein könne den Wohl- stand zurückführen. Er sei entschlossen jeden Angriff auf die öffentliche Ordnung energisch zurückzuweisen. -- Das „J. de Débats “ weist nach daß die Störer der Ordnung in der gegenwärtigen Lage und diejenigen welche die Wiederaufnahme der Ordnung hindern, die wahren Feinde der Republik seien. -- Dem „Electeur Libre“ zufolge ist die Lage besser. Es sei zu hoffen daß das allgemeine Verlangen nach Ruhe und Arbeit der Aufregung bald ein Ende machen werde. * Paris, 8 März. ( Officiell. ) Der Finanzminister Pouyer=Quer- tier ist hier eingetroffen. ( * ) Bordeaux, 7 März. Nationalversammlung. Jules Favre er- klärt mittelst Schreibens daß er die Wahl für das Rhone=Departement an- nehme. Auf Verlangen Germains, bezüglich der von der Bank von Frank- reich erhobenen Darlehen wieder den gesetzlichen Zustand herbeizuführen erklärt der Minister Jules Simon: die Negierung beschäftige sich lebhaft damit in jeder Beziehung wieder die gesetzliche Ordnung zurückzuführen. Ein Deputirter beantragt daß der den occupirten Departements durch Contributionen und Verwüstungen zugefügte Schaden von ganz Frank- reich zu tragen sei. Hierauf werden die Wahlprüfungen fortgesetzt. Be- züglich der Wahlen im Departement Vaucluse beschließt die Versammlung Untersuchung, worauf sämmtliche Deputirte dieses Departements ihre Mandate niederlegen. Nächste Sitzung morgen. Tagesordnung: Ge- neraldebatte über die Gültigkeit der Wahlen von Präfecten. * Lille, 8 März. Gestern Morgen begann in Roubaix ein Strike unter den Arbeitern, der heute größere Ausdehnung annahm aus Anlaß der Einstellung der während der Kriegszeit gezahlten Unterstützungen. Ernsthafte Unordnungen sind nicht vorgefallen. Die Nationalgarden pa- trouilliren. Truppen der hiesigen Besatzung sind bereit nöthigenfalls nach Roubaix abzugehen. Jn den Arrondissements Douai und Lille ist die Rinderseuche ausgebrochen. ( * ) Orleans, 6 März. Heute fand unter dem Vorsitze des Bischofs Dupanloup eine Versammlung der Orleanisten und Legitimisten statt, um eine Vereinigung der beiden Zweige der Bourbons anzustreben.

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  • rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert.
  • Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert.
  • Vollständigkeit: vollständig erfasst.
  • Zeichensetzung: DTABf-getreu.



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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 68. Augsburg (Bayern), 9. März 1871, S. 1148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_augsburg68_1871/12>, abgerufen am 24.04.2024.