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Allgemeine Zeitung. Nr. 68. Augsburg (Bayern), 9. März 1871.

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[Spaltenumbruch] und die ungesäumte Besetzung derselben mit Tschechen bezeichnet. Es
wäre dieß, wie die tschechischen Organe selbst eingestehen, ein Bruch mit
dem rechtlichen Vorgang, nach welchem für jedes Fach ein Privatdocent
zugelassen und, wenn sich seine Fähigkeit sowie das Bedürfniß nach einer
ordentlichen Lehrkanzel herausstellt, zum ordentlichen Professor befördert
wird. Auf diesem gewöhnlichen Weg, erklären die Tschechen, kommen wir
zu nichts; es [unleserliches Material - 6 Zeichen fehlen]müssen sofort ordentliche besoldete Professoren angestellt wer-
den. Dieses Verlangen ist sehr erklärlich. Die tschechischen Privatdocen-
ten finden in den seltensten Fällen hinreichend Zuhörer um ein halbwegs
nennenswerthes Collegiengeld zu beziehen; es ist eben das Bedürfniß nach
tschechischen Collegien nicht vorhanden, und jeder Docent liest lieber deutsch,
wie wir denn zahlreiche Beispiele haben daß Professoren welche ausdrück-
lich für die tschechische Vortragssprache angestellt wurden nebenbei deutsch
lesen, um ihre Bezüge zu verbessern, so der tschechische Historiker Tomek,
der neben drei deutschen Geschichtsprofessoren auch noch deutsche Collegien
liest. Und ein Mitglied des gegenwärtigen Ministeriums, der Justiz-
minister * ), konnte, als er noch an der Prager Universität den Civilproceß
vortrug, nie dazu bewogen werden seine Vorlesungen in tschechischer
Sprache zu halten. Diesem Mangel an Zuhörern, und folgerichtig an
Einnahmen, soll nun in äußerst praktischer Weise durch die Creirung be-
soldeter Professoren abgeholfen werden. Weil kein Bedürfniß nach tsche-
chischen Vorlesungen vorhanden ist, soll der Staat für jedes Fach einen
ordentlichen tschechischen Professor aufstellen und bezahlen, der sich dann
um Collegiengelder weniger zu kümmern hat, da seine Stellung durch Ge-
halt gesichert ist.

Wir wollen auf das Maßlose dieser Logik nicht näher eingehen; es
liegt auf der Hand daß auf diese Weise nur eine Reihe von Sinecuren für
tschechische Gelehrte geschaffen werden soll, und wenn es nichts weiter auf
sich hätte -- wir würden wahrhaftig nicht eine Sylbe dagegen sprechen.
Die Tschechen, die sich immer als die Unterdrückten darzustellen lieben,
und namentlich in der Universitätsfrage sich wieder auf die Verkürzten
hinausspielen, haben herzlich wenig Grund dazu; ein Blick auf unsere
Universitätsverhältnisse zeigt dieß deutlich. Als es sich darum handelte
tschechische Lehrkanzeln zu schaffen, und man Umschau hielt unter den vor-
räthigen Kräften, zeigte es sich daß die einzig brauchbaren nicht einmal den
akademischen Doctorgrad besaßen, und man sah von dieser sonst unerläß-
lichen Bedingung ab, so daß wir vier ordentliche Professoren haben die
nicht einmal Doctoren sind, den Historiker Tomek, den Archäologen Wotzel,
die Philologen Hattala und Kwiczala. Jetzt declamiren die Nationalen
wieder daß die in Unzahl vorhandenen tschechischen Gelehrten keine Stel-
lung erringen können, und wenn man nach dieser Unzahl fragt, nennen sie
einige Professoren des Polytechnikums als Aspiranten für akademische
Lehrkanzeln. Es liegt uns fern einer kleinen Nationalität ihren empfind-
lichen Mangel an wissenschaftlichen und productiven Kräften vorzuhalten,
selbst wenn diese Nationalität in eitelster Selbstverblendung den deutschen
Geist und die deutsche Wissenschaft, denen sie einzig verdankt was sie jetzt
hat und ist, begeifert. Glauben die Tschechen daß sie eine Universität
brauchen -- in Gottesnamen, kein Deutscher hat etwas dagegen.

Das Cabinet Hohenwart scheint geneigt den Nationalitäten Conces-
sionen zu machen, in der freilich schon oft als eitel befundenen Hoffnung
sie dadurch zu gewinnen. Die Tschechen wollen eine Universität, Minister
Jiretschek gebe sie ihnen. Aber zu einem lasse sich Minister Jiretschek
ja nicht verleiten durch die nationalen Sirenenstimmen; er versuche sich
nicht an der Tschechisirung der bestehenden Universität. Das Eingehen
auf die gegenwärtigen Forderungen der Tschechen wäre nichts anderes als
die Tschechisirung im Princip. Der Utraquismus führt nur
zur Entwürdigung und Brachlegung der Wissenschaft durch kleinliche natio-
nale Nergeleien, durch brüske Terrorisirungsgelüste, durch ewigen Hader.
Das Professorencollegium einer utraquistischen Universität müßte ein noch
schreienderes Schauspiel bieten als die gegenwärtigen erbitterten Kämpfe
der Doctorencollegien; die Pflege der Wissenschaft gienge unter im sterilen
und würdelosen Gezänk; die Hochschule würde zu dem ewig unruhigen
Herd politischer und nationaler Jntriguen.

Und hierauf sei hingewiesen -- warnend hingewiesen bei Zeiten,
denn man hört schon von Massenberufungen nationaler Professoren reden.
Wir Deutschen sind frei von jeder nationalen Unduldsamkeit; wir wenden
nichts ein gegen eine tschechische Universität, wir wollen gleichmäßig für
sie beisteuern aus unserm Säckel. Aber wogegen wir Protest erheben
würden, lauten und unaufhörlichen Protest, und wogegen ganz Deutsch-
österreich, ganz Deutschland, die ganze gebildete Welt mit uns protestiren
müßten -- das wäre die Tschechisirung der ältesten Hochschule
Deutschlands,
die Ueberantwortung einer der ehrwürdigsten und be-
deutendsten Pflegstätten deutscher Wissenschaft an ein wüstes Parteige-
[Spaltenumbruch] triebe. Nicht die Deutschen Böhmens allein würden diesen Schlag ins
Gesicht bitter empfinden, und wie ein Mann sich erheben gegen dieses
Attentat auf das deutsche Geistesleben in Böhmen. Gleichberechtigung der
Nationalitäten, aber nicht die Vergewaltigung der einen zu Gunsten
nationalen Uebermuthes!

Das Völkerrecht und der Krieg.
II.
( Schluß. )

A.S. Wir haben gesehen daß das Princip nach welchem die Bürger feind-
licher Staaten am Krieg unbetheiligt bleiben sollen, mitunter, bei dem Con-
flict in welchen Patriotismus und Civilisation gerathen können, durch-
brochen wird; aber selbst wenn dieß nicht der Fall ist, erfährt es immerhin
eine bedeutende Einschränkung. Auch jene Kriegsartikel der Vereinigten
Staaten sehen sich genöthigt sie dem Grundsatze selbst sofort hinzuzufügen.
Es geschieht in den Worten: " as much, as the exigencies of war will
admit
." Denn wenn auch jenes furchtbare Wallenstein'sche Princip: "Der
Krieg muß den Krieg ernähren," im ganzen aufgegeben ist, so kommen doch
genug Fälle vor in welchen das was in der militärischen Sprache der
Kriegszweck heißt, erfordert auch den Privaten welche die Waffen nicht er-
griffen haben Lasten aufzulegen, ja selbst sie in Gefahr des Lebens zu
bringen. Das letzte ist namentlich bei der Belagerung einer befestigten
Stadt der Fall, und wie dem abzuhelfen sei ist gar nicht abzusehen, falls
man nicht dahin gelangen sollte die Festungen in wüsten Gegenden anzu-
legen, von allem bürgerlichen Leben getrennt. Jndeß da die Festungswerke
oft dazu bestimmt sind auch ein politisch wichtiges Object, wie z. B. die
Hauptstadt, zu decken, so wäre ein solcher Plan, von allem andern abge-
sehen, doch immer nicht vollständig durchführbar. Daß das bevorstehende
Bombardement dem Befehlshaber des befestigten Platzes angezeigt werde
ist eine völkerrechtliche Sitte; gleichfalls daß dieser verpflichtet ist die Be-
wohner des ihm anvertrauten Platzes auf diese Gefahr, wie schon vorher
auf die drohende Belagerung überhaupt, aufmerksam zu machen und ihrem
Wegzug kein Hinderniß in den Weg zu legen. Der Belagerer dagegen soll
berechtigt sein diesen Wegzug zu hintertreiben, um, wie man sich ausdrückt,
"eine Pression durch die Civilisten auf die Militärgewalt auszuüben."
Das Beispiel von Straßburg steht noch zu lebhaft vor jedermanns Augen,
als daß ich nöthig hätte darzulegen welche Folgen diese Sätze nach sich
ziehen können.

Häufig genug erheischt indeß der Kriegszweck die Privaten, auch wenn
sie nicht in Festungen leben, in Anspruch zu nehmen. Um einen Rückzug
zu decken, oder den feindlichen Angriff zu erschweren, muß man zur Zer-
störung von Privatbesitzungen schreiten. Da nicht alle Bedürfnisse auf dem
Wege der Lieferung rechtzeitig herbeigeschafft werden können, ist eine Re-
quisition von Lebensmitteln für Mann und Roß, von Wagen und Pferden,
Schuhen und Kleidern unvermeidlich.

Jnwiefern für diese Leistungen eine Entschädigung zu gewähren, ist
ungewiß. Nach dem Princip über die "Nichtbetheiligung der Bürger am
Kriege" läge ein richtiger Kauf= oder Miethvertrag vor. Man weiß aber
daß mit Durchbrechung des Grundsatzes meistens jene bekannten Bons
ausgefertigt werden, deren Geldwerth, wenn es später zur Auseinander-
setzung kommt, zwischen wem sie auch stattfinde, häufig genug gleich dem
der Assignaten aus der großen Revolution befunden wird.

Auf der Gränze dieses delicaten Gebiets steht der Fall wenn fried-
liche Bürger oder Bauern des feindlichen Staats zu militärischen Arbeiten,
vielleicht zum Schanzen, gebraucht werden, wie denn die Umwohner von
Straßburg, wenn ich mich recht entsinne, unter Lebensgefahr an dem Aus-
werfen der Laufgräben helfen mußten welche ihre Festung zu Fall bringen
sollten. Das heißt gleichsam sich selbst das Grab graben.

So war auch das Mitführen von Notabeln auf den Locomotiven und
das gewaltsame Zusammentreiben von Nanziger Bürgern zum Zwecke der
Wiederherstellung der Brücke von Fontenoy ein verzweifeltes Mittel, das
wenig Präcedentien in der modernen Geschichte hat. Durch den letzt-
erwähnten Fall wird man sehr unliebsam an Davousts Verfahren in Ham-
burg erinnert, und es ist doch sehr zu bezweifeln ob der materielle Vortheil
den man augenblicklich auf diese Weise erreicht, nicht sehr bedeutend über-
wogen wird durch die Summe von Haß und Jngrimm welche in der Brust
der Geknechteten zurückbleiben.

Wenn so der Grundsatz auf schwankendem Gebiete nicht aufrecht-
erhalten werden kann, so muß es aufs schmerzlichste berühren daß er in
vielen andern Fällen, wo nicht die mindeste Nöthigung vorlag, gröblich
verletzt ist. Diese Fälle beziehen sich wesentlich auf die Behandlung des
Privateigenthums.

Jn erster Linie steht hier die Forderung von Geldcontributionen,
wohlverstanden nicht zur Strafe, sondern rein um des Gewinnes willen.
Man wende nicht etwa ein: auch hier handle es sich, ähnlich wie bei der

* ) Hr. Habietinek ist, so viel wir wissen, Deutschböhme. D. R.

[Spaltenumbruch] und die ungesäumte Besetzung derselben mit Tschechen bezeichnet. Es
wäre dieß, wie die tschechischen Organe selbst eingestehen, ein Bruch mit
dem rechtlichen Vorgang, nach welchem für jedes Fach ein Privatdocent
zugelassen und, wenn sich seine Fähigkeit sowie das Bedürfniß nach einer
ordentlichen Lehrkanzel herausstellt, zum ordentlichen Professor befördert
wird. Auf diesem gewöhnlichen Weg, erklären die Tschechen, kommen wir
zu nichts; es [unleserliches Material – 6 Zeichen fehlen]müssen sofort ordentliche besoldete Professoren angestellt wer-
den. Dieses Verlangen ist sehr erklärlich. Die tschechischen Privatdocen-
ten finden in den seltensten Fällen hinreichend Zuhörer um ein halbwegs
nennenswerthes Collegiengeld zu beziehen; es ist eben das Bedürfniß nach
tschechischen Collegien nicht vorhanden, und jeder Docent liest lieber deutsch,
wie wir denn zahlreiche Beispiele haben daß Professoren welche ausdrück-
lich für die tschechische Vortragssprache angestellt wurden nebenbei deutsch
lesen, um ihre Bezüge zu verbessern, so der tschechische Historiker Tomek,
der neben drei deutschen Geschichtsprofessoren auch noch deutsche Collegien
liest. Und ein Mitglied des gegenwärtigen Ministeriums, der Justiz-
minister * ), konnte, als er noch an der Prager Universität den Civilproceß
vortrug, nie dazu bewogen werden seine Vorlesungen in tschechischer
Sprache zu halten. Diesem Mangel an Zuhörern, und folgerichtig an
Einnahmen, soll nun in äußerst praktischer Weise durch die Creirung be-
soldeter Professoren abgeholfen werden. Weil kein Bedürfniß nach tsche-
chischen Vorlesungen vorhanden ist, soll der Staat für jedes Fach einen
ordentlichen tschechischen Professor aufstellen und bezahlen, der sich dann
um Collegiengelder weniger zu kümmern hat, da seine Stellung durch Ge-
halt gesichert ist.

Wir wollen auf das Maßlose dieser Logik nicht näher eingehen; es
liegt auf der Hand daß auf diese Weise nur eine Reihe von Sinecuren für
tschechische Gelehrte geschaffen werden soll, und wenn es nichts weiter auf
sich hätte -- wir würden wahrhaftig nicht eine Sylbe dagegen sprechen.
Die Tschechen, die sich immer als die Unterdrückten darzustellen lieben,
und namentlich in der Universitätsfrage sich wieder auf die Verkürzten
hinausspielen, haben herzlich wenig Grund dazu; ein Blick auf unsere
Universitätsverhältnisse zeigt dieß deutlich. Als es sich darum handelte
tschechische Lehrkanzeln zu schaffen, und man Umschau hielt unter den vor-
räthigen Kräften, zeigte es sich daß die einzig brauchbaren nicht einmal den
akademischen Doctorgrad besaßen, und man sah von dieser sonst unerläß-
lichen Bedingung ab, so daß wir vier ordentliche Professoren haben die
nicht einmal Doctoren sind, den Historiker Tomek, den Archäologen Wotzel,
die Philologen Hattala und Kwiczala. Jetzt declamiren die Nationalen
wieder daß die in Unzahl vorhandenen tschechischen Gelehrten keine Stel-
lung erringen können, und wenn man nach dieser Unzahl fragt, nennen sie
einige Professoren des Polytechnikums als Aspiranten für akademische
Lehrkanzeln. Es liegt uns fern einer kleinen Nationalität ihren empfind-
lichen Mangel an wissenschaftlichen und productiven Kräften vorzuhalten,
selbst wenn diese Nationalität in eitelster Selbstverblendung den deutschen
Geist und die deutsche Wissenschaft, denen sie einzig verdankt was sie jetzt
hat und ist, begeifert. Glauben die Tschechen daß sie eine Universität
brauchen -- in Gottesnamen, kein Deutscher hat etwas dagegen.

Das Cabinet Hohenwart scheint geneigt den Nationalitäten Conces-
sionen zu machen, in der freilich schon oft als eitel befundenen Hoffnung
sie dadurch zu gewinnen. Die Tschechen wollen eine Universität, Minister
Jiretschek gebe sie ihnen. Aber zu einem lasse sich Minister Jiretschek
ja nicht verleiten durch die nationalen Sirenenstimmen; er versuche sich
nicht an der Tschechisirung der bestehenden Universität. Das Eingehen
auf die gegenwärtigen Forderungen der Tschechen wäre nichts anderes als
die Tschechisirung im Princip. Der Utraquismus führt nur
zur Entwürdigung und Brachlegung der Wissenschaft durch kleinliche natio-
nale Nergeleien, durch brüske Terrorisirungsgelüste, durch ewigen Hader.
Das Professorencollegium einer utraquistischen Universität müßte ein noch
schreienderes Schauspiel bieten als die gegenwärtigen erbitterten Kämpfe
der Doctorencollegien; die Pflege der Wissenschaft gienge unter im sterilen
und würdelosen Gezänk; die Hochschule würde zu dem ewig unruhigen
Herd politischer und nationaler Jntriguen.

Und hierauf sei hingewiesen -- warnend hingewiesen bei Zeiten,
denn man hört schon von Massenberufungen nationaler Professoren reden.
Wir Deutschen sind frei von jeder nationalen Unduldsamkeit; wir wenden
nichts ein gegen eine tschechische Universität, wir wollen gleichmäßig für
sie beisteuern aus unserm Säckel. Aber wogegen wir Protest erheben
würden, lauten und unaufhörlichen Protest, und wogegen ganz Deutsch-
österreich, ganz Deutschland, die ganze gebildete Welt mit uns protestiren
müßten -- das wäre die Tschechisirung der ältesten Hochschule
Deutschlands,
die Ueberantwortung einer der ehrwürdigsten und be-
deutendsten Pflegstätten deutscher Wissenschaft an ein wüstes Parteige-
[Spaltenumbruch] triebe. Nicht die Deutschen Böhmens allein würden diesen Schlag ins
Gesicht bitter empfinden, und wie ein Mann sich erheben gegen dieses
Attentat auf das deutsche Geistesleben in Böhmen. Gleichberechtigung der
Nationalitäten, aber nicht die Vergewaltigung der einen zu Gunsten
nationalen Uebermuthes!

Das Völkerrecht und der Krieg.
II.
( Schluß. )

A.S. Wir haben gesehen daß das Princip nach welchem die Bürger feind-
licher Staaten am Krieg unbetheiligt bleiben sollen, mitunter, bei dem Con-
flict in welchen Patriotismus und Civilisation gerathen können, durch-
brochen wird; aber selbst wenn dieß nicht der Fall ist, erfährt es immerhin
eine bedeutende Einschränkung. Auch jene Kriegsartikel der Vereinigten
Staaten sehen sich genöthigt sie dem Grundsatze selbst sofort hinzuzufügen.
Es geschieht in den Worten: „ as much, as the exigencies of war will
admit
.“ Denn wenn auch jenes furchtbare Wallenstein'sche Princip: „Der
Krieg muß den Krieg ernähren,“ im ganzen aufgegeben ist, so kommen doch
genug Fälle vor in welchen das was in der militärischen Sprache der
Kriegszweck heißt, erfordert auch den Privaten welche die Waffen nicht er-
griffen haben Lasten aufzulegen, ja selbst sie in Gefahr des Lebens zu
bringen. Das letzte ist namentlich bei der Belagerung einer befestigten
Stadt der Fall, und wie dem abzuhelfen sei ist gar nicht abzusehen, falls
man nicht dahin gelangen sollte die Festungen in wüsten Gegenden anzu-
legen, von allem bürgerlichen Leben getrennt. Jndeß da die Festungswerke
oft dazu bestimmt sind auch ein politisch wichtiges Object, wie z. B. die
Hauptstadt, zu decken, so wäre ein solcher Plan, von allem andern abge-
sehen, doch immer nicht vollständig durchführbar. Daß das bevorstehende
Bombardement dem Befehlshaber des befestigten Platzes angezeigt werde
ist eine völkerrechtliche Sitte; gleichfalls daß dieser verpflichtet ist die Be-
wohner des ihm anvertrauten Platzes auf diese Gefahr, wie schon vorher
auf die drohende Belagerung überhaupt, aufmerksam zu machen und ihrem
Wegzug kein Hinderniß in den Weg zu legen. Der Belagerer dagegen soll
berechtigt sein diesen Wegzug zu hintertreiben, um, wie man sich ausdrückt,
„eine Pression durch die Civilisten auf die Militärgewalt auszuüben.“
Das Beispiel von Straßburg steht noch zu lebhaft vor jedermanns Augen,
als daß ich nöthig hätte darzulegen welche Folgen diese Sätze nach sich
ziehen können.

Häufig genug erheischt indeß der Kriegszweck die Privaten, auch wenn
sie nicht in Festungen leben, in Anspruch zu nehmen. Um einen Rückzug
zu decken, oder den feindlichen Angriff zu erschweren, muß man zur Zer-
störung von Privatbesitzungen schreiten. Da nicht alle Bedürfnisse auf dem
Wege der Lieferung rechtzeitig herbeigeschafft werden können, ist eine Re-
quisition von Lebensmitteln für Mann und Roß, von Wagen und Pferden,
Schuhen und Kleidern unvermeidlich.

Jnwiefern für diese Leistungen eine Entschädigung zu gewähren, ist
ungewiß. Nach dem Princip über die „Nichtbetheiligung der Bürger am
Kriege“ läge ein richtiger Kauf= oder Miethvertrag vor. Man weiß aber
daß mit Durchbrechung des Grundsatzes meistens jene bekannten Bons
ausgefertigt werden, deren Geldwerth, wenn es später zur Auseinander-
setzung kommt, zwischen wem sie auch stattfinde, häufig genug gleich dem
der Assignaten aus der großen Revolution befunden wird.

Auf der Gränze dieses delicaten Gebiets steht der Fall wenn fried-
liche Bürger oder Bauern des feindlichen Staats zu militärischen Arbeiten,
vielleicht zum Schanzen, gebraucht werden, wie denn die Umwohner von
Straßburg, wenn ich mich recht entsinne, unter Lebensgefahr an dem Aus-
werfen der Laufgräben helfen mußten welche ihre Festung zu Fall bringen
sollten. Das heißt gleichsam sich selbst das Grab graben.

So war auch das Mitführen von Notabeln auf den Locomotiven und
das gewaltsame Zusammentreiben von Nanziger Bürgern zum Zwecke der
Wiederherstellung der Brücke von Fontenoy ein verzweifeltes Mittel, das
wenig Präcedentien in der modernen Geschichte hat. Durch den letzt-
erwähnten Fall wird man sehr unliebsam an Davousts Verfahren in Ham-
burg erinnert, und es ist doch sehr zu bezweifeln ob der materielle Vortheil
den man augenblicklich auf diese Weise erreicht, nicht sehr bedeutend über-
wogen wird durch die Summe von Haß und Jngrimm welche in der Brust
der Geknechteten zurückbleiben.

Wenn so der Grundsatz auf schwankendem Gebiete nicht aufrecht-
erhalten werden kann, so muß es aufs schmerzlichste berühren daß er in
vielen andern Fällen, wo nicht die mindeste Nöthigung vorlag, gröblich
verletzt ist. Diese Fälle beziehen sich wesentlich auf die Behandlung des
Privateigenthums.

Jn erster Linie steht hier die Forderung von Geldcontributionen,
wohlverstanden nicht zur Strafe, sondern rein um des Gewinnes willen.
Man wende nicht etwa ein: auch hier handle es sich, ähnlich wie bei der

* ) Hr. Habietinek ist, so viel wir wissen, Deutschböhme. D. R.
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[1146/0010] und die ungesäumte Besetzung derselben mit Tschechen bezeichnet. Es wäre dieß, wie die tschechischen Organe selbst eingestehen, ein Bruch mit dem rechtlichen Vorgang, nach welchem für jedes Fach ein Privatdocent zugelassen und, wenn sich seine Fähigkeit sowie das Bedürfniß nach einer ordentlichen Lehrkanzel herausstellt, zum ordentlichen Professor befördert wird. Auf diesem gewöhnlichen Weg, erklären die Tschechen, kommen wir zu nichts; es ______müssen sofort ordentliche besoldete Professoren angestellt wer- den. Dieses Verlangen ist sehr erklärlich. Die tschechischen Privatdocen- ten finden in den seltensten Fällen hinreichend Zuhörer um ein halbwegs nennenswerthes Collegiengeld zu beziehen; es ist eben das Bedürfniß nach tschechischen Collegien nicht vorhanden, und jeder Docent liest lieber deutsch, wie wir denn zahlreiche Beispiele haben daß Professoren welche ausdrück- lich für die tschechische Vortragssprache angestellt wurden nebenbei deutsch lesen, um ihre Bezüge zu verbessern, so der tschechische Historiker Tomek, der neben drei deutschen Geschichtsprofessoren auch noch deutsche Collegien liest. Und ein Mitglied des gegenwärtigen Ministeriums, der Justiz- minister * ), konnte, als er noch an der Prager Universität den Civilproceß vortrug, nie dazu bewogen werden seine Vorlesungen in tschechischer Sprache zu halten. Diesem Mangel an Zuhörern, und folgerichtig an Einnahmen, soll nun in äußerst praktischer Weise durch die Creirung be- soldeter Professoren abgeholfen werden. Weil kein Bedürfniß nach tsche- chischen Vorlesungen vorhanden ist, soll der Staat für jedes Fach einen ordentlichen tschechischen Professor aufstellen und bezahlen, der sich dann um Collegiengelder weniger zu kümmern hat, da seine Stellung durch Ge- halt gesichert ist. Wir wollen auf das Maßlose dieser Logik nicht näher eingehen; es liegt auf der Hand daß auf diese Weise nur eine Reihe von Sinecuren für tschechische Gelehrte geschaffen werden soll, und wenn es nichts weiter auf sich hätte -- wir würden wahrhaftig nicht eine Sylbe dagegen sprechen. Die Tschechen, die sich immer als die Unterdrückten darzustellen lieben, und namentlich in der Universitätsfrage sich wieder auf die Verkürzten hinausspielen, haben herzlich wenig Grund dazu; ein Blick auf unsere Universitätsverhältnisse zeigt dieß deutlich. Als es sich darum handelte tschechische Lehrkanzeln zu schaffen, und man Umschau hielt unter den vor- räthigen Kräften, zeigte es sich daß die einzig brauchbaren nicht einmal den akademischen Doctorgrad besaßen, und man sah von dieser sonst unerläß- lichen Bedingung ab, so daß wir vier ordentliche Professoren haben die nicht einmal Doctoren sind, den Historiker Tomek, den Archäologen Wotzel, die Philologen Hattala und Kwiczala. Jetzt declamiren die Nationalen wieder daß die in Unzahl vorhandenen tschechischen Gelehrten keine Stel- lung erringen können, und wenn man nach dieser Unzahl fragt, nennen sie einige Professoren des Polytechnikums als Aspiranten für akademische Lehrkanzeln. Es liegt uns fern einer kleinen Nationalität ihren empfind- lichen Mangel an wissenschaftlichen und productiven Kräften vorzuhalten, selbst wenn diese Nationalität in eitelster Selbstverblendung den deutschen Geist und die deutsche Wissenschaft, denen sie einzig verdankt was sie jetzt hat und ist, begeifert. Glauben die Tschechen daß sie eine Universität brauchen -- in Gottesnamen, kein Deutscher hat etwas dagegen. Das Cabinet Hohenwart scheint geneigt den Nationalitäten Conces- sionen zu machen, in der freilich schon oft als eitel befundenen Hoffnung sie dadurch zu gewinnen. Die Tschechen wollen eine Universität, Minister Jiretschek gebe sie ihnen. Aber zu einem lasse sich Minister Jiretschek ja nicht verleiten durch die nationalen Sirenenstimmen; er versuche sich nicht an der Tschechisirung der bestehenden Universität. Das Eingehen auf die gegenwärtigen Forderungen der Tschechen wäre nichts anderes als die Tschechisirung im Princip. Der Utraquismus führt nur zur Entwürdigung und Brachlegung der Wissenschaft durch kleinliche natio- nale Nergeleien, durch brüske Terrorisirungsgelüste, durch ewigen Hader. Das Professorencollegium einer utraquistischen Universität müßte ein noch schreienderes Schauspiel bieten als die gegenwärtigen erbitterten Kämpfe der Doctorencollegien; die Pflege der Wissenschaft gienge unter im sterilen und würdelosen Gezänk; die Hochschule würde zu dem ewig unruhigen Herd politischer und nationaler Jntriguen. Und hierauf sei hingewiesen -- warnend hingewiesen bei Zeiten, denn man hört schon von Massenberufungen nationaler Professoren reden. Wir Deutschen sind frei von jeder nationalen Unduldsamkeit; wir wenden nichts ein gegen eine tschechische Universität, wir wollen gleichmäßig für sie beisteuern aus unserm Säckel. Aber wogegen wir Protest erheben würden, lauten und unaufhörlichen Protest, und wogegen ganz Deutsch- österreich, ganz Deutschland, die ganze gebildete Welt mit uns protestiren müßten -- das wäre die Tschechisirung der ältesten Hochschule Deutschlands, die Ueberantwortung einer der ehrwürdigsten und be- deutendsten Pflegstätten deutscher Wissenschaft an ein wüstes Parteige- triebe. Nicht die Deutschen Böhmens allein würden diesen Schlag ins Gesicht bitter empfinden, und wie ein Mann sich erheben gegen dieses Attentat auf das deutsche Geistesleben in Böhmen. Gleichberechtigung der Nationalitäten, aber nicht die Vergewaltigung der einen zu Gunsten nationalen Uebermuthes! Das Völkerrecht und der Krieg. II. ( Schluß. ) A.S. Wir haben gesehen daß das Princip nach welchem die Bürger feind- licher Staaten am Krieg unbetheiligt bleiben sollen, mitunter, bei dem Con- flict in welchen Patriotismus und Civilisation gerathen können, durch- brochen wird; aber selbst wenn dieß nicht der Fall ist, erfährt es immerhin eine bedeutende Einschränkung. Auch jene Kriegsartikel der Vereinigten Staaten sehen sich genöthigt sie dem Grundsatze selbst sofort hinzuzufügen. Es geschieht in den Worten: „ as much, as the exigencies of war will admit.“ Denn wenn auch jenes furchtbare Wallenstein'sche Princip: „Der Krieg muß den Krieg ernähren,“ im ganzen aufgegeben ist, so kommen doch genug Fälle vor in welchen das was in der militärischen Sprache der Kriegszweck heißt, erfordert auch den Privaten welche die Waffen nicht er- griffen haben Lasten aufzulegen, ja selbst sie in Gefahr des Lebens zu bringen. Das letzte ist namentlich bei der Belagerung einer befestigten Stadt der Fall, und wie dem abzuhelfen sei ist gar nicht abzusehen, falls man nicht dahin gelangen sollte die Festungen in wüsten Gegenden anzu- legen, von allem bürgerlichen Leben getrennt. Jndeß da die Festungswerke oft dazu bestimmt sind auch ein politisch wichtiges Object, wie z. B. die Hauptstadt, zu decken, so wäre ein solcher Plan, von allem andern abge- sehen, doch immer nicht vollständig durchführbar. Daß das bevorstehende Bombardement dem Befehlshaber des befestigten Platzes angezeigt werde ist eine völkerrechtliche Sitte; gleichfalls daß dieser verpflichtet ist die Be- wohner des ihm anvertrauten Platzes auf diese Gefahr, wie schon vorher auf die drohende Belagerung überhaupt, aufmerksam zu machen und ihrem Wegzug kein Hinderniß in den Weg zu legen. Der Belagerer dagegen soll berechtigt sein diesen Wegzug zu hintertreiben, um, wie man sich ausdrückt, „eine Pression durch die Civilisten auf die Militärgewalt auszuüben.“ Das Beispiel von Straßburg steht noch zu lebhaft vor jedermanns Augen, als daß ich nöthig hätte darzulegen welche Folgen diese Sätze nach sich ziehen können. Häufig genug erheischt indeß der Kriegszweck die Privaten, auch wenn sie nicht in Festungen leben, in Anspruch zu nehmen. Um einen Rückzug zu decken, oder den feindlichen Angriff zu erschweren, muß man zur Zer- störung von Privatbesitzungen schreiten. Da nicht alle Bedürfnisse auf dem Wege der Lieferung rechtzeitig herbeigeschafft werden können, ist eine Re- quisition von Lebensmitteln für Mann und Roß, von Wagen und Pferden, Schuhen und Kleidern unvermeidlich. Jnwiefern für diese Leistungen eine Entschädigung zu gewähren, ist ungewiß. Nach dem Princip über die „Nichtbetheiligung der Bürger am Kriege“ läge ein richtiger Kauf= oder Miethvertrag vor. Man weiß aber daß mit Durchbrechung des Grundsatzes meistens jene bekannten Bons ausgefertigt werden, deren Geldwerth, wenn es später zur Auseinander- setzung kommt, zwischen wem sie auch stattfinde, häufig genug gleich dem der Assignaten aus der großen Revolution befunden wird. Auf der Gränze dieses delicaten Gebiets steht der Fall wenn fried- liche Bürger oder Bauern des feindlichen Staats zu militärischen Arbeiten, vielleicht zum Schanzen, gebraucht werden, wie denn die Umwohner von Straßburg, wenn ich mich recht entsinne, unter Lebensgefahr an dem Aus- werfen der Laufgräben helfen mußten welche ihre Festung zu Fall bringen sollten. Das heißt gleichsam sich selbst das Grab graben. So war auch das Mitführen von Notabeln auf den Locomotiven und das gewaltsame Zusammentreiben von Nanziger Bürgern zum Zwecke der Wiederherstellung der Brücke von Fontenoy ein verzweifeltes Mittel, das wenig Präcedentien in der modernen Geschichte hat. Durch den letzt- erwähnten Fall wird man sehr unliebsam an Davousts Verfahren in Ham- burg erinnert, und es ist doch sehr zu bezweifeln ob der materielle Vortheil den man augenblicklich auf diese Weise erreicht, nicht sehr bedeutend über- wogen wird durch die Summe von Haß und Jngrimm welche in der Brust der Geknechteten zurückbleiben. Wenn so der Grundsatz auf schwankendem Gebiete nicht aufrecht- erhalten werden kann, so muß es aufs schmerzlichste berühren daß er in vielen andern Fällen, wo nicht die mindeste Nöthigung vorlag, gröblich verletzt ist. Diese Fälle beziehen sich wesentlich auf die Behandlung des Privateigenthums. Jn erster Linie steht hier die Forderung von Geldcontributionen, wohlverstanden nicht zur Strafe, sondern rein um des Gewinnes willen. Man wende nicht etwa ein: auch hier handle es sich, ähnlich wie bei der * ) Hr. Habietinek ist, so viel wir wissen, Deutschböhme. D. R.

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  • langes s (?): in Frakturschrift als s transkribiert, in Antiquaschrift beibehalten.
  • rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert.
  • Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert.
  • Vollständigkeit: vollständig erfasst.
  • Zeichensetzung: DTABf-getreu.



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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 68. Augsburg (Bayern), 9. März 1871, S. 1146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_augsburg68_1871/10>, abgerufen am 19.04.2024.